Biotechnologische Methoden wie die DNA-Analyse gehören seit Jahren zum Standard in der naturwissenschaftlichen Forschung und angrenzenden Disziplinen. Dennoch werden diese an Schulen hauptsächlich theoretisch unterrichtet und nicht experimentell erarbeitet. In diesem Buch werden Konzepte vorgestellt, wie biotechnologische Methoden schülerorientiert an Schulen in Unterrichtsräumen ohne aufwendige und kostenintensive Forschungslabore mit ihrer Ausstattung durchgeführt werden können. Die praktische Umsetzung kann dabei das Verständnis für komplexe Themen sowie biologische Basiskonzepte und Prinzipien fördern, die sich mithilfe molekularbiologischer Methoden bearbeiten lassen. Zusätzlich schult sie das wissenschaftsmethodische Verständnis und gibt tiefere Einblicke in den Berufsalltag eine*r Laborant*in bzw. Wissenschaftler*in. Alle hier vorgestellten Arbeitstechniken und Experimente sind so konzipiert, dass sie ohne zusätzliche Sicherheitsregularien außerhalb von professionellen Forschungslaboren an Schulen durchgeführt werden können.

Die Biotechnologie ist ein stark expandierender und multidisziplinärer fächerübergreifender Bereich. Daher ist es aus didaktischer Sicht zwingend, Schüler*innen bereits im Biologieunterricht mit diesen Methoden vertraut zu machen, damit diese die beruflichen Perspektiven in diesem Bereich realistisch einschätzen können. Zwar findet man molekularbiologisch und biotechnologisch orientierte Themenbereiche obligatorisch in den Lehrplänen der Sekundarstufen, jedoch sind Schulen aus Kostengründen selten so ausgestattet und Lehrkräfte derart fortgebildet, dass die Implementation der molekularbiologischen Praxis in den Unterricht selbstverständlich ist. Mit Blick auf einen biotechnologischen Wandel zur Lösung globaler Problemstellungen in Medizin sowie Ernährungs- und Agrarwissenschaften, haben wir als naturwissenschaftsdidaktischer Arbeitsbereich Anlass, praktische Arbeitstechniken und das wissenschaftsmethodische Vorgehen in diesem wichtigen und zukunftsorientierten Bereich zu stärken.

An lebensnahen Kontexten, z. B. am circadianen Rhythmus des Menschen oder an seiner bitteren Geschmackswahrnehmung, können sowohl (angehende) Lehrkräfte als auch Schüler*innen die Standardmethoden wie DNA-Extraktion, Polymerasekettenreaktion (PCR, engl. polymerase chain reaction), Restriktionsverdau und die Agarose-Gelelektrophorese mit Blick auf den Unterricht wiederholen bzw. im Biologieunterricht neu erlernen und üben. Schüler*innen können damit die Handhabung und Durchführung molekularbiologischer Arbeitstechniken in ihrem gewohnten schulischen Umfeld erfahren, womit sie sowohl auf die Anforderungen in einem naturwissenschaftlichen Studium vorbereitet werden, als auch ihre überfachlichen Kompetenzen (z. B. Kollaboration und Argumentation) stärken können. Darüber hinaus eigenen sich die Module ebenso für die Lehrerbildung und -fortbildung zur fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Reflexion und Vernetzung, um perspektivisch mehr molekularbiologische Praxis in den Biologieunterricht einzubringen. In diesen können Lehrkräfte die Module in ihren Schulen erproben und sich vergewissern, dass diese Methoden in ihren Fach- und Klassenräumen umgesetzt werden können. Lehrkräfte können gerne unsere Vorschläge nutzen, um gemeinsam mit Ihren Kolleg*innen in der Biologiefachschaft oder an benachbarten Schulen den Biologieunterricht im Sinne Ihres Schulprofils und -curriculums weiterzuentwickeln.

Die Umsetzung der hier vorgestellten biologischen Kontexte ist mit Blick auf die Reihenfolge und die didaktische Gestaltung sehr variabel, was eine individuelle Anpassung an die jeweilige Lernsituation in Ihrem Biologieunterricht ermöglicht. Diese betrifft sowohl die Einbindung der Arbeitstechniken und Experimente im Regelunterricht, bei der Umsetzung von Projekttagen oder im Rahmen von Enrichment-Programmen, als auch individuelle Schwerpunktsetzungen durch die Lehrkraft mit der Anpassung an das jeweilige Kompetenzniveau der Schüler*innen.

Als besonderes SchmankerlFootnote 1 für Sie als biotechnologisch interessierte Lehrkraft möchten wir Ihnen zum Abschluss dieses Buchs eine exemplarische Zusammenarbeit von Schule und Universität im Bundesland Bayern bei uns in der Region München vorstellen, um weitergehende Möglichkeiten für einen forschungsorientierten Biologieunterricht bzw. für zusätzliche Schülerforschungsprojekte zu illustrieren. An der Technischen Universität München (TUM) bieten wir interessierten Schüler*innen im Rahmen eines schulischen W-Seminars (Kap. ► 11) die Möglichkeit, einen noch tieferen Einblick in den Bereich der biotechnologischen Forschung an einer Universität zu gewinnen. Die Entscheidung der Schüler*innen hinsichtlich eines Studiums oder Ausbildung in diesem oder einem verwandten naturwissenschaftlichen Bereich kann dadurch erleichtert werden. Diese W-Seminare werden in enger Kooperation mit Lehrkräften durchgeführt und umfassen eine einwöchige, intensive praktische Betreuung im S1-Labor durch unsere Wissenschaftler*innen. Dieses Konzept haben wir in Zusammenarbeit mit dem Werner-Heisenberg-Gymnasium in Garching und Graf-Rasso-Gymnasium in Fürstenfeldbruck erprobt. Unser herzlicher Dank gilt an dieser Stelle den beiden Biologielehrerinnen Julia Stich und Nina Ostermeier. Frau Ostermeiers Erfahrungsbericht lesen Sie in ► Abschn. 11.4. Mit diesem Kooperationsmodell zwischen Schule und Universität zur Schülerforschung möchten wir Sie motivieren, in Ihrem schulischen Umfeld einmal Kontakte zur nächstgelegenen Universität oder wissenschaftlichen Einrichtung zu knüpfen. Bundesweit werden viele Schülerlabore und Schülerforschungszentren von Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen betrieben, die insbesondere in den MINT-Fächern ein breites Spektrum an interessanten Themen für nahezu alle Jahrgangsstufen anbieten und Ihren Unterricht ganz individuell anreichern können.Footnote 2 Die Bildungspläne und Kerncurricula der verschiedenen Bundesländer sehen zumeist in der Oberstufe wissenschaftspropädeutische Kurse vor, in deren Rahmen sich eine solche Zusammenarbeit anbietet. Aber auch Arbeitsgemeinschaften oder der reguläre Unterricht bieten bereits in der Mittelstufe zahlreiche Anknüpfungspunkte zum naturwissenschaftlichen Arbeiten in Kooperation mit einer Hochschule.

Wir hoffen, mit diesen thematischen Vorschlägen und didaktischen Impulsen zum Biologieunterricht einerseits (angehende) Lehrkräfte auf solchen forschungspraktisch orientierten Unterricht vorzubereiten und andererseits naturwissenschaftlichen Nachwuchs für diese zukunftsorientierten Fragestellungen zu interessieren und künftig noch besser rekrutieren zu können.

Zum Ende dieser Einleitung erlauben wir uns, Ihnen eine kleine Leseanleitung mit auf Ihren Weg durch einen praxisorientierten Unterricht für die Biotechnologie zu geben:

  • Im theoretischen Teil (Kap. ► 2 und ► 3) greifen wir sowohl die biologischen Konzepte der Genetik und Evolution als auch die molekularbiologischen Arbeitstechniken auf, die sich wie ein Roter Faden durch dieses Buch ziehen und die in neuen, für die Schüler*innen interessanten lebensweltlichen Kontexten wiederholt werden. Auf diese Weise sollen sowohl die fachlichen Inhalte als auch die wissenschaftlichen Methoden vernetzt werden und den Schüler*innen ein kumulatives Lernen biologischer Konzepte in neuen Kontexten ermöglicht werden.

  • Als Lehrkräfte können Sie sich allgemein im Kap. ► 4 einen Überblick über unsere didaktischen Hinweise zur Umsetzung der Module verschaffen. Fühlen Sie sich völlig frei, die Kontexte mit ihren experimentellen Untersuchungen und didaktischen Anregungen in den nachfolgenden Kapiteln der Praktischen Umsetzung mit Blick auf Ihre Schüler*innen und die Lernsituation an Ihrer Schule neu und anders zu kombinieren.

  • Abschließend erhalten Sie mit dem praktischen Teil (Kap. ► 5, ► 6, ► 7, ► 8, ► 9,► 10 und ► 11) konkrete Anleitungen für die Durchführung der hier allgemein besprochenen Arbeitstechniken in den Kontexten des jeweiligen Kapitels. Dabei baut sowohl die fachlich-inhaltliche Schwierigkeit der Kontexte als auch die Komplexität der eingesetzten Arbeitstechniken sukzessive aufeinander auf (► Tab. 4.2). Den didaktischen Empfehlungen für den Unterricht können Sie dann Hinweise zum Lehrplan und zur Kompetenzförderung sowie zur Schülerorientierung und zur methodischen Umsetzung im Biologieunterricht entnehmen.

Je nach Ihren fachlichen und wissenschaftsmethodischen Vorkenntnissen sowie Ihren persönlichen Interessen und mit Blick auf Ihre Schüler*innen können Sie getrost Kapitel auslassen oder ganz intensiv studieren. Verstehen Sie bitte dieses Buch mit seinem Online-Material für den Unterricht als Arbeitsmaterial, das Ihnen und Ihren Schüler*innen neue spannende Einsichten in die zukunftsweisende Biotechnologie und ihre (fast) grenzenlosen Möglichkeiten bescheren möchte. In diesem Sinne wünschen wir nun viel Spaß beim Lesen!

1. Zusammenfassung

In der Einleitung wird die Bedeutung der Biotechnologie und Molekularbiologie für die Gesellschaft und damit für die Schule dargestellt. Gleichzeitig führt das Kapitel in das Buch ein und erklärt, was Sie von dem Inhalt erwarten können: Kontextorientierte Module, die Sie befähigen, molekularbiologische Standardmethoden gemeinsam mit Ihren Schüler*innen in ihrem Klassenzimmer praktisch durchzuführen.