2.1 Einleitung

Im Verbundvorhaben „FlexDeMo – Flexible und demografierobuste Montageorganisationsformen partizipativ planen, simulieren und gestalten“ wurde ein digitales Planungssystem für kleine und mittlere Unternehmen entwickelt. Das System stellt Methoden und Instrumente bereit, die Unternehmen bei der Optimierung ihrer Montageorganisation von der Projektinitiierung bis zur Umsetzung unterstützen. Entwicklung und Anwendung des Planungssystems sind eingebettet in ein partizipatives Vorgehen, das den Fokus auf die aktive Mitwirkung der betroffenen Beschäftigten richtet.

2.1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sehen sich einem steigenden Innovations- und Veränderungsdruck ausgesetzt, nicht zuletzt ausgelöst durch verkürzte Produktlebenszyklen und sich kurzfristig ändernde Kundenanforderungen. In der Folge müssen die Montagesysteme flexibel gestaltet und häufig um- bzw. neugeplant werden (vgl. Lotter & Wiendahl, 2012; Göppert et al. 2018). Gleichzeitig führt die Digitalisierung zu weitgehenden Änderungen der Arbeitsinhalte in der Montageplanung und -durchführung – und damit einhergehenden Chancen und Risiken (Dispan & Schwarz-Kocher, 2018). Gerade in KMU werden allerdings die Potentiale moderner, digitaler Technologien oft nur unzureichend genutzt (Lichtblau et al., 2018; Bersch et al., 2018). Weitere Herausforderungen ergeben sich nach wie vor aus den demografischen Entwicklungen: Zum einen müssen die technologischen und organisatorischen Veränderungen mit einer zunehmend älter und hinsichtlich der Kompetenzprofile heterogener werdenden Belegschaft umgesetzt werden; zum anderen gilt es, das wertvolle Erfahrungswissen langjähriger Beschäftigter zu teilen und zu erhalten.

Das Forschungsvorhaben adressiert die folgenden zentralen Fragestellungen:

  • Wie kann eine intuitiv bedienbare, webbasierte Lösung zum experimentellen Planen und Gestalten alternativer Montageorganisationsformen für/in KMU aussehen?

  • Wie können die betroffenen Beschäftigten aktiv in den Planungsprozess mit einbezogen werden und welche Methoden und digitale Werkzeuge helfen ihnen dabei?

  • Wie lässt sich vor dem Hintergrund des demografischen Wandels der Wissenstransfer von erfahrenen, älteren Beschäftigten zu jungen bewerkstelligen?

  • Wie kann KMU schnell und einfach der Zugang zu innovativen Technologien wie z. B. simulationsgestützten Planungsmethoden ermöglicht werden?

Ziel ist es, KMU zu befähigen, flexible und demografierobuste Montageorganisationsformen mit einem partizipativen Planungsansatz zu konzipieren und simulationsgestützt zu bewerten. Dazu wird ein kostenfreier, webbasierter Zugang zu digitalen Unterstützungswerkzeugen und –methoden (FlexDeMo-Toolbox) gewährt. Mithilfe einer simulationsgestützten Planung können die Auswirkungen alternativer Montagekonzepte in einer produktivitäts- und personalorientierten Betrachtung experimentell untersucht werden. Das modulare Simulationskonzept kann ohne Programmierkenntnisse genutzt werden. Dazu werden vordefinierte flexible Simulationsmodelle bereitgestellt, die durch spezielle Algorithmen angepasst werden und lediglich die Eingabe von Planungsdaten erfordern (Kranz et al., 2021a).

2.1.2 Projektkonsortium und Ausgangssituation bei den Anwendungspartnern

Das Projektkonsortium bestand aus fünf geförderten Partnern, davon drei KMU. Drei assoziierte Partner brachten zusätzliche Expertise in das Projekt mit ein (s. Tab. 2.1).

Tab. 2.1 FlexDeMo-Projektkonsortium

Die INTRAVIS GmbH mit Sitz in Aachen ist ein Hersteller schlüsselfertiger optischer Prüfsysteme für die Kunststoffverpackungsindustrie. Die unterschiedlichen Produktlinien zur Inspektion und Qualitätskontrolle umfassen i. d. R. hochleistungsfähige Kamerasysteme, die in die kundenseitigen Produktionslinien integriert werden können, sowie zugehörige Prüfsoftware inklusive Benutzerverwaltung und Reportingtools. Bedingt durch ein schnelles Unternehmenswachstum haben sich in der jüngeren Vergangenheit die Anforderungen an die Montage hinsichtlich der Flexibilität und der Kapazitäten deutlich erhöht. Zudem befindet sich das Unternehmen an der Schwelle von der Einzel- zur Kleinserienfertigung. Da die historisch gewachsene Montagestruktur die Anforderungen durch das Unternehmenswachstum nicht mehr abbilden konnte, benötigte INTRAVIS methodische und instrumentelle Unterstützung bei der systematischen Erarbeitung und Implementierung alternativer Montagekonzepte. Diese sollten virtuell erprobt werden, ohne direkt in den operativen Montageprozess einzugreifen. Am Markt verfügbare Simulationssysteme erschienen allerdings zu komplex, zu teuer oder erforderten umfangreich geschultes Personal, das nicht zur Verfügung stand.

Die Firma Spaleck Oberflächentechnik GmbH & Co. KG ist ein Komplettanbieter für Gleitschleiftechnik-Verfahren. Kundenauftragsspezifisch werden pro Jahr ca. 100 Maschinen hergestellt. Produktion und Montage erfordern umfangreiches mechanisches und elektrotechnisches Wissen. Dabei zeichnet sich das Unternehmen durch eine sehr hohe Eigenfertigungstiefe aus. Die Herausforderung der Montageplanung bei Spaleck bestand darin, dass die Auftrags- und Montageplanung weitgehend durch personenbezogene Absprachen zwischen Produktionsleitung und Montage(vor-)arbeitern erfolgte. Es gab nur wenig systemseitige Unterstützung und eine unzureichende Bereitstellung dispositionsrelevanter Daten. Dies resultierte in mangelnder Transparenz, die ihrerseits mitunter zu kurzfristigen Montagestopps führte. Gleichzeitig erforderte die starke Kundenintegration in den Auftragsplanungsprozess eine hohe Flexibilität und Reaktionsgeschwindigkeit. Darüber hinaus existierte kein systematisches Vorgehen, um die Auswirkungen von Umplanungen und kurzfristigen Anpassungen hinsichtlich der Zielkriterien Kosten und Lieferzeit zu bewerten. Unter demografischen Aspekten kam hinzu, dass ein großer Teil des Wissens über die komplexen Zusammenhänge der Montageplanung und -durchführung als implizites Erfahrungswissen überwiegend älterer Beschäftigter vorlag. Dieses Wissen sollte an die jüngeren Beschäftigten weitergegeben werden, um die Personenabhängigkeit des Montagewissens zumindest partiell zu überwinden.

2.1.3 Lösungsweg

Das FlexDeMo-Projekt verknüpft Erkenntnisse aus unterschiedlichen Forschungsdisziplinen zu einem integrierten Gesamtkonzept. Dazu zählen u. a.

  • Konzepte und Vorgehensweisen zur Planung und Gestaltung alternativer Montageorganisationsformen

  • Einsatzmöglichkeiten der Simulation zum experimentellen Optimieren betrieblicher Organisationsformen

  • Entwurf webbasierter Softwarelösungen

  • Methoden und Werkzeuge des Wissensmanagements

  • Erkenntnisse der Partizipationsforschung

Im Ergebnis entsteht ein phasenorientiertes Montageplanungsvorgehen, das insbesondere Fragestellungen und Rahmenbedingungen von KMU adressiert. Im Hinblick auf die Gestaltung der Montage zeichnen sich KMU durch flache Hierarchien, einen geringen Formalisierungsgrad und meist auch durch einen engeren persönlichen Kontakt zwischen Führung und Beschäftigten sowie innerhalb der Belegschaft aus. Der Nutzungsgrad digitaler Technologien ist i. d. R. geringer als in großen Unternehmen. Mangelnde Expertise sowie beschränkte personelle und finanzielle Ressourcen sind Haupthinderungsgründe für deren verstärkten Einsatz. Hier setzt das FlexDeMo-Projekt an. Es ist so konzipiert, dass es niedrigschwellige, einfach zu bedienende digitale Unterstützungswerkzeuge zur Montageplanung bereitstellt.

2.2 Ansatz zur digitalen Unterstützung der partizipativen und simulationsbasierten Montageplanung

2.2.1 Phasenkonzept für die Montageplanung in KMU

Die Montageplanung ist ein Teilgebiet der Fabrikplanung. Gegenstand ist es, systematisch Montagesysteme zu analysieren, zu entwerfen, zu gestalten und in den Betrieb einzuführen. Ausgehend von einer vergleichenden Analyse etablierter Planungsvorgehensweisen (z. B. Ammer et al., 1986; REFA, 1990; Weidner, 2014) wurden die für die Montageplanung in KMU relevanten Aspekte zu einem einfachen Phasenkonzept verdichtet (Abb. 2.1). Das Konzept trägt den in KMU häufig geringeren Planungsressourcen sowie schlankeren Organisationsstrukturen Rechnung und ist geprägt durch einen durchgehend hohen Partizipationsgrad.

Abb. 2.1
figure 1

Phasenkonzept im FlexDeMo-Projekt

Planungsanlässe für ein Montageplanungsprojekt sind die Planung eines neuen Montagesystems oder erforderliche Anpassungen eines bestehenden Montagesystems (Ammer et al., 1986). Vertreterinnen und Vertreter der relevanten betrieblichen Interessensgruppen und Fachbereiche sollten bereits in der ersten Phase der Projektvorbereitung in die Planung einbezogen werden, um eine hohe Qualität und Akzeptanz des Planungsprojekts und der Ergebnisse sicherzustellen. Bei größeren Umgestaltungsvorhaben sind neben der Montageleitung ggf. weitere Führungskräfte aus der Montage sowie aus angrenzenden Bereichen in das Projektteam aufzunehmen. Darüber hinaus sollten Montagemitarbeiterinnen und -mitarbeiter, Mitglieder des Betriebsrates, die/der Datenschutzbeauftragte sowie die gesetzlich vorgeschriebenen Akteure des Arbeitsschutzes vertreten sein. Das Projektteam legt u. a. fest, wer, in welcher Planungsphase, in welchem Umfang und auf welche Art und Weise an der weiteren Montagesystemplanung und -gestaltung beteiligt wird und welche Methoden und Tools des FlexDeMo-Planungssystems genutzt werden sollen.

In der Phase der Ist-Analyse erfolgt zunächst eine Bestandsaufnahme des Montagesystems und der betrieblichen Rahmenbedingungen. Dabei sollten personenbezogene, produktbezogene, produktionsbezogene und kostenbezogene Rahmenbedingungen abgedeckt werden. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklungen sollte die Aufnahme und Analyse der bestehenden Alters- und Qualifikationsstruktur als wichtiger Teil einer zukunftsorientierten Planung verstanden werden. Dadurch können Risiken wie eine Überalterung der Belegschaft frühzeitig erkannt und mit gezielten Maßnahmen bei der Montagesystemplanung adressiert werden. Die produktbezogene Ist-Aufnahme sollte bspw. die Struktur des Produktprogramms enthalten sowie die für das zu planende Montagesystem zu berücksichtigenden Produktcharakteristika (REFA, 1990; Ammer et al., 1986). Die Aufnahme und Visualisierung relevanter Prozesse eröffnet die Möglichkeit, ein gemeinsames Prozessverständnis zu erzeugen, um darauf basierend Analysen zur Ableitung von Gestaltungsmaßnahmen durchzuführen (Foltz & Luczak, 2003) Darüber hinaus sind die prozessunterstützenden Informationsflüsse zu erheben. Sie sind Grundlage und Ausgangspunkt für die Optimierung des Wissensmanagements.

Bei der Ist-Analyse sind die Erfahrungen der Beschäftigten und ihr Expertenwissen über das Montagesystem besonders wertvoll. Die Einbeziehung der Beschäftigten kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen, wie bspw. über mündliche und schriftliche Befragungen oder in partizipativen Workshop-Formaten.

Die Ergebnisse der Ist-Aufnahme werden in den weiteren Phasen aufgegriffen. In der Phase Soll-Konzeption und Simulation bilden sie die Grundlage für die Entwicklung eines ganzheitlichen Zielsystems. Anhand des Zielsystems können die Planungsstände kontinuierlich validiert und iterativ weiterentwickelt werden. Die Gestaltung eines demografierobusten Montagekonzepts verlangt neben produktivitätsorientierten Zielbereichen auch eine Berücksichtigung von personalorientierten Kriterien (Latos et al., 2018). Auch hier bietet sich ein partizipatives Vorgehen an, um Ganzheitlichkeit und Akzeptanz zu begünstigen.

Unter Berücksichtigung des erarbeiteten Zielsystems wird anschließend eine geeignete Montageorganisationsform ausgewählt. Der Wahl der Montageorganisationsform kommt deshalb eine so hohe Bedeutung zu, weil die charakteristischen Eigenschaften der Organisationsformen Auswirkungen auf die wesentlichen Merkmale des Montagesystems, wie die Flexibilität des Montagesystems, aber auch die Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen der Arbeitspersonen haben (s. ausführlicher in Latos et al., 2020).

Um aus einer potenziell geeigneten Montageorganisationsform Montagekonzepte zu entwickeln, müssen zum einen die Montagereihenfolge und zum anderen das Layout in groben Zügen erarbeitet werden (vgl. Wang et al., 2009). Dazu werden ausgehend von der Produktstruktur die auszuführenden Montagetätigkeiten definiert und Arbeitsplätzen zugeordnet. Um die Komplexität der Planungsaufgabe zu verringern, kann die Erarbeitung von sog. Grobkonzepten auf der Grundlage eines repräsentativen Produkts aus jeder Produktgruppe erfolgen (vgl. Ammer et al., 1986). Die anschließende Erarbeitung von Prinzipanordnungen ist ein iterativer und kreativer Prozess (Ammer et al., 1986), in den die Beschäftigten ebenfalls einbezogen werden sollten (Latos et al., 2018).

Die Simulation ermöglicht es, einen vertieften Einblick in das Verhalten der entworfenen Montagesysteme zu gewinnen und die Auswirkungen der Montagekonzepte aus produktivitäts-, flexibilitäts- und humanorientierter Sicht abzuschätzen. Durch den Einsatz der Simulation im frühen Planungsstadium können die entworfenen Montagekonzepte verglichen werden. Im Hinblick auf die Demografierobustheit lässt sich mithilfe von Simulationsstudien beispielsweise untersuchen, welches Konzept besser in der Lage ist, Unterschiede in der Leistungsfähigkeit der Beschäftigten zu tolerieren (s. Latos et al., 2017). Darüber hinaus können die Konzepte auf Basis der Simulation explorativ und kurzzyklisch weiterentwickelt und detailliert werden, um das im Sinne des Zielsystems optimale Montagesystem zu identifizieren.

Das in der explorativen Simulationsphase ausgewählte Soll-Konzept wird in der anschließenden Phase der Umsetzungsvorbereitung aufgegriffen und weiter detailliert. Für die Detaillierung der einzelnen Elemente des Montagesystems werden die Simulationsergebnisse wie Durchlaufzeit, Stückzahlbereiche oder Anzahl benötigter Montagemitarbeiterinnen und -mitarbeiter zugrunde gelegt. In einem iterativen Prozess werden zunächst die Montagearbeitsplätze unter Berücksichtigung des Zielsystems detailliert (vgl. Ammer et al., 1986). Die Gestaltung umfasst sowohl organisatorische Aspekte wie den Arbeitsablauf und die Arbeitsverfahren an den einzelnen Arbeitsplätzen als auch technische Aspekte wie die Bereitstellung von Werkzeugen (Ammer et al., 1986). Hierbei bietet sich die Möglichkeit durch Einbeziehung der Beschäftigten aus dem Bereich wertvolle Erfahrungen mit verschiedenen Betriebsmitteln, wie deren Restriktionen oder Anforderungen an die periphere Infrastruktur, zu erschließen. Die Berücksichtigung ergonomischer Aspekte bei der Arbeitsplatzgestaltung trägt ebenfalls zur Demografierobustheit des Montagesystems bei. Bei der Gestaltung der Montagestationen ist das Montage-Know-how und das Erfahrungswissen der Montagemitarbeiterinnen und -mitarbeiter entscheidend (Willnecker, 2001). Diese sollten etwa durch Ansätze wie Cardboard Engineering-Workshops in die Gestaltung einbezogen werden (vgl. Schuh et al., 2010).

Parallel sollten Vorbereitungen für die Inbetriebnahme ergriffen werden. Regelmäßige Information der Beschäftigten zum Stand der Arbeiten, die in dieser Phase häufig auf dem Shopfloor für eine hohe Sichtbarkeit und Präsenz des Projektes sorgen, können die Akzeptanz deutlich steigern. Diese Aufgabe kann auch mit der zuvor beschriebenen Betriebsmittelplanung kombiniert werden und erhält dadurch einen gestaltenden Charakter. Probeläufe sollten genutzt werden, um die in der Planungsphase angestrebten ergonomischen Ziele zu überprüfen. Da insbesondere bei einem hohen ergonomischen Standard im Unternehmen ein neues Arbeitssystem mit Defiziten schnell zu Ablehnung führen kann, ist dies für die Akzeptanz des Projektes besonders wichtig. Im Anschluss an die Probeläufe muss mit der Schulung der Beschäftigten begonnen werden. Dieser Schritt sollte als ebenso wichtige Vorbereitung des Anlaufes verstanden werden wie die Vorbereitung der technischen Anlagen. Anschließend kann der Anlauf des Montagesystems erfolgen. Auch hierbei sollte auf eine intensive Begleitung in der Startphase geachtet werden, die mit zunehmender Routine reduziert werden kann (Ammer et al., 1986).

Der im FlexDeMo-Projekt verfolgte Planungsprozess zeichnet sich insbesondere durch die simulationsbasierte Exploration in der Konzeptionsphase aus, welche die Entwicklung eines flexiblen und demografierobusten Montagekonzepts für KMU unterstützt. Durch eine kontinuierliche Validierung der Planungsstände anhand des Zielsystems ergibt sich ein iterativer Planungsprozess. Die Verankerung partizipativer Ansätze im Planungsprozess steigert Qualität und Akzeptanz des Planungsergebnisses. Um dieses Vorgehen zu unterstützen, wurde im FlexDeMo-Projekt ein webbasiertes Planungssystem entwickelt, welches im nachfolgenden Kapitel vorgestellt wird.

2.2.2 Umsetzung des Phasenkonzeptes in einen digitalen Werkzeugkasten

Die FlexDeMo-Toolbox ist eine frei zugängliche Plattform, die über eine browserbasierte Oberfläche im Internet bereitgestellt wird. Sie stellt – basierend auf dem im vorhergehenden Abschnitt vorgestellten Phasenkonzept – eine Sammlung von Methoden und Werkzeugen bereit, mit deren Hilfe die Planung und die experimentelle Ausgestaltung alternativer Montagekonzepte durchgeführt werden können. Ausgangsüberlegung ist, dass die für die jeweilige Phase passenden Methoden und Werkzeuge flexibel und einfach ausgewählt und genutzt werden können. Aufwendige Downloads und Installationen von Software sind nicht erforderlich.

Abb. 2.2 zeigt die FlexDeMo-Toolbox im Überblick. Jeder einzelnen Projektphase sind Methoden und digitale Werkzeuge in Form von Inhaltskacheln zugeordnet. Bei Methodenkacheln handelt es sich um textuelle Handlungsanleitungen. Im Falle von Werkzeugkacheln gibt es neben der Handlungsanleitung einen durch ein Bildschirmsymbol indizierten Absprungpunkt in das digitale Werkzeug. Bei den im Projekt entwickelten Werkzeugen handelt es sich i. d. R. um interaktiv-graphische Editoren. Die einzelnen Werkzeuge wurden in Abhängigkeit der betrieblichen Erfordernisse in den Anwendungsunternehmen eingesetzt und evaluiert.

Abb. 2.2
figure 2

Übersicht der FlexDeMo–Toolbox mit Methoden- und Werkzeugkacheln

Hinter den Methodenkacheln verbergen sich detaillierte Anleitungen und Hintergrundinformationen zu einzelnen Methoden, die im Zuge der Montageplanung zur Anwendung kommen können. Der strukturelle Aufbau ist in der nachfolgenden Abb. 2.3 am Beispiel der Methodenkachel zum Digitalisierungscheck dargestellt. Die Methode wird kurz definiert, und es werden Nutzenpotentiale identifiziert. Unter den Rubriken benötigte Ressourcen und Vorgehen finden sich Empfehlungen für den praktischen Einsatz der Methode. Weiterführende Informationen finden sich unter nützliche Links, weitere Tools sowie Medien/Dokumente.

Abb. 2.3
figure 3

FlexDeMo–Toolbox: Detaillierung Methodenkachel „Digitalisierungscheck“

Die FlexDeMo-Toolbox ist als zentraler Methoden-, Werkzeug- und Wissensspeicher zur partizipativen Durchführung der Montageplanung konzipiert. Abb. 2.4 zeigt die Konfigurationsfunktionen. Eine detaillierte Nutzer- und Berechtigungsverwaltung erlaubt es, unterschiedlichen Nutzertypen (z. B. Personen mit Administrationsfunktion, Projektleitung, Projektmitglieder) spezifische Rechte zuzuweisen. Mit der Option „Meine Datensätze“ verwalten Nutzende die jeweils angelegten bzw. mit Zugriffsrechten versehenen Modelle und Auswertungen. Über den Menüpunkt „Meine Arbeitsgruppe“ können projektspezifische Teams eingerichtet werden. Die Suchfunktion macht alle Inhalte der Toolbox einfach auffindbar.

Abb. 2.4
figure 4

FlexDeMo–Toolbox: Konfigurationsoptionen

2.2.3 Vorgehen bei der Softwareentwicklung

Konzeption und Umsetzung der Toolbox sowie der einzelnen Werkzeuge orientieren sich an den Grundsätzen der partizipativen Softwareentwicklung. (vgl. Spinucci, 2005; Knudsen et al., 1988; Grudin & Pruitt, 2002; Kruse et al., 2020). Wesentliche Leitgedanken sind u. a., dass die Endnutzerinnen und -nutzer eng in die Systementwicklung eingebunden werden und die entwickelten Funktionalitäten iterativ-inkrementell in ihren täglichen Arbeitsprozessen ausprobieren können. Gleichzeitig sind die digitalen Werkzeuge auf die bestehende IT-Infrastruktur und die Arbeitsumgebung abzustimmen, um die Nutzungsbarrieren möglichst gering zu halten. Die funktionale Komplexität der Systeme sollte aufgaben- und nutzerangemessen sein, damit sie von unterschiedlichen Anwenderinnen und Anwendern intuitiv bedient werden können.

Das Entwicklungsvorgehen im FlexDeMo-Projekt orientiert sich an dem agilen Modell von Hynek, das auf einem dreistufigen Phasenkonzept basiert (vgl. Hynek, 2002). In der ersten Phase – user experience research – werden die Bedürfnisse und Profile der Nutzenden sowie deren Informationskompetenzen ermittelt und die groben Designvorgaben abgestimmt. Gegenstand der zweiten Phase – iteratives prototyping – ist das wiederholte Einsammeln der Rückmeldungen der Nutzenden und deren Umsetzung in Prototypen, um einen schnellen Lernprozess zu ermöglichen. Schließlich erfolgt in der dritten Phase – usability testing/evaluation – die systematische Auswertung der Benutzerinteraktionen und -reaktionen auf die entwickelten Prototypen zur Identifikation von Verbesserungsmöglichkeiten.

Für die Evaluation sowohl der webbasierten FlexDeMo-Toolbox als auch der einzelnen digitalen Werkzeuge wurde ein mehrstufiges Verfahren umgesetzt. Am Beginn stand die Ermittlung des ersten Systemeindrucks durch spontane Befragung der Anwenderinnen und Anwender. Hierbei kamen sogenannte Mock-ups zum Einsatz. Ein Mock-up ist im Kontext der Softwareentwicklung als graphisch-interaktives Anschauungsmodell zu verstehen, das in den frühen Entwicklungsphasen zur Gestaltung der Benutzerinteraktionen zum Einsatz kommt. Dem schließt sich nach der Programmierung erster funktionaler Prototypen die heuristische Evaluation nach Nielsen (Nielsen, 1994) zur Identifikation grundlegender Usability-Schwierigkeiten anhand definierter Regeln an. Im nächsten Evaluationsschritt werden die einzelnen digitalen Werkzeuge anhand von Anwendungsfällen im alltäglichen Betriebsablauf erprobt.

2.3 Unterstützung der Projektvorbereitung

Beginnend mit der Projektvorbereitung wird im gesamten Planungsprozess und der damit verbundenen Arbeitssystemgestaltung ein partizipativer Ansatz verfolgt. Damit unterscheidet sich das im FlexDeMo-Projekt entwickelte Phasenkonzept von bestehenden Montageplanungsvorgehen, die eine Einbeziehung der Beschäftigten lediglich isoliert in einzelnen Bereichen wie der Projektaufstellung (s. z. B. Ammer et al., 1986; REFA, 1990) oder bei einzelnen Planungsaufgaben der Feinplanung (s. z. B. Pröpster, 2015; Schuh et al., 2010; Willnecker, 2001) vorsehen.

2.3.1 Partizipation als Leitprinzip im Montageplanungsprozess

Partizipation beschreibt generell die Beteiligung Betroffener an Entscheidungs- und Veränderungsprozessen. Sie sollte in der modernen Arbeitsgestaltung ein fester Bestandteil sein (Lauer, 2019). Das Prinzip der partizipativen Arbeitsgestaltung (Duell, 1983) zielt insbesondere darauf ab, das Expertenwissen der Arbeitspersonen zu nutzen und auf diesem Wege zu effektiven und akzeptierten Gestaltungslösungen zu gelangen (Mütze & Nitsch, 2020). Kötter und Zink (2015, S. 283) konstatieren zu Recht: „Das Vor-Ort-Erfahrungswissen der Beschäftigten ist eine unverzichtbare Ressource für gute technisch-organisatorische Gestaltungslösungen im Sinne einer menschengerechten Arbeitsgestaltung ebenso wie im Sinne einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung.“

Eine Studie des Berlin Instituts für Partizipation aus dem Jahr 2019 legt nahe, dass es zwar in den meisten Unternehmen partizipative Angebote gibt, aber viele Beschäftigte durch eine mangelnde Umsetzung oder Ausrichtung nicht erreicht und nicht genügend in Veränderungsprozesse eingebunden werden (Berlin Institut für Partizipation, 2019).

Da sich der Bereich Montage insbesondere in der Einzel- und Kleinserienfertigung durch einen hohen Anteil manueller Tätigkeiten kennzeichnet und es wenige durch Maschinen vorgegebene Abläufe gibt, haben die Arbeitspersonen einen besonders starken Einfluss auf einen reibungslosen Prozessablauf. Diesem Einfluss muss bei der Montageplanung Rechnung getragen werden, damit ein effizientes Montagesystem mit einem stabilen Montageprozess entsteht.

Beteiligungsorientierte Vorgehensweisen bergen sowohl Chancen als auch Risiken. Zu den Nachteilen zählen z. B. die Verlangsamung von Entscheidungsprozessen, der Ressourcenaufwand und die Gefahr von weniger optimalen Kompromisslösungen. Die Liste der Nutzenpotentiale ist allerdings deutlich umfangreicher (s. hierzu auch Kötter und Zink, 2015): So steigt durch die Einbeziehung in die Entscheidungsfindung i. d. R. die Identifikation der Beschäftigten mit der gefundenen Lösung und damit auch die Bereitschaft, sie mitzutragen und an deren Umsetzung mitzuwirken. Gleichzeitig erfahren die einbezogenen Beschäftigten durch die Beteiligung am Planungs- und Gestaltungsprozess eine Wertschätzung ihrer Expertise. Partizipation wirkt sich positiv auf die Kompetenzentwicklung der Beschäftigten aus und nimmt somit indirekt Einfluss auf die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen (Scholz, 2013). Von den Beschäftigten mitgestaltete Lösungen berücksichtigen im Alltag auftretende Herausforderungen und Sonderfälle angemessener und passgenauer als Gestaltungskonzepte, die ohne Beteiligung entworfen wurden. Die Einbeziehung von Beschäftigten kann schon in frühen Planungsphasen zu einer Steigerung der Planungsqualität führen (s. Beispiel in Latos et al., 2017).

Um die Potentiale zu heben, gleichzeitig die genannten Risiken zu vermeiden und einen effizienten Planungsprozess zu gestalten, sollten die Formen der Partizipation an die jeweiligen Phasen und Aktivitäten des Planungsprozesses angepasst werden. Dabei kann in Anlehnung an Held (1998) z. B. zwischen direkter und indirekter Partizipation unterschieden werden. Bei ersterer sind die Beschäftigten direkt involviert, indem sie etwa in Workshops mitarbeiten, an Entscheidungsprozessen teilnehmen oder zu ihren Anforderungen und Einschätzungen befragt werden. Zusätzlich oder alternativ kann die Partizipation auch durch Vertreterinnen und Vertreter indirekt erfolgen, wenn bspw. eine zu große Teilnehmerzahl die Arbeitsfähigkeit des Projekt- bzw. Planungsteams gefährden würde oder Mitbestimmungsrechte der Interessensvertretungen zu beachten sind.

Im Projekt FlexDeMo sind in allen Phasen des Planungsvorgehens partizipative Methoden angewandt worden, um die oben genannten Vorteile der Partizipation zu nutzen. Im webbasierten Planungssystem erfolgt bereits in der Phase der Projektaufstellung eine praxisorientierte Einführung in verschiedene Ansätze zur Partizipation, die in den weiteren Phasen genutzt werden können. Im Laufe des Projektes hat sich herauskristallisiert, dass insbesondere die in der FlexDeMo-Toolbox bereitgestellten Methoden zur Zielsystementwicklung, zur Informationsanalyse, zum Wissenstransfer sowie zur nutzergetriebenen Werkzeugentwicklung mithilfe von Mock-ups von einem partizipativen Vorgehen profitieren. Außerdem bietet die Nutzung von Modellierungsverfahren und Methoden mit einer realitätsnahen Visualisierung wie die im Projekt verwendete Simulation oder das Cardboard-Engineering aufgrund des niedrigeren Abstraktionsgrades große Potentiale für die Diskussion von Planungsständen mit Beschäftigten im partizipativen Gestaltungsprozess.

2.3.2 Demografierobustheit im Montageplanungsprozess

Der demografische Wandel beschreibt die Entwicklung der Bevölkerungsstruktur, die in Deutschland durch eine starke Verschiebung zu einem höheren Durchschnittsalter geprägt ist. Damit geht auch eine Veränderung der Belegschaften in Unternehmen einher, die sich in heterogener werdenden Kompetenzprofilen manifestiert. Für Unternehmen ergibt sich daraus u. a. die Herausforderung, Arbeitssysteme zu gestalten, die den effektiven Einsatz aller Beschäftigten ermöglichen und sowohl gesundheits- und lernförderliche als auch attraktive Arbeitsbedingungen bereitstellen (s. ausführlichere Darstellungen zum Stand der Forschung in Schlick et al., 2013; Richter, 2021).

Ziel des Planungsprozesses sollte es daher sein, die Leistungsfähigkeit der Belegschaft durch eine alters- und alternsgerechte Arbeitsgestaltung (mindestens) zu erhalten und durch einen gezielten wechselseitigen Wissenstransfer die Weiterentwicklung der jeweiligen Fähigkeiten älterer und jüngerer Mitarbeitender zu unterstützen. Erfahrene Beschäftigte können so im Verlauf der Planung ihr Erfahrungswissen teilen und gleichzeitig vom Wissen der jüngeren Beschäftigten (z. B. im Umgang mit innovativen digitalen Technologien) profitieren. Dieser Gedanke sollte den gesamten Planungsprozess begleiten und in allen Planungsschritten verankert werden.

Bereits in der Phase der Ist-Analyse ist ein besonderer Fokus auf die Identifikation belastender Arbeitsbedingungen zu legen. Dies kann eine unflexible Ablauforganisation in der Montage oder auch ergonomische Faktoren einschließen (vgl. Schlick et al., 2018). Überbelastungen und Fehlbeanspruchungen sollten bereits bei der Auswahl einer Montageorganisationsform und der Soll-Konzeption adressiert und durch geeignete arbeitsgestalterische Maßnahmen proaktiv vermieden werden (vgl. Schlick et al., 2018).

Im Rahmen des Projektes wurden verschiedene Montageorganisationsformen durch Experten und Expertinnen im Hinblick auf folgende humanorientierte Kriterien bewertet: ausreichende Belastungswechsel, Toleranz von Leistungsschwankungen, ganzheitliche Arbeitsinhalte und Eignung für teilautonome Gruppenarbeit (s. ausführlich in Latos et al., 2020). Die Experteneinschätzung bietet einen ersten Anhaltspunkt für die Auswahl einer Montageorganisationsform, die höheren Anforderungen nach Flexibilität und Demografierobustheit genügt. Bezüglich der Berücksichtigung ergonomischer und altersspezifischer Gestaltungsempfehlungen wird auf die bereits zuvor zitierten Überblickswerke und die zahlreichen Publikationen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin verwiesen.

2.4 Methoden und Werkzeuge zur Unterstützung der Ist-Analyse

Die Ist-Analyse der betriebsspezifischen Ausgangssituation ist die zweite Phase eines Projektes zur Planung eines Montagesystems. Ziel ist es, für alle relevanten Untersuchungs- bzw. Gestaltungsparameter die der betrieblichen Wirklichkeit entsprechenden Ausprägungen zu ermitteln. Dabei sollte das Ergebnis der Ist-Analyse die Erfahrungen und das Wissen aller Beteiligten abbilden (vgl. REFA, 1990).

Die FlexDeMo-Toolbox unterstützt das Planungsteam in der Phase der Ist-Analyse durch die digitalen Tools zur Modellierung der Unternehmens- und Montageprozesse, zur Aufnahme und Simulation der Alters- und Qualifikationsstruktur und zur Informationsanalyse. Darüber hinaus werden Methoden bspw. zur Aufnahme und Analyse der Ergonomie der Montagearbeitsplätze – praxisorientiert aufbereitet – im digitalen Werkzeugkasten bereitgestellt.

2.4.1 Prozessanalyse mit K3 und Wertstrom-Editor

Im Rahmen der Montageplanung können Methoden zur Prozessmodellierung sowohl zur Beschreibung des Ist-Zustands eingesetzt werden als auch zur Beschreibung des Soll-Zustands in der Phase der Soll-Konzeption und Simulation.

In der Literatur existieren verschiedene Methoden, die eine Prozessmodellierung für unterschiedliche Anwendungszwecke ermöglichen (s. z. B. Fleischmann et al., 2018; Gadatsch, 2020). Eine grafische Modellierung hat den Vorteil, die Anschaulichkeit und somit das Verständnis der Prozesse zu erhöhen (Allweyer, 2005). Im FlexDeMo-Ansatz werden die beiden Methoden des Wertstromdesigns und der K3-Notation aufgegriffen und ihre Anwendung durch digitale Tools im Planungssystem unterstützt.

Wertstromdesign

Das Wertstromdesign ist ein grafischer Modellierungsansatz, um den gesamten Wertstrom einer Produktfamilie zu visualisieren, also alle Informations- und Materialflüsse sowie Tätigkeiten, die erfolgen, damit von der Anlieferung der Vorprodukte durch Lieferanten schließlich ein Endprodukt in die Hände des Kunden gelangt (Lindner & Richter, 2016).

Es empfiehlt sich, die Erarbeitung des Ist-Wertstroms in der Phase der Ist-Aufnahme partizipativ in einem Workshop durchzuführen, um so ein gemeinsames Prozessverständnis zu schaffen (Lindner & Richter, 2016). Solche Wertstrom-Workshops wurden im Rahmen des FlexDeMo-Projekts bei den Anwendungspartnern durchgeführt. Nach einer Einführung in die Methode des Wertstromdesigns wurde der Wertstrom anhand eines repräsentativen Produkts gemeinsam aufgenommen. Der Wertstrom wurde durch Vor-Ort-Begehung flussaufwärts ausgehend vom Versand (vgl. Rother & Shook, 2004) gemeinsam durchgeführt. Die aufgenommenen Wertströme wurden anschließend diskutiert und konsolidiert. Abb. 2.5 zeigt einen in einem Anwendungsunternehmen aufgenommenen Wertstrom, welcher mit Hilfe des im Rahmen des Projekts entwickelten Wertstromeditors modelliert wurde.

Abb. 2.5
figure 5

Aufgenommener Wertstrom, modelliert mithilfe des Wertstromeditors der FlexDeMo-Toolbox (Symbole in Anlehnung an Lindner & Richter, 2016 sowie Rother & Shook, 2004)

Der Wertstromeditor ermöglicht es, die benötigten Wertstromsymbole intuitiv auf einer Zeichenfläche anzuordnen und zu verknüpfen. Die einzelnen Elemente können anschließend angepasst werden, bspw. in ihrer Größe, durch Beschriftungen oder eine individuelle Farbgebung. Auf Basis von Prozesszeiten und der für den Materialtransfer angegebenen Zeiten erstellt der Editor automatisiert die Zeitlinie des Wertstroms, welche zur Auswertung des Wertstroms herangezogen werden kann (vgl. Lindner & Richter, 2016; Rother & Shook, 2004).

Prozessmodellierung mit K3 (Kooperation, Kommunikation und Koordination)

Die K3-Notation bietet gegenüber anderen grafischen Modellierungssprachen den Vorteil, insbesondere schwach strukturierte und kooperative Arbeitsprozesse abbilden zu können (Killich et al., 1999; Nielen, 2014). Die Grundelemente sind Aktivitäten und Informationen, welche durch Kontroll- und Informationsflüsse verbunden werden. Zusätzlich können Werkzeuge, welche zur Ausführung der Aktivitäten genutzt werden, sowie Schwachstellen des modellierten Prozesses abgebildet werden. Die Zuordnung von Aktivitäten zu Arbeitspersonen oder Organisationseinheiten erfolgt wie auch bei anderen Modellierungssprachen über sogenannte Swimlanes. Für die Abbildung von kooperativer Arbeit steht z. B. das Element synchrone Zusammenarbeit zur Verfügung. Die Einführung von sog. „Blobs“ ermöglicht es, schwach strukturierte Prozesse, also Aktivitäten ohne fest definierte zeitliche Abhängigkeiten zu modellieren. (Nielen, 2014; Schlick et al., 2018) Der Einsatz der K3-Notation zur Modellierung von Prozessen im Rahmen der Montageplanung wird durch die hohe Verständlichkeit (Foltz & Luczak, 2003) und die relativ leichte Erlernbarkeit der Notation (Arning et al., 2013) begünstigt.

Im Rahmen des FlexDeMo-Projekts wurde ein Tool entwickelt, mit dem Prozesse einfach und intuitiv mithilfe der K3-Notation modelliert werden können. Die einzelnen Elemente können auf der Zeichenfläche angeordnet und verknüpft werden. Über Eingabemasken werden Elemente wie Aktivitäten, Informationen, Werkzeuge und Blobs mit entsprechenden Bezeichnungen versehen. Farbgebungen und weitere Optionen können genutzt werden, um die Visualisierung des Prozesses je nach Bedarf zu individualisieren. In Abb. 2.6 ist ein Prozess dargestellt, welcher im Rahmen des Projekts aufgenommen und mithilfe des K3-Editors der FlexDeMo-Toolbox modelliert wurde.

Abb. 2.6
figure 6

Aufgenommenes Prozessmodell, modelliert mithilfe des K3-Editors aus der FlexDeMo-Toolbox

2.4.2 Informationsanalyse mit dem FlexIA-Werkzeug

Eine wichtige Aktivität im Zuge der Nutzung der FlexDeMo-Toolbox ist die detaillierte Informationsanalyse. Ziele sind u. a. die folgenden:

  • Erhebung und Bereitstellung von Inputdaten zur Durchführung der Simulation

  • Erhebung montagebezogener Wissensressourcen und deren Verwendung (d. h. Mitarbeiterwissen, Wissensdokumentation, Wissensfluss etc.)

  • Identifikation informationsbedingter Schwachstellen in der Montage

  • Erhebung der Informationskompetenz der Beschäftigten (d. h. die Fähigkeit, Informationen zielgerichtet zu erheben, zu bewerten, zu dokumentieren und zu verteilen)

  • Erhebung der Nutzung digitaler und analoger Instrumente zur Informationsbereitstellung in der Montage (z. B. Nutzung von KANBAN-Auftragssteuerung, Nutzung Intranet etc.)

Zur Durchführung der Informationsanalyse sind im FlexDeMo-Projekt eine eigene Methode sowie ein zugehöriges digitales Werkzeug entwickelt worden. Die Methode zur Informationsanalyse basiert auf den informationslogistischen Grundprinzipien nach Krcmar (vgl. Krcmar, 2015). Demnach sind die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Menge am richtigen Ort und in der erforderlichen Qualität bereitzustellen. Darüber hinaus wird erhoben, wie häufig die Information benötigt wird, in welcher Form sie auf welchem Medium (z. B. papierbasiert, online, verbal) vorliegt bzw. transportiert wird und wie wichtig die Information für die Aufgabenerfüllung ist (Wertigkeit).

Als grundsätzliche Herangehensweisen zur Durchführung der Informationsanalyse lassen sich

  • die inhaltliche Analyse (z. B. Papierdokumente, Buchungsmasken von IT-Systemen, Web-Sites),

  • die Befragung z. B. in Form von Fragebögen, Interviews oder interaktiven Workshops und

  • die Beobachtung am Arbeitsplatz (z. B. work-shadowing) unterscheiden (vgl. Kluck, 2012).

In der betrieblichen Praxis wird i. d. R. ein unternehmensspezifisch anzupassender Mix dieser grundlegenden Erhebungstechniken anzutreffen sein. Die Informationsanalyse zur Gestaltung alternativer Montageorganisationsformen im FlexDeMo-Projekt erfolgte in partizipativer Form (vgl. Lauer, 2019) und umfasste die in der Abb. 2.7 dargestellten vier Phasen (vgl. Kruse et al., 2021).

Abb. 2.7
figure 7

Elemente der Methode FlexIA – Informationsanalyse im Montageumfeld

In der ersten Phase findet ein moderierter Workshop mit Beschäftigten aus dem jeweils zu analysierenden Prozessbereich (z. B. Arbeitsvorbereitung, Fertigung, Endmontage) statt. Das Vorgehen orientiert sich am Arbeitsablauf der beteiligten Beschäftigten. Es wird mithilfe einzelner Aktivitäten strukturiert. In einem ersten Schritt wird die statische Informationsstruktur erhoben. Für alle zur Durchführung einer Aktivität benötigten Informationen wird das zugehörige Informationsobjekt (z. B. Montageauftrag), seine Erscheinungsform (z. B. gedruckte Arbeitskarte, Bildschirmmaske) sowie zentrale Informationsattribute zur Entscheidungsfindung (z. B. Fertigstellungstermin auf Arbeitsgangebene, Vorgabezeit) erfasst. Unter dem Begriff der Informationsauffälligkeiten werden informationsbedingte Prozessstörungen (z. B. Nichtverfügbarkeit von Materialien) und potenzielle Ideen der Beschäftigten zur Behebung von Problemsituationen erfasst. Neben der statischen Informationsstruktur wird in einem zweiten Schritt der dynamische Informationsfluss zwischen einzelnen Prozessschritten erhoben und visualisiert. Aktivitäten und Informationsobjekte basieren auf der vorher erhobenen Informationsstruktur. Neu erhoben werden die Art der Informationstätigkeit (z. B. Informationen bewegen, neu erstellen), weitere Störereignisse, soweit sie den Informationsfluss bremsen (z. B. Medienbrüche), sowie die visuelle Darstellung des Informationsflusses.

Nach Abschluss der einzelnen Workshops entlang der Prozessketten werden die Ergebnisse in der zweiten Phase im Zuge einer qualitätssichernden Aufbereitung konsolidiert. Dabei werden insbesondere die aktivitätsübergreifenden Aspekte herausgearbeitet. In der dritten Phase erfolgt – wieder in Form partizipativer Workshops in gleicher Zusammensetzung wie bei der Ist-Analyse – die Validierung der verdichteten Ergebnisse. Ziel ist es, die Relevanz und Passgenauigkeit der Informationsanalyse vor dem Hintergrund der konkreten Bedürfnisse der Beschäftigten vor Ort zu bewerten. Sollte es dabei noch Handlungsbedarf geben, kann über das sogenannte „Work-Shadowing“ – zu Deutsch etwa Hospitation – in einer vierten Phase eine konkrete Beobachtung der Informationsbereitstellung und –nutzung am Arbeitsplatz zur weiteren Detailanalyse nachgeschaltet werden.

Im Zuge des FlexDeMo-Projektes wurde mit dem FlexIA-Tool (Flexible Informations-Analyse) ein digitales Werkzeug zur partizipativen Informationsanalyse entwickelt. Zentrale Merkmale sind die folgenden:

  • Einfache, intuitive Bedienbarkeit der in partizipativen Workshops genutzten Werkzeuge: Ein browserbasiertes Werkzeug ermöglicht eine sehr einfache Benutzerführung.

  • Geringe Komplexität der Methodik: Die Beschäftigten in der Montage sind es i. d. R. nicht gewohnt, in theoretischen Informationsabstraktionen zu arbeiten. Daher ist der Methodenumfang gering gehalten und baut auf der Begriffswelt in der Montage auf.

  • Einfache Archivierbarkeit und Auffindbarkeit von Informationsanalysen. Die Informationsmodelle werden auf Basis einer individuell definierbaren Ablagelogik gespeichert.

Die Durchführung der Informationsanalysen hat folgende Handlungsempfehlungen ergeben:

  • Die Informationsanalyse sollte mit Unterstützung einer erfahrenen Moderatorin bzw. eines erfahrenen Moderators durchgeführt werden, die bzw. der in der Lage ist, zwischen unterschiedlichen Detaillierungsstufen (z. B. zwischen abstrakten und konkreten Informationsaspekten) hin- und herzuspringen.

  • Abstrakte Aspekte der Informationsanalyse sind in eine für die Beschäftigten verständliche Sprache zu überführen.

  • Mithilfe sogenannter Mock-up-Tools kann schnell aufgezeigt werden, wie z. B. durch Anpassung von Eingabemasken eine optimierte Informationsstruktur aussehen könnte. Damit lassen sich „Quick-wins“ realisieren und die Motivation der Beschäftigten bleibt hoch.

  • Zielführend ist es, bereits bei der Informationserhebung bekannte Verbesserungsvorschläge und Ideen der Beschäftigten festzuhalten.

2.4.3 Analyse der betrieblichen Altersstruktur

Die Analyse der Altersstruktur der Belegschaft unterstützt die Sensibilisierung für die Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf das eigene Unternehmen. Dazu ist die betriebliche Altersstruktur in der Phase der Ist-Analyse zunächst aufzunehmen. Anschließend können auf Basis der Ist-Struktur zukünftige Entwicklungen simuliert werden, um frühzeitig Auswirkungen abschätzen und diesen durch geeignete personalpolitische und arbeitsgestalterische Maßnahmen begegnen zu können.

Die Durchführung einer Altersstrukturanalyse wird durch ein im FlexDeMo-Projekt entwickeltes Tool unterstützt. Dabei können einzelne Unternehmensbereiche oder der Betrieb als Ganzes betrachtet werden. Das Tool ermöglicht die einfache Eingabe der aktuellen Altersstruktur sowie entwicklungsrelevanter Daten zu Neueinstellungen, Fluktuationen etc. Nach der Dateneingabe kann die Entwicklung der Altersstruktur über einen Zeitraum von bis zu 50 Jahren unter Berücksichtigung statistischer Schwankungen prognostiziert werden, siehe Abb. 2.8.

Abb. 2.8
figure 8

Tool zur Analyse und Simulation der betrieblichen Altersstruktur

Mithilfe des Tools können darüber hinaus die Qualifikationsstruktur und die Entwicklung des Führungskräfteanteils an der Gesamtbeschäftigtenzahl abgebildet werden. Dazu werden neben der aktuellen Qualifikationsstruktur entwicklungsrelevante Parameter wie eine Führungskräftequote, eine Fortbildungsquote oder eine Quote für die Beförderung von Mitarbeitenden zu Führungskräften in Abhängigkeit der Dauer der Betriebszugehörigkeit berücksichtigt.

Die Ergebnisse der erweiterten Altersstrukturanalyse sind nicht nur für übergreifende Führungs- und Gestaltungsaufgaben auf Unternehmensebene relevant, sondern liefern auch konkrete Ansatzpunkte für die Planung und Gestaltung der Montage. Im Falle einer alterszentrierten Altersstruktur bieten sich beispielsweise Maßnahmen an, die den Wissenstransfer in der Montage begünstigen (z. B. Team- und Projektarbeit, generationenübergreifende Lernpaare oder der Einsatz des an späterer Stelle beschriebenen FlexDeMo-Werkzeugs KnowledgeLink).

2.5 Methoden und Werkzeuge zur Unterstützung von Soll-Konzeption und Simulation

Das Montagesystemkonzept wird in der Phase Soll-Konzeption und Simulation aufbauend auf den Planungszielen entwickelt. Durch die Auswahl geeigneter Montageorganisationsformen kann frühzeitig die Richtung für ein flexibles und leistungsfähiges Montagesystem vorgegeben werden. Für eine fundierte Auswahl ist eine Überführung der Montageorganisationsformen in alternative Grobkonzepte für das zu planende Montagesystem erforderlich, die unter Einbezug der Beschäftigten erfolgen sollte, beispielsweise über Workshops, in denen die Prinzipanordnungen partizipativ erarbeitet werden (vgl. Latos et al., 2018).

Die frühzeitige explorative Simulation der Grobkonzepte bildet den Kern des FlexDeMo-Planungsvorgehens. Das webbasierte Simulationstool eröffnet KMU die Möglichkeit, einfach und ohne Simulations-Know-how Erkenntnisse über das Verhalten der verschiedenen Montageorganisationsformen im spezifischen Anwendungsfall zu erlangen. Die simulationsbasierten Erkenntnisse ermöglichen es, in einem iterativen Prozess ein Montagekonzept zu entwickeln, welches den betrieblichen und personellen Anforderungen und Voraussetzungen bestmöglich entspricht.

2.5.1 Erarbeitung der Zielsetzung

Auf Basis der Ist-Analyse erfolgt die Erarbeitung des unternehmensspezifischen Zielsystems für die Planung der optimalen Montageorganisationsform. Im Rahmen des FlexDeMo-Projekts wurde hierzu die Analytic Hierarchy Process (AHP)-Methode adaptiert und in einem digitalen Tool umgesetzt. Dabei werden Zielkriterien durch Paarvergleiche bewertet, um Gewichte der Zielkriterien zu bestimmen. Schließlich kann anhand der Hierarchie die Aggregation der Gewichte vorgenommen werden, um ein gewichtetes, hierarchisches Zielsystem zu bilden. (Kühner, 2005).

Es ist entscheidend, dass ein Zielsystem nicht nur von den Entscheidungsträgern erarbeitet wird, sondern gemeinsam mit allen am Montageplanungsprozess beteiligten Personen. Um einen solchen partizipativen Ansatz zur systematischen Zielsystembildung zu unterstützen, wurde im FlexDeMo-Projekt ein spezielles Workshopkonzept basierend auf der AHP-Methode erarbeitet und bei beiden Anwendungspartnern erprobt. Nach einer Einführung in die AHP-Methode wurden in einem interaktiven Format sowohl wirtschaftlich-technische Kriterien (z. B „Volumenflexibilität“ und „Reduktion von Verschwendung“) als auch personalorientierte Zielkriterien (z. B „ganzheitliche Arbeitsaufgaben“ und „optimale Arbeitsbedingungen“) gesammelt, diskutiert und in ein hierarchisches Zielsystem eingeordnet. Nach der gemeinsamen Verabschiedung des Zielsystems erfolgte die Gewichtung der Ziele mithilfe des AHP-Tools im FlexDeMo-Planungssystem. Über moderierte Leitfragen (Was ist Ihnen zunächst wichtiger, Ziel A oder Ziel B?) ermöglicht das AHP-Tool, die Gewichtung ausgehend von den Zielen der obersten Ebene bis hin zu den Zielen auf der untersten Ebene des Zielsystems zu ermitteln. Abb. 2.9 zeigt die Eingabe der relativen Wichtigkeit in das AHP-Tool am Beispiel der Ziele auf der obersten Ebene.

Abb. 2.9
figure 9

Nutzung des FlexDeMo-AHP-Tools zur Erarbeitung des Zielsystems in einem Workshop bei einem Anwendungspartner

Das AHP-Tool bietet die Möglichkeit, das gewichtete, hierarchische Zielsystem in verschiedenen Formen wie Blockdiagramm oder Spinnennetzdiagramm zu visualisieren und zu exportieren. Ergänzend steht eine Anleitung zur Durchführung des Workshops im Planungssystem zur Verfügung. Zu den Teilnehmenden der Projektworkshops gehörten Personen der Geschäftsleitung, Planerinnen und Planer, Führungskräfte und Montagemitarbeitende. Durch die moderierte Diskussion konnte ein gegenseitiges Verständnis für die durchaus divergierenden Ziele entwickelt werden. Die Moderation durch eine unternehmensexterne Person mit Methodenerfahrung (begleitender Wissenschaftler) wurde als besonders hilfreich wahrgenommen.

Die auf diesem Wege ermittelten Ziele für ein Montageplanungsvorhaben können im gesamten weiteren Planungsverlauf genutzt werden und eignen sich zur kontinuierlichen Überprüfung der Zwischenstände. Beispielsweise kann das Ziel der Vermeidung einseitiger körperlicher Belastung sowohl durch die Wahl der Montageorganisationsform in der Phase der Soll-Konzeption (vgl. Latos et al., 2020) als auch durch eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung (vgl. Schmidt & Luczak, 2017) in der Phase der Umsetzungsvorbereitung adressiert werden.

2.5.2 Auswahl der Montageorganisationsformen

Im Projekt wurden elf Organisationsformen von manueller und hybrider Montage identifiziert und in die weitere Betrachtung einbezogen. Diese können anhand der verschiedenen Ausprägungen der Merkmale Bewegungscharakteristik, Bewegungsparameter und Gliederungsprinzip unterschieden werden (vgl. Latos et al., 2018).

Die Auswahl einer geeigneten Montageorganisationsform erfolgt bislang vorrangig unter Anlegung technischer und wirtschaftlicher Kriterien. Im Sinne einer menschengerechten Arbeitsgestaltung wurden die Bewertungskriterien im Rahmen von FlexDeMo um arbeitswissenschaftliche Kriterien ergänzt und in einer qualitativen Interviewstudie zur Beurteilung der gängigen Montageorganisationsformen herangezogen (Latos et al., 2020).

Mithilfe der Ergebnisse der Expertenbefragung und den bereits existierenden technischen und wirtschaftlichen Bewertungskriterien wurde ein ganzheitlicher Bewertungskatalog für Montageorganisationsformen erstellt. Dieser wird als praxisorientierter Leitfaden im Planungssystem bereitgestellt und dient als Einstieg in die Betrachtung verschiedener Montageorganisationsformen im Anwendungsfall.

Für die Simulation verschiedener Montageorganisationsformen bei der Montageplanung in KMU wurden die zuvor beschriebenen Montageorganisationsformen weiter verdichtet. Dazu wurden sie anhand ihrer Bewegungsscharakteristik und ihres Gliederungsprinzips so gruppiert, dass eine möglichst hohe Ähnlichkeit zwischen den Organisationsformen einer Gruppe besteht. Bei dieser Betrachtung wurde der One-Piece-Flow mit der Einzelplatzmontage zusammengefasst, da es bei der Abbildung in der Simulation keine relevanten Unterschiede zwischen den Organisationsformen gibt. Die sog. Matrixorganisation wurde nicht in die Betrachtung einbezogen, da sie aufgrund ihrer hohen Komplexität für die Anwendung in KMU nicht geeignet erschien. Die verbleibenden neun Montageorganisationsformen wurden zu vier Gruppen zusammengefasst (s. Abb. 2.10). Die Benennung der Gruppen bezieht sich immer auf die Vernetzung der Arbeitsstationen im Montagesystem als verbindendes Element. Dies ermöglicht eine einfache Zuordnung eines reellen oder geplanten Montagesystems zu einer der Gruppen. (s. ausführlich in Duisberg et al., 2021).

Abb. 2.10
figure 10

Systematisierung der Montageorganisationsformen in Anlehnung an (Eversheim et al., 1981; Latos et al., 2020) und Zusammenführung zu einem Set flexibler Simulationsmodelle nach Duisberg et al. (2021)

Die Eigenschaften der in einer Gruppe zusammengefassten Montageorganisationsformen bildeten jeweils die Grundlage für die Entwicklung einer Modelllogik für ein „gemeinsames“ Simulationsmodell. Durch die Reduktion wird die Auswahl des geeigneten Simulationsmodells für die anwendenden KMU weiter vereinfacht. Außerdem gibt die Gruppierung Anhaltspunkte für Optimierungen durch Auswahl einer ähnlichen Montageorganisationsform. Die Konzeption eines Simulationsmodells für mehrere Montageorganisationsformen eröffnet darüber hinaus die Möglichkeit, Montagesysteme zu planen und zu simulieren, die Eigenschaften mehrerer Montageorganisationsformen kombinieren. Dabei sind die Grenzen für die Betrachtung kombinierter Montageorganisationsformen durch die Logik der Simulationsmodelle gesetzt, die jeweils nur die Organisationsformen einer Gruppe abbilden kann. Soll im Rahmen von Simulationsversuchen eine Montageorganisationsform untersucht werden, die nicht durch das ursprüngliche Simulationsmodell abgedeckt werden kann, so können die Inputparameter für die Einrichtung des neuen Modells zu einem großen Teil wiederverwendet werden.

Durch diese in der Konzeptionsphase gewählte Zusammenfassung der Organisationsformen wurde zusätzliche Flexibilität für die spätere Nutzung geschaffen und es konnten gleichzeitig Aufwände in der Implementierungsphase eingespart werden, da die Simulation der neun relevanten Organisationsformen für KMU mit nur vier Simulationsmodellen abgedeckt werden kann (vgl. Duisberg et al., 2021).

2.5.3 Entwicklung des simulationsgestützten Konfigurationssystems

Für das im Projekt FlexDeMo vorgesehene, explorative Planungsvorgehen ist die webbasierte Simulation ein zentrales Werkzeug. Nach VDI-Richtlinie 3633 ist die Simulation ein Verfahren zur Abbildung eines realen oder in der Planung befindlichen Systems in ein experimentierbares Modell (VDI 3633, 2014). Das betrachtete System im Projekt FlexDeMo ist die Montage. Mithilfe von Simulationsstudien können bereits vor der Realisierung Erkenntnisse über alternative Montagekonzepte erlangt werden. Sie stellt damit ein methodisches und instrumentelles Hilfsmittel dar, das Unternehmen überhaupt erst ermöglicht, ihre Montageorganisation zu hinterfragen und neue Systemvarianten zu entwerfen, die ggf. besser als bisher die Erfüllung ganzheitlicher Zielsetzungen erlauben. Die Herausforderung im Projekt bestand darin, einen Weg zu finden, die in KMU typischerweise bestehenden Hürden bei der Nutzung von Simulation zu überwinden und den an der Planung beteiligten Beschäftigten eine selbstständige Anwendung zu ermöglichen (s. hierzu auch Kranz et al., 2021b).

Für das zu entwickelnde Simulationswerkzeug mussten die dargestellten Montageorganisationsformen in entsprechend flexiblen Simulationsmodellen abgebildet werden. Die Implementierung der flexiblen Simulationsmodelle erfolgte entlang des Vorgehens nach Banks (2014). Die Montageplanung soll mithilfe der Simulation so unterstützt werden, dass die Simulationsmodelle einerseits ohne Simulationskenntnisse angewendet werden können und die Modelle andererseits flexibel hinsichtlich des Montagelayouts sowie der Prozessparameter (z. B. Layout, Montagevorgabezeiten, Personenanzahl) sind. Die gewählte Gestaltungsvariante, also die Kombination aus Montagelayout und definierten Prozessparametern, kann durch verschiedene Kennzahlen bewertet werden. Um verschiedene Gestaltungsalternativen zu vergleichen, können sowohl das Montagelayout als auch die Prozessparameter, welche in der Realität oftmals nur mit großem Aufwand verändert werden können, angepasst werden. Durch dieses sogenannte Experimentieren wird die zielorientierte Konzeption und Auswahlentscheidung in der frühen Planungsphase effektiv unterstützt.

Abb. 2.11 stellt das Konzept des simulationsgestützten Konfigurationssystems dar. Zusätzlich zu den Eingangsgrößen auf der linken Seite verwerten die Simulationsmodelle sogenannte Störgrößen im Simulationslauf. Durch die Streuung der Montagezeiten ergeben sich aufgrund der eng verketteten Abläufe in der Montagesimulation verschiedene Situationen, die sich auch in unterschiedlichen Ausgangsgrößen (z. B. Produktionsmengen) bemerkbar machen. Die Nutzenden der Simulation können mit diesen Daten das Montagekonzept beispielsweise im Hinblick auf dessen Robustheit auf kleinere Unterbrechungen bewerten.

Abb. 2.11
figure 11

Ein- und Ausgangsgrößen eines flexiblen Simulationsmodells für Montagesysteme angelehnt an (Latos et al., 2018) angereichert mit Ergebnissen aus FlexDeMo-Projektworkshops

Die relevanten Eingangsdaten der Montageorganisationsformen und die notwendigen Prozessparameter für die Simulation wurden zunächst anhand der Literatur identifiziert und anschließend in Workshops mit den Partnerunternehmen des Projekts verifiziert und ergänzt. Um die verschiedenen Planungsalternativen mithilfe der Simulation anhand humanorientierter Kriterien bewerten zu können, wurden ergonomische und qualifikatorische Bewertungsmethoden in die Simulationsmodelle integriert. Zuletzt wurden in Workshops mit den Beschäftigten der Unternehmen neben den gängigen Ausgangsdaten eines Produktionssystems wie Produktausstoß und Durchlaufzeiten weitere relevante Ausgangsgrößen erhoben, die eine Bewertung und Auswahl der Montagesysteme in der Planungsphase erleichtern.

Eine Herausforderung bei der Entwicklung der flexiblen Simulationsmodelle stellte die Erzeugung der Montagelayouts dar. Bei der Implementierung eines Simulationsmodells eines bestehenden Systems wird ein Abbild des Systems fest in das Simulationsprogramm überführt. Hierfür stellen die Simulationsprogramme eine vordefinierte Objektbibliothek zur Verfügung, die dann einfach per Drag-and-Drop genutzt werden kann. Diese Objekte können im Layout verschoben werden. Nachdem das Layout im Simulationsmodell fertiggestellt wurde, wird es mithilfe einer Prozesslogik verknüpft. Kommen nun in einer Planungsalternative Systemelemente hinzu oder fallen weg, muss die Vernetzung der Elemente in der Prozesslogik angepasst werden. Um den Nutzenden in der Montageplanung diese Aufgaben abzunehmen, wurde ein Algorithmus entwickelt, der anhand arbeitsplatzspezifischer Daten sowie der Daten zur Positionierung der Arbeitsplätze automatisiert ein Simulationslayout erstellt (s. Kranz et al., 2021a). Hierdurch haben die Nutzenden die Möglichkeit, ohne Simulationskenntnisse verschiedene Layoutvarianten zu erstellen und zu simulieren.

Um die Simulation in das ganzheitliche Planungssystem zu integrieren, wurde eine webbasierte Bereitstellung implementiert. Abb. 2.12 zeigt die graphische Oberfläche der Benutzerschnittstelle des webbasierten Simulationswerkzeugs. Die Benutzeroberfläche bietet neben der Auswahl einer Montageorganisationsform die Möglichkeit, das Montagelayout einfach per Drag-and-Drop auf einer Zeichnungsfläche zu modellieren und zudem relevante Prozessparameter in verschiedenen Dialogen zu definieren. Abb. 2.13 zeigt beispielhaft ein One-Piece-Flow-Montagesystem.

Abb. 2.12
figure 12

Webmaske zur Eingabe der Simulationsparameter (Zwischenstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung)

Abb. 2.13
figure 13

Graphische Benutzeroberfläche des webbasierten Simulationswerkzeugs mit beispielhaftem Layout eines One-Piece-Flow-Systems

Abb. 2.14 zeigt das anhand der eingegebenen Daten erzeugte Simulationsmodell auf dem Webserver. Das Simulationsmodell läuft für den Nutzenden im Hintergrund. Im Anschluss an die Simulation werden verschiedene Ausgabedaten bereitgestellt.

Abb. 2.14
figure 14

Visualisierung und Simulation des beispielhaften Layouts des One-Piece-Flow-Systems in der Simulationssoftware FlexSim®

In Abb. 2.15 ist eine Auswertung eines Simulationslaufs des oben gezeigten Beispielsystems dargestellt. Die Auswertung zeigt die Zeitanteile der Beschäftigten in Kuchendiagrammen, in denen die Beschäftigten beschäftigt, wartend oder blockiert waren. Diese und weitere Auswertungen wie der Produktausstoß pro Stunde oder die Streuung der Bearbeitungszeiten pro Arbeitsplatz schaffen eine Grundlage für einen quantitativen Vergleich der Gestaltungsalternativen in der Planungsphase von Montagesystemen.

Abb. 2.15
figure 15

Auswertung der Auslastung von Beschäftigten in der Montage nach der Simulation einer Planungsvariante mit dem Simulationswerkzeug

Das simulationsgestützte Konfigurationssystem setzt sich somit aus flexiblen Simulationsmodellen für Montagesysteme zusammen, die in eine Webanwendung eingebettet wurden. Die exemplarisch mithilfe der Simulationssoftware FlexSim® implementierten Simulationsmodelle werden auf einem Webserver bereitgestellt. Die Benutzungsschnittstelle der flexiblen Simulationsmodelle beinhaltet verschiedene variable Eingangsgrößen (vgl. Abb. 2.11). Wie im Beitrag von Kranz et al. (2021a) dargestellt beziehen bisherige Lösungsansätze zu flexiblen Simulationsmodellen nur Stellgrößen wie die Montagevorgabezeiten, die Anzahl der Personen oder das Produktionsprogramm mit ein. Eine datenbasierte, flexible Definition der Anzahl, Typen und Anordnung von Arbeitsplätzen wurde bisher nicht umgesetzt. Das Verbundprojekt FlexDeMo schließt diese Lücke für Layouts von Montagesystemen verschiedener Organisationsformen.

2.5.4 Anwendungsbeispiel

Für die Anwendung und Validierung der Simulationsmodelle wurde die Montage der Firma Intravis GmbH modelliert und simuliert. Die Montage des Unternehmens lässt sich in drei Teilschritte aufteilen: Mechanik-Montage, Elektro-Montage und Inbetriebnahme. Dabei sind diese Teilschritte räumlich getrennt, sodass das zu montierende Produkt durch die Montagehalle zu den Bereichen der Teilschritte transportiert wird. Im Bereich werden die entsprechenden Arbeitsinhalte von Beschäftigten, die dem Bereich fest zugeordnet sind, ausgeführt. Aus diesen Informationen lässt sich ableiten, dass die angewendete Montageorganisation der Form der Reihenmontage sehr ähnelt.

Ziel des Anwendungsbeispiels war es, die aktuelle Montage zu simulieren und eine Gestaltungsvariante für ein neues Montagelayout zu überprüfen. Dabei waren folgende Fragestellungen von Interesse:

  • Kann eine Erhöhung des Ausstoßes mit dem neuen Layout erreicht werden?

  • Verändern sich die Durchlaufzeiten im Vergleich zum Ist-Zustand?

  • Wie verhält sich der Umlaufbestand im neuen Layout?

Für die Simulation wurden relevante Datenquellen identifiziert und für die Verwendung in der Simulation vorbereitet. Dazu wurde beispielsweise das breite Produktspektrum des Sondermaschinenbauers auf drei Referenzprodukte reduziert, um die Komplexität der Datenaufbereitung zu verringern. Das aktuelle Layout wurde im Simulationsmodell mithilfe des in FlexDeMo entwickelten Algorithmus (s. Kranz et al., 2021a) erzeugt. Das Ergebnis ist in Abb. 2.16 dargestellt.

Abb. 2.16
figure 16

3D-Ansicht des Simulationsmodells der aktuellen Montagehalle (in FlexSim®), entnommen aus Streller (2021)

Für die visuelle Unterscheidung der Arbeitsgruppen wurden die Beschäftigten entsprechend ihrer Gruppenzugehörigkeit eingefärbt. Für den Vergleich in der Planungsphase wurde neben dem Ist-Zustand mit den gleichen Rahmenbedingungen eine Planungsvariante des Unternehmens modelliert. Für das neue Layout wurden die Arbeitsplätze neu angeordnet und um einige Plätze erweitert. Zudem wurden weitere Bereitstellungsflächen eingeführt. Die Organisationsform der Montage kombinierte Eigenschaften der Werkstattmontage und der Reihenmontage. Diese Kombination konnte durch das im Projekt entwickelte Modell für flexibel verkettete Montagesysteme abgebildet werden.

Die Simulation zeigte, dass die Durchlaufzeit über alle Produkte um etwa 5 % reduziert werden konnte. Die damit zu erzielenden Produktivitätsgewinne fielen allerdings in Relation zu den notwendigen Ressourcenaufwänden für die neu eingeplanten Arbeitsplätze und Bereitstellungsflächen zu gering aus. Das Anwendungsbeispiel demonstriert, dass die Nutzung von Simulationsmethoden auch für KMU sinnvoll ist. Mithilfe der Simulation konnten die Planungsvarianten vor ihrer Umsetzung experimentell untersucht und bewertet werden. In diesem Fall hatte sich das Unternehmen durch die Neugestaltung eine größere Reduzierung der Durchlaufzeit erhofft, sodass durch die Simulationsstudie Fehlinvestitionen vermieden werden konnten.

2.6 Unterstützung der Umsetzungsvorbereitung

Mit Abschluss der Phase Soll-Konzept und Simulation liegt ein partizipativ und simulationsbasiert entwickeltes Montagesystemkonzept vor, das – im Vergleich zu anderen betrachteten Alternativen – das ganzheitliche Zielsystem bestmöglich erfüllt. Dieses Soll-Konzept gilt es anschließend umzusetzen. Die FlexDeMo-Toolbox stellt auch für die Phase der Umsetzungsvorbereitung verschiedene Methoden und Werkzeuge zur Verfügung (s. Abb. 2.2), die hier allerdings nicht vollständig beschrieben werden können. Mit dem digital gestützten Wissensmanagement wird im Folgenden ein Gestaltungsthema behandelt, dessen Relevanz im Projekt vor allem durch die Bedarfe der Praxispartner getrieben wurde. Anschließend wird auf Fragen der Qualifizierung im Umgang mit der Toolbox und ihren Instrumenten eingegangen.

2.6.1 Digital gestütztes Wissensmanagement

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels droht den Unternehmen durch das Ausscheiden älterer, erfahrener Beschäftigter ein substantieller Wissensverlust. So lässt sich zum Beispiel nachweisen, dass ältere Beschäftigte mit langer Betriebszugehörigkeit aufgrund des Erfahrungseffektes deutlich weniger Fehler machen als jüngere; gleichzeitig ist die Fehlerschwere geringer (vgl. Sachverständigenrat, 2011). Damit kommt dem betrieblichen Wissensmanagement ein hoher Stellenwert zu, um die Umsetzung neuer Montageorganisationsformen zu unterstützen.

Das betriebliche Wissensmanagement beinhaltet alle Aktivitäten, die sich mit dem Erwerb, der Entwicklung, der Speicherung, der Verteilung sowie der transparenten Nutzung von Wissen im Unternehmen befassen (Probst et al., 2012). Das Unternehmenswissen repräsentiert die Gesamtheit aller Daten, Informationen sowie Kenntnisse und Fähigkeiten, die Unternehmen (organisatorisches Wissen) und Personen (individuelles Wissen) zur Lösung betrieblicher Probleme einsetzen. Typischerweise werden drei Wissensarten unterschieden (Keuper & Neumann, 2009). Explizites Wissen ist gut in Sprache auszudrücken, systematisierbar, kann in technischen Systemen gespeichert und verarbeitet werden, lässt sich gut übertragen und ist vom Wissensträger unabhängig. Darunter fallen z. B. Arbeitsanweisungen, Prozessbeschreibungen, Algorithmen, Theorien, Regeln und sonstiges dokumentiertes Faktenwissen. Explizites Wissen auf individueller Ebene wird als „embrained knowledge“ bezeichnet, auf organisatorischer Ebene als „encoded knowledge“ (Frost, 2018). Implizites Wissen oder Erfahrungswissen ist in den Köpfen von Menschen gespeichert und nicht vom Wissensträger trennbar. Es ist personen-, aktions- und kontextgebunden. Es basiert auf Werten, Gefühlen, Erfahrungen sowie subjektiven Einstellungen und Intuition. Diese Wissensform ist nur schwer zu kommunizieren und weiterzugeben und erfordert intensive Interaktionsprozesse (North, 2011). Implizites Wissen auf individueller Ebene wird als „embodied knowledge“ bezeichnet, auf organisatorischer Ebene als „embedded knowledge“ (vgl. Madhavan & Grover, 1998). Metawissen beschreibt das Wissen über Wissen. Es adressiert die Frage, welches Wissen über die Schaffung, Speicherung, Verteilung, Nutzung von Wissen im Unternehmen existiert. Darunter fallen z. B. die Fragen, wo sich Wissen im Unternehmen befindet, wie es gespeichert wird oder welcher Art es ist (Busch, 2008).

Einem ganzheitlichen Ansatz folgend umfasst das Management dieser Wissensarten die drei wechselseitig in Beziehung stehenden Gestaltungsdimensionen Mensch, Organisation und Technik (Bullinger et al., 1998). Zugrunde liegende Gedanken sind, dass technische und humanorientierte Aspekte gleichberechtigt zu betrachten sind und dass Wissensmanagement im Kern ein sozialer Prozess ist. Der Mensch ist zentraler Wissensträger und gestaltet als Wissensarbeiter die Kernprozesse des Wissensmanagements. Relevant sind zudem motivationale Aspekte und Anreizsysteme zur persönlichen Nutzung des Wissensmanagements. Die organisatorische Dimension umfasst die Schaffung einer wissensförderlichen Unternehmenskultur sowie die Bereitstellung angemessener Methoden, Prozesse und organisatorischer Strukturen für das Wissensmanagement. Informations- und Kommunikationstechnologien wie z. B. Datenbanken und Softwarelösungen unterstützen die Kernprozesse des Wissensmanagements.

Das im Rahmen des FlexDeMo-Projektes prototypisch umgesetzte digitale Unterstützungswerkzeug orientiert sich an dem von Probst et al. vorgeschlagenen Vorgehen, das die zentralen Prozesse Wissenserwerb, Wissens(ver-)teilung und transparente Wissensnutzung vorsieht (Probst et al., 2012).

Zum Erwerb, zur Verteilung und zur Nutzung von Wissen in der Montage lässt sich ein Montagevorranggraph nutzen. Hierbei handelt es sich um eine graphbasierte Visualisierung, die für die Darstellung von Arbeitsschritten in der Montage und ihren Abhängigkeiten verwendet wird (vgl. Wiesbeck, 2014). Dabei werden die einzelnen Tätigkeiten und Baugruppen entsprechend ihrer Aufbaureihenfolge entweder parallel oder sequenziell dargestellt (vgl. Riffelmacher, 2013). Montagevorranggraphen helfen, die Beschäftigten in der Montage durch die komplexen Abläufe zu führen. Basierend auf diesen Vorüberlegungen wurden im Rahmen des FlexDeMo-Projektes partizipative Workshops zum Wissensmanagement in der Montage mit den Beschäftigten durchgeführt. Ziel war es, Funktionen und Anforderungen an ein digitales Unterstützungswerkzeug zu erheben, das für den alltäglichen Einsatz in der Montage geeignet ist. Aus Beschäftigtensicht ergaben sich die folgenden zentralen Anforderungen:

  • Das System sollte eine einfache und intuitive Erstellung von Montagevorranggraphen ermöglichen.

  • Um einzelne Prozessschritte zu spezifizieren, war eine detaillierte textuelle Beschreibung erforderlich.

  • Ein Prozessschritt sollte mit Dokumenten oder Fotos verknüpft werden, die zum Teil in anderen IT-Systemen oder auf Netzwerklaufwerken vorhanden waren.

  • Das System musste die Möglichkeit bieten, Erfahrungswissen wie Best Practices zu dokumentieren.

  • Innerhalb des Wissensmanagementsystems sollten verschiedene Varianten einer Maschine kenntlich gemacht werden.

  • Es sollte ein späterer Ausbau auf weitere Abteilungen möglich sein, um das Montagewissen den vorgelagerten Bereichen der Arbeitsvorbereitung und Konstruktion verfügbar zu machen.

Auf Basis dieser Anforderungen wurde das Wissensmanagement-Werkzeug KnowledgeLink prototypisch entwickelt und bei der Spaleck Oberflächentechnik erprobt. Es hilft dabei, das komplexe Montagewissen arbeitsplatz- und abteilungsübergreifend zu erfassen, mittels intelligenter Verlinkungen zu verteilen und umfassend zu nutzen. Abb. 2.17 zeigt einen Auszug eines Montagevorranggraphs im Prototyp.

Abb. 2.17
figure 17

Auszug des graphbasierten Wissensmanagementsystems KnowledgeLink

Die Entwicklung des Prototyps vollzog sich nach dem Leitprinzip des iterativ-partizipativen Vorgehens. In den Workshops waren die Beschäftigten der Montage Treiber der Werkzeugentwicklung, in deren Verlauf u. a. mehrere Versionen von Oberflächenprototypen (Mock-ups) konzipiert wurden. Besonderes Augenmerk lag darauf, dass ein niedrigschwelliges, einfach zu bedienendes System entsteht, das im betrieblichen Alltag nützlich ist. Ein weiterer Auszug des Prototyps ist exemplarisch in Abb. 2.18 dargestellt.

Abb. 2.18
figure 18

Interaktive Wissenserhebung im FlexDeMo-Werkzeug KnowledgeLink

Auf der linken Seite befindet sich eine Navigationsleiste, über die verschiedene, produktspezifische Montagevorranggraphen ausgewählt, erstellt und gelöscht werden können. Das Kernstück bildet die interaktive Visualisierung des Montagevorranggraphen, mit deren Hilfe eine Montagemitarbeiterin bzw. ein Montagemitarbeiter relevante Informationen zu einzelnen Montageschritten schnell und intuitiv suchen kann. Hierzu kann durch einen Klick auf einen Montageschritt ein Popup geöffnet werden, in dem beliebige Informationen, Montageanleitungen, Best Practices und Bilder hinterlegt werden können. Sowohl der Montagevorranggraph als auch die verknüpften Daten der einzelnen Montageschritte können durch den integrierten Bearbeitungsmodus jederzeit durch die Beschäftigten angepasst werden. Da bei der Entwicklung vor allem die Benutzerfreundlichkeit der Anwendung im Fokus stand, wurde ein einfach zu bedienender Editor implementiert, der es erlaubt, Elemente per Drag-and-Drop zu verschieben oder anzulegen.

Zur weiteren Vorbereitung der Umsetzung wurden bei der Spaleck Oberflächentechnik die Informationsflüsse zwischen der Arbeitsvorbereitung, der Fertigung und der Montage systematisch optimiert und betrieblich umgesetzt. Dies führte zum Beispiel dazu, dass die bisher einfarbigen Auftragskarten in Fertigung und Montage durch auftragsbezogene, farbkodierte Karten ersetzt wurden. Gleichzeitig wurden elektronische KANBAN-Boards in die Bereiche Fertigung, Montage und Lager eingeführt, die den Auftragsfortschritt in denselben Farbkodierungen auf Großbildschirmen darstellen. Durch die konsistente Abstimmung der papierbasierten und der elektronischen Visualisierungshilfen konnte die Feinabstimmung in der Montage signifikant verbessert werden.

2.6.2 Werkzeugintegrierte Schulung und Qualifikation

Die in der FlexDeMo-Toolbox bereitgestellten Methoden und Werkzeuge fanden in den Anwenderunternehmen vor dem Projekt keine oder eine sehr geringe Verwendung. Daher wurden die in den Planungsprozess involvierten Beschäftigten im Projektverlauf immer wieder im Rahmen verschiedener Workshops projektbegleitend geschult. Die Inhalte dieser Schulungen wurden mit Erfahrungen aus der Anwendung kombiniert und als integriertes Schulungsmaterial in der Toolbox bereitgestellt. Grundlegender Gedanke war es dabei, die FlexDeMo-Toolbox als flexibel nutzbaren Methoden-, Werkzeug- und Wissensspeicher zu konzipieren.

Die Wissensaufbereitung wurde modular und möglichst generisch gehalten, da im Laufe des Projektes ersichtlich geworden ist, dass sich Auswahl und Nutzung der jeweiligen Methoden und Werkzeuge in Abhängigkeit der unternehmensspezifischen Ausgangsfragestellungen sehr unterschiedlich ausprägen. Das Vorgehen zur Schulung und Qualifikation der Beschäftigten hängt zudem davon ab, ob der Schulungsgegenstand eine Methode oder ein digitales Werkzeug ist.

Hinweise zu Begrifflichkeiten oder optionalen Vorgehensweisen bei der Anwendung der in der Toolbox aufgegriffenen Methoden wurden in der Regel in die Methodenkacheln in Form von explizit gekennzeichneten Abschnitten integriert. Darüber hinaus stehen Verweise zu ausführlicheren Quellen oder Anwendungsbeispiele zur Verfügung.

In ähnlicher Form wurde für die digitalen Werkzeuge eine Kurzanleitung erstellt, die in die zugrunde liegende Methode einführt und darüber hinaus die konkrete Anwendung des Werkzeugs und seiner Funktionalitäten beschreibt (Werkzeugkacheln). Im Laufe des Projektes hat sich herausgestellt, dass die Nutzung dieser Materialien insbesondere für methodisch komplexe Werkzeuge wie die Montagesimulation dringend geboten ist.

Im Rahmen der Entwicklung des Prototyps KnowledgeLink wurde ein noch weitergehender Ansatz zur Kopplung der Werkzeugnutzung und der Schulung entwickelt. Dies ist in Abb. 2.19 dargestellt. Grundgedanke ist es, dass sich die Beschäftigten in der Anlernphase interaktiv in die Bedienung des Werkzeuges hineintasten. Der Unterstützungsgrad und die Lernschritte der einzelnen Werkzeugfunktionen können individuell angepasst werden.

Abb. 2.19
figure 19

Werkzeugintegriertes Schulungskonzept für das Wissensmanagement

In Ergänzung zu dem werkzeugintegrierten Tutorial gibt es als zweiten Baustein ein interaktives FAQ-System. In ihm finden sich kontextsensitive Kurzanleitungen, die von Nutzenden über eine interaktive Suche aufgerufen werden können.

2.7 Fazit und Ausblick

Das FlexDeMo-Projekt hat im interdisziplinären Zusammenwirken der Anwendungs-, Entwicklungs- und Forschungspartner eine umfangreiche Methoden- und Werkzeugsammlung zur digitalen Unterstützung für eine partizipative und simulationsbasierte Montageplanung in KMU entwickelt. Diese wird in Form der im Internet frei zugänglichen FlexDeMo-Plattform (https://toolbox.flexdemo.eu) bereitgestellt.

Im Hinblick auf die einleitend adressierten Fragestellungen wurden konkrete Antworten erarbeitet und eine Vielzahl betrieblicher Umsetzungen bei den Anwendungspartnern realisiert bzw. in die Wege geleitet. Zusammenfassend lassen sich folgende zentrale Erkenntnisse auflisten:

  • Hinsichtlich der Montageplanung hat sich ergeben, dass das experimentelle Durchspielen alternativer Montageorganisationsformen mithilfe der webbasierten Simulation die Planungsgüte signifikant verbessert. So wurde ein deutlich vereinfachter Zugang für KMU zur Nutzung der simulationsgestützten Montageplanung geschaffen.

  • Um die wirtschaftlichen und humanorientieren Auswirkungen frühzeitig abzuschätzen, haben sich das AHP-Werkzeug zur Zieldefinition sowie das digital unterstützte Planungsvorgehen insgesamt im praktischen Einsatz bewährt.

  • Die zur Prozess- und Informationsmodellierung bei den Anwendungspartnern eingesetzten Werkzeuge (Wertstromeditor, K3-Editor, FlexIA-Tool) haben zu einer erhöhten Transparenz und nachhaltiger Akzeptanz geführt.

  • Das auf die spezifischen Anforderungen der Montage zugeschnittene, niedrigschwellig ausgelegte Wissensmanagement-Werkzeug KnowldegeLink hat innerhalb kurzer Zeit den Weg in die betriebliche Anwendung gefunden.

  • Werkzeugintegrierte Dokumentation und Schulung reduzieren den (zusätzlichen) Arbeitsaufwand zur Nutzung und erhöhen die Integration der Werkzeuge in den Arbeitsalltag der Beschäftigten.

  • Die Integration der digitalen Werkzeuge und ergänzender Methoden in das webbasierte Planungssystem in Form der FlexDeMo-Toolbox stieß aufgrund der einfach zu bedienenden Benutzeroberfläche auf eine hohe Akzeptanz.

Ergänzend zu diesen primär methoden- bzw. werkzeugbezogenen Erkenntnissen spiegeln die nachfolgenden Aussagen die zentralen, aus Sicht des Konsortiums übertragbaren Erfahrungen wider:

  • Das dem Projekt zugrunde liegende Leitprinzip der partizipativen Arbeitsgestaltung hat sich durchgängig bewährt. Der dadurch ermöglichte offene Umgang der Mitwirkenden über alle Hierarchie- und Funktionsstufen in den Betrieben hinweg hat dafür gesorgt, dass bei den Anwendungspartnern vielfältige Innovationspotentiale offengelegt und im betrieblichen Alltag zugunsten einer flexibleren und stärker an den arbeitenden Menschen ausgerichteten Montageplanung ausgeschöpft werden konnten.

  • Die von den teilnehmenden Unternehmen angestrebte Erhöhung des Digitalisierungsgrades konnte – verstärkt durch den pandemiebedingten Anpassungsdruck– signifikant gesteigert werden. Nicht zuletzt aufgrund des partizipativen Vorgehens wurden die Beschäftigten in der Montage zu aktiven, mitbestimmenden „Treibern der Digitalisierung“ und „eigenverantwortlichen Gestaltern ihres Arbeitssystems“.

  • Hinsichtlich der Nutzung der Inhalte der FlexDeMo-Toolbox hat sich gezeigt, dass für methodisch anspruchsvolle Konzepte wie Simulation oder Zielplanung nach der AHP-Methode die ersten Workshops durch kompetente (interne oder externe) Moderatorinnen oder Moderatoren gesteuert werden müssen.

  • Auch das für die Beschäftigten zunächst etwas abstrakt klingende Konzept der Partizipation ist durch erfahrene Moderatorinnen und Moderatoren mit Leben zu füllen, um es nachhaltig in dem Planungsvorgehen zu verankern.

Der Lohn der vielen partizipativen Workshops war es, dass sich selbsttragende und selbstverstärkende Veränderungsprozesse ergeben haben. Das hat das FlexDeMo-Projekt für die beteiligten Konsortialpartner eindrucksvoll nachgewiesen.

Die Übertragbarkeit dieser zentralen Erkenntnisse auf andere KMU und Branchen wurde in der Endphase des Projektes intensiv diskutiert und u. a. im Rahmen eines sog. ELSI-Workshops in Bezug auf ethische, rechtliche und sozial Aspekte reflektiert. Erste Rückmeldungen deuten darauf hin, dass der primär methodisch-werkzeugorientierte Lösungsansatz des Projektes – mit der FlexDeMo-Toolbox als zentralem Ergebnis – im Rahmen von Anschlussvorhaben um Aspekte der unternehmenskulturellen Begleitung erweitert werden könnte.