4.1 Übersicht zu den Good Practices

Die Good Practices werden nach den drei Bereichen „Prinzipien“, „Prozesse“ und „Menschen“ gegliedert (vgl. Abb. 4.1).

Abb. 4.1
figure 1

Übersicht zu den Good Practices

Die Implementierung der Good Practices gestaltet sich unterschiedlich aufwändig. Dies deuten die Anzahl der Sterne an: von einfach * bis umfassend ***. Erste Schritte zu einem Integritätsmanagement sind in jeder Organisation durchführbar. Die Good Practices werden nun einzeln vorgestellt und erläutert.

4.2 Good Practices im Bereich „Prinzipien“

4.2.1 Leitlinien-Workshop

Teams, aber auch ganze Organisationen, sollten sich überlegen, wie sie zusammenarbeiten wollen und die Prinzipien als Leitlinien oder Faustregeln festhalten. Insbesondere bei der Neukonstituierung von Teams oder Organisationen ist es sinnvoll, sich grundsätzliche Fragen zu stellen. Am besten klären Teams oder Organisationen ihre gemeinsame Wertebasis in einem Workshop und beantworten Fragen wie folgende:

  • Was ist uns wichtig?

  • Welche Werte gelten in der Zusammenarbeit?

  • Wie gehen wir miteinander um?

  • Wie gehen wir vor, wenn jemand Regeln nicht einhält?

  • Wie merken wir das und was machen wir dann?

Es geht in einem solchen Workshop darum, in Gedanken die realen Möglichkeiten durchzuspielen und die gemeinsamen Leitlinien der Zusammenarbeit festzulegen. Ein konkretes Beispiel dafür sind die Leitideen guter Zusammenarbeit, wie sie im ersten Kapitel beschrieben wurden (vgl. Abb. 4.2).

Abb. 4.2
figure 2

Sieben Leitideen guter Zusammenarbeit

Diese beschriebenen Leitideen könnten auch als gute Diskussionsbasis im Leitlinien-Workshop dienen.

4.2.2 Leitbild und Verhaltenskodex

Das Leitbild dient dazu, die Wertebasis einer Organisation zu verankern und gegen innen und außen zu dokumentieren. Das Leitbild verpflichtet die Organisation zu bestimmten Werten und legt das Verhalten der Organisation gegenüber den Anspruchsgruppen fest (Göbel, 2017, S. 208 ff.). Die Grundsätze des Leitbildes werden dann in einem Verhaltenskodex konkretisiert.

Natürlich sind niedergeschriebene Leitbilder noch nicht viel wert; entscheidend ist der Prozess, wie ein Leitbild erarbeitet wurde und ob die Aussagen von der Organisation auch gelebt werden. Damit es auch von der Organisation mitgetragen wird, ist es sinnvoll, das Leitbild in einem iterativen Prozess mit zunehmendem Einbezug der Mitarbeitenden zu entwickeln: Alle sollen es mittragen und nicht nur vor fertige Tatsachen gestellt werden.

Die Glaubwürdigkeit ethischer Aussagen einer Organisation kann durch verschiedene Maßnahmen unter Beweis gestellt werden:

  • Es existieren Grundsätze, Regeln, Verhaltenskodizes die Integrität betreffend.

  • Der Vorstand und die Geschäftsführung bekennen sich klar und explizit zur Integrität und kommunizieren ihren entsprechenden Willen.

  • Die Organisation kommuniziert intern wie extern über ihre Grundsätze, Regeln und Verhaltenskodizes.

  • Alle Organisationsmitglieder sind sich der Grundsätze, Regeln und Verhaltenskodizes bewusst.

  • Die Organisation hat definiert, wo in Integritätsfragen Grenzen bestehen, die nicht überschritten werden dürfen, und der Umgang mit Grenzüberschreitungen ist formal definiert.

  • Die Organisation geht transparent mit Problemen im Integritätsbereich um.

  • Die Organisation informiert proaktiv und periodisch über ethische Belange.

4.2.3 Dialog mit Anspruchsgruppen

Organisationen wie Unternehmen sind in ein Netz von Ansprüchen verschiedener Gruppen eingespannt. Die wichtigsten Anspruchsgruppen von Unternehmen sind Investoren, Mitarbeitende, Kundinnen und Kunden, Zulieferfirmen, Gewerkschaften, NGOs, Gemeinden, der Staat und die Öffentlichkeit, vertreten durch die Medien. Beim Begriff der Anspruchsgruppen lassen sich zwei Bedeutungen unterscheiden: strategische Anspruchsgruppen und ethische Anspruchsgruppen (Göbel, 2017, S. 131). Strategische Anspruchsgruppen haben die Möglichkeit, positiv oder negativ auf das Unternehmen einzuwirken und werden deshalb in Unternehmensstrategien nach ihrer Wichtigkeit berücksichtigt. Ethische Anspruchsgruppen hingegen sind jene Gruppen, auf die ein Unternehmen selbst einen positiven oder negativen Einfluss hat, abhängig davon, wie weit die Verantwortung des Unternehmens für seine Aufgaben und Handlungsfolgen reicht. So gehören beispielsweise Mitarbeitende von Zulieferbetrieben in Entwicklungsländern zu den ethischen Anspruchsgruppen, weil sie Ansprüche auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen haben, obwohl sie kaum Einfluss auf die Strategien von Unternehmen in Europa oder den USA nehmen können. Im Dialog mit Anspruchsgruppen kann eine Organisation systematisch Interessen und Ansprüche von Stakeholdern erfassen und später bei der Entscheidungsfindung abwägen. Nicht immer können Anspruchsgruppen direkt am Dialog teilnehmen. Beispiel dafür sind etwa entfernte Betroffene, zukünftige Generationen, aber auch Tiere, Pflanzen oder Landschaften. NGOs können als legitime Stellvertreterinnen solcher Anspruchsgruppen verstanden werden. Ausdiskutierte und ausgewogene Lösungen haben bessere Chancen auf eine erfolgreiche Umsetzung. Deshalb setzen Unternehmen bei ihrer Lösungssuche vermehrt auch auf die Zusammenarbeit mit NGOs.

Eine seit einigen Jahren etablierte Vorgehensweise für den Dialog unter verschiedenen Anspruchsgruppen ist die sogenannte Multi-Stakeholder-Initiative. Dabei braucht es zuerst ein gemeinsames Problemverständnis und eine Anerkennung der Verantwortlichkeiten. Dann werden in einem Memorandum of Understanding verbindlich die Ambitionen, Ziele und Zeitpläne festgelegt. Erst dann kann ein gemeinsamer Prozess auf einer Vertrauensbasis zwischen den Stakeholdern beginnen.

4.2.4 Ethikprogramme

Will eine Organisation ethische Integritätsprobleme grundsätzlicher angehen, so bieten sich umfassende Ethikprogramme an. Dabei lassen sich zwei verschiedene Ansätze und Vorgehensweisen unterscheiden: Compliance-Programme und Integritätsprogramme.

Bei Compliance-Programmen geht es darum, dass die Mitarbeitenden vorgegebene Verhaltensstandards und Gesetze einhalten. Dadurch soll unerwünschtes und kriminelles Handeln verhindert werden. Den Compliance-Programmen liegt ein Bild des Menschen zugrunde, der vor allem extrinsisch motiviert ist und durch Eigeninteresse gesteuert ist. Die Schulung der Mitarbeitenden vermittelt die klaren Regeln, die die Handlungsspielräume der Mitarbeitenden nach ethischen Maßstäben definiert. Die Einhaltung der Regeln wird überwacht und Zuwiderhandlungen werden bestraft (Göbel, 2017, S. 234 ff.).

Bei Integritätsprogrammen geht es darum, dass die Mitarbeitenden fähig werden, ethische Dilemmasituationen selbständig nach ethischen Maßstäben zu beurteilen. Dadurch soll ethisches Handeln im Unternehmen gefördert werden. Den Integritäts-Programmen liegt ein Bild des Menschen zugrunde, der ein soziales Wesen ist und vor allem intrinsisch motiviert ist. Menschen verfolgen zwar Eigeninteresse, orientieren sich aber auch an bestimmten Werten wie Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit oder Fairness. Die Schulung der Mitarbeitenden vermittelt die Fähigkeit ethische Dilemmas zu erkennen und nach persönlichen Werten und Unternehmenswerten zu handeln. Auch hier werden Verstöße gegen Unternehmenswerte bestraft (Göbel, 2017, S. 234 ff.).

Der entscheidende Unterschied zwischen Compliance- und Integritätsprogrammen besteht darin, dass erstere bei detaillierten Regelungen ansetzen und letztere bei der moralischen Kompetenz der Mitarbeitenden. Beide Arten von Programmen verfolgen aber das Ziel, ethische Probleme zu vermeiden, zu entschärfen oder zu lösen. Je nach Unternehmen ist auch eine Kombination der Programme sinnvoll. Integritätsmanagement setzt bei der moralischen Selbststeuerung der Mitarbeitenden an und anerkennt deren moralische Autonomie. Das Unternehmen darf beispielsweise keine unethischen Handlungen von Mitarbeitenden verlangen. So kann das Unternehmen von seinen Mitarbeitenden nicht verlangen, Kunden zu täuschen, auch wenn dies wirtschaftliche Vorteile bringen würde (Göbel, 2017, S. 234 ff.).

4.2.5 Internationale Ethikstandards

Der bekannteste freiwillige Standard für international tätige Firmen ist der UN Global Compact , der im Jahr 2000 ins Leben gerufen wurde. Der UN Global Compact umfasst 10 Prinzipien, die die wichtigsten Themen der Unternehmensverantwortung abdecken (vgl. Tab. 4.1).

Tab. 4.1 Die zehn Prinzipien des UN Global Compact (United Nations, o. J.)

Unternehmen, die sich der Initiative anschließen, sind verpflichtet, die 10 Prinzipien zu einem integralen Teil ihrer Geschäftsstrategien, ihrer alltäglichen Operationen und der Unternehmenskultur zu machen. Der UN Global Compact ist ein freiwilliger Standard. Eigentliche Überprüfungsmechanismen oder Sanktionen aufgrund von Verstößen sind nicht vorgesehen. Weitere Informationen sind auf der Website des UN Global Compact zu finden (United Nations, o. J.).

Während sich der UN Global Compact vor allem an große, international tätige Unternehmen richtet, gilt ISO 26000 Standard zur gesellschaftlichen Verantwortung für alle Arten von Organisationen, unabhängig von der Größe und unabhängig vom Standort. ISO 26000 wurde nach jahrelangen Vorarbeiten im Jahr 2011 als ISO-Standard publiziert, ist aber nicht zertifizierbar. ISO 26000 legte großes Gewicht auf eine ausgewogene Beteiligung der verschiedenen Anspruchsgruppen: Unternehmen, Regierungen, NGOs, Gewerkschaften, Konsumentinnen und Konsumenten Wissenschaft etc. Er soll andere Instrumente und Initiativen zur gesellschaftlichen Verantwortung ergänzen, nicht ersetzen (ISO, 2010).

Gemäß dem ISO-Standard umfasst die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen die Verantwortung für die Auswirkungen ihrer Entscheidungen und Aktivitäten auf die Gesellschaft und die Umwelt. Dabei sollen die Unternehmen die Erwartungen der Anspruchsgruppen berücksichtigen (BMAS, 2011, S. 11).

Der ISO 26000 Standard umfasst sieben Grundsätze: 1.) Rechenschaftspflicht, 2.) Transparenz, 3.) Ethisches Verhalten, 4.) Achtung der Interessen von Anspruchsgruppen, 5.) Achtung der Rechtsstaatlichkeit, 6.) Achtung internationaler Verhaltensstandards und 7.) Achtung der Menschenrechte. Zudem beschreibt ISO 26000 sieben Kernthemen, die wiederum mehrere Handlungsfelder umfassen.

4.3 Good Practices im Bereich „Prozesse“

4.3.1 Diskursive Rollenklärung

In einer integren Organisation sind die Rollen und die Verantwortlichkeiten der einzelnen Organe in Bezug auf ethische Fragen geklärt. Als Diskussionsgrundlage für die Rollenklärung eignet sich das Schema in Abb. 4.3:

Abb. 4.3
figure 3

Schema zur Rollenklärung im Integritätsmanagement

Ein Beispiel eines ausgefüllten Schemas zur Aufgabenteilung im Integritätsmanagement wurde im ersten Kapitel vorgestellt (vgl. Abschn. 1.5.7). Schon die Diskussion um Rollen, Verantwortlichkeiten und Erwartungen der verschiedenen Stufen kann eine fruchtbare und katalysierende Wirkung zeigen.

4.3.2 Regelmäßiger Reflexionsraum

Ein regelmäßiger Reflexionsraum ist die minimale Umsetzung eines Integritätsmanagements. Dies beinhaltet Zeit und Raum in der Organisation, um regelmäßig ethische Fragen aus der Praxis zu diskutieren. Es handelt sich dabei um einen Moment der Reflexion, in dem Beteiligte und Betroffene darüber sprechen, wo der Schuh drückt. In Team- und Abteilungssitzungen sollen ethische Fragen in regelmäßigen Abständen in die Tagesordnungspunkte bzw. auf die Traktandenliste gesetzt werden. Im ethischen Reflexionsraum werden Dilemmas, Grauzonen und Grenzfälle gemeinsam diskutiert und geklärt. Dabei können konkrete, manchmal auch fiktive Fallbeispiele aus dem Alltag aufgegriffen und diskutiert werden. Ein solcher Reflexionsraum ist insbesondere dann wichtig, wenn Mitarbeitende besondere Verantwortung übernehmen müssen (vgl. Abschn. 1.4.7). Dazu gehören beispielsweise Organisationen wie Altersheime, Behindertenheime oder Spitäler. Idealerweise beteiligen sich auch Betroffene, um ihre Sicht in die Diskussion einzubringen. Der regelmäßige Reflexionsraum dient letztlich der Sicherstellung eines (quasi-)öffentlichen Diskurses im Sinne der Leitidee D4 (vgl. Abschn. 1.4.8).

4.3.3 Ethik-Hotline und Ethikbeauftragte

Eine integre Organisation bietet ihren Mitarbeiten eine Stelle, an welche sie sich bei ethischen Dilemmas wenden können. Diese Stelle kann je nach Größe der Organisation verschieden ausgestaltet sein. Ethikbeauftragte sind Ansprechpersonen, die interne oder externe Klagen über Missbräuche entgegennehmen und versucht, Konflikte zu entschärfen. Besonders schwierig ist eine Situation für Mitarbeitende, wenn ethisches Fehlverhalten von Vorgesetzten vorliegt. Die Mitarbeitenden geraten hier in einen Konflikt einerseits zwischen der Loyalität zu den Vorgesetzten und andererseits zu ihren eigenen Wertvorstellungen oder jenen der Organisation. Eine Ethik-Hotline, also eine Meldestelle für ethisches Fehlverhalten, soll anonym und vertraulich sein. Die Beschwerdestelle kann ausgelagert werden, um eine größere Unabhängigkeit sicherzustellen. Bei KMUs kann auch ein externer Anwalt mit dieser Aufgabe beauftragt werden. Große Unternehmen setzen zuweilen Gremien wie Kommissionen, Ausschüsse oder ganze Abteilungen ein, welche die Unternehmensführung in ethischen Belangen beraten und Ethikprogramme konzipieren und umsetzen (Göbel, 2017, S. 254 ff.).

4.3.4 Checklisten zur Korruptionsbekämpfung

Korruption ist nicht nur ein Problem großer, internationaler Unternehmen, sondern kommt auch in kleineren und mittleren Unternehmen vor. Transparency International Schweiz bietet zwei handliche Broschüren zum Thema an. Die erste Publikation beinhaltet Geschäftsgrundsätze für die Bekämpfung von Korruption. Sie zeigt, wie ein KMU Prinzipien definieren und ein Anti-Korruptionsprogramm entwickeln kann. Die zweite Publikation beinhaltet eine Checkliste zur Selbstevaluation, die Bereiche wie Unternehmensführung, Personalwesen, Finanz- und Rechnungswesen, Verkauf und Einkauf umfasst. Die Checklisten erlauben es einem KMU, seine eigenen Anstrengungen zur Korruptionsprävention und -bekämpfung zu prüfen und allenfalls zu verbessern. Die Publikationen können auf der Webseite von Transparency International Schweiz heruntergeladen oder bestellt werden (Transparency International Schweiz & Brot für alle, 2010).

4.3.5 Compliance-Radar

Ein Compliance-Radar ist eine periodische Befragung der Mitarbeitenden zur Einhaltung reglementarischer Vorgaben. Es handelt sich dabei klar um eine Compliance-Maßnahme. So führt beispielsweise der Schweizer Technologiekonzern Schindler weltweit alle vier Monate einen Compliance-Radar mit fünf zentralen Fragen durch. Darin werden Mitarbeitende zum Umgang mit Kunden und mit der Konkurrenz befragt. Der Hintergrund dieser Maßnahme war eine Busse von EUR 143,7 Mio. wegen der Teilnahme an einem Liftkartell, die der Gerichtshof der EU im Jahre 2013 gegen Schindler verhängt hatte. Heute bezeichnen die Schindler-Verkäufer den Compliance-Radar als Wettbewerbsvorteil, z. B. bei Auftritten gegenüber ihren Kunden, in welchen sie vor Jahren noch in heikle Situationen gerieten.

4.3.6 Software zum Integritätsmanagement

Das Integritätsmanagement kann als Teil der Corporate Governance einer Organisation verstanden werden. In Zusammenarbeit mit vier Wirtschaftspartnern hat die Hochschule Luzern eine Self-Assessment-Software entwickelt, die eine Selbsteinschätzung der zentralen Bereiche der Corporate Governance einer Organisation ermöglicht, inklusive des Integritätsmanagements. Das zugrunde liegende Luzerner Governance Modell liefert ein verifiziertes Managementmodell zur Steuerung und Kontrolle von Niederlassungen (englisch: Subsidiaries) und erfasst die wichtigsten Themen in sechs Grundlagenmodulen (Renz & Böhrer, 2012; Renz et al., 2015:

  • Das System-Management beschäftigt sich mit dem ganzheitlichen Verständnis des Unternehmens, seiner Umwelt, der Anspruchsgruppen und des Kontexts.

  • Das Mission-Management befasst sich mit Strategie, Struktur und Kultur – Elemente, die Ordnung ins System Unternehmen bringen.

  • Das Integritätsmanagement beschäftigt sich mit den Werten guter Zusammenarbeit. Durch Bewusstseinsförderung und das Einrichten von Prozessen und Instrumenten können Compliance und ethisches Verhalten sichergestellt und Reputationsverluste vermieden werden.

  • Das Anspruchsgruppen-Management besteht aus Definition, Identifizierung, Management und Kontrolle der Stakeholder.

  • Das Risikomanagement beinhaltet den gesamten Risikomanagementprozess, von der Risikodefinition über die Bewertung der hierarchiestufengerechten Risiken bis hin zur Schulung spezifischer Risiken.

  • Das Audit-Management beschäftigt sich sowohl mit den gesetzlichen Anforderungen als auch mit der Effektivität, Effizienz, Relevanz und Rolle interner und externer Audits.

Mit Hilfe der Software können auch Unterschiede in der Einschätzung von Governance-Themen zwischen dem Board, der Geschäftsleitung und verschiedenen Managementstufen erfasst werden.

4.4 Good Practices im Bereich „Menschen“

4.4.1 Führungskräfte als Vorbilder

Leitbilder und Verhaltensrichtlinien taugen nichts, wenn sich Führungskräfte nicht selber daran halten. Der Fisch stinkt vom Kopf her. Unter den Mitarbeitenden wird Gleichgültigkeit oder gar Zynismus aufkommen, wenn sich Führungskräfte selber über die proklamierten Werte hinwegsetzen. Mitarbeitende erwarten von Führungskräften eine bestimmte Grundhaltung und Charaktereigenschaften, die man auch als Tugenden bezeichnen kann. Die Auswahl von Tugenden für verantwortliche Führungskräfte umfasst Anerkennung, Bescheidenheit, Fürsorge, Dienstbereitschaft, Ehrlichkeit, Freundlichkeit, Gerechtigkeit, Integrität, Kreativität, Respekt, Standfestigkeit, Verlässlichkeit und Wohlwollen (Maak & Ulrich, 2007, S. 389 ff.). In dieser Liste der Tugenden klingen die Kardinaltugenden an, die bereits Platon beschrieben hat, nämlich Gerechtigkeit, Klugheit, Besonnenheit und Tapferkeit (vgl. Abschn. 1.2.3). Die Tugendethik Einzelner hat aber durchaus auch ihre Grenzen. Um zu verhindern, dass die Anständigen die Dummen sind, braucht es zusätzlich ausformulierte Grundsätze und Verhaltensrichtlinien der Organisation. Nicht nur die einzelnen Menschen müssen ethisch sein, sondern auch die Organisation selber.

4.4.2 Workshop zu Spannungsfeldern

Es bedarf keiner großen Schritte, um ethische Herausforderungen gezielt anzugehen. Eine pragmatische Möglichkeit stellt ein ca. zweistündiger Teamworkshop zu Spannungsfeldern in der Organisation dar. Dabei ist folgender Ablauf ratsam:

  1. 1.

    Zielsetzung klären: Es muss betont werden, dass es um eine erste Auslegeordnung geht, noch nicht um die Erarbeitung von Lösungen. Dazu braucht es einen offenen Geist und den Willen, sich anhand konkreter Beispiele über Wertefragen zu unterhalten.

  2. 2.

    Brainstorming durchführen: Auf einem ersten Flipchart wird eine Liste von etwa 10 eigenen ethischen Herausforderungen zusammengetragen.

  3. 3.

    Spannungsfelder eruieren: Mit dem einfachsten Beispiel beginnen und gemeinsam die beiden Pole des Spannungsfeldes identifizieren.

    Welche Pole stehen einander gegenüber?

    Was ist das Sachproblem?

    Was ist das ethische Problem?

    Was ist das organisationale Element?

    Die Spannungsfelder werden anschließend auf einem zweiten Flipchart dargestellt.

  4. 4.

    Metaebene einnehmen: Jedes Teammitglied stellt sich – am besten nach einer Pause – auf die Metaebene. Was sehen die Teammitglieder vor sich?

    Was hat die Diskussion bewirkt?

    Was soll mitgenommen werden?

Ein derartiger Workshop tastet sich auf behutsame Art an schwierige Themen heran. Wichtig ist, dass die Erwartungen der Teilnehmenden noch nicht über den Workshop hinausgehen. Zudem gilt: Oft ist mit der Thematisierung bereits der erste Schritt zu einer Lösung getan (vgl. Abschn. 1.3).

4.4.3 Ethik-Spiel mit Multiple-Choice-Fragen

Eine weitere Möglichkeit, sich an Dilemmas und Tabuthemen heranzutasten, ist das Ethikspiel mit Multiple-Choice-Fragen.

Die Abb. 4.4 zeigt eine Beispielfrage mit vier Handlungsoptionen.

Abb. 4.4
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Beispiel für eine Multiple-Choice-Frage

Frage: Geschenke

Sie sind als Vertreter/in Ihrer Firma an einer Konferenz. Ein Lieferant überreicht allen Teilnehmenden der Konferenz ein kleines elektronisches Gerät im Wert von 50 Franken als Geschenk. Was sollen Sie tun?

  1. A)

    Sie nehmen das Geschenk an. Da das Geschenk nur 50 Franken kostet, ist es unproblematisch.

  2. B)

    Sie nehmen das Geschenk an, aber benachrichtigen den/die Vorgesetzte/n. Wenn er/sie findet, dass Sie es zurückgeben sollen, geben Sie es zurück.

  3. C)

    Sie nehmen das Geschenk an, wenn eine Ablehnung Sie selbst oder Ihre Firma in eine heikle Situation bringen würde.

  4. D)

    Sie lehnen das Geschenk höflich ab.

Das Spiel wird in Gruppen gespielt; die Anleitung dazu lautet:

  1. 1.

    Lesen Sie die kurze Beschreibung der ersten Frage und die möglichen Antworten.

  2. 2.

    Diskutieren Sie die Antworten in der Gruppe. Achten Sie auf Interessen und Konfliktfelder.

  3. 3.

    Bewerten Sie die Antworten, indem Sie die Rangfolge für die Antworten festlegen (1. = beste Lösung, 4. = schlechteste Lösung): z. B. B – C – A – D

  4. 4.

    Vergleichen Sie die offizielle Rangfolge mit Ihrer Rangfolge. Diskutieren Sie die offizielle Lösung.

  5. 5.

    Zählen Sie Übereinstimmungen mit der offiziellen Lösung. Jede Übereinstimmung ergibt einen Punkt. Z. B. offizielle Rangfolge B – A – C – D; Ihre Rangfolge: B – C – A – D, ergibt 2 Punkte für B und D.

  6. 6.

    Lesen Sie die nächste Frage.

Die richtige Reihenfolge unter den Handlungsoptionen kann je nach Firmenkultur durchaus verschieden sein. Eine große internationale Unternehmung erlaubt vermutlich den Mitarbeitenden nicht, irgendwelche Geschenke anzunehmen. Die richtige Reihenfolge lautet dann: D – C – B – A. Ein kleines KMU hat wohl keine formelle Regelung zu Geschenken oder die informelle Regel besagt, dass Geschenke ohne größeren Wert unproblematisch sind. Die richtige Reihenfolge lautet dann: A – B – C – D.

Das Ethik-Spiel enthält idealerweise Beispiele aus der eigenen beruflichen Erfahrung der Gruppe. Das Beispiel zeigt, dass die richtige Lösung eines Dilemmas auch vom Kontext abhängig ist. Die Handlungsoptionen können zur Diskussion oder Festlegung der besten Option für ein bestimmtes Unternehmen dienen. Das Spiel lässt sich mit oder ohne Punkte spielen.

4.4.4 Weiterbildung zur ethischen Kompetenz

Das Ziel einer Weiterbildung zur ethischen Kompetenz ist es, das Moralbewusstsein der Mitarbeitenden und damit auch einer ganzen Organisation zu fördern. Die individuelle moralische Entwicklung erfolgt in verschiedenen Stufen. Ziel der moralischen Entwicklung ist ein fortschrittliches Moralbewusstsein, welches sowohl unkritisch übernommene Konventionen als auch bloße Nützlichkeitsabwägungen hinter sich lässt. Ein solches Moralbewusstsein orientiert sich einerseits an universellen moralischen Prinzipien des gerechten Zusammenlebens und beinhaltet gleichzeitig auch fürsorgliche Elemente. Zusätzlich wird die Fähigkeit verlangt, die Prinzipien in situativer Weise im Rahmen des eigenen moralischen Ermessenspielraums anwenden zu können. Damit ist eine umfassende Reflexionskompetenz gemeint. Zur Förderung der ethischen Kompetenz eignen sich am besten Formen des Erfahrungslernens mit vorbereitenden Informationsphasen und nachbereitenden Reflexionsphasen (Maak & Ulrich, 2007, S. 471 ff.).

4.5 Zum Schluss

Der Alltag in Unternehmen und anderen Organisationen zeigt, dass sich ethische und ökonomische Anforderungen auf den ersten Blick oft widersprechen. Die Lösung ethischer Dilemmas in Unternehmen, Behörden und NGOs gehört aber selbstverständlich zu den Managementaufgaben. Es ist Aufgabe eines integren Managements, eine Abwägung verschiedener Ansprüche vorzunehmen und kluge Entscheidungen zu fällen. Ethische Dilemmas können systematisch durchdacht und einer Lösung zugeführt werden. Wir hoffen, dass diese Einführung in das Integritätsmanagement dabei eine Hilfe ist.