Da zur Planung gelungener Unterrichtskonzepte neben den Fachinhalten und Arbeitsweisen auch didaktische Überlegungen gehören, finden Sie in diesem Kapitel Anregungen zu verschiedenen didaktischen Bereichen.

4.1 Lehrplan und Kompetenzorientierung

Der thematische Aufbau der Bildungspläne und Kerncurricula unterscheidet sich je nach Bundesland, gleichwohl wurde durch die Einführung der Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss und für das Abitur (Kultusministerkonferenz, 2005, 2020) erreicht, dass die Kompetenzen von Schüler*innen in den naturwissenschaftlichen Unterrichtsfächern in vier bundeseinheitlichen Kompetenzbereichen Fachwissen, Erkenntnisgewinnung, Kommunikation und Bewertung an ausgewählten Beispielen der Bildungspläne gefördert werden sollen. Damit richtet sich der Fokus des Biologieunterrichts nicht mehr allein auf den Erwerb von in neuen Kontexten anwendbaren Fachkonzepten, sondern gleichfalls auf das Verständnis der wissenschaftlichen Methoden und der Erkenntnistheorie.

Um der Heterogenität der Schüler*innen gerecht zu werden und die Kompetenzen valide überprüfen zu können, sollten Aufgaben für den Unterricht und zu Prüfungszwecken abgestufte Schwierigkeiten aufweisen. Zur Orientierung dienen die Anforderungsbereiche in den Einheitlichen Prüfungsanforderungen im Abitur (Kultusministerkonferenz, 2004) und den Bildungsstandards (Kultusministerkonferenz, 2005, 2020); sie beschreiben Aufgabenschwierigkeiten in den vier Kompetenzbereichen. Unterschieden werden drei Niveaus: Der Anforderungsbereich I fordert die Reproduktion von Sachverhalten, Methoden und Fertigkeiten. Mit Aufgaben des Anforderungsbereichs II sollen Sachverhalte, Methoden und Fertigkeiten in einem neuen Zusammenhang genutzt werden (Reorganisation). Mit dem Anforderungsbereich III wird ein Wissenstransfer gefordert, bei dem Sachverhalte auch unter Einbezug des Vorwissens neu erarbeitet und reflektiert sowie bereits erlernte Methoden und Fertigkeiten eigenständig angewendet werden sollen (z. B. Kultusministerkonferenz, 2005, S. 16). Kennzeichnend für die Anforderungsbereiche II und III ist damit die Anwendung von Wissen in neuen Kontexten, die über die reine Reproduktion bekannter Sachverhalte hinausgeht.

Mit den Abschnitten Lehrplan und Kompetenzorientierung stehen daher ausgehend von den biologischen Basiskonzepten (Kultusministerkonferenz, 2004, 2020) fachliche Konzepte und Prinzipien im Mittelpunkt, die Anknüpfungspunkte für das Lernen in komplexen alltagsbezogenen Kontexten erleichtern und die wiederholte Anwendung in weiteren biologischen Themenbereichen ermöglichen sollen.

Der zentrale biologische Themenbereich aller hier vorgestellter Module ist im Sinne der Fachsystematik die Genetik. Entsprechend können unsere Module am leichtesten curricular valide in den Unterricht eingebunden werden, wenn diese Thematik lt. Bildungsplan der Mittel- und Oberstufe alljährlich auf der Agenda steht. Häufig werden bereits in der Mittelstufe genetische Grundbegriffe sowie Struktur- und Funktionsprinzipien thematisiert. Für jüngere Schüler*innen eignen sich daher besonders die Module Tatort DNA (► Kap. 6) und Taste Impossible (► Kap. 8), da die genetischen Grundlagen, auf denen die beiden Module basieren, vergleichbar sind. Tatort DNA ist durch das vereinfachte Methodenspektrum, bestehend aus PCR und Agarose-Gelelektrophorese an vorgefertigten DNA-Proben, praktisch auch gut mit jüngeren Schüler*innen durchführbar. Im Sinne der vertikalen Vernetzung von Wissen (Wadouh et al., 2009) kann eine wiederholte Implementation der neuen Methoden in zwei unterschiedlichen Kontexten durchaus sinnvoll sein, bei der in niedrigeren Jahrgangsstufen in die Thematik eingeführt wird und in höheren Jahrgangsstufen eine tiefere Reflexion sowohl der fachwissenschaftlichen Hintergründe als auch der praktischen Arbeitstechniken und des wissenschaftsmethodischen Zugangs (Mayer, 2007) erfolgt.

In allen Modulen in diesem Buch wird die genetische Variation adressiert, um die Vielfalt der Lebewesen am menschlichen Körper zu verdeutlichen und damit gleichzeitig die Variation innerhalb einer Spezies zu reflektieren. Die zusätzliche Verknüpfung von Genetik und Evolution kann zum tiefergehenden Verständnis beitragen (Baalmann et al., 2004), dafür eignen sich im Besonderen die Module Eat, Sleep, Repeat (► Kap. 7) und Food Wars Episode I (► Kap. 9).

Um die lebensweltlichen Bezüge zu betonen, kann der Zugang zu den Arbeitstechniken über multifaktorielle Erkrankungen und deren Auswirkungen auf der phänotypischen Ebene hergestellt werden. Dazu eignen sich im Besonderen die Module Tatort DNA (Bitam et al., 2015) (► Kap. 6) und Food Wars Episode I (► Kap. 9). Alternativ kann beim Modul Food Wars Episode II (► Kap. 10) der chemische Zugang zur Thematik über die Enzymkinetik und Proteinchemie erfolgen.

Die folgende Tabelle (◘ Tab. 4.1) zeigt die verschiedenen Basiskonzepte der Biologie, wie sie im Bayerischen Lehrplan definiert sind, im Kontext der hier präsentierten Module (S. f. S. u. B. ISB, 2022).

Tab. 4.1 Darstellung verschiedener Möglichkeiten, die bayerischen Basiskonzepte Biologie mit den vorgestellten Modulen zu adressieren (S. f. S. u. B. ISB, 2022)

4.2 Schülerorientierung

4.2.1 Schülervorstellungen: Fehleranfälligkeit des Denkens

Die Ursache für Denkfehler zu verstehen, ist pädagogisch wertvoller als ein bloßes Erkennen derselben (Kattmann, 2015). Es können vier zentrale Denkkonzepte definiert werden (Kattmann, 2015):

  • Ein unwillkürliches Übertragen des Bekannten auf das Unbekannte.

  • Dichotomes Denken.

  • Bildung von Typen.

  • Fixierung auf Zustände anstelle von Prozessen.

Seit einigen Jahren vollzieht sich in der Didaktik ein Perspektivenwechsel weg von der Einstellung, fachlich inkorrekte Vorstellungen von Schüler*innen seien lernhinderlich, hin zur aktiven Nutzung ebendieser Vorstellungen als Lernhilfen (Kattmann, 2015). Schülervorstellungen sind bedeutsam, da sie ihre Erklärungskraft im Alltag bewährt haben (Gropengießer, 2016; Hörsch & Kattmann, 2005). Es konnte nachgewiesen werden, dass Anthropomorphismen das Lernen biologischer Sachverhalte erleichtern und der Lernerfolg größer und nachhaltiger ist, wenn Alltagsvorstellungen bzw. Fehler im Unterricht angesprochen und reflektiert werden (Kattmann, 2005b, 2015). Perspektiven der Lernenden mit fachlich geklärten Konzepten in Beziehung zu setzen, hilft im Sinne der Didaktischen Rekonstruktion dabei, lernförderlichen Unterricht zu konstruieren (Kattmann, 2005a). Im Folgenden werden daher Schülervorstellungen beleuchtet, die Einfluss auf das Verständnis der hier vorgestellten fachlichen Sachverhalte haben können.

4.2.1.1 Genetik und Vererbung

Schüler*innen fällt es schwer, zwischen Genotyp und Phänotyp zu unterscheiden (Kattmann, 2005b; Lewis & Kattmann, 2004). ◘ Abb. 4.1 verdeutlicht die komplexen Zusammenhänge von Genotyp und Phänotyp und deren Verknüpfung über die drei verschiedenen Analyseschritte DNA-Extraktion, PCR und Agarose-Gelelektrophorese. Die Vermischung der beiden Ebenen geht so weit, dass Eigenschaften des Phänotyps und des Genotyps wechselseitig aufeinander übertragen werden (Kattmann, 2005b; Schwanewedel et al., 2008). Beispielsweise werden den Genen die Eigenschaften „krank“ bzw. „gesund“ direkt zugeschrieben (eine Beobachtung des Phänotyps wird auf den Genotyp übertragen) und davon ausgegangen, dass sich Genmerkmale unmittelbar im Erscheinungsbild wiederspiegeln (der Genotyp wird mit der Merkmalsausprägung im Phänotyp gleichgesetzt) (Schwanewedel, 2006; Schwanewedel et al., 2008).

Abb. 4.1
figure 1

Darstellung der Zusammenhänge zwischen genetischen und phänotypischen Grundlagen sowie deren Verknüpfung mit molekularbiologischen Methoden. Der Ebenenwechsel (Genotyp – Analyse – Phänotyp) wird allgemeingültig grafisch verdeutlicht

Des Weiteren werden die Begriffe Gen und Merkmal gleichgesetzt. In dieser Vorstellung wird die Informationsweitergabe der Gene als Substitut der Merkmalsweitergabe betrachtet (Kattmann, 2005b). Nach Kattmann fehlt Schüler*innen die Vorstellung des Gens als chemischer Stoff innerhalb eines Systems, dessen Wirkung biochemischer Natur ist (2005b), d. h., dass Genen selbst Eigenschaften wie „krank“ nicht zugesprochen werden sollten, da die tatsächliche Krankheit Ergebnis der Genwirkkette ist. Fehlt dieses Verständnis, werden Gene zu Bedeutungsträgern, denen große Macht zugesprochen wird (Kattmann, 2005b; Schwanewedel et al., 2008). In dem Kontext werden sie häufig mit Bakterien oder Viren gleichgesetzt und ihnen die Fähigkeit zur autonomen Entwicklung zugebilligt (Schwanewedel et al., 2008).

Darüber hinaus gehen Schüler*innen von einer Konstanz des Vererbten aus (Kattmann, 2005b). Diese Idee eines statischen Zustands des Genotyps beeinflusst direkt die Vorstellung, dass eine Veränderung der Gene immer negative Auswirkungen hat und als Normabweichung betrachtet wird (Schwanewedel et al., 2008).

4.2.1.2 Evolution, Anpassung und Selektion

Lernende empfinden Anpassung als schwieriges biologisches Konzept und nur wenigen gelingt es, ein fachlich orientiertes Verständnis von Evolution aufzubauen (Baalmann et al., 2004; Weitzel & Gropengießer, 2009).

Schüler*innen sehen Anpassung als gezieltes adaptives Handeln eines Individuums und binden sie damit an die Erkenntnis über die eigene Situation und Umgebung (Baalmann et al., 2004). Diese Erkenntnis kann bewusst oder unbewusst sein. Anpassung geschieht nur aus einer Notwendigkeit heraus und ist in den Augen der Schüler*innen immer zielgerichtet. Die individuelle Beeinflussung der genetischen Ausstattung wurde im Rahmen der Evolutionstheorie von Lamarck gleichfalls diskutiert, jedoch zugunsten der Selektionstheorie von Darwin von der Wissenschaftsgemeinschaft verworfen (Burkhardt, 1970). Umweltbedingungen werden für diese Notwendigkeit verantwortlich gemacht und gelten als richtungsweisend. Damit ist Anpassung immer eine reaktive Konsequenz mit einem Start- und einem Endpunkt (Baalmann et al., 2004; Weitzel & Gropengießer, 2009).

In diesen Zusammenhang werden auch genetische Veränderungen gesetzt, wobei die Informationsweitergabe auf genetischer Ebene als Lernprozess und genetische Dominanz wörtlich verstanden wird (Baalmann et al., 2004). Genetische Vorstellungen werden von den Lernenden entsprechend so interpretiert, dass sie in das intentionale Konzept passen, d. h. dass das eigene Bewusstsein über eine notwendige Veränderung direkten Einfluss auf die Gene hat (Baalmann et al., 2004). Schüler*innen haben über die zugrundeliegenden Mechanismen kaum Vorstellungen und argumentieren v. a. über gezielte Kreuzung, die Suche eines passenden Lebensraums oder (Nicht-)Gebrauch. Zeitlich ordnen sie das Konzept Anpassung sehr heterogen ein: von innerhalb der Lebensspanne bis zu über Generationen hinweg (Baalmann et al., 2004).

Schüler*innen nehmen Art oder Rasse nicht als variable Größe wahr, sondern setzen sie mit dem Individuum gleich. Dadurch wird Evolution zu einem Prozess der Veränderung, der in allen Individuen einer Population in gleicher Weise vor sich geht. Zufällige, ungerichtete Aspekte der Mutation werden entsprechend abgelehnt (Baalmann et al., 2004).

4.2.1.3 Mikroorganismen

Obwohl Mikroorganismen sowohl in Organismen und Ökosystemen als auch in der biologischen und medizinischen Forschung eine elementare Rolle spielen, wird ihnen im Unterricht wenig Aufmerksamkeit geschenkt (Hörsch & Kattmann, 2005). Mikroorganismen sind für Schüler*innen nicht direkt erfahrbar und werden auch noch in der Oberstufe über Metaphern imaginativ vorgestellt (Hörsch & Kattmann, 2005). Schüler*innen ziehen in ihren Vorstellungen von Mikroorganismen häufig Parallelen zu Insekten bzw. Mikroben: vielzellig, massenhaftes und plötzliches Auftreten. Sie sprechen ihnen zielgerichtetes Handeln zu, damit sie ihre Aufgabe erfüllen können (Hörsch & Kattmann, 2005). Ihr Verständnis ist von einer Kampfmetaphorik geprägt, in der die Idealvorstellung eines keimfreien Menschen vorherrscht, der von guten Bakterien unterstützt und von schlechten Bakterien angegriffen wird (Hörsch & Kattmann, 2005).

4.2.1.4 Gesundheit

Der Einfluss der Genetik auf die Diagnostik und Prävention macht die Betrachtung von Gesundheit im genetischen Kontext nötig (Schwanewedel, 2006). Schüler*innen nehmen Gesundheit mehrdimensional auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene wahr (Schwanewedel, 2006). Dabei ist für sie entscheidend, wie gut ein*e Betroffene*r mit seinem Zustand umgehen kann und inwiefern seine Leistungs- und Handlungsfähigkeit eingeschränkt sind. Diese Einschränkungen werden ausschließlich an äußeren Kennzeichen festgemacht (Schwanewedel, 2006). In der Vorstellung der Schüler*innen können genetisch bedingte Erkrankungen durch Bakterien oder Viren sowie durch Missbrauch von Medikamenten oder Drogen ausgelöst werden (Schwanewedel, 2006). Eine genetisch bedingte Krankheit wird innerhalb der Familie vererbt und kann nur auftreten, wenn frühere Generationen sie bereits hatten. In diesem Zusammenhang wird eine genetisch bedingte Krankheit immer als Normabweichung betrachtet (Schwanewedel, 2006).

4.2.2 Kumulativer Wissensaufbau durch multiple Kontexte und Fachperspektiven

Das Denken in Vielfalt sollte geübt und eine Kategorisierung in Typen als denkökonomischer Ansatz reflektiert werden (Kattmann, 2015). Allgemein können Perspektiven der Schüler*innen in drei Formen genutzt werden: (1) Als Anknüpfungspunkt, (2) durch einen Perspektivenwechsel und (3) als Kontrast (Kattmann, 2015).

4.2.2.1 Gen und Merkmal

Eine bloße Betonung des Unterschieds zwischen den Begriffen Gen und Merkmal im Unterricht ist nicht ausreichend; die direkte Gegenüberstellung des Gens als Informationsträger und als chemischer Stoff innerhalb des Systems der Zelle mit biochemischer Wirkung erscheint sinnvoller (Kattmann, 2005b, 2015). Zusätzlich sollte deutlich gemacht werden, dass genetische Variation weder positiv noch negativ ist und in dem Zusammenhang vermehrt an Fallbeispielen, z. B. von multifaktoriellen Erkrankungen, gearbeitet werden (Schwanewedel et al., 2008). In Schulbüchern wird die rein mechanistische Betrachtung genetisch bedingter Krankheiten ohne die Einbeziehung äußerer Einflüsse als problematisch gesehen, weil dadurch eine Zuschreibung der Eigenschaften gesund und krank zu den Genen naheliegend ist (Schwanewedel et al., 2008). Im Unterricht sollte zusätzlich die Normvorstellung der Schüler*innen aufgegriffen und reflektiert werden (Schwanewedel et al., 2008).

4.2.2.2 Evolution

Das Unterrichten der Angepasstheit von Lebewesen ohne Bezug zu ungerichteten Prozessen wie Mutation oder Selektion unterstützt theologische und finale Vorstellungen der Schüler*innen (Baalmann et al., 2004). Ebenso ist ein alleiniges Betrachten der Genetik ohne evolutionären Kontext kontraproduktiv, da dadurch die Vorstellung von der Konstanz der Gene und nicht die wissenschaftlich aktuelle Sichtweise einer Variabilität durch Mutation geprägt wird (Baalmann et al., 2004). Weder die Widerlegung von Lamarcks Theorien noch die passive Betrachtung der Anpassung verhindern automatisch auch die Vorstellung einer Intentionalität (Baalmann et al., 2004). In diesem Zusammenhang scheint daher die Vernetzung der Themengebiete Genetik und Evolution dringend geboten. Es sollte deutlich werden, dass zufällig entstandene Eigenschaften auch nachfolgend Gegenstand der Selektion werden können und diese aufgrund der Wechselbeziehung zwischen Lebewesen und Umwelt geschieht (Baalmann et al., 2004). Darüber hinaus sollte die Bedeutung von Anpassung in verschiedenen Kontexten (lebensweltlich, stammesgeschichtlich) reflektiert werden (Weitzel & Gropengießer, 2009).

4.2.2.3 Mikroorganismen

Im Unterricht sollte Mikroorganismen weder ein Bewusstsein noch eine Absicht unterstellt werden (Hörsch & Kattmann, 2005). Dazu kann ein Perspektivenwechsel hilfreich sein, da eigenständige Lebensprozesse der Mikroorganismen zufällige Auswirkungen haben und nur aus Sicht des Menschen als gut oder schlecht zu bewerten sind (Hörsch & Kattmann, 2005). Des Weiteren sollte der Mensch als vielfältiger Lebensraum für Mikroorganismen dargestellt werden, der dauerhaft und notwendigerweise besiedelt wird, z. B. auf der Haut oder das Mikrobiom im Darm (Hörsch & Kattmann, 2005).

4.3 Methodische Empfehlungen für eine abwechslungsreiche Unterrichtsgestaltung

Mit Blick auf die Unterrichtsgestaltung können Sie das Buch und die in ihm beschriebenen Unterrichtsmethoden unterschiedlich einsetzen. Flipped Classroom (Akçayır & Akçayır, 2018; Finkenberg & Trefzger, 2019; Wagner et al., 2020), Digitales Kooperieren (Dillenbourg & Fischer, 2007; Vogel & Fischer, 2020; Weinberger et al., 2020) und das Gruppenpuzzle (Frey-Eiling & Frey, 2011; Preska, 2015; Tepner et al., 2009) sind als gut bekannte Methodenbausteine nicht zwingend an die bei uns verwendeten fachwissenschaftlichen Inhalte und wissenschaftliche Erkenntnismethoden gebunden; fühlen Sie sich frei, biologische Themen und Unterrichtsmethoden neu miteinander zu kombinieren, um die bestmögliche Förderung ihrer Schüler*innen unter Berücksichtigung ihrer Voraussetzungen und Interessen zu gewährleisten. Unsere vorgeschlagenen Unterrichtsmethoden orientieren sich an (moderat) konstruktivistischen Lerntheorien (Riemeier, 2007), die davon ausgehen, dass Schüler*innen bei der Bewältigung komplexer Aufgaben, wie Lernen in den Naturwissenschaften oder logisches Denken, neue Informationen aus einem temporären Speicher im Arbeitsgedächtnis mithilfe kognitiver Schemata aus dem Langzeitgedächtnis als Anknüpfungspunkte für neues Wissen und Prozeduren in die bestehenden Gedächtnisstrukturen integrieren können (Baddeley, 1992; Sweller et al., 1998). Gerade beim Lernen neuer, komplexer biologischer Konzepte und Erkenntnismethoden, ohne oder mit nur wenigen Vorkenntnissen, können die Lernenden wegen der begrenzten Kapazität des Arbeitsgedächtnisses jedoch Schwierigkeiten haben, ein adäquates Verständnis biologischer Strukturen und Prozesse sowie von deren Zusammenhängen aufzubauen. Insofern müssen Sie als Lehrkraft neben dem Einsatz der Unterrichtsmethoden stets situations- und adressatengerecht didaktisch entscheiden, inwieweit zusätzliche Hilfestellung im Sinne eines Scaffolding in einer komplexen experimentellen Lernumgebung erforderlich sind (Arnold, 2015; Arnold et al., 2017).

Sollte Ihnen ausreichend Zeit zur Verfügung stehen, um Molekularbiologie und Biotechnologie mehrfach in das schulische Biologiecurriuculum zu integrieren, lassen sich die praktischen Module (► Kap. 6, 7, 8, und 9) systematisch miteinander in fachinhaltlicher und wissenschaftsmethodischer Sicht vernetzen. Dabei können Sie sowohl durch die expliziten Referenzen an jeweils vorangegangene fachwissenschaftliche Inhalte (Wadouh et al., 2009) als auch durch das erneute Aufgreifen von bestimmten Arbeitstechniken oder wissenschaftlichen Erkenntnismethoden im Biologieunterricht einen kumulativen Wissensaufbau bei Ihren Schüler*innen aktiv unterstützen (Harms & Bünder, 1999). Damit sind das kumulative Lernen und das forschende Lernen die beiden didaktischen Leitprinzipien für dieses Buch. Sie bieten Ihnen eine Möglichkeit, ein schulinternes Curriculum der Biotechnologie gemeinsam mit ihrer Fachschaft zu entwickeln und diese Aktivitäten eng mit ihrem Schulprofil abzustimmen. Für spezielle Oberstufen wie Fachoberschulen oder berufliche Oberschulen (FOS/ BOS) mit biotechnologischem Profil kann dies durchaus attraktiv sein, sich ausgehend von den hier zu erwerbenden wissenschaftlichen Erkenntnismethoden in Richtung Forschungs- und Berufsorientierung zu begeben und damit optimal auf biowissenschaftliche und labormedizinische Berufsfelder sowie Berufsprofile von Wissenschaftler*innen wie Molekularbiolog*innen, Biochemiker*innen und entsprechende Ausbildungsberufe wie Laborassistent*innen vorzubereiten. Das kumulative Lernen und die Vernetzung bei wiederholter Verwendung genetischer Grundbegriffe und weiterer fachwissenschaftlicher Inhalte über verschiedene biologische Basiskonzepte wird am Beispiel der Kontexte in den jeweiligen Abschnitten zur Kompetenzförderung näher ausgeführt, u. a. ► Abschn. 6.6.1.

Möglicherweise weniger im Unterricht praktiziert ist eine differenzierte Betrachtung und Übung der wissenschaftlichen Erkenntnismethoden. Wir orientieren uns hierbei an dem von Mayer (2007) etablierten Modell, das ausgehend von den Arbeitstechniken zunehmend komplexere Vorgänge beim wissenschaftlichen Denken und Arbeiten beschreibt. Neben der praktischen Fähigkeit für die Durchführung von Untersuchungen und Experimenten ist das Verständnis der experimentellen Planung sowie der resultierenden Ergebnisse essenziell. Diese Komponenten gehören weniger zu einer praktischen Arbeitstechnik, die durch wiederholte Einübung routiniert ausgeführt werden kann, sondern sie sind anspruchsvolle wissenschaftliche Problemlöseprozesse (Hammann et al., 2006; Klahr, 2000; Klahr & Dunbar, 1988), die kognitiv erfasst und verarbeitet werden müssen. Sie erfordern darüber hinaus ein Verständnis darüber, wie und mit welchen Methoden Naturwissenschaftler*innen zu ihren Erkenntnissen kommen (Nature of Science (NOS)) (Arnold et al., 2017; Neumann & Kremer, 2013), wobei sich diese Herangehensweisen fundamental von den Geisteswissenschaften unterscheiden. Der experimentelle Zugang zu natürlichen Phänomenen zeichnet Naturwissenschaften aus, und es ist nicht selbstverständlich, dass aus der rein praktischen Durchführung ein Verständnis von Fachkonzepten angebahnt wird. Ferner ist das Verständnis von naturwissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen sowie NOS bei Schüler*innen häufig implizit und fehleranfällig (Arnold, 2015; Ehmer, 2008; Hammann et al., 2006).

In diesem Sinne muss forschendes Lernen mehrfach im Biologieunterricht veranlasst werden, um den Aufbau wissenschaftsmethodischer Kompetenzen zu ermöglichen und den Zusammenhang von experimentell gewonnenen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und daraus resultierenden Konzepten, Theorien und Modellen zu verdeutlichen. Während die praktische Durchführung von Arbeitstechniken im Physik-, Chemie- und Biologieunterricht sowohl in der Mittelstufe als auch in der Oberstufe regelmäßig eingeübt wird und die erhobenen Daten mit grafischen und mathematischen Methoden ausgewertet werden, ist die Beteiligung der Schüler*innen an dem Entwurf einer Fragestellung mit Hypothesen sowie die experimentelle Planung eine unterschiedlich große Herausforderung in Abhängigkeit von den Voraussetzungen der Lerngruppe. Gleiches gilt für eine theoretisch fundierte Diskussion der experimentellen Ergebnisse und Beobachtungen sowie für eine Reflexion über die Aussagekraft der Befunde. Mayer & Ziemek (2006) schlagen daher forschendes Lernen als schülerorientierte Unterrichtskonzeption mit Blick auf die Verknüpfung von naturwissenschaftlichen Fragestellungen, praktische Arbeitstechniken und wissenschaftsmethodisches Arbeiten vor. ◘ Tab. 10.3 zeigt im Detail, wie Sie das forschende Lernen durch Variation von Instruktionen der Lehrkraft und Erarbeitung durch die Schüler*innen staffeln und das Vorgehen zunehmend (ggf. mit weiterer adaptiver Unterstützung sowie weiteren Arbeitsaufträgen und Zielsetzungen) schülerorientiert durchführen können. Selbstverständlich können Sie auch eine Auswahl treffen oder die Reihenfolge der Module Ihrem Verwendungszweck entsprechend anpassen (◘ Tab. 4.2).

Tab. 4.2 Überblick über die fachlichen Kontexte, Förderung wissenschaftsmethodischer Kompetenzen sowie exemplarische unterrichtliche Umsetzung anhand ausgewählter Unterrichtsmethoden

4. Zusammenfassung

Neben fachlichen müssen auch fachdidaktische Überlegungen mit in die Unterrichtsplanung einfließen. Dieses Kapitel adressiert einige Eckpunkte dieser Überlegungen, um Ihnen den Umgang mit den hier vorgestellten Modulen zu erleichtern. Dazu werden neben möglichen thematischen Einordnungen in den Lehrplan auch empirisch bestätigte Schüler*innenvorstellungen zu diesen Themen behandelt. An geeigneter Stelle finden Sie Hinweise, inwieweit diese mit Hilfe der Module adressiert werden können. Alle in diesem Buch vorgestellten Versuche und Modelle werden bereits praktisch an verschiedenen Schulen umgesetzt.