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Das Leben (mit) der Sprache

Vom Skeptizismus zum Perfektionismus

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Die Literatur, der Skeptizismus und das gute Leben

Part of the book series: LiLi: Studien zu Literaturwissenschaft und Linguistik ((LiLi,volume 3))

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Zusammenfassung

Kapitel 2 erläutert die philosophischen Grundlagen von Cavells engagierter Lektüre in der sogenannten ordinary language philosophy (Austin, Wittgenstein). Als Cavells origineller Denkansatz, der ihn von erkenntnistheoretischen ebenso wie von sprachpragmatischen Ansätzen abhebt, wird sein Verständnis von Sprache als Lebensform herausgearbeitet. Am Leitfaden der Idee, dass es sich bei Cavells Arbeiten um eine Philosophie der Immanenz handelt, erörtert das Kapitel seine Auseinandersetzung mit dem Skeptizismus als einem unmöglichen Versuch, einen Außenstandpunkt in Bezug auf das menschliche Leben einzunehmen. Damit gewinnt Cavells Begriff des Alltäglichen ein spezifisches Profil gegenüber Konzepten des Gewöhnlichen aus dem Bereich der Kritischen Theorie, Soziologie oder der cultural studies. Die Entwicklung von Cavells Früh- zu seinem Spätwerk wird als eine Entwicklung von einer Ästhetik des Schönen zu einer Ästhetik des Erhabenen beschrieben.

„Que l’homme vive dans un milieu conceptuellement

architecturé ne prouve pas qu’il s’est détourné de la vie par

quelque oubli ou qu’un drame historique l’en a séparé; mais

seulement qu’il vit d’une certaine manière, qu’il a, avec son

milieu, un rapport tel qu’il n’a pas sur lui un point de vue

fixe […]. Former des concepts, c’est une manière de vivre et

non de tuer la vie […].“

(Michel Foucault)

Michel Foucault: La vie, l’expérience et la science [1985]. In: ders.: Dits et Écrits 1954¨C1988. 4 Bde. Bd. IV: 1980¨C1988. Paris 1994, S. 763–776, hier S. 774.

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Notes

  1. 1.

    Cavell gesteht gleich darauf ein, dass diese Formulierung vieldeutig sei: „(This is obscure, and I do not know that it is elsewhere said. One might think of it, after Kant, as life not only in accordance with rules but in accordance with the concept of rules, a fate pertaining only to the human, not to the bestial or to the angelic. […]).“ (DK, 17). Mit der Unterscheidung des Menschen vom Tier und vom Engel legt Cavell nahe, dass er sich in eine anthropologische Tradition einschreiben möchte, die von Augustinus über Pico della Mirandola und Pascal bis zu Rilke und Plessner oder Gehlen reicht. Ich mache dagegen im vorliegenden Kapitel die nicht eigentlich anthropologische, sondern immanenzphilosophische Seite von Cavells Denken stark.

  2. 2.

    Eine Kennzeichnung des Menschen in diesem Sinne findet sich wiederholt bei Aristoteles, ist aber wahrscheinlich älteren Datums. Vgl. z. B. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übs. von Franz Dirlmeyer. Stuttgart 2003, 1098a.

  3. 3.

    Charles Taylor: Das sprachbegabte Tier. Grundzüge des menschlichen Sprachvermögens. Berlin 2017.

  4. 4.

    Vgl. dazu Andrea Kern/Christian Kietzmann: Einleitung. Menschliches Leben und die Idee des Selbstbewusstseins. In: dies. (Hg.): Selbstbewusstes Leben. Texte zu einer transformativen Theorie der Subjektivität. Frankfurt a.M. 2017, S. 13–25.

  5. 5.

    Mit der Spaltung in die weitgehend (und zwar nach wie vor) getrennt verlaufenden Traditionen analytischen und kontinentalen Philosophierens wirkt sich die Trennung der von C.P. Snow als ‚zwei Kulturen‘ bezeichneten Natur- und Geisteswissenschaften auch innerhalb der Philosophie aus. Das ist der Grund, warum scheinbar innerphilosophische Konflikte für Cavell eine diagnostische Funktion im Hinblick auf die moderne Kultur insgesamt erhalten. Er spricht wiederholt von analytischer und kontinentaler Philosophie als den „two halves of the philosophical mind“ (vgl. z. B. IQO, xi; PPA, 64) und deutet damit nicht bloß an, dass das Selbstbewusstsein der Philosophie in der Moderne von einer massiven Verdrängung betroffen ist, sondern auch, dass keine der beiden Strömungen für sich allein beanspruchen darf, die Philosophie als Ganze zu repräsentieren. Cavell selbst unternimmt immer wieder Versuche, mögliche Kontinuitäten zwischen analytischer und kontinentaler Philosophie sichtbar zu machen, nicht zuletzt indem er zeigt, dass es einen Einfluss einer verkannten amerikanischen Philosophietradition auf die europäische Philosophie gegeben hat, der von Emerson über Nietzsche (der ein begeisterter Leser Emersons war) bis zu Heidegger reicht.

  6. 6.

    Cavell spricht in seinen Erinnerungen von seiner Begegnung mit Austins Lehre als einem „Bekehrungsmoment“ (PPA, 59–60).

  7. 7.

    Exemplarisch dafür siehe: Toril Moi: Revolution of the Ordinary. Literary Studies after Wittgenstein, Austin, and Cavell. Chicago/London 2017.

  8. 8.

    Zur Gegenüberstellung von einer Philosophie der idealen und einer Philosophie der normalen Sprache vgl. Albert Newen: Analytische Philosophie zur Einführung. Hamburg 22007.

  9. 9.

    Vgl. z. B. Wittgensteins Aufzählung von Sprachspielen in PU, § 23. Austin stellt am Beginn von How to do Things with Words fest, dass selbst die vermeintlich einheitliche Klasse der Aussagesätze sich bei genauerer Prüfung als eine Sammlung von höchst unterschiedlichen Typen von Sätzen erweist; vgl. John L. Austin: How to do Things with Words. The William James Lectures delivered at Harvard University in 1955. Cambridge, Mass. 21975, S. 2.

  10. 10.

    Die allgemeinste Beschreibung dieser Praxis der Zurückführung der Worte zu ihrem alltäglichen Gebrauch gibt Wittgenstein in dem von Cavell immer wieder zitierten § 116 der Philosophischen Untersuchungen: „Wenn die Philosophen ein Wort gebrauchen – ‚Wissen‘, ‚Sein‘, ‚Gegenstand‘, ‚Ich‘, ‚Satz‘, ‚Name‘ – und das Wesen des Dings zu erfassen trachten, muß man sich immer fragen: Wird denn dieses Wort in der Sprache, in der es seine Heimat hat, je tatsächlich so gebraucht? – Wir führen die Wörter von ihrer metaphysischen, wieder auf ihre alltägliche Verwendung zurück.“

  11. 11.

    Maßgeblich für die Verbreitung dieser Bezeichnung und für den Einfluss der Sprechakttheorie ist vor allem John Searles Buch Speech Acts von 1969; vgl. John Searle: Speech Acts. An Essay in the Philosophy of Language [1969]. Cambridge, Mass. 1990. Der große Einfluss von Searles Buch hat jedoch die Wahrnehmung der Philosophie von John Austin, dem eigentlichen Begründer der Sprechakttheorie, auf den auch Cavell sich beruft, in gewisser Weise eingeschränkt. Zur Rezeption des Konzepts der Performativität in der Literatur-, Kultur- und Theaterwissenschaft siehe: Uwe Wirth: Der Performanzbegriff im Spannungsfeld von Illokution, Iteration und Indexikalität. In: ders. (Hg.): Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt a.M. 2002, S. 9–60. Eine ausführlichere Darstellung des Performativitätskonzepts unter Einbeziehung von Cavell und der Aneignung des Konzepts durch die Dekonstruktion und die Gender Studies findet sich bei James Loxley: Performativity. London/New York 2007.

  12. 12.

    Darin heißt es ganz explizit, dass „[…] to say something is to do something“ (John L. Austin: How to do Things with Words, S. 12). Cavell erkennt bei Austin eine problematische Vernachlässigung der passionierten Dimension des Sprechens, um die er die Sprechakttheorie darum zu erweitern sucht in seinem Aufsatz „Performative and Passionate Utterance“; siehe dazu: PDT, 155–191 sowie Kap. 8 der vorliegenden Arbeit.

  13. 13.

    Vgl. Robert Mankin: An Introduction to The Claim of Reason. In: Salmagundi 67 (1985), S. 66–89, hier S. 72: „The attempt to go beyond both the traditional philosophy and his ordinary language critic proceeds by the concept of use. […] The real nature of language and thought is masked when they become ‚tools‘ for use […]. Cavell, in rehabilitating the concept of use, is neither reductive nor narrowly practical. He relates it to the place of convention in all of human life, and thus gives a non-instrumental sense to the notions of praxis and experience and purpose.“

  14. 14.

    Gegen Saul Kripkes Lesart etwa wendet Cavell ein: „Kripke speaks of our ‚achieving agreement in our criteria,‘ (p. 105) but that suggests to me a rejection of Wittgenstein’s idea of agreement, or let me say a contractualizing or conventionalizing of it. On Wittgenstein’s view, the agreement criteria depend upon lies in our natural reactions.“ (CH, 94).

  15. 15.

    Gelegentlich kontrastiert Cavell auch, was er die ethnologische oder horizontale Lesart des Begriffs der Lebensform bei Wittgenstein nennt, mit seiner biologischen oder vertikalen Interpretation dieses Begriffs; siehe dazu TNYUA, 41–42.

  16. 16.

    Siehe MWM, 42–43: „It is a wonderful step towards understanding the abutment of language and the world when we see it to be a matter of convention. But this idea, like every other, endangers as it releases the imagination. For some will then suppose that a private meaning is not more arbitrary than one arrived at publicly, and that since language inevitably changes, there is no reason not to change it arbitrarily. Here we need to remind ourselves that ordinary language is natural language, and that its changing is natural. (It is unfortunate that artificial language has come to seem a general alternative to natural language; it would, I suggest, be better thought of as one of its capacities). […] To see that ordinary language is natural is to see that (perhaps even see why) it is normative for what can be said.“ Cavells Betonung der Natürlichkeit des Alltäglichen ist überaus leicht misszuverstehen, weil die vor allem durch marxistische und poststrukturalistische Autoren etablierten Sprach- und Denkgewohnheiten den Verdacht nahelegen, bei der Rede vom ‚Natürlichen‘ und ‚Menschlichen‘ könne es sich nur um zweifelhafte Versuche einer Naturalisierung von letztlich geschichtlich und gesellschaftlich bedingten Phänomenen handeln. Die Rede von der Natürlichkeit der Sprache impliziert aber, wie im Folgenden deutlich werden wird, gerade keine dubiose Naturalisierung substantieller Eigenschaften oder unwandelbarer Strukturen.

  17. 17.

    Ich verwende den Ausdruck „Leben mit der Sprache“ in Anlehnung an Cora Diamonds Rede vom „Leben mit einem Begriff“ in Cora Diamond: Begriffsverlust. In: dies.: Menschen, Tiere und Begriffe. Aufsätze zur Moralphilosophie. Berlin 2012, S. 228–265, hier S. 246.

  18. 18.

    Jonathan Lear unterscheidet in diesem Sinne zwischen einer „transzendentalen“ und einer „anthropologischen“ Lesart Wittgensteins in Jonathan Lear: Transcendental Anthropology. In: ders.: Open Minded. Working out the Logic of the Soul. Cambridge, Mass./London 1998, S. 247–281, hier S. 247.

  19. 19.

    Das hebt etwa James Conant hervor in: James Conant: Stanley Cavell’s Wittgenstein. In: The Harvard Review of Philosophy XIII/1 (2005), S. 51–65. Wie Conant in diesem Aufsatz zeigt, kritisiert Cavell im Grunde genau die Unterscheidung zwischen einer semantischen und einer pragmatischen Ebene der Sprache, die einige seiner Leser/innen gleichwohl bei ihm zu erkennen meinen.

  20. 20.

    Friedrich Nietzsche: Unzeitgemäße Betrachtungen. In: ders.: Werke in drei Bänden. Hrsg. von Karl Schlechta. Darmstadt 1997, Bd. 1, S. 287–365 (Drittes Stück: Schopenhauer als Erzieher [1874]), hier S. 298.

  21. 21.

    Der Anlass für die Entstehung des ersten, titelgebenden Aufsatzes von Must We Mean What We Say? bestand in einer Aufforderung Cavells durch Benson Mates, die Verfahren seines Lehrers Austin in einem öffentlichen Vortrag gegen die von Bates selbst geäußerte Kritik zu verteidigen.

  22. 22.

    John Austin: A Plea for Excuses. In: ders.: Philosophical Papers. London/Oxford/New York 21970, S. 175–204, hier S. 181.

  23. 23.

    „Wenn ich über Sprache (Wort, Satz etc.) rede, muß ich die Sprache des Alltags reden. Ist diese Sprache etwa zu grob, materiell, für das, was wir sagen wollen? Und wie wird denn eine andere gebildet? – Und wie merkwürdig, daß wir dann mit der unsern überhaupt etwas anfangen können! Daß ich bei meinen Erklärungen, die Sprache betreffend, schon die volle Sprache (nicht etwa eine vorbereitende, vorläufige) anwenden muß, zeigt schon, daß ich nur Äußerliches über die Sprache vorbringen kann. Ja, aber wie können uns diese Ausführungen dann befriedigen? – Nun, deine Fragen waren ja auch schon in dieser Sprache abgefaßt; mußten in dieser Sprache ausgedrückt werden, wenn etwas zu fragen war!“ (PU, § 120).

  24. 24.

    MWM, 66: „[…] such questions as ‚What should we say if... ?‘ or ‚In what circumstances would we call... ?‘ asked of someone who has mastered the language (for example, oneself) is a request for the person to say something about himself, describe what he does. So the different methods are methods for acquiring self-knowledge; as – for different (but related) purposes and in response to different (but related) problems – are the methods of ‚free‘ association, dream analysis, investigation of verbal and behavioral slips, noting and analyzing ‚transferred‘ feeling, and so forth.“ Siehe auch CR, 146: „[…] the ordinary language philosopher’s requests that we determine what we should say in a given case, and when we should say a given thing, were requests not that we predict an occurrence, but that we imagine one; and I said that the validity of this depended not upon ordinary, or what is ordinarily called, empirical knowledge, but upon self-knowledge […]. And it is a central theme of all my work […] that the subject of self-knowledge, both as a phenomenon and as a source of philosophical knowledge, has been blocked or denied in modern philosophy.“

  25. 25.

    Stanley Cavell: In the Meantime. In: The Yale Journal of Criticism 5/2 (1992), S. 229–237, hier S. 230: „[…] ordinary language philosophy proceeds as a kind of abstract autobiography.“

  26. 26.

    Vgl. Ottmar Ette: Literaturwissenschaft als Lebenswissenschaft. Eine Programmschrift im Jahr der Geisteswissenschaften. In: Wolfgang Asholt/ders. (Hg.): Literaturwissenschaft als Lebenswissenschaft. Programme – Projekte – Perspektiven. Tübingen 2010, S. 11–38, hier S. 16.

  27. 27.

    Als ein empirisches Urteil missverstanden wird das Urteil des ordinary language-Philosophen in der Kritik, die Jerry Fodor und Jerrold T. Katz gegenüber Cavells ersten zwei Essays, „Must We Mean What We Say?“ und „The Availability of Wittgenstein’s Later Philosophy“ vorbringen; siehe: Jerry Fodor/Jerrold T. Katz: The Availability of What We Say. In: The Philosophical Review 72/1 (1963), S. 57–71.

  28. 28.

    Siehe den Essay „Aesthetic Problems of Modern Philosophy“ in: MWM, 73–96. Aus heutiger Sicht ist nicht mehr ganz leicht nachzuempfinden, wie ungewöhnlich der Bezug von Cavell auf gerade diesen, in der analytischen Philosophie bis dahin kaum zur Kenntnis genommenen Text Kants war. Siehe dazu jedoch: Stanley Bates/Ted Cohen: More on What We Say. In: Metaphilosophy 3/1 (1972), S. 1–24. Der Aufsatz stellt eine Verteidigung von Cavell gegen die Kritik u. a. von Fodor und Katz dar.

  29. 29.

    Vgl. hier und im Folgenden: Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft [1790]. Hrsg. von Karl Vorländer. Hamburg 1990.

  30. 30.

    Kant: Kritik der Urteilskraft, § 39.

  31. 31.

    Nachdem der Stellenwert der Kritik der Urteilskraft im Rahmen von Kants kritischer Philosophie insgesamt von Seiten der analytischen Philosophie lange Zeit ignoriert wurde, widmen sich einige neuere Arbeiten explizit der Relevanz der Urteilskraft auch für ein angemessenes Verständnis der Kantischen Erkenntnistheorie. So stellt z. B. Rebekka Kukla fest: „[…] if some of Kant’s most interesting arguments are to be taken seriously, then the activity of the sensuous imagination is a precondition for the possibility of any empirical cognition or experience whatsoever […].“ (Rebekka Kukla: Introduction. Placing the Aesthetic in Kant’s Critical Epistemology. In: dies. (Hg.): Aesthetics and Cognition in Kant’s Critical Philosophy. Cambridge, Mass. 2011, S. 1–31, hier S. 22). Die konstitutive Rolle der Urteilskraft für das Erkenntnisvermögen hebt auch Hannah Ginsborg in ihren Arbeiten hervor; siehe exemplarisch: Hannah Ginsborg: Thinking the particular as contained under the universal. In: ebd., S. 35–60.

  32. 32.

    Kant: Kritik der Urteilskraft, § 8. Vgl. MWM, 89, 96.

  33. 33.

    Zum Zusammenhang zwischen Cavells ordinary language philosophy und Kants Kritik der Urteilskraft siehe Eli Friedlander: On examples, representatives, measures, standards, and the ideal. In: Alice Crary/Sanford Shieh (Hg.): Reading Cavell. London/New York 2006, S. 204–217.

  34. 34.

    Kant bestimmt den Status des ästhetischen Urteils als „exemplarisch“ in: Kant: Kritik der Urteilskraft, § 18.

  35. 35.

    In den Philosophischen Untersuchungen heißt es: „‚So sagst du also, daß die Übereinstimmung der Menschen entscheide, was richtig und was falsch ist?‘ – Richtig und falsch ist, was Menschen sagen; und in der Sprache stimmen die Menschen überein. Dies ist keine Übereinstimmung der Meinungen, sondern der Lebensform.“ (PU, § 241). Cavell übersetzt ‚Übereinstimmung“ nicht mit „agreement“, was für ihn zu sehr die Idee einer expliziten Übereinkunft nahelegt, sondern mit „attunement“, was stärker das natürliche Aufeinander-Eingestelltsein hervorheben soll (z. B. CR, 85).

  36. 36.

    Vgl. MWM, 95–96.

  37. 37.

    Von der weitreichenden Bedeutung einer „Logik der Exemplarität“ in Cavells Werk spricht J.M. Bernstein: Aesthetics, Modernism, Literature. Cavell’s Transformations of Philosophy. In: Richard Eldridge (Hg.): Stanley Cavell. Cambridge, Mass. 2003, S. 107–142, hier S. 115: „[…] there is very little in what Cavell wants from criticism, philosophy, or for that matter from ethical action conceived of in his Emersonian perfectionist terms, that is not captured by the idea of the mastering and including of subjective response through making it exemplary. One could, I suspect, recover a good deal of what is most structurally challenging in Cavell’s thought through the logic of exemplarity.“

  38. 38.

    In dem Insistieren auf der unaufhebbaren Differenz zwischen Individuum und Allgemeinheit erkennt Thomas Khurana eine der spezifischen Leistungen des Konzepts der Lebensform gegenüber bspw. dem systemtheoretischen Gesellschaftsbegriff; siehe: Thomas Khurana: „Gesellschaft“ und „menschliche Lebensform“. Zum Verhältnis zweier Fundamentalbegriffe des Sozialen. In: Soziale Systeme 13/1 + 2 (2007), S. 443–455.

  39. 39.

    So sagt Cavell einmal über seine Art des Philosophierens: „To leave myself in certain moments unguarded I can see as habitual with me, even a point of honor.“ (TS, 55).

  40. 40.

    Diesen Unterschied zwischen Austin und Wittgenstein konstatiert Cavell im Grunde bereits in seinem frühen Aufsatz „Existentialism and Analytical Philosophy“, den er nicht in Must We Mean What We Say? (1969) aufgenommen, aber später in Themes out of School (1984) veröffentlicht hat; siehe TS, 195–234, hier 215. Im Detail arbeitet Cavell den Unterschied zwischen Austins und Wittgensteins Verständnis des Skeptizismus dann in The Claim of Reason (1979) heraus.

  41. 41.

    Die Auffassung von Wittgensteins therapeutischem Verständnis der Philosophie stützt sich u. a. auf die folgenden Aussagen in den Philosophischen Untersuchungen: „Es gibt nicht eine Methode der Philosophie, wohl aber gibt es Methoden, gleichsam verschiedene Therapien.“ (PU, § 133). „Der Philosoph behandelt eine Frage; wie eine Krankheit.“ (PU, § 255).

  42. 42.

    Zur Bedeutung der motivationalen Analyse des Skeptizismus für Cavell siehe: Davide Sparti: Der Traum der Sprache. Cavell, Wittgenstein und der Skeptizismus. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 46/2 (1998), S. 211–236.

  43. 43.

    „Take the origin of skepticism as an intimation of, in Kant’s concept, human conditionedness. Then what philosophy calls skeptical doubt is a drive to reach the unconditioned. Philosophy may think of the unconditioned, the inexplicable, or limit of the explicable, as the ‚given‘. Empirical philosophy will think of it as empirically given, say sensuously given; rational philosophy will think of it as the givenness of reason. Ordinary language philosophy seems, intuitively, linked with certain recent developments of French thought – I am thinking mostly of Lacan and Derrida – in conceiving of the given as language.“ (DK, 17).

  44. 44.

    René Descartes: Meditationes de prima philosophia./Meditationen über die Erste Philosophie. Lateinisch/Deutsch. Übs. u. hrsg. von Gerhart Schmidt. Stuttgart 2008.

  45. 45.

    Was ich hier sehr verkürzt wiedergebe, ist Cavells ausführliche Auseinandersetzung mit dem typischen skeptischen Argumentationsgang („skeptical recital“) in CR, 127–243. Die Behauptung des Skeptikers einer unumstößlichen Gewissheit oder eines universellen Zweifels findet, wie Cavell dort sagt, in einem „Kontext der Nicht-Behauptung“ statt (ebd., 217–221), d. h. die Bedingungen, um überhaupt eine Behauptung zu treffen, sind nicht erfüllt. James Conant fasst das wie folgt zusammen: „What the skeptic needs, in order to pull off his trick, is to engage in a performance that qualifies as a speech-act of claiming while prescinding from all of the messy context-dependent details that come with any actual concrete situation in which a claim is made.“ (James Conant: Stanley Cavell’s Wittgenstein, S. 55).

  46. 46.

    Die Kritik an einem als essentialistisch verstandenen Humanismus eint die Mehrzahl ‚postmoderner‘ Autoren. Als exemplarisch kann einerseits Foucaults umstrittene These in Die Ordnung der Dinge gelten, nach welcher der Mensch als Wissenssubjekt und -objekt in der doppelten Gestalt einer „empirisch-transzendentalen Dublette“ erst mit der modernen Episteme an der Epochenschwelle um 1800 erfunden werde und bereits wieder im Begriff sei, zu verschwinden „wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand“; Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Frankfurt a.M. 1974, S. 26–27 und S. 460–462. In metaphysikkritischer Absicht übt dagegen Derrida Kritik am Humanismus in Jacques Derrida: The Ends of Man. In: Philosophy and Phenomenological Research 30/1 (1969), S. 31–57. Sowohl Foucaults als auch Derridas anti-humanistische Haltung lässt sich zurückverfolgen zu Heideggers Brief an Jean Beaufret aus dem Jahr 1946, der unter dem Titel Über den Humanismus veröffentlicht wurde und in dem Heidegger konstatiert: „Jeder Humanismus gründet entweder in einer Metaphysik oder er macht sich selbst zum Grund einer solchen.“ (Martin Heidegger: Über den Humanismus. Frankfurt a.M. 1949, S. 12).

  47. 47.

    Richard Eldridge und Bernard Rhie heben den zentralen Stellenwert von Cavells Humanismus hervor und verteidigen diesen gegen Cavells antihumanistische Kritiker in: Richard Eldridge/Bernard Rhie: Cavell, Literary Studies, and the Human Subject: Consequences of Skepticism. In: dies. (Hg.): Stanley Cavell and Literary Studies. Consequences of Skepticism. New York/London 2011, S. 1–13, hier S. 5: „Far from actually succeeding in leaving behind (by deconstructing) the category of the human, we believe that poststructuralist antihumanism is itself but another (very sophisticated) expression of one of the deepest and most characteristic of human impulses – the wish humans have always had to transcend their own finitude. […] Therefore, any attempt to make Cavell speak to contemporary literary studies must directly address (indeed defend) his interest in, and allegiance to, the human (the human voice, the human self). If, as we believe, theoretical antihumanism (or more recently, posthumanism) is indeed one of the key reasons why Cavell’s work continues to suffer from a strange aura of untimeliness – of a curious ‚lack of fit‘ with contemporary critical concerns – then a fresh consideration of the Cavellian understanding of the human must play a central role in any reframing of that work for a literary critical audience.“

  48. 48.

    Zur phänomenologischen Konzeption der vortheoretischen Lebenswelt vgl. Edmund Husserl: Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie. Eine Einleitung in die phänomenologische Philosophie [1936]. Hrsg. von Elisabeth Ströker. Hamburg 2012. Eine zeitgenössische Phänomenologie des Alltagslebens unternimmt Bruce Bégout: La Découverte du Quotidien. Paris 22010.

  49. 49.

    Charles Taylor: Sources of the Self. The Making of the Modern Identity. Cambridge, Mass. 1989, S. 211–233. Zur Aufwertung des gewöhnlichen Lebens siehe auch Wolfgang Reinhard: Die Bejahung des gewöhnlichen Lebens. In: Hans Joas/Klaus Wiegandt (Hg.): Die kulturellen Werte Europas. Frankfurt a.M. 2005, S. 265–303.

  50. 50.

    Als ein hierfür exemplarischer Text wäre etwa Charles Baudelaires Aufsatz „Der Maler des modernen Lebens“ zu nennen. Vgl. Charles Baudelaire: Der Maler des modernen Lebens. In: ders.: Sämtliche Werke/Briefe in acht Bänden. Hrsg. von Friedhelm Kemp/Claude Pichois. Bd. 5: Aufsätze zur Literatur und Kunst 1857–1860. München/Wien 1989, S. 213–258. Siehe zu diesem Text Abschn. 3.12 (‚Scenes of Inheritance‘) sowie Abschn. 10.1.2 („Medium und Moderne“).

  51. 51.

    G.W.F. Hegel: Vorlesungen über die Ästhetik. Erster und zweiter Teil. Hrsg. von Rüdiger Bubner. Stuttgart 1971, S. 225–226: „Das Individuum, wie es in dieser Welt des Alltäglichen und der Prosa erscheint, ist deshalb nicht aus seiner eigenen Totalität tätig und nicht aus sich selbst, sondern aus anderem verständlich. Denn der einzelne Mensch steht in der Abhängigkeit von äußeren Einwirkungen, Gesetzen, Staatseinrichtungen, bürgerlichen Verhältnissen, welche er vorfindet und sich ihnen, mag er sie als sein eigenes Inneres haben oder nicht, beugen muss. Mehr noch ist das einzelne Subjekt für andere nicht als solche Totalität in sich, sondern tritt für sie nur nach dem nächsten vereinzelten Interesse hervor, das sie an seinen Handlungen, Wünschen und Meinungen haben. Was die Menschen zunächst interessiert, ist nur die Relation zu ihren eigenen Absichten und Zwecken.“

  52. 52.

    Ohne ausdrücklich als ein terminus technicus zu fungieren, spielt das Alltägliche in den Texten Walter Benjamins eine geradezu ubiquitäre Rolle, ob in seinen Prosatexten wie der Einbahnstraße und der Berliner Kindheit um 1900 oder in seinen theoretischen Texten, z. B. über Baudelaire als den Dichter der Moderne.

  53. 53.

    Hier sind vor allem zwei Autoren zu nennen: Lucien Lefebvre: Kritik des Alltagslebens. Hrsg. von Dieter Prokop. Kronberg/Ts. 1977; Agnes Heller: Das Alltagsleben. Versuch einer Erklärung der individuellen Reproduktion. Hrsg. von Hans Joas. Frankfurt a.M. 22015.

  54. 54.

    Roland Barthes: Mythen des Alltags. Frankfurt a.M. 1964.

  55. 55.

    Michel de Certeau: L’invention du quotidien I: Arts de faire. Hrsg. von Luce Giard. Paris 1990. Für de Certeaus Theorie eines ‚kreativen Gebrauchs‘ durch die vermeintlich passiven Konsumenten sind Wittgenstein und die ordinary language philosophy eine entscheidende Inspirationsquelle; siehe ebd., S. 13–30.

  56. 56.

    Maurice Blanchot: La parole quotidienne. In: ders.: L’Entretien infini. Paris 1969, S. 355–366, hier S. 357.

  57. 57.

    John L. Austin: A Plea for Excuses, hier insbes. S. 191–192. Austin bemerkt hier u. a.: „But remember, when I sign a cheque in the normal way, I do not do so either ‚voluntarily‘ or ‚under constraint‘.“ (Ebd., S. 191, Fn. 1).

  58. 58.

    Vgl. MWM, 6–7: „It is fundamental to Austin’s account to emphasize that we cannot always say of actions that they were voluntary, even when they obviously were not involuntary either. Although we can (sometimes) say, ‚The gift was made voluntarily,‘ it is specifically not something we can say about ordinary, unremarkable cases of making gifts. Only when the action (or circumstances) of making the gift is in some way unusual […] or extraordinary […], or untoward […], can the question whether it was voluntary intelligibly arise. […] the philosophical use of ‚voluntary‘ stretches the idea of volition out of shape, beyond recognition. […] philosophers imagine, because of a distorted picture of the mind, that the term ‚voluntary‘ must apply to all actions which are not involuntary (or unintentional), whereas it is only applicable where there is some specific reason to raise the question. […] These antitheses miss exactly those actions about which the question ‚Voluntary or not?‘ really has no sense, viz., those ordinary, unremarkable, natural things we do which make up most of our conduct and which are neither admirable nor contemptible; which, indeed, could only erroneously be said to go on, in general, in any special way.“

  59. 59.

    John Austin: A Plea for Excuses, S. 180: „Like ‚real‘, ‚free‘ is only used to rule out the suggestion of some or all of its recognized antitheses. As ‚truth‘ is not a name for a characteristic of assertions, so ‚freedom‘ is not a name for a characteristic of actions, but the name of a dimension in which actions are assessed. In examining all the ways in which each action may not be ‚free‘ […], we may hope to dispose of the problem of Freedom.“

  60. 60.

    Sigmund Freud: Zur Psychopathologie des Alltagslebens. Über Vergessen, Versprechen, Vergreifen, Aberglaube und Irrtum [1904]. Frankfurt a.M. 2009.

  61. 61.

    Martin Heidegger: Sein und Zeit. Tübingen 192006, S. 72–76 und S. 83–88.

  62. 62.

    Ebd., S. 126–130 und S. 166–180.

  63. 63.

    Ralph Waldo Emerson: Self-Reliance. In: ders.: Nature and Selected Essays. Hrsg. von Larzer Ziff. New York/Toronto/London 2003, S. 175–203, hier S. 176. Cavell kommentiert: „[…] reading, as such, is taken by Emerson as of the sublime.“ (CH, 57).

  64. 64.

    Friedrich Hölderlin: An Casimir Ulrich Böhlendorff, 04.12.1801. In: ders.: Sämtliche Werke und Briefe. 4 Bde. Hrsg. von Günter Mieth. Berlin 21995, Bd. 4: Briefe, S. 466–469, hier S. 467.

  65. 65.

    So stellt auch Sibylla-Maria Lotter fest in: Sibylla-Maria Lotter: Aussichten und Abgründe des moralischen Perfektionismus von Platon bis Hollywood. In: Eva Marsal/Regina Speck (Hg.): Gut/Böse – ein Januskopf? Frankfurt a.M. 2008, S. 79–96, hier S. 79.

  66. 66.

    „[…] Emersonian Perfectionism does not imply perfectibility – nothing in Emerson is more constant than his scorn of the idea that any given state of what he calls the self is the last.“ (CH, 3).

  67. 67.

    „Emerson calls it genius; we might call this the capacity for self-criticism, the capacity to consecrate the attained to the unattained self […].“ (CH, 49).

  68. 68.

    „Perfectionism, as I think of it, is not a competing theory of the moral life, but something like a dimension or tradition of the moral life that spans the course of Western thought and concerns what used to be called the state of one’s soul, a dimension that places tremendous burdens on personal relationships and on the possibility or necessity of the transforming of oneself and of one’s society […].“ (CH, 2).

  69. 69.

    Dass er den Perfektionismus nicht als eine teleologische, am Ziel der persönlichen Vervollkommnung orientierte Theorie betrachtet, unterscheidet Cavells Verständnis des Perfektionismus von John Rawls’ Verwendung des Begriffs in Bezug auf Nietzsche in A Theory of Justice; siehe CH, xviii und John Rawls: A Theory of Justice. Revised Edition. Cambridge, Mass. 1999, S. 286. Rawls’ Kritik an Nietzsche hat sich als extrem einflussreich in der amerikanischen Nietzsche-Rezeption erwiesen. Cavell ist bemüht, zu zeigen, dass Nietzsche dem Einfluss Emersons unterliegt und dass Rawls’ falsches Verständnis von Nietzsche als einem anti-demokratischen, elitären Denker eine Fortsetzung der Verdrängung Emersons aus der amerikanischen Philosophie darstellt. (CH, xi-xxxviii). Wie James Conant gezeigt hat, beruht Rawls’ Kritik an Nietzsche auf einem Zitat aus „Schopenhauer als Erzieher“, das aus seinem Kontext gerissen und dessen Sinn dadurch erheblich entstellt wird. Siehe James Conant: Friedrich Nietzsche. Perfektionismus und Perspektivismus. Konstanz 2014, S. 64–85.

  70. 70.

    Zur Unterscheidung zwischen zur Ethik und zum Moralcode orientierten Formen von Moral siehe Michel Foucault: Der Gebrauch der Lüste. Sexualität und Wahrheit Bd. 2. Frankfurt a.M. 1989, S. 36–42. Foucault schreibt: „[…] eine Handlung ist nicht für sich allein genommen schon moralisch; sie ist es durch ihre Einfügung und ihren Platz im Ganzen einer Lebensführung […]. […] Insgesamt kann sich also eine Handlung, um moralisch genannt zu werden, nicht auf einen Akt oder eine Reihe von Akten beschränken, die einer Regel, einem Gesetz oder einem Wert entsprechen. Gewiß enthält jede moralische Handlung ein Verhältnis zu dem Wirklichen, in dem sie sich abspielt, und ein Verhältnis zu dem Code, auf den sie sich bezieht; aber sie impliziert auch ein bestimmtes Verhältnis zu sich; dieses ist nicht einfach ‚Selbstbewußtsein‘, sondern Konstitution seiner selbst als ‚Moralsubjekt‘ […]. […] Es gibt keine einzelne moralische Handlung, die sich nicht auf die Einheit einer moralischen Lebensführung bezieht; keine moralische Lebensführung, die nicht die Konstitution als Moralsubjekt erfordert; und keine Konstitution des Moralsubjekts ohne ‚Subjektivierungsweisen‘ und ohne ‚Asketik‘ oder ‚Selbstpraktiken‘, die sie stützen.“ (Ebd., S. 39–40). Zu den Übereinstimmungen zwischen Foucault und Cavell hinsichtlich der Idee einer Ethik der Selbstverhältnisse siehe Abschn. 10.2.5 der vorliegenden Arbeit.

  71. 71.

    „Understanding Emersonian Perfectionism as an interpretation of Rousseau’s and Kant’s idea of freedom as autonomy means understanding it as questioning what or who the self is that commands and obeys itself and what an obedience consists in that is inseparable from mastery.“ (CH, 31).

  72. 72.

    Damit stellt der Perfektionismus, wie ich in Kap. 10 zeige, eine Antwort auf das „Paradox der Autonomie“ in Kants praktischer Philosophie dar, welches darin besteht, dass von dem Akt, durch den man sich selbst das Gesetz gibt, nicht gesagt werden kann, ob er aus Freiheit, d. h. selbst bereits autonom, oder aus Unfreiheit, d. h. heteronom, geschieht. Vgl. dazu Thomas Khurana: Paradoxien der Autonomie. Zur Einleitung. In: ders./Christoph Menke (Hg.): Paradoxien der Autonomie. Berlin 2011, S. 7–23, hier S. 11–14.

  73. 73.

    Zum menschlichen Sein als einem wesentlich möglichen Sein siehe Giorgio Agamben: Lebens-Form. In: Joseph Vogl (Hg.): Gemeinschaften. Positionen zu einer Philosophie des Politischen. Frankfurt a.M. 1994, S. 251–257, hier S. 251.

  74. 74.

    Zu den „zwei Standpunkten“ siehe Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Hrsg. von Theodor Valentiner. Stuttgart 2008, S. 96–97. Eine ausführliche Erläuterung der Bedeutung der „zwei Standpunkte“ für Kants transzendentalen Idealismus findet sich in: Katharina T. Kraus: Kants zwei Standpunkte und die Möglichkeit der Naturerkenntnis. In: Myriam Gerhard/Christine Zschunke (Hg.): Die Natur denken. Würzburg 2013, S. 143–167.

  75. 75.

    „Emersonian Perfectionism is not primarily a claim as to the right to goods (let alone the right to more goods than others) but primarily as to the claim, or the good, of freedom. Perfectionism’s contribution to the idea of the liberation of human kind is perhaps to be located in the question as to, let’s say, the origin of liberty, whether it can be granted or only, after it is taken, acknowledged. […] The question is apt to figure the issue of my liberty as a matter of my voice.“ (CH, 26).

  76. 76.

    „[…] the films in question recapture the full weight of the concept of conversation, demonstrating why our word conversation means what it does, what talk means. In those films talking together is fully and plainly being together, a mode of association, a form of life, and I would like to say that in these films the central pair are learning to speak the same language.“ (PH, 87–88).

  77. 77.

    Inwiefern die moralische Konfrontation des Anderen die Beziehung zu ihm aufs Spiel setzt, ist Teil dessen, was Cavell im Rahmen seiner Konzeption der „passionierten Äußerung“ verhandelt; vgl. PDT, 184–187. Siehe dazu ausführlicher Abschn. 8.2 („Sprechen als Passion“).

  78. 78.

    TS, 53: „Presumably we would not require a therapy whose structure partakes of seduction, to undo seduction, unless we were already seduced.“ CH, 59: „It is in response to this seduction from our seductions (conformities, heteronomies) that the friend (discovered or constructed) represents the standpoint of perfection.“

  79. 79.

    „[…] Emerson finds the intelligible world, the realm of ends, closed to us as a standpoint from which to view ourselves individually (our relation to the law no longer has this power for us). But at the same time he shows us the intelligible world to be entered into whenever another represents for us our rejected self, our beyond; causes that aversion to ourselves in our conformity that will constitute our becoming, as it were, ashamed of our shame.“ (CH, 58).

  80. 80.

    Zu Rawls’ Kritik am Perfektionismus siehe John Rawls: A Theory of Justice, S. 285–292; zu Nietzsche insbes. S. 286.

  81. 81.

    „[…] the particular disdain for official culture taken in Emerson and in Nietzsche […] is itself an expression of democracy and commitment to it. […] Only within the possibility of democracy is one committed to living with, or against, such culture.“ (CH, 50). „[…] the view Emerson and Nietzsche share, or my interest in it, is not simply to show that it is tolerable to the life of justice in a constitutional democracy, but to show how it is essential to that life. […] There are undeniably aristocratic or aesthetic perfectionisms. But in Emerson it should, I would like to say, be taken as part of the training for democracy. […] I understand the training and character and friendship Emerson requires for democracy as preparation to withstand not its rigors but its failures, to keep the democratic hope alive in the face of disappointment with it.“ (CH, 56). „If Emerson is right, his aversion provides for the democratic aspiration the only internal measure of its truth to itself – a voice only this aspiration could have inspired, and, if it is lucky, must inspire.“ (CH, 59).

  82. 82.

    Alexis de Tocqueville: Œuvres complètes. Hrsg. von J.-P. Mayer. Bd. I: De la démocratie en Amérique. Paris 1961, S. 257–288 (Deuxième partie, ch. VII und VIII).

  83. 83.

    Das relevante Zitat von Mill aus On Liberty lautet: „In our times, from the highest class of society down to the lowest, every one lives as under the eye of a hostile and dreaded censorship. Not only in what concerns others, but in what concerns themselves, the individual, or the family, they do not ask themselves – what do I prefer? […] They ask themselves, […] what is usually done […]? I do not mean that they choose what is customary in preference to what suits their own inclination. It does not occur to them to have any inclination except for what is customary. Thus the mind itself is bowed to the yoke […] until by dint of not following their own nature, they have no nature to follow […].“ (John Stuart Mill: On Liberty./Über die Freiheit. Englisch/Deutsch. Hrsg. von Bernd Gräfrath. Stuttgart 2009, S. 174).

  84. 84.

    Ausführlicher zur Bedeutung der Exemplarität für Emerson und Nietzsche, insbesondere für Nietzsches „Schopenhauer als Erzieher“ siehe James Conant: Nietzsche’s Perfectionism: A Reading of Schopenhauer as Educator. In: Richard Schacht (Hg.): Nietzsche’s Postmoralism. Essays on Nietzsche’s Prelude to Philosophy’s Future. Cambridge, Mass. 2010, S. 181–257, insbes. S. 202–208. Die Rede von der „Exemplarität“ bei Emerson und Nietzsche stellt einen Bezug auf Kants Charakterisierung des ästhetischen Urteils als „exemplarisch“ in der Kritik der Urteilskraft dar.

  85. 85.

    „Emerson is not […] speaking of any thing open only to persons possessing certain gifts or talents unequally distributed across the general population […], but of an attitude to our pursuits that is precisely unimposable and unrewardable, one that we would all instantly see the worth of could we but turn, revolutionize ourselves. Emerson’s problem of representativeness, or exemplification (‚imitation‘), or perfection, thus begins earlier than Plato’s, both in lacking a sun and in having no standing representative of the path to it. Emerson elects himself to be our representative man (anyone is entitled, and no one is, to stand for this election) and he warns that we have to – that we do – elect our (private) representative(s). In a sense his teaching is that we are to see beyond representativeness, or rather see it as a process of individuation.“ (CH, 10).

  86. 86.

    Ralph Waldo Emerson: Self-Reliance, S. 175. Man kann bei Emerson von einer regelrechten Demokratisierung des Genies sprechen. Das macht Cavell deutlich, wenn er schreibt: „What Emerson appeals to, or would awaken, he calls genius. […] on a familiar view of genius, genius is rarer than talent. But this calculation is the reverse of Emerson’s, for whom genius – call it, in Emerson’s retransfiguration of the idea, the capacity for self-reliance – is universally distributed, as universally, at any rate, as the capacity to think.“ (CH, 25–26). Für ein ähnliches Verständnis des Geniebegriffs vgl. Giorgio Agamben: Genius. In: ders.: Profanierungen. Frankfurt a.M. 2005, S. 7–17, hier S. 9–11: „Aber dieser innerste und persönliche Gott ist auch das, was in uns an Unpersönlichem ist, die Personifizierung von etwas, das in uns ist, aber über uns hinausgeht und uns übersteigt. ‚Genius ist unser Leben, insofern es nicht aus uns entstanden ist, sondern uns hat entstehen lassen.‘ […] Mit dem Genius leben heißt in diesem Sinne im Innersten eines fremden Wesens leben, beständig eine Beziehung zu einer Region der Nicht-Kenntnis aufrechterhalten. […] Genius ist unser Leben, sofern es uns nicht gehört.“

  87. 87.

    Platon: Politeia. In: ders.: Sämtliche Werke. Übs. von Friedrich Schleiermacher. 4 Bde. Reinbek bei Hamburg 302004, Bd. 2, S. 195–537, 369a. Schleiermacher übersetzt – der Mehrdeutigkeit von „logos“ entsprechend – anstatt als „Stadt aus Worten“ als eine „in Gedanken“ entstehende Stadt. Die Frage, was an einer Sache exemplarisch ist, ist natürlich auch für Platons sogenannte Ideenlehre zentral. Cavell ist deshalb in Conditions Handsome and Unhandsome nicht nur bemüht, zu zeigen, wie Emersons Perfektionismus Platons Ideen ‚transformiert‘; vgl. z. B. CH, 11. Mehrfach betont Cavell außerdem entgegen der verbreiteten Auffassung von der Literaturfeindlichkeit Platons welchen Anteil Platons eigene Schreibverfahren an der perfektionistischen Dimension seiner Texte haben, etwa wenn er in Bezug auf die Politeia schreibt: „[…] the burdens placed on writing in composing this conversation may be said to be the achieving of an expression public enough to show its disdain for, its refusal to participate fully in, the shameful state of current society, or rather to participate by showing society its shame, and at the same time the achieving of a promise of expression that can attract the good stranger to enter the precincts of its city of words, and accordingly […] philosophical writing, say the field of prose, enters into competition with the field of poetry, not – though it feels otherwise – to banish all poetry from the just city but to claim for itself the priviledge of the work poetry does in making things happen to the soul […].“ (CH, 7).

  88. 88.

    Vgl. Philippe Lacoue-Labarthe/Jean-Luc Nancy: L’absolu littéraire. Théorie du romantisme allemande. Paris 1978, S. 21.

  89. 89.

    Das „unendliche Gespräch“ ist auch der Titel eines oben bereits zitierten Buches von Maurice Blanchot, L’Entretien Infini (1969), das im selben Jahr wie Cavells erster Essayband Must We Mean What We Say? erschienen ist.

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Stricker, B. (2021). Das Leben (mit) der Sprache. In: Die Literatur, der Skeptizismus und das gute Leben. LiLi: Studien zu Literaturwissenschaft und Linguistik, vol 3. J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-63857-6_2

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