10.1 Einleitung

Der Rotfuchs Vulpes vulpes ist einer der am weitesten verbreiteten Mesoprädatoren. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich über einen Grossteil von Europa, Asien und Nordamerika, wo er von der Wüste bis ins Gebirge in den unterschiedlichsten Lebensräumen vorkommt (Lloyd 1980). In Europa haben seine Bestände im 20. Jahrhundert zugenommen, was darauf zurückzuführen ist, dass 1) in den 1980er-Jahren die Tollwut erfolgreich bekämpft (Wandeler 1988; Chautan et al. 2000) und teilweise ganz eliminiert werden konnte und 2) sich die Lebensbedingungen der Füchse verbessert haben, weil ihnen die moderne Kulturlandschaft in Form von liegen gebliebenen Feldfrüchten und organischen Abfällen mehr Nahrung bot. Als anpassungsfähige Generalisten konnten sie ihren Lebensraum zudem auf menschliche Siedlungsgebiete ausdehnen (Harris 1977; Breitenmoser-Würsten et al. 2001; Gloor et al. 2001).

Füchse werden in Europa intensiv bejagt. In Jagdkreisen werden verschiedene Gründe geltend gemacht, warum hohe Fuchsbestände als problematisch erachtet werden: der Prädationsdruck auf jagdbare und bedrohte Arten sowie Nutztiere, die Zoonosen Tollwut und Echinokokkose sowie auf Haustiere übertragbare Krankheiten wie Staupe oder Räude und Konflikte zwischen Mensch und Fuchs im Siedlungsraum. Letztere sind besonders ausgeprägt, wenn Füchse von den Menschen gefüttert und dadurch zutraulich werden (Bontadina et al. 2001b).

Allerdings gibt es zunehmend Hinweise, dass die vorherrschende Art der Bejagung von Mesoprädatoren wie Rotfüchsen, Schakalen oder Kojoten die Bestände nicht im gewünschten Umfang und somit die verursachten Schäden nicht nachhaltig reduziert werden können. Denn das Dispersionsverhalten, das flexible Sozialverhalten und die dichteabhängige Reproduktion gleichen die Verluste durch die Jagd wieder aus (Funk 1994; Heydon et al. 2000; Baker et al. 2002; Rushton et al. 2006; Minnie et al. 2016; Kämmerle et al. 2019b). Zudem hat ein Teil der jagdlichen Mortalität einen kompensatorischen Charakter: Aufgrund der hohen natürlichen Mortalität würden viele Füchse ohnehin sterben, bevor sie reproduzieren (Harris und Smith 1987). Der genaue Zusammenhang von Jagd und natürlicher Mortalität wäre zu untersuchen.

Aus wissenschaftlicher Sicht wird daher die Fuchsjagd sowohl aus praktischen und ökologischen, aber auch aus ethischen Gründen zunehmend kritisch gesehen und gefordert, dass die Jagd als letale Methode zur Kontrolle von Prädatoren auf eine solide Evidenzbasis gestellt wird (Doherty und Ritchie 2017; Bengsen et al. 2020; Jiguet 2020).

Das Ziel dieses Artikels ist, anhand exemplarischer Daten aus der Schweiz und einer Diskussion der aktuellen Fachliteratur aufzuzeigen, warum die derzeitig praktizierte Fuchsjagd die Anforderungen an ein wirksames Wildtiermanagement nicht erfüllt und welche Grundlagen für ein evidenzbasiertes Fuchsmanagement unter Einbezug nicht-letaler Massnahmen notwendig sind.

10.1.1 Ausgangslage

10.1.1.1 Demografie des Fuchses

Populationsdynamik, Sozialverhalten und Umweltbedingungen sind wichtige Faktoren, die Wildtierbestände beeinflussen (Cavallini und Lovari 1991; Funk und Gürtler 1991; Dorning und Harris 2019c). Im Vergleich zu anderen Karnivoren sind Füchse mit einem Durchschnittsalter von 2 bis 4 Jahren (Macdonald 1988) kurzlebig, werden früh geschlechtsreif und haben wie andere Hundeartige mit durchschnittlich drei bis fünf Jungtieren relativ grosse Würfe (Lloyd et al. 1976; Doherty und Ritchie 2017). Obwohl es zum Rotfuchs weltweit zahlreiche Studien gibt, ist doch erstaunlich wenig über seine Populationsdynamik und seine sozialen Beziehungen bekannt (Ansorge 1990; Funk und Gürtler 1991; Funk 1994; Devenish-Nelson et al. 2013; Dorning und Harris 2019c). Denn es gibt nur wenige verlässliche und vergleichbare Daten zur Lebensgeschichte (life history) von Füchsen, welche die Unterschiede zwischen den Populationen im Verbreitungsgebiet des Fuchses erklären könnten (Devenish-Nelson et al. 2013).

Die Produktivität einer Fuchspopulation ist abhängig von den vorherrschenden Umweltbedingungen, da diese die körperliche Verfassung der Tiere und damit die Überlebenswahrscheinlichkeit sowie die Fruchtbarkeit der Füchse beeinflussen. Gute Bedingungen führen zu gesteigerten Überlebensraten und hoher Fruchtbarkeit, was zu einem stärkeren und schnelleren Populationswachstum führt (Funk 1994; Devenish-Nelson et al. 2013).

Bekannt ist, dass Füchse ein sehr flexibles Sozialsystem haben, das abhängig von der Populationsdichte ist (Funk 1994). Bei tiefen Fuchsdichten leben Füchse zumeist paarweise (Macdonald und Bacon 1982). Bei hohen Dichten können sie Gruppen bilden, die aus bis zu zehn adulten Tieren bestehen, wobei das Geschlechterverhältnis ausgeglichen ist (Iossa et al. 2009; Dorning und Harris 2019c). Die Gruppe besteht aus dem dominanten Paar sowie einer variablen Anzahl nachrangiger Tiere (Iossa et al. 2009; Dorning und Harris 2019c). Besonders hohe Dichten finden sich oft in urbanen Gebieten (Scott et al. 2014). Unter diesen Bedingungen kann der Anteil reproduzierender Fähen auf 40 bis 50 % sinken (Harris 1979; Voigt und Macdonald 1984), was auf populationsinterne Regulationsmechanismen hindeutet (Funk 1994; Börner 2014).

Dorning und Harris (2019b) weisen darauf hin, dass es schwierig ist, jeweils die genaue Gruppengrösse festzustellen. Denn es gibt einen hohen Anteil an Tieren, die zwischen den Gruppen wechseln und in angrenzenden Territorien nach Futter suchen. Dabei handelt es sich meist um nachrangige Individuen. Zudem ist die Gruppendynamik gross, da Füchse sowohl kurz- als auch langfristige Beziehungen eingehen können (Dorning und Harris 2019c). Gerade für ein angewandtes Populationsmanagement ist es jedoch entscheidend, die sozialen Netzwerke bei Füchsen zu verstehen (Dorning und Harris 2019a) und Populationsdichten abschätzen zu können.

Wie Studien gezeigt haben, kann eine kurzfristige Reduktion des aktuellen, lokalen Fuchsbestandes durch massive Massnahmen wie Giftköder zum einen dazu führen, dass die Ovulationsrate bei Fähen und die Überlebensrate von Jungtieren und erwachsenen Tieren steigen (Funk und Gürtler 1991; Funk 1994; Marlow et al. 2016). Zum anderen kann die Rate der Unfruchtbarkeit sowie das Durchschnittsalter, in dem Füchse zum ersten Mal erfolgreich Junge haben, sinken (Marlow et al. 2016). Dadurch und durch einwandernde Tiere bleiben die Populationsdichten trotz hohen Jagddrucks stabil (Zimen 1984; Devenish-Nelson et al. 2013).

10.1.1.2 Populationsentwicklung des Fuchses am Beispiel der Schweiz

Wie in Europa fluktuierten die Fuchsbestände auch in der Schweiz bis Mitte des 20. Jahrhunderts, wobei die langfristigen Bestandszahlen grundsätzlich anstiegen (Chautan et al. 2000). In der Folge der schweren Tollwut-Epidemie, die auf dem europäischen Kontinent in den 1970er- und 1980er-Jahren unter den Fuchspopulationen grassierte, sanken die Fuchsdichten drastisch (Gilbert und Chipman 2020). Die Epidemie erreichte die Schweiz 1967 (Steck und Wandeler 1980) und die Fuchsdichten erreichten 1984 ihren Tiefpunkt (Breitenmoser et al. 2000; Müller et al. 2000). Aufgrund der umfangreichen oralen Impfkampagnen gegen Tollwut, die ab 1978 in der Schweiz erfolgreich durchgeführt wurden (Wandeler 1988), erholte sich die Fuchspopulation ab 1985 wieder (Kappeler 1991; Breitenmoser et al. 2000). Der letzte endemische Tollwutfall wurde 1996 registriert, und nach dem Einsatz von nahezu 2,8 Millionen Ködern zur oralen Immunisierung der Füchse gegen Tollwut gilt die Schweiz nach den Kriterien der WHO (1990; www.oie.int. 2016) seit 1999 als tollwutfrei (Breitenmoser et al. 2000; Zanoni et al. 2000).

Die deutliche Zunahme der Fuchsbestände nach der Tollwutepizootie widerspiegelte sich in steigenden Abschuss- und Fallwildzahlen (Breitenmoser-Würsten et al. 2001). Allerdings muss man solche Statistiken mit Vorsicht interpretieren, da sie von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden (Gloor et al. 2001). Wollte man ein realistisches Bild der Bestände erhalten, müsste man die Bestände systematisch erfassen, was jedoch bisher nicht erfolgte. Gemäss der Schweizer Jagdstatistik nahmen ab 1985 die Abschuss- und Fallwildzahlen zu, bis die Abschüsse im Jahr 1998 ihren Höhepunkt erreichten (Breitenmoser et al. 2000; jagdstatistik.ch). Ab 1998 sanken die Abschüsse bis 2020 stetig. Wir gehen davon aus, dass dieser Rückgang eher durch einen geringeren Jagddruck als durch einen tatsächlichen Rückgang der Populationen zu erklären ist. Dafür sprechen die durchgängig steigenden Fallwildzahlen, welche allerdings auch mit einem kontinuierlich zunehmenden Verkehrsaufkommen korrelieren.

Die langfristige Zunahme der Fuchspopulationen seit 1930 dürfte auf Veränderungen im Lebensraum beruhen (Breitenmoser-Würsten et al. 2001). Zum einen stand den Füchsen in der modernen Kulturlandschaft mehr Nahrung zur Verfügung (Breitenmoser-Würsten et al. 2001; Jahren et al. 2020) und zum anderen drangen ab den 1980er-Jahren die Füchse vermehrt in Siedlungsgebiete vor, wo sie gute Lebensbedingungen vorfanden und ihnen ihr hohes Anpassungsvermögen eine dauerhafte Besiedlung dieses Lebensraumes ermöglichte (Harris 1977; Macdonald 1988; Gloor et al. 2001).

10.1.2 Aktuelles Fuchsmanagement in der Schweiz

Ähnlich wie in anderen europäischen Ländern (Kämmerle et al. 2019b) beschränkt sich das Fuchsmanagement in der Schweiz vor allem auf die Jagd auf Füchse, mit dem Ziel, die hohen Fuchsbestände zu reduzieren und auf tiefem Niveau zu regulieren, ohne dass dafür konkrete und messbare Zielvorgaben formuliert würden (Robin et al. 2017; Baumann et al. 2019). Die verbreitete Annahme ist, dass die Jäger und Jägerinnen die Bestände von Raubtieren in ihrer Dichte aktiv beeinflussen und reduzieren können, diese jedoch bei geringerem Jagddruck stark ansteigen würden (Deutscher-Jagdverband 2019). Begründet werden die Abschüsse damit, dass Füchse auch jagdbare oder geschützte Arten wie Bodenbrüter, Feldhasen oder Rehkitze erbeuten und somit Konkurrenten oder eine Gefährdung sind (Deutscher-Jagdverband 2019). Weiter soll der Fuchs eine Gefahr für Nutztiere wie Geflügel oder Lämmer und Zicklein darstellen, wobei es für Letztere kaum überprüfbare Grundlagen gibt (Breitenmoser-Würsten et al. 2001). Aus gesundheitlichen Gründen soll er vorbeugend bejagt werden, weil er Überträger von Zoonosen wie Tollwut und Echinokokkose ist (Deplazes et al. 2004) oder auf Haustiere übertragbare Krankheiten wie Räude (Baker et al. 2004; Soulsbury et al. 2007; Soulsbury und White 2015) und Staupe verbreitet (Ryser-Degiorgis und Capt 2003). Diese Gefahr steigt insbesondere in Siedlungsräumen, weil Füchse hier in hohen Dichten vorkommen (Baker und Harris 2000; Hegglin et al. 2015; Gras et al. 2018). Dazu kommt es in diesen Gebieten vermehrt zu Mensch-Wildtier-Konflikten, weil Füchse beispielsweise Schäden in Gärten anrichten oder Jungfüchse Unordnung und Störungen verursachen (Bontadina et al. 2001a; König 2007).

Die Jagd auf Füchse basiert jedoch meist nicht auf wissenschaftlichen Grundlagen (Jiguet 2020). Dazu bräuchte es verlässliche und vergleichbare Daten zu Fuchsbeständen auf lokaler und regionaler Ebene, die Formulierung von klar definierten und messbaren Zielen, z. B. bezüglich der Abschuss- und Bestandeszahlen, einen verbindlichen, tierschutzkonformen Massnahmenkatalog sowie ein regelmässiges und repräsentatives Monitoring dieser Massnahmen (Robin et al. 2017). In der Schweiz und in den meisten anderen europäischen Ländern werden jedoch weder konkrete Ziele formuliert noch die Erreichung der Ziele durch die Jagd überprüft. Zudem wird kein Bestandesmonitoring zum Rotfuchs durchgeführt, weshalb keine genauen Zahlen zur Populationsgrösse und deren Entwicklung existieren. In der Schweiz ist die Jagd- und Fallwildstatistik die einzige Datengrundlage zu Bestandesabschätzungen von Rotfüchsen. Schätzungen zufolge liegt die Dichte in ländlichen Gebieten im Mittelland bei drei bis vier Füchsen und im Siedlungsraum bei über zehn Füchsen pro km2 (Gloor 2002).

Erfahrungen aus der Zeit der Tollwutbekämpfung sowie die Zahlen aus der Jagdstatistik legen daher die Vermutung nahe, dass die Jagd hohe Fuchsbestände kaum beeinflusst. Zur Eliminierung der Tollwut in der Schweiz war die Jagd nicht effektiv (Wandeler 1988). Erst mit der Impfkampagne konnte die Epidemie kontrolliert werden (Zanoni et al. 2000). Auch in Europa war die Tollwutbekämpfung nicht erfolgreich (Anderson et al. 1981; Freuling et al. 2013), solange zur Populationsreduktion nur letale Methoden wie Jagd, Vergiftung oder Vergasung eingesetzt wurden. Die bekämpften Arten wurden mobiler und damit Kontakt- und Infektionsraten zwischen Individuen häufiger. Zudem weisen Mesocarnivoren eine hohe demographische Resilienz auf (s. o., Wandeler 1988; Gilbert und Chipman 2020).

Seit 1999 wurden in der Schweiz durchschnittlich über 33.000 Füchse pro Jahr geschossen, wobei die Abschüsse bis 2019 stetig sanken (s. Abb. 10.1). Dies entspricht einem geringen Jagddruck von < 1 Fuchs pro km2. Ist der Jagddruck jedoch zu gering und erfolgt die Jagd auf begrenzten Flächen, ist keine Regulierung möglich, da eine im Vergleich zur Abschussrate höhere Reproduktionsrate und zusätzlich einwandernde Füchse die Verluste kompensieren (Zimen 1984; Funk 1994; Kämmerle et al. 2019a). Allerdings geben Comte et al. (2017) an, dass auch selbst bei hohem Jagddruck keine Reduktion der Fuchspopulation resultierte, hingegen die Prävalenz des Fuchsbandwurms Echinococcus multilocularis von 44 auf 50 % anstieg, während in dem Kontrollgebiet mit weniger Jagddruck die Prävalenz unverändert blieb. In der Studie trugen die Jungfüchse eine höhere Wurmbürde als die Adulten. Es sind aber jeweils gerade die Juvenilen, die durch Abwanderung die Lücken, die durch die Jagd entstehen, kompensieren und daher wesentlich zur Verbreitung von E. multilocularis beitragen können. Das deutet auf eine hohe Mobilität der Füchse hin (Comte et al. 2017). Die aktuell praktizierte Jagd erfolgt üblicherweise nicht über grössere Regionen hinweg koordiniert (Kämmerle et al. 2019b). Oftmals ist der Jagddruck auf Füchse sehr unterschiedlich und primär durch die verfügbaren zeitlichen Ressourcen und eine unterschiedlich gehandhabte Praxis in verschiedenen Jagdrevieren bestimmt. Solange die Anzahl einwandernder Füchse nicht tief ist oder kontrolliert werden kann, ist insbesondere in heterogenen Landschaften davon auszugehen, dass über grosse Flächen keine Regulierung der Fuchspopulationen erfolgt (Zimen 1984; Funk 1994; Rushton et al. 2006). Jährlich werden also unter grossem jagdlichen Aufwand Tausende von Füchsen geschossen, ohne dass die Populationen bzw. die Auswirkungen der Prädation in relevanter und effektiver Weise reduziert werden.

Abb. 10.1
figure 1

Indikatoren zur Populationsentwicklung des Rotfuchses Vulpes vulpes in der Schweiz, basierend auf der Jagdstatistik von 1968 bis 2020 (Bestandszahlen wurden bisher nicht systematisch erhoben). Im Jahr 1967 erfasste die Tollwut die Fuchsbestände und prägte stark die Populationsdynamik der Fuchspopulationen. 1978 setzte die orale Impfkampagne gegen Tollwut ein, was nach einigen Jahren zu einer Erholung der zuvor drastisch eingebrochenen Fuchsbestände führte (gelber Balken: Dauer der Tollwutepidemie von 1967 bis 1996; roter Punkt: Start der oralen Impfkampagne). (Quelle: jagdstatistik.ch)

Fig. 10.1 Population development indicators of the red fox Vulpes vulpes in Switzerland 1968 to 2020 (stock data have never been collected systematically so far). In 1978, the oral vaccination campaign against rabies began which resulted in a recovery of the previously drastically collapsed fox population (yellow bar: duration of the rabies epidemic from 1967 to 1996; red dot: start of the oral vaccination campaign). (Source: Swiss Federal hunting statistics, jagdstatistik.ch)

10.1.3 Jagdliche Eingriffe im Siedlungsraum

In England ist seit den 1930er-Jahren bekannt, dass Füchse in Städten und urbanen Gebieten leben (Teagle 1967; Beames 1972). Seit Mitte der 80er-Jahre wurden auch auf dem europäischen Festland, in Kanada und Japan solche Stadtfüchse beobachtet (Adkins und Stott 1998). Auch in der Schweiz etablierten sich Fuchspopulationen in Städten und Agglomerationen (Gloor et al. 2001). In diesem vom Menschen dominierten Lebensraum konnte der sehr anpassungsfähige Fuchs erfolgreich eine ökologische Nische besetzen und hat als Nahrungsopportunist gelernt, die diversen humanen Nahrungsquellen zu nutzen (Harris 1981b; Contesse et al. 2004). Die Fuchsdichten sind in den Siedlungsgebieten teilweise höher als in ländlichen Gebieten (Harris 1981a; Gloor 2002). In englischen und Schweizer Städten wurden ab den 1970er-Jahren bzw. 1990er-Jahren Dichten von zehn und mehr adulten Füchsen pro km2 festgestellt (Harris 1981a; Gloor 2002).

Im urbanen Raum verhalten sich die Tiere oft anders als ihre Artgenossen im ländlichen Raum, denn die urbanen Umweltbedingungen führen zu adaptiven Anpassungen im Verhalten (Hegglin et al. 2015). Urbane Säugetiere haben kleinere Streifgebiete, verlegen ihre Aktivität vor allem in die zweite Nachthälfte und nutzen andere Nahrungsressourcen. Häufig sind sie weniger scheu und vorsichtig, zeigen eine geringere Fluchtdistanz und sind erkundungsfreudiger (Ritzel und Gallo 2020). Obwohl auch urbane Füchse vorwiegend nachtaktiv sind, nutzen sie dennoch während des Tages Verstecke in der unmittelbaren Nähe menschlicher Aktivität (Doncaster und Macdonald 1997; Gloor 2002). Allerdings gibt es individuelle Unterschiede im Verhalten der Füchse. Eine Untersuchung in Bristol, England, hat gezeigt, dass die Persönlichkeit und der soziale Status der Individuen einen Einfluss auf das Verhalten haben. In den untersuchten Familiengruppen waren dominante Tiere deutlich neophober und wachsamer als die rangniederen Individuen (Padovani et al. 2020). Zudem waren die Füchse in Gegenwart von Artgenossen mutiger. Die Autoren weisen darauf hin, dass diese individuellen Unterschiede in Bezug auf Abschüsse wichtig sind, da Eingriffe die sozialen Gruppen von Füchsen destabilisieren können. Als Folge davon wandern vermehrt dispersierende Füchse ein (Harris und Smith 1987; Dorning und Harris 2019b). Da diese Tiere häufig rangniedrig und juvenil und somit erkundungs- und risikofreudiger sind, kann dies zu mehr Interaktionen zwischen Menschen und Füchsen führen (Zimen 1984; Funk 1994; Padovani et al. 2020).

Angesichts der hohen Fuchsdichten in Städten und der Resilienz der Fuchspopulationen stellt sich also die Frage, wie ein angepasstes Management der Bestände der Siedlungsfüchse aussehen muss, auch im Zusammenhang mit Zoonosen wie Fuchsbandwurm oder Tollwut (Hegglin et al. 2015), wobei diese übertragbaren Krankheiten in vielen Gebieten Europas heute kaum eine grössere, gesundheitsgefährdende Rolle spielen. Abschüsse allein eignen sich aus verschiedenen Gründen nicht zur Bekämpfung von Zoonosen. Denn zum einen verringert der Abschuss von Füchsen nicht automatisch die Risiken der Übertragung und Ausbreitung übertragbarer Krankheiten (Comte et al. 2017). Zum anderen haben jagdliche Reduktionsmassnahmen die städtischen Fuchsbestände nicht reduzieren können (Harris 1985; Zürich, unpub. eigene Daten). Und schliesslich hat sich die Einstellung der Menschen gegenüber der Jagd von Wildtieren in Städten verändert und Abschüsse werden immer weniger toleriert (Bontadina et al. 2001a; Bolliger et al. 2012).

Daher sollten sich jagdliche Eingriffe in urbane Fuchsbestände darauf beschränken, kranke und verletzte Tiere oder Individuen zu schiessen, die durch spezielle Verhaltensweisen wie fehlende Scheuheit bei gefütterten Füchsen zu besonders problematischen Situationen führen, wie dies heute beispielsweise in Berlin (Börner 2014) und Zürich (unpub. Daten) praktiziert wird. Damit können temporär lokale Probleme mit Füchsen gelöst werden, wenn die betroffenen Personen zusätzlich gezielt und fundiert informiert werden (Bontadina et al. 2001b).

10.1.4 Baujagd

Füchse nutzen Baue hauptsächlich während der Jungenaufzucht (Weber 1985). In dieser Zeit bilden die Verfügbarkeit und Lage dieser Baue einen limitierenden Faktor für die Population (Meia und Weber 1993; Funk 1994; Furrer 1999). Daher wäre es denkbar, mit jagdlichen Eingriffen an den Fuchsbauen während der Jungenaufzucht eine Fuchspopulation lokal zu regulieren. Aufgrund der bekannten Kompensationsmechanismen (z. B. Einwanderung aus umgebenden Gebieten, Anpassung des Sozialsystems, Erhöhung der Geburtenrate) müsste diese Massnahme jedoch grossräumig und kontinuierlich erfolgen, um eine mittel- bis langfristige Reduktion der Fuchsbestände erreichen zu können (Rushton et al. 2006).

Allerdings verursacht insbesondere die traditionelle Jagd am Fuchsbau mit speziell abgerichteten Jagdhunden erhebliche ethische und tierschutzrelevante Probleme. Daher wird diese Form der Baujagd als nicht mehr zeitgemäss eingestuft und zunehmend aufgegeben und sogar verboten (Bolliger et al. 2012)Footnote 1.

Selbst mit derart drastischen Eingriffen wie der Jagd am Jungenbau ist nicht garantiert, dass der Fuchsbestand auf ein tiefes Niveau reduziert werden kann. Das legen die Erfahrungen aus der Tollwutepidemie nahe. Obwohl man damals jahrelang Vergasungsaktionen an Jungenbauen durchführte, war es nicht gelungen, die Fuchsbestände nachhaltig zu reduzieren und die Tollwut zu eliminieren (Wandeler 1988). Heute gilt in der Schweiz während der Jungenaufzucht eine Schonzeit für alle Füchse. Auch Eingriffe und Veränderungen an Jungenbauen sind während der Schonzeit verboten.

10.1.5 Verletzungsgefahr durch den Einsatz von Schrot

Schrotgewehre werden für den Streuschuss mit Schrot auf Distanzen unter 35 Metern und oft auf bewegte Ziele eingesetzt. Der Vorteil von Schrot ist, dass man das Ziel nicht exakt mit einem Geschoss treffen muss, um das Tier zu töten, denn die Streuung erhöht die Trefferwahrscheinlichkeit. Dieser Geschosstyp wird bei der Jagd auf Kleinwild wie Hasen, Hühner- und Wasservögel, Marder und Füchse verwendet. Auch bei der Baujagd kommt Schrotmunition zum Einsatz.

Problematisch sind Streifschüsse, die die Tiere nicht sofort töten, sondern verletzt zurücklassen. Mit Schrot angeschossene Tiere bluten oft zu wenig, sodass eine Nachsuche anhand der Blutspur erfolglos bleibt. Zudem besteht die Gefahr, dass durch die starke Streuung von Schrot nicht nur das anvisierte Tier getroffen wird, sondern durch Randschrote auch weitere Tiere getötet oder verletzt werden.

Erstaunlicherweise gibt es kaum Studien, die untersucht haben, wie hoch der Anteil der Füchse ist, die durch Fehlschüsse verletzt, aber nicht getötet wurden. Einen Anhaltspunkt gibt eine Studie aus Dänemark. Dort wurde ab 1997 ein Aktionsplan umgesetzt, der zum Ziel hatte, die Anzahl verwundeter Tiere zu reduzieren. Für die Untersuchung wurden Füchse, die zwischen 1999 und 2010 geschossen bzw. tot aufgefundenen wurden, auf eingelagerte Schrotkugeln geröntgt. Der Aktionsplan umfasste gezielte Information zur Verwendung von angepasst dimensionierter Munition bei der Fuchsjagd und eine Reduktion der Schussdistanz, um die Verletzungsrate zu senken. Mit diesen Massnahmen konnte der Anteil der Individuen, der Schrot im Körper aufwies, von 24,9 % im Jahr 1999 auf 8,5 % in 2010 reduziert werden (Elmeros et al. 2012). Dies zeigt, dass die Verletzungsgefahr durch Schrot gross ist, aber auch, dass Fehlschüsse und Verletzungen durch gezielte Information der Jägerschaft reduziert werden können.

Ein weiteres Problem ist, dass häufig Bleischrot verwendet wird, was eine hohe Umweltbelastung darstellt und bei Aasfressern zu schweren Vergiftungen führen kann (Ganz et al. 2018). Daher wird europaweit die Verwendung zunehmend in Frage gestellt und Alternativen wie etwa Weicheisenschrot diskutiert. In verschiedenen Ländern der EU und in der Schweiz ist der Einsatz von Bleischrot bei der Jagd auf Wasservögel bereits verboten (Watson et al. 2009; Baumann et al. 2019).

10.2 Neue Managementkonzepte sind notwendig

Verschiedene Studien zeigen, dass mit der aktuell praktizierten Fuchsjagd die Bestände nicht reguliert werden können, weil die grundlegenden Anforderungen an ein Wildtiermanagement nicht erfüllt sind (Heydon und Reynolds 2000; Baker et al. 2002; Rushton et al. 2006; Minnie et al. 2016; Kämmerle et al. 2019b). Für ein modernes Fuchsmanagement braucht es zum einen 1) ein besseres Verständnis für die Populationsdynamik des Rotfuchses, 2) verlässliche Datengrundlagen zu den Beständen, 3) eine klare Definition quantitativ messbarer Ziele und Massnahmen sowie 4) die Überprüfung, ob die Massnahmen wirken und gegebenenfalls angepasst werden müssen (Doherty und Ritchie 2017; Robin et al. 2017). Werden die Effekte der Managementmassnahmen nicht evaluiert, bleiben womöglich negative Auswirkungen verborgen, beispielsweise dass sich Krankheiten wegen der erhöhten Dispersion der Füchse stärker ausbreiten. Aktuell wird zur Bekämpfung von Füchsen vorwiegend auf letale Methoden gesetzt. Diese Methoden können jedoch höchstens bei zeitlich und räumlich intensiver Durchführung ihren funktionalen Zweck – die Bestände zu reduzieren – erfüllen. Dies ist aufgrund des grossen Aufwands und der oft fehlenden Ressourcen erfahrungsgemäss kein realistisches Szenario (Minnie et al. 2016; Doherty und Ritchie 2017; Kämmerle et al. 2019a). Zudem sollten die von Füchsen erbrachten Ökosystemleistungen mehr Beachtung finden (Jiguet 2020). Beispielsweise spielen Füchse als Aasfresser und Prädatoren von parasitenbefallenen Nagern sowie von alten und geschwächten Tieren aus seuchenhygienischen Gründen eine wichtige Rolle (Hofmeester et al. 2017), und sie verbreiten über ihr Fell und ihren Kot Samen von bedrohten Pflanzen (Cancio et al. 2017). Diese und weitere Gründe sprechen dafür, dass vor allem nicht-letale Methoden verstärkt in den Fokus eines nachhaltigen Fuchsmanagements rücken sollten (Treves et al. 2016). In der Folge gehen wir auf zwei alternative Methoden ein: die Begrenzung von Schlüsselressourcen und das „Hunting for fear“.

10.2.1 Begrenzung der Schlüsselressourcen

Die Populationsdichte von Wildtieren wird massgeblich durch Schlüsselressourcen wie zum Beispiel Futter- und Schlafplätze oder Aufzuchtorte bestimmt. Stehen die Schlüsselressourcen für eine Art fest, dann ist zu prüfen, ob und in welcher Form diese Ressourcen beeinflusst werden können, damit der gewünschte Effekt auf die Wildtierpopulation erreicht wird.

Der Fuchs ist ein Nahrungsopportunist (Macdonald 1988). Je nach Saison weicht er auf die gerade verfügbare Nahrung aus (Lucherini und Crema 1994; Contesse et al. 2004). In Siedlungsgebieten ist seine Nahrung vorwiegend anthropogenen Ursprungs (Contesse et al. 2004), während in ländlichen oder bergigen Gebieten Nagetiere oder Insekten einen grossen Anteil ausmachen (Macdonald 1988; Cavallini und Lovari 1991). Allerdings scheinen sich Füchse mittlerweile auch in ländlicheren Gebieten vermehrt von anthropogener Nahrung zu ernähren (Bino et al. 2010; Lyngen 2016; Panek und Budny 2017; Jahren et al. 2020).

Die körperliche Verfassung von Füchsen ist stark abhängig von Futterressourcen und kann das Überleben der Welpen beeinflussen (Chautan et al. 2000). In einer Studie in israelischen Dörfern mit sehr vielen für Füchse zugänglichen Abfällen führte eine experimentelle Begrenzung der anthropogenen Nahrungsquellen zu einer drastischen Reduktion der Überlebensrate (Bino et al. 2010). In nördlichen Gebieten mit stark ausgeprägten Jahreszeiten wirkte sich ein beschränkter Zugang zu anthropogener Nahrung vor und während der Winterzeit auf die Fuchsdichte und Populationsdynamik aus (Jahren et al. 2020).

Demzufolge könnte eine Massnahme gegen hohe Fuchsdichten zumindest im Siedlungsgebiet sein, den Zugang zu anthropogenen Nahrungsressourcen gezielt einzuschränken, z. B. indem verschliessbare Mülleimer und -container installiert oder Komposthaufen abdeckt und generell möglichst die offen zugänglichen Abfallmengen reduziert werden (Hegglin et al. 2015). Dies gilt auch für ländliche Räume, wo Füchse ebenfalls gezielt verschiedene anthropogene Nahrungsressourcen nutzen (Müller et al. 2000; Thoma et al. 2004; Bino et al. 2010). Zu dieser Strategie gehört auch eine aktive Kommunikation mit dem Ziel, die Öffentlichkeit für die Problematik von Wildtierfütterungen zu sensibilisieren (Bontadina et al. 2001b).

10.2.2 Hunting for fear – Wildtiere auf Distanz halten

Das Konzept „Hunting for fear“ wird als eine Erweiterung des klassischen „Hunting to kill“ verstanden und basiert auf dem umfassenderen Konzept der „Landscape of fear“ (Laundré et al. 2010; Gaynor et al. 2020). Es stützt sich auf die indirekten Effekte der Prädation ab und hat zum Ziel, eine Verhaltensreaktion bei den Wildtieren auszulösen, damit sich die Tiere beispielsweise von einem Gebiet fernhalten oder eine Scheuheit vor dem Menschen entwickeln bzw. beibehalten. In den USA werden bei Bewohnern erfolgreich Programme zum aktiven Verscheuchen von Kojoten propagiert, damit diese Wildtiere Abstand von den Wohngebieten halten (Hunold und Mazuchowski 2020). Verhaltensreaktionen können indes nur erreicht werden, wenn die Zielart die Möglichkeiten hat zu lernen, dass die menschliche Präsenz gefährlich sein kann (Cromsigt et al. 2013; Gaynor et al. 2020). Bei Füchsen geht man davon aus, dass sich aufgrund ihrer sozialen Lebensweise ein hoher Lerneffekt zeigen würde. Inwieweit sich die negativen Erfahrungen in der sozialen Gruppe verbreiten, hängt jedoch massgeblich von der Art des Eingriffes bzw. von der Jagdtechnik ab (Hegglin et al. 2015). Zu dieser Strategie gehört ebenfalls die Sensibilisierung der Bevölkerung, dass Wildtiere nicht gefüttert und damit gezähmt werden dürfen, sondern vielmehr durch Verscheuchen (hazing) eine Vermeidungsreaktion ausgelöst werden soll (Young et al. 2019).

10.3 Schlussfolgerungen

Die aktuelle Zunahme der Fuchsbestände in der Schweiz zeigt, dass mit den traditionellen Bekämpfungsmassnahmen die kommunizierten Ziele nicht erreicht werden können. Weder können mit der aktuell praktizierten Jagd trotz des grossen zeitlichen Aufwandes die Fuchsbestände erfolgreich reguliert werden (Baker et al. 2002; Kämmerle et al. 2019a), noch reduziert sie das Infektionsrisiko mit Krankheiten, im Gegenteil, sie kann das Risiko sogar erhöhen (Comte et al. 2017). Aus ethischer Sicht stellt sich deshalb die Frage, weshalb jährlich Tausende von Füchsen geschossen werden (in Tausend: Schweiz: 20,9 (neben 12,5 Fallwild); Deutschland 454 (mit Fallwild), für das Jahr 2020Footnote 2).

Ohne ein evidenzbasiertes Managementkonzept, welches ökologische, ökonomische und ethische Kriterien und klar definierte und erreichbare Zielsetzungen beinhaltet, bedeutet die Fuchsjagd einen nicht zu rechtfertigenden Aufwand von personellen und finanziellen Ressourcen und verletzt ethische Grundsätze eines modernen Wildtiermanagements. Ein neues Fuchsmanagementkonzept sollte von der Jägerschaft, den Managementverantwortlichen und der Wissenschaft in enger Zusammenarbeit entwickelt werden, zum Beispiel mit der replizierten Erprobung von Eingriffen im Vergleich zu Kontrollgebieten, mit Untersuchungen zu den Auswirkungen auf die Übertragung von Krankheiten oder mithilfe von Populationsmodellierungen. Dafür braucht es 1) verlässliche Zahlen zur räumlichen und zeitlichen Populationsdynamik, 2) Daten zu den von den Füchsen verursachten Schäden bzw. Risiken, aber auch zu den von ihnen erbrachten Ökosystemleistungen, 3) daraus abgeleitet klar definierte, sinnvolle und messbare Ziele und Massnahmen des Wildtiermanagement, 4) die Evaluation dieser Massnahmen, ob mit ihnen die Ziele erreicht werden können, und 5) die Anpassung und kontinuierliche Verbesserung der Massnahmen bezüglich der Zielerreichung (Robin et al. 2017; Bengsen et al. 2020; Jiguet 2020).