6.1 Impuls

Von Sherlock Holmes über Akte X bis hin zur deutschen Kultserie „Tatort“ begeistern Kriminalgeschichten internationales und regionales Publikum aller Altersklassen. In zahlreichen Filmen, Serien und Büchern wird die Kriminalistik aus unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet und verliert auch nach Jahren weder ihren Charme noch ihre Anziehungskraft. Kriminalromane sind das beliebteste Genre der Deutschen; jedes vierte verkaufte Buch ist ein Krimi (Urbach & Lesch, 2018). 15,08 Mio. Deutsche ab 14 Jahren geben an, gerne regionale Krimis anzuschauen (Pawlik, 2020). Geben Sie Ihren Schüler*innen die Möglichkeit, selbst in Abby Sciutos (Navy CIS) oder Prof. Boernes (Tatort Münster) Rolle zu schlüpfen und mittels PCR und Agarose-Gelelektrophorese bei der Auflösung einer Entführung am Emil-Erlenmeyer Gymnasium mitzuwirken (◘ Abb. 6.1). In diesem vereinfachten Szenario machen Sie sich eine Deletionsmutation zunutze; diese erlaubt Ihnen den Versuch sowohl in den Kontext der Kriminalistik als auch der Pränataldiagnostik einzuordnen. In ► Abschn. 6.6 wird Ihnen aufgezeigt, wie Sie didaktisch vorgehen können, um die Kontexte zu variieren. Dieses Kapitel fokussiert sich auf den Kontext der Kriminalistik und liefert nur für das Szenario Unterrichtsmaterial, allerdings sind an geeigneter Stelle Hinweise zur Variation gegeben.

Abb. 6.1
figure 1

Ausschnitt eines thematisch passenden Zeitungsartikels. Dieser Zeitungsartikel wird Ihnen als didaktisches Begleitmaterial online zu den Versuchen zur Verfügung gestellt

6.2 Durchführung

Erfahrungsgemäß lässt sich dieser Versuch sehr gut in einer Doppelstunde Biologie umsetzten. Sollte Ihnen keine Doppelstunde zur Verfügung stehen, können Sie den Versuch nach der PCR unterbrechen und ihn in zwei zeitlich voneinander getrennten Stunden durchführen. In ◘ Abb. 6.2 ist die Versuchsübersicht unter Angabe der relevanten Methoden gezeigt. Damit Sie als Lehrkraft einen ersten Eindruck darüber bekommen, wie viel Zeit die praktische Durchführung der einzelnen Teilschritte in Anspruch nimmt, haben wir entsprechende Zeitangaben in die Abbildung integriert. Bitte beachten Sie, dass unsere zeitlichen Einschätzungen je nach Jahrgangsstufe und praktischem Erfahrungsbereich Ihrer Schüler*innen abweichen können.

Abb. 6.2
figure 2

Versuchsübersicht zur Identifizierung der möglichen Tatverdächtigen A oder B. Aus dem genetischen Material, gefunden in den Lieferwagen der Tatverdächtigen A und B, wurde genomische DNA extrahiert. Mit diesen Extrakten sowie den zugehörigen DNA-Vergleichsproben des Gens G und der Deletionsmutante D wird eine PCR-Reaktion durchgeführt. Die unterschiedlichen PCR-Produkte können im zweiten Schritt mittels Agarose-Gelelektrophorese weiter analysiert werden. Das CFTR-Gen ist grün dargestellt. Der rote Bereich markiert den Bereich, welcher bei dem mutierten Gen (hellgrün) deletiert wurde. Die wesentlichen Arbeitsschritte sind blau hervorgehoben

Es sind über 2000 Mutationen des CFTR -Gens (cystic fibrosis transmembrane conductance regulator) bekannt, die Mukoviszidose auslösen (Ensinck et al., 2020). Bei der häufigsten Mutation des CFTR-Gens handelt es sich um eine Deletionsmutation von drei Nukleobasen, die auf Proteinebene zum Verlust genau einer Aminosäure führt (Eichler, 2005) (► Abschn. 6.5). Die Analytik mittels schultauglicher Agarose-Gele erlaubt keine derart genaue Auftrennung. Zu diesem Zweck wurde der Deletionsabschnitt erweitert, sodass das PCR-Fragment des CFTR-Gens 800 Basenpaare (bp) und das Fragment des mutierten Gens 400 bp lang ist. Die verwendeten Primer interagieren mit dem CFTR-Gen. Es ist bekannt, dass die entführte Person diese Deletionsmutation im CFTR-Gen besitzt. Durch Vergleich der DNA-Banden der Proben A und B mit den jeweiligen Vergleichsproben G und D auf dem Agarose-Gel können die an der Entführung beteiligten Personen eingegrenzt werden. Die Vergleichsproben G und D sind schematisch in ◘ Abb. 6.6 gezeigt.

Im Folgenden wird die Durchführung der Methoden im Detail beschrieben. Zunächst wird die PCR-Reaktion der vier DNA Proben A, B, G und D durchgeführt.

Dabei gilt:

  • Probe A und B: entnommene DNA (aus den Lieferwagen der Tatverdächtigen A und B)

  • Probe G: Vergleichsprobe eines CFTR-Gens (ohne Deletion)

  • Probe D: Vergleichsprobe eines mutierten CFTR-Gens (mit Deletion)

Sofern Sie im Rahmen der Pränataldiagnostik die Aufklärung eines Gendefekts vornehmen möchten, liegt bei den Proben A und B die entnommene DNA der Mütter A und B vor. Weiteres unter ► Abschn. 6.2.1.

Wichtig

Achten Sie bei der Durchführung auf die allgemeingültigen Prinzipien des sicheren Arbeitens im Labor (sn.pub/rEt5bJ), um Schüler*innen frühzeitig für diese zu sensibilisieren. Es empfiehlt sich, während des gesamten Versuchs Handschuhe zu tragen.

6.2.1 PCR

Jeweils eine Gruppe bereitet die vier PCR Ansätze vor (◘ Abb. 6.3). Pro Gruppe werden 4 PCR-Gefäße benötigt:

  1. 1.

    DNA-Probe A (oranger Deckel).

  2. 2.

    DNA-Probe B (gelber Deckel).

  3. 3.

    DNA Vergleichsprobe CFTR-Gen G (grüner Deckel).

  4. 4.

    DNA Vergleichsprobe einer CFTR-Deletionsmutante D (roter Deckel).

Abb. 6.3
figure 3

Vorbereitung und Durchführung der PCR. Insgesamt werden vier Ansätze A, B, D und G vorbereitet. Pro Ansatz werden 15,0 μL EZ PCR Master Mix TM und 10,0 μL Crime Lab Primer Mix TM in ein PCR-Gefäß pipettiert. Zuletzt werden pro PCR-Gefäß 5,0 μL der entsprechenden Template-DNA (A, B, G oder D) zugegeben. Nach Zentrifugation der Proben wird die PCR durch Auswahl des Tatort DNA-Protokolls gestartet. Die PCR-Produkte können weiterverwendet oder im Kühlschrank gelagert werden

Wichtig

Beschriften Sie die PCR-Gefäße mit dem entsprechenden Buchstaben A, B, G, D. Sorgfältiges Pipettieren beeinflusst den Erfolg des Versuchsergebnisses.

Wichtig

Sobald ein neues Reagenz pipettiert wird, muss die Pipettenspitze gewechselt werden.

Folgende Reagenzien werden in jedes PCR-Gefäß pipettiert:

Crime Lab Primer Mix

10 μL

EZ PCR Master Mix

15 μL

DNA-Proben (A, B, G, D)

5 μL

Gesamt

30 μL

Wichtig

Für ein eindeutiges Ergebnis nach der PCR darf nur jeweils eine DNA-Probe pro Ansatz zugegeben werden.

Tipp

Werden mehrere Reagenzien in einen Ansatz pipettiert, empfiehlt sich mit dem größten Volumen zu beginnen. Pipettieren Sie die DNA-Proben immer zum Schluss.

Das Gesamtvolumen jedes Ansatzes beträgt 30 μL. Mischen Sie die Reagenzien durch vorsichtiges Auf- und Abpipettieren. Achten Sie darauf, die PCR-Gefäße richtig zu verschließen, da es sonst im Thermozykler zu einer Verdunstung der Reaktionsflüssigkeit kommen kann. Die vorbereiteten PCR-Proben werden dann kurz zentrifugiert, ca. drei Sekunden.

Wichtig

Achten Sie darauf, dass die Zentrifugen von den Schüler*innen korrekt beladen werden. Nur dann kann eine sichere Benutzung gewährleistet werden (► Abschn. 5.5).

Abschließend werden die PCR-Proben in den Thermozykler gestellt und der Deckel des Geräts verschlossen. Überprüfen Sie, dass das Gerät während der Beladung ausgeschaltet ist.

Wichtig

Zum Arretieren des Deckels ist ein zusätzlicher Drehknauf vorhanden. Dieser ist sehr empfindlich. Drehen Sie nicht weiter, sobald Sie einen kleinen Widerstand spüren, sonst bricht der Drehknauf ab.

Für die PCR wird das bereits gespeicherte Tatort DNA-Protokoll verwendet (► Abschn. 5.3). Nach Auswahl des Programms klicken Sie auf upload. Der Name Ihres PCR-Geräts erscheint in einem Pop-Up Fenster. Die Parameter des PCR-Programms sind in ◘ Tab. 6.1 gezeigt, diese können Sie vorab speichern.

Tab. 6.1 Einstellungen des PCR-Programms für Tatort DNA. Die mit * markierten Schritte geben einen PCR-Zyklus an. Die Gesamtzahl der Zyklen ist unter number of cycles angegeben.

Da Ihr Gerät ausgeschaltet ist, wird oben links in Ihrem Versuchsfenster no power angezeigt. Schalten Sie Ihr Gerät jetzt ein. Die Thermozykler merken sich das zuletzt genutzte Programm. Durch das Anschalten des Geräts nach upload des Programms stellen Sie sicher, dass der Thermozykler kein anderes Programm startet. Die PCR-Reaktion kann am Monitor in Echtzeit verfolgt werden.

Tipp

Während die PCR-Reaktion läuft, können die Agarose-Gele vorbereitet werden.

Die Dauer der 30 Zyklen beträgt 9 min (18 sec pro Zyklus, ◘ Tab. 6.1). Unter Berücksichtigung der initial denaturation, den Temperaturänderungen zwischen den Schritten sowie der final extension ist die PCR nach 40 min abgeschlossen. Dies wird durch einen Klingelton angezeigt, auf dem Display erscheint status completed. Die PCR-Gefäße können jetzt aus dem Gerät entfernt werden.

Vorsicht: Der Metalldeckel kann noch heiß sein.

Die Proben können nun direkt weiterverwendet oder im Kühlschrank gelagert werden.

6.2.2 Agarose-Gel-Herstellung

Als nächstes erfolgt die Herstellung eines 1,6 %-igen Agarose-Gels (◘ Abb. 6.4).

Abb. 6.4
figure 4

Herstellung von Agarose-Gelen für die Gelelektrophorese. Für Tatort DNA werden 1,6 %-ige Agarose-Gele benötigt. Dafür werden 30,00 mL 1x TBE-Puffer mit 0,48 g Agarose versetzt. Durch kurzes Aufkochen entsteht eine homogene, klare Lösung, welche nach Abkühlen auf Handtemperatur mit 3 μL gel staining dye versetzt wird. Die Agarose-Lösung wird in die Gel-Gießapparatur überführt und der Probenkamm in die Halterung gesteckt. Die Auspolymerisierung des Gels dauert etwa 15 Minuten

Es bietet sich an, die Agarose-Gele während der Durchführung der PCR zu gießen, um die Zeit optimal auszunutzen (s.o.).

Tipp

In diesem Versuch können zwei vollständige Versuchsansätze auf ein Gel aufgetragen werden. Ein Versuchsansatz umfasst die vier Proben A, B, D und G. Zusätzlich wird pro Agarose-Gel ein DNA-Größenstandard aufgetragen.

Bereiten Sie eine saubere und trockene Gel-Gießapparatur vor und legen Sie einen Probenkamm bereit (► Abb. 5.3).

Agarose

0,48 g

1x TBE-Puffer

30 mL

gel staining dye

3,0 μL

Wichtig

Den Farbstoff (gel staining dye) erst nach dem Abkühlen hinzugeben.

Pro 10,0 mL Agarose-Lösung werden 1,00 μL gel staining dye benötigt.

Die Mischung wird zum Lösen der Agarose kurz in der Mikrowelle aufgekocht. Eine klare Lösung zeigt ein vollständiges Lösen der Agarose an. Um einen Siedeverzug zu vermeiden, kann der Vorgang in der Mikrowelle unterbrochen und der Erlenmeyerkolben mehrmals geschwenkt werden. Kühlen Sie die homogene Mischung unter fließendem Wasser bis zur Handwärme ab.

Die Lösung wird dann in die Gel-Gießapparatur überführt. Stecken Sie den Probenkamm in die vorgesehene Halterung.

Tipp

Kleine Luftblasen im Gel können mit einer Pipettenspitze entfernt werden.

Nach 15–20 Minuten ist das Gel vollständig verfestigt. Entfernen Sie den Probenkamm vorsichtig.

Die Agarose-Gele können direkt für die Elektrophorese verwendet werden.

Tipp

Agarose-Gele können bis zu einem Tag im Kühlschrank gelagert werden. Wickeln Sie diese dafür erst in Frischhaltefolie und dann in Alufolie ein. Damit schützen Sie die Gele vor dem Austrocknen und den enthaltenen Farbstoff vor Schädigung durch Lichtstrahlung.

6.2.3 Agarose-Gelelektrophorese

Der letzte Schritt des Versuchs ist die Analyse der PCR-Proben mittels Agarose-Gelelektrophorese (◘ Abb. 6.5).

Abb. 6.5
figure 5

Durchführung der Agarose-Gelelektrophorese. Die Agarose-Gele werden in die Elektrophoresekammern überführt und dort mit 1x TBE-Puffer überschichtet, bevor die PCR-Proben aufgetragen werden. Die Auswertung erfolgt mit Hilfe eines DNA-Größenstandards. Bp = DNA-Größenstandard 100 bp, G = DNA Vergleichsprobe CFTR-Gen, D = DNA Vergleichsprobe CFTR-Gen einer Deletionsmutante

Die Agarose-Gele können im Schlitten in die Elektrophoresekammern überführt werden.

1x TBE-Puffer zum Überschichten

35 mL

Pro DNA-Probe (A, B, G, D)

20 μL

DNA-Größenstandard

12 μL

Wichtig

Vor dem Auftragen der Proben werden die Agarose-Gele jeweils mit 30 mL 1x TBE-Puffer überschichtet. Nutzen Sie maximal 35 mL 1x TBE-Puffer zum Überschichten der Gele in der Elektrophoresekammer, da der Puffer sonst überläuft!

Wichtig

Pro Agarose-Gel können acht PCR-Proben und ein DNA-Größenstandard aufgetragen werden. Es empfiehlt sich, den DNA-Größenstandard mittig zwischen die vier PCR-Proben von Gruppe 1 und Gruppe 2 aufzutragen.

Wichtig

Vermeiden Sie Berührungen mit Ihrer Pipettenspitze beim Auftragen der Proben am Boden der Probenkammer, da diese sonst beschädigt wird (► Abschn. 5.4.2).

Wichtig

Notieren Sie sich die Reihenfolge, in der Sie die Proben aufgetragen haben.

Verschließen Sie die Elektrophoresekammer. Drücken Sie den run-Knopf und führen Sie die Elektrophorese für 15–20 min durch.

Achten Sie darauf, dass die Banden des DNA-Größenstandards im Bereich 400–800 bp gut aufgelöst, d. h. gut sichtbar voneinander getrennt sind.

Nach ca. 15–20 min ist die Gelelektrophorese abgeschlossen. Das Gerät kann jetzt ausgeschaltet werden.

Tipp

Die Auftrennung der DNA Proben kann durch Betätigung des illuminator-Knopfs auf dem Gerät während der Gelelektrophorese verfolgt werden. Wird das Licht zu häufig während der Auftrennung angeschaltet oder dauerhaft angelassen, kann das zum Ausbleichen der Proben führen.

Drücken Sie nach Beendigung der Elektrophorese den illuminator-Knopf und dokumentieren Sie pro Gruppe Ihr Ergebnis. Die Agarose-Gele können mit dem Smartphone fotografiert werden.

6.3 Ergebnisinterpretation

In diesem letzten Schritt können die DNA-Banden im Agarose-Gel analysiert werden. Je kleiner die DNA-Fragmente sind, desto schneller wandern sie im Agarose-Gel nach unten. Große DNA-Fragmente werden durch die Agarose-Matrix stärker zurückgehalten und sind nach der Gelelektrophorese demnach weiter oben im Agarose-Gel zu finden (► Abschn. 3.2). Durch den Vergleich der DNA-Fragmente mit den definierten Banden des DNA-Größenstandards kann die Anzahl der Basenpaare in den Proben abgeschätzt werden. Der Vergleich der Laufweiten der DNA-Proben A und B mit den Kontrollproben ermöglicht dann eine Interpretation des Ergebnisses.

Ihr gewähltes Szenario beeinflusst die Ergebnisinterpretation. Entweder können Sie einen begründeten Verdacht zum Tathergang abgeben. Alternativ können Sie im Rahmen der Pränataldiagnostik eine Aufklärung zu vorliegenden Gendefekten vornehmen (► Abschn. 6.2).

Im Vergleich zu den Genen sind die PCR-Produkte der Deletionsmutanten auf dem Agarose-Gel als kleineres PCR-Fragment zu erkennen. Entsprechend kann die DNA-Probe D (Deletionsmutante) bei etwa 400 bp lokalisiert werden. Die Kontrolle G liefert bei etwa 800 bp eine DNA-Bande (◘ Abb. 6.6). Entsprechend können folgende Ergebnisse für den Genotyp und Phänotyp abgeleitet werden ◘ Tab. 6.2.

Abb. 6.6
figure 6

Schematische Darstellung des 1,6 %-igen Agarose-Gels der DNA-Vergleichsproben G und D. Bp = DNA-Größenstandard 100 bp, G = DNA Vergleichsprobe CFTR-Gen, D = DNA Vergleichsprobe CFTR-Gen einer Deletionsmutante

Tab. 6.2 Ergebnisinterpretation Genotyp und abgeleiteter Phänotyp

Wie im späteren ► Abschn. 6.5 erklärt wird, sind sehr viele verschiedene Mutationen bekannt, die zu Mukoviszidose führen können. In diesem unterrichtlichen Kontext wird nur eine mögliche Deletionsmutation betrachtet, allerdings sollten Sie sich als Lehrkraft über die anderen Mutationen im Klaren sein. Dieses komplexe Zusammenspiel könnte an dieser Stelle gut angesprochen werden.

Der Erfolg des Versuchs kann maßgeblich durch Vermeiden einiger möglicher Fehlerquellen gesteigert werden. Diese werden im ► Kap. 5 bei der allgemeinen Durchführung der Methoden explizit mit Lösungsvorschlägen erläutert.

6.4 Checkliste

Im Folgenden finden Sie eine Auflistung aller notwendiger Reagenzien und Lösungen, sowie Hinweise zu deren Herstellung.

Für einen reibungsfreien Ablauf der praktischen Einheit in Ihrem Unterricht können Sie mehrere Vorbereitungen vornehmen. Genauere Informationen dazu entnehmen Sie bitte ► Kap. 5. Diese sind für ► Kap. 6, 7, 8, und 9 identisch.

Die Angaben und Empfehlungen in diesem Kapitel werden häufig in Gruppen angegeben. Diese sind darauf ausgerichtet, den Versuch einmal vollständig durchzuführen. Sie können individuell entscheiden, mit welcher Gruppenstärke Sie die Versuche durchführen wollen. In diesem Teil empfiehlt sich, maximal in Vierergruppen einzuteilen, da so jede*r Schüler*in mindestens eine Probe vollständig pipettieren kann.

6.4.1 Reagenzien

  • EZ PCR Master Mix™ (2x), Load Ready™ (miniPCR™, USA): PCR-Puffer, Mg2+ Ionen, Taq-DNA-Polymerase, dNTPs (Deoxynukleosidtriphosphate), DNA-Auftragspuffer, 2x konzentriert

  • Crime Lab Primer Mix, Load Ready™ (miniPCR™, USA): Primervorwärts, Primerrückwärts

In ◘ Tab. 6.3 finden Sie Angaben, wie Sie die Reagenzien an eine Gruppe ausgeben können.

Tab. 6.3 Angaben über Volumina der Reagenzien zur Ausgabe an eine Gruppe

6.4.2 TBE-Puffer

Für die Agarose-Gel-Herstellung und die Agarose-Gelelektrophorese müssen Sie 1x TBE-Puffer herstellen. ◘ Tab. 6.4 zeigt, wie Sie abhängig von dem Konzentrat 1x TBE-Puffer herstellen. Bei der Herstellung wird destilliertes Wasser verwendet.

Tab. 6.4 Herstellung von 1x TBE-Puffer unterschiedlicher Volumina

Wichtig

Pro Agarose-Gel werden 30 mL 1x TBE-Puffer für seine Herstellung benötigt. Für die Agarose-Gelelektrophorese werden weitere 30 mL 1x TBE als Laufpuffer verwendet. Hierzu wird jedes Agarose-Gel vor dem Auftragen der Proben mit 30 mL 1x TBE-Puffer überschichtet.

Entsprechend ist die benötigte Menge an 1x TBE-Puffer direkt von der Menge benötigter Gele abhängig. Wie Sie bei der Berechnung vorgehen und nähere Informationen zur individuell benötigten Menge an 1x TBE-Puffer finden Sie unter ► Abschn. 6.4.3.

Wichtig

Der 1x TBE-Puffer kann bei Raumtemperatur gelagert werden. Eine Verwendung ist so lange möglich, wie keine Flocken in der Lösung erkennbar sind.

6.4.3 Agarose-Gel-Herstellung

Für die Herstellung der Agarose-Gele können Sie sich an ◘ Abb. 6.4 orientieren.

  • Agarose für DNA-Elektrophorese (SERVA, Deutschland)

  • TBE-Puffer (SERVA, Deutschland): Tris, EDTA-Na2- Salz, Borsäure

  • DNA-Stain GelGreen® nucleic acid gel stain (miniPCR™, USA): 10.000x in Wasser

  • DNA-Größenstandard (miniPCR™, USA): 12 Banden im Bereich von 100–3000 bp

Alternativ kann TAE-Puffer (Tris, EDTA-Na2- Salz, Essigsäure; SERVA, Deutschland) verwendet werden.

Tipp

Für den schulischen Gebrauch empfiehlt sich TBE-Puffer zu verwenden:

  • Die vollständige Auspolymerisierung des Agarose-Gels verläuft im Vergleich zur Verwendung von TAE-Puffer schneller.

  • Agarose-Gele mit TBE-Puffer sind bei der Handhabung weniger empfindlich.

Wichtig

Achten Sie darauf, dass sich die Agarose für die DNA-Analyse mittels Elektrophorese eignet.

Die nötigen Angaben für ein 1,6 % -iges Agarose-Gel entnehmen Sie aus ◘ Tab. 6.5.

Tab. 6.5 Angaben zur Herstellung eines 1,6 %-igen Agarose-Gels

Wichtig

Tragen Sie Handschuhe bei der Herstellung und Beladung der Agarose-Gele.

Bei diesem Versuch können pro Gel acht Proben und ein DNA-Größenstandard aufgetragen werden. Entsprechend können sich jeweils zwei Gruppen ein Gel teilen.

Die Anzahl der benötigten Agarose-Gele berechnet sich wie folgt:

$$ Anzahl\kern0.5em Gele\kern0.5em f\ddot{\textrm{u}}r\kern0.5em 2\kern0.5em Gruppen\kern0.5em =\kern0.5em \frac{Gesamtanzahl\kern0.5em Gruppen\kern0.5em \times \kern0.5em 4}{8}\kern0.5em =\kern0.5em \frac{Gesamtanzahl\kern0.5em Gruppen}{2} $$
(6.1)

Berechnungsbeispiel:

Bei einer Klasse mit 24 Schüler*innen (entspricht zwölf 2er-Gruppen) werden sechs Gele benötigt. Die nötige Menge an TBE-Puffer (1x konzentriert) in mL lässt sich wie folgt berechnen:

$$ {TBE}_{Puffer}\kern0.5em mL\kern0.5em =\kern0.5em \left( Anzahl\kern0.5em Gele\kern0.5em x\kern0.5em 60\kern0.5em mL\right)\kern0.5em +\kern0.5em 60\kern0.5em mL $$
(6.2)

Bei sechs Gelen benötigen Sie demnach 420 mL einer einfach konzentrierten TBE-Puffer Lösung. In dieser Angabe ist die Menge an TBE-Puffer für das Gießen der sechs Agarose-Gele sowie für die Verwendung als Laufpuffer in der Agarose-Gelelektrophorese einkalkuliert. Zudem werden bei dieser Berechnung zwei Fehlversuche bei der Agarose-Gel Herstellung mitberücksichtigt. Anhand der Beispielrechnung würden Sie sich 500 mL 1x TBE-Puffer herstellen. Ausgehend von einem 10x TBE-Konzentrat würden Sie für die Herstellung 50 mL 10x TBE-Konzentrat mit 450 mL destilliertem Wasser versetzten, um so Ihren 1x TBE-Puffer zu erhalten. Der Rechenweg ist nachfolgend dargestellt. Zur Herstellung des 1x TBE-Puffers lässt sich die benötige Menge an TBE-Konzentrat in mL wie folgt berechnen:

$$ Menge\kern0.5em {TBE}_{Konzentrat}\kern0.5em mL\kern0.5em =\kern0.5em \frac{Gesamtvolumen\kern0.5em 1x\kern0.5em TBE\kern0.5em -\kern0.5em Puffer\kern0.5em mL}{Faktor\kern0.5em des\kern0.5em Konzentrats} $$
(6.3)

Für unser Beispiel ergeben sich so:

$$ Menge\kern0.5em 10x\kern0.5em {TBE}_{Konzentrat}\kern0.5em mL\kern0.5em =\kern0.5em \frac{500\kern0.5em mL}{10}\kern0.5em =\kern0.5em 50\kern0.5em mL $$
(6.4)

Die Menge an destilliertem Wasser in mL ergibt sich dann wie folgt:

$$ Menge\kern0.5em H2{O}_{dest.}\kern0.5em mL\kern0.5em =\kern0.5em Gesamtvolumen\kern0.5em 1x\kern0.5em TBE\kern0.5em -\kern0.5em Puffer\kern0.5em mL\kern0.5em -\kern0.5em Menge\kern0.5em {TBE}_{Konzentrat}\kern0.5em mL $$
(6.5)

Bezogen auf unser Beispiel ergibt sich:

$$ Menge\kern0.5em H2{O}_{dest.}\kern0.5em mL\kern0.5em =\kern0.5em 500\kern0.5em mL\kern0.5em -\kern0.5em 50\kern0.5em mL\kern0.5em =\kern0.5em 450\kern0.5em mL $$
(6.6)

6.5 Fachwissenschaftliche Information für Lehrkräfte

Bei der Zystischen Fibrose, welche auch unter dem Namen Mukoviszidose bekannt ist, handelt es sich um eine autosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselerkrankung (Farrell et al., 2017). Diese ist innerhalb der nördlich-europäisch abstammenden Populationen die am häufigsten vertretene Erbkrankheit (Gadsby et al., 2006; Liu et al., 2017).

Das CFTR-Protein fungiert als integrales Ionenkanalprotein und hält hierbei die korrekte Funktion der Lunge, Bauchspeicheldrüse und des Darms aufrecht (Zhang et al., 2018). Es konnte gezeigt werden, dass je nach vorliegendem Zustand des Ionenkanals (geschlossen oder geöffnet) das CFTR zwei unterschiedliche Konformationen einnehmen kann (◘ Abb. 6.7). Ist der Kanal geschlossen, besitzt das CFTR-Protein eine invertierten V-Struktur (Liu et al., 2017). Die R-Domäne ist hierbei dephosphoryliert und verhindert sterisch die Bindung von ATP an die Nukleotidbindedomänen (NBDs, ◘ Abb. 6.7, links). Folglich ist die zur Öffnung des Ionenkanals erforderliche Dimerisierung der NBD1 mit der NBD2 ausgeschlossen (Zhang et al., 2018). Die durch Proteinkinase A induzierte strukturelle Veränderung der regulierenden Domäne leitet die ATP-abhängige Dimerisierung der Nukleotidbindedomänen ein (◘ Abb. 6.7, rechts). Im Vergleich zur invertierten V-Konformation nimmt CFTR eine kompakte vergrößerte Struktur ein. Die konformationelle Änderung führt zur Öffnung des Membrankanals (Zhang et al., 2018) (◘ Abb. 6.7, rechts).

Abb. 6.7
figure 7

Schematische Abbildungen des humanen CFTR-Proteins in geschlossener und geöffneter Konformation. Die schematische Darstellung des Ionenkanal-Proteins erfolgt mit Einbettung in die Phospholipid-Doppelmembran. Das CFTR-Protein besteht aus zwei Untereinheiten, die jeweils aus zwei Transmembrandomänen aufgebaut sind. Die Rechtecke in Magenta stellen dabei die Transmembranhelices dar. Links: Im geschlossenen Zustand (dephosphoryliert, ATP-ungebundenen) nimmt das CFTR eine invertierte V-Konformation ein. Rechts: Bei geöffnetem Ionenkanal (phosphoryliert, ATP-gebunden) ist die Struktur dagegen kompakt und vergrößert. Die R-Domäne (Regulierende Domäne, grün) wird durch die Proteinkinase A phosphoryliert und ändert dadurch ihre Konformation. Die ATP-abhängige Dimerisierung der Nukleotidbindedomänen (NBD1 und NBD2, gelb) bedingt eine konformationelle Änderung der kompletten CFTR-Struktur. Der Ionen-Kanal öffnet sich, wodurch ein Abtransport der Chlorid-Ionen in den Extrazellularraum möglich wird

Durch Mutationen im CFTR-Gen kann eine Fehlfunktion des zur Transporterklasse gehörenden integralen Ionenkanal-Proteins hervorgerufen werden, welches am Transport von Chlorid-Ionen durch die Zellmembran beteiligt ist (Csanády et al., 2005; Riordan et al., 1989).

Die Fähigkeit des mutierten CFTR-Proteins, den Wasser- und Salztransport in der Plasmamembran und Epithelzellen zu regulieren, ist dadurch nicht mehr gegeben. Folglich ist der Abtransport von Chlorid-Ionen eingeschränkt oder kommt zum Erliegen. Dadurch verändert sich die Zusammensetzung einer Vielzahl von Sekreten, z. B. Bronchialsekret, Sekret der Bauchspeicheldrüse und der Galle, ins Zähflüssige. In den betroffenen Organen führt dies zu unterschiedlichen Funktionsstörungen, welche häufig mit Atemwegsbeschwerden einhergehen. Größtenteils kann die Todesursache auf chronische bakterielle Infektionen oder Lungenentzündung zurückgeführt werden, welche durch die Mucusbildung entstehen (Gadsby et al., 2006).

Bis heute konnten mehr als 2000 Zystische Fibrose verursachende Mutationen identifiziert werden (Ensinck et al., 2020). Darunter können zwei Drittel aller Erkrankungen mit Zystischer Fibrose auf eine einzelne Punktmutation im CFTR zurückgeführt werden (Gadsby et al., 2006). Die bekannteste Mutation ∆F508 ist in NBD1 lokalisiert und führt durch Verlust der Aminosäure Phenylalanin an Position 508 der AS-Sequenz zu einer anormalen Faltung des Proteins. Dadurch wird dieses im Proteasom abgebaut und nicht in die Zellmembran integriert (Lewis et al., 2005; Riordan et al., 1989). Die Ausbildung des Ionen-Kanals ist in diesem Fall nicht mehr möglich.

Das vollständige Fehlen des CFTR-Proteins, verkürzte Varianten, sowie ein komplett ausgebildeter Ionenkanal mit reduzierter Chlorid-Ionen-Kapazität sind mutative Folgen, welche ebenfalls Zystische Fibrose auslösen (Gadsby et al., 2006). Es gibt bis heute keine Heilungsmöglichkeiten der Krankheit. Die Lebenserwartung von Patienten mit Zystischer Fibrose liegt bei circa 40 Jahren (Zhang et al., 2018). Um zukünftig personalisierte Medikamente entwickeln zu können, versuchen Wissenschaftler, die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen der Mutationen zu verstehen.

6.6 Didaktische Überlegungen für Ihren Unterricht

6.6.1 Lehrplanbezug und Kompetenzförderung

Mit diesem Modul können wichtige Standardmethoden der DNA-Analyse praktisch durchgeführt werden (► Kap. 3). Zugunsten einer schnelleren Durchführung und einer deutlich vereinfachten Handhabung wird hier mit vorgefertigten DNA-Proben gearbeitet. Dies hat zur Folge, dass die ausgelassenen Schritte der Probenaufbereitung ggf. im Unterricht angesprochen werden sollten, um den Wechsel von der Phänotyp- zur Gen-Ebene explizit zu machen und damit Verständnisschwierigkeiten grundlegender Begriffe der Genetik vorzubeugen (► Abschn. 6.6). Der persönliche Bezug durch die eigene DNA-Extraktion entfällt in diesem Fall. Entsprechende Angaben zur Durchführungsdauer und Variationen finden Sie in ► Abschn. 6.2.

Diese besondere Vereinfachung erlaubt es, diesen Versuchsteil bereits in der 9. Jahrgangsstufe umzusetzen und dort frühzeitig unter der Perspektive des naturwissenschaftlichen Arbeitens in die Handhabung technischer Geräte im Labor einzuführen.

Beim schülerorientierten Kontext Kriminalfall handelt es sich lediglich um einen Vorschlag. Das biologische Konzept der Erbkrankheit am Beispiel der Zystischen Fibrose knüpft in diesem Zusammenhang an zentrale Aspekte zur Genetik und Vererbung an und eröffnet die Perspektive zur Lebenswelt und zu gesellschaftlich relevanten Fragestellungen. Diese und ähnliche Krankheiten werden z. B. im bayerischen Lehrplan genannt (ISB, 2015) und können dem Basiskonzept Entwicklung (Reproduktion) zugeordnet werden. Neben Zystischer Fibrose eignet sich auch jeder andere genetische Kontext, der auf einer Deletion basiert. Wenn Sie den Versuch in die Auflösung eines Kriminalfalls einbetten wollen, können sie zusätzlich mit Ihren Schüler*innen die Zulässigkeit solcher Indizien vor Gericht diskutieren. Nach deutschem Gesetz ist die Analyse der DNA hinsichtlich personenbezogener Eigenschaften als Beweismittel unzulässig, weshalb sich die Kriminalistik bei ihren Analysen auf nicht-kodierende Bereiche der DNA bezieht (Hohoff & Brinkmann, 1999), beispielsweise bezieht das FBI (Federal Bureau of Investigation) 13 STR-loci (short tandem repeat) in ihre DNA-Analyse mit ein (McNamara-Schroeder et al., 2006).

Ein weiterer Kontext, der sich in diesem Fall anbietet, ist die Pränataldiagnostik. Bei der Chorionzottenbiopsie, einem invasiven Verfahren, können genetische Veränderungen beim Kind vor der Geburt festgestellt werden. Zu den identifizierbaren Krankheiten gehört neben den verschiedenen Trisomien auch Mukoviszidose (Weichert & Eckmann-Scholz, 2012). In diesem Szenario könnten Sie in Ihrer Unterrichtsreihe auch ethische Gesichtspunkte berücksichtigen. Ändern Sie einfach die Beschriftungen der vorgefertigten DNA-Proben ► Abschn. 6.2.1 von „Täter“ zu „Mutter“, dann können Sie entsprechend die DNA aus zwei verschiedenen Chorionzottenbiopsien miteinander vergleichen.

Mit der variablen Kontextgestaltung in diesem Modul können Sie verschiedene Lernbereiche adressieren. Mögliche Kompetenzerwartungen sind exemplarisch mit Beispielen aus dem bayerischen Lehrplan in ◘ Tab. 6.6 gezeigt.

Tab. 6.6 Lernbereiche und Kompetenzerwartungen am Beispiel Tatort DNA

Insgesamt lässt sich dieses Modul sehr gut in seiner thematischen Tiefe variieren. Durch das einfache Handling und die schnelle Durchführung können Sie entweder den Fokus vollkommen auf die Einübung der molekularbiologischen Methoden legen oder zusätzlich genetische Aspekte bis hin zur Ethik einbeziehen.

6.6.2 Schülerorientierung

Ausgehend von den fachwissenschaftlichen Grundlagen des Kontextes und den realen Ermittlungsmethoden der Polizei können lehrplanrelevante Begriffe der Genetik aufgegriffen und zur Kompetenzförderung mit den Schüler*innen reflektiert werden (► Abschn. 6.6.1). Die Einbindung dieser Versuche in einen forensischen Kontext ermöglicht die Reflexion der Begriffe Phänotyp und Genotyp, deren Unterscheidung Schüler*innen häufig schwerfällt (Kattmann, 2005b; Lewis & Kattmann, 2004). Die unterschiedlichen Ebenen des Geno- und Phänotyps werden häufig gleichgesetzt, indem Genen die Eigenschaften des Merkmals, z. B. krank, zugesprochen werden. Des Weiteren wird häufig ein Zusammenhang von einem Gen zu einem Merkmal gezogen und die zwischengeschaltete Proteinebene völlig außer Acht gelassen, genauso wie Merkmale, die auf einer Vielzahl von Genen und deren Zusammenspiel beruhen. Entsprechend ist unser Phänotyp die Summe aller Merkmale, die genetische Ursachen haben können. Diese genetischen Grundlagen von Merkmalen reichen zur eindeutigen Personenidentifizierung allerdings nicht aus: Kodierende DNA-Sequenzen sind dafür bei Menschen nicht variabel genug, weil Gene in eindeutige Proteinsequenzen umgesetzt werden müssen, damit diese im Organismus funktionsfähig sind (► Abschn. 6.5). Damit dieselbe Aminosäure kodiert wird, können nur bestimmte Basentripletts an der entsprechenden Stelle der kodierenden Gensequenz stehen (vgl. Code-Sonne). Bei den nicht-kodierenden Bereichen ist diese Varianz deutlich höher, deshalb werden diese Bereiche zur Personenidentifikation DNA-Ebene gewählt. Sie bilden im Phänotyp kein sichtbares Merkmal aus.

Die Reflexion der Gesetzeslage und die Gegenüberstellung nicht-kodierender und kodierender loci der DNA kann damit sowohl dabei helfen, die verschiedenen Systemebenen von DNA, Genen und Proteinen in Beziehung zu setzen, als auch die Begriffe Gen und Merkmal zu unterscheiden (Kattmann, 2005b) (◘ Abb. 6.8).

Abb. 6.8
figure 8

Darstellung der Zusammenhänge zwischen genetischen und phänotypischen Grundlagen sowie deren Verknüpfung mit molekularbiologischen Methoden. Am Beispiel Tatort DNA wird der Ebenenwechsel (Genotyp – Analyse – Phänotyp) grafisch verdeutlicht

Im Kontext der Pränataldiagnostik kann das Präkonzept der Konstanz des Vererbten adressiert werden (Kattmann, 2005a) (► Kap. 4). Anhand dieses Beispiels können Stammbaumanalysen und Mutationsraten hinzugezogen werden, um die andauernde Veränderung der genomischen DNA zu verdeutlichen. Nach Schwanewedel et al. (2008) sind multifaktorielle Erkrankungen dazu besonders geeignet, weil diese über die Gene hinaus auch von Umweltfaktoren abhängen. Je nach Umgebung (Umwelt) können die gleichen Gene zu unterschiedlichen phänotypischen Ausprägungen führen oder eine Mutation der Gene einen oder keinen Effekt im Phänotyp zeigen.

Das Krankheitsbild Mukoviszidose kann auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden: Auf genetischer Ebene kann zwischen nativem und mutiertem Gen unterschieden werden. Diese Mutationen haben unterschiedliche Auswirkungen auf die Proteinebene. Die Proteinebene wäre in diesem Kontext entsprechend die zweite Ebene. Die dritte Ebene spielt sich zellulär ab und beinhaltet die Funktionalität des Proteins im Milieu. Je nach Mutation kann das Protein seine Funktion zumindest teilweise erfüllen. In diesem Modul ist als Beispiel eine Mutation gewählt, bei der das Protein seine Funktion überhaupt nicht erfüllen kann, weil es vorher abgebaut wird. Eine eingeschränkte oder fehlende Funktionalität hat auf der vierten Ebene, dem Gesamtsystem, Auswirkungen, die in diesem Fall symptomatischer Art sind. In diesem Beispiel wäre das die Mucusbildung. Reflektieren Sie entsprechend mit Ihren Schüler*innen, was die Methoden zeigen und welche Rückschlüsse mit welcher Begründung getroffen werden (◘ Abb. 6.8). Haarwurzel (Phänotyp) → DNA Extraktion (Methode) → PCR zeigt kurzes Fragment (Methode) → Deletionsmutation (Genotyp) → Abbau des Proteins (Proteinebene) → Mucusbildung (Zellebene) → Symptome von Mukoviszidose (Gesamtsystem, direkt beobachtbar).

Nach Kattmann kann ein derartiger Perspektivenwechsel zur Förderung des Verständnisses beitragen (Kattmann, 2015).

6.6.3 Umsetzung des Moduls Tatort DNA mit Flipped Classroom

Die Unterrichtsmethode Flipped Classroom kehrt die Unterrichtsphasen Erarbeitung und Übung (Hausaufgaben) um: Statt (fachliche) Inhalte unter Lenkung der Lehrkraft im Unterricht zu erarbeiten, werden Schüler*innen in einer Vorbereitungsphase mit geeigneten Materialien für selbstständige Lernphasen zu Hause versorgt, um im Präsenzunterricht den Schwerpunkt auf die (praktischen) Übungen, Anwendungen von neu erlerntem Wissen und Feedback zu den bisherigen Lerninhalten zu legen (z. B. Finkenberg & Trefzger, 2019). Aktuelle Meta-Studien zeigen für die Lernwirksamkeit der Methode gegenüber dem traditionellen Unterricht im MINT-Bereich mittlere Effekte, insbesondere, wenn Erklärvideos während der heimischen Vorbereitungsphase eingesetzt werden (Akçayır & Akçayır, 2018; Wagner et al., 2020).

Die hier vorgestellte praktische Unterrichtseinheit im Umfang einer Doppelstunde zu den molekularbiologischen Methoden PCR und Agarose-Gelelektrophorese ist in Übereinstimmung mit diesen Befunden daher gut geeignet, um sie mit einem Flipped Classroom durchzuführen und den Fokus der Erarbeitung und Übung im Präsenzunterricht vollständig auf die neue biotechnologische Methodik zu legen.

In der heimischen Vorbereitungsphase können mit Blick auf den Präsenzunterricht zentrale Konzepte der Genetik (DNA-Replikation, Mitose/Meiose, Chromosomenaberrationen und erbliche Krankheiten auf deren Basis) aus vorangegangenem Unterricht eigenständig wiederholt und die biotechnologischen Methoden anhand des digitalen Begleitmaterials theoretisch vorbereitet werden (► Abschn. 6.7). Diese Vorbereitung kann auch dazu beitragen, Verständnisschwierigkeiten bzgl. der Systemebenen und der zentralen Begriffe Phänotyp und Genotyp zu identifizieren (► Abschn. 4.2). Der hier genutzte Kontext eines Kriminalfalls kann anhand populärer filmischer Videosequenzen aus den Mediatheken des öffentlichen Rundfunks oder Fernsehens für die Schüler*innen interessant gemacht werden (analog für den Vaterschaftstest o. ä.). Idealerweise werden die Schüler*innen dadurch angeregt, in der Vorbereitung eigene Problemfragen zu der neuen Untersuchungsmethode auf der Basis ihres Vorwissens zu generieren und erste Ideen zu entwickeln, wie man sich die vorgestellte molekularbiologische Methodik bei der Untersuchung menschlicher DNA zunutze machen kann.

In der Präsenzphase liegt der Fokus auf der praktischen Erarbeitung der DNA-Analyse mithilfe der PCR und Agarose-Gelelektrophorese. Als naturwissenschaftliche Arbeitsweisen können hier das Beobachten und Vergleichen sowie das datengestützte Argumentieren explizit geübt werden (KMK, 2005, 2020). Während des praktischen Vorgehens sollten immer wieder explizit Rückbezüge zu den bereits wiederholten Inhalten und neu erarbeiteten theoretischen Grundlagen zur Methodik aus der Heimarbeitsphase integriert werden, um Parallelen zwischen dem biologischen Prozess der DNA-Replikation und seiner gezielten biotechnologischen Nutzung zu verdeutlichen. Wichtig ist, dass keine Zeit dafür verloren geht, ganze Themenblöcke, die durch Schüler*innen bereits zu Hause erarbeitet wurden, noch mal vorzustellen und zu wiederholen, entsprechend ist die sorgfältige häusliche Vorbereitung der Schüler*innen für den Erfolg der Methode Flipped Classroom von großer Bedeutung (Akçayır & Akçayır, 2018). Die Vorbereitungsmaterialien sollten daher so gestaltet sein, dass Schüler*innen motiviert sind, sich selbstständig damit auseinanderzusetzen. Hierzu gehören Lernmaterialien, die inhaltlichen Bezug auf interessante Kontexte aus dem Alltag und der Lebenswelt der Schüler*innen nehmen. Deren Schwierigkeit sollte an das Vorwissen der Lerngruppe angepasst sein, ggf. müssen Hilfestellungen angeboten werden. Auch sollten Sie verschiedene Darstellungsformen miteinander kombinieren, z. B. Erklärvideos, Texte mit animierten bildlichen Darstellungen komplexer Sachverhalte auf Zellebene, Simulationen zur Überprüfung von Ursache-Wirkungs-Beziehungen, Lernaufgaben mit Feedback etc. Ausgewählte Materialien finden Sie im Online-Material (► Abschn. 6.7).

6.7 Online-Material

Zur weiteren Vertiefung steht Ihnen zusätzliches Material online zur Verfügung (sn.pub/rEt5bJ). Unter anderem finden Sie dort die Flussdiagramme zu den Abläufen des praktischen Vorgehens in detaillierter Ausführung. Diese eigenen sich als Arbeitsanweisungen für Schüler*innen für die praktische Umsetzung und können direkt ausgedruckt werden. Entsprechend stehen Ihnen auch die Bild- und Videodateien zur Nutzung im Unterricht zur Verfügung.

Des Weiteren finden Sie dort verschiedene Aufgabenformate zu versuchsspezifischen Fragen. Die Musterlösungen zu Übungsaufgaben auf den dort erhältlichen Arbeitsblättern werden Ihnen online ebenfalls zur Verfügung gestellt.

Auszug eines Arbeitsblatts für Tatort DNA

Die DNA der entführten Person konnte an Orten der Tatverdächtigen gefunden werden. Die entführte Person besitzt eine Mutation des CFTR-Gens.

Beschreiben Sie stichpunktartig die Versuchsdurchführung zur Identifizierung der möglichen Tatverdächtigen.

Das hier vorgestellte Modul Tatort DNA mit seinen molekularbiologischen Methoden kann ohne weitere Sicherheitsregularien an Schulen durchgeführt werden. Trotzdem können Sie online die entsprechenden Sicherheitsdatenblätter abrufen (sn.pub/rEt5bJ).

6. Zusammenfassung

Das Modul Tatort DNA ermöglicht mit einfachen Methoden eine intensive Auseinandersetzung mit molekularbiologischen Kontexten. Die praktische Durchführung einer PCR mit vorgegebenen DNA-Proben kann auch mit jüngeren Schüler*innen bereits in der Mittelstufe umgesetzt werden. Zusammen mit der Agarose-Gelelektrophorese lernen Schüler*innen damit den vollständigen Ablauf der DNA-Analyse im Unterricht kennen. Diese praktische Einheit kann in verschiedene Kontexte gesetzt und damit an die individuellen Bedürfnisse Ihres Unterrichts angepasst werden. In diesem Kapitel werden Ihnen dazu zwei Beispiele vorgestellt.

Dieses Kapitel enthält detaillierte Anleitungen zur Durchführung mit wichtigen Hinweisen für Lehrkräfte, wie man typische methodische Fehler und Präkonzepte zur Vererbung adressieren kann.