7.1 Einleitung

Eine steigende Variantenvielfalt von Produkten und geringe Losgrößen durch kundenindividuelle Wünsche führen zu einer steigenden Komplexität in der Produktion sowie in der Erbringung technischer Dienstleistungen im After Sales. Um die Effizienz der Arbeitsprozesse bei steigender Komplexität zu gewährleisten, reagieren viele Unternehmen mit dem Einsatz digitaler Assistenzsysteme, die über Tablets, Datenbrillen und weiteren Wearables das Personal in seinen Tätigkeiten zu unterstützen. In der Produktion ist die Werker:innenführung bei manuellen Montageprozessen ein entsprechendes Beispiel. Auch im technischen Service werden Servicetechniker:innen bereits mit digitalen Assistenzsysteme ausgestattet, damit sie bei ihren Prüf-, Wartungs- und Reparaturvorgängen die richtigen Schritte für die jeweilige Maschine oder Anlage durchführen (Ridder, 2016).

Häufig ist eine Grundannahme beim Einsatz solcher digitalen Lösungen in industriellen Arbeitsprozessen, dass die menschliche Arbeitskraft durch sie ersetzt werden könnte. Jedoch bieten gerade digitale Assistenzsysteme die Chance, Menschen bei ihren Tätigkeiten sinnvoll zu unterstützen und dabei zusätzlich einen Kompetenzerwerb am Arbeitsplatz zu fördern. Viele Arbeitsschritte, die im Zeitalter einer fortschreitenden Digitalisierung auch weiterhin den Einsatz von Personal erfordern, können durch digitale Assistenzsysteme unterstützt werden. Die bereitgestellte Assistenz ist derzeit allerdings nicht an die Kompetenz der durchführenden Mitarbeiter:innen gekoppelt, sondern richtet sich ausschließlich an dem durchzuführenden Serviceprozess oder dem zu fertigenden Produkt aus. Es fehlt also an einer Personalisierung entsprechend der konkreten Assistenzbedürfnisse der einzelnen Personen. Etablierte Assistenzsysteme unterstützen bisher außerdem vor allem bei der Durchführung von manuellen Aktivitäten, jedoch weniger bei analytischen Prozessen. Perspektivisch lassen sich hier neue Potenziale für Assistenzsysteme erschließen, um den Menschen bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen (Stocker et al., 2014). Durch die Möglichkeit des daten- und modellgetriebenen Lernens kann beispielsweise das Treffen von Entscheidungen in komplexen Prozesssituationen verbessert werden. Digitale und personalisierte Assistenzsysteme erkennen im Idealfall den Informationsbedarf der Anwender:innen und stellen situationsabhängig Informationen zur Verfügung (Klocke et al., 2017).

Während personenbezogene Daten gewissermaßen eine Grundvoraussetzung für die Bereitstellung einer personalisierten Assistenz sind, können Fehler im Umgang mit diesen sensiblen Daten nicht nur zu Verstößen gegen geltendes Recht führen. Sie können auch Privatsphäre-Bedenken unter den Beschäftigten hervorrufen oder verstärken und somit ihre Akzeptanz gegenüber einem Assistenzsystem mindern. Vergleichbare Fragestellungen zu Privatsphäre-Bedenken und zum Akzeptanzverhalten wurden bisher größtenteils im digitalen Marketing und damit aus der Perspektive von privaten Konsumenten untersucht (Belanger & Crossler, 2011).

Im Projekt „Entwicklung eines Privatsphäre-Management-Systems für personalisierte Assistenzsysteme in Produktion und Service“ (PersonA) stand hingegen die Privatheit von Beschäftigten im Fokus. Anders als im digitalen Marketing werden die Assistenzsysteme nicht auf Webseiten oder in mobilen Apps eingesetzt, sondern im natürlichen, teilweise nicht-digitalen Arbeitsumfeld von Beschäftigten (Weinberg et al., 2015). Wenngleich diese besondere Perspektive zweifelsohne weitergehende eigenständige Analysen erfordert, ließen sich aus existierenden Forschungsarbeiten zu Kontrollmöglichkeiten und zur Selbstbestimmung im Kontext von Privatheit wichtige Ansatzpunkte für die konzeptionelle Ausgestaltung des Privatsphäre-Management-Systems für personalisierte Assistenzsysteme in Produktion und Service ableiten. Die entwickelte Lösung nutzt den Umstand, dass Privatsphäre-Bedenken durch Anwendung des sogenannten Privacy-Control-Konzeptes (Martin & Murphy, 2017), bei dem die Kontrolle über die Verwendung der personenbezogenen Daten an den einzelnen Nutzenden gegeben wird, maßgeblich reduziert werden können. Entscheidend für die erfolgreiche und langfristige Etablierung personalisierter Assistenzsysteme ist aber nicht nur die Akzeptanz seitens der Beschäftigten, sondern auch die rechtskonforme Ausgestaltung der Assistenzsysteme und insoweit vor allem der datenschutzkonforme Umgang mit Beschäftigtendaten. Entsprechende Anforderungen wurden daher im PersonA-Projekt bei der Entwicklung von Design-Prinzipien für personalisierte Assistenzsysteme sowie bei ihrer technischen Umsetzung identifiziert und berücksichtigt.

Im PersonA-Projekt wurde der Umgang mit persönlichen Daten von Anwender:innen personalisierter Assistenzsysteme so konzipiert, dass er zentralen Grundsätzen des Datenschutzrechts im Allgemeinen und des Beschäftigtendatenschutzes im Besonderen Rechnung trägt. Der Prozess der individuellen Datenfreigabe wurde so gestaltet, dass die zentralen Voraussetzungen für eine datenschutzrechtlich wirksame Einwilligung erfüllt werden, welche insbesondere die Freiwilligkeit und Informiertheit der Einwilligung betreffen (Grundsatz der Rechtmäßigkeit). Durch Berücksichtigung der Design-Prinzipien wird zudem sichergestellt, dass Daten, die im personalisierten Assistenzsystem anfallen, nicht zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle oder für sonstige Zielsetzungen zweckentfremdet werden (Grundsatz der Zweckbindung). Diese und andere datenschutzrechtliche Grundsätze wie Datenminimierung, Richtigkeit oder Speicherbegrenzung wurden auch durch eine entsprechende Technikgestaltung (Privacy-by-Design) der Entwicklungs- und Anwendungspartner im Projekt umgesetzt und sichergestellt.

Dieser Beitrag ist in sieben Kapitel gegliedert. Im folgenden Abschn. 7.2 werden zunächst die Grundlagen personalisierter Assistenzsysteme sowie die organisationskulturellen und datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen für ihren Einsatz in Unternehmen eingeführt. Das Abschn. 7.3 beschreibt das wissenschaftliche Vorgehen zur Entwicklung und Evaluation der Design-Prinzipien für personalisierte Assistenzsysteme. Die technische Umsetzung der Design-Prinzipien durch den Entwicklungspartner TeamViewer Germany GmbH wird in Abschn. 7.4 beschrieben. Abschn. 7.5 zeigt den Einsatz der geschaffenen Lösung in Pilotprojekten bei den Anwendungspartnern WS System GmbH und Kemper GmbH und evaluiert die erzielten Effekte durch eine Vorher-Nachher-Betrachtung der unterstützten Arbeitsprozesse. Abschn. 7.7 schließt mit einem Fazit und einem Ausblick.

7.2 Grundlagen und Rahmenbedingungen

7.2.1 Personalisierte Assistenzsysteme

Assistenzsysteme in Produktion und Service unterstützen Abfolgen von betrieblichen Aktivitäten, die von Beschäftigten durchgeführt werden. Im Fokus stehen nicht-administrative Tätigkeiten, die nicht an einem festen Büroarbeitsplatz erbracht werden, sondern einen gewissen Bewegungsradius bzw. Mobilität erfordern, beispielsweise bei der Prüfung und Reparatur einer Anlage oder der Montage von Bauteilen. Der Durchführungsort kann im eigenen Unternehmen sein, aber auch beim Kunden oder an anderen Orten. Die in diesen Arbeitsprozessen einsetzbaren digitalen Endgeräte, die den Anwender:innen die Assistenz bereitstellen, sind vielfältig und umfassen bspw. Datenbrillen, Smart Watches sowie sogenannte Sensor-Geräte einschließlich RFID-Armbänder und Barcode-Scanner.

Die Bereitstellung der Assistenz kann durch die Darstellung arbeitsbezogener Informationen, durch die Erteilung von Arbeitsanweisungen, durch Hilfestellungen bei Entscheidungen oder durch Orientierungshilfen in neuen Situationen erfolgen (Kasselmann & Willeke, 2016; Niehaus, 2017; Mewes et al., 2020). Das Assistenzsystem ist idealerweise in der Lage die Arbeitsumgebung zu erkennen und entsprechende Hinweise visuell, akustisch oder haptisch an die Nutzenden auszugeben (Kalantari, 2017; Kasselmann & Willeke, 2016; Mewes et al., 2020). Die technischen Komponenten eines Assistenzsystems stellen dabei nicht nur die Assistenz bereit, sondern sie sammeln auch selbst Daten, tauschen diese mit anderen Geräten oder Systemen aus und können so auf Informationen zugreifen und in Echtzeit kommunizieren (Kalantari, 2017). Hierdurch können sie auch eine neue Form der Kommunikation zwischen Menschen bzw. zwischen Menschen und Maschinen bieten (Maltseva, 2020).

Um eine optimale Unterstützung der Beschäftigten bei ihren Tätigkeiten zu gewährleisten, erscheint eine Personalisierung der Assistenzsysteme sinnvoll. Durch die Personalisierung werden Assistenzsysteme dazu befähigt, auf den individuellen Arbeitsfortschritt und Wissensstand der Beschäftigten einzugehen und sich kontinuierlich an diese anzupassen (Kalantari, 2017). Darüber hinaus können individuelle Vorlieben und Interessen, beispielsweise bei der Einstellung der Bildschirmoberfläche berücksichtigt werden (Göker & Smyth, 2002). Allerdings stellen die Bedenken hinsichtlich Datenschutz und Datensicherheit seitens der Beschäftigten eine nicht zu unterschätzende Hürde zur Erschließung der Potenziale von personalisierten Assistenzsystemen dar und können sogar zu einem Abbruch von Umsetzungsprojekten in Unternehmen führen (Petz & Haas, 2017; Xu et al., 2011).

7.2.2 Organisationskulturelle Herausforderungen

Die steigende Bedeutung der Organisationskultur in Bezug auf das Gelingen digitaler Transformation in Unternehmen ließ sich bereits mehrfach empirisch nachweisen (vgl. Hartl & Hess, 2017; Osmundsen et al., 2018). Insbesondere wenn Organisationskulturen Werte wie Offenheit gegenüber Veränderungen, Agilität, Fehlertoleranz und Lernfreudigkeit verinnerlichen, ist mit einer erfolgreichen digitalen Transformation zu rechnen. Auch ein gelebtes Innovationsinteresse, eine gewisse Risikoaffinität sowie ein Gemeinschaftsgedanke und eine kundenorientierte Sichtweise werden als wichtige Werte angesehen (vgl. Hartl & Hess, 2017).

Es ist wahrscheinlich, dass viele Arbeitnehmer:innen im Zusammenhang mit personalisierten Assistenzsystemen sich Sorgen in Bezug auf Datensicherheit und Überwachung machen oder sogar ihren Arbeitsplatz in Gefahr sehen. Somit gilt es bei der Umsetzung, den konkreten Nutzen durch den unterstützenden und arbeitsvereinfachenden Charakter der Technologie zu verdeutlichen und das Ziel der längeren und erfolgreicheren Mitarbeiter:innenbindung in den Fokus zu stellen.

Vorangegangene Kultur- und Wertestudien der nextpractice GmbH, gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Rahmen der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA), zeigen eindringlich auf, dass sich unter den Erwerbspersonen in Deutschland sieben unterschiedliche Wertewelten herausgebildet haben. Diese Wertegruppen haben teilweise völlig gegensätzliche Vorstellungen davon, wie Arbeit und Führung sein sollten. Deutlich wird darin, welche Spannungen und Konflikte in den unbewussten Werte- und Bewertungsmustern der deutschen Arbeitsgesellschaft schlummern und notwendige, insbesondere digitale Entwicklungen ausbremsen. Was für die einen das erstrebenswerte Erfolgskonzept ist, ist für andere das Bedrohungsszenario schlechthin, besonders auch beim Thema Digitalisierung.

Ob digitale Innovationen wie personalisierte Assistenzsysteme eher auf Zustimmung oder Ablehnung treffen, kann nur schwer beantwortet werden, ohne diese kulturellen Muster aufzudecken. Daher wurden im Rahmen des PersonA-Projekts Analysen zu Akzeptanz- und Nutzungsverhalten auf Beschäftigtenebene durchgeführt und Implikationen für die Entwicklung auf kultureller und organisationaler Ebene abgeleitet. Beim Anwendungspartner Kemper GmbH wurden 28 Interviews geführt, bei der WS System GmbH fanden zwölf Interviews statt. Die rund 1,5-stündigen Interviews wurden persönlich in den Unternehmen in vertraulicher Umgebung geführt. Die Analysen erfolgten mithilfe des nextexpertizer-Werkzeugs der nextpractice GmbH, mit dem die größtenteils unbewussten, aber maßgeblich handlungsleitenden Kriterien identifiziert werden, die zu Akzeptanz oder Ablehnung von digital-assistierten Arbeitsprozessen führen. Im Rahmen der Analysen konnten sowohl die konkreten Änderungen hinsichtlich der individuellen Anwendungsfälle im Projekt gemessen, als auch überindividuelle Bewertungsmuster identifiziert werden, die Aufschlüsse über kulturelle Muster geben.

Die Entwicklungen bezogen auf digitale Assistenzsysteme wurden in den beiden Unternehmen unterschiedlich beschrieben. Die befragten Personen bei der WS System GmbH hatten zum initialen Messzeitpunkt bereits Realerfahrungen mit Assistenzsystemen. Der intuitive Entwicklungsverlauf zeigt, dass schon früher auf effiziente Prozesse gesetzt wurde, die im Laufe der Zeit weiter digitalisiert wurden. Bei der Kemper GmbH waren die Prozesse in der Vergangenheit eher menschenzentriert aber auch kontrollintensiv. Inzwischen sind sie effizienter geworden. Für die Zukunft wird ebenfalls eine zunehmende Digitalisierung erwartet. In der Gesamtschau über beide Unternehmen hinweg erwarten die Befragten, dass digitale Assistenzsysteme zwar positiv zur Prozessleistung beitragen. Sie werden aber auch als suspekt und nicht ganz ausgereift wahrgenommen. Digitale Assistenzsysteme der Zukunft werden aus Sicht der Befragten intelligenter und eigenständiger arbeiten. Die befragten Personen beider Unternehmen sagen intuitiv voraus, dass zukünftig diejenigen Unternehmen erfolgreich sein werden, die vermehrt intelligente Assistenzsysteme einsetzen.

Durch eine Musteranalyse ließen sich außerdem drei Gruppen unter den Befragten identifizieren, die digitale Assistenzsysteme unterschiedlich bewerten. Jede Gruppe zeichnet sich durch spezielle handlungsleitende Einstellungen und Haltungen aus. Die Gruppe 1 „Unterstützende Hilfestellung“ steht digitalen Assistenzsystemen im Vergleich zu den anderen Gruppen am kritischsten gegenüber. Auch wenn sie ihre Arbeit durchaus mit digitalen Hilfsmitteln erleichtern wollen, sollte das Individuum ihrer Meinung nach auch in Zukunft im Mittelpunkt stehen. Die Gruppe 2 „Effiziente Arbeitsabläufe“ steht digitalen Assistenzsystemen sehr positiv gegenüber, da sie ihrer Meinung nach den beruflichen Alltag spürbar erleichtern. Aus ihrer Sicht können mithilfe dieser Systeme Arbeitsabläufe schon heute effizienter und schneller gestaltet werden als in der Vergangenheit. Innovationen in diesem Bereich werden als große Chancen für weitere Prozessoptimierung wahrgenommen. Datenschutz wird von den Befragten dieser Gruppe ausdrücklich begrüßt. Die Gruppe 3 „Intelligente Automatisierung“ hat ebenfalls eine positive Auffassung hin-sichtlich digitaler Assistenzsysteme. Die Befragten dieser Gruppe sind optimistisch, dass Arbeitsprozesse durch zunehmende Künstliche Intelligenz weiter optimiert werden können. Nur Unternehmen, die dieser Entwicklung folgen, werden zukünftig erfolgreich sein. Datenschutzrichtlinien werden bei dieser prognostizierten Entwicklung als eher ausbremsend empfunden.

7.2.3 Datenschutzaspekte

Um eine Personalisierung von Assistenzsystemen zu ermöglichen, sind personenbezogene Daten notwendig. Über Sensoren sind Assistenzsysteme in der Lage, Bewegungsdaten, Körperfunktionen oder auch Videos, Fotos und Tonaufnahmen zu erheben. Sofern personalisierte Assistenzsysteme personenbezogene Daten der Nutzenden verarbeiten, ist der Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) eröffnet. Folglich sind beim Einsatz von Assistenzsystemen die Vorschriften der DS-GVO zu berücksichtigen. Auch wenn die DS-GVO maßgeblich für den europäischen Datenschutz ist, wird der Beschäftigtendatenschutz aufgrund der Öffnungsklausel in Art. 88 DS-GVO dem nationalen Gesetzgeber überantwortet; insoweit bildet daher § 26 BDSG die zentrale Vorschrift für die Verarbeitung von Beschäftigtendaten. Auch der Einsatz von digitalen Assistenzsystemen am Arbeitsplatz muss sich grundsätzlich an dieser Vorschrift messen lassen.

§ 26 BDSG normiert im Ausgangspunkt ein Verarbeitungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt – ebenso wie dies auch der DS-GVO immanent ist. Danach ist die Verarbeitung von personenbezogenen Daten grundsätzlich verboten, sofern nicht ein Erlaubnistatbestand greift. Das (datenschutz-)rechtliche Instrument zur Umsetzung der individuellen Datenfreigabe bei personalisierte Assistenzsysteme ist die Einwilligung der Beschäftigten in eine Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten. Allerdings ist die Einwilligung als Erlaubnistatbestand für eine Datenverarbeitung im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen insbesondere mit Blick auf das Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten nicht unumstritten (Tinnefeld et al., 2018). Dem Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten trägt der Gesetzgeber im nationalen Recht Rechnung, indem die Vorgaben des Art. 7 DS-GVO in § 26 Abs. 2 S. 1 BDSG bzgl. der Freiwilligkeit aufgegriffen und verdeutlicht werden (Gola & Heckmann, 2019). Nach der Gesetzesbegründung sind bei der Beurteilung der Freiwilligkeit „neben der Art des verarbeiteten Datums und der Eingriffstiefe (…) auch der Zeitpunkt der Einwilligungserteilung maßgebend. Vor Abschluss eines (Arbeits-)Vertrages werden Beschäftigte regelmäßig einer größeren Drucksituation ausgesetzt sein, eine Einwilligung in eine Datenverarbeitung zu erteilen.“ Nicht auszuschließen ist außerdem, dass die Beschäftigten mangels Handlungsalternativen zwangsläufig in die Verarbeitung einwilligen müssen (Kopp & Sokoll, 2015), sobald der Einsatz von Assistenzsystemen in Arbeitsprozessen das Stadium eines freiwilligen Pilotprojekts überschritten hat. Von einer freiwilligen, mithin wirksamen Einwilligung, ist sodann nicht mehr auszugehen. Was die formellen Voraussetzungen der Einwilligung angeht, so bedarf die Einwilligung im Regelfall der Schriftform und der Arbeitgeber hat die beschäftigte Person über ihr Widerrufsrecht nach Art 7 Abs. 3 DS-GVO sowie den Zweck der Datenverarbeitung aufzuklären (§ 26 Abs. 2 S. 3, 4 BDSG).

§ 26 Abs. 2 S. 2 BDSG führt Beispiele auf, die auf eine freiwillig erteilte Einwilligung schließen lassen. Das betrifft insbesondere auch den Fall, in dem die beschäftigte Person infolge der Datenverarbeitung einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorteil erlangt oder der Arbeitgeber und die beschäftigte Person gleichgelagerte Interessen verfolgen. Als ein konkretes Beispiel hierfür wird in der Begründung zum Gesetzesentwurf u. a. in der Einführung eines Gesundheitsmanagements oder in der Erlaubnis zur Privatnutzung von betrieblichen IT-Systemen ein rechtlicher und wirtschaftlicher Vorteil für Beschäftigte gesehen. Vergleichbare Vorteile können sich auch aus dem Einsatz von personalisierten Assistenzsystemen ergeben, wenn den Beschäftigten bedarfsgerecht Hilfestellung in bestimmten Arbeitsabschnitten gegeben werden kann. Durch eine Personalisierung der Assistenz können die Beschäftigten dementsprechend bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten unterstützt und ihre Arbeitsabläufe optimiert werden. Außerdem können Beschäftigte und Arbeitgeber durch die Einführung personalisierter Assistenzsysteme gleichgelagerte Interessen verfolgen. Beispielsweise korreliert das Bedürfnis der/des Beschäftigten in der Regel mit dem des Arbeitgebers, wenn es darum geht, Arbeitsprozesse möglichst effizient und mit möglichst geringem Aufwand zu erledigen.

Maßgeblich in Bezug auf die Freiwilligkeit der Einwilligung ist die technische Ausgestaltung des personalisierte Assistenzsystems. Je mehr Kontrolle die Beschäftigten darüber haben, welche Daten durch die Nutzung erhoben und verarbeitet werden sollen, desto eher kann von einer tatsächlich freiwilligen Verarbeitung ausgegangen werden. Dadurch, dass sie die Verfügungsmacht über ihre Daten besitzen, stufen sie die Risiken der Nutzung von Assistenzsystemen möglicherweise geringer ein und stimmen aus freier Überzeugung der Verarbeitung zu. Umso wichtiger ist es, dass die Softwarekomponente des Assistenzsystems für ein solches Kontrollzentrum entsprechend ausgestaltet ist.

Im Rahmen des PersonA-Projekts war daher bei der Entwicklung von personalisierten Assistenzsystemen besonders darauf zu achten, dass die Datenfreigabe seitens der Beschäftigten den Vorgaben an eine wirksame, d. h. freiwillige Einwilligung entspricht. Das Bundesarbeitsgericht hat die Einwilligung als möglichen Erlaubnistatbestand für eine Datenverarbeitung im Beschäftigungsverhältnis nicht generell ausgeschlossen (BAG, Urt. v. 11.12.2014 – 8 AZR 1010/13). Auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses können sich Beschäftigte frei entscheiden, wie sie ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausüben wollten; dem stehe weder der Umstand, dass Arbeitnehmer:innen abhängig Beschäftigte sind, noch das Weisungsrecht des Arbeitgebers entgegen. Einigkeit besteht jedoch, dass eine freiwillige Einwilligung nur dann angenommen werden kann, wenn Beschäftigte diese ohne Nachteile verweigern können und sichergestellt ist, dass in der Praxis keine negativen Konsequenzen aus der Verweigerung einer Einwilligung gezogen werden. Der Nutzen von personalisierten Assistenzsysteme kann daher nur realisiert werden, wenn den Beschäftigten dieser Nutzen verdeutlicht wird (Allen et al., 2007; Bélanger & Crossler, 2011; Yildirim & Ali-Eldin, 2019) und sie die Kontrolle über die Erhebung und Verwendung ihrer Daten haben (Tucker, 2014; Martin & Murphy, 2017). Aufbauend auf diesen Rahmenvorgaben wurden im PersonA-Projekt Design-Prinzipien für personalisierte Assistenzsysteme so konzipiert, dass die Systeme bei Berücksichtigung der Design-Prinzipien den rechtlichen Anforderungen an eine freiwillige Einwilligung entsprechen.

Wenngleich es bei der Einführung eines personalisierte Assistenzsysteme primär und insbesondere im Anfangsstadium auf die Einwilligung als Erlaubnistatbestand ankommt, gibt es gleichwohl Situationen, in denen auch andere Erlaubnistatbestände für die Verarbeitung von Beschäftigtendaten durch das System herangezogen werden können. Infrage kommt zunächst der Fall, in welchem ein Assistenzsystem für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses gem. § 26 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BDSG erforderlich ist. Liegt der Sinn und Zweck von Assistenzsystemen darin, den Arbeitnehmer effektiv bei seiner Tätigkeit zu unterstützen, dann kommt daher insbesondere der Tatbestand der „Durchführung für das Beschäftigungsverhältnis“ in Betracht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Begriff „Assistenzsystem“ impliziert, dass dieses dem Beschäftigten nur assistieren soll. Ab wann der Arbeitnehmer seine Tätigkeit jedoch ohne ein Assistenzsystem nicht mehr ausüben kann, lässt sich nicht ohne weiteres feststellen. Auch wenn derartige Berufsfelder aktuell kaum existieren, so kann dennoch davon ausgegangen werden, dass sie zukünftig durch die weitere technische Entwicklung geschaffen werden. Es wird auch nicht definiert, ab wann die Verarbeitung der Beschäftigtendaten tatsächlich erforderlich ist. Jedenfalls lässt die Gesetzesbegründung zu, dass ein Rahmen konstruiert wird, innerhalb dessen die Erforderlichkeitsprüfung stattfinden kann. Dabei muss zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten und den Interessen des Arbeitgebers an der Verarbeitung der Daten abgewogen werden und diese so zu einem Ausgleich gebracht werden.

Zudem kann die Verarbeitung von Beschäftigtendaten durch das System gerechtfertigt sein, soweit dies aufgrund einer Kollektivvereinbarung gestattet wird oder die Verarbeitung zur Aufdeckung von Straftaten dient. Insbesondere eine gemäß § 26 Abs. 4 S. 1 BDSG ausgestaltete Kollektivvereinbarung kann die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beschäftigten rechtfertigen. Beispielsweise könnte darin vereinbart werden, dass der Arbeitgeber Assistenzsysteme zur Unterstützung der Arbeitnehmer:innen bei ihrer Tätigkeit bereitstellen muss. Damit einhergehend kann auch die hierfür erforderliche Datenverarbeitung vereinbart und genehmigt werden. Wenn die Assistenzsysteme den Arbeitnehmer:innen tatsächlich assistieren und diese nicht überwachen, ist eine solche Vereinbarung sogar wahrscheinlich. Um die Akzeptanz und damit auch die Nutzung der Beschäftigten zu steigern, ist es geradezu notwendig, Assistenzsysteme zu entwickeln, die die Kontrolle, welche Daten genau über Beschäftigte erhoben werden, auch diesem überlassen. Was die inhaltlichen Anforderungen an die Vereinbarungen angeht, verweist § 26 Abs. 4 S. 2 BDSG auf Art. 88 Abs. 2 DS-GVO. Soweit die Assistenzsysteme dazu bestimmt sind, Verhalten und Leistung der Beschäftigten zu kontrollieren, hat der Betriebsrat gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ohnehin ein Mitbestimmungsrecht (Wisskirchen et al., 2017).

Damit Assistenzsysteme datenschutzkonform ausgestaltet sind, müssen weitere Vorgaben der DS-GVO zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten umgesetzt werden. Den Kern dieser Vorgaben bildet Art. 5 DS-GVO, welcher die Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten aufstellt (Schnebbe, 2020). Insbesondere im Beschäftigtenverhältnis hat die/der Verantwortliche sicherzustellen, dass diese Vorgaben umgesetzt werden. Damit diese Grundsätze auch tatsächlich eingehalten werden, verpflichtet die DS-GVO die Verantwortliche bzw. den Verantwortlichen die Verarbeitung und die dafür eingeführte Technik so auszugestalten, dass sie diesen Grundsätzen gerecht wird (Art. 25, 32 DS-GVO). Die zentralen Ansätze sind Privacy Control (nutzer:innenbestimmte Privatheit) und Privacy-by-Design (rechtskonforme Datenerhebung und -verarbeitung bereits durch die entsprechende Gestaltung der Technologie). Des Weiteren schreibt die DS-GVO den Nutzer:innen des Assistenzsystems verschiedene Betroffenenrechte (Art. 12–23 DS-GVO) zu, die die/der Verantwortliche durch technische und organisatorische Maßnahmen gewährleisten muss.

Um personalisierte Assistenzsysteme entsprechend dieser datenschutzrechtlichen Vorgaben auszugestalten, müssen diese Vorgaben zunächst kategorisiert und eingeordnet werden. Dafür bietet es sich an, sich an den Gewährleistungszielen des Standard-Datenschutzmodells (Rost & Weichelt, 2020) zu orientieren, das geeignete Mechanismen vorschlägt, um die rechtlichen Anforderungen der DS-GVO in technische und organisatorische Maßnahmen zu überführen. Es dient somit zur Unterstützung bei der Ausgestaltung von personalisierten Assistenzsystemen, indem die abstrakten rechtlichen Anforderungen der DS-GVO in konkrete und in die gem. Art. 25 Abs. 2 DS-GVO geforderten technischen und organisatorischen Maßnahmen transferiert werden können. Auf der anderen Seite dient das Standard-Datenschutzmodell als Kontrollrahmen dafür, inwieweit die entsprechenden datenschutzrechtlichen Vorgaben eingehalten wurden. Das Modell umfasst insgesamt sieben Gewährleistungsziele, die als Orientierung dienen können. Bei den Zielen handelt es sich um Datenminimierung, Verfügbarkeit, Integrität, Vertraulichkeit, Transparenz, Nichtverkettung und Intervenierbarkeit.

Eine datenschutzrechtliche Analyse eines personalisierten Assistenzsystems anhand dieser Gewährleistungsziele kann im Rahmen dieses Beitrages allenfalls pauschal erfolgen. Maßgeblich ist für eine solche Beurteilung insbesondere die technische Ausgestaltung der Hardware- und Softwarekomponenten des personalisierten Assistenzsystems, die je nach Art, Modell und Einsatzgebiet variieren können. So können mono- und binokulare Datenbrillen durch eine integrierte Kamera Bild-, Video- und Tonaufnahmen anfertigen, bei welchen wohlmöglich sich im Umfeld befindende Dritte aufgenommen werden. Smart Watches können ebenfalls verschiedene Datenverarbeitungsvorgänge mit sich bringen, wie z. B. die Erhebung von GPS-Koordinaten oder Gesundheitsdaten, wie den Blutdruck oder Ruhepuls.

Grundsätzlich ist bei der Entwicklung und beim Einsatz eines personalisierten Assistenzsystems sicherzustellen, dass die Datenverarbeitung angemessen, erheblich und auf das notwendige Maß beschränkt ist. Dazu zählt, dass die erhobenen Daten in Hinblick auf den Zweck der Verarbeitung sachgerecht sind (Roßnagel, 2019). Erheblich sind Daten, wenn sie für die Erfüllung des Zwecks, für den sie erhoben wurden, einen Unterschied bedeuten und zudem erforderlich sind. Zudem dürfen Beschäftigtendaten nur so lange gespeichert werden, wie sie für den Zweck der Verarbeitung erforderlich sind. Die Beschränkung auf das notwendige Maß bezieht sich darauf, inwieweit sich die Daten zu einem Persönlichkeitsprofil zusammentragen lassen. Zusätzlich muss es möglich sein, dass auf die verarbeiteten Daten durch das System sofort zugegriffen werden kann. Dafür bieten sich Datenbanken, Datenmanagement-Systeme sowie Suchfunktionen an, die parallel geführt werden. Zudem muss sichergestellt werden, dass bei Störungen des Systems jeglicher Art die Daten wiederhergestellt werden können. Des Weiteren muss das System derart ausgestaltet sein, dass die Beschäftigtendaten, welche durch die Nutzung verarbeitet werden, unversehrt, vollständig, richtig und aktuell bleiben. Eine Abweichung davon muss sofort feststellbar sein, damit die entsprechenden Daten berichtigt werden können.

Durch die technischen und organisatorischen Maßnahmen muss zudem eine angemessene Sicherheit personenbezogener Daten gewährleistet werden, wozu insbesondere zählt, dass unbefugte Personen keinen Zugang zu den Daten oder zu dem Assistenzsystem haben. Insbesondere für den Fall, dass ein Wearable von mehreren Beschäftigten, beispielsweise im Rahmen eines Schichtbetriebes, hintereinander verwendet wird, muss das System derart ausgestaltet sein, dass personenbezogene Daten nicht zusammengeführt werden, wenn dies nicht zwangsläufig notwendig ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn die zusammengeführten Daten zu unterschiedlichen Zwecken erhoben wurden. Diese Nichtverkettung kann durch entsprechende technische Maßnahmen wie zum Beispiel durch Pseudonymisierung sichergestellt werden.

Bei der Einwilligung und bei der Nutzung eines Systems muss für Beschäftigte stets nachvollziehbar sein, welche Daten wann und für welchen Zweck bei der Verarbeitung erhoben sowie verarbeitet werden. Schließlich muss die Ausgestaltung des personalisierten Assistenzsysteme derart erfolgen, dass die Anwender:in ohne Umwege die ihr/ihm zustehenden Rechte auf Benachrichtigung, Auskunft, Berichtigung, Löschung, Einschränkung, Datenübertragbarkeit und Widerspruch bei Bestehen der gesetzlichen Voraussetzungen unverzüglich und wirksam gewährt werden, oder falls diese Rechte innerhalb des Systems nicht direkt wahrgenommen werden können, das System sie/ihn informiert, dass diese Rechte bestehen und wie sie umgesetzt werden.

7.3 Design-Prinzipien für personalisierte Assistenzsysteme

7.3.1 Grundlagen zu Design-Prinzipien

Design-Prinzipien (engl. design principles) sind ein wichtiges Instrument zur Wissensspeicherung und -vermittlung in der gestaltungsorientierten Wirtschaftsinformatikforschung, die auch als Design Science Research bezeichnet wird (Gregor et al., 2020). Gemäß Seidel et al. (2018) sind Design-Prinzipien Aussagen, die eine Handlungsanleitung bieten und die sich sowohl an technologieorientierte als auch an managementorientierte Zielgruppen richten. Es ist ihr Zweck, praktische Hinweise für die Gestaltung, Entwicklung und Nutzung von Informationssystemen und geeigneten Lösungen zu geben (Gregor et al., 2020).

Laut Chandra et al. (2015) dienen Design-Prinzipien erstens dazu, Designwissen zu erfassen und zu kommunizieren. Durch die Formulierung von Design-Prinzipien werden Designvorschriften explizit dargestellt und müssen nicht aufwendig aus umfangreichen Berichten ermittelt werden (Chandra et al., 2015). Zweitens ermöglichen sie eine Abstraktion von Einzelfällen und damit eine Verallgemeinerung von gewonnenen Erkenntnissen. Drittens sind Design-Prinzipien ein Schritt im Prozess der Entwicklung von umfassendem Gestaltungswissen, wie z. B. in Form von Design-Theorien (engl. design theories).

Design-Prinzipien bestehen nach Seidel et al. (2018) aus drei Elementen. Die Aktionsmöglichkeiten (engl. affordances) beschreiben die Bedürfnisse oder Wünsche der Nutzenden und beziehen sich auf ihre Handlungsmöglichkeiten. Die materiellen Eigenschaften (engl. material properties) beschreiben, welche Funktionalitäten das System bieten muss, um den Nutzenden die nötigen Aktionsmöglichkeiten zu bieten. Die Randbedingungen (engl. boundary conditions) dienen dazu, die Grenzen aufzuzeigen, insbesondere im Hinblick auf die Anwendbarkeit und Generalisierbarkeit der Design-Prinzipien.

7.3.2 Vorgehen zur Entwicklung der Design-Prinzipien

Im PersonA-Projekt wurden generalisierte Design-Prinzipien für personalisierte Assistenzsysteme entwickelt, die eine Übertragbarkeit und Verwertung der Projektergebnisse über das Projektende hinaus fördern und eine Verbreitung in angrenzende Anwendungsgebiete ermöglichen sollen. Diese Design-Prinzipien können dementsprechend für die Gestaltung weiterer digitaler Lösungen in einer sich weiterentwickelnden Arbeitswelt genutzt werden. Sie wurden so definiert, dass sowohl die gewünschte Funktionalität von personalisierte Assistenzsystemen erreicht als auch eine Akzeptanz durch die Beschäftigten aufgrund der Berücksichtigung der Datenschutzaspekte erwartet werden kann. Der Entwicklungsprozess für die Design-Prinzipien umfasste drei Schritte. Zunächst wurden Anforderungen an personalisierte Assistenzsysteme identifiziert, danach die Design-Prinzipien formuliert und diese schließlich im dritten und letzten Schritt evaluiert.

Design-Prinzipien definieren die Aktionsmöglichkeiten sowie die hierfür notwendigen materiellen Eigenschaften des Systems. Daher wurden im ersten Schritt zunächst die Anforderungen von Nutzenden an personalisierte Assistenzsysteme identifiziert. Hierzu wurde existierende Literatur zur Gestaltung optimierter Arbeitsprozesse unter Nutzung von Wearables und digitalen Assistenzsystemen gesichtet. Da die Literatur möglicherweise nicht alle Anforderungen abdeckt, wurde zusätzlich eine Umfrage bei den Anwendungspartnern Kemper GmbH und WS System GmbH durchgeführt. Hierbei entstanden Personas, die fiktive Benutzer:innen in bestimmten Kontexten mit ihren Bedürfnissen, Zielen und Aufgaben beschreiben (Cooper, 1999). Insbesondere für ein nutzer:innenzentriertes Design in der Mensch-Computer-Interaktion werden Personas als eine relevante und leistungsfähige Technik angesehen, um identifizierte Erwartungen, Ziele und Anliegen zu erfüllen (Salminen et al., 2021). Um die Personas erstellen zu können, wurden in der Umfrage zunächst allgemeine Daten der Nutzer:innengruppen wie Demografie, Hintergrund, Erwartungen und Ziele abgefragt. Um kontextbezogene Daten zu gewinnen, wurde auch nach Herausforderungen und Lösungen bei der Nutzung von personalisierte Assistenzsystemen am Arbeitsplatz und den damit verbundenen Bedenken und Erwartungen an die Datenerfassung und -nutzung gefragt. Die Umfrage wurde jeweils von einem Teamleiter der beiden Anwendungspartner ausgefüllt.

Die identifizierten Anforderungen wurden im zweiten Schritt systematisiert und anhand ähnlicher Eigenschaften gebündelt. Anschließend wurden die materiellen Eigenschaften abgeleitet, die ein System besitzen muss, um die Anforderung zu erfüllen. Die Struktur von Seidel et al. (2018) diente als Grundlage für die Formulierung der Design-Prinzipien: Das System stellt [materielle Eigenschaften] zur Verfügung, um den Nutzenden [Aktionsmöglichkeiten] zu ermöglichen.

Im dritten Schritt wurden die formulierten Design-Prinzipien evaluiert. Hierfür wurden Fokusgruppen mit potenziellen Nutzenden personalisierter Assistenzsysteme durchgeführt. Eine Fokusgruppe ist eine moderierte Diskussion mehrerer Teilnehmer:innen zu einem bestimmten Thema, bei der persönliche Meinungen, Erfahrungen und Einschätzungen der Teilnehmer im Vordergrund stehen. Ziel von Fokusgruppen ist es, durch eine offene Diskussion unter den Teilnehmer:innen vertiefende Informationen auszutauschen, individuelle Argumentationen, Wertesysteme und mögliche Ängste zu verstehen, neue Erkenntnisse zu gewinnen und zuvor definierte Fragestellungen aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten (Stewart & Shamdasani, 2017).

Es wurden drei getrennte Fokusgruppen mit unterschiedlichen Schwerpunkten durchgeführt. Die erste beschäftigte sich mit den generellen Funktionen von Assistenzsystemen, die zweite mit der Personalisierung und die dritte mit der mitarbeiter:innenbestimmten Datenerhebung und -verwendung (vgl. Tab. 7.1). Die Design-Prinzipien je Schwerpunkt wurden zunächst in den Fokusgruppen diskutiert, um die persönlichen Meinungen und Einschätzungen der Teilnehmer:innen zu erfassen. Außerdem sollten die Fokusgruppen aufzeigen, ob die formulierten Design-Prinzipien verworfen, angepasst oder möglicherweise sogar neue hinzugefügt werden sollten. Nachdem die jeweilige Fokusgruppe ihre Diskussion beendet hatte und alle Design-Prinzipien besprochen worden waren, haben die Teilnehmer:innen die Design-Prinzipien ihres Themengebiets nach ihrer Wichtigkeit für sie priorisiert. Diese Angaben wurden zu einer Gesamtpriorisierung je Gruppe von Design-Prinzipien konsolidiert.

Tab. 7.1 Übersicht der drei Fokusgruppen zur Evaluation der Design-Prinzipien

7.3.3 Entwickelte Design-Prinzipien

Ausgehend von den dargestellten rechtlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen wurde im PersonA-Projekt die Grundannahme bei der Entwicklung der Design-Prinzipien getroffen, dass die Anwender:innen das personalisierte Assistenzsystem freiwillig nutzen bzw. in die Nutzung freiwillig einwilligen. Die Akzeptanz des Systems ist daher ausschlaggebend für seine Nutzung. Die entwickelten Design-Prinzipien sollen insgesamt dazu dienen, dass die auf ihrer Basis entwickelten Assistenzsysteme die Arbeit der Nutzer:innen aktiv unterstützen und erleichtern, eine möglichst hohe Akzeptanz erzielen und rechtskonform eingesetzt werden. Die Design-Prinzipien für personalisierte Assistenzsysteme wurden in drei Gruppen gegliedert: 1. Design-Prinzipien zu generellen Funktionen von Assistenzsystemen (vgl. Tab. 7.2), 2. Design-Prinzipien zur Personalisierung von Assistenzsystemen (vgl. Tab. 7.3) und 3. Design-Prinzipien zur Datenerhebung und -verwendung von Assistenzsystemen (vgl. Tab. 7.4).

Tab. 7.2 Design-Prinzipien zu generellen Funktionen von Assistenzsystemen
Tab. 7.3 Design-Prinzipien zur Personalisierung von Assistenzsystemen
Tab. 7.4 Design-Prinzipien zur Datenerhebung und -verwendung von Assistenzsystemen

Design-Prinzipien zu generellen Funktionen von Assistenzsystemen

Unterschiedliche Studien belegen, dass der wahrgenommene Nutzen und die Bedienfreundlichkeit den größten Einfluss auf die Akzeptanz eines Systems haben (Buenaflor & Kim, 2013; Gao & Bai, 2014; Hoong et al., 2017; Merhar et al., 2018; Yildirim & Ali-Eldin, 2019). Diese Einschätzung wurde auch von den Teilnehmer:innen in der ersten Fokusgruppe zu den generellen Funktionen geteilt. Zudem äußerte die Fokusgruppe, dass die direkte Kommunikation mit Mitarbeitenden den größten Nutzen für die Arbeit mit dem System erzielen würde. In Fällen, wo die Hilfe von weiteren Mitarbeitenden benötigt wird, unterbricht diese Kommunikation den Arbeitsprozess, was zu Effizienzverlusten führt. Auch die Kommunikation zwischen technischen Systemen muss ermöglicht werden, nur so kann ein interaktiver Informationsaustausch zwischen den Geräten stattfinden. Je flüssiger das System läuft und je einfacher die Kommunikation über das System ist, desto besser wird die Benutzer:innenfreundlichkeit wahrgenommen.

Neben der Benutzer:innenfreundlichkeit heben verschiedene Autoren die Aufwände während der Nutzung des Systems hervor (Oesterle et al., 2019; Dwivedi et al., 2019). Der Zugriff auf Online-Daten ist an Orten ohne Internetverbindung, wie z. B. einer abgelegenen Produktionshalle, nicht ohne größeren Aufwand möglich. Durch eine Funktion für den variablen Online- und Offline-Zugriff auf Informationen ist die Bereitstellung der nötigen Daten nicht mit einer negativen Belastungsassoziation auf Nutzer:innenseite verknüpft (Dibia, 2015). Die Teilnehmer:innen der Fokusgruppe bestätigten den in der Literatur genannten Aspekt und bewerteten diese Funktion als sehr wichtig, d. h. ihnen ist es wichtig, das Assistenzsystem auch offline nutzen zu können, wenn an ihrem Einsatzort keine ausreichende Internetverbindung verfügbar ist.

Auch Funktionen zum automatischen Protokollieren erledigter Aufgaben können die Nutzenden entlasten und die Arbeit vereinfachen. Hierdurch wird ihnen eine aufwendige und häufig störende, manuelle Arbeit abgenommen. Zudem können die erstellten Protokolle für die Qualitätskontrolle genutzt werden. Damit die Nutzenden die Funktionen eines Assistenzsystems vollständig und korrekt nutzen können und ihr Wissen diesbezüglich nach Bedarf auffrischen können, sollte das Assistenzsystem eine Funktion zum Bereitstellen von Trainingseinheiten bieten. Die Teilnehmer:innen der Fokusgruppe bewerteten diese Funktion als nur durchschnittlich wichtig, trotzdem war sich die Fokusgruppe einig, dass diese Funktion vorhanden sein solle. Positiv bewerteten sie die Möglichkeit im Trainingsmodus Fehler machen zu können, die für die tatsächliche Arbeit fatal wären. Handlungsanweisungen und Hilfestellungen bei Arbeiten zu erhalten sei laut den Teilnehmer:innen zwar notwendig aber auch nur unterdurchschnittlich wichtig. Als Begründung nannten die Teilnehmenden die eigene Expertise sowie eine mögliche Bevormundung durch das Assistenzsystem, was auf Widerstand in der Fokusgruppe stieß. Dies deckt sich mit bestehender Literatur bezüglich Arbeitsautonomität, welche besagt, dass höhere Arbeitsautonomität zu höherem Arbeitsengagement führt (Heyns & Rothmann, 2017).

Bei Assistenzsystemen ist im Arbeitskontext zu beachten, dass es in der Regel am Körper getragen wird und daher die Anatomie des Menschen berücksichtigen und möglichst leicht zu tragen sein sollte. Es soll zu keiner großen Anstrengung bei der Nutzung kommen. Dies gilt für die gesamte Hardware, das Gewicht des Geräts, die Lesbarkeit des Displays, etc. Körperliche Anstrengung wird auch in der Literatur als ein Faktor genannt, welcher die Akzeptanz von Assistenzsystemen reduziert (Buenaflor & Kim, 2013). Letztlich soll ein Assistenzsystem die Umgebung der Nutzenden erfassen und beurteilen können, um die benötigten Informationen passend bereitzustellen. Das heißt, dass sich z. B. die Bildschirmhelligkeit in besonders hellen oder besonders dunklen Umgebungen automatisch anpasst, wodurch das Assistenzsystem einfacher zu bedienen ist. Die Design-Prinzipien für Assistenzsysteme im Allgemeinen sind in der priorisierten Reihenfolge (absteigend) in Tab. 7.2 dargestellt.

Design-Prinzipien zur Personalisierung von Assistenzsystemen

Die zweite Gruppe der Design-Prinzipien bezieht sich die Personalisierung von Assistenzsystemen. Assistenzsysteme bieten neue und teilweise noch unerforschte Möglichkeiten, um die Kommunikation zwischen den Arbeitnehmer:innen und ihrer Umgebung zu fördern (Maltseva, 2020). Allerdings haben die Mitarbeiter:innen eines Unternehmens in der Regel unterschiedliche Fähigkeiten und Qualifikationen. Dadurch benötigen nicht alle die gleiche Art und den gleichen Umfang an Unterstützung. Um diesen unterschiedlichen Wissensständen zu begegnen und das Potenzial eines Assistenzsystems optimal zu nutzen, ist eine Personalisierung sinnvoll. Die Personalisierung ermöglicht es dem Assistenzsystem, sich an die Qualifikation eines Mitarbeitenden in Bezug auf eine bestimmte Aufgabe passen und sie/ihn bei individuellen Entscheidungen oder spezifischen Problemen zu unterstützen (Gil et al., 2017). Zudem soll ein personalisiertes Assistenzsystem eine auf den jeweiligen Mitarbeitenden zugeschnittene Unterstützung in Echtzeit bieten, die sich dynamisch an den sich kontinuierlich ändernden Wissensstand anpasst (Kalantari, 2017). Das personalisierte Assistenzsysteme nutzt möglicherweise auch Funktionen, um die zu verrichtende Arbeit zu erkennen und so den Nutzenden eine kontextualisierte Hilfestellung je nach Ort oder Aufgabe, bei Arbeitsprozessen zu bieten (Schall et al., 2018).

Die entsprechende zweite Fokusgruppe (vgl. Tab. 7.1) war sich einig, dass eine Funktion für Hilfestellungen je nach Arbeitskontext eine der Hauptaufgaben eines Assistenzsystems darstellt. Diese Funktion wurde von der Fokusgruppe als die wichtigste Funktion der Personalisierung bewertet. Damit sich das System nicht nur auf die zu verrichtende Aufgabe anpassen kann, sondern auch an den individuellen Nutzenden, muss es zudem eine Funktion zur Erfassung und Ausgabe individueller Aufgaben und die damit einhergehenden Hilfestellungen zur Verfügung stellen. Damit die beiden beschriebenen Funktionen der Individualisierung funktionieren können, brauchen die Nutzenden des personalisierten Assistenzsystems persönliche Nutzer:innenprofile. Dieses Profil selbst bearbeiten zu können wurde von der Fokusgruppe als wichtig bewertet, da ansonsten die Nutzung eingeschränkt sein könnte, z. B. bezüglich der verwendeten Sprache. Zudem wurde angemerkt, dass regelmäßige Nutzende des Assistenzsystems es als Belastung ansehen würden, jedes Mal ihre bevorzugten Einstellungen neu vorzunehmen. Um den Nutzenden die Möglichkeit zu geben, ihre Arbeit vor Überwachung zu schützen, wurde eine anonyme Nutzung des personalisierte Assistenzsysteme bereits in der ursprünglichen Erhebung der Anforderungen angerecht. Die Teilnehmer:innen der Fokusgruppe bewerteten diese Funktion als „nice to have“ und gehen davon aus, dass sie wahrscheinlich vergleichsweise selten genutzt werden würde. Fehlen sollte diese Funktion trotzdem nicht, da sie in den seltenen Situationen, wo sie genutzt werden würde, besonders wichtig für die Nutzenden ist. Des Weiteren beschrieben die Fokusgruppenteilnehmer:innen, dass diese Funktion weniger wichtig wird, je höher das Vertrauen in den Arbeitgeber und je besser die Akzeptanz der personalisierten Assistenzsysteme ist. Dies wird auch von vorhandener Literatur bestätigt, die das Vertrauen in den Arbeitgeber und das System als wichtigen Prädiktor für die Akzeptanz und Nutzung eines Systems beschreiben (Goa & Bai, 2014; Sethumadhavan, 2017; Yildirim & Ali-Eldin, 2019). Tab. 7.3. zeigt die Design-Prinzipien zur Personalisierung mit absteigender Priorität.

Design-Prinzipien zur Datenerhebung und -verwendung von Assistenzsystemen

Die dritte Gruppe der Design-Prinzipien bezieht sich auf die mitarbeiter:innenbestimmte Datenerhebung und -verwendung bei der Nutzung von Assistenzsystemen. Da ein personalisiertes Assistenzsystem die Erhebung und Verwendung von personenbezogenen Daten voraussetzt, muss jedes System rechtskonform konzipiert sein und die nationalen Arbeitnehmerdatenschutzgesetze und weitere Verordnungen, wie beispielsweise die DS-GVO im europäischen Raum, einhalten. Nichtsdestotrotz können Gesetze und Verordnungen eventuell nicht alle unterschiedlichen Anforderungen von Nutzenden abdecken. Bei der Entwicklung der Design-Prinzipien für eine mitarbeiter:innenbestimmte Datenerhebung und -verwendung wurden daher nicht nur die gesetzlichen Rahmenbedingungen, sondern auch die vielfältigen Anforderungen aus Nutzer:innensicht identifiziert.

Die Notwendigkeit, personenbezogene Daten offenzulegen, um ein personalisiertes Assistenzsystem nutzen zu können, kann grundsätzlich dazu führen, dass Privatsphäre-Bedenken von Mitarbeitenden aufkommen oder sich verstärken. Dadurch könnte die Erhebung von personenbezogenen Daten verweigert werden und die Einführung oder die Nutzung eines personalisierten Assistenzsystems würde nicht akzeptiert werden (Kalantari, 2017; Xu et al., 2011). Um die Akzeptanz für das personalisierte Assistenzsysteme zu erhöhen und Privatsphäre-Bedenken zu verringern, gibt es verschiedene Einflussfaktoren, denen schon während der Entwicklung derartiger Systeme Beachtung geschenkt werden sollte. Beispielsweise verringern sich die Privatsphäre-Bedenken, wenn Personen mehr Kontrolle über ihre erhobenen Daten gegeben wird (i.e., Privacy-Control-Konzept; Martin & Murphy, 2017; Tucker, 2014), da sie dadurch die Prozesse der Datenerhebung und -verwendung als fair empfinden (Bélanger & Crossler, 2011; Culnan & Armstrong, 1999; Malhotra et al., 2004). Folglich sollten personalisierte Assistenzsysteme Aspekte der Datenschutzkontrolle aus Sicht der Nutzenden integrieren. Privatsphäre-Bedenken werden weiterhin verringert, wenn Nutzende eine gewisse Datenschutzkompetenz besitzen, die Datenerhebungs- und -verwendungsprozesse transparent und verständlich kommuniziert werden (Sethumadhavan, 2017) und Mitarbeitende in den Prozess der Implementierung eines neuen Systems involviert werden (Jacobs et al., 2019). Folglich sollten personalisierte Assistenzsysteme eine verständliche Darstellung und Kommunikation sowie eine Transparenz über die Datenverarbeitung bieten. Des Weiteren kann die Akzeptanz der Datenerhebung und -verwendung durch den Arbeitgeber erhöht werden, wenn Mitarbeitende dem Unternehmen im Umgang mit ihren personenbezogenen Daten vertrauen (Bleier & Eisenbeiss, 2015; Chellappa & Sin, 2005; Rosenthal et al., 2019), Datenmissbrauch vorgebeugt wird (Bandara et al., 2020; Merhar et al., 2018; Xu et al., 2011) und Vorteile der Nutzung des personalisierten Assistenzsystems und somit auch der Datenerhebung und -verwendung kommuniziert werden (Allen et al., 2007; Maltseva, 2020; Schall et al., 2018; Yildirim & Ali-Eldin, 2019). Folglich sollten personalisierte Assistenzsysteme Aspekte der Datensicherheit sowie Darstellungen von Vor- und Nachteilen integrieren, um das Vertrauen der Mitarbeitenden in den Arbeitgeber zu stärken. Letztlich ist zu beachten, dass Privatsphäre-Bedenken verringert werden können, wenn personenbezogene Daten in Verbindung mit einem Pseudonym aufgenommen werden, womit dem Arbeitgeber keine Rückschlüsse auf eine individuelle Person ermöglicht werden (Berkemeier et al., 2017; Kolter & Pernul, 2009; Shubina et al., 2019). Tab. 7.4 fasst die Design-Prinzipien für eine mitarbeiter:innenbestimmte Datenerhebung und -verwendung in personalisierten Assistenzsystemen zusammen. Sie sind erneut in absteigender Priorität gemäß den Erkenntnissen aus der dritten Fokusgruppe geordnet.

7.4 Technische Umsetzung

7.4.1 TeamViewer Frontline als Ausgangslösung

Die technische Umsetzung der personalisierten Assistenzsysteme im PersonA-Projekt baut auf existierenden Softwarelösungen des Entwicklungspartners TeamViewer Germany GmbH auf. Die Softwareplattform TeamViewer Frontline ermöglicht die digitale Unterstützung von Arbeitsprozessen durch die Darstellung von Informationen mittels Smart Glasses. So können den Anwender:innen beispielsweise bei einer Maschineninspektion die Schritte zum Ausbau eines Maschinenteils und die erwarteten Parameter einer Messung angezeigt werden. Insbesondere die Lösungen xMake und xInspect aus dem TeamViewer-Frontline-Lösungsportfolio kamen zum Einsatz und wurden durch die Arbeiten im PersonA-Projekt anhand der ermittelten Design-Prinzipien um innovative Funktionalitäten erweitert. Hierzu zählen insbesondere die personalisierte Assistenz sowie die Benutzer:innenkonfiguration zur Datenerhebung und -verwendung.

7.4.2 Personalisierte Assistenz

Eine wesentliche Motivation für die Personalisierung von Assistenzsystemen ist der unterschiedliche Wissens- und Erfahrungsstand der Mitarbeitenden. Während neue Mitarbeitende dankbar für eine Schritt-für-Schritt-Anleitung sind, empfinden erfahrene Mitarbeitende diese für sie unnötige Informationen als störend und würde gerne ohne Umschweife ihre Aufgabe erledigen und beispielsweise die Messdaten bei einer Maschineninspektion einfach eingeben. Der im Rahmen der Projektarbeiten verfolgte Ansatz einer personalisierten Assistenz versucht dieses Spannungsfeld aufzulösen, indem Datenpunkte gesammelt werden, die Aufschluss über den Wissens- und Erfahrungsstand der einzelnen Mitarbeitenden zu einem spezifischen Arbeitsprozess geben können. Anhand einer Analyse dieser Daten können den Mitarbeitenden dann eine prozessspezifische Kompetenzstufe zugewiesen und für sie optimierte Informationen angezeigt werden.

Personalisierung anhand von Erfahrung und Wissen

Konzeptionell waren zur Umsetzung der personalisierten Assistenz zunächst einmal Datentypen zu bestimmen, die über Erfahrung und Wissen Aufschluss geben und auch erhoben werden können. In diesem Zusammenhang wurden verschiedene Datentypen näher betrachtet, von denen vier für die Umsetzung des Systems ausgewählt wurden. Abb. 7.1 zeigt die vier ausgewählten Datentypen, die spezifisch je Prozess und Benutzer:in gesammelt werden.

Abb. 7.1
figure 1

Datentypen zur Ermittlung der prozess-spezifischen Kompetenzstufe

Für den Datentyp Ausführungsdauer sammelt das System die Dauer der letzten Prozessausführung pro Benutzer:in. Die zugrunde liegende Annahme hierbei ist, dass erfahrene Mitarbeitende im Allgemeinen weniger Zeit zur Durchführung eines Arbeitsprozesses benötigen als Unerfahrene. Der Typ Anzahl der bisherigen Ausführungen steht in direktem Zusammenhang mit der Erfahrung der Mitarbeitenden. Je öfter ein:e Mitarbeiter:in den Arbeitsprozess bereits durchgeführt hat, desto mehr Variationen und Besonderheiten musste sie/er lösen. Gleichzeitig bildet die Anzahl der bisherigen Ausführungen gemeinsam mit dem Zeitraum seit der letzten Ausführung die Vergessensprozesse des menschlichen Gehirns ab. Bereits Ebbinghaus (1885) wies die Bedeutung von Wiederholungen für die Erinnerung sowie einen exponentiellen Informationsverlust über die Zeit in deren Abwesenheit nach. Mit der Erfassung der beiden Datentypen soll trotz des Fehlens eines allgemeinen mathematischen Modells für Vergessensprozesse (Roediger, 2008) daher auch die Funktionsweise der Erinnerung ansatzweise berücksichtigt werden. Die Auswahl zusätzlicher Hilfestellungen dient zusätzlich als implizites Feedback für das Berechnungsmodell. Für diesen Faktor wird erfasst wie oft der/die Mitarbeiter:in bei der letzten Ausführung manuell auf Hilfe-Optionen zurückgegriffen hat. Was als Hilfe-Option definiert wird ist hierbei prozessabhängig. Beispielsweise könnte dies die Anzeige von Detail-Instruktionen sein, die für Expert:innen standardmäßig ausgeblendet werden. Ebenso infrage kommt ein Anruf bei Expert:innen mittels der Frontline-Remote-Support-Lösung xAssist.

Wie aus der Beschreibung der Datentypen deutlich geworden ist, werden die Daten (abgesehen von der Anzahl der bisherigen Ausführungen) lediglich für die jeweils letzte Ausführung des Arbeitsprozesses gespeichert. Diese Einschränkung wurde gewählt, um den Umfang der gesammelten Daten zu minimieren und das Vertrauen der Mitarbeitenden zu gewinnen, dass die Daten nicht gesammelt werden um ihre Leistung zu bewerten. Neben den bereits genannten Datentypen wurden weitere Typen wie die Anzahl von Fehlern die der/dem Mitarbeiter:in bei der Prozessdurchführung unterlaufen oder auch explizites Feedback zu dem Umfang der angezeigten Hilfen in Erwägung gezogen, jedoch aus verschiedenen Gründen bei der Umsetzung des Systems nicht berücksichtigt. Bei der Anzahl von Fehlern ist beispielsweise das automatische Sammeln der Daten nur schwer möglich, während explizites Feedback die Evaluation der Effektivität des Systems implizit vorwegnehmen würde.

Für die Ermittlung einer prozessspezifischen Kompetenzstufe ist es über das Sammeln der Daten hinaus erforderlich, diese in einen Kontext zu setzen, der ihnen Aussagekraft hinsichtlich der Erfahrung mit dem jeweiligen Arbeitsprozess verleiht. Dies wird deutlich, wenn man beispielhaft Prozesse mit unterschiedlicher Komplexität vergleicht. Als Beispiel ist der Datentyp Anzahl der bisherigen Ausführungen zu betrachten: Während beispielsweise das Aufbauen eines Schrankes nach wenigen Ausführungen ohne Instruktion erfolgen kann, gilt dies nicht für die Wartung einer komplexen Maschine. Ebenso ist offensichtlich, dass die Zeit, die Mitarbeitende zur Absolvierung eines Arbeitsprozesses benötigt, nur am Maßstab dieses Prozesses gemessen werden kann. Grundsätzlich wäre es hierfür denkbar, eine gewisse Menge historischer Daten für den Prozess zu sammeln und die/den Mitarbeiter:in anhand dessen einzuordnen. Dies ist jedoch schon aus rein praktischen Gründen häufig nicht möglich, da Arbeitsprozesse in vielen Fällen nur von wenigen Mitarbeitenden und/oder in geringer Häufigkeit durchgeführt werden und so das System erst nach einer längeren Anlaufzeit sinnvolle Ergebnisse erzielen würde. Aus diesem Grund werden bei der Modellierung des Arbeitsprozesses stattdessen Eingaben durch eine:n Domänen-Expert:in vorgenommen, um die Datentypen mit der Kompetenzstufe zu korrelieren. Abb. 7.2 zeigt die Eingaben, welche für jeweils abgefragt werden müssen.

Abb. 7.2
figure 2

Fragen zur Experten-Einschätzung des Arbeitsprozesses

Ermittlung der Kompetenzstufe

Nachdem die relevanten Datentypen bestimmt sind, ist es nunmehr erforderlich, diese in eine Einschätzung der Erfahrung und des Wissens der Mitarbeitenden umzuwandeln. Für das Berechnungsmodell wurde eine kontinuierliche Skala gewählt, welche für den Zweck der Anwendung jedoch zu Kompetenzstufen diskretisiert wird. So wurde in Abstimmung mit den Anwendungspartnern und unter Berücksichtigung der zu modellierenden Prozesse entschieden, dass eine Unterscheidung von zwei Kompetenzstufen – im weiteren als Neuling und Fachkraft bezeichnet – ausreichend ist. Dieser Diskretisierungsschritt könnte für andere Prozesse anders definiert werden.

Für jeden der vier vorgestellten Datentypen vergibt das System eine Punktzahl im Intervall [0, 10]. Die Kompetenzstufe berechnet sich dann anhand der Formel:

$${x_{\textit{dauer}}} + {x_{\textit{letzte}}} + {x_{\textit{anzahl}}} + {x_{\textit{hilfe}}} \geq 20, \textit{dann}\;\textit{Fachkraft}\;\textit{sonst}\;\textit{Lehrling.}$$

Somit kann eine längere Pause seit der der letzten Prozessdurchführung zum Beispiel dadurch ausgeglichen werden, dass die/der Mitarbeiter:in den Prozess schon sehr häufig ausgeführt hat. Auf die Berechnung der Punktzahlen der einzelnen Datentypen wird im Folgenden näher eingegangen.

Für den Datentyp letzte Ausführungsdauer (\(d_{\textit{letzte}}\)) legt, wie oben beschrieben, ein:e Domänen-Expert:in eine minimale und maximale Dauer (\(d_{\textit{min}} \;\textit{und}\;d_{\textit{max}}\)) für die Prozessdurchführung durch eine Fachkraft fest. Dies ergibt eine Spannweite für die Fachkraft, die einer Punktzahl im Intervall [5–10] entspräche. Dieselbe Spannweite wird für die Kompetenzstufe Neuling auf das angegebene Maximum addiert, um zwischen 0 und 5 Punkten zu skalieren: \(d_{\textit{max}} + \left( {d_{\textit{max}} - d_{\textit{min}} } \right) = d_{\textit{maxneu}}\). Werte, die über dem Neulings-Maximum oder unter dem Minimum liegen, werden auf diese beschränkt. Die Punktzahl für den Datentyp Ausführungsdauer wird dann wie folgt ermittelt:

$${x_{\textit{dauer}}} = 10 - \left( {10 \cdot \frac{{{d_{\textit{letzte}}} - \;{d_{\textit{min}}}}}{{{d_{\textit{maxneu}}} - \;{d_{\textit{min}}}}}} \right).$$

Ein Problem des Datentyps Ausführungsdauer ist, dass er bei einer zu hohen Spannweite seine Aussagekraft verliert. Wenn beispielsweise ein Arbeitsprozess abhängig von externen Faktoren (wie zum Beispiel dem Grad der Verschmutzung bei einer Maschinenwartung) zwischen 5 und 40 min dauern kann, ist eine Aussage bezüglich der Erfahrungsstufe ohne weitere Informationen nicht möglich. Aus diesem Grund wird der Datentyp Ausführungsdauer lediglich im Falle \(d_{\textit{max}} - d_{\textit{min}} > \frac{{d_{\textit{min}} }}{2}\) berücksichtigt. Andernfalls werden die Punktzahlen der anderen Datentypen anteilig höher bewertet.

Die Berechnung der Punktzahl für den Datentyp Zeitraum seit der letzten Ausführung (im Folgenden \(T\)) geht von einem exponentiellen Verlust von Informationen nach Ebbinghaus’ Vergessenskurve aus. Sie wird daher mittels der Formel zur exponentiellen Abnahme modelliert, wobei die von dem/der Domänen-Expert:in angegebene Erwartete Anzahl von Tagen, nach denen Hilfe wieder nötig wird als Zerfallskonstante \(\tau\) eingeht. Die Konstante von 0,1322 sorgt hierbei für einen Sockel in der Vergessenskurve und dafür, dass im Fall \(\tau = T\) genau 5 Punkte vergeben werden:

$${x_{\textit{letzte}}} = 10 \cdot \left( {{e^{ - \lambda T}} + 0{,}1322} \right),\;\lambda = \frac{1}{\tau }$$

Durch Wiederholungen werden Erinnerungen stabilisiert. Dieser Faktor, der sich auch durch eine Senkung der Zerfallskonstante modellieren ließe, wird durch den Datentyp Anzahl der bisherigen Ausführungen (\(n_{0}\)) explizit ermittelt. Aus dem Expertenwissen geht hierfür die Erwartete Anzahl von Ausführungen bis keine Hilfe mehr nötig ist (\(n\)) in die Berechnung ein. Der Faktor 10, durch den das Verhältnis \(\frac{{n_{0} }}{n}\) vom Intervall \(\left[ {0,1} \right]\) in das Intervall \(\left[ {0,10} \right]\) skaliert wird, wird hierbei halbiert, sodass im Fall \(n = n_{0}\) genau 5 Punkte vergeben werden:

$${x_{\textit{anzahl}}} = \textit{min}\left( {\frac{{5{n_0}}}{n},10} \right)$$

Der letzte Datentyp ist die Auswahl zusätzlicher Hilfestellungen (H). Die zu vergebende Anzahl an Punkten für diesen Datentyp wird ebenfalls als exponentielle Abnahme modelliert. Da je nach Prozess auch bei einer Fachkraft Hilfestellungen erforderlich sein können, geht der von der/dem Domänen-Expert:in abgefragte Wert Maximale Anzahl Hilfestellungen Fachkraft (\(h_{\textit{max}}\)) in die Berechnung mit ein. Wenn \(h_{\textit{max}} = 0\) ist, wird dieser Datentyp ähnlich wie bei der Ausführungsdauer bei der Punkteberechnung ignoriert und die übrigen Punktwerte in ihrer Gewichtung angepasst:

$${x_{\textit{hilfe}}} = 10 \cdot \left( {{e^{ - \frac{H}{{{h_{\textit{max}}}}}}} + 0{,}1322} \right)$$

Die so zu ermittelnde Kompetenzstufe wird direkt vor der Ausführung eines Arbeitsprozesses für die Kombination aus Nutzenden und Arbeitsprozess ermittelt und anschließend als Entscheidungsgrundlage genutzt, um Abweichungen im Fluss der Applikation auf den Smart Glasses zu realisieren.

7.4.3 Datenschutz bei personalisierter Assistenz

Bei der Implementierung der zusätzlichen Funktionalitäten für eine personalisierte Assistenz wurde ein besonderes Augenmerk auf Datenschutzaspekte gelegt. Um eine Personalisierung zu ermöglichen, ist es notwendig, die gesammelten Datentypen mit bestimmten Nutzenden in Verbindung zu bringen. Unter dieser Voraussetzung ist eine Anonymisierung der gesammelten Daten nicht möglich, lediglich eine Pseudonymisierung zum Beispiel auf organisatorischer Ebene mittels pseudonymisierter Benutzer:innennamen ist denkbar.

Bevor ein:e Benutzer:in mit den Smart Glasses arbeiten kann, muss sie/er bei der ersten Anmeldung über das Frontline Command Center der Datenschutzerklärung zustimmen (vgl. Abb. 7.3).

Abb. 7.3
figure 3

Datenschutzhinweise beim ersten Login

Spezifisch für die personalisierte Assistenz wurde darüber hinaus ein in den jeweiligen Arbeitsprozess integrierbares Datenschutzmenü erstellt. Abb. 7.4 zeigt beispielhaft, wie das Datenschutzmenü in den Arbeitsprozess des Anwendungspartners Kemper GmbH integriert wurde.

Abb. 7.4
figure 4

Integration des Datenschutzmenüs vor Beginn des Arbeitsprozesses

Wie Abb. 7.5 zeigt, können hierüber vier Punkte erreicht werden. Der Punkt Zweck und Umfang beschreibt in einfachen Worten welche Daten für das Personalisierungsmodul gesammelt werden und was das Modul tut. Hier wird darüber hinaus erneut die Datenschutzerklärung verlinkt. Der Menüpunkt Löschung ermöglicht es den Mitarbeitenden, die aktuell gespeicherten Daten zu löschen.

Abb. 7.5
figure 5

Optionen im Datenschutz-Menü

Er wird hierbei darauf hingewiesen, dass nach der Löschung erneut Daten gesammelt werden, sofern die Benutzenden dem nicht separat widersprechen. Der Punkt Widerspruch erlaubt es den Nutzenden, der Sammlung von Daten für die Zukunft zu widersprechen und löscht zeitgleich die bestehenden Daten. Unter dem Punkt Einsichtnahme kann die/der Mitarbeiter:in schließlich die aktuell für das Personalisierungsmodul gesammelten Daten einsehen (vgl. Abb. 7.6). Im Falle des Widerspruchs gegen die Datensammlung wird den Nutzenden bei künftigen Durchführungen des Arbeitsprozesses immer die Version des Arbeitsprozesses zur Verfügung gestellt, die mit der Kompetenzstufe Neuling verbunden ist.

Abb. 7.6
figure 6

Einsicht in die gesammelten Daten, bevor der Prozess erstmalig durchgeführt worden ist

7.5 Pilotprojekte in den Unternehmen

7.5.1 Überblick über die Anwendungspartner

Mit der WS System GmbH und der Kemper GmbH sind zwei Unternehmen als Anwendungspartner im PersonA-Projekt beteiligt, die in ihren Fertigungs- und Serviceprozessen zu Beginn des Projektes zu unterschiedlichen Graden digitale Assistenztechnologien einsetzten.

Bei dem Montagedienstleister WS System GmbH ist angesichts eines zunehmenden Wettbewerbs mit Unternehmen aus Niedriglohnländern die Prozessqualität entscheidend für eine konkurrenzfähige Montageleistung. Die WS System GmbH hat gegenüber seinen Wettbewerbern durch die Geschwindigkeit in der Entwicklung seiner Lösungen Zeitvorteile und Skaleneffekte in der Baugruppenmontage und Produktion erarbeitet. Mithilfe gezielter Maßnahmen treibt die WS System GmbH eine Weiterentwicklung bestehender smarter Lösungen voran. Darüber hinaus wird eine smarte Lösung benötigt, die bestmöglich ergonomischen Standards entspricht. Mit seinem Geschäftsmodell „Industrie 4.0-Beratung: Hilfe zur Selbsthilfe“ hat die WS System GmbH ihr Leistungsangebot erweitert und teilt bewusst ihr Wissen. Das Beratungsangebot der WS System GmbH richtet sich an Unternehmen, die durch Digitalisierung und smarte Industrie-4.0-Lösungen erfolgreich bleiben wollen. Darüber hinaus realisiert die WS System GmbH für ihre Kundschaft wirtschaftliche Cobot-Lösungen mit kollaborativen Leichtbaurobotern. Im November 2017 hat WS System den Industrie-4.0-Award in der Kategorie „IoT@KMU“ gewonnen. Dank smarter Industrie-4.0-Technologien und neuartiger Produktion-4.0-Anwendungen kann die WS System GmbH ihrer Kundschaft eine Vielzahl an Lösungen zu wettbewerbsfähigen Preisen bieten, beispielsweise Baugruppenmontage, Bauteilsichtung und Bauteilbearbeitung. In diesem Bereich spielen große Innovationsschritte, die ganze Prozesse umwälzen, aber auch kleine Verbesserungen eine wesentliche Rolle für das Unternehmen.

Die Kemper GmbH ist Pionier und Technologieführer im Bereich der Schweißrauchabsaugung und besitzt mehr als 40 Jahre Erfahrung im Anlagenbau dieser Produkte, tiefe Kenntnisse der Prozesse in metallverarbeitenden Betrieben und eine hohe Zuverlässigkeit und Kontinuität. Die Innovationen bei Filtergeräten und Absauganlagen orientieren sich an den Bedürfnissen der Kunden und übertreffen dabei regelmäßig die gesetzlichen Vorgaben. Daraus resultiert eine absolute Rechtssicherheit bei Arbeitsschutz und Umweltbestimmungen für die Anwender:innen. Eine große Herausforderung für die Kemper GmbH besteht im Aufbau und beim Transfer von Wissen zwischen den Mitarbeitenden des Innen- und Außendienstes sowie in der Unterstützung von immer mehr Premiumpartnern und deren Servicetechniker:innen im Bereich After Sales und Maintenance. Die zunehmend komplizierten Anlagen und Systeme auf Kundenseite führen dazu, dass auch die technischen Produkte der Kemper GmbH immer beratungsintensiver werden. Kemper GmbH strebt daher eine Effizienzsteigerung der Einsätze seiner Mitarbeitenden im Außendienst an, insbesondere zur Kostenreduktion bei Serviceeinsätzen und zur Optimierung der Verfügbarkeit von Fachkräften. Auch die Kommunikation zwischen Techniker:in vor Ort und der Forschung und Entwicklung des Unternehmens bietet weiteres Potenzial zur Optimierung. Um die genannten Herausforderungen anzugehen, arbeitete die Kemper GmbH darauf hin, immer mehr Assistenzsysteme und Smart-Service-Tools anwenden zu können. Hierfür wurde die Produktpalette zielgerichtet auf die Möglichkeiten des Internet of Things (IoT) ausgerichtet. Jedoch ist auch die notwendige Akzeptanz für Wearables im Serviceeinsatz aufseiten der Mitarbeitenden zu schaffen und dauerhaft zu gewährleisten.

Für beide Anwendungspartner war es von besonderer Relevanz, dass sie durch die praktische Umsetzung der innovativen technischen Lösungen und durch das Erreichen einer Mitarbeiter:innenakzeptanz auch weiterhin attraktiv für hochqualifizierte Mitarbeitende bleiben und so auch in Zukunft am Standort Deutschland entwickeln, produzieren bzw. ihren Service anbieten können.

7.5.2 Serviceprozess bei der Kemper GmbH

Zu Beginn des PersonA-Projekts wurde der allgemeine Prozess zur Erbringung von technischen Dienstleistungen bei der Kemper GmbH untersucht. Hierzu fanden Beobachtungen sowie Interviews vor Ort bei der Kemper GmbH statt. Auch Kennzahlen zur Bewertung des Dienstleistungserfolgs wurden identifiziert.

Zu Beginn der Dienstleistungserbringung geht beim Innendienst der Kemper GmbH stets eine Nachricht ein. Diese Nachricht beinhaltet Details über den Auftrag, der von der/dem Kemper-Techniker:in zu erbringen ist. Anschließend wird von der/dem Techniker:in geprüft, ob es sich bei dem Auftrag um eine Reparatur eines Defekts oder um eine Wartung handelt. Bei einem Defekt wird seitens des Innendienstes versucht, das Problem telefonisch zu lösen. Ist dies nicht möglich, so gleichen sich die Abläufe einer Reparatur und einer Wartung zunächst. Im nächsten Schritt wird geprüft, ob für die zu erbringende Dienstleistung ein Ersatzteil, wie z. B. ein neuer Filter bestellt werden muss. Ist dies der Fall, so wird die entsprechende Bestellung ausgelöst und in diesem Zuge die Verfügbarkeit und Lieferzeit geprüft. Im Anschluss wird dann ein Angebot über den zu erbringenden Serviceauftrag verfasst und versendet. Sobald das Angebot vom Kunden bestätigt wurde, werden die notwendigen Einsätze vom Innendienst disponiert und anschließend an die/den erbringende:n Techniker:in übermittelt.

Am Tag des Einsatzes fährt diese:r zunächst zum Kunden und prüft die Maschine. Ist eine Wartung gewünscht, wird die Wartung entsprechend des vorgegebenen Protokolls durchgeführt. Sofern eine Reparatur beauftragt oder während der Wartung ein Defekt festgestellt wurde, wird im ersten Schritt der ursächliche Defekt identifiziert. Ist der Defekt nicht ohne weiteres lokalisierbar, kontaktiert die/der Techniker:in den Innendienst und erhält hierdurch zusätzliche Hilfestellungen. Im Anschluss ist zu prüfen, ob der/dem Techniker:in alle notwendigen Ersatzteile vorliegen. Falls dies nicht der Fall ist, wird ein weiterer Prozess der Ersatzteilbestellung initiiert und eine erneute Anfahrt zum Kunden ist notwendig. Sind alle Ersatzteile vorhanden, werden die defekten Komponenten ausgetauscht. Sowohl im Falle einer Wartung als auch bei einer Instandsetzung wird abschließend der dazugehörige Bericht ausgefüllt und der Kunde über den Zustand der Maschine informiert. Abgeschlossen wird der Prozess mit der Abfahrt der/des Kundendiensttechniker:in.

Hinsichtlich der relevanten Prozesskennzahlen wurden insgesamt sechs Kennzahlen während des Interviews ermittelt. Hierzu gehören die Dauer der Auftragserfassung, die Dauer für die Vorbereitung und Bereitstellung der notwendigen Arbeitsunterlagen, die Dauer der Reparatur bzw. Wartung durch die Techniker:innen vor Ort, und die Dauer zur Dokumentation des Serviceeinsatzes. Des Weiteren wurden auch die benötigten Zeiten für den Versand und für die Ablage der Berichte festgehalten.

Die Implementierung des personalisierten Assistenzsystems führte beim Anwendungspartner Kemper GmbH durch die erleichterte Dokumentation vorgenommener Arbeitsabläufe bei der Erfüllung der Berichtspflichten zu einer deutlichen Erleichterung und Zeiteinsparung (vgl. Tab. 7.5). Bislang wurden viele der auszufüllenden Dokumente entweder handschriftlich von den Techniker:innen ausgefüllt und diese dann im Backoffice eingescannt oder mühsam mit einem zunächst zu startenden Laptop vervollständigt. Insbesondere die damit verbundenen Rüstzeiten für den Start des Laptops sowie dem Öffnen der Dokumentationsanwendung fallen mit dem Assistenzsystem weg. Durch die permanente Nutzung der Datenbrille während des Serviceprozesses wird parallel zu den ausführenden Tätigkeiten der Arbeitsprozess dokumentiert, sodass die bislang nachgelagerten Protokollierungsschritte der Vergangenheit angehören.

Tab. 7.5 Zeitersparnis durch das Assistenzsystem bei der Kemper GmbH

Durch das Assistenzsystem ergeben sich also nicht nur Zeitersparnisse während der Durchführung der beauftragten Arbeiten, sondern auch bei vor- und nachgelagerten Prozessen. Bei einer durchschnittlichen Auftragszeit von 100 min ergibt sich insbesondere bei der Vorbereitung auf den Auftrag im Backoffice eine deutliche Zeitersparnis von 19 min. Während bislang 20 min für diesen Arbeitsschritt angesetzt waren, reicht nun eine Minute für das Aufrufen des Prüfberichts auf der Datenbrille aus. Auch bei der Ergebnisdokumentation lassen sich die vorherigen 30 min auf eine durchschnittliche Arbeitsdauer von 15 min halbieren. Darüber hinaus sind auch deutliche Zeiteinsparungen bei dem Versand der Arbeitsberichte an die Kunden festzustellen: Mittlerweile geschieht dies durch einen einzigen Knopfdruck innerhalb von einer Minute – zuvor wurden hierfür fünf Minuten angesetzt. Auch die Dauer der Berichtsablage lässt sich nun von fünf Minuten auf eine Minute reduzieren. Insgesamt lässt sich somit eine effektive Zeitersparnis von 42 % bzw. 42 min erreichen (vgl. Tab. 7.5). Lediglich die Auftragserfassung im Backoffice und die eigentliche Dauer für die Wartung bleiben von der Einführung des Assistenzsystems unberührt.

Neben den erhobenen Kennzahlen als objektive Faktoren wurden auch die Mitarbeitenden nach ihren subjektiven Erfahrungen mit dem personalisierten Assistenzsystem befragt. Insgesamt ließ sich herausstellen, dass die Mitarbeitenden die Nutzung mit einer deutlichen Arbeitserleichterung assoziieren. Neben dem schnelleren Wartungsablauf und der leichten Bedienung der Datenbrille nannten die Befragten auch den Abbau von Kompetenzmängeln, die bei der Erbringung einer fehlerfreien Wartung ansonsten eine Rolle spielen, als Motivation für die Nutzung. Auch das digitale Ausfüllen des Serviceberichts erwähnten die Teilnehmenden als Vorteil.

7.5.3 Qualitätsprüfungsprozess bei der WS System GmbH

Bei der WS System GmbH wurde ein Prozess im Kontext der Fertigung analysiert und dazugehörige Kennzahlen protokolliert. Hierbei fiel die Wahl auf einen Prozess der Qualitätsprüfung von auftragsgefertigten Produkten.

Der Qualitätsprüfungsprozess beginnt mit einer Meldung im unternehmenseigenen IT-System, welches einen Entscheidungsprozess initiiert. Hierbei wird zunächst unterschieden, ob eine visuelle Prüfung oder eine Funktionsprüfung eines gefertigten Bauteils zu erfolgen hat. Sofern eine Sichtprüfung benötigt wird, nimmt die/der Arbeiter:in das Prüfobjekt in die Hand und entscheidet, ob ein sichtbarer Fehler vorliegt. Ist dies der Fall, so entsorgt diese:r das Objekt in einer Ausschussbox, andernfalls wird das Teil zur Auslieferung freigegeben. In jedem der beiden Fälle ist hier der visuelle Prüfungsvorgang bereits abgeschlossen. Falls jedoch die/der Arbeiter:in sich nicht sicher ist, ob ein Fehler zu erkennen ist, informiert diese:r seine:n Teamleiter:in über die aufgekommene Fragestellung. Diese:r versucht nun zu ergründen, ob ein Produktfehler vorliegt. Sofern kein Fehler vorzufinden ist, gibt die/der Vorgesetzte das Produkt zurück in die Produktionslinie und informiert die/den Arbeiter:in mittels einer ausgefüllten und im System abgespeicherten Dokumentation über den Weg der Fehlerfindung, sodass die Angestellten nachhaltig zu mehr Selbstständigkeit befähigt werden. Sofern aber ein Fehler festgestellt wird, untersucht die/der Teamleiter:in das Prüfobjekt hinsichtlich möglicher Fehlerursachen. Lässt sich eine Ursache identifizieren, so nimmt die/der Vorgesetzte entsprechende Änderungen im Produktionsprozess vor, sodass idealerweise kein weiterer Produktionsfehler auftritt. Auch prüft er/sie fünf zuvor produzierte Produkte und bringt in Erfahrung, ob diese ebenfalls von dem identifizierten Fehler betroffen sind. Sind auch hier Fehler zu finden, entsorgt er die betroffenen Produkte in der Ausschussbox. Sofern der Fehler jedoch nicht zu beheben ist, informiert die/der Teamleiter:in der/den Qualitätsinspektor:in. Ist eine Funktionsprüfung gewünscht, so wird bei einer Fehlfunktion das Objekt der Ausschussbox zugeführt und wie bei keinem auftretenden Fehler der Prozess abgeschlossen. Wenn sich nicht eindeutig feststellen lässt, ob ein Fehler vorliegt, wird auch hier die/der Qualitätsinspektor:in kontaktiert. Sofern diese:r keinen Defekt festgestellt, wird das Objekt wieder dem Produktionsprozess zugeführt und die/der Teamleiter:in informiert. Ist eine einwandfreie Funktionalität nicht festzustellen, untersucht die/der Qualitätsinspektor:in die Ursachen für den Defekt. Lassen sich diese ermitteln, so werden auch hier entsprechende Verbesserungen im Produktionsprozess vorgenommen. Ebenfalls werden die letzten fünf produzierten Teile geprüft und ggf. aussortiert. Kann jedoch keine Ursache festgestellt werden, so gleicht der Ablauf der Funktionsüberprüfung nun wieder dem der visuellen Prüfung: Konnte bislang keine Fehlerursache ermittelt werden, so überprüft die/der Qualitätsinspektor:in die Problematik detaillierter und sucht nach einer möglichen Lösung. Nach der intensiven Prüfung trifft sie/er eine Entscheidung und informiert die zuständigen Arbeitskolleg:innen über den Lösungsansatz.

Auch für diesen Qualitätsprüfungsprozess wurden relevante Kennzahlen ermittelt. Hierzu gehören neben der Ermittlung der Zeit zur Kontaktaufnahme und dem Aufsuchen der/des Teamleiter:in auch die Bearbeitungszeit für das Ausfüllen der internen Dokumentation zur zukünftig besseren Fehlererkennung.

Neben diesen quantitativen Messungen wurde bei der WS System GmbH zur Erweiterung der Aussagekraft der Ergebnisse auch eine Befragung der allgemeinen Mitarbeitendenzufriedenheit mit der erzielten Lösung durchgeführt. Durch die Hinzunahme des Assistenzsystems ließ sich durch die ausbleibenden Laufwege zu den weisungsbefugten Personen eine durchschnittliche Verkürzung der Prozesszeit von vier Minuten pro Bauteilprüfung erreichen. Auch bei der Dokumentation der Lösungswege konnte durch die erleichterte Bedienung und die direkte Verbindung von IT-Infrastruktur mit der Datenbrille eine Reduzierung der Bearbeitungszeit um fünf Minuten erreicht werden. Darüber hinaus ging aus der Mitarbeitendenbefragung hervor, dass insbesondere eine emotionale Erleichterung mit der Anwendung des Assistenzsystems erzeugt werden könnte. Das beschriebene Gefühl, dass im Falle der Ungewissheit, ob ein Bauteil defekt ist, mehrmals täglich eine vorgesetzte Person von ihrer eigentlichen Arbeit abgehalten und um Unterstützung gebeten würde, löste bislang bei den befragten Beschäftigten einen psychischen Stress aus. Dank der Datenbrille sind diese nun in der Lage, deutlich eigenständiger agieren zu können und durch das Lesen der IT-seitig festgehaltenen Dokumentation nachhaltig Kompetenzen aufzubauen.

7.6 Praktische Handlungsempfehlungen

Die Einführung der personalisierten Assistenzsysteme war bei beiden Anwendungspartnern ein Erfolg. Bei der Kemper GmbH konnten durch den Einsatz des personalisierten Assistenzsystems die Serviceeinsätze effizienter gestaltet werden. Zudem wurden potenzielle Fehlerquellen eliminiert und Medienbrüche reduziert. Die Servicemitarbeitenden haben mithilfe der Datenbrille nun die Möglichkeit, das notwendige Einsatzprotokoll bereits parallel zur Durchführung des Auftrags anzufertigen. Durch die direkte Eingabe der Daten in das Protokoll werden Fehler vermieden. Zudem besteht die Möglichkeit, mit der Brille Fotos von Aufschriften oder Bauteilen der Maschine aufzunehmen, welche automatisch im Protokoll hinterlegt werden. Alle relevanten Daten und Informationen sind somit gesammelt an einem Ort verfügbar. Darüber hinaus ermöglicht die Personalisierung der Assistenz, dass neue Mitarbeitende bereits deutlich früher und ohne weitere Unterstützung Serviceaufträge durchführen können. Die notwendigen Anleitungen und Informationen werden ihnen zugeschnitten auf ihre individuelle Erfahrungsstufe über die Datenbrille bereitgestellt.

Die WS System GmbH hat insbesondere ihre Qualitätsprozesse mithilfe der weiterentwickelten TeamViewer-Frontline-Lösungen verbessern können. Wichtig war dabei, eine vollständig integrierte Wearable-Computing-Lösung zu generieren, die über verschiedene Geschäftsprozesse hinweg genutzt werden kann. Die WS System GmbH setzte auf eine Lösung, die auf die unterschiedlichen Fähigkeiten und Erfahrungen der Mitarbeitenden reagiert und ein freihändiges Arbeiten ermöglicht. Damit sollte auch die Einarbeitung für neue Mitarbeitende vereinfacht werden. Heute müssen die Mitarbeitenden der WS System GmbH, die ein Problem in der Produktionslinie oder während der Routineprüfungen haben, ihren Arbeitsbereich nicht mehr verlassen, um den/die Qualitätssicherungsleiter:in zu kontaktieren. Sie haben nun die Möglichkeit, ihn/sie direkt über die Datenbrille mit der xAssist Remote-Support-Lösung anzurufen und erhalten so Echtzeit-Unterstützung, um das Problem zu lösen. Darüber hinaus werden die Kennzahlen aus der Qualitätsprüfung parallel zur Kontrolle dokumentiert.

Für beide Unternehmen ergaben sich jedoch im Verlauf der Implementierung auch verschiedene Herausforderungen. Diese beziehen sich sowohl speziell auf die Einführung von Assistenzsystemen, als auch auf allgemeine Projektmanagement-Aspekte. Vor dem Start der Implementierung raten die Unternehmen dazu, die vorhandenen Ressourcen der beteiligten Abteilungen zu prüfen und eine Kosten-Nutzen-Betrachtung für das gesamte Unternehmen durchzuführen. Die Einsatzmöglichkeiten für ein personalisiertes Assistenzsystem sollten zum einen kritisch hinterfragt und die Umsetzbarkeit überprüft werden. Zum anderen sollten jedoch auch die möglichen Potenziale eines übergreifenden Einsatzes im gesamten Unternehmen aufgedeckt und genutzt werden.

Innerhalb des Projekts wurde ein ELSI-Workshop, der die ethischen, rechtlichen und sozialen Auswirkungen von Innovationen beleuchtet, durchgeführt. Hierbei ließ sich ermitteln, dass insbesondere eine hohe Sorge seitens der beteiligten Unternehmen hinsichtlich der Mitarbeitendenakzeptanz bei der Einführung neuer Innovationen besteht. Als Hintergrund dieser Sorgen ließen sich zwei mögliche Gründe ermitteln. Zum einen wird befürchtet, dass eine subjektive Angst vor einer Überwachung während der Nutzung der personalisierten Assistenzsysteme besteht. Zum anderen gibt es Zweifel, ob es möglicherweise nicht ausreichend Befürwortende für die Innovation im Unternehmen geben könnte. Hier gilt es, die Möglichkeiten und Vorteile von Funktionen zum Privatsphäre-Management bei personalisierten Assistenzsystemen proaktiv an Arbeitnehmer:innen zu kommunizieren, um hierdurch die Fürsprache für eine derartige Innovation im Unternehmen zu stärken.

Ein weiterer wichtiger Aspekt beider Unternehmen war die Konnektivität der zu entwickelnden Lösungen mit anderen Systemen und dem Datenmanagement im Unternehmen. Hierbei sollte auf störungsfreie Schnittstellen geachtet werden, um eine reibungslose Verarbeitung und Speicherung der Daten sicherzustellen. Ein frühzeitiges und wiederholtes Testen der Assistenzsysteme, ist empfehlenswert, um Schwierigkeiten oder Fehler aufzudecken und die Integration eines Assistenzsystems in die IT-Landschaft der Unternehmen zu unterstützen. Auch die Mitarbeitenden können sich dadurch schrittweise an ein neues Assistenzsysteme gewöhnen und ggf. auch ihre eigenen Wünsche und Erfahrungen einbringen. Dies führt zu einer erhöhten Akzeptanz und Einsatzbereitschaft bei der Belegschaft. In diesem Zusammenhang spielt auch die Auswahl des Umsetzungspartners und Softwareanbieters eine entscheidende Rolle. Zudem sollte der Support der Lösung durch den Softwareanbieter frühzeitig besprochen werden.

7.7 Fazit und Ausblick

Es ist zu erwarten, dass die Entwicklung von Assistenzsystemen weiter voranschreitet und diese in einem immer größeren Umfang in Produktion und Service eingesetzt werden. Dies kann neben einer Steigerung der Effizienz der Mitarbeiter:innen auch zu mehr Sicherheit im Arbeitsprozess führen. Damit die Assistenzsysteme jedoch angenommen werden können, müssen die potenziellen Nutzer:innen diese akzeptieren. Im Rahmen dieses Forschungsprojektes ist es gelungen, Design-Prinzipien für personalisierte Assistenzsysteme zu entwickeln, die den Datenschutz berücksichtigen. Durch Ansätze der Datenschutzkontrolle (Privacy-by-Design und Privacy-by-Default) sowie einer rechtskonformen Datenerhebung und -verarbeitung soll die Nutzer:innenakzeptanz für personalisierte Assistenzsysteme erhöht werden. Für einen ganzheitlichen Gestaltungsansatz wurden darüber hinaus auch unternehmenskulturelle Herausforderungen betrachtet. Die entwickelten Design-Prinzipien berücksichtigen daher nicht nur die rechtlichen Rahmenbedingungen der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO), sondern auch weitere Anforderungen von potenziellen Nutzer:innen. Die Design-Prinzipien geben auf diese Weise materielle Eigenschaften vor, welche in einem personalisierten Assistenzsystem zu implementieren sind, damit die Nutzenden Aktionsmöglichkeiten zur Personalisierung ihrer Assistenz sowie zur Kontrolle über die Erhebung und -verwendung ihrer personenbezogenen Daten erhalten.

Die dargestellten Projektergebnisse zeigen zusätzlich die technische Umsetzung eines solchen Systems und illustrieren, welche Faktoren bei der Personalisierung zu berücksichtigen sind. Bei den Pilotprojekten mit den Anwendungspartnern Kemper GmbH und WS System GmbH konnten durch die Vorher-Nachher-Erhebungen der Prozesse und Kennzahlen deutliche Verbesserungen in verschiedenen Bereichen identifiziert werden. Darüber hinaus stellen die praktischen Handlungsempfehlungen, die aus den Pilotprojekten abgeleitet werden konnten, eine Orientierung für weitere Unternehmen dar, die über die Implementierung von personalisierten Assistenzsystemen nachdenken oder sich bereits in der Umsetzungsphase befinden.

Aktuell befinden sich die Projektbeteiligten in der abschließenden Evaluation der Design-Prinzipien. Zum einen werden hierbei die Nutzer:innen in den beiden Unternehmen bei der Anwendung der personalisierten Assistenzsysteme begleitet und anhand eines Fragebogens bezüglich ihrer Erfahrungen befragt. Zum anderen werden mithilfe eines Demonstrators eines personalisierten Assistenzsystems weitere potenzielle Nutzer:innen außerhalb des Projektkonsortiums involviert und deren Feedback ebenfalls erfasst.