Die Hochschule Pforzheim zeichnet sich durch ihre Interdisziplinarität aus. Dies ergibt sich aus verschiedenen Blickwinkeln auf Themenstellungen durch die drei Fakultäten Gestaltung, Technik sowie Wirtschaft und Recht. Aus Sicht der Lehrenden stellt sich die Frage, wie Studierende mit ihrer jeweiligen Fachrichtung und ihren Kompetenzen an einem gemeinsamen Projekt arbeiten und lernen können. Dabei kommen ebenso die Zusammenarbeit und Fachsprachen unterschiedlicher Disziplinen in den Fokus. Ein weiterer interdisziplinärer Schwerpunkt liegt auf dem Institut für Industrial Ecology und den mit ihm verbundenen Studiengängen, dem Bachelor „Ressourceneffizienz‑Management“ sowie dem Master „Lifecycle and Sustainability“.

Dank BEEsy Mission ergibt sich ein interdisziplinäres und nachhaltiges Gesamtprojektthema mit unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern und Schwerpunkten. Gleichzeitig bestand die Möglichkeit Fördermittel des Landes Baden-Württemberg für innovative Lehre (HUMUS Plus) zu erhalten.

Die Studierenden entscheiden sich freiwillig für eine Teilnahme im Rahmen eines Wahlpflichtfaches mit Note oder lediglich durch eine Teilnahme, welche mit einer Teilnahmebescheinigung bestätigt wird.

Die Besonderheit im Projektmanagement ergibt sich meist aus Problemstellungen, welche spontan erfolgen und gelöst werden müssen. Ziel des Lehrprojektes ist es, die Studierenden mit einem unbekannten Thema zu konfrontieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich im Rahmen des projekthaften bzw. forschenden Lernens anhand der Realität weiterzuentwickeln. Durch das Bienenprojekt etablierte sich ein Projektumfeld mit teilweise unbekannten und unberechenbaren Faktoren und Risiken sowie der Notwendigkeit Verantwortung für diese „wilde“ Tierart zu übernehmen.

Während der Durchführung ergeben sich immer wieder Problemstellungen, die gemeistert werden müssen. Zum Beispiel könnte das Bienenvolk schwärmen und damit abhandenkommen. Dies geschah zwar nicht, dafür gab es andere Unwägbarkeiten. Aufgrund der COVID-19-Pandemie war eine enge Zusammenarbeit in Präsenz nicht möglich. Viele Treffen fanden per Videokonferenz statt. Die Hochschule erlaubte gleichzeitig das Arbeiten in kleinen Gruppen im Außenbereich am Bienenstock unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln. Im ersten Projektsemester wurde zudem das noch leere Bienenhaus gestohlen. Dies war für alle sehr enttäuschend, brachte aber eine gewisse Dynamik in das Projekt, welche zu einer sonntäglichen Krisensitzung per Videokonferenz führte. Zudem wurde eine Pressemeldung verfasst und Anzeige bei der örtlichen Polizei erstattet. Das Haus blieb verschwunden. Krisenmanagement war gefragt. Ein weiteres Risiko sind Bienenstiche. Entsprechende Schutzkleidung wurde selbstverständlich beschafft und notwendige Hilfsmittel organisiert: Wasserspritze, Sprays und ein Wärmestift. Im zweiten Projektsemester (Sommer 2021) blieb aufgrund des regnerischen und kalten Wetters die Honigernte im April komplett aus, es musste zugefüttert werden. Durch diese größeren und viele weitere kleineren Problemstellungen kam das projekthafte und forschende Lernen selbstständig zum Laufen. Informationen mussten beschafft werden und es wurde aus Irrtümern und Fehlern gelernt.

Die Prüfungsform wurde als Hausarbeit in Form eines frei gestaltbaren Portfolioberichtes festgelegt. Darin ist eine entsprechende Selbstreflexion enthalten, welche sowohl Aufgaben als auch Tätigkeiten im Projekt aufzeigen. Alternativ wurde im ersten Projektsemester von einigen Studierenden ein Videobeitrag (http://sn.pub/qVRzTc, QR-Code in Abb. 1.1) für einen Lokalfernsehsender produziert und im zweiten Projektsemester ebenso von einer Kleingruppe die vorliegende Publikation als „Springer essentials“ erstellt. Andere Studierende erstellten interaktive Internetseiten. Auch diese Form von Arbeiten wurden als Prüfungsleistung anerkannt und gewertet.

Auch Dozent:innen lernen bei dieser Lehrform immer wieder hinzu. Durch die Portfolioberichte werden verschiedene neue Erkenntnisse in die Diskussion eingebracht, für welche sich die Teilnehmenden selbst interessieren, diese nachforschen und einbringen. Ein Beispiel sind die Voraussetzungen für Honig mit Biosiegel, bei dem unter anderem Biozucker beim Zufüttern genutzt werden muss. Somit entsteht eine Lernkultur auf Augenhöhe. Dabei ist es in Ordnung aufkommende Fragen ahnungslos zurückzugeben und selbst recherchieren zu lassen. Lern- und Erkenntnisgewinn sind auf diese Weise nachhaltiger, größer und halten länger an. Gleichzeitig sind die Studierenden stolz bei diesem Projekt dabei zu sein und mitwirken zu dürfen.

Weitere Ergebnisse, welche das Projekt nebenbei erzeugte, sind Aktionen zur Verteilung von Bienenfutter, eine vielfältige Öffentlichkeitsarbeit in unterschiedlichen Medien, ein Beitrag der Hochschule zur Biodiversität sowie professionell gestaltete Projektlogos und professionelle Fotos (Abb. 4.1).

Abb. 4.1
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Bienen im Auftrag der Hochschullehre

Ein wesentlicher Aspekt ist der Unterschied zwischen dem Lehrbetrieb in seiner halbjährigen Semesterstruktur (Vorlesungsbetrieb von März bis Juni sowie von Oktober bis Januar) und dem Bienenjahr mit seinem Schwerpunkt von März bis August. Beide Zeitleisten passen nur bedingt zueinander. So wurde das jeweilige Lehrsemester auf das Sommersemester gelegt, da hier die größte Überlappung vorliegt. Außerhalb der Vorlesungszeit, vor allem von Juli bis September, kümmern sich hauptsächlich studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte um die Bienenvölker. In den Wintermonaten ist am Bienenstock wenig zu erledigen. Die Hilfskräfte übernehmen während dem Projektsemester zudem entsprechende Aufgaben als Tutor:innen und rekrutieren sich in der Regel aus den vorherigen Projektsemestern.

Angedacht ist das Thema auch in die „Kinderuni“ der Hochschule Pforzheim einzubringen und damit auch interessierten Schüler:innen einen Einblick in das Projekt und die Thematik zu geben.

Schon vor dem eigentlichen Projekt muss sich die Projektleitung Gedanken über das Projektende machen. Im vorliegenden Fall ist es unmöglich das Projekt plötzlich zu beenden und die Bienenpflege einzustellen. Bereits vor Beschaffung wurde sich daher damit beschäftigt, was mit den Bienen geschehen wird, wenn das Projekt nicht fortgeführt werden sollte. Es fanden sich schnell mehrere Interessierte Imker:innen, welche die Völker zu sich nehmen würden, wenn das Projekt eingestellt werden würde. Danach sieht es aktuell jedoch nicht aus. Im Gegenteil, das Projekt geht weiter. Studierende der unteren Semester nehmen das Projekt wahr und fragen nach, ob sie teilnehmen können. Und es gibt Ideen für ein drittes Bienenvolk, welches in noch natürlicherer Haltung angesiedelt werden soll. Hier spielen Themen wie runde Einfluglöcher, nachhaltigere Materialien, Bücherkrebse als natürlicher Feind der Varroamilbe und die Erfüllung aller Voraussetzungen für die Herstellung von Bio-Honig eine Rolle.