Mit dem Ziel, zuvorderst die Sicherheit der Patientinnen und Patienten und des Personals zu gewährleisten, das Vertrauen der medizinischen Teams aufrechtzuerhalten und allen Patienten (Covid- und Nicht-Covid-Patienten) die beste medizinische Versorgung zukommen zu lassen, entwickelte die Krankenhausleitung einen vierstufigen Aktionsplan (Weiss et al. 2020). Dieser klare Aktionsplan hat sich in der zweiten und dritten Welle der Epidemie bewährt. Dieser Abschnitt ist in der Vergangenheitsform geschrieben, dennoch wird der Plan auch im Hinblick auf die vierte, mit der Delta-Variante zusammenhängende Welle der Pandemie in Israel umgesetzt (Stand: 14. Juli 2021).
Die vier Schritte sind:
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1.
Kontinuierliche Überwachung der Prävalenz von Covid-19 im Einzugsbereich des Krankenhauses
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2.
Management des Krankenhauses in dem Bewusstsein, dass Covid-19 auf unbestimmte Zeit bleiben wird
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3.
Kluger Einsatz der verfügbaren Technologien und Entwicklung neuer Systeme
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4.
Berücksichtigung finanzieller Aspekte
Schritt 1: Kontinuierliche Überwachung der Prävalenz von Covid-19 im Einzugsbereich des Krankenhauses
Die kontinuierliche Beobachtung und Überwachung der PCR-Testergebnisse auf SARS-CoV-2 ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass das Krankenhaus auf die Pandemie gut vorbereitet ist: Auf diese Weise erhielt die Krankenhausleitung früh Hinweise für einen möglichen Patientenandrang innerhalb der nächsten 6 bis 14 Tage.
Patienten: Die meisten Covid-Patienten werden ambulant versorgt, einige werden jedoch auf den Covid-19-Stationen der Krankenhäuser oder auf der speziellen Covid-Intensivstation behandelt. Im Mittel verblieben schwer erkrankte Covid-19-Patienten mehr als zwei Wochen im Krankenhaus.
Personal: Um für einen möglichen Arbeitskräftemangel gerüstet zu sein, veranlasste die Krankenhausleitung ein Monitoring der Mitarbeitenden, die in Gebieten mit endemischer oder höherer Prävalenz von Covid-19-Infektionen in der Allgemeinbevölkerung leben. Bis April 2021 waren etwa 4 % der Hadassah-Mitarbeitenden entweder selbst an Covid erkrankt oder mussten isoliert werden.
Schritt 2: Management des Krankenhauses in dem Bewusstsein, dass Covid-19 auf unbestimmte Zeit bleiben wird
Angesichts der Erkenntnis, dass die Covid-19-Pandemie auf unbestimmte Zeit andauern wird, führte die Krankenhausleitung ein strategisch-taktisches Covid-Managementprotokoll ein. Zunächst wurde beschlossen, dass die Krankenhausleitung für alle Mitarbeitenden uneingeschränkt erreichbar sein muss, da es während eines Ausbruchs zu massiven Störungen der regulären Abläufe, Verfahren und Infrastruktur kommt. Darüber hinaus stand die Krankenhausleitung täglich in regelmäßigem Kontakt mit den wichtigsten Personen in allen Abteilungen, die Patienten behandeln oder andere Leistungen im Zusammenhang mit Covid-19 erbringen. Abgesehen davon, dass das Management so in die tägliche Organisation auf Ebene der Leistungserbringung praktisch eingebunden war, wurde die regelmäßige Präsenz des Topmanagements in allen Bereichen des Krankenhauses als wichtig für die Arbeitsmoral erachtet.
Außerdem wurden täglich, auch an Wochenenden und Feiertagen, Videokonferenzen abgehalten, in denen Strategie und Taktik des Umgangs mit Covid-19 besprochen wurden. An den Sitzungen nahmen alle wichtigen Akteure teil, die zum Krankenhausbetrieb beitragen, darunter die ärztliche und pflegerische Leitung des Krankenhauses, die Leitung der Abteilungen Innere Medizin, Infektionskrankheiten und Infektionsschutz, Zentrale Dienste und Haustechnik, Beschaffung, Apotheke und die Koordinatoren der Notfalldienste des Krankenhauses. Bei Bedarf wurden auch andere Teilnehmende eingeladen, etwa die Leitung der Abteilungen Anästhesie und Intensivpflege, der Notaufnahme, Medizintechnik und Sicherheit.
Die Konferenzen hatten eine strukturierte Tagesordnung mit Schlüsselthemen, die nach und nach abgearbeitet wurden:
Zunächst wurden die epidemiologische Lage und die Prävalenz der Krankheit erörtert (siehe Schritt 1). Anschließend wurden Fragen der Patienten- und Mitarbeitersicherheit einschließlich Qualitäts- und Sicherheitskontrollen diskutiert. Zwei Arbeitsgruppen, die zur Unterstützung der Patientenversorgung eingerichtet worden waren, berichteten regelmäßig in den Meetings: der Ausschuss zur Festlegung eines Therapiestandards bei Covid-Patienten und der Ethikausschuss.
Der Therapieausschuss wurde eingerichtet, um die einschlägige Studienlage kontinuierlich zu verfolgen und einen aktuellen Behandlungsstandard für hospitalisierte Covid-19-Patienten zu veröffentlichen. Der Ethikausschuss diente der Unterstützung des Behandlungsteams bei der Zuteilung zu Therapiestufen für den Fall einer Verknappung verfügbarer medizinischer Leistungen oder Medizinprodukte.
Neben diesen drei Punkten wurden in den Konferenzen Fragen der Krankenhausbestände und der Logistik, der Infrastruktur sowie der Aufnahme und Entlassung von Patienten erörtert.
Infrastruktur- und Logistikfragen standen vor allem zu Beginn der Pandemie im Fokus, da das Krankenhaus sich umorganisieren musste, um gleichzeitig Covid-19- und Nicht-Covid-19-Patienten zu versorgen. Ein interessantes Beispiel ist die Herausforderung hinsichtlich der Klimatisierung: Es war klar, dass eine vollständige Trennung der Klimaanlagen zwischen den Bereichen mit Covid-Patienten zu anderen Bereichen nicht möglich war.
Zur laufenden Routine im Krankenhaus gehörte es, die Vorgaben des Gesundheitsministeriums einzuhalten. So wurden etwa bei Covid-19-Ausbrüchen allen Patienten und zugelassenen Besuchern, die das Krankenhaus betraten, Masken, Handschuhe, Händedesinfektionsmittel und Sicherheitsanweisungen ausgehändigt, nachdem sie einen Fragebogen ausgefüllt hatten und ihre Körpertemperatur gemessen worden war. Hadassah war das erste Krankenhaus, das routinemäßige RT-PCR-Tests für das Personal einführte – insbesondere für diejenigen, die sich um schwerkranke und immungeschwächte Patienten kümmern –, um eine SARS-CoV-2-Infektion auszuschließen. Das Personal erhielt grüne Anstecknadeln mit der Aufschrift „Ich bin Corona-frei“. Später wurden dem Personal weiße Anstecknadeln mit der Aufschrift „Ich bin gegen Corona geimpft“ ausgehändigt.
In den Krankenhausabteilungen wurde während der Ausbrüche in festen Arbeitsgruppen gearbeitet. Die Schutzmaßnahmen wurden entsprechend den Vorschriften eingesetzt.
Wie in vielen anderen Ländern ist auch im Hadassah Medical Center die Zahl der Intensivbetten stark gestiegen. Ab einem bestimmten Punkt können den Krankenhäusern jedoch die Ressourcen für die Intensivpflege ausgehen; dies hängt in hohem Maße von der Kapazität an geschultem Personal, insbesondere Intensivmedizinern und -pflegekräften ab, von Just-in-Time-Lieferketten für klinische Verbrauchsmaterialien und Arzneimittel sowie von modernen technischen Geräten (Flaatten et al. 2020). Das Hadassah Medical Center begegnete dieser Herausforderung, indem Ärzte und Pflegepersonal aus anderen Abteilungen, vor allem aus den Inneren Abteilungen, auf der Intensivstation eingesetzt wurden. Pro Schicht gab es immer eine Person mit Erfahrung in der Intensivmedizin, die die Schicht leitete und mit Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeitete, die ursprünglich nicht von einer Intensivstation kamen. Jede Intensivpflegekraft übernahm die Betreuung von vier Patienten und arbeitete mit ein oder zwei Pflegekräften aus anderen Abteilungen zusammen. Diese Lösung brachte zwar eine kurzfristige Entlastung, belastete aber das medizinische Personal des Krankenhauses zusätzlich.
Das Krankenhaus befasst sich nun damit, die Herausforderungen durch ausgebranntes Personal zu bewältigen. Die Mitarbeitenden, die seit fast 13 Monaten ununterbrochen im Dienst sind, müssen auch von Psychologen unterstützt werden, die das Krankenhaus zur Verfügung stellt. Eine weitere Maßnahme der Krankenhausleitung ist der Aufbau eines Bestandes an Freiwilligen in den Covid-19-Stationen, die über eine angemessene Ausbildung verfügen, um bei den täglich anfallenden Aufgaben und bei der Pflege zu unterstützen.
Schritt 3: Kluger Einsatz der verfügbaren Technologien und Entwicklung neuer Systeme
Der dritte Schritt des strategischen Plans bestand darin, eine Reihe von Telemedizin-Plattformen in die medizinische Versorgung im Krankenhaus einzubinden. Einige dieser Plattformen wurden in aller Eile eingeführt, da das medizinische Personal, das die Covid-Patienten betreut, dringend geschützt werden musste. Die Suche nach weiteren Informationstechnologien (IT) liegt in der Verantwortung eines Unternehmensentwicklungsteams, das während der Pandemie zusammengestellt wurde. Zudem hat das Krankenhaus zu Beginn der Pandemie die Kapazität seines RT-PCR-Labors erhöht und betreibt nun eines der wichtigsten Labore in Israel mit Roboterfunktionen. Das Krankenhaus war auch das erste in Israel und weltweit, das zur Steigerung der Produktivität das Pooling-Verfahren bei PCR-Proben einführte.
Neben der Einführung und Beschaffung zahlreicher Informations- und Telemedizintechnologien implementierte das Krankenhaus eine Business-Intelligence (BI)-Plattform für das Management der Covid-Pandemie. Hierfür wurde ein Daten-Dashboard entwickelt, um Covid-19-bezogene Daten online präsentieren zu können (siehe Abb. 13.4).
Das BI-System zeigt außerdem täglich die Anzahl der bei den Patienten durchgeführten RT-PCR-Tests, die Patienten nach Schweregrad (leicht, mittel, schwer, kritisch) und nach Alter, Wiederaufnahmen, die Anzahl der Krankenhausmitarbeitenden im Krankenstand oder in Quarantäne und den Entlassungsort der Patienten an.
Schritt 4: Berücksichtigung finanzieller Aspekte
Ähnlich wie andere medizinische Einrichtungen weltweit musste auch das Hadassah Medical Center während der ersten Welle der Covid-19-Pandemie einen großen Teil der elektiven Eingriffe verschieben und verzeichnete einen deutlichen Anstieg der Ausgaben für medizintechnische Geräte und Arzneimittel. Dies führte zu einem starken Rückgang der Einnahmen des Krankenhauses. Bevor die israelische Regierung das Covid-19-Hilfsprogramm zur Unterstützung der Krankenhäuser verabschiedete, beschloss die Krankenhausleitung daher, Ausgaben, die wichtig sind, um auf die Versorgung von Covid-19-Patienten gut vorbereitet zu sein, zu priorisieren und andere Ausgaben zu kürzen oder zu verschieben (Weiss et al. 2020).
Dieser Ansatz ließ sich jedoch nicht lange aufrechterhalten; zudem erhöhte sich auch der Bedarf an medizinischem Personal und die Preise für medizinische und Laborausstattung sowie Arzneimittel stiegen erheblich. Daher entschied das Krankenhaus, langfristige Projekte zu stoppen und seine Investitionen auf die Covid-19-Versorgung und andere, nicht Covid-19 bezogene Leistungen zu konzentrieren.