In Abschn. 2 wurden die Rollen und die spezifischen Kompetenzen für die Zusammensetzung eines ML-Teams definiert. Dabei sind auch die Kompetenzstufen ausgeprägt, die mindestens erreicht werden müssen, um die jeweilige Rolle ausfüllen zu können. Dies bedeutet aber auch, dass die einzelnen Kompetenzen bei einer etwaigen Diskrepanz gezielt durch passende Weiterbildungen auf das erforderliche Niveau entwickelt werden müssen. Daraus resultiert für KMU der Bedarf nach einer Möglichkeit zur gezielten Entwicklung einzelner Kompetenzen von Mitarbeitern neben der beruflichen Tätigkeit.
Aktuell stehen hierfür diverse Weiterbildungsangebote in verschiedenen Formaten zur Verfügung. Grundsätzlich kann das Angebot in Onlinekurse und Präsenzveranstaltungen differenziert werden, wobei Onlinekurse die Mehrheit der Weiterbildungsmöglichkeiten ausmachen (Zschech et al. 2018).
Eine zentrale Position nehmen dabei Anbieter von Massive Open Online Courses (MOOC) ein, die nach der Einführung 2008 erheblich an Bedeutung gewonnen haben. Das Interesse an diesem Ausbildungsformat ist so groß geworden, dass die New York Times das Jahr 2012 zum „Jahr des MOOC“ erklärte und Linkedin 2014 gar als das „Jahr des Corporate MOOC“ titulierte (Nielson 2014; Pappano 2012; Siemens 2013). Bei MOOCs handelt es sich um Onlinekurse, die auf einen offenen Zugang über das Internet ausgerichtet sind und eine unbegrenzte Teilnehmerzahl erlauben. Zusätzlich zu traditionellen Kursmaterialien, wie aufgezeichneten Vorlesungen, Lektüren und Übungen, bieten viele MOOCs interaktive Kurse mit Benutzerforen, um die Interaktion zwischen Schülern und Lehrkräften zu unterstützen, sowie unmittelbares Feedback zu Prüfungsfragen und -aufgaben (Kaplan und Haenlein 2016). Ein weiteres entscheidendes Charakteristikum ist die zeitliche Unabhängigkeit, die den Teilnehmern ermöglicht, ihr Lernen je nach Lernzielen, Vorkenntnissen und Fähigkeiten bzw. eigenem Tempo selbst und asynchron zu organisieren. Obwohl manche MOOCs die Konventionen herkömmlicher Kurse mit etwa einem vordefinierten Zeitplan und wöchentlich zu behandelnden Themen teilen mögen, ist ihnen gemein, dass sie nahezu keine Gebühren fordern (McAuley et al. 2010; Pappano 2012). Als Folge können diese neuen Bildungsformate sogar einen direkten Einfluss auf Unternehmen und Organisationen haben. So könnten beispielsweise MOOCs hinreichender Güte problemlos und kosteneffizient in die firmeninterne Weiterbildung oder Corporate University integriert werden. Die Kombination aus Kosteneffizienz und Flexibilität macht dieses digitale Format besonders attraktiv für Unternehmen (Kaplan und Haenlein 2016).
Relevante MOOC-Anbieter sind Udemy, Udacity, Coursera, edX, Pluralsight, FutureLearn, iversity, Alison, LinkedIn Learning, OpenClassrooms, OpenLearning und openHPI. Zudem gibt es auch domänenspezifischere Plattformen, wie DataCamp und Cognitive Class (ehemals Big Data University). Einige Anbieter bieten sogar Kurse in Kooperation mit Universitäten oder Unternehmen an, wobei besonders international renommierte Universitäten sowie große Technologieunternehmen stark vertreten sind (Dodson et al. 2015; Edukatico 2021; Lewin 2013; Pappano 2012).
Obwohl MOOCs ihre Bekanntheit als Disruptoren der traditionellen Hochschulbildung erlangt haben, drängen MOOC-Anbieter mittlerweile mit speziellen Berufsbildungsangeboten intensiv in den Unternehmenssektor (Dodson et al. 2015). So haben sich einige Anbieter komplett auf die berufliche Weiterbildung ausgerichtet. Zudem haben viele Anbieter inzwischen Weiterbildungsprogramme speziell für Unternehmen erstellt. Unternehmen können hierbei auf Onlinekurse zugreifen und diese nach ihren Bedürfnissen kostenpflichtig auslegen (Castellano 2014). Es werden auch spezielle Angebote für den Unternehmenssektor entwickelt. So wird Unternehmen durch die Nutzung von MOOCs ermöglicht, Kosten für die Mitarbeiterschulung zu senken, Talentpipelines aufzubauen und Jobkandidaten mit nachweisbaren Fähigkeiten zu identifizieren sowie näher an Interessenten und Kunden heranzukommen (Dodson et al. 2015).
Zusätzlich zu dem Angebot der MOOC-Plattformen bieten mittlerweile auch viele Universitäten ihre eigenen Kurse und Vorlesungsreihen als Onlinekurse an. Darunter fallen auch vor allem Eliteuniversitäten, wie das MIT, die Stanford und Harvard University, die dafür neben dem Angebot auf den bekannten MOOC-Plattformen teilweise eigene Portale betreiben oder auf alternative Plattformen, wie YouTube, zurückgreifen. Darüber hinaus stellen große (Tech-)Unternehmen, wie Amazon Web Services, Microsoft, Google, SAP, IBM, SAS und Cloudera, aber auch speziell auf ML ausgerichtete Unternehmen, wie RapidMiner, eigene und auf ihre individuelle Software zugeschnittene Schulungsreihen zur Verfügung.
Es werden weiterhin auch viele traditionelle berufliche Weiterbildungen als Zertifikatskurse angeboten. Dabei gibt es zum einen In-House-Schulungen, die direkt am Arbeitsplatz durchgeführt werden. Zum anderen existieren Weiterbildungen in Form von Kursen, Seminaren und Workshops. Diese werden in der Regel als Präsenzveranstaltungen abgehalten, einige sind aber inzwischen auch als E-Learning-Angebote verfügbar. Zu den Anbietern zählen Hochschulen, die abseits der klassischen Studiengänge zertifizierte Weiterbildungen in Form des weiterbildenden Studiums zur wissenschaftlichen oder künstlerischen Vertiefung und Ergänzung berufspraktischer Erfahrungen anbieten (Nordrhein-Westfalen 2021). Neben Hochschulen existieren viele weitere staatlich anerkannte Bildungseinrichtungen, die zertifizierte berufliche Weiterbildungen offerieren. Die Zertifizierung von Bildungsträgern erfolgt durch externe private Prüfstellen (fachkundige Stellen bzw. Zertifizierungsstellen). Diese werden durch die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) akkreditiert und überwacht (Deutscher Bildungsserver 2021; Doerr und Kruppe 2012). Derzeit gibt es 34 fachkundige Stellen, wie den TÜV (Nord, Süd, Rheinland) oder die HZA Hanseatische Zertifizierungsagentur (Bundesagentur für Arbeit 2021b). Als Vermittler von Onlinekursen und Zertifikatslehrgängen für Weiterbildungen agiert die Bundesagentur für Arbeit über ihre Kursnet-Datenbank (Bundesagentur für Arbeit 2021a). Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an weiteren Bildungseinrichtungen, die berufliche Weiterbildungen ohne staatliche Zertifizierung anbieten.
Unter Hochschulen und Bildungseinrichtungen, die spezifische Weiterbildungen für Data Science bzw. ML anbieten, sind beispielsweise die Technische Universität Dortmund, die Ludwig-Maximilians-Universität München, die Westfälische Wilhelms-Universität Münster und die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, die TDWI-Akademie, die Bitkom Akademie und die Fraunhofer Academy vertreten.
Auf der Grundlage der identifizierten aktuellen beruflichen Weiterbildungsmöglichkeiten wird beispielsweise im Rahmen des ML2KMU-ProjektsFootnote 1 ein Schulungskatalog aufgebaut. Dabei werden Weiterbildungen berücksichtigt, welche die ausgeprägten Kompetenzen aus Abb. 1 adressieren. Der Katalog vereint das heterogene Feld der aktuellen Weiterbildungsmöglichkeiten in einer Datenbank und erlaubt es, Angebote anhand der individuellen Spezifikationen zu vergleichen. Dadurch können die für den jeweiligen vorliegenden Qualifikationsbedarf am besten geeigneten Weiterbildungen abgeleitet werden. Dazu werden die Kurse zum einen entsprechend ihrer Charakteristiken eingeordnet, wie Dauer, Aufwand, Kosten, Zugangsvoraussetzungen, Zielgruppe, Kursformat und Anwesenheitsform, Sprache, Fachgebiet sowie Abschlusszertifizierung. Bei MOOC-Plattformen wird die Integration anhand der verschiedenen Kursanbieter weiter aufgegliedert. Zum anderen werden die Kurse bezüglich ihres fachlichen Einstiegsniveaus sowie des Niveaus der zu erreichenden Qualifizierung in den einzelnen Kompetenzen bewertet. Die Bewertung wird dabei entsprechend den in Abschn. 2 ausgeprägten Kompetenzen und den vorgestellten Bewertungsstufen von (0) bis (4) vorgenommen, um einen konsistenten Abgleich mit den Kompetenzprofilen der einzelnen Rollen eines ML-Teams zu gewährleisten. Auf diese Weise kann das Kursangebot auf das individuelle Anforderungsprofil der Unternehmen und der zu qualifizierenden Mitarbeiter abgestimmt werden. Auch werden spezielle Weiterbildungsprogramme für Unternehmen berücksichtigt, bei denen einige Anbieter besondere Konditionen gewähren oder individuelle Schulungsprogramme anpassen.