Zusammenfassung
Der Artikel konzentriert sich auf den Umgang mit den Affekten in Andreas Gryphius’ Übertragung von Vondels Gebroeders. Gezeigt wird, wie Affekte zunächst den tragischen Konflikt prägen und wie sehr das Bemühen von König David darauf zielt, die Affekte verschiedener Interessensgruppen zu befrieden. Affekte werden dabei in Die Gibeoniter zunächst beurteilt, der politischen Rationalität untergeordnet und sodann moderiert. Der König scheint dabei außerhalb dieser Affektlogik zu stehen. Gleichwohl zeigt sich am Ende des Dramas, dass auch ihm unter bestimmten Bedingungen affektives Handeln zugestanden werden kann. Diese konkreten Textbeobachtungen werden abschließend auf zeitgenössische geschlechtergeschichtliche Positionen sowie auf die Fragestellung des vorliegenden Bandes nach den ‚Spielräumen des Affektiven‘ bezogen.
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Notes
- 1.
Die genealogische Frage, ob sich Vondel an einer konkreten griechischen Tragödie orientiert hat oder die mythische Geschichte dramatisiert hat, berührt die Diskussion des vorliegenden Artikels nicht und wird deswegen nicht weiterverfolgt.
- 2.
- 3.
Vondels Bibeldrama wurde wiederholt ins Deutsche übersetzt, gut zu greifen in folgender Ausgabe: Kryspin 1987.
- 4.
Vgl. Kuhn 2016.
- 5.
Für den vorliegenden Artikel wurde das Exemplar der BSB München (Res/P.o.germ. 529) konsultiert, aus diesem Exemplar wird im Folgenden zitiert; es ist digital zugänglich. Gryphius 1698, S. 543-604. Ob bzw. inwieweit Christian Gryphius in den Text seines Vaters eingegriffen hat, lässt sich kaum zuverlässig beantworten. Immerhin legt Christian Gryphius in der Vorrede nahe, die „Härtigkeiten“ (Gryphius 1698, Vorrede unpaginiert) der Übersetzung zu verzeihen, was vermuten lässt, dass der Sohn die Handschrift unverändert in den Druck gegeben hat.
- 6.
Vgl. Gryphius 1698, S. 546.
- 7.
Gryphius 1698, S. 546.
- 8.
Gryphius 1698, S. 546.
- 9.
Gryphius 1698, S. 547.
- 10.
Gryphius 1698, S. 552.
- 11.
Gryphius 1698, S. 522.
- 12.
Gryphius 1698, S. 557.
- 13.
Gryphius 1698, S. 557.
- 14.
Gryphius 1698, S. 560.
- 15.
Gryphius 1698, S. 560.
- 16.
Gryphius 1698, S. 560.
- 17.
Gryphius 1698, S. 570.
- 18.
Gryphius 1698, S. 571.
- 19.
Gryphius 1698, S. 579.
- 20.
Vgl. Gryphius 1698, S. 591.
- 21.
Das Trauerspiel ist also durch den Wechsel der Konfliktkonstellation gekennzeichnet. Wenn es schließlich aber auf den Konflikt innerhalb des Volkes Israel konzentriert wird, verläuft die Handlung sehr linear. Das ist deswegen eine wichtige Beobachtung, weil den Gibeonitern damit die Peripetie fehlt, die Gryphius’ erstes deutsches Trauerspiel, Leo Armenius, auszeichnet, das er 1646 fertigstellte und 1650 publizierte. Diese Beobachtung spricht dafür, dass Gryphius die Übersetzung von Vondels Bibeltragödie tatsächlich vor Leo Armenius angefertigt hat.
- 22.
Vgl. Gryphius 1698, S. 602.
- 23.
Gryphius 1698, S. 603.
- 24.
Die seit Benjamins Der Ursprung des deutschen Trauerspiels (zuerst 1928) virulente Debatte, ob zwischen Trauerspiel und Tragödie zu unterscheiden ist, soll hier nicht fortgeführt werden. Festgehalten werden kann aber zweifellos, dass Die Gibeoniter durch diese Schlussszene klar im Sinne Benjamins als Trauerspiel begriffen werden kann. Grundlegend zum Verhältnis von ‚Trauerspiel‘ und ‚Tragödie‘ weiterhin Schings 1988.
- 25.
Gryphius 1698, S. 604.
- 26.
Gryphius 1698, S. 546.
- 27.
Gryphius 1698, S. 602.
- 28.
Vgl. Arend 2016.
- 29.
Vgl. Salatowsky 2006, S. 103–158, bes. S. 137–140.
- 30.
Arend 2020.
- 31.
Vgl. Smith 2008, S. 49–51.
- 32.
Vgl. Bremer 2022.
Literatur
Arend, Stefanie. 2020. Figuren des Paradoxen in Andreas Gryphius’ Trauerspielen: Catharina von Georgien und Papinian. In Andreas Gryphius (1616–1664). Zwischen Tradition und Aufbruch, Hrsg. Oliver Bach und Astrid Dröse, 71–84. Berlin/Boston: De Gruyter.
Arend, Stefanie. 2016. Neustoizismus. In Gryphius-Handbuch, Hrsg. Nicola Kaminski und Robert Schütze, 682–691. Berlin/Boston: De Gruyter.
Bremer, Kai. 2022. Konfessionalisierung – Konfessionskultur – Konversionalisiersierung. Thesen zum interdisziplinären Dialog am Beispiel von Gryphius’ Leo Armenius. In Nach der Kulturgeschichte. Perspektiven einer neuen Ideen- und Sozialgeschichte der deutschen Literatur, Hrsg. Maximilian Benz und Gideon Stiening, 341–363. Berlin/Boston: De Gruyter.
Bremer, Kai. 2020. „Wy schricken voor het endt des treurspels“. Joost van den Vondels und Johns Miltons Samson-Dramen im Kontext der europäischen Bibeltragödie. Germanisch-romanische Monatsschrift 70: 133–149.
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Krispyn, Egbert, Hrsg. 1987. Joost van den Vondel: Gebroeders 1648. Andreas Gryphius: Die Gibeoniter 1698. David Elias Heidenreich: Die Rache zu Gibeon 1662. Bern: Lang.
Kuhn, Hans. 2016. Die Gibeoniter. In Gryphius-Handbuch, Hrsg. Nicola Kaminski und Robert Schütze, 289–299. Berlin/Boston: De Gruyter.
Parente, James A. 1987. Religious Drama and the Humanist Tradition. Christian Theatre in Germany and in the Netherlands 1500–1680. Leiden: Brill.
Salatowsky, Sascha. 2006. Dic cur hic? Die Philosophische Ethik der Lutheraner im frühen 17. Jahrhundert. Bochumer Philosophisches Jahrbuch für Antike und Mittelalter 11: 103–158.
Sching, Hans-Jürgen. 1988. Walter Benjamin, das barocke Trauerspiel und die Barockforschung. In Daß eine Nation die andere verstehen möge! Festschrift für Marian Szyrocki, Hrsg. Norbert Honsza und Hans Gert Roloff, 663–676. Amsterdam: Rodopi.
Smith, Bruce R. 2008. Shakespeare and Masculinity. Oxford: Oxford Univ. Press.
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Bremer, K. (2023). Affektrationalität und Affektmoderation in Gryphius’ Übertragung von Vondels Gebroeders. In: Bremer, K., Grewe, A., Rühl, M. (eds) Spielräume des Affektiven. J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-66151-2_6
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