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Schon vor der Covid-19 Pandemie hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Nein zu Impfungen unter die zehn größten Gesundheitsgefahren eingereiht [1]. Zahlreiche Untersuchungen konnten zeigen, dass medizinisches Personal für die Bevölkerung der wichtigste und vertrauenswürdigste Ratgeber für die Impfentscheidung ist. Dessen ungeachtet sind auch beim medizinischen Personal die Impfquoten mitunter unzureichend. Die nosokomiale Transmission von impfpräventablen Infektionen ist ein oftmals unterschätztes Problem im klinischen Alltag. Sowohl die Patienten als auch das medizinische Personal sind durch nosokomiale Infektionsausbrüche gefährdet [2].

1 Berufskrankheit (BK 3101)

Nationale und internationale Daten belegen, dass Beschäftigte im Gesundheitswesen aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit für zahlreiche Infektionen ein erhöhtes Infektionsrisiko aufweisen. Bei der zugehörigen Berufskrankheit handelt es sich um die BK 3101.

BK 3101: „Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war.“

Einen Überblick darüber, wie viele Verdachtsanzeigen auf eine Berufskrankheit Covid-19 und wie viele Arbeitsunfallmeldungen die Unfallversicherungsträger erhalten haben und wie viele Covid-19 Infektionen bislang anerkannt wurden, zeigt eine Statistik der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Mit Stand 8.6.2022 wurden 175.847 Covid-19 Infektionen als Berufskrankheit anerkannt [3].

2 Impfempfehlungen

Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) nennt medizinisches Personal seit nunmehr 40 Jahren explizit als eine Risikogruppe, die beispielsweise gegen Influenza und Hepatitis B geimpft werden sollte [4, 5].

Da medizinisches Personal aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit ein erhöhtes Expositionsrisiko gegenüber verschiedenen impfpräventablen Infektionen hat (zum Beispiel Masern, Pertussis, Covid-19), existieren Impfempfehlung aufgrund des beruflichen beziehungsweise. arbeitsbedingten Risikos und/oder zum Schutz Dritter im Rahmen der beruflichen Tätigkeiten (STIKO-Empfehlungen der Kategorie „B“) [6].

Diese Impfungen dienen einerseits dem individuellen Schutz der Beschäftigten, andererseits sollen dadurch Infektionsübertragungen auf Patienten vermieden werden. Insbesondere auf Patienten, die beispielsweise wegen einer bestehenden Vorerkrankung (beispielsweise Immundefizienz) oder Schwangerschaft (Kontraindikation Lebendimpfstoffe) nicht geimpft werden können, oder bei denen aufgrund des Alters oder der gesundheitlichen Situation mit einer unzureichenden Immunantwort gerechnet werden muss.

Nach §23 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) haben beispielsweise „die Leiter von Krankenhäusern, […] Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen […] sowie Arztpraxen und Zahnarztpraxen sicherzustellen, dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um nosokomiale Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, zu vermeiden“ (§23 IfSG).Somit sind wesentliche Kernpunkte der Impfungen des medizinischen Personals:

  • Der direkte Schutz der medizinischen Beschäftigten.

  • Der Schutz der betreuten Patienten vor der Übertragung von impf–präventablen Infektionen und die Vermeidung von nosokomialen Infektionen.

  • Die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung und die Vermeidung von hohen Fehlzeiten und Präsentismus [7].

3 §20a IfSG

Bereits Ende 2021 hatten Bundestag und Bundesrat ein „Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19“ unterzeichnet; das Regelwerk ist am 12. Dezember 2021 formal in Kraft getreten (§20a IfSG).

In der Gesetzesbegründung und den Erläuterungen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) werden folgende Punkte adressiert:

  • „Dem Personal in den Gesundheitsberufen und Berufen, die Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen betreuen, kommt eine besondere Verantwortung zu.“

  • Sie haben „intensiven und engen Kontakt zu Personengruppen mit einem hohen Risiko für einen schweren, schwersten oder gar tödlichen COVID-19 Krankheitsverlauf.“

  • „Zu den vulnerablen Gruppen zählen betagte Menschen, Patienten mit Vorerkrankungen oder mit Behinderungen. Gerade zu Beginn der Pandemie wurden Bewohner von Betreuungseinrichtungen mitunter durch Pflegekräfte infiziert. Ähnliche Fälle kamen in Krankenhäusern vor.“ [8]

Nach §20a IfSG müssen Beschäftigte des Gesundheitswesens und der Pflege nunmehr der Einrichtungsleitung einen Nachweis über eine vollständige Covid-19 Impfung bzw. Genesung vorlegen. Davon ausgenommen sind lediglich Personen mit einer medizinischen Kontraindikation.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 19. Mai 2022 eine Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen und den Eingriff in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) als verfassungsrechtlich gerechtfertigt bewertet und den „Schutz vulnerabler Personen als höheres Rechtsgut als eine in jeder Hinsicht freie Impfentscheidung“ bewertet. §20a IfSG begründet jedoch keinen hoheitlich durchsetzbaren Impfzwang, sondern den Betroffenen wird letztendlich überlassen, den erforderlichen Nachweis zu bringen. Sollte allerdings kein Nachweis vorgelegt werden, kann es bei der Fortsetzung der Tätigkeit zu einer bußgeldbewehrten Nachweisanforderung und darüber hinaus zu einem bußgeldbewehrten Betretungs- oder Tätigkeitsverbot in den in §20a IfSG genannten Einrichtungen kommen“ [9].

Der Arbeitgeber muss Personen, die keinen entsprechenden Nachweis vorlegen, dem Gesundheitsamt melden. Das Gesundheitsamt kann Personen, die trotz der Anforderung keine Nachweise innerhalb einer angemessenen Frist vorlegen oder der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nicht Folge leisten, mit einem Betretungs- oder Tätigkeitsverbot belegen (§20a Abs. 5 Satz 3 IfSG).

§20a IfSG tritt zum 1.1.2023 außer Kraft (Sachstand 13.6.2022).

4 §20 (8) IfSG – „Masernschutzgesetz“

Das Masernschutzgesetz gilt seit dem 1. März 2020. Personen, die in Gesundheitseinrichtungen tätig werden wollen oder bereits beschäftigt sind und nach dem 31. Dezember 1970 geboren sind, müssen einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder eine Immunität gegen Masern aufweisen.

Ein ausreichender Impfschutz gegen Masern besteht, wenn mindestens zwei Schutzimpfungen gegen Masern durchgeführt wurden. Ausgenommen sind Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nachweislich nicht gegen Masern geimpft werden können. Die Beschäftigten von Gesundheits- oder Gemeinschaftseinrichtungen müssen der Leitung der jeweiligen Einrichtung einen der folgenden Nachweise vorlegen:

  • eine Impfdokumentation nach § 22 Absatz 1 und 2 IfSG, oder

  • ein ärztliches Zeugnis, dass bei ihnen ein ausreichender Impfschutz gegen Masern besteht, oder

  • ein ärztliches Zeugnis darüber, dass bei ihnen eine Immunität gegen Masern vorliegt, oder

  • dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können.

„Wenn der Nachweis nicht vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Daten zu übermitteln.“ (§20 (8) IfSG).

Personen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes am 1. März 2020 bereits in den betroffenen Einrichtungen tätig waren (§ 20 Absatz 10 IfSG) müssen bis zum Ablauf der Übergangsfrist am 31. Juli 2022 einen Nachweis vorgelegt haben. Wird der Nachweis nicht vorgelegt, hat die Einrichtungsleitung ebenso unverzüglich das zuständige Gesundheitsamt zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt die erforderlichen personenbezogenen Daten zu übermitteln.

Das Gesundheitsamt entscheidet im Einzelfall, ob Tätigkeits- oder Betretungsverbote ausgesprochen werden.

5 PROS und CONS der Impfpflicht

Die Argumente für eine Impfpflicht lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Verpflichtende Impfungen erhöhen die Impfquoten bei medizinischem Personal, höhere Impfquoten steigern die Sicherheit der Beschäftigten und der Patienten.

  • Wer aus freier Entscheidung einen Beruf wählt, der Kontakt mit vulnerablen Patienten beinhaltet, hat eine besondere berufsbezogene Verantwortung, den betreuten Personen keinen Schaden durch die Übertragung einer (impfpräventablen) Infektionskrankheit zuzufügen. Insofern kann eine (einrichtungsbezogene) Impflicht ethisch zu rechtfertigen sein.

  • Cave: Organisationsverschulden bei nosokomialen Infektionen (siehe §23 IfSG). Nosokomiale Übertragungen impfpräventabler Infektionen sowohl durch das medizinische Personal auf Patienten oder Kollegen als auch Übertragungen von Patienten auf das medizinische Personal wurden vielfach in der Literatur beschrieben.

  • Die in Deutschland zugelassenen Impfstoffe sind sicher und effektiv in der Vermeidung schwerer Infektionen.

  • Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung, Vermeidung von infektassoziierten Fehlzeiten.

  • Vorbildfunktion für Patienten („Schlecht geimpfte Ärzte haben schlecht geimpfte Patienten“).

Die Argumente gegen eine Impfpflicht lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Negative Reaktionen des medizinischen Personals, Beschäftigte könnten sich in ihren individuellen Rechten eingeschränkt fühlen.

  • Hoher Ressourcen-Einsatz für Kontrollen und Sanktionen. Ohne Kontrollen und Sanktionen wäre eine Impfpflicht letztendlich ein „zahnloser Tiger“.

  • Eine Pflicht kann Fälschungen von Impfausweisen und anderen medizinischen Unterlagen befördern und zu versteckten Infektionsherden führen.

  • Wenn Nicht-Geimpfte zum Beispiel nicht mehr in der Pflege arbeiten dürfen, könnte die ohnehin angespannte Personalsituation noch weiter verschärft werden. Mit Stand 19. Mai 2022 hat die COVID-19-Impfpflicht jedoch bisher noch zu keinen nennenswerten Personalausfällen geführt [10].

Impfungen bieten individuellen Schutz vor mitunter schwerwiegenden Infektionen, es gibt kaum eine präventive Maßnahme in der Medizin, die derart effektiv ist. Wenn hohe Impfquoten erreicht werden, können sich Infektionen deutlich schlechter ausbreiten (Stichwort Herdenimmunität, Gemeinschaftsschutz).

Wenn wir wollen, dass Impfungen greifen, muss sich das medizinische Personal selbst auch impfen lassen. Der Kampf gegen impfpräventable Infektionen, Epidemien und Pandemien kann nur gelingen, wenn möglichst alle mitmachen.

Evidenzbasierte Informationen über Impfungen sollten die Grundlage der Impfentscheidung sein, Desinformationen, Gerüchte und sogenannte „alternative Fakten“ können die Gesundheit sowohl der Beschäftigten als auch der betreuten Patienten gefährden. Ein tragendes Konzept zur Steigerung der Impfquoten des medizinischen Personals ist somit auch die Ausbildung und Schulung der medizinischen Beschäftigten hinsichtlich impfpräventabler Infektionen, Impfwissen und arbeitsbedingter Infektionsgefährdung.

Wissensdefizite müssen abgebaut und dem medizinischen Personal die potenziellen Konsequenzen für die eigene Gesundheit und die Gefährdung der betreuten Patienten angemessenen kommuniziert werden.

Schließen möchte ich mit zwei Zitaten, die dies veranschaulichen können.

  • Aus der H1N1-Pandemie: „The most important weapon against the pandemic will be a vaccine. The second most important will be communication. Better communication leads to better results – the truth should not be managed, it should be told.“ [11]

  • Aus der SARS-CoV-2-Pandemie: „Getting vaccinated and boosted should be the accepted social norm during a pandemic. Unvaccinated people often assume that doctors and hospitals will always be available to them if they get sick. Messages could therefore also feature health care workers attesting to the strain that Covid-19 places on clinicians and on patients requiring treatment for any condition. “ [12]