FormalPara Zusammenfassung

Die Versorgung von Notfallpatienten während der SARS-CoV-2-Pandemie betrifft alle drei Säulen der Notfallversorgung und deren Zusammenspiel. Der kassenärztliche Sektor versorgt die große Zahl der akut Erkrankten, bei denen eine Krankenhausbehandlung nicht notwendig ist oder nicht sinnvoll erscheint. Entscheidend ist dabei, die schwer Erkrankten zu detektieren und die leichter Erkrankten im häuslichen Umfeld zu betreuen. Besonders wichtig ist eine Vor-Ort-Betreuung von Patienten in den Heimen. Die Notfallzentren der Krankenhäuser sind die entscheidenden Schaltstellen für die Steuerung der Versorgung der Covid-Patienten mit schweren Infektionsverläufen und sorgen durch eine frühzeitige Trennung der Wege von infizierten und nicht infizierten Patienten innerhalb des Krankenhauses, um eine weitestgehende Sicherheit der aufgenommenen Patienten zu gewährleisten. Durch die Tatsache, dass die schweren Covid-Verläufe alle zuerst in der Notaufnahme gesehen werden, ist die Pandemie-Surveillance besonders günstig durch eine Datenerhebung von Patienten der Notfallzentren zu erreichen. Hier ist eine zeitnahe Abbildung der Pandemieentwicklung und der Belastung des Gesamtsystems Krankenhaus eher zu erreichen als bei einer Fokussierung allein auf die Intensivbelegung, deren Entwicklung der allgemeinen dynamischen Pandemieentwicklung hinterherhinkt. Eine verbesserte Abbildung der Krankenhausbelastung ist auch für den Rettungsdienst entscheidend, damit die Disposition der akut erkrankten Notfallpatienten sich besser an der Belastung der Krankenhäuser orientieren kann.

Emergency care during the SARS CoV2 pandemic affects all three pillars of emergency care and their interaction. Statutory Health Insurance (SHI) physicians provide care for the large number of acutely ill patients for whom hospital treatment is not necessary or appropriate. It is crucial to detect the severely ill and to care for the less severely ill in their home. On-site care for patients in nursing homes is particularly important. The emergency centers of the hospitals act as an interface for the management of the care of the Covid patients with severe courses of infection and provide security of the inpatients by an early separation of infected and non-infected patients within the hospital. Due to the fact that severe Covid cases are all seen first in the Emergency Department, pandemic surveillance can best be achieved by collecting data of emergency patients. A timely mapping of pandemic development and the burden on the overall hospital system is more likely to be achieved here than by focusing solely on ICU occupancy, whose development lags behind the general dynamic pandemic development. An improved mapping of hospital utilisation is also critical for emergency services, so that the disposition of acutely ill emergency patients can be better aligned with hospital load.

1 Einleitung

Als im Frühjahr 2020 die Bilder aus Bergamo in den deutschen Nachrichten gezeigt wurden, zuerst von der überfüllten Notaufnahme des lokalen Krankenhauses und dann von dem Militärkonvoi auf den Friedhof, bestätigten sich die beunruhigenden Bilder aus Wuhan. Mit SARS-CoV-2 breitete sich ein Virus aus, das bei einer hohen Infektiosität eine relevante Mortalität insbesondere bei alten Menschen aufwies.

Damit war klar, dass sich die Notfallversorgung rasch und tiefgreifend verändern musste, um dieser neuen und herausfordernden Situation gewachsen zu sein. In diesem Kapitel werden Erfahrungen geschildert, welche Schritte geeignet sind, das System der Notfallversorgung auf eine Pandemie auszurichten. Gleichzeitig wird ein erstes Fazit gezogen und es werden Vorschläge gemacht, welche Erfahrungen Änderungen in der Organisation induzieren sollten.

Dabei werden der kassenärztliche ambulante Sektor der Notfallversorgung, der Rettungsdienst und die Notaufnahmen der Krankenhäuser betrachtet. Grundsätzlich haben die einzelnen Sektoren der Notfallversorgung unterschiedliche Aufgaben. Die in diesen Sektoren eingeleiteten raschen Änderungen zur Pandemiebewältigung waren aufgrund der vorliegenden Landesgesetze nur möglich durch die Ausrufung des Katastrophenfalls und eine zentrale Steuerung durch die Ministerien und die lokalen Gesundheitsbehörden: Durch die im Katastrophenfall möglichen Allgemeinverfügungen konnten notwendige Systemänderungen angeordnet und rasch durchgesetzt werden.

Die Organisation der Gesundheitsversorgung von Notfallpatienten im Pandemie-/Katastrophenfall wird durch die Bundesländer länderspezifisch geregelt. Generell wurden durch die zuständigen Ministerien (Gesundheitsministerium und Innenministerium) übergeordnete Stäbe wie z. B. in Bayern die Führungsgruppe Katastrophenschutz (FüGK) einberufen. Diese Stäbe haben gemeinsam mit den lokalen Einsatzleitungen der Städte und Kreise, die diese Einsatzabschnitte zu organisieren hatten, die medizinische Grundversorgung der Notfallpatienten organisiert und die an der Notfallversorgung beteiligten Sektoren koordiniert.

2 Die drei Säulen der Notfallversorgung

2.1 Der vertragsärztliche ambulante Sektor

Der vertragsärztliche ambulante Sektor spielt eine besonders wichtige Rolle in der Notfallversorgung während der Pandemie. Die Zuständigkeit der ambulanten kassenärztlichen Versorgung liegt darin, erste Anlaufstelle derjenigen Erkrankten zu sein, die für ihre weitere Versorgung zu Hause oder auch in einer Pflegeeinrichtung bleiben können. Es muss die Schwere der Erkrankung abgeschätzt und gegebenenfalls eine symptomatische oder eine spezifische Therapie eingeleitet werden oder die Betroffenen müssen ins Krankenhaus eingewiesen werden. Zudem müssen diagnostische Schritte eingeleitet werden, die erlauben, die Notwendigkeiten des Infektionsschutzes durch die Gesundheitsämter umzusetzen.

Ein weiterer wichtiger Punkt in der Notfallversorgung in der Covid-19-Pandemie waren die vielfältigen Heimbesuche in der Phase, in der eine Impfung schwere Krankheitsverläufe noch nicht verhindert hat. In dieser Zeit hat eine SARS-CoV-2-Infektion häufig Menschen betroffen, die ohnehin am Ende ihres Lebensweges standen und für die eine Krankenhausbehandlung keine realistische Option darstellte. Diesen Menschen eine adäquate medizinische Unterstützung zukommen zu lassen und sie palliativ zu betreuen war ebenfalls die Domäne insbesondere der für Heimbewohner zuständigen Hausärzte.

Aber auch bei der Versorgung der nicht an Covid erkrankten Notfallpatienten mussten die Kassenärzte weiterhin Anlaufstelle bleiben, denn diese Menschen haben in einigen Fällen aus Angst, sich dort zu infizieren, die Krankenhäuser nicht mehr als erste Anlaufstelle für den Notfall angesehen.

Damit lässt sich zusammenfassen, dass der vertragsärztliche Bereich eine ganze Reihe von Sonderaufgaben in der Corona-Pandemie zu erfüllen hatte. In Ballungszentren wurden diese Aufgaben teilweise aus den Praxen ausgegliedert und an zentralen Anlaufstellen lokalisiert. Durch diese Trennung der Patientenströme konnte das Risiko für nichtinfizierte Patienten und medizinisches Personal reduziert werden. Wären diese Aufgaben nicht im vertragsärztlichen Gesundheitssektor erfüllt worden, hätten diese zumindest teilweise durch die Notaufnahmen der Krankenhäuser durchgeführt werden müssen. Generell lässt sich sagen, dass es in Deutschland gelungen ist, einen massiven Zustrom von Patienten ohne stationären Behandlungsbedarf in die Notaufnahmen durch ein funktionales vertragsärztliches System zu verhindern.

2.2 Die Notfallzentren und Intensivstationen der Krankenhäuser

Die Herausforderungen der Krankenhäuser am Anfang der Pandemie waren vielfältig. Auch wenn der Umgang mit infektionsgefährdenden Patienten im Krankenhaus tägliche Routine ist – die pandemische Covid-Lage mit einer hohen Zahl an infizierten und damit infektionsgefährdenden Patienten erforderte eine komplette Reorganisation der klinischen Abläufe in kurzer Zeit. Über den gesamten Versorgungsprozess hinweg mussten die Patientenströme von Patienten mit SARS-CoV-2-Infektionsverdacht, mit Covid-19 und ohne Infektionsverdacht getrennt werden. Die hohe Zahl an Infizierten, die auch mit schweren Krankheitsverläufen in die Klinik kamen, die potenzielle Gefährdung von noch unzureichend geschütztem Personal und fehlende räumliche und technische Ressourcen waren die Eckpunkte, die die Prozessorganisation im Krankenhaus bestimmten. Die Krankenhäuser haben zur Bewältigung der vielfältigen Organisationsnotwendigkeiten entsprechend ihren Pandemieplänen Pandemiestäbe einberufen, in denen neben den Klinikleitungen Notfallmediziner, Intensivmediziner, Hygieniker, Pflegevertretungen, Infektiologen und Verantwortliche der Krankenhausinfrastruktur vertreten waren.

Grundprinzip jeder Notfallversorgung in einer Pandemie ist, dass die Versorger selbst möglichst gut gegen eine Infektion geschützt sind. Dem Eigenschutz ist absolute Priorität einzuräumen. Dies ist nur zu erreichen, wenn das medizinische Personal so lange komplett durch entsprechende Schutzausrüstung geschützt ist, bis eine Infektionsgefährdung durch Patienten als unwahrscheinlich angenommen werden kann. Weiterhin ist es entscheidend, dass jeder Mensch, der das Krankenhaus betritt – egal ob Patient, Besucher oder Personal –, bereits vor Eintritt in die Klinik bezüglich seiner Infektionsgefährdung gescreent werden muss. Damit ein solches Screening vor Eintritt der Patienten in das Krankenhaus durchgeführt werden konnte, mussten viele Krankenhäuser Ersteinschätzungsräume oder Zelte vor dem Krankenhaus aufbauen. Anschließend mussten die Patientenwege von infektionsgefährdenden Patienten und solchen ohne Infektionsverdacht weitestgehend getrennt werden. Der Zugang zu den Häusern musste eingeschränkt und überwacht werden.

In den der Patientenversorgung vorgelagerten Bereichen der Kliniken fand der erste Schritt der Notfallversorgung im Krankenhaus, die Ersteinschätzung, statt. Dabei wird aufgrund der vorliegenden Symptome in Kombination mit den Vitalzeichen festgelegt, welche Behandlungsdringlichkeit vorliegt. In der Corona-Pandemie wird diese Ersteinschätzung noch durch ein gezieltes Screening auf Infektsymptome ergänzt. In Abwesenheit von einfachen, spezifischen Testverfahren, die erst im Verlauf der Pandemie entwickelt wurden, war es insbesondere in der Anfangsphase der Pandemie entscheidend, dass die klinischen Zeichen einer Covid-Erkrankung bereits vor Eintritt in das Krankenhaus strukturiert erfasst wurden. Dies wurde teilweise durch spezifische sonographische und computertomographische Untersuchungen der Lunge ergänzt. Später wurden diese klinischen Befunde noch durch spezifische Corona-Antigen- und PCR-Tests ergänzt. Oft werden diese Tests in Kombination durchgeführt, weil hochspezifische Point-of-Care-Polymerase-Kettenreaktion-(PCR-)Tests nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen und deswegen durch die weniger spezifischen, aber sensitiven Antigentests, deren Ergebnis innerhalb von maximal 20 min zur Verfügung stehen, ergänzt werden.

Ergibt sich der Hinweis auf eine Infektion, werden diese Patienten umgehend in Isolationsbereiche verbracht, in denen dafür Sorge getragen wird, dass weder Mitpatienten noch Personal einer erhöhten Infektionsgefährdung ausgesetzt sind. Ohne einen validen Bestätigungstest im Labor müssen die Patienten so lange in diesen Isolationsbereichen, verbleiben, bis eine SARS-CoV-2-Infektion als unwahrscheinlich gelten kann (Abklärungsbereiche). Neben spezifischen Labortests zum Nachweis des Virusantigens oder der Virus-RNA werden dazu noch spezielle Laborkonstellationen und die Computertomographie der Lunge verwendet. Gerade in der Anfangsphase war die Kapazität an aussagekräftigen Labortestverfahren so gering, dass die Patienten bis zum Vorliegen eines Ergebnisses nicht in den Notfallzentren eines Krankenhauses verbleiben konnten, sondern in den stationären Behandlungsbereich in Abklärungsbereiche verlegt werden mussten.

Deswegen musste auch der normalstationäre Bereich umstrukturiert werden; es wurden Stationen eingerichtet, auf denen Patienten lagen, bei denen eine Infektion vermutet, aber noch nicht nachgewiesen wurde (Verdachts- bzw. Abklärungsstationen) und solche, auf denen Patienten mit nachgewiesener SARS-CoV-2-Infektion untergebracht waren. Solange die Patienten einen unbestätigten Infektionsverdacht haben, müssen sie in Einzelzimmern isoliert werden. Das bedeutet eine deutliche Verminderung der belegbaren Bettenkapazität. Bei nachgewiesener Covid-Erkrankung im weiteren Verlauf ist eine Kohortierung möglich. In diesen Bereichen ist durch die aufwändigen Hygieneregeln ein deutlich erhöhter pflegerischer und ärztlicher Personalaufwand notwendig.

Eine Besonderheit der SARS-CoV-2-Infektion ist die oft rapide Verschlechterung der Sauerstoffaufnahme der Patienten bei dem Vorliegen einer Covid-Pneumonie. Das bedingt, dass diese Patienten auch ohne initial schwere Krankheitszeichen einer engmaschigen Überwachung zumindest der Sauerstoffsättigung bedürfen. Entsprechend mussten in vielen Fällen Covid-Erkrankte in Monitorbetten auf Intermediate-Care-(IMC-)Niveau verlegt werden, die in vielen Krankenhäusern besonders knapp sind. Meist ist auch in modernen IMC-Bereichen eine Einzelisolierung nur möglich, wenn andere Betten im selben Raum gesperrt werden, was wiederum eine Bettenverknappung darstellt.

Es stellte sich heraus, dass ca. 30 % der im Krankenhaus stationär aufgenommenen Patienten in der Anfangsphase der Pandemie, in der insbesondere alte und multimorbide Patienten betroffen waren, einer intensivmedizinischen Überwachung und Therapie aufgrund eines hypoxämischen Lungenversagens bedurften. In Phasen hohen Patientenaufkommens waren deswegen in einigen Krankenhäusern mehr als die Hälfte der verfügbaren Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt, die teilweise einen sehr hohen Pflegeaufwand und eine sehr intensive Therapie mit Funktionsersatz mehrerer Organsysteme inklusive einer extrakorporalen Membranoxigenierung benötigten. Nur Krankenhäuser mit einer hohen intensivmedizinischen Expertise können diese spezifischen Therapien durchführen. Das bedeutet, dass viele schwerstkranke Patienten eines Sekundärtransports auf diese spezialisierten Intensivstationen bedürfen.

Für die Intensivstationen wurde von der Deutschen Gesellschaft für Interdisziplinäre Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) in Zusammenarbeit mit dem Robert Koch-Institut ein Intensivbettenregister aufgebaut (DIVI 2021), das die Zahl der aufgestellten, belegten und belegbaren Betten der Intensivstationen deutschlandweit darstellt. Dieses Hilfsmittel war/ist insbesondere in Phasen hoher Inzidenzen und mit vielen schweren Krankheitsverläufen von großem Nutzen, um die Verteilung der schwerstkranken Patienten und die Belastung der intensivmedizinischen Ressourcen zu analysieren. Das Problem an diesem Register ist, dass es zwar einen globalen Überblick erlaubt und Überlastungsszenarien darstellen kann, für die individuelle fallbezogene Disposition und Suche von Intensivbetten zu allen Tageszeitpunkten jedoch nicht geeignet ist. Auch die in vielen Regionen Deutschlands üblichen Bettenkapazitätsnachweise (IVENA o. ä.) sind nur bedingt dazu geeignet, die Verteilung von Covid-Patienten vorausschauend zu planen. Diese Tools beschreiben einen aktuellen Status von unabhängig agierenden Krankenhäusern. Diese Systeme erlauben lediglich die Aussage über den Ist-Zustand, nicht aber, ob dieser Zustand auch noch in einigen Stunden aktuell ist. Somit geben sie nur einen groben Anhaltspunkt darüber, ob ein Krankenhaus erschöpfte Kapazitäten hat oder noch Aufnahmekapazitäten aufweist. Hier müsste ein On-Demand-Intensivregister aufgebaut werden, das es erlaubt, zu jeder Zeit Intensivbettenressourcen für spezifische Patientengruppen zu finden. Dieses Register muss auch Betten für Schwerstkranke, die nicht an Covid erkrankt sind, nachweisen. Optimal wäre, wenn ein solches Dispositionstool einer Leitstelle zukünftig auch als Planungstool dazu genutzt werden könnte, sich abzeichnende Kapazitätserschöpfung durch vorausschauende Planung zu vermeiden. Dies ist aktuell nicht möglich.

Auch wenn sich die Krankenhäuser gerade in der Anfangsphase stark auf die Prozessorganisation der Versorgung der Covid-Erkrankten konzentrierten – die Notfallversorgung der nicht mit Corona infizierten Patienten muss bzw. musste selbstverständlich weiter garantiert werden. Deren Zahl ist zwar in den Zeiten der Wellen mit hoher Inzidenz und Lockdown deutlich gesunken (Slagmann et al. 2020), aber die Patienten, die dennoch als Notfälle im Krankenhaus aufgenommen werden, sind oft sehr viel schwerer erkrankt. Im weiteren Verlauf der Pandemie ist zudem die Zahl der Non-Covid-Notfallpatienten im Vergleich zur ersten Welle wieder gestiegen. Gleichzeitig sind die Intensivpatienten, die an Covid leiden, im Durchschnitt jünger geworden und deren Liegezeiten haben sich verlängert. All dies führt zu einer deutlichen Abnahme der Zahl der belegbaren Intensivbetten, was noch dadurch verstärkt wird, dass Intensivpflegekräfte fehlen.

Ein Intensivbettenressourcenregister allein ist nicht geeignet, um die gesamte Belastung der Krankenhäuser komplett und zeitnah darzustellen – es wird rein auf die Schwerstkrankenversorgung fokussiert. Eine wichtige Ergänzung dieses Intensivregisters ist deswegen die Einrichtung eines Notaufnahmeregisters durch die Deutsche Gesellschaft Interdisziplinäre Akut- und Notfallmedizin (DGINA) (Ärzteblatt 2021), die für jedes teilnehmende Krankenhaus erfassen lässt, wie viele Verdachtsfälle behandelt werden, wie hoch der Anteil der mit SARS-CoV-2-Infizierten von diesen Verdachtsfällen ist, wie hoch die Rate derer ist, die wegen Covid an andere Häuser verlegt werden müssen und die Belastungsstufe der Notfallzentren, die durch die Pandemiesituation verursacht ist (Ampelsystem mit Rot als höchster Belastungsstufe) (Abb. 11.1). Dieses Tool, das in Deutschland von über 60 Häusern freiwillig genutzt wird, zeigt paradigmatisch, wie wichtig es ist, gerade in Phasen einer Pandemie einen umfassenderen Überblick über die Belastungen der Krankenhäuser zu erreichen (Abb. 11.1). Auch lassen sich das lokale Infektionsgeschehen darstellen und kurzfristige Entwicklungen abschätzen. Dabei muss neben der Intensivversorgung auch die klinische Notfallversorgung im Auge behalten werden. Denn auch wenn eine Intensivstation keine schwerstkranken Patienten mehr aufnehmen kann, bleiben die Notfallzentren aufnahmepflichtig und die fehlende intensivmedizinische Kapazität erhöht den Arbeitsaufwand innerhalb der Notfallzentren, was sich in einem reinen intensivmedizinischen Register nicht abbildet. Wünschenswert wäre hier ein Notfall-Intensivregister, welches alle Parameter und Indikatoren stundenaktuell erfasst.

Abb. 11.1
figure 1

DGINA-Notaufnahmeampel. Teilnehmeransicht der DGINA-Notaufnahmeampel zur Erfassung der Belastung durch ambulante Abklärung und stationären Aufnahmen von Covid-Patienten und zur Darstellung der Belastung der Notaufnahmen. Es ist zu erkennen, dass von den teilnehmenden Notfallkliniken 30–40 % in Zeiten hoher Inzidenz stark belastet oder überlastet waren (ZNAs = zentrale Notaufnahmen). (Quelle: DGINA, Datenstand: 7. Dezember 2021)

Die notwendige Intensivversorgung der Patienten war bei voll belegten Intensivstationen oft mühsam zu organisieren. Die Organisation zusätzlicher Ressourcen und die hohe Belastung in der Versorgung der Schwerstkranken hat in den akutmedizinischen Bereichen, den Notfallzentren und Intensivstationen beim Personal eine zunehmende Erschöpfung hervorgerufen. Die Konsequenz ist ein hoher Krankenstand und der Exodus von qualifizierten Intensivpflegekräften, oft in die Leiharbeit, die es bei deutlich besserer Bezahlung erlaubt, die Arbeitszeit zu reduzieren. Ein besonderer Belastungsfaktor ist die Tatsache, dass mit der weitgehenden Verfügbarkeit der Impfungen die Krankenhäuser vor allem schwer erkrankte nicht geimpfte Personen behandeln. Die damit verbundene besondere Beanspruchung wird von vielen als nicht sinnerfüllend betrachtet, weil eine Impfung eine Erkrankung sehr einfach hätte verhindern können.

Zusammenfassend lässt sich hinsichtlich der Krankenhäuser festhalten, dass insbesondere in der Anfangsphase die Schaffung einer pandemiegerechten Infrastruktur im Vordergrund stand. Im weiteren Verlauf mit zunehmenden Patientenzahlen und Zunahme des Anteils an Intensivpatienten kam es immer wieder zu Phasen, in denen die Verfügbarkeit intensivmedizinischer Versorgungsmöglichkeiten kritisch knapp wurde und die Verteilung dieser schwerstkranken Patienten zu einer besonderen Herausforderung wurde. Für die Notfallzentren der Krankenhäuser hatte das zur Folge, dass die Aufnahme der Patienten auf die Stationen des Hauses oft verzögert war und die Versorgung der Patienten in den Notfallzentren stattfinden musste. Aus diesen wurden die Patienten dann in andere, aufnahmefähige Häuser verlegt. Hätte in dieser Zeit das Aufkommen der Notfallpatienten nicht insgesamt signifikant nachgelassen, wäre ohne Frage eine generelle und massive Krisensituation der Notfallversorgung aufgetreten. Schon in den Phasen niedrigen Aufkommens von Notfallpatienten waren gelegentlich mehr als 30 % der Notfallzentren in der DGINA-Notaufnahmeampel (s. Abb. 11.1) als überlastet gemeldet. Das zeigt, dass das deutsche Krankenhaussystem auf eine derartige Krisensituation mit Erschöpfung der notfall- und intensivmedizinischen Ressourcen nicht umfassend ausgerichtet ist und eine koordinierte Gesamtplanung der Intensiv- und Notfallressourcen erforderlich ist.

2.3 Der Rettungsdienst und die integrierte Leitstelle

In Phasen hoher Inzidenz besteht wie in den anderen Sektoren der Notfallversorgung die Wahrscheinlichkeit, dass einige Patienten, die eindeutig kein Covid-induzierter medizinischer Notfall sind, sich dennoch als infektionsgefährdende Träger des SARS-CoV-2-Virus herausstellen können. Einige Patienten können aufgrund der Schwere ihrer Erkrankung auch nicht bezüglich ihres individuellen Infektionsrisikos befragt werden. Somit besteht die Herausforderung an den Rettungsdienst, sich verlässlich in jeder Situation persönlich zu schützen. Nur so kann dieser Schlüsselbereich der Notfallversorgung verlässlich arbeitsfähig gehalten werden.

Eine weitere große Herausforderung ist die Disposition schwer erkrankter Patienten in den Phasen, in denen die Bettenkapazität der Krankenhäuser durch eine erhöhte Corona-Inzidenz deutlich reduziert ist. Dies betrifft sowohl die Patienten mit Verdacht auf eine Corona-Infektion als auch solche, die eindeutig aus anderen Gründen als Notfälle im Krankenhaus aufgenommen werden mussten. Um die Sicherstellung der stationären Versorgung der Bevölkerung in der pandemischen Katastrophenlage zu gewährleisten, wurde in Bayern die Führungsstruktur des Katastrophenschutzes um die Funktion der ärztlichen Leitung der Führungsgruppe Katastrophenschutz in den einzelnen Rettungsdienstbezirken ergänzt. In dieser Funktion wurde die Verteilung der Notfallpatienten in die Kliniken koordiniert. Dies betrifft sowohl die primäre Belegung der Kliniken als auch die Verteilung der Sekundärverlegungen. Für die Verlegung von Covid-Patienten über die Grenzen einzelner Rettungsdienstbezirke hinweg stimmen sich die einzelnen Leiter Katastrophenschutz untereinander ab; die Verlegung über Ländergrenzen hinweg oder aus dem Ausland wird in den Ländern zentral koordiniert und folgt dem sogenannten Kleeblatt-Prinzip: Um die Verteilung von Patienten sinnvoll koordinieren zu können, wurde Deutschland in fünf sogenannte Kleeblätter mit jeweils einer zentralen Kontakt- und Koordinationsstelle aufgeteilt. Sind lokale und regionale Strukturen so ausgelastet, dass eine Verlegung von Intensivpatienten in benachbarte Regionen nicht mehr möglich ist, werden die Patienten überörtlich in weniger belastete Regionen verlegt (Pfenninger et al. 2021).

3 Lessons learned

In der Pandemie ist eine sektorenübergreifende Organisation mit klarer Aufgabendefinition der einzelnen an der Notfallversorgung beteiligten Partnern vorteilhaft. Insbesondere für die Heimbewohner muss eine pandemische Versorgungsstruktur geschaffen werden, die so tragfähig ist, dass Patienten aus pflegerischen Gründen nicht in ein Krankenhaus verlegt werden müssen. Der Gesundheitsschutz der an der Notfallversorgung beteiligten Berufsgruppen muss so organisiert sein, dass ein pandemiebedingter Ausfall von Lieferketten auf keinen Fall zu einer Verknappung der persönlichen Schutzausrüstung führt.

In den Krankenhäusern müssen in den Notfallzentren Strukturen aufgebaut werden, die eine Trennung von nicht infizierten und infektionsgefährdenden Patienten sofort nach Eintreffen erlaubt. Im Krankenhaus müssen deutlich mehr Einzelzimmer geschaffen werden, damit eine Einzelzimmerisolierung nicht automatisch eine Reduktion der Bettenkapazität im Krankenhaus bedeutet. Dies betrifft insbesondere die Intensiv- und Intermediate-Care-Stationen.

Weiterhin muss es einen verlässlichen Überblick über relevante Kapazitäten der Notfallversorgung im Bereich der Rettungsmittel, der Notfallzentren und der Intensivstationen geben, der freie Kapazitäten transparent und in Echtzeit darstellt. Auch die Inzidenzen und andere pandemierelevante Indizes, wie die Impfrate, müssen tagesgenau und unaufwändig erfassbar und zentralisiert auswertbar sein. Diese Datengrundlage muss dazu genutzt werden können, Ressourcen vorausschauend zu planen. Die Besonderheiten der Arbeitsbelastung in einer länger anhaltenden Pandemie bedarf der wissenschaftlichen Aufarbeitung, um erschöpfungsbedingten Kündigungen und Krankheitsausfällen zukünftig begegnen zu können. Präventive Strukturen zum anhaltenden Wohlergehen des medizinischen Personals müssen zwingend geschaffen werden.