5.1 Einleitung und Ausgangssituation: Innovationsmanagement in KMU

Autor*innen dieses Abschnitts: Annika Reischl, Sabrina Weber, Claus Lang-Koetz, Stephan Fischer.

Dieser Beitrag beleuchtet Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Verbundprojekt „Selbstorganisiertes Innovationsmanagement im digitalen Zeitalter (InnoDiZ)“, gefördert im Rahmen des Programms „Innovation für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Europäischen Sozialfonds. Der Verbund besteht aus drei Entwicklungspartnern und fünf Anwendungspartnern, bei welchen es sich um kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Sinne der Definition der Europäischen Kommission handelt (s. Abb. 5.1).Footnote 1 Mehr Informationen zu den im Projekt beteiligten KMU finden sich in Abschn. 5.3. Ziel des Projekts ist die Ausarbeitung und Erprobung einer Blended-Learning-Weiterbildung mit Lern- und Kollaborationsplattform sowie firmenübergreifendem Austausch von KMU. Damit soll das zunehmend selbstorganisierte Innovationsmanagement in KMU unterstützt werden.

Abb. 5.1
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Übersicht Projektpartner InnoDiZ. (Quelle: Eigene Abbildung (imu))

Im vorliegenden Beitrag werden neue Wege für das Innovationsmanagement in KMU aufgezeigt, basierend auf den Erfahrungen und Ergebnissen mit der Blended-Learning-Weiterbildung und firmenübergreifendem Austausch im Projekt InnoDiZ. Abschn. 5.1 dieses Beitrags thematisiert die Ausgangssituation von KMU in Bezug auf das Management von Innovationen, indem Rahmenbedingungen, Herausforderungen und Weiterentwicklungsbedarfe betrachtet werden. In Abschn. 5.2 wird der im Projekt InnoDiZ entwickelte Ansatz in Form der Umsetzung von Blended Learning, der Einbindung von konkreten Innovationsprojekten, des firmenübergreifenden Austauschs sowie der Weiterbildungsinhalte dargestellt. Abschn. 5.2 wird mit einem Zwischenfazit zur Ermöglichung eines selbstorganisierten Innovationsmanagements im Projekt InnoDiZ abgeschlossen. Darauf folgt in Abschn. 5.3 eine Vorstellung von Fallbeispielen der fünf Anwendungspartner des Projekts. Abschließend werden in Abschn. 5.4 der Nutzen des Ansatzes im Projekt InnoDiZ für KMU sowie zusammenfassend und als Ausblick Erfolgskriterien für eine Weiterentwicklung des Innovationsmanagements aufgezeigt.

Im Folgenden wird zunächst die Ausgangssituation des Projekts InnoDiZ dargestellt. Diese ergibt sich aus den Rahmenbedingungen von KMU bezüglich deren Umfeld (Abschn. 5.1.1), den in der Forschung identifizierten und in der Literatur beschriebenen Herausforderungen für KMU im Innovationsmanagement (Abschn. 5.1.2) und den Bedarfen der KMU-Projektpartner im Projekt InnoDiZ zur Weiterentwicklung des Innovationsmanagements (Abschn. 5.1.3).

5.1.1 Rahmenbedingungen von KMU

KMU sind aktuell mit unterschiedlichen Veränderungen ihres Umfelds konfrontiert. Ein zentraler Aspekt ist die zunehmende Digitalisierung von Prozessen, Produkten und Geschäftsmodellen (Brink et al., 2020). Diese Veränderungen können weitreichende Auswirkungen in etablierten Marktstrukturen haben und die Existenz etablierter Unternehmen gefährden (Cole, 2015). Für KMU stellen begrenzte Ressourcen sowie fehlende Fähigkeiten, Digitalisierung in bestehenden oder neuen Prozessen und Geschäftsmodellen anzugehen, eine Herausforderung dar (Muller et al., 2021). Die Digitalisierung bietet jedoch auch die Chance, Innovationen hervorzubringen und die Wettbewerbsfähigkeit auszubauen (Brink et al., 2020). Eine Befragung von Expert*innen durch das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn kommt zu dem Schluss, dass die Sicherung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit die größte derzeitige und zukünftige Herausforderung für die Unternehmen darstellt (Brink et al., 2020).Footnote 2 Damit hat die Entwicklung und Einführung von Innovationen eine entscheidende Bedeutung für KMU.

Um Innovation zu fördern, balancieren erfolgreiche Unternehmen zwei verschiedene Strategien, was in der Forschung unter dem Begriff „Ambidextrie“ (Beidhändigkeit) aufgezeigt und diskutiert wird (Duncan, 1976; March, 1991). Zum einen fokussiert die Strategie der Exploitation die bestmögliche Nutzung vorhandener Ressourcen, um kontinuierliche Verbesserungen und inkrementelle Innovationen zu entwickeln; zum anderen verfolgt die Strategie der Exploration das Hervorbringen ganz neuer und oftmals radikaler Innovationen (O’Reilly & Tushman, 2004). Dabei sind die Möglichkeiten für KMU diese beiden Strategien strukturell anzugehen, z. B. durch eine Aufteilung und Spezialisierung in zwei verschiedenen Abteilungen (O’Reilly & Tushman, 2013), aufgrund der begrenzten Ressourcen eingeschränkt (Lubatkin et al., 2006). Für KMU wird im Projekt InnoDiZ vielmehr angenommen, dass eine Lösung im Sinne der kontextuellen Ambidextrie geeigneter ist (ähnlich argumentieren Hafkesbrink & Schroll, 2014). Kontextuelle Ambidextrie wird dabei definiert als Fähigkeit von Individuen innerhalb einer Geschäftseinheit ihre eigenen Entscheidungen darüber zu treffen, wie sie ihre Zeit zwischen den Anforderungen von Exploitation und Exploration einteilen. Dies wird durch den Kontext bzw. Rahmen der Organisation unterstützt – oder gehemmt (Gibson & Birkinshaw, 2004). Für diese individuelle Entscheidungskompetenz und für die Umsetzung von (insbesondere kontextueller) Ambidextrie wird im Projekt InnoDiZ Selbstorganisation im Innovationsmanagement von KMU als relevant erachtet. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Rahmenbedingungen des Umfelds von KMU sowohl inkrementelle als auch radikale Innovationen erfordern, um auf Veränderungen und insbesondere die Digitalisierung zu reagieren und bestehen zu können. Es bedarf daher neuer Wege und eines selbstorganisierten Innovationsmanagements in KMU.

5.1.2 Herausforderungen für das Innovationsmanagement in KMU

Eine neue Idee stellt zunächst eine Invention dar. Wenn diese erstmals wirtschaftlich umgesetzt und ihre Einführung und Bewährung beabsichtigt wird, gilt sie als Innovation (Vahs & Brem, 2015, S. 21). Es können verschiedene Innovationsarten unterschieden werden, zum Beispiel Produkt-, Prozess- Geschäftsmodell-, Struktur- oder Sozialinnovationen (Vahs & Brem, 2015). Mittel zum Zweck der erfolgreichen Umsetzung von Innovationen ist für Unternehmen das Innovationsmanagement. Dieses bündelt „alle Planungs-, Entscheidungs-, Organisations- und Kontrollaufgaben im Hinblick auf die Generierung und die Umsetzung von neuen Ideen in marktfähige Leistungen“ (Vahs & Brem, 2015, S. 28). Die Abfolge von Schritten und Aufgaben, die vom Anstoß der Ideensuche bis hin zur Umsetzung und Einführung der Ideen erforderlich sind, werden durch einen Innovationsprozess organisiert. Dieser kann in Phasen mit unterschiedlichem Detailgrad unterteilt werden. Im Projekt InnoDiZ wurde aufbauend auf den Modellen von Pleschak und Sabisch (1996), Thom (1980) sowie Vahs und Brem (2015) eine Einteilung in die vier Phasen „Strategische Orientierung/Problemidentifizierung“, „Ideenphase“, „Bewertungs- und Auswahlphase“ sowie „Umsetzungsphase (inkl. Markteinführung)“ gewählt (s. Abb. 5.2). In der ersten Phase der strategischen Orientierung und Problemidentifizierung kann ein auslösendes Ereignis stattfinden, das die Ideensuche initiiert. Während es in der Ideenphase dann zunächst um die Generierung bzw. Gewinnung von Ideen (z. B. unter Einsatz von Kreativitätstechniken) geht, werden diese in der folgenden Phase bewertet und es wird entschieden, welche der Ideen weiterverfolgt werden soll. In der Umsetzungsphase geht es schließlich um die Realisierung der Idee; dies umfasst auch die Markteinführung.

Abb. 5.2
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Vereinfachtes Phasenmodell des Innovationsprozesses im Projekt InnoDiZ. (Quelle: Eigene Abbildung (Hochschule Pforzheim) aufbauend auf Pleschak und Sabisch (1996), Thom (1980) sowie Vahs und Brem (2015))

KMU weisen im Vergleich zu größeren Unternehmen sowohl innovationsfördernde als auch innovationshemmende Charakteristiken auf. Als potenziell innovationsfördernd gilt beispielsweise die Nähe zu Kund*innen, eine geringe Arbeitsteilung, eine hohe technische Fachkompetenz sowie die Schnelligkeit und Flexibilität unter anderem aufgrund weniger Hierarchiestufen und kurzer Kommunikationswege (König & Völker, 2001; Spielkamp & Rammer, 2006, 2007; Verworn et al., 2000). Der Einfluss der Geschäftsführung in KMU kann sowohl fördernd als auch hemmend bei der Initiierung und Durchsetzung von Innovationen wirken (König & Völker, 2001; Millward & Lewis, 2005). Potenziell innovationshemmend können in KMU zudem begrenzte Ressourcen (z. B. finanzieller oder personeller Art), eine geringe strategische Ausrichtung, fehlende eigene Forschung und Entwicklung sowie eine geringe Kooperationsbereitschaft mit externen Partnern sein (Astor et al., 2016; König & Völker, 2001; Spielkamp & Rammer, 2007; Verworn et al., 2000). Es gilt für KMU daher, die vorteilhaften Charakteristiken als Stärken zu nutzen sowie potenzielle Schwächen zu erkennen und anzugehen.

Mit konkretem Blick auf das Innovationsmanagement in KMU wurden in der Forschung weitere Herausforderungen identifiziert und Handlungsempfehlungen formuliert. Als wichtige Grundlage der Innovationstätigkeit gilt die Entwicklung einer Strategie für Innovation (Nicholas et al., 2011; Thom & Müller, 2006). Es werden prozessbezogene Herausforderungen von KMU entlang der Phasen des Innovationsprozesses beschrieben. Diese beziehen sich beispielsweise auf einen geringen Einsatz von Methoden (Verworn et al., 2000), eine fehlende systematische Herangehensweise in der Informationsbeschaffung und Ideengewinnung (König & Völker, 2001; Verworn et al., 2000) sowie in der Ideenbewertung (Verworn et al., 2000; Jentsch & Zeiner-Fink, 2016) und schließlich Probleme bei der Markteinführung von Innovationen (König & Völker, 2001). Prozessübergreifend können fehlende festgelegte Abläufe und Zuständigkeiten in Innovationsprojekten von KMU zu Herausforderungen führen (Dömötör, 2011; Jentsch & Zeiner-Fink, 2016), weshalb sich ein geeignetes Maß an Strukturen empfiehlt (Kirner et al., 2006; Nicholas et al., 2011). Zudem ist die Gestaltung einer innovationsförderlichen Kultur und ein innovationsförderlicher Führungsstil von hoher Bedeutung für KMU, um die passenden Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für die Innovationsfähigkeit zu schaffen (Thom & Müller, 2006).

Diese in der Forschung identifizierten und in der Literatur beschriebenen Herausforderungen von KMU im Innovationsmanagement decken sich zum Großteil mit denen der KMU-Anwendungspartner im Projekt InnoDiZ. Bei diesen KMU lässt sich in Einklang mit den Befunden aus der Forschung ebenfalls erkennen, dass sich die Herausforderungen zum einen ganz konkret auf den Innovationsprozess und dessen einzelne Phasen und zum anderen auf Rahmenbedingungen bzw. Voraussetzungen des Prozesses und damit prozessübergreifende Aspekte beziehen (z. B. Strukturen, Kultur, Führung). Der im Projekt InnoDiZ bzw. der Blended-Learning-Weiterbildung verfolgte Ansatz umfasst entsprechend sowohl die prozessbezogene als auch die prozessübergreifende Dimension (s. dazu Abschn. 5.2.4 bzw. Abb. 5.6).

5.1.3 Bedarf zur Weiterentwicklung des Innovationsmanagements in KMU

Die prozessbezogenen und prozessübergreifenden Bedarfe im Innovationsmanagement der fünf KMU-Anwendungspartner wurden zu Beginn des Projekts InnoDiZ über 15 Interviews und eine interaktive Fachdiskussion mit Vertreter*innen der KMU erfasst (Reischl, 2019). Hierbei wurden neben Herausforderungen und Bedarfen der KMU auch Stärken hervorgehoben, die sich zum Großteil mit den in der Literatur beschriebenen innovationsfördernden Charakteristiken (s. Abschn. 5.1.2) decken.

Handlungsbedarf wurde generell für alle Phasen des Innovationsprozesses von den KMU identifiziert, mit leichter Tendenz zu einem stärkeren Handlungsbedarf in den frühen Phasen (insbesondere Ideengewinnung). Im Folgenden werden entlang der Phasen des Innovationsprozesses beispielhaft typische Handlungsbedarfe dargestellt, die für die fünf KMU relevante Themen widerspiegeln, wobei nicht jedes Thema für jedes der Unternehmen gleichermaßen bedeutsam ist. Im Rahmen der strategischen Orientierung und Problemidentifizierung, geht es beispielsweise darum Strategien zu entwickeln und diese im Unternehmen zu kommunizieren sowie Markt- und Technologietrends oder auch Kundenprobleme und -bedürfnisse besser zu erfassen und zu berücksichtigen. Für die Ideengewinnung wurde Handlungsbedarf im Wissens- und Ideenmanagement, im Aufgreifen der Ideen von Mitarbeitenden sowie der Förderung von Kreativität gesehen. Bei der Ideenbewertung und -auswahl bedarf es Unterstützung zur Schaffung einer höheren Transparenz und zur Bestimmung und Einbindung von Beteiligten. Zudem besteht Handlungsbedarf in der Umsetzung von Ideen beispielsweise beim Vorantreiben der Ideen parallel zum Tagesgeschäft sowie schließlich bei der Vermarktung innovativer Produkte.

Bezüglich der adressierten Innovationsarten der fünf KMU kann festgehalten werden, dass Produkt- und Prozessinnovationen bei einigen Unternehmen bisher einen Schwerpunkt darstellen, jedoch häufig auch Struktur- oder Sozialinnovationen sowie Geschäftsmodellinnovationen angegangen werden (s. auch die Fallbeispiele in Abschn. 5.3). Handlungsbedarf wird darüber hinaus im grundlegenden Aufbau von Strukturen und der Festlegung von Verantwortlichkeiten sowie Abläufen für das Management von Innovationen gesehen. Es besteht der Wunsch nach mehr Kontinuität in der Bearbeitung und Verfolgung von Ideen sowie nach einer höheren Beteiligung und Motivierung der Mitarbeitenden.

Zusammengefasst bedeutet dies für die fünf KMU, dass nicht nur für eine bestimmte Phase im Innovationsprozess oder eine bestimmte Innovationsart Handlungsbedarf in den Unternehmen besteht, sondern es einer generellen Weiterentwicklung des Innovationsmanagements bedarf. Mit Blick auf Ambidextrie in KMU (s. Abschn. 5.1.1) geht es dabei weniger um den Aufbau einer Innovationsabteilung oder eine ähnliche strukturelle Verankerung der Innovationsaktivitäten. Vielmehr sollte das Ziel sein Wissen (z. B. praxistaugliche Vorgehensweisen und Methoden für Innovationsmanagement in KMU) bei Mitarbeitenden aufzubauen und so Innovationsaktivitäten über Individuen zu verankern. Dies wird im Projekt InnoDiZ mit dem Angebot einer Blended-Learning-Weiterbildung verfolgt, welche zum Aufbau eines selbstorganisierten Innovationsmanagements (s. Abschn. 5.2.4) in den KMU beitragen soll. Selbstorganisation bzw. individuelle Entscheidungskompetenz bezieht sich dabei auf das jeweilige Innovationsprojekt (prozessbezogene Aspekte) und berücksichtigt den Kontext der Organisation (prozessübergreifende Aspekte).

Aus den Interviews mit Vertreter*innen der KMU können folgende weitere Anforderungen an die Weiterbildungsinhalte zusammengefasst werden:

  • einfache und schnell erlernbare Inhalte

  • angemessene Komplexität und angemessener Umfang der Inhalte

  • Praxisnähe der Inhalte und schnelle Anwendbarkeit im Arbeitsalltag

Vor Beginn der im Projekt InnoDiZ entwickelten und durchgeführten Blended-Learning-Weiterbildung zeigten die fünf KMU Offenheit und Neugierde in Bezug auf den Ansatz des Blended Learning und den Austausch mit anderen Unternehmen, auch wenn teilweise wenig Erfahrung vorhanden war. Die Anwendungspartner konnten sich vorstellen, dass der Blended-Learning-Ansatz gut zu ihren Erfordernissen (wenig Zeit im Alltagsgeschäft, Flexibilität) passt und erhofften sich zudem, durch die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme und Austausch mit anderen Weiterbildungsteilnehmenden (auch unternehmensübergreifend), von den Erfahrungen anderer zu profitieren.

5.2 Ansatz im Projekt InnoDiZ: Neue Wege für das Innovationsmanagement in KMU

Autor*innen dieses Abschnitts: Sabrina Weber, Monika Luger, Annika Reischl, Michael Witzke, Niklas Kho, Stephan Fischer, Claus Lang-Koetz, Stefan Enzler.

Abschn. 5.2 beschreibt den im Projekt InnoDiZ entwickelten Ansatz für eine Blended-Learning-Weiterbildung „Innovationsmanagement in KMU“, unter Berücksichtigung der in Abschn. 5.1 identifizierten Weiterbildungsbedarfe und Rahmenbedingungen der KMU-Anwendungspartner. Während in Abschn. 5.2.1 zunächst die konkrete Umsetzung des Blended-Learning-Ansatzes vorgestellt wird, geht Abschn. 5.2.2 auf zwei zentrale Elemente innerhalb des Ansatzes, konkrete Innovationsprojekte der Teilnehmenden (TN) und firmenübergreifender Austausch, ein. In Abschn. 5.2.3 stehen dann die konkreten Lerninhalte der Blended-Learning-Weiterbildung im Zentrum, die wissensorientierten und die praxisorientierten Module. Schließlich nimmt Abschn. 5.2.4 die Ermöglichung eines selbstorganisierten Innovationsmanagements in den Blick. Die Blended-Learning-Weiterbildung mit ihren Elementen (s. Abb. 5.3) ist hier als Teil eines Ermöglichungsrahmens zu verstehen.

Abb. 5.3
figure 3

Übersicht über die Blended-Learning-Weiterbildung „Innovationsmanagement in KMU“. (Quelle: Eigene Abbildung (Hochschule Pforzheim))

5.2.1 Die konkrete Umsetzung des Blended Learning

Die konkrete Umsetzung des Blended Learning der Weiterbildung „Innovationsmanagement in KMU“ umfasst die Lern- und Kollaborationsplattform des Entwicklungspartners blink.it (Abschn. 5.2.1.1) und den typischen Zweiklang aus E-Learning (Abschn. 5.2.1.2) und Präsenzlernen (Abschn. 5.2.1.3). Die wesentliche Unterscheidung zwischen E-Learning und Präsenzlernen besteht im Ansatz des Projekts InnoDiZ in der Zeit(un)abhängigkeit des Lernens.

Blended Learning bezeichnet die systematische Kombination verschiedener Lernformen und wird oft als eine Form von E-Learning verstanden (Reinmann-Rothmeier, 2003). Das Konzept geht auf die Überlegung zurück, dass die „[…] sozialen Aspekte des gemeinsamen Lernens mit der Effektivität und Flexibilität von elektronischen Lernformen“ vereint werden sollten (Mandl & Kopp, 2006, S. 6). Der Begriff an sich ist jedoch nicht einheitlich definiert. Klassischerweise kombiniert Blended Learning Präsenzlernen (im Seminar oder Webinar) mit einer gesteuerten Selbstlernphase (auf einer digitalen Lernplattform) in einem übergreifenden Lernkonzept. Dabei teilen Dozierende die Lerninhalte entsprechend auf verschiedene Methoden und Medien auf (ebd.) und verzahnen diese so miteinander. Die Kombination ermöglicht es, die verschiedenen Vorteile der Lernformen in einem Konzept zu vereinen (Ertl & Kremer, 2005). So kann Blended Learning beispielsweise eingesetzt werden, um theoretische Inhalte einer Präsenzveranstaltung vor- oder nachbereitend in einem Online-Kurs, z. B. mit Hilfe von Lernvideos, zu erklären. Dadurch werden individuelle Lernpräferenzen der Teilnehmenden berücksichtigt, da die Online-Phase zeitlich flexibler gestaltet werden kann. Ein abschließender Wissenstest kann ebenfalls über eine Lernplattform im Online-Kurs absolviert werden. Praktisches Wissen hingegen lässt sich deutlich effektiver in Präsenz vermitteln, da konkrete Fragen direkt in der Situation geklärt werden. In Präsenzveranstaltungen können Dozierende außerdem vertiefend auf theoretisches Wissen aus dem Online-Kurs eingehen. Die Weiterbildung „Innovationsmanagement in KMU“ wurde über ein solches Blended-Learning-Konzept umgesetzt.

5.2.1.1 Lern- und Kollaborationsplattform

Für die optimale Verzahnung von Präsenz- und Online-Phasen wurden im Rahmen des Verbundprojekts drei Softwareprodukte eingesetzt: Eine Lernplattform, eine Kommunikationsplattform und ein Videokonferenzsystem. Tab. 5.1 gibt eine Übersicht über die genutzten Softwareprodukte.

Tab. 5.1 Übersicht über die genutzten Softwareprodukte. (Quelle: Eigene Zusammenstellung (blink.it))

Die Schnittstellen von blink.it zur Kommunikationsplattform und zum Videokonferenzsystem sind jeweils unabhängig vom eingesetzten Softwareanbieter. Alternativ zu Slack könnten zum Beispiel folgende Kommunikationsdienste genutzt werden: Spike (E-Mail-Tool und Kommunikationsplattform), Fleep (cloudbasierte Kommunikations-Plattform) oder Rocket.Chat (Open-Source-Kommunikations-Software). Neben dem Videokonferenzsystem Zoom, das in der Blended-Learning-Weiterbildung eingesetzt wurde, sind Microsoft Teams und Skype gängig.

Als Entwicklungspartner hat blink.it die Lernplattform entsprechend der Bedürfnisse der KMU-Anwendungspartner ausgebaut. Hierfür wurden folgende technische Anpassungen umgesetzt:

  • Integration von Kollaborationsplattformen (z. B. via Slack) und digitalen Live-Seminaren (z. B. Webinare via Zoom)

  • Performanceoptimierung für große Kurse (z. B. Admin-Modus, Sortierung, Verschieben ganzer Kapitel)

  • Verbesserung von Verwaltungsfunktionen bei vielen Teilnehmenden und Reaktivierung von passiven Nutzer*innen

  • Anpassungen zur benutzerfreundlichen Bedienung (u. a.: Zugang, Passwort, Upload/Download von Dateien, Verständlichkeit, zeitliche Passgenauigkeit für Lerneinheiten, Themen-Clustering)

  • Möglichkeit für Anwendungspartner eigene Kurse für ihr Innovationsmanagement anzulegen

Mit diesen Anpassungen wurde die technische Grundlage für kontinuierliches Lernen im Rahmen der Weiterbildung für KMU geschaffen. Dank der Integration von Videokonferenzsystemen und Kommunikationsplattformen auf der Lernplattform blink.it wurde darüber hinaus eine Vernetzungsmöglichkeit unter den Teilnehmenden des Verbundprojektes geschaffen. Im Rahmen des Projekts InnoDiZ wurde blink.it so von einer reinen Lernplattform zu einer Lern- und Kollaborationsplattform weiterentwickelt.

5.2.1.2 E-Learning (selbst lernen & interaktiv)

Das E-Learning umfasst zeit- und ortsflexible Lernmöglichkeiten, die meist individuell wahrgenommen werden. Es wird zwischen „selbst lernen“ und „interaktiv lernen“ unterschieden.

Selbst lernen

Dies geschieht in den aufeinander aufbauenden Modulen auf der Lern-Plattform, die eine individuelle, zeitflexible Bearbeitung erlauben. Beispielhaft für die W-Module umfasste das E-Learning Folgendes:

  • Elemente zur Unterstützung der Lern-Organisation: Einteilung der Module in Lern-Blöcke, persönliches Lerntagebuch, freiwillige Selbstkontrollfragen;

  • Lernvideos, inklusive Aufzeichnung von Webinaren, um diese zeitunabhängig und ortsunabhängig verfolgen zu können;

  • weitere, die Lernvideos flankierende, Elemente: Einen Foliensatz zu den Lernvideos, Lernquiz, Transferfragen, Übungen (auch in Teams), Umfragen, Zusatzmaterialien wie Studien, weiterführende Internetlinks.

Interaktiv lernen

Dies umfasst im E-Learning den Austausch von Kommentaren zu Lerninhalten auf der Plattform sowie die Nutzungsmöglichkeit von Slack (Lesen und Schreiben – Channels zu verschiedenen Themen (z. B. Ideenmanagement), Möglichkeit für 1-zu-1-Kommunikation).

Das zugrunde liegende didaktische Konzept beinhaltet insbesondere im Rahmen des Ablaufs der W-Module den in Abb. 5.4 dargestellten Dreischritt Lernen – Übertragen – Austauschen. Dabei sind die ersten beiden Schritte als E-Learning abgebildet und der dritte Schritt beinhaltet das Präsenzlernen, auf das der folgende Abschnitt näher eingeht.

Abb. 5.4
figure 4

Dreischritt eines W-Moduls. (Quelle: Eigene Abbildung (Hochschule Pforzheim))

5.2.1.3 Präsenzlernen (online und on site)

Das Präsenzlernen umfasst zeitgebundene, nicht notwendigerweise aber ortsgebundene Veranstaltungen, in denen u. a. auch Kleingruppenarbeit stattfindet. Online bezieht sich das Präsenzlernen auf Webinare, on site auf Präsenzseminare.

So wurde jedes W-Modul (s. Abschn. 5.2.3.1) nach vorhergehendem E-Learning mit einem Webinar abgeschlossen. Es bietet den Teilnehmenden die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Erfahrungen und Ergebnisse zu diskutieren. Der typische Ablauf eines zwei- bis dreistündigen Webinars umfasst:

  1. 1)

    Fragen der Teilnehmenden zu den Lerninhalten des Moduls und Feedback der Teilnehmenden zu ihrem Lernen im Modul,

  2. 2)

    Diskussion in Kleingruppen (Breakout-Sessions) zur Vertiefung des Gelernten und Anwendung in der Praxis (thematische Inputs/Fragestellungen, i. d. R. mit Bezügen zu Übungen aus dem Modul),

  3. 3)

    Organisatorische Hinweise & Ausblick auf das folgende Modul.

Nicht zuletzt im Hinblick auf die (firmenübergreifende) Vernetzung der Teilnehmenden sind Präsenzveranstaltungen ein zentrales Element, da der persönliche Kontakt ein stark vertrauensbildendes Element ist. Gerade für den Austausch zu Inhalten der Innovationsprojekte ist eine Vertrauensbasis förderlich. Aufgrund der Corona-Pandemie wurden die angesetzten Präsenzveranstaltungen je nach Situation in hybride Veranstaltungen (Präsenzveranstaltung mit paralleler virtueller Übertragung) oder komplett in digitale Liveformate (Webinare) überführt.

In den Präsenzveranstaltungen bzw. Webinaren im Rahmen der P-Module standen folgende Inhalte im Vordergrund:

  • persönliches Kennenlernen (Check-in-Runde)

  • Auseinandersetzung/Austausch zu den Lernerfahrungen (Reflexion)

  • Übungen und Interaktionen, die von zwei oder mehreren Personen zusammen gemacht werden (z. B. Kommunikationsübungen)

  • Übungen, bei denen mit physischem Material gearbeitet wird (Bälle, Papier etc.)

  • Körperübungen (z. B. im Rahmen der Persönlichkeitsentwicklung)

  • soziales Miteinander (z. B. gemeinsame Anfahrt, Pausengespräche)

Es wurde außerdem die Gelegenheit genutzt, dass die erfahreneren Teilnehmenden Inhalte vorgestellt haben (z. B. Modelle aus dem E-Learning, Fallbeispiele zu eingesetzten Methoden). Für das visuelle Lernen und zum gemeinsamen Erarbeiten von Inhalten werden für alle zugreifbare, digitale Dokumentationstools eingesetzt (z. B. mit der virtuellen Plattform Mural).

5.2.2 Zwei zentrale Ansatzpunkte: Konkrete Innovationsprojekte und firmenübergreifender Austausch

Die Blended-Learning-Weiterbildung integriert zwei zentrale Ansatzpunkte zur Entwicklung neuer Wege für das Innovationsmanagement in KMU. Zum einen knüpft die Weiterbildung kontinuierlich an konkreten aktuellen Innovationsprojekten der Weiterbildungsteilnehmenden an (Abschn. 5.2.2.1). Zum anderen wird über verschiedene Formate der firmenübergreifende Austausch der KMU – zu konkreten Innovationsprojekten der Teilnehmenden und darüber hinaus – begleitet und gefördert (Abschn. 5.2.2.2). Über den Verlauf des Projekts InnoDiZ erweiterte sich das Netzwerk der Unternehmen – und mit ihm die Anzahl der Innovationsprojekte – jährlich (s. Abb. 5.5).

Abb. 5.5
figure 5

Erweiterung des Netzwerks im Verlauf des Projekts InnoDiZ. (Quelle: Eigene Abbildung (Hochschule Pforzheim))

5.2.2.1 Konkrete Innovationsprojekte in den KMU

Der Ansatz der Blended-Learning-Weiterbildung im Projekt InnoDiZ fußt auf konkreten Innovationsprojekten in den KMU, die die Weiterbildungsteilnehmenden bearbeiten. Insofern handelt es sich um ein arbeitsnahes Konzept, das im Sinne eines „Social Workplace Learning“ (Erpenbeck et al., 2016) verspricht, eine praxisorientierte Kompetenzentwicklung bzw. Lerntransfer zu ermöglichen und zu unterstützen.

Ein Innovationsprojekt beschreibt die Form, in welcher in der Unternehmenspraxis die Entwicklung und die Umsetzung von neuen Ideen erfolgt. Kennzeichen von Innovationsprojekten sind neben dieser Zielorientierung die Neuartigkeit der Projektaufgabe, zeitliche Befristung, Komplexität und das Erfordernis interdisziplinärer Zusammenarbeit (für einen Abriss Vahs & Brem, 2015, S. 172 f.). Im Innovationsprojekt finden typischerweise die verschiedenen Phasen des Innovationsprozesses statt (s. Abschn. 5.1.2). Die Bandbreite der Innovationsprojekte der Teilnehmenden im Projekt InnoDiZ umfasst dabei Produkt- und Prozessinnovationen, Geschäftsmodellinnovationen, Strukturinnovationen oder Sozialinnovationen (s. hierzu die in Abschn. 5.3 versammelten Fallbeispiele aus den fünf KMU-Anwendungspartnern).

Die Teilnehmenden wurden ermutigt, jeweils in Steckbriefen u. a. die Zielsetzung ihres Projekts festzuhalten und diese einzureichen. Erweitert wurde dieser Ansatz in der 2. Runde zu einer „Galerie“ der Steckbriefe auf der Lern- und Kollaborationsplattform, um die Vernetzung der Teilnehmenden zu unterstützen (s. auch Abschn. 5.2.2.2). Die Idee der Projektsteckbriefe soll in einem der KMU nun auch intern aufgegriffen werden.

In den wissensorientierten W-Modulen (Abschn. 5.2.3.1) wurde jeweils eine Bezugnahme zu den Innovationsprojekten der Teilnehmenden sichergestellt, typischerweise über Übungen, Transferfragen und Diskussion in Webinaren (Plenum und Kleingruppen). In den praxisorientierten P-Modulen (Abschn. 5.2.3.2) erfolgte die Bezugnahme zum Innovationsprojekt über konkrete Fallbeispiele z. B. zur Projektkommunikation.

5.2.2.2 Firmenübergreifender Austausch der KMU

Der Aufbau eines stabilen, firmenübergreifenden Austausches zwischen den KMU wurde im Projekt InnoDiZ durch verschiedene aufeinander aufbauende und ineinandergreifende Angebote unterstützt:

Aktive Rolle der Projektleitungen

Den Grundstein für den firmenübergreifenden Austausch haben die fünf Projektleiter*innen der Anwendungspartner gelegt. Die regelmäßigen Projektverbundtreffen, aber auch die aktive Einbindung der Projektleiter*innen bei der Entwicklung der Kollaborationsplattform sowie der Lerninhalte für die Weiterbildung schafften dafür den Rahmen.

Erweiterungsrunden

Das Format der firmenübergreifenden Weiterbildung, im ersten Jahr zunächst begrenzt auf die fünf Anwendungspartner, im zweiten Jahr erweitert um elf weitere assoziierte Organisationen (hier hatten die Anwendungspartner auch die Gelegenheit, Unternehmen aus ihrer Supply Chain einzuladen) und im dritten Jahr geöffnet für themenspezifische Netzwerke und Cluster schaffte nach und nach eine breitere Basis für den Austausch.

Vernetzungsangebote

Im Rahmen der Teilnahme an Webinaren und Präsenzveranstaltungen, den durch Hochschule Pforzheim oder imu moderierten Formen des Präsenzlernens (s. Abschn. 5.2.1.3), konnten sich die einzelnen Personen aus unterschiedlichen Unternehmen vernetzen. Bei Präsenzveranstaltungen wurden auch die Pausenzeiten für das persönliche Kennenlernen genutzt. In Form von monatlichen, zweistündigen Online-Vernetzungstreffen mit Themenschwerpunkten, die überwiegend von den Teilnehmenden festgelegt wurden, fand ein vertiefender Austausch statt. Diese Treffen auf freiwilliger Basis ermöglichen den Austausch über alle drei Weiterbildungsrunden. Auch bei diesen Treffen besteht, wie bei Webinaren, die Möglichkeit in Kleingruppen zu arbeiten. Schließlich wurde den Teilnehmenden auf der Lernplattform über eine sogenannte Projektsteckbriefe-Galerie die Möglichkeit geboten, über eingestellte Steckbriefe die Innovationsprojekte von anderen Teilnehmenden kennenzulernen und über eine Übersicht (Projektlandkarte) Projekte zu identifizieren, die dem eigenen Projekt ähnlich sind (oder ganz anders sind).

Ergänzende Austauschmöglichkeiten

Die einzelnen Teilnehmenden haben zudem die Gelegenheit, über weitere Möglichkeiten in den direkten Austausch zu kommen. Insbesondere die Nutzung der Kommentarfunktion in blink.it für Fragen und Antworten sowie die Vorstellung der eigenen Person und des Projekts und weitere Kommunikation über Slack stehen hier zur Verfügung.

5.2.3 Inhalte der Blended-Learning-Weiterbildung „Innovationsmanagement in KMU“

Die Inhalte der Blended-Learning-Weiterbildung umfassen zwei Perspektiven auf das Innovationsmanagement in KMU, die in den beiden nachfolgenden Abschn. 5.2.3.1 und 5.2.3.2 vorgestellt werden. In wissensorientierten Modulen („W-Module“, entwickelt vom Entwicklungspartner Hochschule Pforzheim) werden Grundlagen zum Innovationsprozess sowie klassischen und agilen Vorgehensweisen vorgestellt und diskutiert. Der Zeitaufwand für die Teilnehmenden für ein W-Modul liegt bei ca. fünf Stunden (zwei Stunden E-Learning, drei Stunden Webinar). In praxisorientierten Modulen („P-Module“, entwickelt vom Projektkoordinator/Entwicklungspartner imu augsburg) geht es, unter Berücksichtigung von prozessübergreifenden Aspekten wie Kommunikation, um den Übertrag der Methoden in die Unternehmenspraxis der KMU. Im Rahmen der P-Module finden neben dem E-Learning (ca. eine Stunde pro Modul) und den Webinaren (drei Stunden pro Modul) drei ganztägige (acht Stunden) Präsenzveranstaltungen (on site) statt.

5.2.3.1 Inhalte der wissensorientierten Module (W-Module)

Die inhaltlich aufeinander aufbauenden W-Module behandeln grundlegende Aspekte des Innovationsmanagements entlang der Phasen des Innovationsprozesses. Dabei stehen zunächst eher klassische Ansätze und Methoden im Zentrum, bevor im weiteren Verlauf auf agile Arbeitsweisen und Methoden eingegangen wird:

W1.1 Einführung und Grundlagen des Innovationsmanagements

Was sind Innovationen und welche Bedeutung haben sie? Was sind die grundlegenden Begriffe und Klassifikationen? Wie kann Innovation organisiert werden?

Inhalte

Bedeutung von Innovationen • Grundbegriffe • Klassifikation von Innovationen • Organisation von Innovation • Menschen und deren Umgang mit Innovation

W1.2 Zukunftsthemen und Innovationsstrategie

Wie könnte die Zukunft aussehen und welchen Einfluss hat das auf das Unternehmen? Wie kann eine Innovationsstrategie mit langfristigen Zielsetzungen entwickelt werden?

Inhalte

Warum ist die Zukunft so wichtig? • Megatrends und Zukunftsthemen • Technologietrends • Entwicklung einer Innovationsstrategie und Methoden

W1.3 Innovationsanstoß und Ideengewinnung

Was stößt Innovationen an und wie können gute Innovationsideen gefunden bzw. über Kreativitätstechniken generiert werden?

Inhalte

Auslöser für Innovationen • Nutzer und deren Bedürfnisse • Ideengewinnung • Kreativität und Kreativitätstechniken • Design Thinking und Open Innovation

W1.4 Ideenbewertung und -auswahl

Welche Anforderungen sind an die Bewertung von Innovationsideen zu stellen? Welche Methoden können genutzt werden? Wie sollte eine Ideenauswahl stattfinden?

Inhalte

Ideenbewertung in der Praxis • Qualitative und quantitative Methoden • Ideenauswahl

W1.5 (1) Einführung in das agile Arbeiten

Was sind die Grundlagen und Ursachen agiler Arbeit? Wozu dient Agilität in Unternehmen? Was sind die Ebenen der Agilität?

Inhalte

Veränderungen in In- und Umwelt von Unternehmen • Kennzeichen agilen Arbeitens • erfolgskritische Faktoren agilen Arbeitens

W1.5 (2) Einführung in agile Methoden

Was sind Methoden und Techniken agilen Arbeitens? Welche Chancen und Grenzen gibt es? Wie können agile Methoden das Innovationsmanagement in KMU unterstützen?

Inhalte

Design Thinking • Kanban/Canvas • Scrum • Methodenkoffer für KMU

W1.6 Ideenumsetzung und Markteinführung

Wie können ausgewählte Ideen umgesetzt werden und was ist bei der Markteinführung von Innovationen zu beachten?

Inhalte

Technische Ideenumsetzung und Projektrealisierung • Projektmanagement in der Produktentwicklung • Marketing und Innovationskommunikation • Markteinführung

Grundlegendes Ziel der W-Module ist es zunächst, den Teilnehmenden der Blended-Learning-Weiterbildung einen breiten Überblick über Ansätze und Methoden zu geben und einen reflektierten Blick auf die KMU-taugliche Übertragbarkeit für die eigenen Innovationsprojekte im Unternehmen zu schulen. Es entsteht somit eine Wissensbasis und ein Innovationsmanagement-Methodenkoffer, die erst – im Zusammenspiel mit den P-Modulen – ein selbstorganisiertes Innovationsmanagement ermöglichen (s. Abschn. 5.2.4).

Aufbauend auf den Basismodulen wurden zwei wissensorientierte Vertiefungsmodule entwickelt. Diese sind flexibler auf ein Selbststudium ausgelegt und beinhalten daher ein abschließendes Webinar. Das Vertiefungsmodul „Führung für agiles Arbeiten“ behandelt die Besonderheiten von Führung und Führungsverständnis im Kontext von „New Work“ und adressiert dabei einige wichtige prozessübergreifende Aspekte bzw. organisationale Rahmenbedingung für das Gelingen kontextueller Ambidextrie (s. Abschn. 5.1.1). Der Wandel in der Führung wird regelmäßig auch im Projektcoaching im Rahmen der P-Module thematisiert. Das Vertiefungsmodul „Innovationsmanagement der Zukunft“ umfasst die Themen Ambidextrie und Nachhaltigkeit und deren Berücksichtigung im Innovationsmanagement. Zum Thema Ambidextrie werden Entscheidungskriterien vorgestellt, die den Teilnehmenden im Rahmen der kontextuellen Ambidextrie die Wahl zwischen geeigneten Methoden zur Förderung der Exploitation oder der Exploration erleichtern sollen. Zum Thema Nachhaltigkeit werden praxisnahe Ansätze aufgezeigt, die den Teilnehmenden die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten für eine weitere zukunftsweisende Ausrichtung ihres Innovationsmanagements ermöglichen. Beide Vertiefungsmodule beleuchten damit relevante Aspekte eines selbstorganisierten Innovationsmanagements.

5.2.3.2 Inhalte der praxisorientierten Module (P-Module)

In den P-Modulen geht es um den Übertrag der theoretischen Methoden in die Praxis. Die Teilnehmenden erwerben zusätzliche Kompetenzen, die es ihnen erleichtern die Innovationsprojekte erfolgreich zu bearbeiten (Selbstreflexion, Kommunikation, Arbeiten im Team etc.). Als zukünftige Anwender*innen und Multiplikator*innen im eigenen Unternehmen können sie so das Innovationsmanagement selbstorganisierter gestalten.

P1.1 Integrale Grundlagen

Integrale Modelle und Erfahrungsübungen kombinieren „harte“ und „weiche“ Kompetenzen. Innovationsprojekte können in die Gesamtentwicklung der Organisation eingeordnet werden.

Inhalte

4-Quadrantenmodell • Werteebenenmodell Spiral-Dynamics wird auf den Innovationskontext adaptiert • Reiz-Handlungsmodell (Menschenbild)

P1.2 Persönlichkeitsentwicklung und Selbstführung

Toolbox für subtile und emotionale Intelligenz. Bewusstsein als Schlüsselkompetenz für gelingende Selbstführung.

Inhalte

Achtsamkeitsübungen für Körper/Atmung, Gedanken und Gefühle • Eigene Gedanken beobachten • Grundgefühle • Glaubensätze und Muster

P1.3 Kommunikationskompetenz und Konflikttransformation

Wirksame Kommunikation innerhalb eines Innovationsprojektes, Spannungen und Konflikte lösungsorientiert nutzen. Übung anhand von konkreten Anwendungsfällen.

Inhalte

Kommunikationsmodelle (z. B. Eisbergmodell) • bewusstes Zuhören • Feedback • Bedürfnisse in der Kommunikation kennen

P1.4 Coaching und Führung

Einblick in neue Formen von Führung. Einführung von Coaching und Coaching-Tools. Führungsverständnis reflektieren und weiterentwickeln, Potenziale für Innovation aktivieren.

Inhalte

Reflexion von Führung • Einführung in neue Formen von Führung • Erfahrungsraum Coaching • Tools Einzel- und Teamcoaching und Meeting-Gestaltung

P1.5 Agilität und Innovationsmanagement

Eintauchen in die praktische Umsetzung der agilen Methoden, Schwerpunkt liegt im allgemeinen Verständnis eines agilen Mindsets.

Inhalte

Einführung in Design Thinking (DT) • Konkreter Prozessablauf DT • Durchführung eines DT-Prozesses • Einführung Scrum und Projektcanvas

P1.6 Agile Toolbox – Die Anwendungspraxis

Kennenlernen des auf KMU angepassten Vorgehens zu Scrum und Design Thinking. Befähigung Teilaspekte der Methoden auf eigene Projekte zu übertragen.

Inhalte

Praktische Anwendung DT auf ein laufendes Innovationsprojekt • Integration von Scrum-Methoden in laufendes Innovationsprojekt

P1.7 Projektkommunikation und -abschluss

Konkrete Übertragungsschritte in die Organisation und Richtung Markt/Supply Chain festlegen, Reflexion Weiterbildung und Projekt.

Inhalte

Identifikation nächster Projektschritte/potenzieller Blockaden • Möglichkeit Projektpartner in die Überlegungen einzubeziehen

5.2.4 Zwischenfazit: Ermöglichung eines selbstorganisierten Innovationsmanagements

Der in Abschn. 5.2 vorgestellte Blended-Learning-Ansatz des Projekts InnoDiZ mit den Elementen konkrete Innovationsprojekte und firmenübergreifender Austausch verfolgt das Ziel KMU zu unterstützen, um ein selbstorganisiertes Innovationsmanagement (IM) zu ermöglichen. Hierbei werden im Rahmen der W- und P-Module der Weiterbildung die Herausforderungen und Handlungsbedarfe der KMU (s. Abschn. 5.1.3), welche sich auf konkrete prozessbezogene und prozessübergreifende Aspekte beziehen, adressiert. Das Gesamtbild der Weiterbildung, das in Abb. 5.6 dargestellt ist, ergibt sich daher aus den Innovationsprozess-Phasen „Strategische Orientierung/Problemidentifizierung“, „Ideenphase“, „Bewertungs- & Auswahlphase“ sowie „Umsetzungsphase (inkl. Markteinführung)“ (s. auch Abschn. 5.1.2), die im Zentrum abgebildet sind, und den prozessübergreifenden Aspekten („Persönlichkeit“, „Kompetenz“, „Kultur, Kommunikation“ und „Strukturen, Rollen“ als Rahmenbedingungen in der Organisation), welche in vier den Prozess umgebenden Feldern visualisiert sind. Der Fokus der W-Module liegt dabei auf prozessbezogenen Aspekten, während der Fokus der P-Module auf prozessübergreifenden Aspekten liegt (s. auch Abschn. 5.2.3).

Abb. 5.6
figure 6

Gesamtbild der Weiterbildung. (Quelle: Eigene Abbildung (InnoDiZ-Konsortium); Phasenmodell aufbauend auf Pleschak und Sabisch (1996), Thom (1980), Vahs und Brem (2015))

In den Weiterbildungsmodulen zu prozessbezogenen Aspekten werden den Teilnehmenden aus KMU sowohl ein klassischer IM-Ansatz als auch ein agiler IM-Ansatz und jeweils zugehörige Methoden aufgezeigt. Dies erfolgt entlang der Phasen des Innovationsprozesses. Hieraus ergibt sich ein Methodenkoffer mit klassischen und agilen Methoden, der den Teilnehmenden dazu dienen soll im Sinne der kontextuellen Ambidextrie (s. Abschn. 5.1.1) situationsadäquate Vorgehensweisen im IM zu finden. Während sich der klassische Ansatz und die dazugehörigen Methoden eher für exploitative Aufgaben und inkrementelle Veränderungen eignen, sind der agile Ansatz und die agilen Methoden oft für explorative Aufgaben und radikale Neuerungen die adäquatere Herangehensweise (Paluch et al., 2020). Im Hinblick auf die prozessübergreifenden Aspekte sind das Individuum und die organisationalen Rahmenbedingungen zu beachten. Durch die Weiterbildung bzw. den Methodenkoffer werden individuelle Voraussetzungen für kontextuelle Ambidextrie durch die Fähigkeit der Mitarbeitenden, Prioritäten zu setzen und Entscheidungen zu treffen (Havermans et al., 2015; Wang & Rafiq, 2014) gefördert. Führungskräfte sind dabei ebenfalls wichtige Befähiger*innen (Nicolletti et al., 2019; van Hoof, 2014), und auch eine Vertrauenskultur (Havermans et al., 2015; Wang & Rafiq, 2014) beeinflusst eine kontextuelle Ambidextrie positiv. Diese Themen werden in Modulen der Weiterbildung, welche die oben genannten prozessübergreifenden Aspekte adressieren, aufgegriffen, und es werden zugehörige Methoden vermittelt. Diese sog. P-Module fokussieren auf Aspekte wie Persönlichkeit und Kompetenzen bei einzelnen Akteuren sowie Kultur und Strukturen in KMU (s. Abb. 5.6), um die Rahmenbedingungen für die neuen Wege des Innovationsmanagements in KMU ganzheitlich zu gestalten. Dies basiert auf der Integralen Landkarte der Organisationsentwicklung (Abbenhaus et al., 2021 i. E.). In diesem Sinne unterstützt der Ansatz des Projekts InnoDiZ die Fähigkeit zum selbstorganisierten Entscheiden, indem Methoden des IM für exploitative und explorative Vorgehensweisen geschult und relevante Kontextvariablen in Organisationen wie Führung und Kultur adressiert werden. Selbstorganisation braucht jedoch die Unterstützung bzw. Impulse von Führungskräften und Individuen sowie einen gewissen (moderierten) Rahmen (s. Abschn. 5.4).

Zusammenfassend unterstützt der in Abschn. 5.2 vorgestellte Ansatz einer Blended-Learning-Weiterbildung die Ermöglichung eines selbstorganisierten Innovationsmanagements in den KMU. Hier kommt den Elementen Lernplattform, Innovationsprojekt und firmenübergreifender Austausch besondere Bedeutung zu. Unter selbstorganisiertem Innovationsmanagement wird im Projekt InnoDiZ somit verstanden, dass Individuen selbstständig entscheiden, wie bzw. mit welchen Methoden sie in den Schritten des Innovationsprozesses arbeiten. Je nach Bedarf lernen die Individuen hierzu mit Hilfe der Lernplattform und des über den firmenübergreifenden Austausch entstehenden Netzwerkes. Das nachfolgende Kapitel zeigt auf, wie die Anwendungspartner den Ansatz des Projekts InnoDiZ zur Weiterentwicklung ihres Innovationsmanagements jeweils nutzten.

5.3 Fallbeispiele: Neue Wege im Innovationsmanagement in KMU

Autor*innen dieses Abschnitts: Monika Luger, Annika Reischl, Sabrina Weber.

Der vorliegende Abschn. 5.3 versammelt nachfolgend fünf Fallbeispiele aus den KMU-Anwendungspartnern des Projekts InnoDiZ. Es werden jeweils die spezifische Ausgangssituation des KMU, konkrete Innovationsprojekte und der Kompetenzaufbau bei Fach- und Führungskräften durch die Blended-Learning-Weiterbildung „Innovationsmanagement in KMU“ unter Nutzung der Lern- und Kollaborationsplattform beschrieben.

5.3.1 Eberle – Aktive Kulturentwicklung als Basis für die Erneuerung des Innovationsmanagements

Die J.N. Eberle & Cie. GmbH mit rund 250 Mitarbeitenden und Sitz in Augsburg ist Hersteller von Metallbandsägen und Präzisionsbandstahl. Für die zukünftige Innovationsarbeit bei Eberle bietet die Vision des Unternehmens, deren Entwicklung unter Einbindung der ersten und zweiten Führungsebene des Unternehmens erfolgte, die Basis. Es wurden fünf „Leitsterne“ als Teilziele zur Erreichung der Vision festgelegt: „Attraktive Produkte“, „Intelligente Digitalisierung“, „Moderne Arbeitswelten“, „Sinnvolle Wertschöpfung“ und „Selbststeuernde Teams“. Im Mittelpunkt für die Erneuerung des Innovationsmanagements steht dabei die Arbeit an der Firmenkultur, mit dem Ziel von der bisher klassisch hierarchisch geprägten Organisation hin zu einem agileren und offeneren Miteinander zu gelangen. Diese für das Unternehmen herausfordernde Struktur- bzw. Sozialinnovation war Ausgangspunkt für die Teilnahme von fünf Mitarbeitenden aus verschiedenen Abteilungen, darunter auch des Geschäftsführers, an der Weiterbildung „Innovationsmanagement in KMU“ im Rahmen des Projekts InnoDiZ. Für die Firma Eberle lag der Mehrwert der Weiterbildung in der Kombination aus Wissensaufbau hinsichtlich der unterschiedlichen, eher klassischen bzw. eher agilen, Innovationsmethoden einerseits und dem Aufbau der notwendigen persönlichen Kompetenzen der Teammitglieder andererseits. Die Teilnehmenden haben sich im Verlauf der Weiterbildung selbst organisiert und das E-Learning gemeinsam absolviert, um so mehr Verbindlichkeit in das Lernen zu bringen, die Weiterbildungsinhalte auf die eigene Praxis zu übertragen und gleichzeitig die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit zu stärken. Als bei allen bisher Beteiligten der Struktur- bzw. Sozialinnovation (Führungskreis, Betriebsrat und Teilnehmende der 1. Weiterbildungsrunde) ein gemeinsames Bild für die Umsetzung entstanden war, wurden in einer Belegschaftsversammlung die nächsten, für die Vision festgelegten, Schritte vorgestellt und besprochen. Eine wesentliche Voraussetzung für die Implementierung der Leitsterne bildet der unterstützende organisationale Rahmen (z. B. Verhalten der Führungskräfte, Zeit- und Geldbudget, transparente Projekt-Priorisierung). Um im Rahmen der Kulturentwicklung bei Eberle die gesamte Belegschaft einzubeziehen, führte eine Teilnehmende der Weiterbildung (mit Unterstützung des Betriebsrates und der Geschäftsführung) über mehrere Wochen hinweg Workshops mit allen Mitarbeitenden zum Thema Kommunikation durch. Die Workshops dienten zur Analyse der Ist-Situation und dazu den Kolleg*innen ein Kommunikations-Tool an die Hand zu geben, das sie bei der Kommunikation im Alltag unterstützt. Das im Rahmen von InnoDiZ aktualisierte Führungsleitbild der Firma Eberle beinhaltet nun auch den Aufbau von Coaching-Kompetenzen. Um in laufenden Innovationsprojekten (z. B. Kooperationen in der Supply Chain von industriellen Bandsägen und Bandstahl-Produkten, selbststeuernde Teams: Schichtplanung) Transparenz und leistungsorientiertes Arbeiten zu stärken, wurde mithilfe der erlernten agilen Innovationsmethoden in allen Abteilungen ein Austauschformat für Beteiligte implementiert. Um diese Prozesse auch zukünftig von innen heraus zu stärken hat Eberle eine interne Stelle für die agile Unterstützung von Innovationsprojekten geschaffen, die ein Weiterbildungsteilnehmer übernahm. Daneben findet im zweiwöchigen Rhythmus die sogenannte „Eberle-Arena“ statt, in der sich abteilungsübergreifend ein Dutzend Mitarbeitende gemeinsam mit dem Geschäftsführer treffen, um aktuelle Themen zu besprechen. Ein für alle zugängliches Ergebnisprotokoll schafft hierbei die notwendige Transparenz. Nicht von allen Führungskräften konnte diese aktive Form der Kulturentwicklung zur Erneuerung des Innovationsmanagements mitgetragen werden, daher kam es im Laufe des Prozesses zur Entbindung einer langjährigen Führungskraft von ihren Aufgaben. Auf der anderen Seite nahmen viele Mitarbeitende an der 2. und 3. Weiterbildungsrunde teil, um Projekte aktiv mit neuen Innovationsmethoden zu gestalten.

5.3.2 NOCH – Innovationsprojekt 3D-Druck von Miniaturfiguren initiiert ganzheitliche Innovationskultur

Die NOCH GmbH & Co.KG, ein mittelständisches, eigentümergeführtes Produktionsunternehmen (ca. 80 Mitarbeitende) in Wangen im Allgäu, stellt Zubehör für Modelleisenbahnen her. Im Rahmen von InnoDiZ wurde das innovative Digitalisierungsprojekt 3D-Druck von Miniaturfiguren in zwei Phasen erfolgreich umgesetzt. Nachdem in der ersten Phase (1. und 2. Projektjahr) ein sicherer Prozess für die schnelle und kostengünstige Produktion von Artikeln mit kleiner Auflage gestaltet wurde und die Produkte auch erfolgreich vermarktet werden konnten, erfolgte noch ein zweiter Innovationssprung beim 3D-Druck. Durch exklusive Einzelanfertigungen mit aufwändiger digitaler Bemalung soll im Marktsegment der Miniaturfiguren eine Marktführerschaft erreicht werden. Neben vielen technischen Herausforderungen sind hier hohe Anschaffungskosten der 3D-Drucker, die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern sowie die Markterschließung zentrale Handlungsfelder. Bearbeitet wird das Projekt von den vier Teilnehmenden der 1. Weiterbildungsrunde, die aus verschiedenen Abteilungen kommen. Die hier gemeinsam erworbenen fachlichen Kompetenzen für Ideengewinnung (Kreativitätstechniken), Ideenbewertung und -auswahl, agiles Arbeiten (iterativ, Einbeziehung der Kundenperspektive) sowie Kommunikationskompetenz kommen nun in der praktischen Arbeit zum Einsatz und beschleunigen den Projektfortschritt. Wesentlich für die Innovationskultur-Entwicklung war, dass sich die Teilnehmenden der Weiterbildung zu einem echten Team zusammengefunden haben. Der gemeinsame Besuch der Präsenzveranstaltungen, Webinare und Vernetzungstreffen gab Gelegenheit sich auf der persönlichen Ebene besser kennenzulernen. Gleichzeitig hat das projektbasierte Lernen im abteilungsübergreifenden Innovationsprojekt dazu beigetragen, die Prozesse in den verschiedenen Abteilungen besser nachzuvollziehen. Das Team hat sich auch nach der Weiterbildung weiterhin getroffen und neben dem großen 3D-Druck-Projekt ein Projekt für eine Strukturinnovation für den gesamten Standort in Wangen initiiert und durchgeführt. Das Team hat mit einer Auswahl an Innovationsmethoden aus der Weiterbildung (z. B. Design Thinking) bei der Belegschaft den Bedarf einer räumlichen Umstrukturierung ermittelt und priorisiert. Positiv wirkte sich dabei der Einsatz des für alle einsehbaren Projekt-Canvas aus (z. B. Transparenz der Projektziele und des eingebundenen Personenkreises). Die im Team entwickelte Idee wurde der Geschäftsführung vorgelegt und durch diese genehmigt. Damit hat das Team das erste Bottom-up-Innovationsprojekt der Firma gestartet. Auch bei dieser Umsetzung spielten agile Methoden eine Rolle, wie Interviews aus dem Design-Thinking-Prozess, um die Bedürfnisse der Belegschaft möglichst gut abbilden zu können. Bei den Interviews wiederum kamen erworbene Coaching-Kompetenzen wie „bewusstes Zuhören“ oder „öffnende Fragen stellen“ zum Einsatz. Um das Bottom-up-Prinzip und die neuen Methoden im Innovationsmanagement weiter im Unternehmen zu verankern, nahmen an der 2. bzw. 3. Runde der Weiterbildung jeweils vier Personen aus weiteren Abteilungen teil.

5.3.3 Phaesun – Dreifache Zielsetzung: Generationenwechsel, Qualitätsmanagement und Digitalisierung mit neuen Methoden innovativ entwickeln

Die Phaesun GmbH (Solartechnik-Großhandel) mit 30 Mitarbeitenden und Sitz in Memmingen ist der kleinste Anwendungspartner im Projekt InnoDiZ. Nachhaltigkeit (Purpose) und eine hohe Selbstverantwortung (New Work) sind selbstverständlicher und bereits gelebter Teil der Unternehmenskultur. Ziel der Geschäftsführung war es, durch die Blended-Learning-Weiterbildung „Innovationsmanagement in KMU“ diese Unternehmenskultur mit neuen Methoden und erfolgreich umgesetzten Innovationsprojekten zu stärken. Drei Innovationsprojekte sollten durch noch mehr Selbstorganisation und neue Innovationsmethoden verfolgt werden:

  1. 1.

    Nutzerfreundliche Online-Order-Plattform (OOP)

  2. 2.

    Generationenwechsel und damit einhergehende Kulturentwicklung („Phaesun for Future“)

  3. 3.

    Vom Qualitätsmanagement zum ganzheitlichen Innovationsmanagement

An der 1. Weiterbildungsrunde nahmen drei junge Mitarbeitende teil, um alle drei Ziele mit möglichst vielen Synergien zu erarbeiten und zu erreichen. Für Phaesun war es sehr herausfordernd die notwendige Zeit für die Weiterbildung bereitzustellen, da alle drei Personen parallel Kernaufgaben des Tagesgeschäftes operativ zu bearbeiten hatten (z. B. Export), die nicht durch andere Mitarbeitende aufgefangen werden konnten. Ein Teil der Lösung war die selbstorganisierte Aufteilung der Lerninhalte, sodass immer mindestens eine Person teilnehmen konnte. Der Blick auf das Tagesgeschäft bei Phaesun zeigte auch, dass die Umsetzung von Innovationsprojekten neben der hohen operativen Arbeitslast im Alltag äußerst schwierig ist. Lange Laufzeiten der Projekte verhinderten teilweise eine effektive Umsetzung im Arbeitsalltag – besonders für Projekte mit einer hohen strategischen Bedeutung, aber einer niedrigen operativen Dringlichkeit. Diese Rahmenbedingungen lenkten den Blick auf eine agile Methode, Design Sprint, die das Projekt aus dem Tagesgeschäft „herausholen“ sollte. Der einwöchige Design Sprint nutzt eine an Design Thinking angelehnte Methodik, die in der Weiterbildung „Innovationsmanagement in KMU“ vermittelt wurde. Phaesun hat gemeinsam mit dem InnoDiZ-Entwicklungspartner imu den Design Sprint so modifiziert, dass sichergestellt war, dass die Kunden weiterhin zuverlässig betreut werden konnten. So wurde innerhalb einer Woche ein kompletter Entwicklungszyklus durchlaufen. Dazu entwickelte das Team einen Prototyp, als mögliche Lösung für die im Innovationsprojekt OOP liegende Herausforderung. Dieser Prototyp wurde am Ende der Woche mit Nutzer*innen getestet, um Feedback für die Validität der Lösung zu erhalten. Ziel für das OOP-Projekt war es somit in dieser einen Woche die Features herauszufinden, die für die Nutzer*innen die höchste Relevanz aufweisen. Hierzu wurde ein Prototyp der Plattform mit den neuen Features entwickelt und mit B2B-Kund*innen besprochen. Kompetenzen (z. B. Megatrends einbeziehen, Kunden- und Lieferanteninterviews führen, Bewerten, Entscheidungen gemeinsam treffen), die in der Weiterbildung vermittelt wurden, konnten über den Design Sprint in die Praxis transferiert werden. Für die Umsetzung des Innovationsprojektes wurden die Ergebnisse des Design Sprints in die agile Projektmanagementmethode Scrum überführt, welche ebenfalls an die Rahmenbedingungen der Firma Phaesun angepasst wurde. Im Ergebnis wurde ein umfangreiches Lastenheft erstellt, ein passender Partner für die Programmierung gefunden und die neue Bestellplattform „Off-Grid Square“ soll pünktlich zum Ende des Projekts InnoDiZ online gehen. Auch der Generationenwechsel hat konkrete Formen gefunden. So hat Phaesun mit weiteren neuen, jungen Mitarbeitenden einen Werteworkshop durchgeführt, um in den kommenden zehn Jahren Orientierungspunkte für die gemeinsame Phaesun-Entwicklung zu setzen. Das Qualitätsmanagement hat sich inhaltlich zum „Phaesun Innovation Management“ weiterentwickelt und die neu gegründete Abteilung Research & Innovation ist nun im Qualitätswesen integriert.

5.3.4 Reichmann – Vier selbstorganisierte Teams gestalten Zukunft mit vier parallelen Innovationsprojekten

Die Reichmann & Sohn GmbH ist ein Familienunternehmen mit Sitz im bayerischen Weißenhorn bei Ulm. Die Kernkompetenzen des Unternehmens mit rund 80 Mitarbeitenden liegen im Schleifen und Trennen mit den drei Produktsegmenten Servicemaschinen für Ski & Snowboard, Sonderschleif- und Trennmaschinen für Eisengießereien sowie Schleif- und Poliermaschinen für metallverarbeitende Betriebe. Reichmann ist in vierter Generation gut aufgestellt und gleichzeitig ist es der Anspruch der Geschäftsführung sich auf hohem Niveau den Anforderungen des Marktes und der eigenen Mitarbeitenden zu stellen. Mit dem Projekt InnoDiZ wurde sowohl die Chance ergriffen, sich intern bei der Er- und Bearbeitung von Innovationsprojekten weiterzuentwickeln und dabei gleichzeitig die Zukunftsanforderungen des Marktes aufzugreifen und zu integrieren. Aus diesem Grund war es für Reichmann wichtig, die richtungsweisenden Innovationsprojekte sorgfältig auszuwählen, die Projektziele unter Berücksichtigung der Unternehmenskultur zu setzen und bei der Besetzung der Projektteams die Weiterentwicklung der Teammitglieder im Fokus zu halten. Neben der Weiterbildung „Innovationsmanagement in KMU“ war diese Herangehensweise durch die Integrale Landkarte methodisch unterstützt. Die Integrale Landkarte ist ein praktisches Analyse- und Entwicklungstool zur ganzheitlichen Betrachtung von Unternehmenskultur und KMU-relevanten Entwicklungsthemen (Abbenhaus et al., 2021 i. E.). So konnten die Innovationsprojekte im Hinblick auf Rahmenbedingungen wie Motivation, Gesprächskultur oder Führungsverhalten eingeordnet werden. Der Führungskreis des Unternehmens entwickelte ein Zukunftsbild, das mit Blick auf die großen Veränderungsprojekte die mittelfristige Ausrichtung (5 Jahre) der Firma Reichmann fokussiert. Die grundsätzliche Ausrichtung auf Erfolg und Fortschritt basiert auf Zugehörigkeit zur „Reichmann-Familie“, Umsetzungskraft, Mut Entscheidungen zu treffen und einer soliden wirtschaftlichen Stabilität. Transparenz (KVP-Board), klare Zielvorgaben, gelebte Feedback-Kultur, lösungsorientiertes Führen und Stärkung der Eigenverantwortung der Mitarbeitenden sind Herangehensweisen, die durch die Inhalte der Weiterbildung greifbar sind. Junge Potenzialträger*innen bei Reichmann nutzten InnoDiZ, um ihren Teil für zukunftsfähiges Arbeiten einbringen zu können. Hierbei spielten die Innovationsprojekte und die Zusammensetzung der Projektteams eine zentrale Rolle. Die Projekte wurden in einer abteilungsübergreifenden großen Mitarbeitenden-Runde vorgestellt und erstmals in der Geschichte des Unternehmens konnten sich die Mitarbeitenden selbst den Projekten zuordnen und ihre Rollen definieren. Im zweiten, noch weitergehenden Schritt haben die Projektteams eigenverantwortlich die konkreten Projektziele, ausgerichtet am Zukunftsbild der Firma Reichmann, definiert. Entsprechend der Zielsetzungen aus dem Zukunftsbild wurden die vier Innovationsprojekte abteilungsübergreifend, kundenzentriert und damit soweit sinnvoll auch agil bearbeitet. Im Ergebnis wurde bereits im zweiten Projektjahr die erste Schleifmaschine mit smarter Mensch-Maschinen-Schnittstelle (Produktinnovation) verkauft. Weiterhin erfolgte eine selbstorganisierte Synchronisierung des Vertriebsinnendienstes (die bisherigen drei Bereiche wurden durch diese Strukturinnovation zusammengeführt). Im dritten Projektjahr konnte die Prozessinnovation „Baugruppenbezogene Stücklisten“ abgeschlossen werden. Ein weiteres erfolgreich abgeschlossenes Projekt war der für Kunden direkt zugängliche Produktkonfigurator für Standardmaschinen (Geschäftsmodellinnovation) mit digitaler Schnittstelle zur Produktion. Aufgrund der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit, der gemeinsamen Ausrichtung und durch ein sehr deutliches Mehr an Selbstorganisation in den Projektteams war dieser rasche Fortschritt (verbunden mit einer positiven Kundenresonanz) möglich.

5.3.5 Wiedenmann – Innovationsteam gründet sich neu und arbeitet mit agilen Methoden

Die Firma Wiedenmann GmbH in Rammingen mit rund 245 Mitarbeitenden entwickelt und produziert Maschinen für Rasenpflege, Schmutzbeseitigung und Winterdienst. Die Vorreiterrolle der Technologie- und Innovationsführerschaft hatte Wiedenmann viele Jahre einzelnen, außerordentlich kreativen Köpfen wie z. B. einem erfahrenen Entwicklungsleiter und weiteren „Marktkennern“ zu verdanken. Diese wenigen Spezialisten antizipierten Markttrends und setzten sie in konkrete Produktentwicklungen um. Ruhestandsveränderungen in Kombination mit breiter werdenden Anforderungen und Handlungsfeldern, auch und speziell getrieben durch die zunehmende Digitalisierung der Zielmärkte und Gruppen, war die treibende Motivation zur Teilnahme am Projekt InnoDiZ. Im Rahmen des Projekts erfolgte ein dreiteiliger Ansatz: Zum einen die Einleitung und Gestaltung einer Transformation kommend aus dem abnehmenden Spezialistentum hin zum intelligenten WIR einer Vielzahl an Kompetenzträger*innen. Zum anderen auch klassisch die konkrete technische Projektarbeit zur Entwicklung einer neuen Generation von intelligenten Rasenpflegemaschinen, und schließlich – im Hinblick und unter Berücksichtigung von Megatrends für das zukünftig mögliche Leistungsangebot der Firma Wiedenmann – die Evaluierung und Konkretisierung von möglichen neuen Geschäftsfeldern durch überschaubare Maßnahmenpakete. Um die Technologie- und Innovationsführerschaft auch in Zukunft zu sichern, gründete Wiedenmann im Rahmen von InnoDiZ ein Innovationsteam, das mit insgesamt zehn Mitarbeitenden aus allen für den Innovationsprozess relevanten Abteilungen besetzt ist. Auch die Geschäftsführung ist Teil des Teams, um die Entscheidungsprozesse zu unterstützen. In intensiven Strategieworkshops fand das Team zusammen und leitete die anstehenden Innovationsthemen ab, unter anderem den Start einer Grundsatzentwicklung eines Baukastens für „intelligente“ Maschinen zur Rasenbearbeitung. Das gesamte Team durchlief die 1. Weiterbildungsrunde „Innovationsmanagement in KMU“. Für das neue große Innovationsteam waren für die anstehenden Innovationsprojekte sowohl die klassischen Methoden (Megatrends, Ideenbewertung) also auch die agilen Methoden relevant. Das Team übertrug immer wieder einzelne Tools aus der Weiterbildung auf eigene Anwendungsfälle, stellte die Erfahrungen in Webinaren und Vernetzungstreffen vor und konnte so selbstorganisiert abwägen, welche Methoden und Tools für das Team künftig etabliert werden sollten. So schaffte beispielsweise der Einsatz eines allgemein verständlichen Projekt-Canvas Transparenz und Klarheit für alle Prozessbeteiligten. Der Projektleiter hat außerdem alle relevanten Informationen und Dokumente zum Innovationsprojekt „Maschine zur Rasenbearbeitung“ auf der Lern- und Kollaborationsplattform zusammengetragen und dem Innovationsteam zur Verfügung gestellt. Wiedenmann nutzte so auch die Möglichkeit dort eigene Kurse für ihr Innovationsmanagement anzulegen (s. Abschn. 5.2.1.1). Über die Weiterbildung bauten die Teilnehmenden auch Kompetenzen in Bezug auf Führung und Kommunikation auf. Dies half, sich in die Lage anderer Abteilungen hineinzuversetzen, vorhandenes Abteilungsdenken zu überwinden und unternehmensweit wirksame Lösungen zu entwickeln, die auch gemeinsam getragen werden können. Bewusstes Kommunikationsverhalten (z. B. offene Fragen, aktives Zuhören) war zudem hilfreich, um Bedürfnisse von Stakeholdern wie Kunden, Zulieferern und Vertriebspartnern feiner und differenzierter wahrzunehmen. Neben der Weiterentwicklung der eigenen Maschinenbau-Kompetenzen entstanden auch neue Kooperationen sowohl entlang der Supply Chain (Elektronik, Digitalisierung) als auch im Marketingbereich. Gleichzeitig entwickelten sich neue Vertriebsmodelle. In Kombination mit der gezielten Entwicklung, Evaluierung und Integration von Dienstleistungsangeboten ergibt sich so eine intensive Beschäftigung mit und Evaluierung von neuen Geschäftsmodellen. Diese gehen weit über einen reinen Maschinenbau hinaus und werden damit umfassender die Kundenbedürfnisse erfüllen. Um die zukunftsfähigsten Schritte in den kommenden 10 Jahren möglichst geschlossen zu gehen, hat sich die Geschäftsführung dazu entschieden, den Prozess der Visionsentwicklung künftig in einem erweiterten Kreis durchzuführen.

Die fünf Fallbeispiele zeigen auf, dass die Anwendungspartner das Projekt InnoDiZ, unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Ausgangssituation und Innovationsprojekte, unterschiedlich entwickelten und nutzten. Dabei unterstützte die Teilnahme am Projekt InnoDiZ die Weiterentwicklung des Managements von Innovationen in den KMU und erlaubte es, neue Herausforderungen – auch strategisch – anzugehen. Die Öffnung der Blended-Learning-Weiterbildung „Innovationsmanagement in KMU“ bzw. der Lern- und Kollaborationsplattform ab dem 2. Projektjahr für weitere Teilnehmende aus den KMU-Anwendungspartnern sowie aus weiteren, assoziierten KMU brachte neue zusätzliche Vernetzungsmöglichkeiten und Austauschmöglichkeiten zu konkreten Innovationsprojekten. In der Regel nahmen auch hier immer mehrere Personen aus einem Unternehmen teil, sodass die erlernten Innovationsmethoden an verschiedenen Stellen in der Organisation bzw. in Innovationsprojekten greifen konnten.

5.4 Nutzen des Ansatzes für KMU und Erfolgskriterien für eine Weiterentwicklung des Innovationsmanagements

Autor*innen dieses Abschnitts: Stefan Enzler, Stephan Fischer, Niklas Kho, Claus Lang-Koetz, Monika Luger, Annika Reischl, Sabrina Weber (in alphabetischer Reihenfolge).

Ausgangspunkt für die Teilnahme der Anwendungspartner am Projekt InnoDiZ war bei einigen Unternehmen der Wunsch zur Weiterentwicklung des Innovationsmanagements. Begründet war dies zum Beispiel durch strategische Überlegungen und anstehende Veränderungen. Ein weiterer Auslöser war identifizierter Handlungsbedarf in bestehenden (oder fehlenden) Strukturen und Prozessen (s. Abschn. 5.3). In der Weiterbildung schafft die Kombination aus W- und P-Modulen einen Mehrwert, indem sowohl prozessbezogen als auch prozessübergreifend Wissen und Kompetenzen für das Innovationsmanagement aus- und aufgebaut werden können. Damit bietet die Weiterbildung eine umfassende und praxisnahe Grundlage für die Gestaltung des Innovationsprozesses und die Umsetzung von Innovationsprojekten im eigenen Unternehmen. Die Einführung in das Innovationsmanagement und die Vermittlung von Grundlagen im Rahmen der W-Module der Weiterbildung ermöglichte den Teilnehmenden das Schaffen eines gemeinsamen Innovationsverständnisses innerhalb des Unternehmens und damit einer gemeinsamen Basis für Innovation. In den P-Modulen der Weiterbildung wurden prozessübergreifende Aspekte wie Kommunikation bearbeitet, diese sind zentral für abteilungsübergreifende Innovationsarbeit. Beide Perspektiven stellen einen wichtigen Ausgangspunkt für die gemeinsame Arbeit in Innovationsprojekten dar. Durch die Bereitstellung von ausgewählten und für die Anwendung in KMU angepassten Inhalten und Methoden wird so ein unterstützender (Handlungs-)Rahmen an die Hand gegeben. Dieser ermöglicht KMU, schnelle und zielgerichtete Fortschritte im Innovationsmanagement zu erreichen.

Die folgenden Abschnitte gehen auf die weiteren Erfahrungen im Hinblick auf Innovationsprojekte und den Innovationsprozess, neue Formen des Lernens sowie Zusammenarbeit, Austausch und Vernetzung ein. Der Beitrag schließt mit einem Überblick über Erfolgskriterien. Alle Ausführungen basieren auf den Fallbeispielen der Anwendungspartner aus Abschn. 5.3 und ergänzend auf weiteren Rückmeldungen aus den KMU (persönlichen Rückmeldungen während des E-Learnings und des Präsenzlernens sowie anonymen Kurzumfragen und ersten vorläufigen Ergebnissen aus Interviews).

5.4.1 Erfahrungen im Hinblick auf Innovationsprojekte und den Innovationsprozess in KMU

Die während der Weiterbildung bearbeiteten Innovationsprojekte waren für die Teilnehmenden zentraler Bezugspunkt für erlerntes Wissen und Methoden. Im Rahmen der Weiterbildung erstellten die Teilnehmenden Projektsteckbriefe, welche die Verbindung von Weiterbildungsmodulen mit dem eigenen Innovationsprojekt unterstützten. Die Projektsteckbriefe zeigten die Bandbreite der bearbeiteten Innovationsprojekte auf (s. Abschn. 5.3) und dienten in einer Art Galerie auf der Lernplattform auch als inhaltlicher Ankerpunkt für Vernetzung (s. Abschn. 5.4.3). Durch die Anwendung des Gelernten in einem eigenen Projekt konnten neue Vorgehensweisen und Methoden ausprobiert und umgesetzt werden, wodurch sich die Art der Projektarbeit verändert und Schritt für Schritt das Innovationsmanagement neu geformt wird. Rückmeldungen der Teilnehmenden zeigen, dass hierbei das Bilden von (abteilungsübergreifenden) Teams, die gemeinsam neue Themen im Unternehmen vorantreiben, sehr bedeutend ist (s. zum Beispiel auch Abschn. 5.3.2). Es wird als vorteilhaft erachtet, wenn mehrere Weiterbildungsteilnehmende eines KMU gemeinsam an einem Projekt arbeiten, um so die Methoden im Team auszuprobieren. Je nach Innovationsprojekt, Innovationsart oder auch Stand bzw. Fortschritt eines Innovationsprojekts sind nicht immer alle Inhalte auf gleiche Weise relevant. Insofern können manche Konzepte und Methoden gegebenenfalls nicht direkt angewandt oder umgesetzt werden. Jedoch können diese für andere Projekte, in denen die Teilnehmenden parallel arbeiten, oder auch für Folgeprojekte relevant werden, weshalb ein breites Grundlagenwissen über den gesamten Innovationsprozess von Vorteil ist. Durch das praktische Ausprobieren unterschiedlicher klassischer und agiler Methoden können für das Unternehmen und für einzelne Projekte passende Methoden ausgewählt und etabliert werden (s. Abschn. 5.3.5). Das Kennenlernen neuer agiler Methoden kann außerdem Ideen zum Aufbau neuer Routinen innerhalb eines Unternehmens hervorbringen, z. B. für die Kommunikation zwischen Beteiligten eines Innovationsprojekts bzw. eine neue interne Stelle zur Beratung und Begleitung von Projekten (s. Abschn. 5.3.1).

Allerdings stehen in den KMU Innovationsprojekte häufig in Konkurrenz zum laufenden Alltagsgeschäft. Sich die Zeit zu nehmen, d. h. sich trotz Alltagsgeschäft mit einem Innovationsprojekt zu befassen, kann eine Herausforderung für die Teilnehmenden darstellen. Während sich die Schaffung von entsprechenden zeitlichen Freiräumen durch die Organisation als schwierig erweist, kann die entsprechende Anpassung von Methoden hier eine gute Lösungsmöglichkeit sein: So können Innovationsprojekte dennoch vorangetrieben werden indem z. B. bestimmte Zeiträume dafür vorgesehen werden (s. Abschn. 5.3.3: Durchführung eines einwöchigen Design Sprint). Eine Anpassung der erlernten Methoden an die Rahmenbedingungen des eigenen Unternehmens und des konkreten Projekts ist dabei zentral.

Die Weiterbildung bietet den Teilnehmenden bzw. ihren Unternehmen über das konkrete Innovationsprojekt hinaus Unterstützung zum Aufbau eines Innovationsprozesses und zur Optimierung der internen Arbeitsabläufe. So können Teilnehmende den Prozess im Unternehmen Phase für Phase anpassen, ausbauen und mit neuen Methoden anreichern. Einige Teilnehmende schätzten insbesondere den Input aus den W-Modulen zu den frühen Phasen des Innovationsprozesses und die Methoden zur Ideengewinnung sowie -bewertung und -auswahl. Denn häufig geschieht dies bislang nicht oder nicht strukturiert. Das Zusammenfinden von (abteilungsübergreifenden) Teams über die Weiterbildung bzw. über konkrete Innovationsprojekte unterstützt das Vorantreiben von Innovationen in den KMU, die Anwendung neuer Methoden sowie die Umsetzung von besonders innovativen Projekten (s. Abschn. 5.3.4 und 5.3.5). Sie können zudem Ausgangspunkt für die Initiierung weiterer Innovationsaktivitäten und -projekte sein (s. Abschn. 5.3.2). Schließlich wurde die Möglichkeit der Teilnahme weiterer Mitarbeitender in der 2. und 3. Runde der Weiterbildung von einigen Unternehmen genutzt, um das entwickelte gemeinsame Innovationsverständnis und neue Arbeitsabläufe und Methoden weiter im Unternehmen zu verbreiten und in die Anwendung zu bringen (s. dazu auch die folgenden Abschn. 5.4.2 und 5.4.3).

5.4.2 Erfahrungen im Hinblick auf neue Formen des Lernens

Der Blended-Learning-Ansatz wurde von den Teilnehmenden aus den KMU grundsätzlich positiv bewertet, da dieser es überhaupt erst ermöglichte sich in die umfangreichen Inhalte der Weiterbildung einzuarbeiten und Lernen bzw. eine Weiterbildung überhaupt in den Arbeitsalltag zu integrieren. Über das E-Learning konnten die Teilnehmenden für sich zügig die Relevanz einzelner Module (z. B. Bedeutsamkeit für das Unternehmen, für das Projekt bzw. ihrer persönlichen Zielsetzungen) einschätzen. Einige Teilnehmende haben außerdem vor oder im Laufe der Weiterbildung eigene Lernstrategien entwickelt. Zum Beispiel haben Teilnehmende eines Unternehmens Inhalte untereinander aufgeteilt (s. Abschn. 5.3.3) oder Lerngruppen gebildet (s. Abschn. 5.3.1), um die Weiterbildung und die damit verbundenen Innovationsprojekte neben dem operativen Tagesgeschäft bearbeiten zu können. Das gemeinsame Präsenzlernen (online oder on site) und der währenddessen oder anschließend stattfindende Austausch über die Inhalte und Projekte unterstützen den Lernerfolg und förderten die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit in den KMU. Für die Teilnehmenden stellte die Priorisierung der Weiterbildung eine spezifische Herausforderung dar, da der Fortgang des Tagesgeschäftes gewährleistet werden musste. Unter diesem Gesichtspunkt wurde besonders geschätzt, dass die Inhalte in mehreren kurzen Lerneinheiten zugänglich waren. So war es den Teilnehmenden möglich regelmäßig auch kürzere Lernzeiten in den Arbeitsalltag einzubauen. Darüber hinaus gaben einige Teilnehmende an, dass aus der Fülle der Lerninhalte regelmäßig relevante Inhalte und Impulse direkt in laufenden Innovationsprojekten übertragen werden konnten (s. Abschn. 5.3.2 und 5.3.5). Dieser direkte Übertrag hatte zur Folge, dass die Teilnehmenden die Weiterbildung nicht als ausschließlich zusätzlichen Arbeitsaufwand wahrgenommen haben, sondern immer wieder als konkrete Unterstützung ihrer Tätigkeiten erlebten, aber auch als interessante Abwechslung und Bereicherung des Arbeitsalltags. Auch das ortsunabhängige Lernen wurde als positiv empfunden. So konnte frei entschieden werden, wo und wann sich den Inhalten gewidmet wurde und zusätzliche Anfahrtszeiten entfielen weitgehend. Insbesondere Homeoffice wurde für das E-Learning, aber auch für die Teilnahme an Webinaren gern genutzt.

Die Rückmeldungen der Teilnehmenden lassen darauf schließen, dass das Blendend Learning einen hohen Grad an Selbstorganisation erfordert. Ein unterstützender und strukturgebender Faktor war die grobe Vorgabe von Lernzeiträumen pro Modul durch die Terminierung des Abschlusses eines Moduls mit einem maximal dreistündigen Webinar (s. Abschn. 5.2.1.3). Neben diesen unterstützenden Faktoren gab es Hindernisse, die das selbstorganisierte Lernen erschwerten. Hier ist zunächst ein fehlender Rahmen in den Organisationen selbst zu nennen. Wurde den Teilnehmenden kein klares Zeitbudget für das Lernen zur Verfügung gestellt, so kam es leicht zu einer Überforderung in der Teilnahme bei gleichzeitig hoher Arbeitsbelastung im Tagesgeschäft. Auch erfordert selbstorganisiertes Lernen ein höheres Maß an Selbstmanagement der Einzelnen, was wiederum an manchen Stellen zu Unsicherheiten führte. Wurde den Teilnehmenden kein klares Zeitbudget für das Lernen und Bearbeiten der Projekte zur Verfügung gestellt, so kam es leicht zu einer Überforderung, da dringende Aufgaben des Tagesgeschäfts der Weiterbildung bzw. dem damit verbundenen Innovationsprojekt vorgezogen wurden und so das Lernen am Projekt immer weiter in den Hintergrund rückte. Vereinzelt kam es vor, dass Teilnehmende die Weiterbildung nach einiger Zeit abgebrochen haben, wenn diese für sich selbst keine ausreichende Verbindlichkeit zur Teilnahme schaffen konnten oder dies auch von anderen (z. B. von Führungskräften) nicht eingefordert wurde. In erster Linie sollten Führungskräfte ihre Rolle als Vorbild und Treiber der kulturellen Transformation wahrnehmen (s. auch Franken et al., 2019). Eine persönliche Teilnahme von Führungskräften an der Weiterbildung (s. Abschn. 5.3.1 und 5.3.5) fördert und unterstützt dies. Zudem setzte die interne Empfehlung der Weiterbildung durch Führungskräfte ein positives Signal für deren Relevanz. Auf der anderen Seite gaben Teilnehmende an, dass gerade aus der persönlichen Verantwortungsübernahme eine höhere Lernmotivation resultierte. Die Erfahrungen bezüglich der unterstützenden Faktoren projektbezogenes Lernen, Bilden von Lerngruppen und erhöhter Selbstverantwortung sind kohärent mit Befunden aus dem Bereich der Selbstbestimmungstheorie (Ryan & Deci, 2000). Faktoren wie soziale Eingebundenheit, Kompetenzerleben und das verfügbare Maß an Autonomie können über das Blended-Learning gestärkt werden und können so auch zu einem höheren intrinsischen Motivationsgrad beitragen.

Neben den Webinaren (online) waren die Präsenzveranstaltungen (on site) ein elementarer Bestandteil der P-Module der Weiterbildung, wobei die räumliche Nähe zum Veranstaltungsort Einfluss auf die Teilnahmebereitschaft nahm. Neben der inhaltlichen Vertiefung ist on site das persönliche Kennenlernen der anderen Weiterbildungsteilnehmenden aus dem eigenen Unternehmen und aus den anderen beteiligten KMU wesentlich (s. Abschn. 5.4.3). Praktische Übungen erhöhten die Methodensicherheit. Diese Praxis in Bezug auf die Herausforderungen im eigenen Unternehmen eröffnete neue Blickwinkel und Lösungsansätze. So erhöhte sich die soziale Verbundenheit der Gruppe (s. Abschn. 5.3.2).

Die unterschiedlichen und teilweise für die Teilnehmenden neuen Formen des Lernens förderten auch die digitalen Kompetenzen in den KMU. Darunter fallen der Umgang mit der Lern- und Kollaborationsplattform blink.it, dem Videokonferenzsystem Zoom und der Kommunikationsplattform Slack (s. Abschn. 5.2.1.1). Eine technisch instabile Internetverbindung oder fehlende Hardware stellten in einzelnen Fällen Hürden dar, konnten aber schnell gelöst werden. Die Fähigkeit der Teilnehmenden diese Softwareprodukte zu nutzen, aber auch die strukturelle Verfügbarkeit der Hard- und Software (u. a. für Videokonferenzen) stellten sich insbesondere im Verlauf der Covid-19-Pandemie als äußerst hilfreich heraus. So musste kaum zusätzlicher Zeitaufwand für die Implementierung investiert werden, und Teile des operativen Tagesgeschäft konnten digital fortgeführt werden. Auch mit Inhalten der Weiterbildung konnte ein situationsadäquater konstruktiver Umgang gefunden werden. Beispielsweise wurden alle Inhalte der Präsenzveranstaltungen in ein adäquates Format im Rahmen von Webinaren (s. Abschn. 5.2.1.3) überführt, sodass nun auch für die Zukunft diese Alternative zur Verfügung steht.

„Für die „Menge“ an Inhalten und für die Vielzahl der Teilnehmer die flexibelste Form des Lernens. Jedes andere Format wäre „parallel“ zum Tagesgeschäft ungünstiger bzw. nicht realisierbar gewesen.“ Projektleiter eines Anwendungspartners

5.4.3 Erfahrungen im Hinblick auf Zusammenarbeit, Austausch und Vernetzung

Im Rahmen des Projekts InnoDiZ erprobten alle Anwendungspartner neue Formen der Zusammenarbeit im eigenen Unternehmen. Dabei wurde beispielsweise Folgendes umgesetzt:

  • gemeinsames (abteilungsübergreifendes) Absolvieren der Weiterbildung (s. Abschn. 5.3.1)

  • Zusammenfinden eines Innovationsteams zur Bearbeitung von Innovationsprojekten mit Beteiligten aus verschiedenen Abteilungen (s. Abschn. 5.3.2, 5.3.4 und 5.3.5)

  • Einsatz der agilen Methoden Canvas und Design Sprint (s. Abschn. 5.3.2, 5.3.3 und 5.3.5).

Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Identifizierung der passenden Projekte auch bedeutsam für die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit war. In den KMU wurde vor allem der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit in der Projektarbeit ein höherer Stellenwert als in der Vergangenheit beigemessen. Es ist davon auszugehen, dass auch in Zukunft die Wesentlichkeit der guten Zusammenarbeit bei Innovationsprojekten berücksichtigt wird.

Aus den Rückmeldungen der Teilnehmenden wurde ersichtlich, dass es im Unternehmensalltag der KMU grundsätzlich wenig Möglichkeiten für einen firmenübergreifenden Austausch gibt bzw. dieser auch selten gesucht wird. Die Initiierung über das gemeinsame Themenfeld des selbstorganisierten Innovationsmanagements im Rahmen von InnoDiZ hat sich als hilfreich erwiesen. Die vielfältigen Inhalte der Weiterbildung, die konkreten Innovationsprojekte, aber auch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den KMU haben immer wieder interessante Aspekte geboten, über die ein vertiefender Austausch zwischen den KMU stattfand. Ansatzpunkte für eine konkrete Zusammenarbeit, z. B. mit Hochschulen oder Digitalisierungszentren, taten sich ebenfalls auf.

Wesentliches Format für die überbetriebliche Vernetzung der Anwendungspartner und assoziierten Partner waren die Online-Vernetzungstreffen (s. Abschn. 5.2.2.2). Um konkrete Projektinhalte und Projekterfahrungen zu teilen, wurden Projektsteckbriefe genutzt, die auf der blink.it-Plattform eingestellt werden konnten. Die Darstellung der Innovationsprojekte in der Projektlandkarte bot Möglichkeiten zur weiteren Vernetzung (s. Abschn. 5.2.2.1 und 5.2.2.2).

Kommunikationsfördernd war in Webinaren und Vernetzungstreffen die Bildung von kleinen Gruppen (2–4 Personen) sowie die Vorgabe eines klaren Zeitrahmens und das Festlegen von Kommunikationsregeln (eine Person spricht fünf Minuten, die anderen hören zu). So konnten auch eher zurückhaltende Personen ihre wertvollen Eindrücke und Erfahrungen teilen und es formte sich ein Austausch auf Augenhöhe. In Feedback-Gesprächen gaben einzelne Teilnehmende an, dass sich neben dem inhaltlichen Austausch auch eine gute, vertrauensvolle Beziehung bilden konnte, wenn die „Chemie“ stimmte. Um den Austausch zu fördern, wurde in den Webinaren die technische Möglichkeit des Videokonferenzsystems genutzt per Zufallsprinzip Gruppen einzuteilen, sodass auch Teilnehmende miteinander in Kontakt kamen, die sich sonst nicht getroffen bzw. konkret ausgetauscht hätten. Dies erweiterte die Perspektiven und vernetzte Menschen, die keine offensichtlichen Verknüpfungspunkte hatten. Aufgrund der häufig auftretenden zeitlichen Einschränkungen der Teilnehmenden ist es über InnoDiZ nur zum Teil gelungen eine selbstorganisierte Vernetzung zwischen den KMU zu etablieren. Dies zeigte sich vor allem in der Partizipation an den Vernetzungstreffen, die den Teilnehmenden auf freiwilliger Basis angeboten wurden. Hier bildete sich eine kleine beständige Gruppe mit rund ein Dutzend Teilnehmenden. Folgender Rahmen der Vernetzungstreffen schaffte einen Mehrwert: Konkretes Innovationsthema mit Impulsvortrag (von imu, Teilnehmenden aus den Anwendungspartnern oder Gästen), klare Moderation und vorbereitete Fragestellungen für den Austausch. Die Themen für die Vernetzungstreffen kamen in der Regel von den Teilnehmenden selbst, sodass die Themen auch immer inhaltlich an den Interessen und Bedürfnissen der Teilnehmenden orientiert waren. Einen Mehrwert der überbetrieblichen Vernetzung bot die Möglichkeit der kollegialen Beratung, ein Tool, welches die Gruppenmitglieder dazu bewegt ihre Sicht auf eine konkrete Situation einer fallgebenden Person zu teilen. Die neutrale Sicht der Teilnehmenden wurde genutzt, um im gewachsenen vertrauensvollen Umfeld auch Themen zu besprechen, die mit Kolleg*innen der eigenen Organisation, oftmals aufgrund bestehender Vorbehalte, nicht besprochen wurden.

Inwiefern die Vision des Projekts erreicht wird, dass der überbetriebliche Austausch bzw. die Vernetzungstreffen durch die Teilnehmenden selbstorganisiert nach der Projektlaufzeit fortgeführt werden, wird sich nach Ende des Projekts zeigen. Es zeigt sich schon jetzt, dass die Vorgabe konkreter Themen, eine gute Koordinierung und Moderation als Rahmen Voraussetzung für Vernetzungsaktivitäten der Teilnehmenden ist. Dies bestätigt die Annahme von Schlömer (2012), dass (erst) eine durchgängige Betreuung durch Moderator*innen die Kollaboration in Projektlernszenarien und das Teilen von Wissen auch über verteilte Standorte hinweg möglich macht. Auch in Bezug auf die Kommunikationsplattform Slack wurde die Erfahrung gemacht, dass die Kommunikation am besten mit einer unterstützenden Moderation funktioniert. Es hat sich gezeigt, dass zu viele Kanäle eine (zeitliche) Überforderung darstellen können bzw. der Mehrwert (noch) nicht erkennbar ist. Trotz eingeschränkter Nutzung des firmenübergreifenden Austauschs haben sich stabile Zusammenschlüsse der Teilnehmenden entwickelt, wodurch auch über die Projektlaufzeit hinaus eine Basis für den weiteren Austausch geschaffen wurde.

5.4.4 Erfolgskriterien: Zusammenfassung und Ausblick

Dieser Abschnitt fasst Erfolgskriterien für die Weiterentwicklung des Innovationsmanagements und neue Wege im Innovationsmanagement von KMU über den Ansatz der entwickelten Blended-Learning-Weiterbildung zusammen. Ziel der Weiterentwicklung ist der Aufbau eines selbstorganisierten Innovationsmanagements in KMU im digitalen Zeitalter. Dabei definiert jedes Unternehmen für sich selbst, was Selbstorganisation ganz konkret bedeutet. Im Allgemeinen geht es im Rahmen des Projekts InnoDiZ darum Mitarbeitende in KMU über die Blended-Learning-Weiterbildung und mithilfe eines Methodenkoffers zu unterstützen situationsadäquat passende Vorgehensweisen im Innovationsmanagement zu wählen und umzusetzen. Die Erfolgskriterien für diese Weiterentwicklung des Innovationsmanagements in KMU lassen sich grob verorten in unternehmensexterne Rahmenbedingungen (Umfeld des KMU, z. B. Markstruktur und Kunden) und unternehmensinterne Rahmenbedingungen (innerhalb des KMU). Innerhalb des KMU lassen sich

  • strukturelle und kulturelle,

  • prozess-, projekt- und methodenbezogene sowie

  • individuelle Aspekte

unterscheiden. Struktur und Kultur sowie die individuellen Merkmale (Persönlichkeit und Kompetenzen) stellen prozessübergreifende Aspekte dar. Abb. 5.7 gibt einen Überblick.

Abb. 5.7
figure 7

Rahmenbedingungen des selbstorganisierten Innovationsmanagements in KMU. (Quelle: Eigene Abbildung (Hochschule Pforzheim))

Im Hinblick auf unternehmensexterne Rahmenbedingungen gilt es die Veränderungen im Umfeld des Unternehmens (wie Digitalisierung) im Blick zu behalten, Strategien zu entwickeln und das Innovationsmanagement darauf auszurichten (s. Abschn. 5.1.1). Um erfolgreich neue Wege im Innovationsmanagement zu gehen, können förderliche Faktoren im Umfeld der KMU identifiziert werden. Hierzu zählen die Nähe zu Kund*innen und Partnerunternehmen in der Wertschöpfungskette sowie deren Feedback. Eine entsprechende Berücksichtigung und Einbindung ermöglicht eine zielgerichtete(re) Entwicklung von Innovationen (s. Abschn. 5.3.5). Externe Expertise, wie die punktuelle Unterstützung bei der praktischen Umsetzung durch Entwicklungspartner imu sowie der Austausch mit der Hochschule Pforzheim und den anderen Anwendungspartnern und assoziierten Unternehmen im Projekt InnoDiZ half einigen Unternehmen bei der praktischen Umsetzung des neu erlernten Wissens und der Methoden. Als Erfolgskriterien des firmenübergreifenden Austauschs lassen sich insbesondere persönliches Kennenlernen (z. B. in Präsenzveranstaltungen) sowie moderierte Formate (z. B. angebotene virtuelle Vernetzungstreffen im Kontext der Weiterbildung) festhalten (s. Abschn. 5.4.2 und 5.4.3).

Förderliche Rahmenbedingungen innerhalb der KMU beziehen sich auf Struktur und Kultur im Unternehmen, auf die Prozess-, Projekt-, Methodenebene sowie auf Individuen:

Im Kontext struktureller und kultureller Aspekte stellte sich im Projekt InnoDiZ die Unterstützung und das Commitment der Geschäftsführung und der höheren Führungsebene als wesentliches unterstützendes Moment sowohl für die erfolgreiche und nutzbringende Teilnahme an der Weiterbildung als auch im Hinblick auf neue Wege im Innovationsmanagement heraus. Die persönliche Teilnahme der Geschäftsführung an der Weiterbildung kann dabei förderlich sein. Teilnehmende, die einen Handlungsbedarf im Innovationsmanagement ihres Unternehmens identifizierten, sahen in der Regel die Geschäftsführung in der Rolle, hier federführend aktiv zu werden, wenn auch unter Einbezug der beteiligten Mitarbeitenden. Ein klarer Auftrag der Geschäftsführung an die Weiterbildungsteilnehmenden, sich mit dem unternehmensinternen Innovationsmanagement zu befassen, ermöglicht diesen Mitarbeitenden bzw. Teams Innovationsprojekte anzugehen. Darüber hinaus sollte in den KMU ein organisationaler Rahmen geschaffen werden mit einer transparenten Priorisierung von Aufgaben und Projekten sowie einem passenden Zeitbudget und Freiräume für die Mitarbeitenden, um an der Weiterbildung teilzunehmen und Innovationsprojekte parallel zum Alltagsgeschäft voranzutreiben. Für die Teilnahme an der Blended-Learning-Weiterbildung kommt hinzu, dass benötigtes technisches Equipment und Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden sollten. Nicht zuletzt gilt als Erfolgskriterium für die Weiterentwicklung des Innovationsmanagements eine Unternehmenskultur, die Selbstorganisation, Offenheit und Transparenz fördert. Hierzu gehört auch die Beteiligung und Einbindung von Mitarbeitenden bei der Visions- und Strategieentwicklung, welche in einigen der KMU verstärkt wurde (s. Abschn. 5.3.4 und 5.3.5). Darüber hinaus wurden im Projekt InnoDiZ rechtliche, soziale und ethische Aspekte u. a. der Digitalisierung mit Vertreter*innen der KMU (vertreten waren Geschäftsführung, Führungskräfte, Mitarbeitende, Betriebsrat) im Rahmen eines ELSI-Prozesses diskutiert.Footnote 3 Transparenz und Kontrolle auf der Lernplattform waren Themen, die angesprochen wurden.

Auf Basis der Erfahrungen im Projekt InnoDiZ kann vermutet werden, dass auf Prozess-, Projekt- und Methodenebene eine Systematisierung des Innovationsprozesses, Projektbezug, Methodenwissen und -anpassung sowie Entscheidungskriterien für eine Weiterentwicklung des Innovationsmanagements erfolgversprechend sind: Eine an die Bedingungen des Unternehmens angepasste Systematisierung des Innovationsprozesses und entsprechende Phaseneinteilung kann KMU darin unterstützen wichtige Schritte im Innovationsmanagement im Fokus zu behalten. Es zeigte sich, dass die Anwendungspartner häufig für frühe Phasen des Innovationsprozesses Verbesserungspotenzial und Handlungsbedarf identifizierten. Methodenwissen und die Zusammenstellung eines geeigneten und an das Unternehmen angepassten Methodenkoffers, welcher sowohl klassische als auch agile Methoden umfasst, stellt einen wichtigen unterstützenden Schritt dar, um selbstorganisiertes Innovationsmanagement zu ermöglichen. Dies könnte künftig mithilfe individueller Entscheidungskriterien für die Wahl eines klassischen oder agilen Ansatzes im Innovationsmanagement unterstützt werden. Durch eine praxisnahe Anwendung von Methoden und Entscheidungskriterien in konkreten Innovationsprojekten – auf die Bandbreite der bearbeiteten Projekte wurde bereits hingewiesen – werden Erfahrungen gesammelt, die eine Optimierung und Anpassung ermöglichen. Von besonderer Bedeutung war hier die abteilungsübergreifende Zusammensetzung von Innovationsteams (s. Abschn. 5.3.1, 5.3.2 und 5.3.5). Diese konnten durch das Vorantreiben von Innovationsprojekten auch zu strategischen Überlegungen des Unternehmens beitragen. Die breite inhaltliche Aufstellung der W- und P-Module ermöglichte es den Teilnehmenden für ihre jeweiligen Bedarfe zum einen bestimmte Inhalte für eine direkte Nutzbarkeit bzw. Umsetzbarkeit zu fokussieren, aber zum anderen auch bestimmte Inhalte und Methoden für künftige Projekte im Blick zu behalten.

Die individuellen Rahmenbedingungen beziehen sich auf Persönlichkeit und Kompetenzen. Hier wurde deutlich, dass einige der Teilnehmenden, sowohl aus den Anwendungspartnern als auch aus assoziierten Organisationen in der zweiten Runde der Weiterbildung, eine hohe intrinsische Motivation aufwiesen. Dies äußerte sich u. a. darin, dass sie besonders aktiv waren beim Einreichen von Übungen, in Diskussionen in Webinaren und regelmäßig an Vernetzungstreffen teilnahmen (s. auch Abschn. 5.4.3). Die Weiterbildung motivierte Teilnehmende darüber hinaus, erstmals bottom up neue oder zusätzliche Innovationsprojekte in den KMU anzustoßen (s. Abschn. 5.3.2).

Über InnoDiZ haben viele Teilnehmende die Möglichkeit genutzt, zusammen mit Kolleg*innen, Projekte zu initiieren und umzusetzen. Gerade für intrinsisch motivierte Mitarbeitende ist wichtig, dass das eigene Unternehmen Möglichkeiten bietet zu gestalten und damit selbstwirksam zu sein. Diese Gestaltungsspielräume bietet InnoDiZ nicht nur für einzelne Mitarbeitende, vielmehr schaffen die in den W- und P-Modulen gemeinsam aufgebauten Grundlagen bzw. das gemeinsame Verständnis von Innovation und das projektbasierte Lernen eine gute Ausgangssituation, um auch zukünftig in abteilungsübergreifenden Teams Innovationsprojekte zu bearbeiten. Dies wiederum könnte positive Effekte auf die Attraktivität als Arbeitgeber und damit auf die Zukunftsfähigkeit der KMU haben.

Insgesamt lässt sich aus den Erfahrungen im Projekt InnoDiZ festhalten, dass ein selbstorganisiertes Innovationsmanagement förderliche Rahmenbedingungen auf den verschiedenen Ebenen benötigt. Es bestehen Wechselwirkungen zwischen dem organisationalen Rahmen, der prozess- und projektbezogenen Ebene (auf der auch die (Projekt-)Teams zu verorten sind) und der individuellen Ebene (s. Abb. 5.7). So ist ein förderlicher organisationaler Rahmen (Struktur & Kultur) notwendig für Selbstorganisation, aber nicht hinreichend – es braucht auch Individuen, die selbstorganisiert in Innovationsprojekten handeln wollen sowie Prozesse und Methoden, damit Individuen selbstorganisiert und situationsadäquat handeln können.Footnote 4 Der übergeordnete Nutzen des Projekts InnoDiZ und der dort entwickelten und erprobten Blended-Learning-Weiterbildung „Innovationsmanagement in KMU“ besteht darin, dass die Teilnehmenden – Mitarbeitende und Führungskräfte – durch die Vermittlung relevanter Kompetenzen und Methoden dazu befähigt werden selbstorganisiert zu entscheiden. Dies ist essenziell für das Gelingen der kontextuellen Ambidextrie in KMU, um sowohl inkrementelle als auch radikale Innovationen hervorzubringen und so im Wettbewerb bestehen zu können.

Förderhinweis und Danksagung

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Projekts InnoDiZ. Das Forschungsprojekt InnoDiZ wurde im Rahmen des Programms „Zukunft der Arbeit“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert (Förderkennzeichen 02L17C500-02L17C506) und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.