Durch die zunehmende Internationalisierung von Unternehmen wird das Führen über die Landesgrenzen hinaus immer wichtiger. Internationalisierung ist heutzutage für Unternehmen unabhängig von ihrer Größe beinahe eine Grundvoraussetzung, um erfolgreich zu sein. Ziele, die ein Unternehmen mit der Internationalisierung verfolgt, sind bspw. Wachstum durch Erschließung neuer Märkte oder das Auslagern von Teilen der Wertkette und damit die Konzentration auf Kernkompetenzen. Die Digitalisierung bzw. digitale Transformation hat die Möglichkeiten zur Internationalisierung noch stark vergrößert. Zur Erreichung dieser Ziele werden ausländische Niederlassungen (englisch: subsidiaries) gegründet oder Partnerschaften mit Unternehmen anderer Länder eingegangen. Dies bringt einige Herausforderungen mit sich, die nicht nur operativer Natur sind, sondern auch Grundsatzfragen tangieren: Wird die neue Niederlassung wie ein eigenständiges Unternehmen behandelt, oder sind klare Unterordnungsverhältnisse angedacht? Wer trägt welche Verantwortung und wird in welchem Ausmaß in Entscheidungsprozesse integriert? Welche Auswirkungen hat die digitale Transformation auf Niederlassungen und wie verändert sich die Zusammenarbeit mit diesen? Über welche digitale Reife verfügen die Niederlassungen, um im digitalen Zeitalter wettbewerbsfähig zu sein? Welche Kommunikationsprozesse werden zwischen Subsidiaries und Stammhaus implementiert? Auf welchen ethischen Grundprinzipien baut das Unternehmen auf und wie gelingt es, diese in sämtlichen Subsidiaries zu verankern? All dies sind Subsidiary-Governance-Fragen, deren Beantwortung zu einer guten Integration der Subsidiaries in die Gesamtunternehmung und damit in die Gesamt-Governance führen soll.

Subsidiaries stellen einen substanziellen Bestandteil eines Unternehmens dar; häufig machen sie sogar den größten Anteil des Firmenvermögens aus. Somit ist die Governance dieser Subsidiaries essenziell zum Schutz von Vermögen und Interessen der Subsidiary Anteilseigner (englisch: shareholder). Das Mutterhaus ist dabei oft der größte Shareholder. Doch gute Subsidiary Governance soll nicht nur dem Schutz von Vermögen und Aktionärsinteressen dienen. Subsidiaries entwickeln einzigartige Kompetenzen und Fähigkeiten aufgrund ihrer Nähe zu den Märkten und aufgrund des unterschiedlichen Umfeldes, in denen sie agieren. Personen mit spezifischem Wissen und wertvoller Erfahrung sind häufig nicht in der Zentrale, sondern an internationalen Standorten zu finden, wo dieses spezialisierte Wissen als Antwort auf lokale Marktbedürfnisse und Ressourcensituationen entwickelt wurde. Damit diese wertvollen Ressourcen wertgenerierend wirken, muss deren Führung und Kontrolle (= Governance) funktionieren. Bestehen hier Schwachstellen, kann es zu sogenannten Governance Gaps kommen (s. Abb. 1.1). Governance Gaps sind Diskrepanzen zwischen den normativ-strategischen Vorgaben des Stammhauses und der operativen Umsetzung auf Subsidiary-Ebene (Renz et al. 2007).

Abb. 1.1
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Governance Gaps in der Umsetzung zwischen Führung und Niederlassungsmanagement

Ein Beispiel eines solchen Governance Gaps wäre, dass das Mutterhaus vorgibt, zukünftig eine monatliche Risikoberichterstattung auf Abteilungsebene durchzuführen; die Tochtergesellschaft setzt diese aber nicht oder nur der Form halber um, weil sie vielleicht keinen eigenen Mehrwert erkennt. Derartige Gaps können ein Zeichen dafür sein, dass die Subsidiaries nicht umfassend in Führungsthemen der Mutter einbezogen werden. Gerade bei geografisch weit entfernten Subsidiaries, die große kulturelle Unterschiede mit sich bringen, brauchen international tätige Führungskräfte Sensibilität für mögliche Governance Gaps. Gleichzeitig eröffnet die Digitalisierung bzw. digitale Transformation weitere mögliche Gaps in Form von beispielsweise Datenstrategien und der Datenqualität, Wahl und Einsatz von Technologien und Investitionen in digitale Kommunikationskanäle. Governance Gaps sind auch der Ausdruck von gravierenden Asymmetrien zwischen Stammhaus und Töchtern, zum Beispiel bezüglich Informationen oder bezüglich der internen Kommunikation schlechthin. Für die Unternehmung entstehen dadurch vielfältige Gefahren – hier nur einige Beispiele: Innovationspotenziale werden nicht erkannt, Marktchancen werden verkannt, Reputationsrisiken werden nicht identifiziert, das Risikomanagement wird nicht von der gesamten Organisation mitgetragen, die Aktionärsinteressen werden in Subsidiaries nicht sichergestellt, Unternehmen passen Verhaltensregeln nicht den lokalen Kontexten an. Derartige Governance Gaps gefährden den Erfolg der Internationalisierung oder der grenzübergreifenden Leistungserbringung grundsätzlich.

In unserer Arbeit als Forscher und Berater treffen wir immer wieder auf drei grundsätzliche Führungsprobleme, welche eine gute Performance und eine sinnvolle Einbindung der Niederlassungen in der Gesamtunternehmung verhindern:

  • Ungenügende Verknüpfung der Gesamtunternehmens-Governance mit Subsidiary-Führungsthemen führt zu mangelhafter Einbindung der Subsidiaries in die Führungsthemen des Gesamtunternehmens

  • Ungenügende Kommunikationsprozesse in beide Richtungen führen dazu, dass Subsidiaries die Vorgaben vom Mutterhaus nicht verstehen oder nachvollziehen können; andererseits dringen Anliegen der Subsidiaries nicht durch die „Lehmschicht“ nach oben

  • Unklare Rollenabgrenzungen zwischen den Führungsgremien von Mutter und Töchtern erzeugen Reibungsverluste und Frustrationen.

International tätige Führungskräfte äußern sich bisweilen dahingehend, dass Subsidiary Governance „einfach läuft“. Dabei beziehen sie sich meist nur auf Kontrollaspekte oder auf die formal-administrative Bestellung eines Niederlassungsaufsichts- bzw. -verwaltungsrates. In der Tat sind Führungsprozesse wie Informations- und Kontrollsysteme (IKS)Footnote 1, regelmäßige interne und externe Audits und Risikomanagementprozesse weit fortgeschritten – mit einem starken Fokus auf quantifizierbare, vergangenheitsbezogene Daten und Fakten.

Dass Subsidiary Governance mehr beinhaltet als Kontrolle und die Bestellung eines Niederlassungsaufsichts- bzw. -verwaltungsrates, ist eine Erkenntnis, die erst langsam in den Köpfen von Führungskräften zu entstehen scheint. Dass das Anstreben umfassend verstandener Governance-Praktiken mehr Wert generiert als die minimale Erfüllung rechtlicher Vorschriften, lässt sich heute noch nicht statistisch nachweisen. Doch wir sind davon überzeugt, dass sich Unternehmen in Bezug auf Subsidiary Governance nur mit den höchsten Qualitätsanforderungen zufrieden geben sollten, um international erfolgreich und nachhaltig am Wettbewerb teilzunehmen. Erfolgreiche Unternehmen streben nach einer langfristigen Zufriedenheit und Loyalität von Kunden, Lieferanten, Mitarbeitenden, Gesellschaft und Eigentümern. Eine ganzheitliche Sicht und Umsetzung der Subsidiary Governance stellt diese breite Anspruchsgruppenperspektive sicher.

Innerhalb zweier mehrjähriger, praxisorientierter Forschungsprojekte, wissenschaftlich unterlegt durch die Promotionen der erstgenannten Autoren und mehrere Masterarbeiten (Diggelmann 2010; Frischherz 2010; Rezny 2010; Schmid 2010; Leisibach 2011), haben wir ein Subsidiary-Governance-Modell entwickelt, das diesen erwähnten Ansprüchen gerecht wird. Das Modell fasst sämtliche Aspekte zusammen, die eine „gute Subsidiary Governance“ widerspiegeln. Vier Firmen unterschiedlicher Größe aus verschiedenen Branchen haben als Praxispartner dazu beigetragen, dass dieses Modell heute eine gute Balance zwischen theoretischer Fundierung und praktischer Anwendbarkeit bietet. Mit der zunehmenden Bedeutung der digitalen Transformation als strategischer Erfolgsfaktor der letzten Jahre (Peter et al. 2020; Peter 2021) ergänzten wir das ursprüngliche Modell mit der Resultatsgröße der digitalen Reife. Dies erlaubt, die Digitalisierungsanstrengungen des Hauptsitzes mit den Niederlassungen abzugleichen.

Die Ausführungen und Empfehlungen dieses Handbuchs erläutern auf einfache, praxisnahe Weise, was ganzheitliche Subsidiary Governance bedeutet und wie diese auf unterschiedlichen Hierarchiestufen umzusetzen ist. Jedes Unternehmen ist individuell und genauso sollte auch die Subsidiary Governance den diversen internen und externen Einflussfaktoren Rechnung tragen. Firmenspezifische Anpassungen der ausformulierten Empfehlungen sind deshalb durchaus zu erwarten – das Buch soll in erster Linie der Reflektion über das komplexe Thema Governance dienen.

Zum Aufbau des Buches: Im nachfolgenden Kapitel (Kap. 2) wird das Subsidiary Governance Modell vorgestellt, gefolgt von Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis (Kap. 3). Dabei wird ein Vergleich mit gängigen Managementmodellen wie der Balanced Scorecard vorgenommen. Das Kap. 4 erläutert die Inhalte des Modells im Detail anhand der sogenannten Inhaltsmodule wie System, Mission, Integrität, Stakeholder, Risiko und Audit. Die Auswirkungen auf die sogenannten Resultatmodule (bspw. auf die Wettbewerbsstärke oder Innovationsfähigkeit) werden im Kap. 5 aufgezeigt. Kap. 6 schlussendlich unterstützt Praktiker bei der Anwendung im Führungsalltag mit einem Fallbeispiel, einer Checkliste und verschiedenen Anwendungsszenarien. Neben zahlreichen Abbildungen werden verschiedene Vertiefungen angeboten, gekennzeichnet als Expertenwissen oder als Praxistipp. Jedes Kapitel verfügt auf der letzten Seite zudem über Take-Aways für die Diskussion der wichtigsten Punkte mit Ihrem Führungsteam.

FormalPara Expertenwissen: Governance

Zur Vertiefung für interessierte Praktiker werden nachfolgend drei zentrale Governance-Begriffe kurz vorgestellt: Corporate Governance, Subsidiary Governance und Governance-Organe.

FormalPara Corporate Governance

Corporate Governance ist ein facettenreicher und vielschichtiger Begriff, der gerade in den vergangenen Jahren häufiger denn je in aller Munde war. Eine gängige, allgemein gültige Definition findet sich dennoch nicht. Eine deutsche Übersetzung des Begriffes existiert ebenfalls nicht. Wörterbücher liefern diverse Übersetzungsversuche wie: Betriebsführung, Unternehmensführung, angemessene Unternehmensorganisation oder Grundsätze der Unternehmensführung. Führung und Organisation zeichnen sich hier als Kernthemen ab. Der Swiss Code of Best Practices definiert den Begriff wie folgt: „Corporate Governance ist die Gesamtheit der auf das Aktionärsinteresse ausgerichteten Grundsätze, die unter Wahrung von Entscheidungsfähigkeit und Effizienz auf der obersten Unternehmensebene Transparenz und ein ausgewogenes Verhältnis von Führung und Kontrolle anstreben“ (Economiesuisse 2016). In dieser Definition werden sowohl die Aktionärsinteressen als auch das Zusammenspiel von Führung und Kontrolle in den Vordergrund gestellt. Eine kurze und häufig verwendete Definition ist die von Cadbury (2002): „Corporate Governance is the system by which business corporations are directed and controlled.“ Andere Definitionen schließen die Ansprüche der Aktionäre oder einer anderen Anspruchsgruppe noch expliziter mit ein. Die OECD bspw. erwähnt explizit weitere Anspruchsgruppen neben den Aktionären: „Corporate Governance involves a set of relationships between a company’s management, its board, its shareholders and other stakeholders. Corporate governance also provides the structure through which the objectives of the company are set, and the means of attaining those objectives and monitoring performance are determined. Good corporate governance should provide proper incentives for the board and management to pursue objectives that are in the interests of the company and its shareholders and should facilitate effective monitoring.“ Eine sehr umfassende Corporate Governance-Definition findet sich in Hilb (2008). Er beschreibt Corporate Governance als ein System, anhand dessen Unternehmen strategisch geführt, integrativ gemanagt und holistisch kontrolliert werden und dies auf unternehmerische und ethische Weise und angepasst an den spezifischen Kontext. Diese Definition berücksichtigt Unterschiede zwischen nationalen, branchenspezifischen oder unternehmensinternen Kulturen. Sie definiert die Strategieentwicklung als zentrale Board-Funktion und beinhaltet eine Resultatüberwachung aus Sicht der Aktionäre, Kunden, Mitarbeitenden und Öffentlichkeit. Darüber hinaus werden die Aspekte des Unternehmertums und der Ethik miteinbezogen.

FormalPara Subsidiary Governance

Corporate Governance in kotierten, international tätigen Unternehmen besteht auf zwei Ebenen (Luo 2005):

  1. 1.

    Stammhaus Corporate Governance (wie sind Rechte, Macht und Verantwortlichkeiten aufgeteilt und kontrolliert)

  2. 2.

    Subsidiary Governance (wie gehen Subsidiaries mit Anspruchsgruppen um, bei gleichzeitiger Integration in das Gesamtunternehmen).

Eine Definition von Subsidiary Governance lässt sich aus den Werken von Hilb (2008) und Renz (2007) ableiten: Subsidiary Governance ist ein prozessorientiertes System, mit welchem Niederlassungen strategisch geführt, integrativ gemanagt und ganzheitlich kontrolliert werden, auf unternehmerische und ethisch-reflektierte Weise, sowie angepasst an den jeweiligen Niederlassungskontext.

Die Subsidiary Governance sollte nicht isoliert sein von der Stammhaus Corporate Governance. Subsidiary Governance befasst sich damit, wie Strategien, Visionen und Pläne des Stammhauses in der Niederlassung umgesetzt und integriert werden können. Dies ist von besonderem Interesse, wenn unterstellte Organisationseinheiten ein erhöhtes Maß an Autonomie genießen, wie dies bei Auslandsniederlassungen, Filialen oder Joint Ventures der Fall ist. Wie gestaltet sich die Aufsicht und Kontrolle bei weitgehend selbständigen Einheiten? Wie werden zentrale Corporate Governance-Anliegen kaskadiert? Wie werden operationelle Anliegen zur normativen und strategischen Ebene der Geschäftsleitung zurückgespiegelt (Luo 2005)?

Der Begriff der Subsidiary Governance ist nicht weit verbreitet in Forschung und Praxis und taucht nur vereinzelt im Sinne einer Folgedebatte zur Corporate Governance-Diskussion auf. Corporate Governance-Regelwerke gibt es in fast jedem Land, wie bspw. der Swiss Code of Best Practice, der King Code for Governance für Südafrika oder der Deutsche Corporate Governance Kodex. Ein Kritikpunkt an der aktuellen Corporate Governance Debatte ist die Beschränkung der Codes und Regulierungen auf die Mutterhäuser börsenkotierter Großunternehmen. Die Thematik der Governance von Subsidiaries ist nach wie vor kaum im Fokus. Obwohl einige der Skandale der letzten Jahre auf Fehler in den Subsidiaries zurückzuführen sind, hat der Begriff der Subsidiary Governance noch zu wenig Aufmerksamkeit auf sich gezogen (Böhrer 2010a). Die im Jahr 2020 den Schweizer Stimmbürgern und Stimmbürgerinnen vorgelegte Konzernverantwortungsinitiative, welche Konzerne für die Verletzung von Menschenrechten oder Umweltstandards durch ihre Subsidiaries haftbar machen wollte, scheiterte nur knapp. Das heißt, die breite Bevölkerung ist heute auf mögliche Probleme mit Subsidiaries sensibilisiert, nicht zuletzt aufgrund der Globalisierung und Digitalisierung, welche die Bedeutung einer globalen, interkulturellen Zusammenarbeit forcieren, die Themen prominenter platzieren und den Wissenszugang vereinfachen.

FormalPara Governance-Organe

Das eigentliche Governance-Organ innerhalb des Unternehmens ist das Board (der englische Begriff für den Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat). Boards sind das oberste Verfügungsorgan des Unternehmens und damit verantwortlich für die Oberaufsicht. Zu den Hauptaufgaben bspw. eines Schweizer Verwaltungsrats gehören per Gesetz:

  • Oberleitung der Gesellschaft

  • Festlegung der Organisation

  • Ausgestaltung der Rechnungswesens, der Finanzkontrolle und der Finanzplanung

  • Ernennung und Abberufung des Präsidenten und der Mitglieder der Konzernleitung

  • Oberaufsicht über den Präsidenten und die weiteren Konzernleitungsmitglieder

  • Erstellung des Geschäftsberichtes

  • Vorbereitung der Generalversammlung

  • Benachrichtigung des Richters im Falle der Überschuldung

  • Beratung und Genehmigung (langfristige Strategie, größere Finanztransaktionen, jährliche Risikobeurteilung etc.)

Weiter sind Boards meist verantwortlich für die Kompensation des Top Managements, sie setzen die strategischen Ziele des Unternehmens und sind zuständig für die Kontrolle der Zielerreichung und die kritische Hinterfragung der Topmanagement-Aktivitäten. Das Board wird häufig durch Fachausschüsse unterstützt. In einigen Unternehmen gibt es neben dem häufig eingesetzten Nominationsausschuss, dem Vergütungsausschuss und dem Kontrollausschuss einen Corporate Governance-Ausschuss, der die Compliance mit Corporate Governance Codes des Unternehmens überprüft und dem Board Empfehlungen vorlegt.

Die Aufsichtsorgane von Tochtergesellschaften (Subsidiary Boards) sind die Institutionen, die lokal-rechtlich meist die Hauptverantwortung für die Führung und Kontrolle der Tochtergesellschaften (Subsidiary Governance) tragen. Auch wenn die Notwendigkeit für diese Gremien nicht in jedem Fall gegeben ist, verfügen die meisten international tätigen Unternehmen über Subsidiary Boards, da die lokalen Gesetzgebungen dies vorschreiben. In der Theorie und entsprechend den Gesetzen haben die Subsidiary Boards einen ähnlichen Aufgabenkatalog wie die Aufsichtsorgane der Muttergesellschaft. In der Praxis findet man jedoch eine große Varietät: Einige Firmen setzen ihre Subsidiary Boards aktiv für bspw. die Strategieentwicklung und das proaktive Risikomanagement ein, andere begnügen sich mit einer eher passiven Subsidiary Board-Arbeit, die aus der Durchführung der vorgeschriebenen Sitzungen besteht (auch „Puppenboards“ genannt, vgl. Hilb 2008). Wann welche Subsidiary Board-Arbeit die beste Lösung ist, hängt von zahlreichen Faktoren ab, besonders von der Komplexität des Gesamtunternehmens und dessen Branche sowie den kulturellen, politischen und gesetzlichen Spezifitäten der Subsidiary-Länder. Geht ein Unternehmen bspw. zum ersten Mal in den indischen Markt und hat keine Erfahrungen in diesem Bereich, ist es sehr gut beraten, das Subsidiary Board mit lokalen Vertretern zu besetzen und diesen eine aktive Beratungsrolle zuzuschreiben (Böhrer 2010b). Damit auseinanderdriftendes Verhalten zwischen Mutterhaus und Tochter vermieden werden kann, sind darüber hinaus häufig Repräsentanten des Stammhauses im Subsidiary Board vertreten.

Die wichtige und zentrale Governance-Funktion des Organes „Board“ soll nicht zur Schlussfolgerung führen, dass Governance eine reine Board-Aufgabe und damit ausschließlich ein Betätigungsfeld der Unternehmensleitung ist. Tatsächlich ist die Frage, wie und von wem Governance-Anliegen operationalisiert werden, in Theorie und Praxis relativ neu und noch wenig diskutiert: Wie sollen Governance-Anliegen auf die mittleren und unteren Hierarchieebenen „herunter gebrochen“ werden und wie Governance-relevante Informationen zurück an die Spitze kommuniziert werden, um dort z. B. nötige Strategiekorrekturen auszulösen? Wie sollen Geschäftsleitung, mittleres Management und jeder einzelne Mitarbeitende in relevante Governance-Themen involviert werden, sodass eine sogenannt gute Governance im gesamten Unternehmen greifen und fruchten kann?

Das aus diesen Herausforderungen ersichtliche Desiderat eines hierarchieübergreifenden Ansatzes begründet eines der Kernelemente des im Weiteren vorgestellten Modells.

FormalPara Take-Aways: Subsidiary Governance
  • Governance beinhaltet die zwei Kernelemente Führung und Kontrolle (Direction and Control).

  • Corporate Governance ist ein System zur Führung und Kontrolle von Unternehmen.

  • Subsidiary Governance – wie in diesem Buch beschrieben – ist ein prozessorientiertes System, mit welchem Niederlassungen strategisch geführt, integrativ gemanagt und ganzheitlich kontrolliert werden, auf unternehmerische und ethisch-reflektierte Weise, sowie angepasst an den jeweiligen Niederlassungskontext

  • Subsidiary Governance ist unter anderem essenziell zum Schutz von Vermögen und Interessen der Anteilseigner (Shareholder).

  • Governance Gaps sind Diskrepanzen zwischen den normativ-strategischen Vorgaben des Hauptsitzes und der operativen Umsetzung in den Niederlassungen.