6.1 Einleitung

In Deutschland kam der Eurasische Fischotter Lutra lutra (Linnaeus, 1758) bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts in allen aquatischen Lebensräumen vor. Eine gnadenlose Bejagung dieses Top-Prädators als Konkurrent um Fischbestände in Verbindung mit einer Lebensraumzerstörung und -verschmutzung ließen die Bestände zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert zusammenbrechen. In weiten Bereichen der westlichen Bundesländer starb der Fischotter in den 1950er-Jahren aus (Reuther 1993). In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte eine Erholung verbliebener Bestände, zunächst in Ostdeutschland, ein (Klenke et al. 2013a, b). Eine ähnliche Erholung der Fischotterbestände wurde europaweit mit einer annähernd synchronen Wiederausbreitung beobachtet und dokumentiert (Conroy und Chanin 2001; Chanin 2003; Yoxon und Yoxon 2019). Parallel zu dieser Entwicklung erlitten Fischotter in den letzten Jahrzehnten zunehmende Bestandsverluste durch den Autoverkehr und den unbeabsichtigten Fang in Reusen (Reuther et al. 2002).

Die Rückkehr von Top-Prädatoren in ihre historischen Verbreitungsgebiete wird in der heutigen, modernen Dienstleistungsgesellschaft durch eine Veränderung von Wertvorstellungen vor allem in urbanen Bereichen wohlwollend betrachtet (Heurich 2019). Dies darf, ähnlich wie beim Wolf, auch beim Fischotter nicht darüber hinwegtäuschen, dass insbesondere direkt in ihrer Wirtschaftsweise und Existenz betroffene Menschen wie auch Behörden und Vertreter von NGOs oft auf die Rückkehr unvorbereitet sind: Über mehrere Generationen von professionellen Fischern wie auch Hobby-Anglern und deren Verbandsvertretern haben sich seit dem Aussterben des Fischotters in vielen Gebieten Europas Wirtschaftsweisen und Fischmanagementmaßnahmen etabliert, die in ihrer Wirksamkeit von der Abwesenheit piscivorer Konkurrenten wie dem Fischotter ausgehen und mit deren Rückkehr auf dem Prüfstand stehen. Erfahrungen mit dem Fischotter müssen erst wieder gesammelt, ausgetauscht und in sinnvollen Maßnahmen-Paketen umgesetzt werden, die ein möglichst konfliktarmes Miteinander beteiligter Interessensgruppen fördern. Aus der Rückbesiedlung des Fischotters, basierend auf einer flexiblen Habitatwahl (Weinberger et al. 2016), resultieren daher altbekannte und neue Konfliktfelder.

Im Folgenden werden insbesondere wesentliche Konfliktfelder mit der fischereilichen Nutzung von Fließgewässern, Seen und Teichen bzw. Aquakulturen in Deutschland betrachtet, der aktuelle Wissensstand über wirksame Managementmaßnahmen zusammengestellt sowie bestehende Wissenslücken aufgezeigt. Für alle genannten Konfliktbereiche existieren mit Ausnahme Sachsens in den meisten Bundesländern Deutschlands Wissenslücken zu überregionalen Populationsdaten des Fischotters. Hierzu gehören Erkenntnisse zum Nahrungsspektrum und zu Gefährdungsfaktoren als Grundlage für ein zu entwickelndes, wirksames Management, aber auch aktuelle Informationen zu Altersstruktur, Mortalitäts- und Reproduktionsraten, gesundheitlichem Zustand und genetischer Variabilität (siehe z. B. Sommer et al. 2005; Ansorge et al. 1997). Des Weiteren fehlt oft, entsprechend dem weltweiten Trend (Moreira-Arce et al. 2018), a) bundesweit eine wissenschaftliche Überprüfung der Wirksamkeit und Effektivität angewandter Management-Methoden, b) eine Beachtung der sozialen und kulturellen Hintergründe sowie der regionalen Differenzierung bestehender Konflikte (siehe Abschn. 6.2.1.2.1) und c) die Durchführung von Forschungsprojekten zur Klärung offener Fragen.

6.2 Konflikte in der Fischerei

Der Fischotter gilt als ‚food-limited species‘ (Kruuk und Carss 1996; Kruuk 2006; Ruiz-Olmo et al. 2001, 2011), dessen Präsenz und Dichte über Faktoren wie Fortpflanzungserfolg und Sterblichkeit direkt beeinflusst werden. Die Erholung der Bestände des Fischotters geht daher vor allem in Regionen mit traditioneller Teichwirtschaft und Aquakulturen, in denen der Fischotter über 50 Jahre lang verschwunden war, mit zunehmenden Konflikten einher (Gossow und Kranz 1998; Bodner 1995; Klenke et al. 2013a). Die betroffenen Betriebe in der gesamten Binnenfischerei sehen sich mit einer komplexen Problemlage konfrontiert, die globalen Wettbewerb, Nachwuchsprobleme oder verändertes Verbraucherverhalten einschließt. Prädation durch den Fischotter stellt hierbei nur einen von vielen Einflussfaktoren dar (Roy et al. 2022).

Grundsätzlich sind für ein erfolgreiches Konfliktmanagement möglichst viele der zur Verfügung stehenden Maßnahmen gleichzeitig und regional angepasst anzuwenden (Mysiak et al. 2013), durch ein Monitoring zu kontrollieren und stetig an sich verändernde Bedingungen anzupassen (Henle et al. 2013).

6.2.1 Konflikte in Teichwirtschaften

In Sachsen sind auf der Grundlage des bereits 1996 aufgestellten „Artenschutzprogrammes Fischotter“ (LFULG 1996) differenzierte Förderprogramme entwickelt worden, die sowohl die Erhaltung von Teichen als Nahrungshabitat des Fischotters als auch die Erhaltung und Förderung von extensiv produzierenden Teichwirtschaften im Fokus haben (Klenke et al. 2013b). Deren frühzeitige Umsetzung unter Beachtung maßgeblicher ökonomischer, sozialer und ökologischer Faktoren führte zu einem erfolgreichen Management in diesem Konfliktfeld (Mysiak et al. 2013).

Ein landesweites, koordiniertes Fischotter-Management existiert neben Sachsen lediglich in Bayern (LWF 2013). Darüber hinaus werden deutschlandweit ohne spezifische Analysen und teilweise ohne landesweite Koordinierung einzelfallbezogen neben gezielter Beratung nahezu ausschließlich Prävention durch Einzäunung sowie nachträgliche Kompensationsgelder zum Schadensausgleich eingesetzt (Roy et al. 2022). Grundsätzlich werden dabei die diversen Förderprogramme der Länder von betroffenen Teichwirten und teilweise auch von Behördenvertretern in ihrem Antragsverfahren als zu kompliziert beklagt und daher wenig akzeptiert. Eine Konzentration auf eine praxistaugliche, einfache Kombinations- und Umsetzungsmöglichkeit bewährter Maßnahmen wäre hier erstrebenswert.

Im Folgenden soll zunächst die Kausalität von fischereiwirtschaftlichen Schäden beleuchtet werden, um dann bereits erarbeitete Lösungsansätze (Klenke et al. (2013a; IUCN SSC HWCTF 2020) und wesentliche Maßnahmen zur Konfliktbewältigung aufzuführen.

6.2.1.1 Kausalität von fischereiwirtschaftlichen Schäden

Da sich bewirtschaftete Teiche zwischen Besatz und Abfischung als „Black Box“ darstellen (Klenke et al. 2013b, S. 127), sind exakte Berechnungen der allein durch Fischotter verursachten Schäden aufgrund diverser biotischer und abiotischer Einflussfaktoren sehr schwierig, aufwendig und daher kaum praktikabel. Zusätzlich fehlen oftmals grundlegende Informationen zur Bewirtschaftung der Teiche sowie zur Anwesenheit anderer Fischprädatoren. In der Folge konnte bisher kein direkter kausaler Zusammenhang zwischen Populationsdichte des Fischotters, dessen Nahrungsspektrum und Verlustraten in Teichwirtschaften hergestellt werden (Klenke et al. 2013b; Polednikova et al. 2013; Santos-Reis et al. 2013; Conroy und Green 1998; Freitas et al. 2007). Offenbar haben essenzielle Lebensraumfaktoren des Fischotters einen bisher zu wenig beachteten Einfluss auf Verlustraten in Teichgebieten (Sales-Luís et al. 2009), was europaweit zu widersprüchlichen Ergebnissen hinsichtlich der Kausalität von Schadenshöhen in Teichwirtschaften führt (Freitas et al. 2007; Marques et al. 2007; Weinberger et al. 2016). Eine Fallstudie in Spanien mit einer negativen Korrelation zwischen Lebensraum-Stabilität und Diversität des Nahrungsspektrums der Fischotter (Ruiz-Olmo und Jiménez 2008) zeigt auf, dass für ein Verständnis der ökologischen Zusammenhänge und daraus zu entwickelnden wirksamen Managementmaßnahmen grundsätzliche Forschungsansätze benötigt werden.

In Sachsen und Tschechien unterliegen nach methodisch gleicher Analyse isolierte Kleinteiche einem besonders hohen Fraßdruck (Klenke et al. 2005; Polednik 2005; Toman 1998). Mysiak et al. (2013) empfehlen daher aufgrund des hohen Konfliktpotenzials eine Einbeziehung von Bewirtschaftungsformen kleiner Teichwirtschaften in entsprechende Förderprogramme.

Auch in Europa durchgeführte Befragungen betroffener Betriebe (Kloskowski 2011; Vaclavikova et al. 2011; Santos-Reis et al. 2013; Kranz 2000) lassen die Einschätzung der tatsächlichen Schadenshöhe sehr unterschiedlich ausfallen und klären nicht die schadensverursachenden Faktoren. Demzufolge hat eine aktuelle, noch nicht abgeschlossene Studie des Institutes für Binnenfischerei e.V., Postdam-Sacrow, zum Ziel, für eine Bemessung summierter Verluste aller fischfressenden Prädatoren pauschale Fallgruppen zu ermitteln. Hiermit könnte die aufwendige und fehlerbehaftete Einzelfallbetrachtung für durch einzelne Tierarten verursachte Schäden ersetzt werden, was in der Praxis von nahezu allen beteiligten Interessensgruppen bevorzugt wird (Roy et al. 2022).

Über den direkten Fraßschaden hinaus kann es zu sogenannten Sekundärschäden durch Prädation kommen. Fischbestände in Teichanlagen unterliegen einer Reihe von Faktoren, die Stresssituationen für Fische auslösen können. Eine Prädation wird als verstärkender oder als alleiniger Faktor für stressbedingte Schädigungen von Fischen diskutiert, insbesondere in überwinternden Fischbeständen (Pacovska 2007). Die wissenschaftliche Erfassung von Ausmaß, Folgen und Ursachen möglicher Sekundärschäden durch Fischotter-Prädation ist methodisch aufgrund der Komplexität von stressbedingten Stoffwechselprozessen schwierig und bedarf einer interdisziplinären Zusammenarbeit. Untersuchungen zu Stressfolgen auf Karpfenbestände durch moderate Störungen durch Fischotter verursachten weder eine Mortalitätssteigerung im Winter, noch hatten sie Auswirkungen auf die Kondition in der nachfolgenden Vegetationsperiode (Polednik et al. 2008). Extreme ökonomische Verluste ließen sich durch das Studiendesign nicht erklären. Mit dem korrigierten Wissen um das Winterungsverhalten von Karpfen (Bauer und Schlott 2003) wären mit einer Folgestudie, die mit erhöhten Besatzdichten und Störungsfrequenzen arbeitet, Grundlagen für eine Minimierung von entsprechenden Störungseinflüssen zu entwickeln.

Über das sogenannte ‚Surplus killing, d. h. den Fang und anschließenden unvollständigen Fraß von großen Fischen aus Teichanlagen durch den Fischotter, wird deutschlandweit bisher ausschließlich anekdotisch berichtet, es liegen keine nachvollziehbaren Quantifizierungen vor. Lediglich in einer Auswertung österreichischer Kompensationszahlungen (Bodner 1998) wurden derartige Fälle sehr selten und nur in sehr kleinen, dicht besetzten Teichen im Winter dokumentiert. Gerade diese können jedoch gut durch Einzäunungen geschützt werden.

Fazit

Nach derzeitigem Stand des Wissens und mit vertretbarem Aufwand ist eine Erfassung und Trennung von direkter Prädation einzelner fischfressender Arten sowie von Sekundärschäden, verursacht durch den Fischotter, kaum möglich. Ein einfacher Vergleich von erwartetem Fischertrag und Verlustraten birgt auch unter Berücksichtigung pauschaler, haltungsbedingter Normverluste die Gefahr einer falschen Einschätzung der Kausalität von Schadenshöhen zulasten des Fischotters.

6.2.1.2 Konkrete Lösungsansätze

Nachfolgend werden wesentliche und bewährte, konkrete Lösungsansätze für ein Management im Konfliktfeld Teichwirtschaft beschrieben. Eine ausführlichere Darstellung möglicher Managementmaßnahmen erfolgt in Roy et al. (2022). Einige der nachfolgend beschriebenen Lösungsansätze, vor allem diejenigen der „Human Dimension“, lassen sich auf weitere Konfliktfelder übertragen.

6.2.1.2.1 Peoplemanagement
6.2.1.2.1.1 Menschliche Dimension

Die menschliche Dimension von Human-Wildlife-Konflikten in Form von sozialen, religiösen und/oder kulturellen Hintergründen wird in der Bewältigung von Konflikten noch immer stark unterschätz oder vernachlässigt (Dickmann 2010). Eine Vielzahl von Autoren und Naturschutzorganisationen weltweit mahnt daher eine weitaus stärkere Beachtung sozialer Faktoren für die erfolgreiche Bewältigung menschlicher Interessenskonflikte im Naturschutz an (z. B. Bennet et al. 2017; IUCN 2020). Auf europäischer Ebene bietet das FRAP-Projekt „Human Wildlife Conflicts in Europe“ (Klenke et al. 2013a) eine detaillierte Darstellung der Prozesse und konkreten Lösungsansätze im Konfliktfeld fischfressender Tierarten. Darin wurden Analyse- und Abstimmungsprozesse für Aktionspläne zur Konfliktlösung entwickelt. Mit direktem Bezug zum Fischotter im Spannungsfeld zwischen Naturschutz und Fischerei fand im Rahmen dieses Projektes eine annähernd vollständige Bearbeitung des Konfliktfeldes inklusive der sozialen Faktoren in Tschechien, Portugal und Sachsen statt (Klenke et al. 2013b; Santos-Reis et al. 2013; Polednikova et al. 2013). Auch Informationen und Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern flossen hier mit ein (Kranz 2013).

Nach aktueller Umfrage (Roy et al. 2022) fehlt für eine entsprechend systematische Konfliktbearbeitung in den meisten deutschen Bundesländern neben den regionalen Populationsdaten des Fischotters (s. o.) eine landesweite Strategie zur Entwicklung von Maßnahmen (z. B. Ring et al. 2013). Des Weiteren fehlen zur notwendigen Einbindung aller Interessensgruppen (Rauschmayer 2013) entsprechende Analysen (Wilson 2013) und Betrachtungen der behördlichen sowie politischen und rechtlichen Bedingungen (Similä et al. 2013; Santos et al. 2013).

6.2.1.2.1.2 Kommunikation

Kommunikation ist in Form eines sachlichen und stetig begleitenden Dialoges mit allen beteiligten Interessensgruppen essenziell für ein erfolgreiches Management, insbesondere hinsichtlich der Akzeptanz und Durchführbarkeit möglicher Maßnahmen (Mysiak et al. 2013; Heurich 2019; Klenke et al. 2013a). „Die alleinige Konzentration auf ökonomische Maßnahmen birgt die Gefahr andauernder Diskussionen um Art und Höhe von Zahlungen und Schäden und verhindert dadurch die nötige, kreative Anpassung eines entwickelten Management-Modells“ (Klenke et al. 2013b, S. 133).

Kommunikation als gezieltes Managementinstrument wird in Deutschland lediglich in Form von sogenannten Otterberatern in drei Bundesländern eingesetzt. In Niedersachsen erhalten die Fischereibetriebe Beratung durch die Landwirtschaftskammer. Diese Berater sollten zur allseitigen Akzeptanz generell eine neutrale Position einnehmen und über Fachwissen der Fischerei sowie der Ökologie des Fischotters verfügen. Über eine reine Beratung betroffener Betriebe hinaus sollten diese Ansprechpartner nach den guten Erfahrungen im österreichischen Burgenland ergänzt werden durch ein entsprechendes Fachgremium, das zusätzlich an der Umsetzung von relevanten Förderprogrammen, an gezielter Öffentlichkeitsarbeit und an der Beratung der jeweiligen Landesregierungen hinsichtlich einer Feinjustierung des Konfliktmanagements beteiligt wird (Kranz 2018). Denn eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit zum Thema fehlt bundesweit ebenso wie geschultes Fachpersonal in Behörden (Roy et al. 2022). In Großbritannien hat sich die Einrichtung eines zentralen Fachgremiums (The Predation Action Group) bewährt, dessen Ziel die Erforschung der Auswirkungen von Prädation in Fischereibetrieben und in Angelgewässern ist.

6.2.1.2.1.3 Kompensationen

Kompensationsmaßnahmen werden fallweise in Kombination mit weiteren Instrumenten als essenziell im Fischotter-Konfliktmanagement angesehen (Klenke et al. 2013b; Mysiak et al. 2013).

Grundsätzlich kann zwischen präventiver und nachträglicher Kompensation unterschieden werden (Schwerdtner und Gruber 2007), die in Sachsen erfolgreich kombiniert eingesetzt werden (Klenke et al. 2013b; Mysiak et al. 2013).

Eine präventive, pauschale Zahlung (auch ‚Otter-Bonus‘ genannt) zur Förderung eines Mehrbesatzes in Teichanlagen ist (in Kombination mit einer nachträglichen Kompensation) in Sachsen explizit für Regionen mit hohen Besuchsraten des Fischotters und daraus zu erwartenden hohen Schäden entwickelt worden. Mit dieser Zahlung sind pauschal zu erwartende Fraßverluste durch den Fischotter inklusive möglicher Sekundärschäden abgegolten. Präventive Kompensation ist langfristig kostengünstiger als eine nachträgliche Kompensation (Schwerdtner und Gruber 2007), ihre landesweite Gesamthöhe kann anhand solider Daten zur Fischotterpopulation im Vorfeld abgeschätzt werden (Klenke et al. 2013a, b). Die Ermittlung der pauschalen Zahlungen in Sachsen, die ein ökologisches Engagement der Teichwirte belohnt, sollte zur Steigerung der gesellschaftlichen Kosten-Effektivität und besseren Berücksichtigung kleiner Teiche angepasst werden. Eine Überkompensation kann durch die ausschließliche Flächenabhängigkeit derselben entstehen und würde durch eine stärkere Berücksichtigung der Uferlinienlängen korrigiert. Der Tatsache, dass Fischotter vor allem ufernah jagen und damit kleine Teiche überproportional hohe Verluste aufweisen (Toman 1998; Polednik 2005; Bodner 1998), würde hiermit Rechnung getragen.

Eine nachträgliche Kompensation wird gerne in Konflikten zur Reduktion eines (illegalen) Jagddruckes eingeführt. Generell fehlen jedoch weltweit Effektivitätskontrollen, weswegen über deren Wirksamkeit kontroverse Diskussionen geführt werden (Ravenelle und Nyhus 2017). Ohne eine genaue Analyse der regionalen ökonomischen und ökologischen Bedingungen kann sie auch Anstrengungen zur Schadensprävention verhindern. Ihr sollte daher ein auf der Größe der Wildtierpopulation basierender ökonomischer Anreiz wie die präventive Kompensation Sachsens vorgezogen werden (Bulte und Rondeau 2005).

Grundsätzlich erfordert die nachträgliche Kompensation in jedem Einzelfall eine nachträgliche Schadensermittlung. Sie zieht, wie das bayrische Management belegt, besonders hohe, unkalkulierbare Kosten nach sich (Schwerdtner und Gruber 2007) und führt infolge unsicherer Schadensermittlung (s. o.) zwangsläufig zur Unzufriedenheit betroffener Teichwirte (Klenke et al. 2013b). Als alleinige Maßnahme kann sie bestehende Konflikte und Akzeptanzprobleme nicht langfristig lösen (Mysiak et al. 2013; Montag 2003), sondern allenfalls eine kurzfristige Sicherung der Existenz von Teichwirtschaften darstellen (Klenke et al. 2013b). Nach Heurich (2019) erhöhen alleinige Kompensationszahlungen nicht die Toleranz gegenüber Wildtierarten, belastbare Daten zur entsprechenden Wirksamkeit fehlen auch für andere Tierarten (Boitani et al. 2015). Trotzdem wird in Deutschland von beteiligten Behörden verbreitet und ohne entsprechende Analysen die Wirksamkeit von nachträglichen Kompensationszahlungen hinsichtlich der Akzeptanz des Fischotters als besonders geeignete Maßnahme angesehen (Roy et al. 2022). In Kombination mit einer präventiven Kompensation ist sie in Sachsen zur Abfederung von besonderen Härtefällen wirksam und wird in Brandenburg pauschal für Verluste durch alle fischfressenden Tierarten eingesetzt.

6.2.1.2.2 Populationsmanagement
6.2.1.2.2.1 Lebensraum

Maßnahmen, die eine Verbesserung des Lebensraumes für den Fischotter zum Ziel haben, sind in Abhängigkeit von der Bestandssituation dann sinnvoll, wenn eine lokale Fischotterpopulation isoliert oder instabil ist oder das lokale Klima durch regelmäßig harte Winter gekennzeichnet ist und dadurch zu einer erhöhten Mortalität des Fischotters führt. Es werden außerhalb Sachsens bundesweit keine entsprechenden Maßnahmen gezielt als Managementmaßnahme eingesetzt (Roy et al. 2022). Mit Ausnahme des sächsischen Mehrbesatzes und einer Erfahrungssammlung (LFULG 1996) liegen demzufolge auch keine Wirksamkeitskontrollen vor.

Grundsätzlich können die verbreiteten Förderprogramme zur Extensivierung in Karpfenteichwirtschaften wertvolle aquatische Lebensräume sichern und somit auch für den Erhalt von Fischotter-Lebensräumen sorgen. In nahezu allen Bundesländern mit derartigen Programmen wird jedoch die mangelnde Anerkennung der Ökosystemleistungen durch zu geringe Flächenprämien beklagt, worunter auch die Akzeptanz fischfressender Tierarten wie die des Fischotters leidet. Viele Teichwirte wünschen sich entsprechend mehr Sichtbarkeit und öffentliches Interesse für ihre Naturschutzleistung (Roy et al. 2022).

Als Managementmaßnahme kann eine alternative Beuteverfügbarkeit im Winter in Form sogenannter Ablenkteiche sinnvoll sein (Kucerova 1998), wenn ein hoher Energiebedarf des Fischotters die Effektivität der Jagd essenziell macht (Kruuk und Carss 1996). Als alleinige und dauerhafte Maßnahme zur Minderung des Fraßdrucks durch Fischotter können sie die Lebensraumkapazität für den Fischotter jedoch insgesamt erhöhen. Als temporäre Einrichtung im Winter und zur gezielten Umlenkung des Fraßdrucks können sie dagegen in Kombination mit Ausgrenzungen wirksam sein, da ansonsten der Fraßdruck auf vorhandene Nachbarteiche verlagert wird (LFULG 1996). Jurajda und Roche (1998) wiesen eine sehr schnelle Reaktion anwesender Fischotter auf derartige alternative Nahrungsquellen nach. Bei einer regional forcierten Einzäunung von Hälteranlagen, Winterteichen oder Kleinteichen sollte daher grundsätzlich und koordiniert jeweils in unmittelbarer Nähe eine alternative Nahrungsquelle für den Fischotter in Form eines Kleingewässers bereitgestellt werden, das mit nicht vermarktungsfähigen und/oder kommerziell uninteressanten Wildfischen oder Beifang besetzt wird (Kortan et al. 2007).

Ein Erfahrungsaustausch sowie eine bundesweite Erarbeitung entsprechender fachlicher Grundlagen zu dem Thema fehlt (Roy et al. 2022).

6.2.1.2.2.2 Regulation der Fischotterpopulation

Der Fischotter unterliegt einem rechtlich verbindlichen, europaweiten Schutz als Art der Anhänge II und IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL ). In Deutschland wird diese Richtlinie im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG § 44) umgesetzt, wonach das Töten und Fangen sowie die mutwillige Störung von Fischottern grundsätzlich verboten ist. Eine Ausnahme (nach Art. 16 der FFH-RL (bzw. § 45 Abs. 7 BNatSchG) kann nur erfolgen, „[…] wenn 1. keine andere zufriedenstellende Möglichkeit einer alternativen Konfliktlösung besteht und 2. die Population der Art trotz Ausnahmeregelung in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verbleibt oder die Wiederherstellung eines solchen nicht behindert wird (…). Es muss dabei immer wissenschaftlich oder anhand von Vergleichsdaten begründet werden können, dass eine Entnahme dem angestrebten Ziel dient.“ (Schoof et al. 2021, S. 11).

Europaweit gibt es aktuell keine wissenschaftlich fundierte Untersuchung zur Wirksamkeit der Entnahme einzelner Fischotter auf die Schadenshöhe in Teichwirtschaften. Ebenso fehlt der Nachweis, dass Schadensfälle ursächlich auf bestimmte, einzelne Individuen zurückzuführen sind. Es kann aufgrund des Reviersystems des Fischotters davon ausgegangen werden, dass freiwerdende Reviere von Einzeltieren kurz- bis mittelfristig wiederbesetzt werden (Conroy und Green 1998) und einzelne Entnahmen daher wirkungslos bleiben müssen. Eine Umsetzung lebend gefangener Fischotter (Translokation) erhöht deren Mortalität und ist unter Berücksichtigung des organisatorischen und finanziellen Aufwandes als Managementmaßnahme uneffektiv (Fonturbel und Simonetti 2011; Casey et al. 2013).

Eine Bejagung des Fischotters vor allem in Polen, aber auch in Finnland und Österreich (HD 2017-2018) wird zumindest in Österreich aktuell ohne die notwendige Populationsmodellierung, ein begleitendes Monitoring, eine Berücksichtigung der Bedeutung und Lage der betroffenen Region im überregionalen Biotopverbund (Kranz 2013) sowie eine hinreichende Wirksamkeitskontrolle vorgenommen (Kranz und Polednik 2020). Aus Polen und Finnland liegen zur Wirksamkeit ebenfalls keine Daten vor. Demgegenüber bergen offizielle Abschusszahlen wie in Polen und Österreich die Gefahr einer nachhaltigen Verschlechterung des Erhaltungszustandes und sind daher europarechtlich äußerst umstritten.

Für eine Entnahme mit nachfolgender Tötung oder Translokation wäre zusätzlich zu beachten, dass Fischotterfähen das ganze Jahr über Junge führen können und daher unter Beachtung des Jagdrechtes diese nur nach einem Lebendfang erfolgen kann. Eine Gefährdung von führenden Fähen und deren Jungtieren muss dabei sicher ausgeschlossen werden (s. auch Abschn. 6.3.3).

Fazit

Aus den oben aufgeführten Gründen stellt eine Entnahme von Fischottern, unabhängig in welcher Form, derzeit keine evidenzbasierte, geeignete Managementmaßnahme dar.

6.2.1.2.3 Ressourcenmanagement
6.2.1.2.3.1 Zaunabwehr

Eine Abwehr durch Zäune stellt eine wirksame, präventive Maßnahme zur Schadensbegrenzung dar. Die Einzäunung von Teichanlagen zur Prävention von Fischotterprädation wird in verschiedenen europäischen Ländern seit Langem praktiziert (Conroy und Green 1998; Gratzl 1994). Es existieren ausführliche Beschreibungen geeigneter Zauntypen (z. B. Göckemeyer 2015), deren Wirksamkeit durch Überkletter- und Untergrabschutz gegeben sein muss und hinreichend belegt ist (Gratzl 1994; Kranz 2017). Ertl (2021) stellt zudem auf Erfahrungswerten beruhende Effizienzberechnungen für verschiedene Zauntypen auf. Das Aufstellen ungeeigneter Zäune (z. B. Festzaun ohne Elektrolitze und Untergrabschutz) sollte in Fischotterverbreitungsgebieten unbedingt vermieden werden, da diese den Fischottern sonst Gelegenheit bieten, das Überwinden von Zäunen zu erlernen und unter Umständen durch einen erzwungenen, längeren Verbleib innerhalb des Zaunes größeren Schaden verursachen.

Bei einer präventiven Anwendung von Abwehrzäunen in bisher otterfreien Gebieten kann die Fischotterdichte bei Einwanderung geringer gehalten werden, wenn dadurch ein geringeres Nahrungsangebot verfügbar ist (Kranz 2017). Möglicherweise erfolgt bei verringertem Nahrungsangebot mittelfristig auch die Abwanderung von Fischottern. Conroy und Green (1998) weisen darauf hin, dass die effektivste Art der Ausgrenzung darin besteht, bereits bei Anlage eines Teiches eine Zäunung zu installieren. Dies wird für alle zu erwartenden Einwanderungsgebiete des Fischotters (z. B. Westbayern, Baden-Württemberg) dringend empfohlen.

Die Grenzen der Einzäunung sind vor allem durch die Größe und Morphologie der zu schützenden Gewässer vorgegeben. Deren Anwendung konzentriert sich in Gebieten mit großen Teichen auf einen Schutz von kleineren Winterhälterungen mit wertvollen Laichfischbeständen. Eine ausführliche Beschreibung der Vor- und Nachteile geeigneter Zauntypen erfolgt in Roy et al. (2022).

6.2.1.2.3.2 Sonstige Abwehrmaßnahmen

In Kranz (2013) wird der Wirksamkeit sonstiger traditioneller Abwehrmaßnahmen nachgegangen. Abwehr durch Geräusche, Geruch oder andere traditionelle Vergrämungsmaßnahmen blieben bisher ohne Wirksamkeitsnachweis (Götz und Janik 2016; Harrington et al. 2013). Castillo et al. (2021) stellten individuelle Rufe des Fischotters auf Ultraschallebene fest. Eventuell ist auf diesen Ergebnissen eine wirksame Abwehrmaßnahme zu entwickeln.

6.2.1.2.3.3 Betriebliche Anpassungen

Wesentlich für ein erfolgreiches Management ist die Bereitschaft der betroffenen Betriebe, ihre Wirtschaftsformen und Betriebsabläufe an das Auftreten des Fischotters anzupassen. Es fehlt zu diesem Themenfeld bundesweit eine Fördermöglichkeit von Forschungs- oder Modellprojekten sowie ein entsprechender Erfahrungsaustausch. Aktuelle entsprechende Bestrebungen beschränken sich deutschlandweit auf die Eigeninitiative betroffener Betriebe und NGOs (Roy et al. 2022).

6.2.2 Konflikte mit der Reusenfischerei

Ein Konflikt mit der gewerblichen Fluss- und Seenfischerei ergibt sich durch den Einsatz von Reusen für den Fischfang. Reusen werden traditionell überwiegend in großen natürlichen oder auch künstlichen Gewässern eingesetzt, die nicht über eine Steuerung des Zu- und Ablaufes verfügen. In seltenen Fällen werden Reusen für die Funktionskontrolle von Fischwanderhilfen eingesetzt.

Für den Fischotter ist das Ertrinken in Reusen europaweit ein wesentlicher Gefährdungsfaktor (Jefferies et al. 1984; Jefferies 1993; Madsen 1991; Reuther 2002). In den östlichen Bundesländern wurde früh dessen Bedeutung erkannt, dokumentiert (Teubner et al. 2001) und wurden Vorschläge zur Vermeidung gemacht (Teubner et al. 1998). Nach Madsen (1991) steigt das Risiko für einen Otter, in einer Reuse zu ertrinken, mit abnehmender Wassertiefe und zunehmender Ufernähe des Reusenstandortes. Der auf dieser Erkenntnis aufbauende vorgeschriebene Einsatz von metallenen Reusenschutzgittern in die Eingangsöffnung von Aalreusen mit einer maximalen Durchgangsgröße von 8,5 × 8,5 cm führte u. a. zu einer Erholung der Otterbestände in Dänemark (Elmeros et al. 2006), schützt jedoch nicht vor dem Eindringen kleiner Jungotter (Moll 1990). In Deutschland werden diverse Modelle von Schutzgittern meist kostenlos von NGOs abgegeben, eine generelle Vorschrift zum Einsatz derselben fehlt in den meisten Bundesländern (Reuther et al. 2002). Vonseiten der Fischereiausübenden wird der Einsatz derartiger Gitter jedoch häufig abgelehnt, da eine verringerte Fängigkeit der Reuse für die (meist großwüchsigen) Zielfischarten befürchtet wird.

Im Zuge eines Interessenkonfliktes am Steinhuder Meer (Niedersachsen) wurde der Einsatz ungeschützter Reusen in dem FFH-Gebiet untersagt. Parallel hierzu wurde auf Initiative der Aktion Fischotterschutz e.V. kooperativ eine Reuse ohne Schutzgitter, aber mit einer Ausstiegsmöglichkeit für den Otter entwickelt (Habbe 2018; Reckendorf und Siebert 2017). Dabei muss der Otter entweder einen Bügel aufbiegen oder ein dünnes Gummiseil zerreißen, um die Reuse durch die entstandene Öffnung verlassen zu können. Im Praxistest wiesen derartig ausgestattete Reusen keine Fangreduzierung, aber einen erhöhten Arbeitsaufwand für den Fischer auf, da die zerrissene Ausstiegsöffnung wieder geflickt werden muss (Rohner et al. 2021). Inwieweit der Einsatz dieser Reusen bereits in der Praxis stattfindet, ist derzeit nicht bekannt. Durch eine Netzfirma werden die Sets zum Nachrüsten von Reusen bereits angeboten (https://engelnetze.com/otteraustieg-fuer-fischreusen-3, besucht am 04.02.2022).

6.2.3 Konflikte in der Fließgewässerbewirtschaftung

Der Fischotter und seine Beutetiere befinden sich in einem Räuber-Beute-Verhältnis mit gegenseitigen Abhängigkeiten (Kruuk 2006, 2014). Fischottervorkommen sind in erster Linie durch die Verfügbarkeit der Ressource „Nahrung“ limitiert (Ruiz-Olmo und Jiménez 2008). Gleichzeitig haben sie als Top-Prädator einen Einfluss auf die Populationen ihrer potenziellen Beutetiere. Die Quantifizierung dieses Einflusses ist insbesondere im Hinblick auf Fließgewässer methodisch anspruchsvoll und bisher nur in wenigen Studien detailliert untersucht. Demgegenüber gibt es eine Vielzahl an Studien zur generellen Nahrungswahl des Fischotters an Fließgewässern. Mit leichten Variationen wird in diesen Studien übereinstimmend der Schluss gezogen, dass der Fischotter diejenigen Arten am häufigsten erbeutet, die saisonal und lokal dominieren (z. B. Lanszki et al. 2009; Kortan et al. 2007; Pagacz und Witczuk 2010; Alemeida et al. 2012). Da es in Deutschland kaum noch eine gewerbliche Flussfischerei gibt, wird die Konkurrenz um die Nahrungskomponente „Fisch“ im Fließgewässer eher von der Hobby-Angelfischerei wahrgenommen. Dem Fischotter wird der Rückgang von Fangzahlen zur Last gelegt, und es wird die potenzielle Gefährdung seltener Arten, z. B. des Huchens, diskutiert (Ratschan 2020; Haydn 2021).

Tatsächlich befindet sich in weiten Bereichen Deutschlands die Fischfauna derzeit in einem unbefriedigenden bis schlechten Zustand (BMUB/UBA 2016), die Abundanz der Süßwasserfischfauna geht weltweit zurück (Deinet et al. 2020). Die Ursachen sind vielfältig. Strukturelle Defizite, fehlende Durchgängigkeit, Kolmation von Laichgründen, Belastung mit Schadstoffen aus Abwässern, Industrieanlagen und landwirtschaftlichen Produktionsflächen, Klimawandel mit zunehmenden Niedrigwasserperioden, Krankheiten, unangemessene Besatzpraktiken und der Einfluss weiterer Prädatoren (darunter auch der Mensch) wirken in unterschiedlich starkem Maße auf Artenvielfalt, Größenverteilung, Reproduktion und Biomasse der Fischpopulationen ein. So stellt eine Überblicksstudie für Thüringen dar, dass sich in einzelnen Gewässereinzugsgebieten die durchschnittliche Fischbiomasse in den Fließgewässern in den letzten 15 Jahren im Extremfall mehr als halbiert hat. Auch in Gebieten, in denen der Fischotter nicht vorkam, konnte diese abnehmende Tendenz beobachtet werden (Schmalz 2020). In Spanien wurde kein signifikanter Unterschied in der Populationsdichte von Bachforellen (Salmo trutta) in von Otter besiedelten bzw. nicht besiedelten Fließgewässern festgestellt (Ruiz-Olmo und Casadesus 1998).

Neuere Studien aus Österreich belegen einen Einfluss des Fischotters in kleineren Gewässern der Forellenregion. Bei einem Vergleich zwischen Herbst- und Frühjahrsbeständen der Bachforellen wurde der Fischotter für 30–39 % des in diesem Zeitraum beobachteten Rückgangs der Fischbiomasse verantwortlich gemacht. Der Fischotter konnte teilweise einen erheblichen Anteil des Biomasse-Zuwachses abschöpfen (Kranz und Ratschan 2017). Zu diesem Ergebnis kam auch eine Studie von Kranz et al. (2019), in der nach Einwanderung des Fischotters die Forellenbestände zurückgingen. Allerdings blieb die Biomasse in der Folge auf einem mittleren Niveau weitgehend konstant. Der Fischotter hatte demnach zwar einen Einfluss auf seine Beute, brachte sie jedoch nicht zum Verschwinden.

Ein Einfluss des Fischotters auf die Fischfauna größerer Fließgewässer wurde bisher in keiner Studie festgestellt. Aufgrund der hier meist höheren Biomasse und des verminderten Jagderfolges infolge der Gewässertiefe und -breite kann davon ausgegangen werden, dass jährliche natürliche Schwankungen der Fischbestände bedeutsamer als die Konsumption durch den Fischotter sind.

Eine Gefährdung geschützter Fischarten durch den Fischotter konnte bisher nicht in entsprechenden Studien nachgewiesen werden. Selten in den Fließgewässern vorkommende Arten wurden auch in der Nahrung des Otters nur selten nachgewiesen (Kranz und Polednik 2018; Kranz und Rechberger 2021; Müller und Schmalz 2021). Die Seltenheit der meisten bedrohten Fischarten ist anthropogen bedingt. Ein Einfluss auf weitere Arten (z. B. bodenbrütende Vögel, Krebse, Muscheln) ist bisher ebenfalls nicht methodisch sicher nachgewiesen worden.

Fazit

Der Fischotter kann in den Fischbiomassezuwachs kleiner Fließgewässer eingreifen, stellt jedoch keine Bedrohung für seltene Arten dar. Es ergibt sich dennoch lokal eine Konkurrenz zur Angelfischerei, da sich der auch für den Menschen nutzbare Zuwachs verringert. Es soll an dieser Stelle allerdings auch betont werden, dass der Mensch keinen „Anspruch“ auf die Fische des Fließgewässers hat. Sie gelten nach BGB § 960 Abs. 1 als herrenlos. Es sind weiterhin vor allem langfristig angelegte und interdisziplinär anzusetzende Studien zur Klärung der wechselseitigen Räuber-Beute-Verhältnisse in Fließgewässersystemen notwendig. Zudem sollten negative Bestandstrends von Fischgemeinschaften verstärkt im Fokus der Forschung stehen, um deren Ursachen aufzudecken.

6.2.4 Voraussage möglicher Konflikte bei Neueinwanderung des Fischotters

Eine Voraussage möglicher Konflikte bei Einwanderung des Fischotters in bisher otterfreie Gebiete ist aufgrund der regionalen Varianz aller relevanten Einflussfaktoren sehr schwierig (Kranz und Knollseisen 1998). Mögliche Einflussfaktoren auf die Ausprägung eines Konfliktes sind der Marktdruck, regionale Schutzbestimmungen nach FFH-Richtlinie, Fraßdruck anderer Prädatoren, Wasserqualität, zunehmende Verlandung von Teichen, Fehlen von natürlicher Beute in Fließgewässern, anhaltende Veränderung der Gewässermorphologien, der Verlust natürlicher Fließgewässerhabitate und menschlich bedingte Veränderungen in der Fischfauna von Fließgewässern (Mysiak et al. 2013).

Nach den bisher bekannten Erfahrungen wird für Fischotter-Einwanderungsländer ein präventives Management (siehe auch Abschn. 6.2.1.2.3 Zaunabwehr) als deutlich zielführender erachtet als das bisher angewandte rein reaktive Management, das erst bei bereits bestehenden Konflikten implementiert wird. Regionen, in die der Fischotter voraussichtlich bald einwandert, sollten sich also bereits jetzt den Konfliktrisiken und der Konfliktprävention zuwenden.

6.3 Weitere Konfliktfelder

Die vom Fischotter genutzten Gewässer unterliegen vielfältigen Nutzungsansprüchen. Daraus resultierende, bisher wenig beachtete Konfliktfelder werden im Folgenden in Kürze umrissen.

6.3.1 Freizeitnutzung

Gewässer und ihre Uferbereiche besitzen einen hohen Freizeitwert. Es liegen zu möglichen Konflikten mit dem Fischotter wenige Studien vor. Von verschiedenen Autoren wird ein negativer Zusammenhang zwischen der Nutzung von Uferbereichen und dem Vorkommen freilaufender Hunde vermutet (Weber und Trost 2015; Juhász et al. 2013). Vor allem ist in diesem Themenfeld zu beachten, dass Fischotter auf menschliche Aktivitäten sehr unterschiedlich reagieren können. So gibt es auf der einen Seite regelmäßige Beobachtungen von Fischottern im städtischen Lebensraum, zum Beispiel in der Hansestadt Hamburg (Krüger 2015), auf der anderen Seite benötigen Fischotterweibchen zur Jungenaufzucht ungestörte Rückzugsräume (Weinberger und Baumgartner 2018). Für die Wahl von Tagesverstecken des Fischotters ist die Intensität menschlicher Nutzung der Gewässerufer relevant (Weinberger et al. 2019). Insofern sind Nutzungseinschränkungen an ökologisch besonders wertvollen Gewässern, die regelmäßig von Fischottern genutzt werden, auf der Grundlage der FFH-Richtlinie in Betracht zu ziehen.

6.3.2 Gewässerunterhaltung

Die besonders an kleineren Tieflandgewässern oftmals betriebene Gewässerunterhaltung mit einer periodisch wiederkehrenden radikalen Entfernung sämtlicher Uferstrukturen über lange Gewässerstrecken führt zu direkten und indirekten Einflüssen auf den Lebensraum des Fischotters und seiner Beutetiere. Dies betrifft nicht nur den Wasserkörper, sondern auch Böschungen und schützende Saumstrukturen. Eine Anpassung von Unterhaltungsaufwand und -maßnahmen an die Belange des Fischotterschutzes (und allgemein des Artenschutzes) ist dringend notwendig. In Niedersachsen wird dies bereits praktiziert (Sellheim und Schulze 2020). Dabei sind auch die kleineren Gewässer 2. und 3. Ordnung zu beachten, die dem Fischotter durchaus als wichtige Wanderachsen und Lebensräume dienen (Weber und Braumann 2008; Weber und Trost 2015; Ruiz-Olmo et al. 2005).

6.3.3 Fallenjagd

Der Fischotter ist in allen Bundesländern als jagdbare Art mit ganzjähriger Schonzeit eingeordnet. Insofern unterliegt er den Bestimmungen der Jagdgesetze. In diesen Gesetzen ist auch die Fallenjagd geregelt, die in Deutschland im Wesentlichen zum Fang von Raubwildarten (z. B. Fuchs Vulpes vulpes, Steinmarder Martes martes), aber auch zum Fang der Neozoen Bisam (Ondatra zibethicus) und Nutria (Myocastor coypus) ausgeübt wird. Die Fallenjagd ist grundlegend im Bundesjagdgesetz (BJagdG 1976) geregelt. Die Jagdgesetze der Länder regeln die Ausübung dieser Jagdmethode in der Regel detaillierter, z. B. die erlaubten Fallenarten und die zu bejagenden Wildarten (Massow und Wunderlich 2021). Weitere Einzelheiten sind in nachgeordneten Verordnungen zu finden. In den meisten Bundesländern sind sowohl Totschlagfallen (u. a. Schwanenhals, Eiabzugseisen, Conibearfalle) als auch Lebendfangfallen (u. a. Kastenfallen) erlaubt (Möckel und Köck 2015). Problematisch ist bei der Fallenjagd die begrenzte Selektivität, besonders gilt dies für die totschlagenden Fallen. Zudem besteht Zweifel an der Konformität dieser Fallen mit den Vorgaben des Bundesjagdgesetzes, wonach tötende Fallen „sofort tötend“ und die Lebendfangfallen „unversehrt“ fangen müssen (Krüger 1993). Den Anspruch, „sofort tötend“ kann kaum ein Schlageisen erfüllen (u. a. Iossa et al. 2007). Trotzdem wurde die Jagd auf Fischotter, auch mit totschlagenden Fallen, in Österreich (Bundesland Kärnten) im Jahre 2021 wieder erlaubt. Naturschutz- und Tierschutzverbände sehen diese Jagd als tierquälerisch und illegal an.

Nach § 44 BNatSchG (2009) darf der Fischotter nicht getötet oder gestört werden. Er gerät aber unbeabsichtigt sowohl in Lebend- als auch in Totschlagfallen, die im Bereich der Gewässer gestellt werden (LCCM 2011). Der Fang der Neozoen Nutria und Bisam wird in den letzten Jahren aufgrund der EU-Gesetzgebung (Verordnung Nr. 1143/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten) von den Landesjagdverbänden verstärkt propagiert und von etlichen Landkreisverwaltungen und Wasser-Unterhaltungsverbänden finanziell gefördert (Scheide 2013). Fallen, in die Otter geraten könnten, dürfen jedoch nach § 44 BNatSchG im Vorkommensgebiet des Fischotters nicht gestellt werden, da mit dem Fang dieser Art zu rechnen ist. Zu betonen ist, dass auch der unbeabsichtigte Fang in Lebendfangfallen nach § 44 BNatSchG nicht akzeptabel ist, da derart gefangene Fischotter überaus energische Befreiungsversuche unternehmen. Besonders in Gitterfallen, aber auch in hölzernen Kastenfallen, brechen sie dabei ihre Reißzähne, wie auch andere Raubsäuger, in kürzester Zeit ab. Westerkamp (2012) hat dies zum Beispiel für den Iltis dokumentiert. Zu dem beschriebenen Verletzungsrisiko kommt hinzu, dass auch die Neigung zur Überhitzung bei den Befreiungsversuchen aus Kastenfallen zum Tod der Otter führen kann. Ihr dichtes Fell verhindert eine Abgabe der Körperwärme (Reuther 1991).

Wie stark Fischotter durch die Fallenjagd in Deutschland beeinträchtigt werden, ist nicht bekannt. Zum Nutriafang sollten nur spezielle Lebendfangfallen Verwendung finden, die diese Art sehr selektiv fangen. Dies ist zum Beispiel durch die Beschränkung der Fallenlänge auf maximal 1 Meter möglich. Dabei dürfen die Fallen nicht auf den von Fischottern genutzten Bermen unter Brücken oder Wechseln zwischen Gewässern positioniert werden. Bisamschlagfallen sind sowohl für Wasservögel als auch für junge Fischotter gefährlich. Sie sollten durch selektivere Fangsysteme ersetzt werden.