Zusammenfassung
Die Bewegung des Risorgimento führt 1861 zur Einheit Italiens. Der neue Nationalstaat, der eine Zusammenführung vormals auch fremdbeherrschter Staaten bedeutet, bringt Diskussionen zur Daseinsberechtigung der Nation mit sich: So wird einerseits die stark literarisch geprägte Nationalsprache und die partiell daraus resultierende fehlende Beherrschung dieser durch die Bevölkerung als einer Nation unwürdig beklagt. Andererseits wird über die so genannten meridionalisti die zwar schon vor der Einheit bestehende, aber zum Ende des 19. Jh. sich deutlich verstärkende und bis heute virulente Diskrepanz zwischen der gesellschaftspolitischen und der wirtschaftlichen Entwicklung in Nord- und Süditalien aufgezeigt. Der Beitrag beleuchtet die beiden genannten Aspekte, bei der v.a. Autostereotype relevant sind, die aber gleichzeitig die Prägung von Stereotypen zeigen.
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Notes
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S. so auch etwa bei Durando, der v. a. journalistisch tätig ist (Begründung der Zeitung L‘ Opinione), aber auch politisch (1855 zum Senator ernannt) in seinem Traktat Della nazionalità italiana (1846), in dem er sich für die Gliederung in ein nord- und ein süditalienisches Königreich ausspricht: „Intendo per nazionalità l‘unione politica di varie popolazioni associate naturalmente per situazione geografica e artificialmente per lingua, costumi, tradizioni, legislazione, interessi materiali e morali“ (‚Ich verstehe unter Nationalität die politische Einheit verschiedener Bevölkerungen, die natürlich durch ihre geographische Verortung und künstlich durch Sprache, Verhaltensweisen, Traditionen, Rechtsprechung, materielle und moralische Interessen miteinander verbunden sind‘) – die geografische Definition Italiens wird also als natürlich, diejenige über Sprache, Bräuche, Traditionen, Gesetzgebung, materielle und moralische Interessen dagegen als künstlich wahrgenommen.
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Civile wird dabei häufig mit Referenz auf die gehobene Schicht (in Abgrenzung zu barbaro, primitivo) verwendet, so z. B. in popolo civile.
Zur Bedeutungsentwicklung der einzelnen Lexeme vgl. Banti, 2000: 3–10, 48 f.
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Vgl. auch zur weiteren Entwicklung Dipper, 2000: 77–85.
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Zur Konstituierung der Nation Italien vor dem Hintergrund der Rückbindung an die regionalen Herrscherhäuser und der unterschiedlichen institutionellen und wirtschaftlichen Interessen vgl. Banti, 2000: 15–26.
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Auf die untergeordnete Rolle der Bevölkerung verweist auch das in den Anfangsjahren gültige Zensuswahlrecht.
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Zum Nationenkonzept im weiteren Sinne, wie hier vornehmlich verwendet, vgl. Joseph, 2004: 92.
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Vgl. Myers-Scotton (2006: 111–113) zur besonderen Rolle der Sprache als wesentliches Element einer kollektiven Identität, das sich in der Bildung einer Nation ausdrückt (neben Rasse, Territorium, Religion als weitere mögliche Marker). So ist auch etwa eine vormals bestehende Gemeinsprache für die Bildung einer Nation hilfreich. Wichtig ist Sprache allerdings auch für den Aufbau des Nationalismus-Gedankens selbst (vgl. Joseph, 2004: 94; s. zur Interdependenz von Sprache und Nation in der Sprachphilosophie allgemein S. 110–116).
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Vgl. zum Hintergrund der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung des Südens im Detail v. a. Candeloro, 1975: 47–119.
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Interessanterweise wird aber das Land, das durchaus bewundert wird, in der Beurteilung strikt von derjenigen Bevölkerung getrennt, die stark von durchaus auch negativen Stereotypen geprägt ist (Patriarca 2012: 12; vgl. aus deutscher Perspektive Dipper, 2000: 75).
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Auch die Bezeichnung der Bevölkerung als italioti verweist auf eine Geringschätzung. Vgl. zu weiteren, v. a. abwertenden Bezeichnungen für die gesamte italienische Bevölkerung und geografische Stereotype Trifone 2010: 20 ff.
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Im Vordergrund steht hier der Wiederaufbau der Moral und das Verhalten als Bürger und würdige Mitglieder des italienischen Vaterlands (Patriarca, 2010: 38, 44). Vgl. auch Banti, 2010: 37 f. S. hier auch Leopardis canto All’Italia (1818), das den moralischen und politischen Verfall Italiens deutlich macht (vgl. auch Danelon, 2012: 188; Russo, 2012: 487–491).
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„Die Italiener hatten es [ein Nationalgefühl, S.H.] vielleicht (und es scheint tatsächlich so) im 15. und 16. Jahrhundert und in einem Teil des vorausgehenden und des nachfolgenden; wegen ihrer Zivilisation, die sie gut kannten, und die andere als im Vergleich zum restlichen Europa höherstehend anerkannten. Von den heutigen Italienern spreche ich nicht; ich weiß nicht einmal genau, ob es sie gibt.“ Vgl. an anderer Stelle (Leopardi 1998: 6): „E ben si può dire che oggi, al contrario che pel passato, gli stranieri quando s‘ingannano sul nostro conto, piuttosto s’ingannano in favor nostro che in disfavore.“ („Und man kann heute zweifelsfrei, anders als in der Vergangenheit, sagen, dass die Ausländer, wenn sie uns falsch einschätzen, das eher zu unseren Gunsten als zu unseren Lasten tun“) bzw. „la nazione italiana […] è priva […] d’ogni fondamento di morale […]. Ma oltre di questo, a differenza delle dette nazioni, ella è priva ancora di quel genere di stretta società […].“ („Die italienische Nation ist ohne jedes moralische Fundament […] Aber darüber hinaus ist sie, im Gegensatz zu den genannten Nationen, ohne Gemeinschaftssinn“, S. 14).
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„Das vorrangige Bedürfnis Italiens ist, dass sich Italiener herausbilden mit starkem Charakter. Leider bewegt man sich heute jeden Tag mehr auf den entgegengesetzten Pol zu: Leider ist Italien geeint, aber die Italiener entwickeln sich nicht.“ Wesentlich ist hier die Bildung einer politischen Nation auf der Grundlage der zuvor bereits bestehenden Kulturnation (vgl. auch Ferrara, 2011: 14; Patriarca 1010: XVI; Banti, 2010: 203 f.).
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Interessant ist vor diesem Hintergrund die wohl vergleichsweise hohe Alphabetisierung der Florentiner Stadtbevölkerung des 14. Jahrhunderts – mehr als die Hälfte der Kinder erhalten Schulunterricht und lernen damit lesen und schreiben (Serianni, 2009: 62), bereits im 16. Jahrhundert werden vergleichsweise hohe Auflagen für vielfältige Druckerzeugnisse erreicht (ebda., 69).
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Stella & Vitale, 2000: XLIV; Polimeni, 2016: 16 f.; vgl. hierzu auch den Eintrag italiano in dem zeitgenössischen, richtungsweisenden Wörterbuch von Tommaseo, (1858–1879): „Lingua italiana, quella che è o vuolsi che sia comune a tutta la nazione. La lingua italiana non è che scritta […].“ („Italienische Sprache, jene die der gesamten Nation gemeinsam ist oder sein soll. Die italienische Sprache wird lediglich geschrieben […]“). Die Literatursprache wird bereits seit Beginn des 16. Jahrhunderts als Italienisch bezeichnet, wodurch ihr kultureller Stellenwert sichtbar wird.
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Vgl. etwa noch im 19. Jahrhundert Ferrara, für den Italien ein „accozzaglia di popoli, di Stati, d‘istituzioni e di gloria messe insieme dal caso“ („Gemisch von Völkern, Staaten, Institutionen und Ruhm, die zufällig zusammengefügt wurden“) darstellt, oder Vincenzo Gioberti (1801-1852), für den das italienische Volk „è un desiderio e non un fatto, un presupposto e non una realtà, un nome e non una cosa“ („ein Wunsch und keine Tatsache ist, eine Voraussetzung und nicht Wirklichkeit, ein Name, aber keine Sache“) (1843; zit. nach Serianni, 1999: 26; Banti, 2010: 146 f., 187; Marazzini, 2011: 411-413; Banti, 2010: 65; Asor Rosa, 2013: 51-55, auch zu Mazzini).
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Der Ausbau bezieht sich hier auf die Adaption des Italienischen an andere Anwendungskontexte als die Literatur, wenngleich die Normsprache natürlich in den vorausgehenden Jahrhunderten auch etwa in der administrativen Schriftlichkeit oder in fachsprachlichen Texten Verwendung findet. Im Vordergrund steht die wechselseitige Beeinflussung von nähesprachlichem, vielfach mündlichem, und distanzsprachlichem, vorwiegend schriftlichem, Sprachgebrauch.
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„Die Sprache ist ein Erbe der Nation und kein Lehen einer Provinz oder, noch weniger, einer Stadt. Es handelt sich um die geschriebene Sprache; und welche Rolle spielt es, wie sie hier oder dort gesprochen wird? 1820, als ich in Paris war, habe ich eine Abhandlung auf Französisch geschrieben. Und während ich diese Arbeit verrichtete, brauchte ich nicht nur französische Wörterbücher nicht durchzublättern, es ist mir nicht einmal in den Sinn gekommen, dass es sie gibt; und von demjenigen der Académie française kannte ich nicht einmal das Frontispiz. Es wird Ihnen nicht merkwürdig erscheinen, dass der Vergleich der Einfachheit in diesem Fall und die kontinuierlichen Anstrengungen im anderen, dazu geführt haben, schmerzhaft dazu beigetragen hat, mein Gefühl für den Unterschied, der, für den der schreiben muss, zwischen dem Haben und Nicht-Haben einer richtigen Sprache, die er anwenden kann, stärker werden zu lassen.“
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Vgl. allgemein zur italienischen Identität v. a. aus heutiger Perspektive Galli della Loggia 1998.
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Vgl. auch Migliorini (1998: 108–115), auch mit Blick auf die Neudefinition von Florenz im Zuge der Dekadenz. Daneben gilt insbesondere die Familie als Orientierungsgröße (Galli della Loggia 1998: 87).
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Auf die Diskussion des Stereotypenbegriffs kann hier aus Platzgründen nicht näher eingegangen werden – es sei daher verwiesen auf Hinton, 2000 (auch mit Blick auf Kategorisierungen und Schemabildung).
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Biblioteca Italiana ist eine wichtige literarische Zeitschrift, die von 1816 bis 1869 in Mailand erscheint und im Rahmen des ersten Risorgimento eine wichtige Rolle in der kulturellen Debatte hat (vgl. Banti, 2010: 89).
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„[…] um über die einfachsten Dinge zu sprechen, genügt die Muttersprache [= Dialekt]; aber die edle, Italien gemeinsame Sprache, in der wir seriöse und sinnvolle Konzepte erklären sollten, müssen wir verwenden, damit wir von den Bewohnern der anderen Städte verstanden werden und wir diese verstehen. […] gemeinsame Nationalsprache, das einzige Instrument, um Zivilisationen zu erhalten und verbreiten.“
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„In allen Städten sehen wir, dass die einfache Bevölkerung (also die Großzahl) denjenigen als fremd und ihm mit einer offensichtlichen Aversion entgegentritt, der nicht innerhalb der gleichen Mauern geboren wurde; sie will sich nicht davon überzeugen, dass es ein allen Italienern gemeinsames Vaterland Italien gibt, wie es ein Spanien für die Spanier, ein England für die Engländer gibt […] Ich bezweifle nicht, dass dieses Übel (zum großen Teil, wenn nicht gar gänzlich) daher kommt, dass sie wenig oder gar nicht an der gemeinsamen Sprache teilhat […] So sagt der Piemontese oder Neapolitaner, wenn er nach Mailand oder Venedig reist, nach Italien zu kommen; oder wenn ein Modeneser nach Bologna geht oder ein Bergamaske nach Brescia, um dort ein Geschäft zu machen oder sich eine Tätigkeit zu suchen, ist er dort ungern gesehen, wie ein Fremder; und im modernen Italien bedeutet Fremder, wie im alten Rom, Feind.“
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S. ausführlicher zu den Entwicklungen in den ersten Jahren der Einheit, v. a. auch mit Blick auf Süditalien, Volpe 2009.
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So auch etwa bei Franchetti, einem der wichtigsten Vertreter des meridionalismo (vgl. Dickie, 1999: 71).
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Diese Abwertungen gehen, wie in der Folge klar wird, deutlich über die regionalen Bezug aufweisenden, in ganz Italien verbreiteten Stereotype hinaus, wie sie im vorausgehenden Abschnitt erläutert wurden.
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Zit. nach Banti, 2000: 200. „Aber, mein Freund, was sind das für Gebiete, das Molise und ein Land der Arbeit! Welch‘ Barbarei! Von wegen Italien! Dies ist Afrika. Die Beduinen sind im Gegensatz zu diesen Flegeln die Blüte der Zivilisation.“
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Interessant ist hier aber gerade neben der Nord-Süd-Differenzierung auch die mit Bezug auf Europa sichtbare stereotypenbasierte Abwertung ganz Italiens als dem Süden entsprechend, wie sie auch in der zeitgenössischen piemontesischen Presse verbreitet ist. Dem steht die Auffassung ganz Italiens als das Gegenteil des Südens gegen (vgl. Nani, 2006: 141 f.; 155; s. auch Banti, 2000: 202).
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Dickie, 1999: 53–55; Patriarca, 2010: 59. Eher liberal-sozialistisch geprägt ist Gaetano Salvemini, marxistisch Antonio Gramsci sowie Emilio Sereni, katholisch Luigi Sturzo. Die meridionalisti zeigen je nach gesellschaftspolitischer Ausrichtung eine unterschiedliche Interpretation und Darstellung der Gründe für die problematische Situation in Süditalien. Eine Ausnahme bildet Saverio Nitti, der auf die positive Entwicklung der Regionen unter den Bourbonen hinweist und die Schuld für die negative Entwicklung des Südens auch im Süden selbst sieht. Vgl. allgemein Musella, 2005: 37–43; Villari 1981; Nani, 2006: 100–118.
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Torelli (1853: 3) verweist explizit auf die Problematik der politischen Zersplitterung, woraus sich seine Idee einer Gliederung in drei über eine Zollunion und übereinstimmende Verfassungen verbundene Königreiche ableitet, die sich jeweils durch die Trennung von Königsresidenz und Hauptstadt eines jeweiligen Nationalkongresses auszeichnen sollten (82 f.); Rom solle als Stadt frei sein und dem Schutz der drei italienischen Königreiche unterstellt werden, gleichzeitig Sitz des Papstes sein. Zu Durando s. ausführlicher Banti, 2010: 146.
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„Der Tag, an dem Italien sich als unfähig erklären würde, die elementaren Gesetze der Justiz zu respektieren und respektieren zu lassen, hätte es sein eigenes Todesurteil gesprochen; es hätte der Menschheit gegenüber gebeichtet, keine Daseinsberechtigung zu haben. Was würde es der Menschheit dagegen ausmachen, ob es eher ein vereintes und freies oder ein geteiltes und unterdrücktes Italien gibt, ob unsere Freiheit erklärte, dass sie, um zu existieren, erlauben müsse, dass die heiligen Rechte der Schwachen jeden Tag verletzt würden?“
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In der Frühphase des italienischen Einheitsstaates werden als Briganten nicht nur Räuber und Gesetzlose, sondern auch die Rebellen gegen die Bourbonen bezeichnet.
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„Die Camorra entstand so natürlich inmitten dieser Menschen; es war ihre natürliche Regierung und deswegen war sie bevorzugt, von den Bourbonen unterstützt, als Mittel der Ordnung […].“
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„Und so ist die Mafia verschiedentlich zu einer Regierung geworden, die stärker als die Regierung ist.“
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„Wir könnten vereint, frei, unabhängig sein mit ausgeglichenen Finanzen und sogar eine Nation bilden, die aber in der Welt ohne Bedeutung ist. […] Es ist notwendig, dass wir in uns das moralische Leben wiedererwecken, ohne das eine Nation keinen Sinn hat, nicht existiert.“
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„[…] wenn wir den Mut haben, uns befreit an diese Arbeit zu machen, werden wird bald in die Gruppe der zivilisiertesten Nationen Europas aufsteigen.“
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Interessant ist, dass die bedeutende Rolle und Ausstrahlungskraft Neapels für den Süden Italiens in den der Einheit vorausgehenden Jahrhunderten keine nachhaltige Wirkung im Sinne einer positiven Wertung hat. Vgl. Volpe 2009: 79.
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„Wir schaffen es nicht, in den Sizilianern genauso Italiener zu sehen, und die Leiden des letzten Ausläufers der Halbinsel lassen uns Schmerz empfinden im gleichen Ausmaß wie diejenigen unserer Heimatprovinz.“
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„Sie [die Nation] hat bis jetzt nicht das Gefühl für die eigenen Pflichten und ihre Mission gegenüber Sizilien und allgemein den südlichen Provinzen gehabt. Wir haben jene unsere kleineren Schwestern bekommen, die sich uns, ohne an die Zukunft zu denken, vertrauenswürdig in die Arme warfen. Sie waren dünn, ausgehungert, mit Wunden übersät und wir hätten sie liebevoll pflegen und nähren müssen, wir hätten versuchen müssen, ihnen mit jedem Mittel, auch dem Feuer, wo es notwendig war, ihre Gesundheit wiederzugeben. Jedoch, ohne überhaupt einen Blick auf ihre Wunden zu werfen, haben wir sie Arbeit verrichten lassen, harte und anstrengende Arbeit, der Einheit Italiens; wir haben Menschen und Geld von ihnen erbeten, wir haben ihnen im Tausch eine minderwertige Freiheit ausländischen Gepräges gegeben und haben ihnen gesagt: wachst und vermehrt euch. Und dann, nach fünfzehn Jahren, wundern wir uns, warum die Wunden brandig geworden sind und Italien anzustecken drohen. […] Sicher wird Italien noch für lange Zeit weiter bestehen in diesem Zustand, in dem es seit fünfzehn Jahren lebt. Es gibt viele organische Krankheiten, die nicht unmittelbar zum Tod führen. Aber in einem geschwächten Organismus voller Keime der Zersetzung führen die gleichen Gründe, die in einem gesunden Körper kaum spürbare Auswirkungen zeigen, zu einem allgemeinen Debakel. Und wenn dies geschehen sollte, sind die ersten, die grausam darunter zu leiden hätten, die Mitglieder der Klasse, die jetzt nicht verstehen will, welche Verantwortung und welche Pflichten gegenüber dem Rest der Nation ihnen die Tatsache auferlegt, dass sie fast alleine dabei ist, Profit aus der Freiheit Italiens zu ziehen.“
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Auch Villari bedient den Krankheits-frame, wenn auch nicht in so eindrücklicher Weise wie Franchetti (vgl. z. B. 1876: I La Camorra).
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Zum Aufbau von Stereotypen auf Diskursebene vgl. Hinton 2000: 158; zu frames in diesem Kontext v. a. Klein 1999; zum Konzept des Stereotyps auf sprachlicher Ebene und zur Ausnutzung des aggressiven Potentials vgl. z. B. Klein 1998; Heinemann 1998: 8 f. Interessanterweise dominieren positive Autostereotype und negative Heterostereotype – umso auffälliger ist mit Blick auf das Selbstverständnis Italiens zum Zeitpunkt der Einheit die mit Blick auf die Sprache und die Zerbrechlichkeit formulierte negative Einschätzung, mit der die Orientierung an europäischen Vorbildern einhergeht.
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Entsprechend wenig verwunderlich sind Darstellungen wie diejenigen von Niceforo (1901) mit einer klaren Differenzierung in eine nord- und eine süditalienische Rasse, die sich dem Autor zufolge auch im moralischen Verhalten der beiden Populationen niederschlügen.
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Heinemann, S. (2022). Das Risorgimento und seine Folgen. In: Fábián, A., Owzar, A., Trost, I. (eds) Auto- und Heterostereotypie im Europa des 19. Jahrhunderts. Linguistik in Empirie und Theorie/Empirical and Theoretical Linguistics(). J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-65287-9_9
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