9.1 Impuls

Bei Krankheiten, die mit Zucker zusammenhängen, denken viele zuerst an Diabetes. Dabei gibt es einen Zucker, der uns alle noch vor einigen tausend Jahren krank gemacht hätte: Laktose. Laktose ist die einzige Kohlenhydratquelle in Säugetiermilch und kommt natürlich ausschließlich in dieser vor (Ranciaro et al., 2014). Die Fähigkeit Laktose zu verdauen ist damit für Säuglinge essenziell, für Erwachsene allerdings nicht (Rasinperä et al., 2005). Warum können also so viele in Westeuropa Milchprodukte ohne unangenehme Nebenwirkungen konsumieren? Das ermöglicht eine junge Mutation im Humangenom, welche die Genregulation und nicht das Gen selbst verändert (Heine et al., 2017; Leseva et al., 2018).

Dieses Modul ermöglicht Ihnen, DNA-Modifikationen zu untersuchen, bei denen epigenetische Effekte eine Rolle spielen. Machen Sie mehr aus dem genetischen Verständnis Ihrer Schüler*innen und gehen Sie über die Klassiker der Genregulation des Lac-Operon und das epigenetische Phänomen am Beispiel der Verwendung von Gelee Royal zur Aufzucht der Bienenkönigin hinaus. Erleben Sie veränderte Genregulation anhand einer allgegenwärtigen Lebensmittelunverträglichkeit: Laktoseintoleranz (◘ Abb. 9.1)

Abb. 9.1
figure 1

Ausschnitt eines thematisch passenden Zeitungsartikels. Dieser Zeitungsartikel ist eines von mehreren Elementen, die Ihnen als didaktisches Begleitmaterial online zu den Versuchen zur Verfügung gestellt werden

9.2 Durchführung

Dieses Modul ist das komplexeste in diesem Buch. Das gilt sowohl für die fachlichen Hintergründe als auch für die Umsetzung. Die genetischen Grundlagen sind zwar bekannt, denn Sie untersuchen wie in ► Kap. 8, einen Einzelnukleotidpolymorphismus (SNP), wobei dieser in einer regulatorischen Einheit außerhalb der kodierenden Gensequenz liegt (► Abschn. 9.5). Im Unterschied zu den anderen Modulen hat die veränderte DNA-Sequenz keinen Einfluss auf die Proteinstruktur, sondern beeinflusst die Fähigkeit, das zugrundeliegende Gen auch im Erwachsenenalter zu exprimieren. Man spricht daher von Laktase-Persistenz (LP). Im Falle des Wildtyps, der Laktose im Erwachsenenalter aufgrund der gestoppten Genexpression nicht mehr verdauen kann, spricht man von Laktase-Nicht-Persistenz (LNP). Hier kann es sinnvoll sein, sich die Theorie vor der Praxis zu erarbeiten (► Abschn. 9.5). Die beiden Primer für die PCR werden hier einzeln hinzugegeben, wodurch das zu pipettierende Volumen noch kleiner wird, als aus den vorangegangenen Modulen bekannt. Die Auswertung des DNA-Bandenmusters gestaltet sich wegen der viel kleineren DNA-Fragmente im Vergleich zu den anderen Versuchen schwieriger. Aus diesem Grund eignet sich dieses Modul für Fortgeschrittene.

Es empfiehlt sich, den Versuch in zwei Doppelstunden durchführen. Sie können die Durchführung auch hier nach der PCR unterbrechen. In ◘ Abb. 9.2 ist die Versuchsübersicht unter Angabe der relevanten Methoden gezeigt. Damit Sie als Lehrkraft einen ersten Eindruck bekommen, wie viel Zeit die praktische Durchführung der einzelnen Teilschritte in Anspruch nimmt, haben wir entsprechende Zeitangaben in die Abbildung integriert. Unsere Einschätzungen der Zeiten können je nach Jahrgangsstufe und praktischem Erfahrungsbereich Ihrer Schüler*innen abweichen. In diesem Versuch werden Sie den Genotyp des SNP -13.910:C>T ihres eigenen Intron 13 des MCM6 Gens (Minichromosome Maintenance Complex Component 6) bestimmen. Falls ein SNP vorliegt, ist an Position -13.910 die Nukleobase Cytosin durch Thymin ersetzt.

Abb. 9.2
figure 2

Übersicht zur Analyse der genetischen Prädisposition von Laktase-Persistenz. Im ersten Schritt wird genomische DNA aus Mundschleimhautzellen gewonnen. Der DNA-Extrakt dient in der folgenden PCR als Template zur Amplifikation der intronischen Region des MCM6-Gens, in der die regulatorische Einheit des LCT-Gens (Laktase-Phlorizin-Hydrolase-Gen) liegt. Die Primer flankieren dabei die Start- und Endposition. Die Unterscheidung des SNP erfolgt über einen Restriktionsverdau mit dem Restriktionsenzym CviKI-1. Die Analyse des Persistenz- oder Nicht-Persistenz-Allels erfolgt abschließend mittels Agarose-Gelelektrophorese. Die wesentlichen Arbeitsschritte sind in blau hervorgehobenen Blöcken dargestellt.

Dazu amplifizieren Sie eine 183 bp große Region des entsprechenden Introns. Ein Restriktionsverdau ermöglicht im Anschluss eine Unterscheidung des Persistenz- und Nicht-Persistenz-Allels. Das Restriktionsenzym CviKI-1 kann das Nicht-Persistenz-Allel zweimal spalten, wodurch drei DNA-Fragmente mit 122 bp, 36 bp und 25 bp entstehen. Im Fall des dominanten Persistenz-Allels entstehen nur zwei DNA-Banden bei 122 bp und 61 bp, weil der SNP die Erkennungssequenz zerstört. Die Schnittstellen in der amplifizierten Region des MCM6-Gens sind zur Veranschaulichung in ◘ Abb. 9.3 dargestellt.

Abb. 9.3
figure 3

Darstellung der Schnittstellen von CviKI-1 in der amplifizierten Region von MCM6. Im Falle des Nicht-Persistenz Allels liegt die Erkennungssequenz von CviKI-1 vor. Der SNP zerstört diese im Persistenz-Allel, sodass dieses kein zweites Mal von CviKI-1 geschnitten werden kann.

Im Folgenden wird die Durchführung der einzelnen Methoden im Detail beschrieben.

Tipp

In diesem Versuch kann jede*r Schüler*in eine eigene Probe analysieren. Es empfiehlt sich, ein einheitliches Beschriftungssystem festzulegen, z. B. die Initialen. Das erleichtert den Schüler*innen, ihre eigenen Ansätze aus den Geräten zu holen.

Wichtig

Achten Sie bei der Durchführung auf die allgemeingültigen Prinzipien des sicheren Arbeitens im Labor, um Schüler*innen frühzeitig für diese zu sensibilisieren. Es empfiehlt sich, während des gesamten Versuchs Handschuhe zu tragen.

9.2.1 DNA-Extraktion

Zunächst extrahieren Sie Ihre genomische DNA aus Ihren Mundschleimhautzellen (◘ Abb. 9.4).

Abb. 9.4
figure 4

Durchführung der DNA-Extraktion aus Mundschleimhautzellen. Durch Verwendung des DNA-Extraktionspuffers ist eine Isolation der eigenen DNA aus Mundschleimhautzellen möglich. Nach Aufschluss der Mundschleimhautzellen und Zentrifugation kann im letzten Schritt der Überstand, welcher die isolierte DNA beinhaltet, vom Pellet getrennt werden.

Wichtig

Vermeiden Sie 20 min vor der DNA-Extraktion das Kauen von Kaugummi oder ähnlichen Menthol/Mint-Süßigkeiten, da das Ergebnis dadurch negativ beeinflusst werden kann.

Für die Extraktion stehen Ihnen zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Einerseits die Extraktion über eine Mundspülung mit einer 0,9 %-igen Natriumchlorid-Lösung und zweitens die mechanische Extraktion mit einem Zahnstocher. Hier wird der Vorgang mit der Mundspülung vorgestellt (Lench, 1988), die Anleitung zur mechanischen Extraktion finden Sie in ► Abschn. 8.2.1. Pro Person wird Folgendes vorbereitet:

Eppendorf-Reaktionsgefäß

1,5 mL

Zwei PCR-Gefäße

0,2 mL

Zwei Becher

 

Geben Sie 10 mL 0,9 %-ige NaCl-Lösung in den Becher und spülen Sie damit für 30 Sekunden den Mund.

Wichtig

Nicht schlucken!

Spucken Sie die Lösung in einen frischen Becher aus und überführen Sie davon 1 mL in das 1,5 mL Reaktionsgefäß.

Zentrifugieren Sie für 1 ändern zu Minute.

Wichtig

Achten Sie beim Zentrifugieren darauf, dass die Proben ausbalanciert sind (► Abb. 5.2).

Der Überstand wird verworfen.

Wichtig

Pipettieren Sie den Überstand (klare Lösung) vorsichtig und achten Sie darauf, nichts von dem Pellet abzusaugen.

Wichtig

Das Pellet ist der weiße Feststoff am Boden des Reaktionsgefäßes und enthält die Mundschleimhautzellen und damit die genomische DNA.

Geben Sie nochmals 1 mL der Mundspülung in das gleiche Reaktionsgefäß und zentrifugieren Sie wieder für 1 min.

Tipp

Wenn kein Pellet zu sehen ist, wiederholen Sie den Schritt der Zentrifugation oder den des Spülens.

Folgende Reagenzien werden in das Reaktionsgefäß mit dem Pellet ohne Überstand pipettiert:

DNA-Extraktions-Puffer

50 μL

Resuspendieren Sie das Pellet durch vorsichtiges Auf- und Abpipettieren und überführen Sie die Suspension in das vorbereitete PCR-Gefäß. Abschließend werden die DNA-Proben in den Thermozykler gestellt und der Deckel verschlossen. Überprüfen Sie, dass das Gerät ausgeschaltet ist.

Wichtig

Der Einstellungsknauf des Thermozyklers ist sehr empfindlich. Drehen Sie nicht weiter, sobald Sie einen kleinen Widerstand spüren. Sonst bricht der Einstellungsknauf ab.

Die Proben werden dann für 10 min bei 95 °C im PCR Gerät inkubiert. Führen Sie die den Hitze Inkubationsschritt mit dem Programm heat block durch. Nach Auswahl des Programms klicken Sie auf upload. Der Name Ihres Thermozyklers erscheint in einem Pop-Up Fenster. Durch Anklicken des „miniPCR [machine name]“ wird der Inkubationsschritt gestartet. Da Ihr Gerät noch ausgeschaltet ist, wird oben links in Ihrem Versuchsfenster no power angezeigt. Schalten Sie Ihr Gerät jetzt ein. Die Inkubation kann am Monitor in Echtzeit verfolgt werden. Entnehmen Sie die PCR-Gefäße und kühlen Sie diese bei Raumtemperatur kurz ab, ca. 1 Minute.

Tipp

Um die Wartezeit optimal auszunutzen, können Sie bereits während des Inkubationsschritts mit der Vorbereitung der PCR-Reaktionen beginnen: frische PCR-Gefäße beschriften und EZ-PCR Master Mix™ vorlegen.

Zentrifugieren Sie dann Ihr PCR-Gefäß mit dem enthaltenen DNA-Extrakt für 90 Sekunden. Überführen Sie den Überstand in ein frisches PCR-Gefäß.

Wichtig

Die genomische DNA liegt nach diesem Schritt im Überstand vor. Das Pellet besteht nur aus den Zelltrümmern. Dieses Mal muss der Überstand weiterverwendet werden und das Pellet wird verworfen!

Wichtig

Vermeiden Sie das Berühren des Zellpellets mit der Pipettenspitze!

Wichtig

Eine Lagerung des DNA-Extrakts ist nicht möglich, daher muss die Probe sofort weiterverwendet werden.

9.2.2 PCR

Mit dem genomischen DNA-Extrakt wird im Anschluss eine PCR durchgeführt (◘ Abb. 9.5).

Abb. 9.5
figure 5

Durchführung der PCR mit eigenem DNA-Extrakt. Pro Ansatz werden 16 μL EZPCR Master Mix™, 10 μL DNA-Extrakt und je 0,5 μL Primer (vorwärts und rückwärts) in ein PCR-Gefäß pipettiert. Nach kurzer Zentrifugation der Proben wird die PCR gestartet.

Tipp

Da dieses Modul einen hohen Schwierigkeitsgrad aufweist, können Sie pro Person zwei PCR-Ansätze durchführen. Das kann dabei helfen, Schwierigkeiten bei der Umsetzung aufzudecken, beispielsweise können Sie überprüfen, ob die PCR funktioniert hat, bevor Sie den Restriktionsverdau durchführen. In diesem Skript wird der Versuch ohne die Durchführung der PCR mit zwei PCR-Proben (Dubletten) beschrieben. In unserem Online-Material finden Sie die entsprechenden Anleitungen mit Flussdiagrammen für die Durchführung mit einer eigenen Kontrolle.

Jede*r Schüler*in bereitet ein weiteres PCR-Gefäß vor.

Folgende Reagenzien werden in das frische PCR-Gefäß pipettiert:

EZ PCR Master Mix

16 μL

DNA-Extrakt

10 μL

Vorwärts-Primer

0,5 μL

Rückwärts-Primer

0,5 μL

Gesamt

21 μL

Wichtig

Sorgfältiges Pipettieren beeinflusst den Erfolg des Versuchsergebnisses.

Wichtig

Sobald ein neues Reagenz pipettiert wird, muss die Pipettenspitze gewechselt werden.

Tipp

Werden mehrere Reagenzien in einen Ansatz pipettiert, empfiehlt sich, mit dem größten Volumen zu beginnen.

Das Gesamtvolumen jedes Ansatzes beträgt 21 μL. Mischen Sie die Reagenzien durch vorsichtiges auf und ab pipettieren. Achten Sie darauf, die PCR-Gefäße richtig zu verschließen, da es sonst im Thermozykler zu einer Verdunstung der Reaktionsflüssigkeit kommen kann. Die vorbereiteten PCR-Proben werden dann kurz zentrifugiert, ca. 3 Sekunden.

Wichtig

Achten Sie darauf, dass die Zentrifugen von den Schüler*innen korrekt beladen werden. Nur dann kann eine sichere Benutzung gewährleistet werden (► Abschn. 5.5).

Abschließend werden die PCR-Proben in den Thermozykler gestellt und der Deckel verschlossen. Überprüfen Sie, dass das Gerät ausgeschaltet ist.

Wichtig

Der Einstellungsknauf des Thermozyklers ist sehr empfindlich. Drehen Sie nicht weiter, sobald Sie einen kleinen Widerstand spüren. Sonst bricht der Einstellungsknauf ab.

Für die PCR wird das bereits gespeicherte Laktase-Protokoll verwendet (► Abschn. 5.3). Nach Auswahl des Programms klicken Sie auf upload. Der Name Ihres PCR-Geräts erscheint in einem Pop-Up Fenster. Die Parameter des PCR-Programms sind in ◘ Tab. 9.1 gezeigt, diese können Sie vorab speichern (► Abschn. 5.3).

Tab. 9.1 Einstellungen des PCR-Programms für Laktase. Die mit * markierten Schritte geben einen PCR-Zyklus an. Die Gesamtzahl der Zyklen ist unter number of cycles angegeben

Da Ihr Gerät ausgeschaltet ist, wird oben links in Ihrem Versuchsfenster no power angezeigt. Schalten Sie Ihr Gerät jetzt ein. Die Thermozykler merken sich das zuletzt genutzte Programm. Durch das Anschalten des Geräts nach upload des Programms stellen Sie sicher, dass der Thermozykler kein anderes Programm startet. Die PCR-Reaktion kann am Monitor in Echtzeit verfolgt werden.

Tipp

Während die PCR-Reaktion läuft, können die Agarose-Gele vorbereitet werden. Allerdings bietet sich in diesem Fall auch die Wartezeit während des Restriktionsverdaus an, wodurch eine eventuelle Lagerung der fertigen Gele vermieden werden kann.

Die Dauer der 30 Zyklen beträgt 50 min (100 sec pro Zyklus, ◘ Tab. 9.1). Unter Berücksichtigung der initial denaturation, den Temperaturänderungen zwischen den Schritten sowie der final extension ist die PCR nach etwa 90 min abgeschlossen. Dies wird durch einen Klingelton angezeigt, auf dem Display erscheint status completed. Die PCR-Gefäße können jetzt aus dem Gerät entfernt werden.

Vorsicht

Der Metalldeckel kann noch heiß sein.

Die Proben können nun direkt weiterverwendet oder im Kühlschrank gelagert werden.

9.2.3 Enzymatischer Restriktionsverdau

Mit den PCR-Proben wird ein Restriktionsverdau mit dem Restriktionsenzym Cvi Kl-1 durchgeführt (◘ Abb. 9.6). Die Erkennungssequenz von CviKl-1 ist in ◘ Abb. 9.3 gezeigt.

Abb. 9.6
figure 6

Durchführung des Restriktionsverdau mit CviKl-1. Pro Ansatz werden je 14 μL PCR-Produkt mit 1,5 μL des Reaktionspuffers und 0,5 μL des Restriktionsenzyms CviKI-1 versetzt. Die Proben werden durch mehrmaliges Auf- und Abpipettieren gut durchmischt. Nach kurzer Zentrifugation der Ansätze wird der Restriktionsverdau für 15 min bei 37 °C durchgeführt.

Wichtig

Eine Lagerung der verdauten Proben ist nicht möglich. Daher werden die verdauten PCR-Produkte anschließend sofort mittels Agarose-Gelelektrophorese analysiert.

Jede*r Schüler*in bereitet ein weiteres PCR-Gefäß vor. Folgende Reagenzien werden in das frische PCR-Gefäß pipettiert:

PCR-Produkt

14 μL

Restriktionspuffer

1,5 μL

Restriktionsenzym CviKI-1

0,5 μL

Gesamt

16 μL

Mischen Sie die Proben sorgfältig durch Auf- und Abpipettieren, dadurch wird die Restriktionseffizienz erhöht.

Zentrifugieren Sie die Proben kurz, ca. 3 Sekunden.

Abschließend werden die PCR-Proben in den Thermozykler gestellt und der Deckel verschlossen. Überprüfen Sie, dass das Gerät ausgeschaltet ist.

Wichtig

Der Einstellungsknauf des Thermozyklers ist sehr empfindlich. Drehen Sie nicht weiter, sobald Sie einen kleinen Widerstand spüren. Sonst bricht der Einstellungsknauf ab.

Die Proben werden dann für 15 min bei 37 °C im PCR Gerät inkubiert. Führen Sie den Wärme-Inkubationsschritt mit dem Programm heat block durch. Nach Auswahl des Programms klicken Sie auf upload. Der Name Ihres Thermozyklers erscheint in einem Pop-Up Fenster. Da Ihr Gerät noch ausgeschaltet ist, wird oben links in Ihrem Versuchsfenster no power angezeigt. Schalten Sie Ihr Gerät jetzt ein. Die Inkubation kann am Monitor in Echtzeit verfolgt werden.

Tipp

Um die Zeit optimal zu nutzen, können jetzt die Agarose-Gele vorbereitet werden, falls dies nicht schon während der PCR geschehen ist.

Die Analyse des Restriktionsverdaus erfolgt mittels Agarose-Gelelektrophorese.

9.2.4 Agarose-Gel-Herstellung und Gelelektrophorese

Die Herstellung eines 3,0 %-igen Agarose-Gels ist in ◘ Abb. 9.7 gezeigt.

Abb. 9.7
figure 7

Herstellung von Agarose-Gelen für die Gelelektrophorese. Für Laktoseintoleranz schlägt zurück werden 3,0 %-ige Agarose-Gele benötigt. Dafür werden 30,00 mL 1x TBE-Puffer mit 0,9 g Agarose versetzt. Durch kurzes Aufkochen entsteht eine homogene, klare Lösung, welche nach Abkühlen auf Handtemperatur mit 3 μL gel staining dye versetzt wird. Die Agarose-Lösung wird in die Gel-Gießapparatur überführt und der Probenkamm in die Halterung gesteckt. Die Auspolymerisierung dauert etwa 15 minuten

Sofern die Durchführung des Versuchs an einem Tag erfolgt, bietet es sich an, die Agarose-Gele bereits während der Durchführung der PCR zu gießen (► Abschn. 5.4.1). So kann die Zeit optimal ausgenutzt werden. In diesem Versuch kann auch die mögliche Lagerung der Gele relevant werden, sofern der Restriktionsverdau und die Agarose-Gelelektrophorese erst am Folgetag durchgeführt werden sollen.

Tipp

In diesem Versuch können acht Schüler*innen ihre Proben auf ein Gel aufgetragen. Zusätzlich wird pro Agarose-Gel ein DNA-Größenstandard aufgetragen.

Bereiten Sie eine saubere und trockene Gel-Gießapparatur vor und legen Sie einen Probenkamm bereit (► Abschn. 5.4).

Agarose

0,6 g

1x TBE-Puffer

30 mL

gel staining dye

3,0 μL

Wichtig

gel staining dye erst nach dem Abkühlen hinzugeben. Pro 10,0 mL Agarose-Lösung wird 1,00 μL gel staining dye benötigt.

Die Mischung wird zum Lösen der Agarose kurz in der Mikrowelle aufgekocht. Eine klare Lösung zeigt ein vollständiges Lösen der Agarose an. Um einen Siedeverzug zu vermeiden, kann der Vorgang in der Mikrowelle unterbrochen und der Erlenmeyerkolben mehrmals geschwenkt werden. Kühlen Sie die homogene Mischung unter fließendem Wasser bis zur Handwärme ab. Die Lösung wird dann in die Gel-Gießapparatur überführt. Stecken Sie den Probenkamm in die vorgesehene Halterung.

Tipp

Kleine Luftblasen im Gel können mit einer Pipettenspitze entfernt werden.

Nach 15–20 min ist das Gel verfestigt. Entfernen Sie den Probenkamm vorsichtig. Die Agarose-Gele können direkt für die Elektrophorese verwendet werden. Der letzte Schritt des Versuchs ist die Analyse der PCR-Proben mittels Agarose-Gelelektrophorese (◘ Abb. 9.8).

Abb. 9.8
figure 8

Durchführung der Agarose-Gelelektrophorese. Die Agarose-Gele werden in die Elektrophoresekammern überführt und dort mit 1x TBE-Puffer überschichtet, bevor die PCR-Proben aufgetragen werden. Die Auswertung erfolgt mit Hilfe eines DNA-Größenstandards. Bp = DNA-Größenstandard 50 bp, PCR = PCR Produkt, HO P = Homozygot persistent, HE P = Heterozygot persistent, HO N = Homozygot nicht-persistent

Die Agarose-Gele können im Schlitten in die Elektrophoresekammern überführt werden.

1x TBE-Puffer zum Überschichten

30 mL

Pro DNA-Probe

14 μL

DNA-Größenstandard

12 μL

Wichtig

Vor dem Auftragen der Proben werden die Agarose-Gele jeweils mit 30 mL 1x TBE-Puffer überschichtet. Nutzen Sie nie mehr als 35 mL 1x TBE-Puffer zum Überschichten der Gele in der Elektrophoresekammer, da der Puffer sonst überläuft.

Wichtig

Pro Agarose-Gel können acht PCR-Proben und ein DNA-Größenstandard aufgetragen werden. Es empfiehlt sich, den DNA-Größenstandard mittig auf das Agarose-Gel aufzutragen.

Wichtig

Berühren Sie mit Ihrer Pipettenspitze dabei nicht den Boden der Probenkammer, da diese sonst beschädigt wird (► Abschn. 5.4.2).

Wichtig

Notieren Sie sich die Reihenfolge, in der Sie die Proben aufgetragen haben.

Verschließen Sie die Elektrophoresekammer. Drücken Sie den run-Knopf und führen Sie die Elektrophorese für 30–45 min durch. Achten Sie darauf, dass die Banden des DNA-Größenstandards im Bereich 50–200 bp gut aufgelöst, d. h. gut voneinander getrennt sind. Nach ca. 30–45 min ist die Gelelektrophorese abgeschlossen. Das Gerät kann jetzt ausgeschaltet werden.

Tipp

Die Auftrennung der DNA Proben kann durch Betätigung des illuminator-Knopfs auf dem Gerät in Ist-Zeit verfolgt werden. Wird das Licht zu häufig während der Auftrennung angeschaltet oder dauerhaft angelassen, kann das zum Ausbleichen der Proben führen.

Drücken Sie nach Beendigung der Elektrophorese den illuminator-Knopf und dokumentieren Sie Ihr Ergebnis. Die Agarose-Gele können direkt mit dem Smartphone fotografiert werden.

9.3 Ergebnisinterpretation

In diesem letzten Schritt können die DNA-Banden im Agarose-Gel analysiert werden. Je kleiner die DNA-Fragmente sind, desto schneller wandern sie im Agarose-Gel nach unten. Große DNA-Fragmente werden durch die Agarose-Matrix stärker zurückgehalten und sind nach der Gelelektrophorese demnach weiter oben im Agarose-Gel zu finden (► Abschn. 3.2). Durch den Vergleich der DNA-Fragmente mit den jeweiligen definierten Banden des DNA-Größenstandards ist eine Abschätzung der Basenpaarlänge dieser Fragmente möglich. Der Vergleich der Laufweiten der eigenen DNA-Probe mit dem erwarteten Bandenmuster ermöglicht dann eine Interpretation des Ergebnisses.

In dem untersuchten Abschnitt liegen drei mögliche Schnittstellen für das Restriktionsenzym CviKl-1 vor (◘ Abb. 9.9). Von diesen sind zwei invariant und werden immer von dem Restriktionsenzym CviKI-1 geschnitten. Eine dieser Schnittstellen liegt innerhalb der Primersequenz. Diese Schnittstelle wurde beim Primerdesign berücksichtigt und entfernt, indem ein SNP manuell eingefügt wurde. Die andere invariante Schnittstelle bleibt bestehen.

Abb. 9.9
figure 9

Schematische Darstellung des 3 %-igen Agarose-Gels. Die Bandenmuster der drei möglichen Genotypen sowie die erwartete Lauflänge des PCR-Produkts sind gezeigt. Bp = DNA-Größenstandard 50 bp, PCR = PCR Produkt, HO P = Homozygot persistent, HE P = Heterozygot persistent, HO N = Homozygot nicht-persistent

Die analytisch wichtige Schnittstelle umfasst den SNP -13.910:C>T, auf dessen Grundlage eine Aussage über die genetische Prädisposition für Laktase-Persistenz getroffen werden kann. Da die Mutation von Cytosin zu Thymin die Erkennungssequenz von CviKI-1 zerstört, ist in diesem Fall eine Spaltung durch das Restriktionsenzym nicht möglich. Bleibt die variable Restriktionsschnittstelle an Position -13.910 bp intakt, liegt also kein SNP vor, kommt es zu einem sehr kleinen DNA-Fragment von unter 40 bp. In ◘ Abb. 9.10 sind die Schnittstellen noch einmal grafisch visualisiert. Allgemein bezeichnet man zur Unterscheidung von SNP-Allelen diese entsprechend der vorliegenden Nukleobase. In diesem Fall wäre das C-Allel (Cytosin), das Nicht-Persistenz Allel und das T-Allel (Thymin) das Persistenz-Allel.

Abb. 9.10
figure 10

Grafische Darstellung der Schnittstellen von CviKl-1 im PCR-Produkt. a Schematische Darstellung des Gens mit seinen möglichen Allelen und Schnittstellen. Auf dem C-Allel ist der SNP nicht vorhanden, entsprechend kann CviKI-1 zweimal schneiden. Im Falle des T-Allels ist der SNP vorhanden und CviKI-1 kann nur einmal schneiden. Der Bereich der invarianten Schnittstelle ist blau dargestellt, die Fragmente bei vorhandenem C-Allel orange und bei vorhandenem T-Allel grün. b Schematische Darstellung des Agarose-Gels mit gleicher Farbkodierung. Dies verdeutlicht, wie sich die geschnittenen Fragmente während der Agarose-Gelelektrophorese verhalten

Hier können also zwei Fälle unterschieden werden: (1) Der SNP ist vorhanden und das Restriktionsenzym kann nicht schneiden oder (2) Der SNP ist nicht vorhanden und das Restriktionsenzym kann schneiden. In beiden Fällen existiert eine weitere invariante Schnittstelle. Daraus resultieren insgesamt drei Fälle, die auf dem Gel unterschieden werden können (◘ Tab. 9.2).

Tab. 9.2 Interpretation des Versuchsergebnisses auf der Ebene des Genotyps und Phänotyps

Da Laktoseunverträglichkeit oder -intoleranz ein sehr komplexes Krankheitsbild ist, das sich nicht alleine aus der Genetik, sondern auch aus Umweltfaktoren (Nahrungsmenge, Darmflora etc.) zusammensetzt (► Abschn. 9.5.4), kann nur auf Basis des im Gel abgebildeten Genotyps keine eindeutige Aussage über den Phänotyp getroffen werden.

Wichtig

In Abhängigkeit der Güte des Agarose-Gels kann es sein, dass die kleinen Banden bei ca. 30 bp nicht von den Primerdimeren zu unterscheiden sind. In dem Fall ist dennoch eine Aussage über den Genotyp möglich, da für eine erfolgreiche Laktose-Verdauung eine 50 %-ige Genexpression der Laktase ausreicht. Die Ergebnisse werden dann wie folgt interpretiert:

Laktase-persistent (homozygot/heterozygot):

Zwei Banden bei ~120 und ~60 bp

Laktase-nicht-persistent (homozygot):

Eine Bande bei ~120

Der Erfolg des Versuchs kann maßgeblich durch Vermeiden einiger Fehler gesteigert werden. Diese werden bei der Vorstellung der einzelnen Methoden spezifisch erläutert (► Kap. 5).

Eine Besonderheit dieses Moduls ist die Verwendung eines separaten Puffers für das Restriktionsenzym. Achten Sie darauf, dass Schüler*innen nicht nur das Restriktionsenzym, sondern auch den Puffer pipettieren, sowie ein besonderes Augenmerk auf die Volumina legen, da das Mischverhältnis entscheidend für die Reaktionseffizienz ist.

9.4 Checkliste

Im Folgenden finden Sie eine Auflistung aller notwendigen Reagenzien und Lösungen, sowie Hinweise zu deren Herstellung. Für einen reibungsfreien Ablauf der praktischen Einheit in Ihrem Unterricht können Sie mehrere Vorbereitungen vornehmen. Genauere Informationen dazu entnehmen Sie bitte ► Kap. 5. Diese sind für ► Kap. 6, 7, 8 und 9 identisch. Die Angaben und Empfehlungen in diesem Kapitel werden häufig in Gruppen angegeben. Dabei entspricht eine Gruppe zwei Schüler*innen. Sie sind darauf ausgerichtet, den Versuch pro Person einmal vollständig durchzuführen. Sie können individuell entscheiden, mit welcher Gruppenstärke Sie die Versuche durchführen wollen. Obwohl alle Schüler*innen mit ihrer eigenen Probe arbeiten, empfiehlt es sich, mindestens Zweier-Gruppen einzuteilen. Dadurch kann an Geräten gespart werden und eventuell verringern Teams die Fehlerrate.

9.4.1 Reagenzien

  • DPX™ DNA extraction buffer (miniPCR™, USA)

  • EZ PCR Master Mix™ (5x), Load Ready™ (miniPCR™, USA): PCR-Puffer, Mg2+ Ionen, Taq-DNA-Polymerase, dNTPs (Deoxynukleosidtriphosphate), DNA-Auftragspuffer, 5x konzentriert

  • NaCL-Lösung (0,9 %)

  • Cvi KI-1 (NEB, Deutschland): Restriktionsenzym (5’ RG^_CY 3’)

  • CutSmart® Buffer (NEB, Deutschland)

  • Primervorwärts: 5´ – GAGTGTAGTTGTTAGACGGAGAC – 3´

  • Primerrückwärts: 5´- GGAGGAGAGTTCCTTTGAGTGCCAG – 3´

In ◘ Tab. 9.3 finden Sie Angaben, wie Sie die Reagenzien an eine Gruppe ausgeben können.

Tab. 9.3 Angabe über Volumina der Reagenzien zur Ausgabe an eine Gruppe

Wichtig

Das Restiktionsenzym CviKI-1 wird nicht aliquotiert, da sonst zu große Verluste entstehen. Ein Kurs teilt sich ein Eppendorf-Reaktionsgefäß.

Wichtig

Für die Extraktion der genomischen DNA mit Mundspülung werden zusätzlich 25 mL 0,9 %-ige Natriumchlorid-Lösung pro Person benötigt.

9.4.2 TBE-Puffer

Für die Agarose-Gel-Herstellung und die Agarose-Gelelektrophorese müssen Sie 1x TBE-Puffer herstellen. ◘ Tab. 9.4 zeigt, wie Sie abhängig vom Konzentrat 1x TBE-Puffer herstellen. Bei der Herstellung wird destilliertes Wasser verwendet.

Tab. 9.4 Herstellung von 1x TBE-Puffer unterschiedlicher Volumina

Wichtig

Pro Agarose-Gel werden 30 mL 1x TBE-Puffer benötigt. Für die Agarose-Gelelektrophorese werden weitere 30 mL 1x TBE als Laufpuffer verwendet. Hierzu wird jedes Agarose-Gel vor dem Auftragen der Proben mit 30 mL 1x TBE-Puffer überschichtet.

Entsprechend ist die benötigte Menge an 1x TBE-Puffer direkt von der Menge benötigter Gele abhängig. Wie Sie bei der Berechnung vorgehen und nähere Informationen zur individuell benötigten Menge an 1x TBE-Puffer finden Sie unter ► Abschn. 9.4.3.

Wichtig

Der 1x TBE-Puffer kann bei Raumtemperatur gelagert werden. Eine Verwendung ist so lange möglich, wie keine Flocken in der Lösung erkennbar sind.

9.4.3 Agarose-Gel-Herstellung

Für die Herstellung der Agarose-Gele können Sie sich an ◘ Tab. 9.5 orientieren.

Tab. 9.5 Angaben zur Herstellung eines 3 %-igen Agarose-Gels
  • Agarose für DNA-Elektrophorese (SERVA, Deutschland)

  • TBE-Puffer (SERVA, Deutschland): Tris, EDTA-Na2-Salz, Borsäure

  • DNA-Stain GelGreen® nucleic acid gel stain (miniPCR™, USA): 10,000x in Wasser

  • DNA-Größenstandard 100 bp (miniPCR™, USA): 13 Banden im Bereich 100–3000 bp

  • DNA-Größenstandard 50 bp (miniPCR™, USA):8 Banden im Bereich 50–500 bp

Alternativ kann TAE-Puffer (Tris, EDTA-Na2-Salz, Essigsäure; SERVA, Deutschland) verwendet werden.

Tipp

Für den schulischen Gebrauch empfiehlt sich, TBE-Puffer zu verwenden:

  • Die vollständige Auspolymerisierung des Agarose-Gels verläuft im Vergleich zur Verwendung von TAE-Puffer schneller.

  • Agarose-Gele mit TBE-Puffer sind bei der Handhabung weniger empfindlich.

Wichtig

Achten Sie darauf, dass sich die Agarose für die DNA-Analyse mittels Elektrophorese eignet.

Wichtig

Tragen Sie Handschuhe bei der Herstellung und Beladung der Agarose-Gele.

Bei diesem Versuch können pro Gel acht Proben und ein DNA-Größenstandard aufgetragen werden. Entsprechend können sich jeweils zwei Gruppen ein Gel teilen.

Die Anzahl der benötigten Agarose-Gele berechnet sich wie folgt:

$$ Anzahl\ Gele=\frac{Gesamtanzahl\ Proben}{8} $$
(9.1)

Beispielrechnung:

Bei einer Klasse mit 24 Schüler*innen werden drei Gele benötigt.

Die nötige Menge an TBE-Puffer (1x konzentriert) in mL lässt sich wie folgt berechnen:

$$ TB{E}_{Puffer}\ mL=\left( Anzahl\ Gele\times 60\ mL\right)+60\ mL $$
(9.2)

Bei drei Gelen benötigen Sie demnach 240 mL einer einfach konzentrierten TBE-Puffer-Lösung. In dieser Angabe ist die Menge an TBE-Puffer für das Gießen der sechs Agarose-Gele sowie für die Verwendung als Laufpuffer in der Agarose-Gelelektrophorese einkalkuliert. Zudem werden bei dieser Berechnung zwei Fehlversuche bei der Agarose-Gel-Herstellung mitberücksichtigt. Anhand der Beispielrechnung würden Sie 300 mL 1x TBE-Puffer herstellen. Ausgehend von einem 10x TBE-Konzentrat würden Sie für die Herstellung 30 mL 10x TBE-Konzentrat mit 270 mL destilliertem Wasser versetzten, um so Ihren 1x TBE-Puffer zu erhalten. Der Rechenweg ist nachfolgend dargestellt. Zur Herstellung des 1x TBE-Puffers lässt sich die benötigte Menge an TBE-Konzentrat in mL wie folgt berechnen:

$$ Menge\ TB{E}_{Konzentrat}\ mL=\frac{Gesamtvolumen\ 1x\ TB E- Puffer\ mL}{Faktor\ des\ Konzentrats} $$
(9.3)

Für unser Beispiel ergeben sich so:

$$ Menge\kern0.5em 10x\ TB{E}_{Konzentrat}\ mL=\frac{300\ mL}{10}=30\ mL $$
(9.4)

Die Menge an destilliertem Wasser in mL ergibt sich dann wie folgt:

$$ Menge\ {H}_2{O}_{dest.}\ mL= Gesamtvolumen\kern0.5em 1x\ TB E- Puffer\ mL- Menge\ TB{E}_{Konzentrat}\ mL $$
(9.5)

Bezogen auf unser Beispiel ergibt sich:

$$ Menge\ {H}_2{O}_{dest.}\ mL=300\ mL-30\ mL=270\ mL $$
(9.6)

9.5 Fachwissenschaftlicher Hintergrund

Die Thematik der Laktose-Verdauung ist sehr komplex und benötigt eine Betrachtung des Phänomens auf verschiedenen Ebenen. In diesem Kapitel haben wir für Sie alle relevanten Informationen zusammengestellt, die zum Verständnis des vorgeschlagenen Versuchs wichtig sind.

9.5.1 Das Enzym Laktase-Phlorizin-Hydrolase (LPH) spaltet Laktose

Laktose kommt mit Ausnahme einiger mariner Arten ausschließlich in der Milch von Säugetieren vor, und stellt für Neugeborene die einzige Kohlenhydratquelle dar (Ranciaro et al., 2014). Laktose kann als Disaccharid die Darmwand nicht passieren, entsprechend müssen neugeborene Säugetiere in der Lage sein diese abzubauen (Ranciaro et al., 2014; Ségurel & Bon, 2017). Dies geschieht im Dünndarm durch das Enzym Laktase-Phlorizin-Hydolase (LPH), welches Laktose hydrolytisch spaltet (Heine et al., 2017). LPH gehört zu den Endoenzymen (Heine et al., 2017). Es ist über einen hydrophoben C-terminalen Bereich in der Zellmembran verankert. Der N-Terminus mit den enzymatisch aktiven Domänen liegt außerhalb der Zelle. LPH besitzt eine interne Homologie und zwei aktive Zentren (Norén & Sjöström, 2001): Das Laktase-Zentrum spaltet hydrophile β-Glykoside, zu denen die Laktose zählt (◘ Abb. 9.11). Das Phlorizin-Hydrolase-Zentrum spaltet Phlorizin und hydrophobe β-Glykoside mit großen Alkylketten (Höffeler, 2009; Mantei et al., 1988; Norén & Sjöström, 2001; van Wering et al., 2004). Phlorizin ist ein bitterer Naturstoff, der in Rinde, Wurzeln und Stielen vorkommt, u. a. in der Familie der Rosaceae, zu der Äpfel, Birnen und Kirschen zählen (Ranciaro et al., 2014). Es wird als Naturheilmittel bei Fieber und Infektionskrankheiten, wie z. B. Malaria, eingesetzt (Ranciaro et al., 2014).

Abb. 9.11
figure 11

Hydrolytische Spaltung der Laktose durch Laktase-Phlorizin-Hydrolase im Dünndarm. Darstellung von LPH mit der Verankerung in die Enterozytenmembran und des Transports der Monosaccharide Glukose und Galaktose in das Zytoplasma

LPH wird ausschließlich in den absorptiven Enterozyten des Dünndarms gebildet (van Wering et al., 2004). Sie sind hochspezifische Darmzellen, die spezialisierte Proteine exprimieren, welche essenziell für die Darmfunktion sind (Leseva et al., 2018; van Wering et al., 2004). Die Expression von LPH folgt einem strikten topografischen Muster und ist damit „positionell“ reguliert (Baffour-Awuah et al., 2015; van Wering et al., 2004). Das Vorkommen von LPH ist dabei am höchsten im Dünndarm und am niedrigsten im Dickdarm (Baffour-Awuah et al., 2015; Leseva et al., 2018).

Bereits ab der achten Schwangerschaftswoche ist die Aktivität von LPH in der Mucosa des Embryos nachweisbar (Höffeler, 2009). Diese steigert sich bis zur 34. Woche und erreicht ihr Maximum mit der Geburt (Lomer et al., 2008). Bei allen untersuchten Landsäugetieren reduziert sich die LPH-Produktion mit Ende der Stillzeit (Höffeler, 2009; Norén & Sjöström, 2001).

Gelangt unverdaute Laktose in den Dickdarm, kann sie dort von Milchsäurebakterien umgesetzt werden. Dabei handelt es sich um grampositive Bakterien, v. a. Lactobacillus, Bifidobacterium, Enterococcus, Streptococcus, Leuconostic, Pediococcus (Lomer et al., 2008). Diese fermentieren Laktose zu Laktat, Methan, Wasserstoff und kurzkettigen Fettsäuren. In diesem Zusammenhang kann Laktose als Prebiotik betrachtet werden, da Milchsäurebakterien der Symptomatik von LNP entgegenwirken, indem sie die Fermentationsprodukte zur Reabsorption zur Verfügung stellen (Heine et al., 2017; Lomer et al., 2008). Allerdings liegt der optimale pH-Wert bakterieller Laktase bei 6–8, was dem pH-Wert des Dünndarms entspricht. Im Dickdarm sinkt der pH-Wert bis auf 4, wodurch mehr Laktose als Disaccharid verbleibt (Lomer et al., 2008). Dadurch erhöht sich der osmotische Sog und Wasser sowie Elektrolyte strömen in den Darm. Dies führt zu dünnen Stühlen und Diarrhö (Höffeler, 2009).

Außerdem können im Dickdarm auch Monosaccharide wie Glukose und Galaktose nicht aufgenommen werden, sondern werden dort von anderen Bakterien zu kurzkettigen Fettsäuren, Methan, Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid verstoffwechselt. Dadurch wird das symptomatische Spektrum stark erweitert, u. a. sind Flatulenz und Bauchkrämpfe die Folge (Heine et al., 2017; Höffeler, 2009; Lomer et al., 2008).

9.5.2 Genetische Grundlagen

Lange wurde nach einem Unterschied innerhalb der Gensequenz von LPH gesucht, diese ist allerdings bei LP (Laktase-Persistenz) und LNP (Laktase-Nicht-Persistenz) gleich. Entsprechend kann der Funktionsverlust von LPH im Alter nicht für die phänotypische Ausprägung der Laktoseintoleranz verantwortlich sein (Norén & Sjöström, 2001).

Das LCT-Gen (Laktase-Phlorizin-Hydrolase-Gen), welches LPH kodiert, befindet sich auf dem humanen Chromosom 2 im Abschnitt q21. In direkter Nähe liegen zwei Gene: MCM6 und DARS (Aspartyl-tRNA-Synthetase). MCM6 ist in die Initiation der DNA-Replikation involviert, seine Expression ist nicht auf den Dünndarm begrenzt (Jensen et al., 2011). Im intronischen Bereich von MCM6 liegen mehrere regulatorische Elemente, unter anderem ein cis-aktiver Enhancer in Intron 13, der Einfluss auf den LCT-Promotor hat (Enattah et al., 2008; Lewinsky et al., 2005; Liebert et al., 2016).

◘ Abb. 9.12 zeigt einen schematischen Überblick des Genlocus von LPH mit seinen regulatorischen Elementen.

Abb. 9.12
figure 12

Genlocus der Laktase-Phlorizin-Hydrolase (LPH). Das LCT-Gen ist auf dem humanen Chromosom 2 in Abschnitt q21 lokalisiert. Es wird zum Zentromer hin transkribiert und besteht aus 17 Exons. Die Transkription wird von einem 150 bp langen Promotor reguliert, der mehrere hochkonservierte Bindestellen für Transkriptionsfaktoren (TFs) besitzt. Der 2002 entdeckte SNP -13.910:C>T liegt in Intron 13 von MCM6 und korreliert mit der andauernden LPH-Expression im Erwachsenenalter (roter Kasten)

Die Transkription von LPH wird von einem 150 bp langen Promotor moduliert, welcher deutlich vor dem LCT-Startcodon positioniert ist (◘ Abb. 9.12 und 9.13). Dieser Promotor besitzt mehrere hoch konservierte Bindestellen für verschiedene Transkriptionsfaktoren: HNF-1α (Hepatic Nuclear Factor), Cdx-2 (Caudal Type Homeobox) und GATA (Name analog zum Sequenz-Motiv). In Säugetieren aktivieren Cdx-2, GATA4/6 und HNF-1α das Gen synergistisch (Leseva et al., 2018).

Abb. 9.13
figure 13

Oct-1 gesteuerte TF-Rekrutierung und Einfluss des SNP auf die Methylierung des cis-aktiven Enhancers. Der cis-aktive Enhancer innerhalb von MCM6 enthält eine Oct-1-Bindestelle 5‘-seits des SNP -13.910:C>T. Oct-1 rekrutiert durch seine physische Interaktion mit HNF-1α weitere TFs und trägt zur synergistischen Aktivierung des LCT-Promotors bei. Die Affinität von Oct-1 an das Wildtyp-C-Allel ist schwächer (gestrichelter schwarzer Pfeil) als seine Affinität an das T-Allel (schwarzer Doppelpfeil). Über die Zeit wird die CpG-Stelle methyliert und Oct-1 kann nicht mehr binden. Liegt allerdings das T-Allel vor, so ist die CpG-Stelle zerstört und kann nicht methyliert werden, wodurch Oct-1 weiter TFs rekrutieren kann und LPH weiter transkribiert wird

Innerhalb des cis-aktiven Enhancers liegt ein nicht-klassisches Sequenz-Motiv für den Transkriptionsfaktor (TF) Oct-1, welches 5‘-seits von -13.910: C>T lokalisiert ist (◘ Abb. 9.13) (Lewinsky et al., 2005; Olds et al., 2011). Oct-1 reguliert zahlreiche stoffwechsel- und gewebespezifische Gene durch die Rekrutierung von Co-Aktivatoren (Höffeler, 2009; Segil et al., 1991). Oct-1 interagiert direkt mit HNF-1α, bindet stärker an das T-Allel und steigert in vitro die Expressionsrate etwa um das Zehnfache, da er durch seine Rekrutierung die synergistische Aktivierung des LCT-Promotors unterstützt (Enattah et al., 2008; Höffeler, 2009; Lewinsky et al., 2005; Obermayer-Pietsch et al., 2004). LP ist damit das Ergebnis einer gesteigerten Enhancer-Aktivität, die durch Oct-1 gesteuert wird (Lewinsky et al., 2005). Es wird angenommen, dass die erhöhte Promotoraktivität ermöglicht, LPH auch im Erwachsenenalter transkribieren zu können (Lewinsky et al., 2005; Liebert et al., 2016). ◘ Tab. 9.6 zeigt eine Übersicht der möglichen Genotypen und deren Auswirkungen auf den Phänotyp.

Tab. 9.6 Übersicht der Genotypen des SNP -13.910:C>T. Genotypen des europäischen SNP an Stelle -13.910 mit assoziierten Phänotypen und dem prozentualen Anteil in der Bevölkerung (Haberkorn et al., 2012; Kuokkanen et al., 2003)

Alle drei Genotypen unterscheiden sich signifikant in folgenden Punkten:

  1. (1)

    Die Expressionslevel der Allele unterscheiden sich. Bei Homozygoten ist das Expressionslevel beider Allele identisch. Im Gegensatz dazu liegt die Expression des persistenten T-Allels von heterozygoten Individuen bei 92 % und ist damit über zehnmal höher als die Expression des nicht-persistenten C-Allels mit Cytosin. Damit sind Heterozygote Laktase-persistent. Da für eine effektive symptomfreie Verdauung von Laktose lediglich 50 % Laktase-Enzymaktivität nötig sind, führt dies zu einer etablierten bzw. moderaten Laktosetoleranz (Kuokkanen et al., 2003; Lomer et al., 2008; Rasinperä et al., 2005). Die Expression wird vor allem zwischen dem fünften und zehnten Lebensjahr herunterreguliert. Die mRNA-Level vom T- und C-Allel in Kindern unter fünf Jahren ist im Verhältnis 1:1. Bei Kindern über sechs Jahren sinkt der mRNA-Anteil des C-Allels auf unter 20 % (Rasinperä et al., 2005). Der hohe Anteil der mRNA des T-Allels könnte über die aktivierende Funktion in der Enhancer-Region im intronischen Bereich von MCM6 erklärt werden.

  2. (2)

    Die Laktase-Enzymaktivität ist in den drei Genotypen statistisch unterscheidbar (TT >> CT >> CC). Die höchste Enzymaktivität zeigt der TT-Genotyp, die geringste der CC-Genotyp. Die Laktase-Aktivität korreliert mit dem mRNA Level (Baffour-Awuah et al., 2015; Rasinperä et al., 2005).

Der SNP ist Basis für einen PCR-basierten Test, der bereits für den europäischen SNP klinische Anwendung findet. Er zählt zu den direkten Nachweismethoden. Aktuell werden verschiedene Testverfahren zur Bestimmung von LNP verwendet.

9.5.2.1 Indirekter Nachweis

Indirekte Testverfahren basieren auf den Folgen der Laktose-Verdauung für den Körper: Anstieg des Wasserstoffgehalts im Atem oder des Blutzuckerspiegels. Sie zeichnen sich durch ihren niedrigen Preis aus, sind aber zeitaufwendig und im Falle einer LNP mit unangenehmen Symptomen für den Patienten verbunden (Obermayer-Pietsch et al., 2004). Zugunsten der Vollständigkeit wurden diese Nachweismethoden hier integriert. Sie sind allerdings nicht Bestandteil des Moduls und sollen nicht ohne ärztliche Aufsicht durchgeführt werden. Das Standardverfahren ist der H2-Atemtest: Patienten werden 50 g Laktose verabreicht und im Anschluss wird für drei Stunden der H2-Gehalt des Atems alle 30 min gemessen (Haberkorn et al., 2012). Der H2-Atemtest basiert auf der Fermentation der Laktose durch Bakterien im Dickdarm. In Provokationsstudien stellte sich heraus, dass 10–15 g Laktose bereits zu Symptomen führen können, die in 41–71 % der Fälle durch Laktose-Malabsorption erklärbar sind (Högenauer et al., 2005). Die Sensitivität dieses Tests ist mit 60–80 % gering. Außerdem führt er in 20 % der Fälle zu falsch-positiven oder -negativen Ergebnissen. Zu negativen Ergebnissen kann es beispielsweise durch Wasserstoff-Nichtexkretion kommen, die in 20 % der Bevölkerung vertreten ist und durch methanproduzierende Bakterien bzw. eine vorangegangene Antibiotikabehandlung erklärt werden kann (Högenauer et al., 2005; Lomer et al., 2008). Alternativ kann auch die Veränderung des Blutzuckerspiegels nach Aufnahme von 50 g Laktose gemessen werden. Außerdem kann der Galaktose-Gehalt des Urins als indirekter Nachweis dienen (Obermayer-Pietsch et al., 2004).

9.5.2.2 Direkter Nachweis

Ein direkter Nachweis von LNP kann entweder durch kleine intestinale Biopsien oder PCR-basiert erfolgen. Durch die Entnahme von Gewebeproben aus dem Dünndarm kann die LPH-Aktivität direkt ermittelt werden. Es handelt sich hierbei um ein teures und hochinvasives Verfahren (Ségurel & Bon, 2017). Allerdings kann der LPH-Aktivitätstest keine Aussage über die Symptomatik treffen (Högenauer et al., 2005). Ein Vergleich des H2-Atemtests mit der Enzymaktivität liefert unterschiedliche Ergebnisse; vermutlich aufgrund der Sensitivität und Spezifität, diese ist v. a. abhängig vom verwendeten Protokoll (Högenauer et al., 2005).

Bei dem PCR-basierten Verfahren handelt es sich um einen Gentest, der bereits für den europäischen SNP klinische Anwendung findet (Sibley, 2004). Für diesen zeigt er eine hundertprozentige Übereinstimmung mit den LPH-Aktivitätstest aus Biopsien (Obermayer-Pietsch et al., 2004).

9.5.3 Das Gen der Laktase-Phlorizin-Hydrolase (LCT)

Die Fähigkeit, Laktose auch im Erwachsenenalter zu verdauen, bezeichnet man als Laktase-Persistenz (LP). Das gelingt, indem die Expression des Enzyms Laktase-Phlorizin-Hydrolase (LPH) nicht herunterreguliert wird. Es handelt sich dabei um ein autosomal dominant vererbtes Merkmal (Heine et al., 2017). Bei dem natürlichen Verlauf der Genexpression wird LPH ab dem fünften Lebensjahr herunterreguliert (Rasinperä et al., 2005). In diesem Fall spricht man von Laktase-Nicht-Persistenz (LNP) (Heine et al., 2017). LNP betrifft etwa 70 % der Weltbevölkerung und wird als Wildtyp angesehen (Haberkorn et al., 2012). Das Merkmal wird autosomal rezessiv vererbt, da der persistente Zustand über den nicht-persistenten dominiert (Kuokkanen et al., 2003; Obermayer-Pietsch et al., 2004). Der Phänotyp tritt als dominante binäre Eigenschaft auf, da bereits 50 % der Laktaseaktivität für eine symptomfreie Verdauung von Laktose ausreichen (Lomer et al., 2008). Die DNA-Sequenz von LCT ist bei Laktase-persistenten und Laktase-nicht-persistenten Menschen identisch (Norén & Sjöström, 2001). Entsprechend ist der Funktionsverlust nicht auf ein fehlerhaftes Protein zurückzuführen. Der Schlüssel zum Verständnis der unterschiedlichen Genexpression von LP und LNP liegt im regulatorischen Bereich. LCT wird auf transkriptionellem Level reguliert (Leseva et al., 2018). In diesem Fall spielt ein Enhancer im intronischen Bereich des Nachbargens MCM6 (Minichromosom Maintenance Complex Component 6) eine entscheidende Rolle. Ein SNP an Stelle -13.910 bp, bei dem die die Nukleobase Cytosin durch Thymin ausgetauscht wird, liegt innerhalb eines Bindungsmotivs für den Transkriptionsfaktor (TF) Oct-1 (Olds et al., 2011). Oct-1 rekrutiert andere Transkriptionsfaktoren (TFs), vor allem HNF1α, wodurch er die Aktivierung des LCT-Promotors moduliert (Enattah et al., 2008). Im Laufe des Erwachsenwerdens wird bei Vorliegen von Cytosin die Stelle methyliert (Swallow & Troelsen, 2016). Methylierungen dieser Art finden häufig an cytosin- und guaninreichen Stellen statt (CpG-Stellen). Ist das der Fall, kann der TF Oct-1 nicht mehr binden und es findet keine Transkription des LCT-Gens statt. Liegt stattdessen der SNP und damit Thymin vor, kann die Stelle nicht methyliert werden und Oct-1 bindet auch noch im Erwachsenenalter und die Transkription von LCT kann weiter stattfinden (Labrie et al., 2016). Dies wird schematisch in ◘ Abb. 9.13 verdeutlicht. Der Einzelnukleotidpolymorphismus (SNP) an der Stelle -13.910 stromaufwärts ist somit dafür verantwortlich, dass im Erwachsenenalter LPH exprimiert werden kann oder nicht.

Beim Menschen zeigt die Abnahme der Genexpression große geografische und ethnische Unterschiede: Beispielsweise verlieren 80–90 % der Chinesen und Japaner die Expression bis zum vierten Lebensjahr, während es bei Europäern deutlich weniger sind (Höffeler, 2009). Analog dazu sind bisher mehrere SNPs bekannt, die ethnisch und geografisch getrennt vorliegen. Alle SNPs zeigen funktionelle Ähnlichkeiten. Für den europäischen Raum gilt der SNP -13.910 als ausschlaggebend (Enattah et al., 2002). ◘ Tab. 9.7 zeigt den prozentualen Anteil von Laktoseintoleranz in den verschiedenen Bevölkerungsgruppen.

Tab. 9.7 Prozentualer Anteil von Laktase-Nicht-Persistenz* in ausgewählten Bevölkerungsgruppen. (Nach: Obermayer-Pietsch et al., 2004)

9.5.4 Laktoseintoleranz – Vom Wildtyp zum Krankheitsbild

Erst im 19. Jahrhundert erkannte man Laktose als Ursache der Symptome für das Phänomen der Milchunverträglichkeit an (Höffeler, 2009). Die Fähigkeit, Milch verdauen zu können, galt lange als Normalzustand und erst in den 1960er-Jahren wurde man sich der starken Verbreitung des Laktase-Mangels bewusst (Höffeler, 2009). Heutzutage ist Milchunverträglichkeit und ihre Symptomatik gut untersucht und man unterscheidet vier phänomenologische Zustände (Heine et al., 2017). Dies wird in ◘ Tab. 9.8 veranschaulicht. Hierbei ist besonders zu betonen, dass der Begriff Laktase-Nicht-Persistenz sich lediglich auf die genetische Prädisposition bezieht, Laktase im Erwachsenenalter zu exprimieren oder nicht, wohingegen Laktoseintoleranz die symptomatische Ausprägung beschreibt. Einfach ausgedrückt bedeutet das: Laktoseintoleranz = Laktase-Nicht-Persistenz + Symptome (Blähungen, Flatulenz).

Tab. 9.8 Phänomenologische Unterschiede von Milchunverträglichkeit

Kleinkinder können i. d. R. 60–70 g Laktose verdauen, was etwa einem Liter Milch entspricht. LNP ist bei Kindern unter fünf Jahren nicht klinisch; einer Symptomatik liegen meist andere Bedingungen zugrunde, z. B. virale Gastroenteritis, Kuhmilchallergie oder Morbus Crohn (Heine et al., 2017). Für eine effektive symptomfreie Verdauung von Laktose sind lediglich 50 % LPH-Aktivität nötig. Trotzdem kann Hypolaktasie zu einer Reihe von Symptomen führen. Diese wurden unter ► Abschn. 9.5.1 kurz dargestellt. Viele Betroffene sind sich des Zusammenhangs ihrer Beschwerden mit einer Laktoseunverträglichkeit nicht bewusst (Lomer et al., 2008). Die Symptomatik und ihre Intensität sind von vielen Faktoren abhängig: Laktose-Dosis, individuelle Zusammensetzung der Darmflora, psychosomatische Faktoren (z. B. Stress), oro-anale Transitzeit und physische Aktivität (Heine et al., 2017; Höffeler, 2009; Obermayer-Pietsch et al., 2004).

9.6 Didaktische Überlegungen für Ihren Unterricht

9.6.1 Lehrplanbezug und Kompetenzförderung

Da das Thema Laktose-Persistenz und damit einhergehend Laktoseintoleranz sehr facettenreich ist, kann das Modul an verschiedenen Stellen des Lehrplans implementiert werden. Eine Implementation in der Unter- bzw. Mittelstufe ist thematisch möglich, allerdings bedarf der praktische Teil einer hohen Sorgfalt und sollte nicht ohne Üben, z. B. an einem anderen Modul, in der Mittelstufe durchgeführt werden (► Tab. 4.2). In Bezug auf Mikroorganismen (MOs) wird von den Schüler*innen laut Lehrplan erwartet, dass sie den biotechnologischen Nutzen von MOs erklären, wobei ein Bezug zur Lebensmittelindustrie hergestellt werden kann. Hier bietet sich auch das Kapitel zur Herstellung von laktosefreier Milch an (► Kap. 10). Des Weiteren ermöglicht die Thematik der Laktoseintoleranz eine Vernetzung der Lernbereiche Genetik, Gentechnik und Evolution. Schüler*innen sollen in die Lage versetzt werden, die Genwirkkette sowie die Rolle der Proteine hinsichtlich der Merkmalsausbildung zu erklären. Außerdem soll ihnen der Unterschied zwischen Genotyp und Phänotyp unter Berücksichtigung der Präkonzepte sowie der Bezug zu Krankheiten bewusst werden. Der Expressionsweg von LPH kann dort exemplarisch implementiert und weitere direkte Einflussfaktoren auf den Phänotyp (u. a. Darmflora) diskutiert werden. In Anbetracht der genetischen Grundlage von LP/LNP können die zugrundeliegende Mutation und die Selektionsmechanismen als Beispiel der evolutionären Entwicklung dienen, sodass Schüler*innen Evolution als Zusammenspiel genetischer Variabilität und Selektion erklären können (◘ Tab. 9.9). Auch im Bereich der Stoff- und Energieumwandlung beim Menschen kann im Rahmen der Verdauung der Laktose-Stoffwechsel thematisiert werden. Dabei kann die Enzymausstattung als Angepasstheit und die Wirkungsweise von Enzymen auf Stoff- und Teilchenebene exemplarisch anhand der Wirkungsweise von LPH erarbeitet werden. Auch könnte der Gasaustausch und Atemgastransport durch die indirekten Nachweisverfahren für Laktoseintoleranz thematisiert werden. Dadurch würde das Konzept zusätzlich in einen lebensweltlichen Anwendungskontext gesetzt werden.

Tab. 9.9 Kompetenzerwartungen und Inhalte am Beispiel ausgewählter Lern- bzw. Themenbereiche der Bildungspläne im bayerischen Lehrplans (S. f. S. u. B. ISB, 2022)

Eine umfassende Implementation des Moduls empfiehlt sich in der Oberstufe. Auch hier sollten die Lernbereiche Genetik, Gentechnik und Evolution vernetzt werden. Mögliche Kompetenzerwartungen sind exemplarisch anhand des bayerischen Lehrplans in ◘ Tab. 9.9 gezeigt. Insgesamt eignet sich dieses Modul besonders, um ein tiefgreifendes Verständnis der Komplexität genetischer Vorgänge aufzuzeigen und deren Auswirkungen zu analysieren. Wie in ◘ Tab. 9.9 deutlich wird, eignet sich die Untersuchung der Laktase-Persistenz gut als Beispiel, um am Menschen viele genetische und evolutionäre Prozesse zu klären und miteinander zu vernetzen.

9.6.2 Schülerorientierung

Ausgehend von den alltäglichen Beobachtungen sowie Schülervorstellungen und -interessen an unterschiedlichen Ernährungsformen eignet sich der Kontext Laktoseunverträglichkeit als multifaktorielles Krankheitsbild besonders gut, um an der Lebenswelt der Schüler*innen anzuknüpfen. Aufgrund der Komplexität des Kontextes sollten die Schüler*innen mit den Grundbegriffen der Genetik und ggf. der Evolution bereits vertraut sein, um die unterschiedlichen Genotypen zum Merkmal Laktase-Persistenz interpretieren zu können und um auf Basis des fachlichen Verständnisses auf die genetischen und medizinischen Zusammenhänge schließen zu können. Der Kontext Laktoseintoleranz bietet damit die Möglichkeit, die genetischen Grundbegriffe erneut zu wiederholen und zu vertiefen. Um vom schematischen Formalismus der Vererbung Abstand zu gewinnen und stattdessen die Beteiligung der Gene an der Merkmalsausprägung aufzuzeigen (Kattmann, 2005a), kann am Beispiel der Laktoseintoleranz gut demonstriert werden. Dazu kann der gesamte Mechanismus der Enhancer-Funktion und/oder der Herunterregulierung durch epigenetische Mechanismen im Unterricht bearbeitet werden (Kattmann, 2005b). Das Verständnis der Gene als biochemische Makromoleküle ist wichtig, um ihr komplexes Zusammenspiel v. a. bei multifaktoriellen Erkrankungen zu erfassen (Schwanewedel et al., 2008). In dem Kontext kann auch die klare Trennung von Genotyp und Phänotyp erneut demonstriert werden, indem die Interaktion mit Umwelteinflüssen, v. a. durch die individuelle Darmflora, berücksichtigt und ihr Einfluss auf den Phänotyp diskutiert wird (Schwanewedel et al., 2008). Besonders hervorzuheben ist, dass die genetische Veränderung im regulatorischen Bereich stattfindet (► Abschn. 9.5) und entsprechend keinen Einfluss auf die Proteinstruktur hat. Hier kann besonders gut die biochemische Wirkung von Genen gezeigt werden. ◘ Abb. 9.14 verdeutlicht diese komplexen Zusammenhänge von Genotyp und Phänotyp und deren Verknüpfung über die vier verschiedenen Analyseschritte DNA-Extraktion, PCR, Restriktionsverdau und Agarose-Gelelektrophorese.

Abb. 9.14
figure 14

Darstellung der Zusammenhänge zwischen genetischen und phänotypischen Grundlagen sowie deren Verknüpfung mit molekularbiologischen Methoden. Am Beispiel Food Wars Episode I wird der Ebenenwechsel (Genotyp – Analyse – Phänotyp) grafisch verdeutlicht

Für Fortgeschrittene kann an dieser Stelle auch die Gegenüberstellung zu anderen Modulen eingebettet werden und die Vernetzung von Fachwissen verdeutlicht werden (► Tab. 4.2). Unter Berücksichtigung der biologischen Basiskonzepte (KMK, 2005, 2020) kann an diesem Beispiel der Wechsel zwischen biologischen Systemebenen für das Verständnis komplexer biologischer Prozesse gefördert werden (Hammann et al., 2006) (vgl. Kattmann, 2005b). Die beiden Basiskonzepte System- und Struktur-Eigenschaftsbeziehungen stehen hier im engen Zusammenhang. Bezogen auf Laktoseintoleranz sind drei unterschiedliche Systemebenen mit ihren Struktur-Eigenschafts-Beziehungen und der Wechsel zwischen ihnen bedeutsam:

  1. 1.

    Zellebene: In den Enterozytenzellen findet die Genexpression von LPH statt, d. h. auf der Ebene kommen die Regulationsmechanismen des Gens sowie die Proteinbiosynthese mit dem Transport des fertigen LPH-Enzyms zur Zelloberfläche zum Tragen. Hier findet schon die erste Ebenentransferleistung statt, denn aus demselben einen Gen werden viele LPH-Enzyme produziert und an die Zelloberfläche transportiert.

  2. 2.

    Organebene: Im Dünndarm findet die eigentliche enzymatische Tätigkeit statt. Die Dünndarmwand besteht aus der Summe aller Enterozytenzelloberflächen, von denen einige LPH exprimieren. Neben LPH existieren noch viele weitere Verdauungsenzyme. LPH als Oberflächenprotein spaltet Laktose, sodass die Produkte Galaktose und Glukose aufgenommen werden können. Neben den Verdauungsenzymen sind im Darm auch Mikroorganismen beheimatet, die ein eigenes Ökosystem bilden. Der Dünndarm ist wiederum Teil des gesamten Darms und unterscheidet sich in seinen systemischen Bedingungen, z. B. Mikroorganismenzusammensetzung und pH-Wert, von anderen Darmabschnitten. Die Transferleistung zwischen den Ebenen hier ist folglich die Zusammensetzung mehrerer Zellen zu einem Organabschnitt.

  3. 3.

    Ebene des Organismus: Der Organismus Mensch, der abhängig vom Zusammenspiel seines Genotyps und der Umwelt, in diesem Fall der Zusammensetzung seiner Darmflora, eine graduelle Symptomatik der Laktoseintoleranz zeigen kann oder durch seine Vorlieben gesteuert wird. Beispielsweise wissen viele Menschen nicht, dass sie Laktase-nicht-persistent sind, weil sie aufgrund ihrer Abneigung zu Milchprodukten keine Symptome zeigen.

Auf allen drei Ebenen können die Struktur-Funktions-Zusammenhänge in Abhängigkeit von der Jahrgangsstufe bearbeitet werden. Während die Genexpression typischerweise als Oberstufenthema behandelt wird, eignen sich die phänotypischen Einsichten im Themenbereich der Humanbiologie sowie der Ebenenwechsel zum Genotyp im Sinne der klassischen Genetik bereits für die Mittelstufe. Des Weiteren empfehlen (Baalmann et al. 2005; Kattmann 2005a) eine Betrachtung der Genetik im Kontext anderer Themen, u. a. Evolution, um Präkonzepte zu überwinden. Hiermit wird das Basiskonzept Entwicklung betrachtet. Auch das gelingt mit dem Beispiel der Laktoseintoleranz unter Betrachtung ihrer evolutionären Entwicklung. In dem Zusammenhang kann auch die Betrachtung genetischer Normen reflektiert werden, denn bei diesen werden gesellschaftliche Normen und die fachlichen Konzepte der Genetik vermischt. Laktoseintoleranz ist der Wildtyp und sollte daher nicht als Krankheit gesehen werden, allerdings gilt Laktosetoleranz gesellschaftlich als Norm, da beispielsweise der Großteil der Deutschen laktosetolerant ist. Global gesehen ist Laktosetoleranz nicht weiter verbreitet als -intoleranz und basiert eben auf einer evolutionär jungen Mutation. In dem Kontext kann auch ein weiterer Einblick in wissenschaftliches Denken gegeben werden (Mayer, 2007) (► Kap. 4), indem die beiden Hypothesen Cultural-Historical und Reverse-Cause (s. Exkurs S. 198) zur Entstehung der Laktoseintoleranz diskutiert werden. Das Augenmerk wird darauf gerichtet, wie diese Annahmen entstanden sind, auf welcher (Daten-)Basis die Reverse-Cause-Hypothese verworfen wurde und welche Implikationen diese Falsifikation für die Selektion bedeutet. Der evolutionäre Aspekt dieser Thematik kann zum multiperspektivischen Denken (Feltovich et al., 1992) genutzt werden. Daran anknüpfend kann auch die vielfältige Ausprägung von Laktoseintoleranz das strikte Denken in Typen, zu dem Schüler*innen häufig neigen (Abschn. ► 4.2.1), auflockern, denn zwischen laktosetolerant und -intolerant liegt ein ganzes Spektrum unterschiedlich ausgeprägter Symptome.

Aus der didaktischen Perspektive sollten deskriptive und normative Bewertungen mit Blick auf den Erwerb von Bewertungskompetenz (KMK, 2005, 2020) im Biologieunterricht bewusst unterschieden werden. Während die Feststellung Laktose-Persistenz vs. Laktose-Nicht-Persistenz den Genotyp wissenschaftlich beschreibt und die beiden vorkommenden Allele einander gegenüberstellt, unterliegt die Merkmalsausprägung auf der phänotypischen Ebene Laktosetoleranz vs. Laktoseintoleranz mit der damit einhergehenden Symptomatik darüber hinaus einer normativen Bewertung von gesund (= gut) vs. krank (= schlecht). Insgesamt kann die Thematik Laktoseintoleranz damit auf der Basis von wissenschaftlichen Befunden verdeutlichen, dass genetische Variation weder gut noch schlecht im deskriptiven Sinne ist und damit die Bewertungskompetenz der Schüler*innen fördern (Schwanewedel et al., 2008).

Mikroorganismen spielen im Zusammenhang mit Laktoseintoleranz eine große Rolle. Einerseits prägen sie das symptomatische Spektrum von Laktoseintoleranz, da dieses zu einem großen Teil von der individuellen Zusammensetzung der Darmflora abhängig ist (Heine et al., 2017). Andererseits dienen sie als Quelle industriell verwendeter β-Galaktosidase zur hydrolytischen Spaltung von Laktose in Milchprodukten (Harju et al., 2012). Entsprechend können mehrere Schülerperspektiven auf Mikroorganismen adressiert werden. Die zufälligen Auswirkungen des bakteriellen Stoffwechsels auf die Verdauung können sowohl aus Sicht der Mikroorganismen als auch aus Sicht des Menschen reflektiert werden. In dem Kontext bietet sich auch die Definition von Pro- und Präbiotika an, die Mikroorganismen enthalten, die für den menschlichen Organismus hilfreich sind, aber diese Hilfsbereitschaft nicht mit Absicht verfolgen. Diese beiden Beispiele verdeutlichen, dass die Aktivität von Mikroorganismen weder auf Schaden noch Nutzen des Wirts abzielt.

Der zugrundeliegende SNP –13.910:C>T, welcher Grundlage zur Analyse der genetischen Prädisposition von Laktase-Persistenz ist, stellt eine zufällige Mutation dar, die im Laufe der Evolution selektiert worden ist (Enattah et al., 2008). Besonders interessant ist das junge Alter der Mutation und das gleichzeitige Auftreten mehrerer SNPs mit gleicher Auswirkung. In dem Zuge kann verdeutlicht werden, dass Evolution kein gerichteter Prozess der Veränderung ist, der in allen Individuen einer Population in gleicher Weise vor sich geht (Baalmann et al., 2004), und die Rolle der Gene als biochemischer Stoff innerhalb eines Systems kann reflektiert werden.

9.6 Was war zuerst da? Milchwirtschaft oder Genmutation

Vor etwa 10.000 Jahren verbreitete sich der moderne Mensch auch außerhalb Afrikas und begann Tiere und Pflanzen zu domestizieren. Die Altersbestimmung der SNPs, welche mit LP assoziiert werden, zeigt eine Übereinstimmung mit dem Beginn der Vieh- und Milchwirtschaft in der menschlichen Geschichte. In diesem Zusammenhang wurden zwei Hypothesen entwickelt, die der klassischen Henne-Ei-Problematik folgen (Höffeler, 2009; Lomer et al., 2008):

  1. 1.

    Cultural-Historical: Der LP-Phänotyp war vor der Entstehung der Milchwirtschaft selten und hat sich im Anschluss schnell ausgebreitet.

  2. 2.

    Reverse-Cause: Der LP-Phänotyp war in einigen Populationen bereits weit verbreitet und sorgte dort für die Entwicklung der Milchwirtschaft.

In Analysen fossiler DNA konnte der SNP -13.910:C>T bis zum Mittelalter nicht nachgewiesen werden, weshalb die kulturhistorische Hypothese anzunehmen ist und es sich um eine Koevolution handelt (Höffeler, 2009; Lomer et al., 2008). Ein weiterer Hinweis für die Koevolution ist, dass in Regionen Europas mit hohen LP-Anteilen auch eine Selektion von Vieh-Milchprotein-Genen stattfand (Bersaglieri et al., 2004; Hollox, 2005).

Nach der Darwin’schen Selektionstheorie muss das Konsumieren von Milch einen Selektionsvorteil haben (Höffeler, 2009). Dieser wird vor allem auf den zusätzlichen ernährungstechnischen Vorteil zurückgeführt (Bersaglieri et al., 2004). Schätzungen zufolge erzeugen laktosetolerante Menschen 20 % mehr fruchtbare Nachkommen, was für einen erheblichen Selektionsdruck spricht (Jeremy M. Berg et al., 2018, p. 551).

Allerdings sind 10.000 Jahre aus evolutionärer Sicht eine sehr kurze Zeit, da die Selektion nur etwa 400 Generationen betreffen konnte (Hollox, 2005). Die Hypothese einer kürzlich aufgetretenen Selektion ist schwer nachzuweisen, da sich reguläre Codon-basierte Methoden auf Allel-Häufigkeiten stützen, welche allerdings neben selektiver Prozesse auch durch demographische Prozesse (z. B. Änderung der Populationsgröße oder Genetische Drift) beeinflusst werden (Hollox, 2005). Es sprechen vor allem drei Dinge für eine junge stark positive Selektion:

Erstens ist der Überfluss seltener Varianten ein Hinweis für einen Selektionsschwung, gefolgt von einer Akkumulation neuer seltener Mutationen, welche wiederum unterschiedliche Haplotyp-Hintergründe zeigen (Bersaglieri et al., 2004; Enattah et al., 2008).

Zweitens herrschen große Unterschiede in der Allel-Häufigkeit zwischen Populationen, was auf unterschiedliche selektive Effekte hindeutet, die zu einem dramatischen Anstieg dieser Allele in einigen, aber nicht allen Populationen führte.

Drittens bleiben die geläufigen Haplotypen für LP über die Länge von einer Megabase fast identisch, was ungewöhnlich lang in Anbetracht ihrer Häufigkeiten ist (Bersaglieri et al., 2004; Enattah et al., 2008; Hollox, 2005; Ranciaro et al., 2014). Allerdings kann die außergewöhnliche Länge der Haplotypen ein möglicher Grund dafür sein, dass ein bisher noch unbekannter Polymorphismus LP zugrunde liegt und die ermittelten SNPs mit diesem korrelieren (Bersaglieri et al., 2004; Enattah et al., 2008; Hollox, 2005; Tishkoff et al., 2007).

Die heutige LP-Verteilung lässt sich vor allem durch konvergente Evolutionsprozesse und einen starken positiven Selektionsdruck erklären (Coelho et al., 2005; Ségurel & Bon, 2017; Tishkoff et al., 2007).

9.6.3 Umsetzung Food Wars Episode I: Fach- und Methodenwissen vernetzen

Die TIMSS-Footnote 1 und PISA-Footnote 2Studien (Baumert et al., 1998; Baumert et al., 2001; Prenzel et al., 2007) haben in den letzten beiden Jahrzehnten gezeigt, dass Schüler*innen Schwierigkeiten haben, naturwissenschaftliche Fakten, Zusammenhänge und Konzepte systematisch aufeinander zu beziehen und in neuen Kontexten anzuwenden. Die Psychologie spricht in diesem Zusammenhang von trägem Wissen (Renkl, 1996), d. h. Inhalte und Themen aus vorangegangenem Unterricht oder sonstigen Lerngelegenheiten bestehen als isolierte Wissensbestände oder unzusammenhängende Regeln und können nicht in anderen Anwendungsfeldern aktiviert oder für komplexe Probleme des Berufs- oder Alltagslebens genutzt werden.

Um dieser Problemlage zu begegnen, wurden einerseits Programme zur Unterrichtsentwicklung aufgelegt, die gemeinsam mit Schulpraxis und Bildungsforschung aktiv zur Weiterentwicklung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts beitragen und der additiven Häufung von unverbundenem Faktenwissen bei Schüler*innen entgegenwirken sollten (z. B. SINUS (Ostermeier et al., 2004; Ostermeier et al., 2010) oder die Kontext-Programme ChiK (Parchmann et al., 2006), PiKo (Mikelskis-Seifert & Duit, 2007) und BiK (Bayrhuber et al., 2007)). Andererseits reagierte die Bildungspolitik Anfang der 2000er-Jahre mit der Einführung bundesweiter Bildungsstandards, zunächst für den mittleren Schulabschluss (K. KMK, 2005) formuliert, aktuell auch für das Abitur (K. KMK, 2020), die länderübergreifend bei der Weiterentwicklung von Kerncurricula und Bildungsplänen als Leitlinien dienen. Mit diesen Bildungsstandards für die naturwissenschaftlichen Unterrichtsfächer wurden im Kompetenzbereich Fachwissen Basiskonzepte etabliert, um biologische Inhalte und Themenbereiche systematisch aufeinander zu beziehen (Neuhaus & Spangler, 2018). Auf diese Weise sollen Letztere über Jahrgangsstufen (vertikale Vernetzung) bzw. Fächergrenzen hinweg (horizontale Vernetzung) miteinander vernetzt werden, um so zwischen bereits im Unterricht behandelten, aktuellen oder auch künftigen Lerninhalten eine stärkere Kohärenz zu schaffen (BLK, 1998).

Unter Vernetzung versteht man eine „explicit verbal reference by the teacher to ideas or events from another lesson or part of the lesson“ (Stigler et al., 1999; Wadouh et al., 2009). In ► Abschn. 9.6 wurden daher für Sie als Lehrkraft die Bezüge der fachwissenschaftlichen Inhalte vorangegangener Kapitel sowie Zusammenhänge zwischen ausgewählten Präkonzepten der Schüler*innen sowie den hier im Mittelpunkt stehenden thematischen Schwerpunkten und Begriffen herausgearbeitet (S. 199), um Ihnen mögliche Vernetzungen aufzuzeigen und Ihren Schüler*innen das kumulative Lernen von Fach- und Methodenwissen zu erleichtern. Insbesondere das Vorwissen der Schüler*innen spielt für die weitere Wissensentwicklung eine zentrale Rolle, weil aus der Perspektive konstruktivistischer Lehr-Lern-Theorien neue Informationen stets in vorhandene Wissensbestände integriert werden (Gerstenmaier & Mandl, 1995). Wird durch den Lernprozess ein qualitativ angemesseneres, vertieftes Verständnis eines schon vorher in Grundzügen bekannten Sachverhalts erreicht, spricht man von kumulativen Lernen (Harms & Bünder, 1999).

Warum fällt das kumulative Lernen in der Biologie so schwer? Es gibt Hinweise darauf, dass die Biologie viele Themenfelder hat, die relativ unabhängig voneinander gelernt werden können (z. B. Ökologie, Genetik, Stoffwechselphysiologie). Sie ist damit eine vergleichsweise unstrukturierte Wissensdomäne (ill-structured domain), die einerseits sehr komplex und der andererseits im Gegensatz zu den Naturwissenschaften Physik oder Chemie eine gewisse Regelhaftigkeit über wiederkehrende Muster und Gesetzmäßigkeiten auf den ersten Blick fehlt (z. B. Feltovich et al., 1992). Eine konsequente Rückführung auf Basiskonzepte (z. B. Struktur und Funktion) und weitere übergeordnete Prinzipien (z. B. Schlüssel-Schloss-Prinzip bei enzymatischen Reaktionen) sollen Schüler*innen daher das kumulative Lernen erleichtern. Des Weiteren werden die Vorstellungen von Schüler*innen gerade in der Biologie an alltäglichen Beispielen erworben und stellen häufig Lernhürden dar (Kattmann, 2007a, pp. 2–6, 2007b). Daher finden Sie in jedem Kapitel zur praktischen Umsetzung der molekularbiologischen Methoden auch Hinweise auf gut untersuchte Schülervorstellungen in dem jeweiligen Themenbereich, damit Sie diese aktiv in Ihrem Unterricht aufgreifen und zu den entsprechenden fachlichen Konzepten weiterentwickeln können (z. B. nach der Conceptual Change-Theorie (Krüger, 2007); weitere Unterrichtsbeispiele zur Genetik findet man in Kattmann, 2007a, 2017).

Mit diesem Modul können Sie explizite Referenzen zu den fachlichen Inhalten der ersten drei Module (► Kap. 6, 7 und 8) herstellen und damit die grundlegenden Begriffe, Zusammenhänge und Konzepte der Genetik in Ihrem Unterricht vernetzen. In den Kontexten Kriminalfall, circadianer Rhythmus und bittere Geschmackswahrnehmung wurden bereits genetische Fragestellungen, wie das Vorkommen von Genmutationen, thematisiert und wiederkehrend den drei zentralen Arbeitsweisen der Molekularbiologie – PCR, Agarose-Gelelektrophorese und Restriktionsverdau – untersucht. Durch das wiederholte Aufgreifen der drei genannten Arbeitsmethoden hier in einem weiteren Kontext (Laktoseintoleranz) wird zusätzlich das Methodenwissen vertieft, bei gesteigerter Komplexität des fachlichen Inhalts. Damit ist das Modul Food Wars Episode I geeignet, durch kumulatives Lernen fachliche und methodische Kompetenzen zu fördern.

9. Die Conceptual Change-Theorie

Schüler*innen verfügen über Vorstellungen, Alltagserfahrungen und Vorwissen, die sie mit in den Biologieunterricht bringen. Auf dieser Basis entstehen Rahmentheorien, die sich über Jahre entwickeln und sich im Alltag als kohärentes Erklärungssystem bewährt haben (Vosniadou, 1994). Die Rahmentheorien stimmen häufig nicht mit wissenschaftlichen Vorstellungen überein, sodass neue wissenschaftliche Konzepte, die im Unterricht vermittelt werden, im Widerspruch zu den bestehenden Schülervorstellungen stehen (Vosniadou & Brewer, 1992). Ein Konzeptwechsel erfolgt daher nicht automatisch, sondern muss nach konstruktivistischer Auffassung des Lernens weiterentwickelt werden (Vosniadou, 1999). Bildungswissenschaftliche Erklärungsansätze, die Lernprozesse auf der Basis eigener Vorstellungen beleuchten, werden unter Conceptual Change zusammengefasst (Krüger, 2007). Um Schülervorstellungen in Richtung des wissenschaftlichen Konzepts entwickeln zu können, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein (Krüger, 2007):

  • Schüler*innen müssen mit ihren bestehenden Vorstellungen unzufrieden sein, weil diese z. B. eine Beobachtung oder einen neuen Sachverhalt nicht mehr erklären können.

  • Das neue wissenschaftliche Konzept muss verständlich sein, sodass es leicht in bestehendes Wissen integriert werden kann und auch zu anderen Bereichen passt.

  • Die neue Vorstellung muss plausibel sein, d. h. sie sollte auf Probleme anwendbar sein, die durch die alte Vorstellung nicht gelöst werden konnten, sowie glaubwürdig und widerspruchsfrei zur alten Vorstellung sein.

  • Die wissenschaftliche Vorstellung sollte auf andere Bereiche, auf neue Untersuchungsbereiche anwendbar und ausbaufähig sein. Erleben Schüler*innen die neue wissenschaftliche Vorstellung als fruchtbar, werden sie dieses Konzept häufiger zur Erklärung anwenden.

9.7 Online-Material

Zur weiteren Vertiefung steht Ihnen zusätzliches Material online zur Verfügung (sn.pub/rEt5bJ). Unter anderem finden Sie dort die Flussdiagramme in detaillierter Ausführung. Diese eignen sich als Arbeitsanweisungen für Schüler*innen für die praktische Umsetzung und können direkt ausgedruckt werden. Entsprechend stehen Ihnen auch die Bild- und Videodateien zur Nutzung im Unterricht zur Verfügung. Des Weiteren finden Sie dort verschiedene Aufgabenformate zu versuchsspezifischen Fragen. Online haben Sie die Möglichkeit, sich aus diesen individuelle Arbeitsblätter zusammenzustellen. Die Musterlösungen werden Ihnen dort ebenfalls angegeben.

Auszug eines Arbeitsblatts für Food Wars Episode I.

Laura trinkt in der Früh ein Glas Milch und isst einen Jogurt. 30 Minuten später bekommt sie Blähungen und Bauchkrämpfe. Am Abend isst Laura Raclette mit extra viel Käse und bekommt keine Bauchschmerzen. Benennen Sie ein mögliches Krankheitsbild, auf das die genannten Symptome beim Verzehr von Milch und Joghurt zurückzuführen sind. Analysieren Sie die Unterschiede in der Symptomatik bei den genannten Milchprodukten.

Das hier vorgestellte Versuchskonzept kann ohne weitere Sicherheitsregularien an Schulen durchgeführt werden. Trotzdem können Sie online die entsprechenden Sicherheitsdatenblätter abrufen (sn.pub/rEt5bJ).

9. Zusammenfassung

Laktoseintoleranz wird in der modernen Gesellschaft als multifaktorielles Krankheitsbild wahrgenommen, obwohl sie dem humanen Wildtyp entspricht. In dem Versuch Food Wars Episode I führen Sie einen PCR-basierten Gentest durch, welcher in ähnlicher Weise in europäischen Kliniken Anwendung findet. Die genetischen Grundlagen zum Phänomen Laktoseintoleranz sind fortgeschritten, ermöglichen aber die Reflexion zahlreicher Schüler*innen-Präkonzepte. Dieses Kapitel führt ausführlich in die genetischen Grundlagen zur Laktoseintoleranz ein und befähigt Sie, in eine Diskussion mit den Schüler*innen einzusteigen. Das Modul ist für eine Umsetzung im Klassenzimmer geeignet und enthält wichtige Hinweise, wie Sie typische Fehler adressieren können. Es wird durch weitere Versuche in Kapitel Food Wars Episode II ergänzt.