Bei der Entdeckung der DNA im Jahr 1868 durch Friedrich Miescher war klar, dass es sich dabei um eine völlig neue Stoffklasse handeln musste (Onlineauftritt: Biospektrum)Footnote 1. Es vergingen über 80 Jahre, bis Watson und Crick die Struktur der DNA aufgeschlüsselt hatten (Watson & Crick, 1953, S. 737–738). Viele Forschungsgruppen weltweit arbeiteten an verschiedenen Themenbereichen, die mit DNA zusammenhingen, z. B. der Aufklärung des Mechanismus der DNA-Replikation (Kresge et al., 2005). All diese kleinen Fortschritte wurden durch Kary Mullis zusammengetragen und führten zu seiner Entwicklung der Polymerasekettenreaktion (Polymerase Chain Reaction, PCR) 1983 (Mullis et al., 1994). Diese technische Entwicklung sorgte in der genetischen Forschung für einen gewaltigen Sprung und bereitete den Weg für viele neue Wissenschaftsfelder, da es erstmalig möglich war, in kurzer Zeit ausreichend DNA für weitere Analyseschritte zur Verfügung zu stellen.

Heutzutage findet die PCR in der medizinischen Diagnostik, der Forensik und für Analysen im Bereich der molekularen Evolution Anwendung. Das Design spezifischer Primer ermöglicht die Detektion von Bakterien und Viren bei Patienten. Beispielsweise können Zellen von Mycobacterium tuberculosis in Gewebeproben nur sehr schwer nachgewiesen werden. Durch PCR können 10 Tuberkelbazillen unter einer Million menschlicher Zellen aufgespürt werden (Berg & Tymoczko, 2018, S. 172). Auch in der Krebstherapie findet diese Methode Anwendung, z. B. bei der Behandlungsüberprüfung bestimmter Leukämien (van Dongen et al., 1999), indem der Anteil eines mutierten Gens auf alle weißen Blutkörperchen bestimmt werden kann (Moravcová & Brdicka, 2005). Seit der weltweiten Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus ist die PCR-Methode häufiger in den Medien vertreten. Innerhalb der bis heute verfügbaren diagnostischen Verfahren (z. B. Detektion des viralen Gens oder Antigens) hat sich die Gendetektion des Virus mittels qRT-PCR (quantitative Echtzeit-Reverse-Transkriptions-PCR) als zuverlässigste Methode erwiesen (Sule & Oluwayelu, 2020; Yüce et al., 2021). Zusätzliche Informationen zur Weiterentwicklung der PCR zur qRT-PCR finden Sie im nächsten Abschnitt.

3.1 Polymerasekettenreaktion (PCR)

Die Polymerasekettenreaktion ist heutzutage die gebräuchlichste Methode, um die Erbsubstanz DNA in vitro zu vervielfältigen. In der Praxis findet die PCR meist Anwendung, um ein Zielgen oder spezielles Fragment der DNA zu amplifizieren. Die PCR setzt dabei die Funktion der DNA-Polymerase für den Vervielfältigungsprozess ein. Als Startpunkt für die Polymerase werden für die Zielregion spezifische Primer-Paare verwendet. Hierbei handelt es sich um einzelsträngige Oligonukleotide, die meist aus 20–30 Nukleotiden aufgebaut sind und damit die Vervollständigung der komplementären Stränge in beide Richtungen initiieren. Bei der Wahl der verwendeten Primer wird darauf geachtet, dass die Schmelztemperaturen beider Primer gleich hoch sind (ungefähr zwischen 60 °C und 75 °C). Der Vorwärts-Primer ist dabei komplementär zum Start der Zielsequenz, der Rückwärts-Primer ist komplementär zum Ende der Zielsequenz.

Für die PCR-Reaktionen können je nach Ziel des Experiments verschiedene DNA-Polymerasen verwendet werden, die sich in Ihrer Thermostabilität und Fehlerrate unterscheiden. Standardmäßig wird eine Taq-DNA-Polymerase verwendet, die aus dem thermophilen Bakterium Thermus aquaticus gewonnen wird und ein recht hohes Temperaturoptimum von 72 °C hat. Der Ablauf der PCR ist in ◘ Abb. 3.1 dargestellt. Im ersten Schritt der Reaktion wird die DNA zunächst denaturiert (melting), danach erfolgt die Anlagerung der Primer an das 3‘- Ende der jeweiligen Stränge (annealing), gefolgt von der abschließenden Synthese (elongation) des jeweiligen Komplementärstrangs durch eine hitzestabile Polymerase. Die DNA-Synthese erfolgt dabei stets in 5‘–3‘-Richtung.

Abb. 3.1
figure 1

Schematischer Ablauf der PCR. Grundsätzlich kann die PCR in drei Hauptschritte melting, annealing und elongation eingeteilt werden. Die Hybridisierung der Primer findet stets am 3‘-Ende der jeweiligen DNA-Stränge statt. Die DNA-Polymerase synthetisiert dann die komplementären DNA-Stränge. Die Elongation erfolgt dabei immer in 5‘–3‘ Richtung. Pro PCR-Zyklus können so 2n doppelsträngige DNA Konstrukte gebildet werden (► https://doi.org/10.1007/000-6fs)

Jeweils ein solcher Zyklus bedingt die Verdopplung der Zielsequenz. Im Idealfall können mittels PCR durch die wiederholte Verdopplung nach 30 Zyklen in weniger als einer Stunde mehr als eine Milliarde Kopien erzeugt werden (230 = 1.073.741.824, allgemein: 2n, n = Anzahl an Zyklen). Theoretisch ist der Verlauf einer PCR exponentiell. In der Praxis gibt es allerdings limitierende Faktoren, z. B. die Menge und Verfügbarkeit der eingesetzten Primer, sowie die Prozessivität der Polymerase, wodurch eine exponentielle Vermehrung des PCR-Produkts nur über einen bestimmten Zeitraum gewährleistet ist. Da für die Reaktion ein Primerüberschuss verwendet wird, kann ausgeschlossen werden, dass sich der DNA-Doppelstrang wieder zusammensetzt, ohne vervielfältigt zu werden.

Vorteile dieser Methode (Berg & Tymoczko, 2018, S. 172):

  • Für die Vervielfältigung eines gewünschten Fragments ist Kenntnis über die flankierenden Sequenzen ausreichend.

  • Die Zielsequenz kann erheblich länger sein als die Primer.

  • Sehr spezifische Methode, da die Hybridisierung bei relativ hohen Temperaturen stringent erfolgt.

  • Die Stringenz kann durch Variation der Temperatur und Salzkonzentration beeinflusst werden.

  • Hohe Empfindlichkeit, da ein einziges DNA-Molekül mittels PCR vermehrt und anschließend nachgewiesen werden kann. Schauen Sie sich das zugehörige Video zum Ablauf einer PCR an (◘ Abb. 3.1).

Auch die PCR entwickelte sich weiter und ermöglicht mittlerweile, eine quantifizierbare Aussage über die Genexpression zu treffen. Auch wird sie aktuell als Goldstandard in der Detektion von viraler SARS-CoV-2-RNA eingesetzt (Yüce et al., 2021). Dabei unterscheiden sich einige Schritte: Für die Analyse der Genexpression in der Zelle wird heutzutage die Methode der quantitativen RT-PCR angewendet (qRT-PCR). Im ersten Schritt wird die isolierte mRNA mittels Reverser Transkriptase in cDNA umgeschrieben. Es liegt daher eine direkte Proportionalität zwischen dem Ausgangsmaterial mRNA und der entstandenen cDNA vor. Die cDNA wird dann in einer gewöhnlichen PCR amplifiziert.

Vorteil der quantitativen PCR ist es, dass die aktuelle Menge an DNA während der PCR-Reaktion, durch Zugabe eines fluoreszierenden Farbstoffs, verfolgt werden kann. Durch Anlagerung des Interkalationsfarbstoffs an doppelsträngige DNA kann das entstehende Fluoreszenzsignal im RT-PCR-Zykler ausgelesen werden. In Abhängigkeit zu der vorhandenen Menge an mRNA Kopien eines Gens zu Beginn der RT-PCR kann ein schneller oder langsamer Anstieg des Fluoreszenzsignals während der PCR-Reaktion beobachtet werden. Somit können anhand des detektierten Signals Rückschlüsse bzgl. der mRNA-Kopienzahl und folglich über die Expressionsstärke eines bestimmten Gens getroffen werden.

3.2 Agarose-Gelelektrophorese

Diese Methode erlaubt es, DNA-Fragmente anhand ihrer Größe im elektrischen Feld aufzutrennen (◘ Abb. 3.2). Aufgrund der negativ geladenen Phosphatgruppen der DNA erfolgt eine Wanderung der DNA zur Anode hin. Die Auftrennung ist möglich, da kleinere DNA-Moleküle schneller durch die Agarose-Gel-Matrix wandern als größere. Durch das hohe Auflösungsvermögen können sogar Fragmente getrennt werden, die aus mehreren Hundert Nukleotiden bestehen und sich in der Länge nur um ein einziges Nukleotid unterscheiden (Berg & Tymoczko, 2018, S. 166).

Abb. 3.2
figure 2

Auftrennung von DNA mittels Agarose-Gelelektrophorese. Im elektrischen Feld wandern DNA-Fragmente aufgrund ihrer negativ geladenen Phosphatgruppen zur Anode und können so nach ihrer Größe aufgetrennt werden. Kleinere DNA-Moleküle wandern dabei schneller durch die Agarose-Gel-Matrix (► https://doi.org/10.1007/000-6fr)

Die Agarosekonzentration zur Auftrennung von DNA-Fragmenten orientiert sich an deren Länge. Je höher der prozentuale Anteil an Agarose ist, desto kleinere DNA-Fragmente können getrennt werden. So ist es üblich, mit 0,7 %-igen Gelen bei Fragmentlängen von 0,5–10 Kilobasen (kb) zu arbeiten und 2 %-ige Gele bei Fragmentlängen von 0,1–1 kb zu verwenden. Die Anfärbung der DNA wird durch Zugabe eines Interkalationsfarbstoffs zur Agarose erreicht, welcher sich über den Verlauf der Elektrophorese an die DNA anlagert. Erfolgt die Visualisierung der DNA-Banden mittels UV-Licht, wird ein Fluoreszenzfarbstoff verwendet. Standardmäßig erfolgt die Auftrennung in Tris-Acetat-EDTA-Puffer (TAE-Puffer) bei einer konstanten Spannung von 80–120 V, i. d. R. meist 30 min bei 100 V. Anschließend kann die DNA auf einem UV-Leuchtschirm betrachtet werden. Eine Größenabschätzung der DNA-Fragmente wird durch zusätzliche Auftrennung eines DNA-Längenstandards mittels Elektrophorese möglich. Sehen Sie sich das zugehörige Video an (Abb. 3.2).

Längenpolymorphismen

Um einen Längenpolymorphismus innerhalb eines DNA-Abschnitts nachzuweisen, reicht eine Kombination aus PCR und Agarose-Gelelektrophorese. Längenpolymorphismen bilden die Grundlage des genetischen Fingerabdrucks, dabei werden sogenannte VNTRs (engl. variable number of tandem repeats) untersucht (► Kap. 7). Ein Polymorphismus bezeichnet einen Ausprägungsunterschied zwischen zwei oder mehreren Individuen. Auf DNA-Ebene können Längenpolymorphismen durch Insertionen oder Deletionen von einer Base oder ganzer Sequenz-Abschnitte entstehen.

3.3 Restriktionsverdau

Ein enzymatischer Restriktionsverdau kann vielseitig eingesetzt werden, da durch die jeweiligen Schnittstellen eine sehr genaue Planung möglich wird. Restriktionsenzyme erkennen eine spezifische Basenabfolge innerhalb eines Nukleinsäurestrangs und spalten diese auf charakteristische Weise. Die Erkennungssequenzen sind aus vier bis acht Nukleobasen aufgebaut und meist palindromisch, d. h. komplementär rückwärts gelesen ergibt sich die gleiche Basenfolge. Je nach Zielsetzung werden für den Restriktionsverdau eines oder zwei Restriktionsenzyme verwendet. Herkömmlich wird die Reaktion bei 4 °C über Nacht durchgeführt. Die Spaltung erfolgt an der Phosphodiesterbrücke. Je nach verwendetem Restriktionsenzym können drei verschiedene Typen von DNA-Enden entstehen (◘ Abb. 3.3).

Abb. 3.3
figure 3

Entstehung unterschiedlicher DNA-Enden abhängig vom Restriktionsenzym. Es wird zwischen kohäsiven (sticky ends) mit 5‘- oder 3‘-Überhängen sowie stumpfen Enden (blunt ends) unterschieden. Die Pfeile markieren, an welcher Position das jeweilige Restriktionsenzym schneidet (► https://doi.org/10.1007/000-6ft)

Bei der Erzeugung von kohäsiven Enden (sticky ends) entstehen 5‘- oder 3‘-Überhänge. Stumpfe Enden (blunt ends) werden z. B. durch das Restriktionsenzym Sma I erzeugt. Das Video zur Veranschaulichung der verschiedenen Schnittweisen finden Sie integriert in ◘ Abb. 3.3. Aufgrund dieser Präzision eignet sich der Restriktionsverdau auch für eine DNA-Analyse basierend auf Einzelnukleotidpolymorphismen (single nucleotide polymorphisms, SNPs). Darauf wird in den Kap. ► 8 und ► 9 im Kontext der bitteren Geschmackswahrnehmung und Laktoseunverträglichkeit im Detail eingegangen.

Einzelnukleotidpholymorpismen

Der Restriktionsverdau findet häufig Anwendung, um SNPs zu detektieren. In den hier vorgestellten Kontexten werden SNPs mit unterschiedlichen Auswirkungen untersucht. Erstens beeinflusst ein SNP das aktive Zentrum eines Proteins und schränkt seine Funktionalität ein (Kap. ► 8). Zweitens beeinflusst ein SNP die regulatorische Einheit auf DNA-Ebene und beeinflusst die Genexpression (► Kap. 9). In der Kombination verdeutlichen beide Module, wie SNPs für den genetischen Fingerabdruck genutzt werden können: Durch die hohe Mutationsrate in bestimmten Abschnitten der DNA können durch SNPs entweder Restriktionsschnittstellen entstehen (► Kap. 8) oder zerstört werden (► Kap. 9). Bei der Amplifizierung (PCR) mit anschließendem Restriktionsverdau entstehen bei jedem Individuum unterschiedliche Fragmentlängen, die auf dem Agarose-Gel zur Identifikation genutzt werden können. SNPs sind die häufigste Mutationsform der DNA (Kim & Misra, 2007). Aktuell geht die Wissenschaft von einem SNP alle 200 bis 1000 Basenpaare (bp) (Shastry, 2009) des menschlichen Genoms aus. Bei einem SNP ändert sich nur eine Nukleobase, was Auswirklungen auf das Gen, z. B. Regulation, oder das resultierende Protein, z. B. Funktionalität, haben kann, aber nicht muss.

3. Zusammenfassung

Dieses Kapitel gibt einen Überblick über gängige molekularbiologische Methoden, die im Rahmen der vorgestellten Kontexte praktisch im Unterricht durchgeführt werden können. Bei der Auswahl wurde auf den gängigen Sicherheitsstandard an den Schulen geachtet, sodass für die Durchführung kein S1-Labor nötig ist. Die bereits länger in der Forschung etablierten Standardmethoden können so kontextorientiert im Klassenzimmer erprobt werden.