Im folgenden Kapitel wird die Entwicklung des vLead-Tools IdeaCheck (ideacheck.vlead.de) vorgestellt, das im Rahmen des Forschungsprojekts „vLead“ von Conny Antoni, Valeria Bernardy und Anna Niesen unter Mitarbeit von Rebecca Müller an der Universität Trier in Kooperation mit Ulrike Grün und Rainer Trieb und dem Unternehmen Human Solutions entwickelt wurde. Ziel des IdeaCheck ist, eine digitale unternehmensweite Plattform zum Ideenmanagement zu schaffen, die eine Transparenz der Ideen im Unternehmen ermöglicht und einen fairen und nachvollziehbaren Bewertungsprozess unterstützt. Nach einer Zusammenfassung aktueller Forschungserkenntnisse und der Ergebnisse eigener Datenerhebungen zu Erfolgsfaktoren von Innovationsprozessen in Unternehmen werden Ziele und Funktionen des IdeaChecks im Detail vorgestellt. Im Anschluss zeigt ein Interview die Herausforderungen eines mittelständischen und regional verteilt arbeitenden Unternehmens in Hinblick auf das Ideenmanagement auf und verdeutlicht deren Erfahrungen mit dem Einsatz des Tools. Zum Abschluss werden die Ergebnisse der Evaluation des IdeaChecks berichtet, die das Ziel eines transparenten Ideenmanagements und eines nachvollziehbaren Bewertungsprozesses bestätigen.

4.1 Herleitung und Beschreibung des IdeaChecks – eine Lösung für die Herausforderungen des digitalen Ideenmanagements

Im Folgenden stellen wir den IdeaCheck als Instrument zur Förderung der Innovationsfähigkeit von Unternehmen vor, den wir gemeinsam mit den am Projekt beteiligten Unternehmen auf Grundlage aktueller Forschungserkenntnisse und der Ergebnisse der qualitativen und quantitativen Untersuchungen in den Unternehmen entwickelt haben. Zunächst gehen wir auf den Stand der Forschung und die Konzepte ein, auf die wir aufbauen. Im zweiten Schritt beschreiben wir dann die Ergebnisse unserer Untersuchung, die zeigen, wie sich in den beteiligten Unternehmen die digitale Zusammenarbeit über Teamprozesse auf die Innovationsfähigkeit im Unternehmen auswirkt und wo Herausforderungen und Handlungsbedarf gesehen werden. Im dritten Schritt schildern wir die daraus resultierenden Ziele, den Aufbau und Ablauf des IdeaChecks.

4.1.1 Theoretische Herleitung des IdeaChecks – Potenziale und Risiken digitaler Innovationsprozesse

Die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens gilt in der heutigen Arbeitswelt als einer der wichtigsten Wettbewerbsfaktoren. Die Anforderungen an Unternehmen unterliegen aufgrund sich stetig verändernder Kundschaftsbedürfnisse, der rasanten technologischen Entwicklung und anderer Umweltfaktoren einem kontinuierlichen Anpassungsbedarf. Diese Dynamik wirkt sich auch auf die Innovationsprozesse im Unternehmen aus: Produkte und Prozesse – im Kleinen und im Großen – müssen immer wieder mit Blick auf deren Mehrwert für das Unternehmen auf den Prüfstand gestellt werden.

Wenn man sich anschaut, wie sich die Innovationsprozesse in den Unternehmen in den letzten Jahren verändert haben, fällt immer wieder das Wort „Agilität“. Agile Prozesse, vor allem in Bezug auf Innovationen, zeichnen sich dadurch aus, dass sie schnelle Ergebnisse bringen und dass man in kleinen Schritten und mittels iterativer Schleifen vorgeht, in denen Feedback – wenn möglich seitens der Kundschaft – eingeholt und eingearbeitet wird. Diese agilen Innovationsprozesse finden in Unternehmen vorrangig in Teams statt, um die Perspektive unterschiedlicher Experten und Expertinnen zu integrieren und die Arbeit sinnvoll aufzuteilen. Auch verspricht man sich von der Zusammenarbeit in Teams eine erhöhte Kreativität, die auf der Synthese der unterschiedlichen Perspektiven und des breiten Wissens beruht. Um das innovative Potenzial von Teams auszuschöpfen, hat man bereits in der face-to-face Zusammenarbeit festgestellt, dass in den Teams strukturierte Prozesse notwendig sind, die den Wissensaustausch und das Voneinander-Lernen im Team fördern (Hülsheger et al., 2009).

Ein zentraler Vorteil digital zusammenarbeitender Teams besteht zweifelsohne darin, dass eine ortsunabhängige Zusammenstellung von Teams möglich ist. Das bedeutet, dass unterschiedlichste Experten und Expertinnen aus der ganzen Welt für spezifische Innovationsprojekte mit eingebunden werden können. Auch die Unabhängigkeit von zeitlichen Restriktionen kann von Vorteil sein. Diese schafft für die Projektmitarbeitenden eine Flexibilität, die ihnen die Möglichkeit gibt, Privat- und Arbeitsleben miteinander zu verbinden und die Arbeitszeiten nach bester (Innovations-)Effektivität auszuwählen. Für die Unternehmen kann diese zeitliche Flexibilität der Mitarbeitenden bedeuten, dass weltweit rund um die Uhr Ansprechpersonen zur Verfügung stehen, die an den Innovationen arbeiten können und dass Auslastungs-„Peaks“ besser abgefangen werden können.

Dass sowohl die örtliche als auch zeitliche Flexibilität ebenso Herausforderungen für die gemeinsame Arbeit an Innovationen in Teams birgt, liegt auf der Hand. Der für Innovationsprozesse essenzielle Wissensaustausch in Teams sowie das Einbringen der eigenen Expertise erfordert ein Mindestmaß an Vertrauen im Team. Vertrauen lässt sich jedoch bei komplett digitaler Zusammenarbeit schwerer aufbauen. Auch das Voneinander-Lernen ist im digitalen Setting erschwert, da hier primär verbale Kommunikation dazu beiträgt, während bei face-to-face Zusammenarbeit in der Regel leichter auch über Beobachtung und nonverbale Kommunikation voneinander gelernt werden kann. Daher ist die Unterstützung digitaler Innovationsprozesse in Unternehmen durch geeignete Strukturen und den Aufbau einer offenen Innovationskultur ausschlaggebend für deren Erfolg.

Im Folgenden wird erläutert, welche Faktoren die Innovationsfähigkeit von Mitarbeitenden, insbesondere im Teamsetting, beeinflussen, wie sich diese in der digitalen Zusammenarbeit verändern und wie sie gestärkt werden können. Im Anschluss wird gezeigt, wie der IdeaCheck an diesen Faktoren ansetzt, um die Innovationsfähigkeit des Unternehmens zu erhöhen.

4.1.1.1 Welche Faktoren tragen zur Innovationsfähigkeit auf individueller, auf Team- und auf organisationaler Ebene bei?

Der Innovationsprozess umfasst die Phasen der Ideengenerierung und der darauffolgenden Ideenrealisierung. Zwischen Ideengenerierung und Ideenrealisierung ist in Unternehmen darüber hinaus eine Phase der Ideenbewerbung sinnvoll, in der die ausgewählte Idee im Unternehmen platziert wird und unterstützende Personen für die Umsetzung der Idee im Unternehmen gesucht werden. Diese unterstützenden Personen werden sowohl zur Bereitstellung von finanziellen als auch von materiellen oder personellen Ressourcen benötigt (Janssen, 2000).

Die unterschiedlichen Phasen des Innovationsprozesses gehen mit unterschiedlichen Anforderungen einher. Während in der Ideengenerierungsphase Kreativität gefordert ist, um im ersten Schritt möglichst viele Lösungsmöglichkeiten zu kreieren, aus denen dann die beste Idee zur Umsetzung ausgesucht werden kann, ist in der Phase der Ideenrealisierung vor allem ein stringenter Prozess des Ausarbeitens der Idee gefragt, ergänzt von Test- und Feedbackphasen. Auch werden Anforderungen auf individueller, auf Team- und Organisationsebene unterschieden, wobei sich die Ebenen in der Praxis vermischen und wechselseitig bedingen. Nach der „Componential Theory of Creativity and Innovation“ von Amabile und Pratt (2016) fördern die folgenden Komponenten auf Individual- und Teamebene Kreativität und Innovation: 1) Fachexpertise im Aufgabenbereich, 2) kreativitäts-relevante Prozesse bzw. Fähigkeiten, und 3) intrinsische Motivation zur Aufgabenbearbeitung (s. Abb. 4.1).

Abb. 4.1
figure 1

Einflussfaktoren der Innovationsfähigkeit laut der „Componential Theory of Creativity and Innovation in Organizations“, übersetzt und angelehnt an Amabile und Pratt (2016)

Aus der Fachexpertise der einzelnen Mitarbeitenden beziehungsweise des Teams im Gesamten speist sich das Wissen, welches für die Synthese von neuen Ideen herangezogen werden kann. Darüber hinaus schließt dies auch spezifische Kompetenzen und Fähigkeiten in dem Aufgabenbereich mit ein, der für den Innovationsprozess erforderlich ist. Zu den kreativitäts-relevanten Prozessen (bzw. Fähigkeiten) zählen sowohl Verhaltensweisen und kognitive Fähigkeiten als auch Persönlichkeitseigenschaften, die Perspektivenübernahme und Risikobereitschaft sowie einen disziplinierten Arbeitsstil fördern (Amabile, 2012). Eine der wichtigsten Faktoren seitens des Modells ist die intrinsische Motivation für die Innovationsaufgabe bzw. das Innovationsprojekt. Ausschlaggebend für die intrinsische Motivation ist, dass der oder die Mitarbeitende bzw. das Team die Aufgabe als interessant, herausfordernd und bedeutsam erlebt, im Gegensatz zu einer extrinsischen Motivation, die durch Wettbewerb, Kontrolle und Belohnungen getrieben ist.

Diese Komponenten können sowohl auf der individuellen Ebene als auch der Teamebene angeregt werden und werden zudem durch Faktoren auf der organisationalen Ebene beeinflusst. Im Team ist für die Synthese der Fachexpertise der einzelnen Teammitglieder ein geregelter Wissens- bzw. Perspektivenaustausch notwendig, um so von der Diversität der Teammitglieder profitieren zu können. Aus diesem Austausch entsteht auf der einen Seite ein geteiltes mentales Modell im Team darüber, wer welche Expertise und Kompetenzen im Team hat und auf wen man bei welchen Fragen zugreifen kann. Darüber hinaus wird durch den Austausch ein gemeinsames Verständnis der Aufgabe, der Ziele, der Strategien sowie weiterer aufgabenrelevanter Faktoren gefördert, welches die Koordination und die Effizienz der Zusammenarbeit im Team erhöht (DeChurch & Mesmer-Magnus, 2010; Mathieu et al., 2000).

Ob die gemeinsame Aufgabe sich auf die intrinsische Motivation auswirkt, kann natürlich individuell unterschiedlich sein. Seitens der Führungskraft kann jedoch die Bedeutung der Aufgabe bzw. des Projekts für das Team und das Unternehmen verdeutlicht werden und in einen Gesamtkontext gestellt werden. Positive Emotionen, die mit der wahrgenommenen Bedeutsamkeit und dem Interesse an der Aufgabe gestärkt werden, wirken sich positiv auf die Kreativität aus, indem sich ‚der Blick öffnet‘ und so ein breiteres Spektrum an Gedanken und Verhaltensoptionen zulässt (Fredrickson, 2001). Die Bedeutsamkeit für das Team kann sich dadurch erhöhen, dass es eine partizipativ entwickelte Idee einbringt.

Auch das Erarbeiten von herausfordernden (Teil-)Zielen hat einen Einfluss auf die Motivation. Für den Erhalt der Motivation über einen längeren Zeitraum hinweg und im Angesicht von Schwierigkeiten ist es wichtig, dass ein Fortschritt im Projekt wahrgenommen wird. Dieser stärkt den Glauben an den Erfolg, die sogenannte Selbstwirksamkeit – individuell und kollektiv – in Bezug auf die Aufgaben im Projekt. Diese hat wiederum einen positiven Einfluss auf die intrinsische Motivation im Projekt. Schon kleine Erfolge können die Wahrnehmung des Fortschritts stärken und somit motivierend wirken. Daher ist es ratsam, Teilziele aufzustellen, die zwar herausfordernd, jedoch auch erreichbar sind (Amabile & Pratt, 2016).

Außerdem ist es wichtig, einen kontinuierlichen Feedbackprozess zu etablieren, der bei positivem Feedback durch die Erfolgserfahrung die Selbstwirksamkeit steigert, der jedoch auch bei einem gelegentlichen negativen Feedback – solange es konstruktiv erfolgt und auf die Aufgabe fokussiert ist – die Motivation und Innovationsfähigkeit über ein gemeinsames Lernen positiv beeinflusst (Ortega et al., 2010). Damit negatives Feedback nicht als bedrohlich wahrgenommen wird und ein Teamlernen stattfinden kann, hat sich ein psychologisch sicheres Teamklima als eine der wichtigsten Voraussetzungen herauskristallisiert. Psychologische Sicherheit ist die geteilte Wahrnehmung in einer Gruppe, dass Fehler und Scheitern erlaubt sind und dass diese nicht bestraft werden, sondern stattdessen als Lern- und Entwicklungschancen wahrgenommen werden (Edmondson & Lei, 2014). Ein psychologisch sicheres Klima bestärkt das Team darin, sich offen auszutauschen, was ein gemeinsames Lernen fördert und den Aufbau von Innovationen ermöglicht.

Kognitive Fähigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften, die zu den kreativitätsrelevanten Prozessen bzw. Fähigkeiten gehören, können über die Art der Aufgabenstellung sowie die Zusammensetzung von Personen im Team verstärkt werden. Eine Aufgabenstellung, die für die Mitarbeitenden sichtbar mit der Unternehmensvision verzahnt ist und als bedeutsam für das Unternehmen eingestuft wird, kann positive Emotionen stärken, die Gedankenmuster erweitern und darüber hinaus die Kreativität fördern. Dies ist insbesondere in der Phase der Ideengenerierung wichtig.

Wenn es stattdessen um die Ideenrealisierung geht, ist ein diszipliniertes Arbeiten, auch mit Blick auf die im Prozess zu bearbeitenden Mängel, wichtig. Ein kritischer Blick wird eher durch negative Emotionen gefördert und kann über konstruktives, negatives Feedback angeregt werden (Paulsen et al., 2016). In dieser Phase ist darüber hinaus statt einer Erweiterung des Blickfelds eine Fokussierung notwendig, die das Ausblenden von irrelevanten Informationen beinhaltet. Fokussierung kann im Team auch durch eher kleinschrittige Ziele und Feedback in Bezug auf noch bestehende Mängel gefördert werden (Kauffeld et al., 2016). Um diese Fokussierung zu erleichtern, sollte außerdem darauf geachtet werden, dass Unterbrechungen reduziert werden.

Auf Organisationsebene wirken sich die wahrgenommene Innovationsmotivation, die Ressourcen im Aufgabenbereich sowie die Fähigkeiten im Innovationsmanagement auf die Innovationsfähigkeit der einzelnen Mitarbeitenden und der Teams aus. Die wahrgenommene Innovationsmotivation bzw. das Interesse des Unternehmens an Innovationen wird durch klare Unternehmensziele, den bewusst geäußerten Stellenwert von Innovationen im Unternehmen sowie die Unterstützung bei der Suche nach kreativen Ideen und das Eingehen von damit verbundenen Risiken gestärkt. Neben materiellen, personellen und finanziellen Ressourcen im Aufgabenbereich ist es wichtig, die notwendige Zeit für Innovationen zur Verfügung zu stellen. Unter den relevanten Fähigkeiten im Innovationsmanagement wird seitens Amabile und Pratt (2016) Folgendes zusammengefasst: klare Projektziele, Autonomie in der Erreichung der Projektziele, strukturierte Prozesse zur Ideengenerierung, partizipative Entscheidungsprozesse, kontinuierliches Feedback im Innovationsprozess, kompetenz- und präferenzbezogene Aufgabenverteilung, faire Belohnungen und Wertschätzung für kreative Anstrengungen, Kooperations- und Koordinationsbereitschaft von Teams, soziale Unterstützung, Lernen aus Fehlern und ein offener Ideenaustausch.

Die Bedeutung der Organisationsebene wird auch im Center of Excellence-Ansatz von Frey (Kauffeld et al., 2004) betont. Dieser fasst die organisationalen Bedingungen für ein Spitzenleistungen anstrebendes Unternehmen – zu der die Innovationskraft zählt – in vier Bereichen zusammen. 1) Die Kultur der kontinuierlichen Reflexion umfasst in Teilen die von Amabile adressierten Faktoren und Teamprozesse wie etwa das gemeinsame Reflektieren, das Experimentieren und das Ermutigen zu Fragen. 2) Die Implementationskultur kennzeichnet das Commitment aller Mitarbeitenden zur Umsetzung von Neuerungen. 3) Das Schaffen von Transparenz, beispielsweise durch systematische Dokumentation, prägt die Professionalitätskultur. 4) Die Führungskultur charakterisiert ein wertschätzendes, förderndes und forderndes Verhalten der Führungskraft im Innovationsprozess.

Im Center of Excellence-Ansatz sowie im Modell von Amabile und Pratt wird deutlich, welche zentrale Rolle das Unternehmen dabei einnimmt, die Innovationskraft zu stärken: indem es über die Führungsmannschaft sowie über geeignete Strukturen, Prozesse und Kommunikation im Unternehmen eine Innovationskultur etabliert, die jeder/m Einzelnen die Wichtigkeit von und die Unterstützung bei Innovationsprozessen signalisiert.

4.1.1.2 Welchen Einfluss hat die digitale Zusammenarbeit auf die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens?

Um Experten und Expertinnen von überall her in Innovationsteams einbinden und trotz Reiseanforderungen und Arbeit in unterschiedlichen Zeitzonen zusammenarbeiten zu können, werden vermehrt digitale Projektteams eingesetzt. Diese arbeiten über digitale Medien zusammen, d. h. die Teammitglieder kommunizieren mittels Telefon- oder Videokonferenzen und nutzen eine gemeinsame digitale Ablage, um an Dokumenten zusammen arbeiten zu können, oder digitale Projekttools, die die Zusammenarbeit strukturieren und unterstützen. Die vorrangig digitale und teilweise zeitlich asynchrone Zusammenarbeit erleichtert die örtliche und zeitliche Flexibilität, wirkt sich jedoch auch auf die Faktoren im Team aus, die eine große Relevanz für Innovationsprozesse zeigen. Dies erfordert geeignete Maßnahmen seitens des Unternehmens.

Ein Pluspunkt der digitalen Zusammenarbeit an Innovationen ist die Möglichkeit, Fachexpertise örtlich unabhängig in den Prozess einzubinden. Um Fachexpertisen nutzbar zu machen, muss jedoch im Team ein Wissen (Metawissen) darüber entwickelt werden, wer welche Expertise im Team hat – es muss ein geteiltes mentales Modell über die verschiedenen Expertiserollen im Team entwickelt werden. Ein solches Metawissen entwickelt sich bei digitaler Zusammenarbeit schwieriger als bei face-to-face Teamarbeit (Antoni & Syrek, 2017). Ein Grund hierfür ist, dass zur Entwicklung von geteilten mentalen Modellen im Team sowohl verbale als auch non-verbale Prozesse beitragen, die bei digitaler Zusammenarbeit eingeschränkt sind. Um ein geteiltes mentales Modell der Expertiserollen im Team zu entwickeln, sollte bei digitaler Zusammenarbeit genügend Zeit für ein gutes Kennenlernen der anderen Teammitglieder und deren Kompetenzen und Expertise eingeplant werden. Die Expertisebereiche sollten digital dokumentiert werden, um von überall her darauf zugreifen zu können.

Neben dem Wissen um die Kompetenzen im Team gilt es bei Innovationsprozessen auch, einen Wissensaustausch anzustreben, der es den Teammitgliedern ermöglicht, eine gemeinsame Wissensbasis aufzubauen und sich auf das Wissen anderer zu stützen. Dieser Wissensaustausch hat sich als entscheidender Teamprozess für Innovationen herausgestellt. Die digitale Zusammenarbeit erschwert auch den Wissensaustauch im Team, da dieser wechselseitiges Vertrauen erfordert, welches sich bei digitaler Zusammenarbeit schwieriger entwickelt (Rosen et al., 2007). Vertrauen bildet sich im Team über die Zeit und besteht sowohl aus affektiven als auch kognitiven Komponenten. Die kognitive Komponente beinhaltet das Vertrauen, sich auf die anderen im Team und deren Expertise verlassen zu können. Dieses wird durch positive Erfahrungen in Bezug auf die Verlässlichkeit der anderen gestärkt. Die affektive Komponente beinhaltet darüber hinaus das Vertrauen, im Team offen auch über Probleme und Schwierigkeiten kommunizieren zu können. Dies ähnelt damit dem Konstrukt der psychologischen Sicherheit, welches die Innovationsfähigkeit des Teams fördert. In der digitalen Zusammenarbeit entwickelt sich Vertrauen aufgrund der medial vermittelten und durch das jeweilige Medium eingeschränkten Kommunikation langsamer als in der face-to-face Zusammenarbeit. Es hat sich jedoch gezeigt, dass eine nachvollziehbare digitalisierte Dokumentation der Besprechungsergebnisse den Aufbau von Vertrauen bei der digitalen Zusammenarbeit unterstützen kann (Breuer et al., 2016). Eine solche Dokumentation ist auch im Center of Excellence-Ansatz für den Aufbau einer Professionalitätskultur im Unternehmen entscheidend.

Die intrinsische Motivation in Innovationsprozessen wird durch die wahrgenommene Bedeutsamkeit der Aufgabe, den erlebten Fortschritt und durch Feedback über den Stand der Umsetzung gefördert. Auf organisationaler Ebene hat sich gezeigt, dass klare Unternehmensziele sowie klare, auf diese Unternehmensziele abgestimmte Projektziele die Bedeutsamkeit für die Mitarbeitenden verdeutlichen. In der virtuellen Zusammenarbeit ist die Gefahr größer, dass es nicht gelingt, diese Ziele klar genug zu kommunizieren, was die Entwicklung eines geteilten mentalen Modells zu Unternehmenszielen und Projektzielen erschwert (Marlow et al., 2017). Auch hier kann eine für alle Mitarbeitenden einsehbare und transparente Dokumentation diesen Prozess unterstützen und einen Beitrag zur erlebten Professionalität leisten. Ähnliches gilt für den erlebten Fortschritt im Innovationsprozess – im digitalen Setting kann dieser durch systematische und für alle digital dokumentierte Feedbackprozesse gestärkt werden.

Um in der digitalen Zusammenarbeit ein gemeinsames Verständnis des Innovationsprozesses besser entwickeln zu können, ist eine digitalisierte Dokumentation von Zielen, getroffenen Entscheidungen und Feedback sinnvoll sowie der kontinuierliche Austausch hierzu. Insbesondere für das Setzen von herausfordernden Zielen und das Annehmen von Feedback ist eine entsprechende Unternehmenskultur wichtig. Eine Reflexionskultur, in der Experimentieren erwünscht ist und die einen positiven Umgang mit Fehlern fördert, signalisiert dem/r Einzelnen, dass das Eingehen von Risiken erwünscht ist und dass Fehler nicht bestraft werden, sondern aus ihnen gemeinsam gelernt wird. Hierzu trägt vor allem das Verhalten der Führungskräfte bei, welches Wertschätzung, Unterstützung und Offenheit ausdrücken sollte. Insbesondere im digitalen Setting, in dem Vertrauen entscheidend und gleichzeitig erschwert ist, ist eine solche wahrgenommene Unternehmenskultur wichtig und sollte über den Umgang mit Risiken und Fehlern und eine entsprechende Kommunikation gestärkt werden. Hierzu können digitale Medien genutzt werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die digitale Zusammenarbeit bei Innovationsprozessen eine höhere Hürde in Hinblick auf das für den notwendigen Austausch untereinander wichtige Vertrauen mit sich bringt. Seitens der Führungskräfte und der Organisation im Ganzen ist daher die Entwicklung und Kommunikation einer entsprechenden Innovationskultur wichtig, die den Stellenwert von Innovationen im Unternehmen und die Unterstützung der Prozesse durch die Organisation betont. Zur transparenten Dokumentation von Unternehmens- und Projektzielen sowie von Innovations- und Lernprozessen können digitale Medien genutzt werden, um damit zu Klarheit und Vertrauen beizutragen.

4.1.2 Erkenntnisse der qualitativen und quantitativen Projektstudie

Im Rahmen des Forschungsprojekts „vLead – Modelle ressourcenorientierter und effektiver Führung digitaler Projekt- und Teamarbeit“ wurde eine qualitative und eine quantitative Ist-Analyse in zwei mittelständischen IT-Unternehmen (KMUs) aus Deutschland durchgeführt. Diese beinhaltete sowohl Interviews mit Mitarbeitenden und Führungskräften als auch eine Online-Befragung in den Unternehmen. Ziel dieser Ist-Analysen war es u. a. zu untersuchen, wie die digitale Zusammenarbeit über Teamprozesse die Innovationsfähigkeit im Unternehmen beeinflusst und worin Herausforderungen und Handlungsbedarf gesehen werden.

4.1.2.1 Qualitative Ist-Analyse

Mittels halbstrukturierter Interviews wurden 43 Mitarbeitende von IT-Unternehmen zu ihren Erfahrungen mit der digitalen Arbeitswelt befragt. Unter den 43 Interviewten waren 21 Führungskräfte und 22 Mitarbeitende aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen, von der Softwareentwicklung bis hin zur juristischen Abteilung. Aus diesen Interviews lassen sich aktuelle Herangehensweisen und Herausforderungen im Umgang mit digitalen Medien insgesamt, aber auch speziell bei Innovationsprozessen herausarbeiten.

Zunächst wurde recht schnell klar, dass die digitale Zusammenarbeit – über unterschiedlichste digitale Kanäle – längst zum Arbeitsalltag gehört und von den Mitarbeitenden nicht in Frage gestellt wird. Jedoch konnten sich die wenigsten der Befragten zum Befragungszeitpunkt (2017) eine komplett virtuelle Zusammenarbeit vorstellen. Vielmehr wurden die digitalen Medien als Hilfsmittel zur Unterstützung der Zusammenarbeit angesehen, die die persönliche Zusammenarbeit flankieren. Es zeigte sich in den Interviews, dass deutlich zwischen Themen, die über den digitalen Weg miteinander besprochen werden, und Themen, die über den persönlichen, vorzugsweise face-to-face Kontakt geklärt werden, unterschieden wird. Neben Themen der persönlichen Weiterentwicklung oder des Leistungsfeedbacks zwischen Führungskraft und Teammitglied gehörten auch kreative Prozesse zu dem Bereich, für den die digitale Zusammenarbeit in erster Linie nicht als geeignet angesehen wurde, wie folgendes Zitat verdeutlicht.

„… so richtige Kreativ-Meetings, die gehen aus meiner Sicht noch nicht. […] weil einfach die Tools am Bildschirm aktuell noch beschränkt sind. Vielleicht nutzen wir auch noch nicht die richtigen Werkzeuge. […] das, was man typischerweise von Brainstorming -Meetings her kennt – man hat Kärtchen, jeder schreibt mal was hin, man sammelt die Kärtchen. Da habe ich jetzt noch kein richtiges Pendant in der digitalen Welt. Und einfach das zusammen im Raum sein und wirklich daran zu arbeiten ist genau für so Meetings einfach wichtig …“

Hier zeigt sich zunächst, dass die Gewohnheit, solche kreativen Brainstorming-Prozesse in persönlichen Meetings voranzubringen, dazu beiträgt, mit Vorbehalten an den Gedanken heranzugehen, dies in Zukunft auf digitalem Wege zu tun. Weiterhin verdeutlicht das Zitat, dass den Befragten bisher keine geeigneten Tools zur Verfügung standen, die den bisher persönlichen Austausch in Innovationsprozessen – mit Post-It’s und anderen Materialien – ersetzen können. Aufgrund dessen sollte die Einführung eines digitalen Tools zur Unterstützung von Innovationsprozessen im Unternehmen solche Vorbehalte adressieren und ein Experimentieren mit dem digitalen Wege fördern.

Die face-to-face Meetings in Innovationsprozessen, in denen im Team Ideen gemeinsam weiterentwickelt werden, haben eine persönliche Note. Man kann sich gegenseitig besser einschätzen, aufeinander reagieren und so schnell eine Vertrauensbasis aufbauen, die kreative Prozesse unterstützt. Diese muss für die digitale Arbeit gezielt aufgebaut werden. Es kann zu Hemmnissen beim Austausch untereinander kommen, wenn noch keine persönliche Basis geschaffen ist, was letztendlich dazu führt, dass weniger Wissen miteinander ausgetauscht wird – ein für Innovationsprozesse elementarer Erfolgsfaktor. Eine durch die Unternehmensführung und die gesamte Führungsmannschaft vorgelebte offene Kommunikation kann hier den richtigen Rahmen setzen. Weiterhin sollte aus Toolsicht ein einfaches und unkompliziertes Austauschen miteinander ermöglicht werden, welches den sonst persönlichen Kennenlernprozess – zumindest in Teilen – kompensieren kann.

Auch hat sich in den Interviews die bisherige Wahrnehmung der Nutzung digitaler Tools im Unternehmen offenbar als nicht durchgehend vorteilhaft erwiesen. Es gab in Teilen zu viele Tools, es war nicht immer klar, wann welche zu welchem Zweck genutzt werden und so mussten Informationen oft mit viel Aufwand an unterschiedlichen Stellen zusammengesucht werden. Einige Informationen wurden gar nicht abgelegt, sondern befanden sich nur in den Köpfen langjähriger Mitarbeiter. Das sind alles Punkte, die einen Innovationsprozess lähmen und im schlimmsten Fall auch komplett lahmlegen können, wenn dadurch die Motivation der Mitarbeitenden, an Themen mitzuwirken, schwindet. Die folgenden Zitate unterstreichen die negative Wirkung einer fehlenden systematischen Dokumentation von Informationen:

„… Das ist auch wirklich das verteilte Wissen, das man sich hier zusammensuchen muss und das ist nur für ein Projekt. Wir haben das leider für alle Projekte, dadurch sucht man sich hier immer dumm und dämlich.“

„… weil bei uns so wenig dokumentiert ist und alle ihr Wissen im Kopf rumtragen. Deswegen tut man sich da schwer irgendwas selbst raus zu finden und muss immer irgendwie zum Kollegen gehen und sagen, „weißt du denn eigentlich“ und „hast du da mal“ …“

Dass eine digitale Dokumentation von Informationen durchaus von den Mitarbeitenden gewünscht war, zeigen die beiden folgenden Zitate, die den Vorteil von zentralen digitalen Tools in der Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Prozessen und Entscheidungen verdeutlichen. So können Entscheidungen zu Ideen, die zu gegebenem Zeitpunkt verworfen wurden, Jahre später noch nachvollzogen werden und mit diesem Wissen wiederaufgenommen und weiterentwickelt werden:

„… Also, wie gesagt, weil es grade für [Projekt] unheimlich wichtig ist, alles dokumentiert zu haben, alles nachvollziehbar zu haben, würde ich sagen, ist es hier elementar wichtig, dass man alles digital macht und auch nachvollziehbar hat …“

„… die digitale Zusammenarbeit finde ich von daher vorteilhaft, dass ich es einfach einmal niedergeschrieben hab, dass jeder drauf zugreifen kann, dass jeder auch weiß, wie die Arbeitsabläufe sind, oder was erledigt worden ist oder was vielleicht noch zu tun ist“

Zusammenfassend zeigten die Interviews die Relevanz einer systematischen Dokumentation von Informationen und gleichzeitig eine Unzufriedenheit mit dieser auf. Da der Wissensaustausch für Innovationsprozesse ein elementarer Erfolgsfaktor ist, sollte dieser über eine für alle Teammitglieder zugängliche Plattform ermöglicht werden und die Informationen und Entscheidungen zu Innovationsprozessen dort so dokumentiert werden, dass sie auch Jahre später noch nachvollzogen werden können. Gleichzeitig bestanden Vorbehalte gegenüber der Nutzung digitaler Medien für kreative Prozesse, die es unternehmensseitig abzubauen gilt – einmal durch den Aufbau und Erhalt einer Innovationskultur im Unternehmen, aber auch toolseitig durch das Ermöglichen einer dynamischen und einfachen Kommunikation, die face-to-face Meetings im digitalen Setting ersetzen können.

4.1.2.2 Quantitative Ist-Analyse

Die quantitative Ist-Analyse wurde mithilfe eines Online-Fragebogens, der etablierte Skalen unter anderem zur Untersuchung der Teaminnovation sowie von Teamprozessen und emergenten Teamzuständen beinhaltete, in den zwei beteiligten Unternehmen durchgeführt. Die quantitative Erhebung diente dabei der Validierung der Erkenntnisse aus der qualitativen Ist-Analyse anhand einer größeren Stichprobe. Für die Teamanalysen zur Teaminnovation konnte auf einen Datensatz von 133 Personen in 28 Teams zurückgegriffen werden. Zur Berücksichtigung der hierarchischen Struktur der Daten wurden Mehrebenenanalysen gerechnet. Unter Teaminnovation verstehen wir, dass ein Team neue Ideen entwickelt, diese bewirbt und auch umsetzt. Die Teammitglieder bewerteten in unserer Erhebung die Häufigkeit, mit der diese Innovationsprozesse stattfinden.

Unsere Ergebnisse (s. Abb. 4.2) bestätigen die Wichtigkeit der verhaltensbezogenen Teamprozesse – wie etwa das Teamlernen, der Wissensaustausch, die Teamadaptation und die gegenseitige Unterstützung für Innovationen im Team – für die Teaminnovation (Es werden nur Ergebnisse berichtet, die signifikante Zusammenhänge aufweisen p < 0,05). Hier zeigte sich in unseren Daten, dass unter den verhaltensbezogenen Teamprozessen die tatkräftige gegenseitige Unterstützung bei Innovationen, die mitunter davon lebt, sich gemeinsam Zeit zu nehmen, den stärksten Einfluss auf die Teaminnovation hat. Daneben erwies sich die Teamadaptation, die das Einhalten von Vereinbarungen im Team erfasst, als sehr relevant für die Teaminnovation.

Abb. 4.2
figure 2

Veranschaulichung der Ergebnisse der quantitativen Ist-Analyse

Des Weiteren spielen affektive und kognitive Komponenten eine Rolle. So wirkten sich in unseren Analysen Vertrauen und Teamidentifikation sowie geteilte mentale Modelle im Team positiv auf die Teaminnovation aus. Die affektiven und kognitiven Komponenten stellen emergente Zustände im Team dar, die sich dynamisch über die Zeit hinweg aus der Interaktion im Team heraus entwickeln und verändern können. Die aufgabenbezogenen mentalen Modelle im Team wiesen eine Interaktion mit dem Wissensaustausch im Team auf – je stärker ein gemeinsames Aufgabenverständnis ausgeprägt war, desto stärker war auch der Zusammenhang zwischen Wissensaustausch und Teaminnovation. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass ein gemeinsames Verständnis zu den Zielen und Vorgehensweisen bei der Aufgabenbearbeitung dazu beiträgt, dass der Wissensaustausch zielgerichteter ist und damit einen stärkeren Einfluss auf die Teaminnovation hat. Diese Interaktion zeigte sich nicht für die übrigen erhobenen geteilten mentalen Modelle zu Team, Zeit, Situation und den Medien.

Eine verteilte Expertise im Team – ein sogenanntes transaktives Gedächtnis im Team – wirkte sich ebenso positiv auf die Teaminnovation aus. Ein transaktives Gedächtnis bedeutet, dass Wissen und die Kompetenzen im Team auf unterschiedliche Personen verteilt sind und zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Teammitglieder aufeinander verlassen können. Die hiermit einhergehende Effizienz in Prozessen zeigte sich in unserer Analyse als bedeutend für die Teaminnovation – wenn die Zusammenarbeit als reibungslos wahrgenommen wird, wird auch die Teaminnovation als hoch eingeschätzt.

Ebenso wichtig erwies sich in unseren Analysen eine transformationale Führung – d. h. eine Führung, die über intellektuelle Stimulation, eine inspirierende Vision, individuelle Beachtung und Charisma wirkt – für die Teaminnovation. Jedoch scheint die Wirkung dieser Art der Führung nicht auf die formelle Führungskraft beschränkt zu sein. Wenn diese Art der Führung von den Teammitgliedern untereinander im Sinne einer geteilten Führung gelebt wird, dann wirkt sich auch dies positiv auf Teaminnovation aus. Sowohl die verhaltensbezogenen Teamprozesse als auch die affektiven und kognitiven Teamzustände scheinen sich unabhängig von der Führung – durch die Führungskraft oder durch das Team im Sinne einer geteilten Führung – auf die Teaminnovation auszuwirken. Hier zeigten sich keine Interaktionen – eine transformationale Führung verstärkte somit nicht den Zusammenhang zwischen den Teamprozessen oder Teamzuständen und der Teaminnovation, wirkte sich jedoch in direkter Weise positiv auf diese aus.

Unsere Ergebnisse zeigten zunächst keinen Einfluss des Ausmaßes der digitalen Zusammenarbeit auf die Teaminnovation – gemessen an dem Prozentsatz, zu dem digital vs. face-to-face zusammengearbeitet wurde. Es fand sich jedoch ein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der digitalen Zusammenarbeit und der Art und Menge der ausgetauschten Informationen. Je mehr digital zusammengearbeitet wurde, desto größer war die Menge an erhaltenen Informationen. Auch stieg die Komplexität der erhaltenen Informationen mit dem Digitalisierungsgrad der Zusammenarbeit an. Dagegen fand sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Anzahl an irrelevanten Informationen mit der verstärkten digitalen Zusammenarbeit zunimmt.

Die Art der Information wiederum erwies sich für die Teaminnovation als relevant – während viele und komplexe Informationen sich positiv auf die Teaminnovation auswirkten, wirkten sich irrelevante Informationen negativ aus.

Eine vermehrt virtuell stattfindende Zusammenarbeit, etwa durch Home- bzw. mobile Arbeit o. ä., ging in unseren Analysen mit sinkender Teaminnovation einher, wenn in der Auswertung für das Ausmaß des Vertrauens oder aber der Teamidentifikation – und in geringerem Ausmaß auch für den Wissensaustausch – im Team kontrolliert wurde. Ein direkter Effekt der mobilen Arbeit auf die Teaminnovation ließ sich jedoch nur tendenziell erkennen. Das könnte darauf hindeuten, dass die affektiven Faktoren über die face-to-face Zusammenarbeit hinaus einen Beitrag zur einer stärkeren Teaminnovation leisten.

Zusammenfassend lässt sich aus unseren Ergebnissen ableiten, dass sich die digitale Zusammenarbeit nicht direkt auf die Teaminnovation auswirkt. Sie scheint jedoch einen Einfluss auf die Art der erhaltenen Informationen haben, die wiederum im Zusammenhang mit der Teaminnovation stehen. Direkte positive Einflüsse auf die Teaminnovation lassen sich sowohl für verhaltensbezogene Teamprozesse als auch affektive und kognitive Faktoren sowie für eine transformationale Führung erkennen.

Im folgenden Abschnitt beschreiben wir, wie wir auf Grundlage dieser Ergebnisse den IdeaCheck als Instrument zur Förderung der Teaminnovation gemeinsam mit den beteiligten Unternehmen entwickelt haben.

4.1.3 Ziele und Gestaltung des IdeaChecks

4.1.3.1 Ziele und Einsatzmöglichkeiten

Mit dem IdeaCheck sollen die skizzierten Herausforderungen, die sich aus der digitalen Zusammenarbeit für die Innovationsfähigkeit im Unternehmen ergeben, konsequent angegangen werden. Der IdeaCheck soll den Innovationsprozess – von der Idee im Anfangsstadium bis zur Umsetzungsentscheidung – über das digitale Tool abbilden und begleiten sowie diese Schritte digital dokumentieren und für alle Beschäftigten im Unternehmen sichtbar machen.

Hiermit verfolgt der IdeaCheck gleich mehrere Ziele – im Fokus steht dabei, das Tool als Wissensspeicher von Ideen im Unternehmen zu nutzen sowie die Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungsprozessen bei Innovationen zu erhöhen. Wie aus den dargestellten qualitativen Ergebnissen ersichtlich wird, ist ein großer Vorteil von digitalen Tools deren Funktion als Wissensspeicher, sodass Informationen zu Projekten und Ideen jederzeit für alle Personen im Unternehmen zugänglich sind. Dies trägt zu höherer Transparenz im Innovationsprozess bei. Zudem kann auch Jahre später noch nachvollzogen werden, wie und auf welcher Basis Entscheidungen zu vorgeschlagenen Ideen getroffen wurden. So können Doppelarbeiten vermieden und es kann auf „alten“ Ideen aufgebaut werden. Auch der Sorge, dass wichtige Ideen im Unternehmen verloren gehen könnten, kann so begegnet werden. Ideen und Wissen sollen nicht mehr nur in einzelnen Köpfen im Unternehmen sein und bei deren Abgang aus dem Unternehmen verloren gehen. Ideen und Wissen sollen stattdessen für das gesamte Unternehmen greifbar und nutzbar gemacht werden. Wie sich in der Forschung gezeigt hat, führt eine digitale Dokumentation von Entscheidungen darüber hinaus dazu, dass Vertrauen gefördert wird, welches sich ansonsten über digitale Wege etwas schwieriger entwickelt, aber ein zentraler Faktor für die Kreativität in Unternehmen ist.

Neben Transparenz und Dokumentation ermöglicht der IdeaCheck den Austausch von Wissen und Informationen, um gemeinsam an einer Idee arbeiten und so verschiedene Expertisen und Perspektiven miteinander verbinden zu können. Gegenseitige Unterstützung im Innovationsprozess kann über den IdeaCheck gefördert werden und trägt so zur Innovationsfähigkeit des Unternehmens bei. Die Transparenz von Ideen im Unternehmen dient weiterhin dazu, das gemeinsame Verständnis von Zielen und Aufgaben zu stärken und damit die Realisierung von Ideen zu fördern. Der IdeaCheck ermöglicht die transparente Dokumentation der Ideen und des Bewertungsprozesses an einer zentralen Stelle, wie es in den Interviews gefordert wurde. Wie unsere Forschung gezeigt hat, führt der Zugang zu einer Vielzahl an Informationen zu einer erhöhten Innovationsfähigkeit. Auch die Möglichkeit, sich im Tool nur die individuell relevanten Informationen herauszufiltern, unterstützt dies.

Für die Mitarbeitenden soll der IdeaCheck ein digitales Werkzeug darstellen, um die eigenen Ideen dokumentieren, konkretisieren und vorantreiben zu können. Es ersetzt nicht die persönliche Zusammenarbeit, stellt jedoch ein Hilfsmittel zur Seite, welches die Arbeit an Innovationsprozessen erleichtern und attraktiver gestalten soll. Für diejenigen, die Ideen aktiv vorantreiben, erhöht es die Sichtbarkeit im Unternehmen und stärkt ihre Motivation, die eigenen Ideen aus dem Kopf in die Umsetzung zu bringen.

Aufbau des IdeaChecks: Inhalte und Prozess

Der IdeaCheck baut auf dem Stage-Gate-Prozess der Produktentwicklung (Cooper, 2014) auf (s. Abb. 4.3). Dieser sieht unterschiedliche Stufen (Stages) vor, die eine Idee durchlaufen muss. An den „Gates“ entscheidet das Erfüllen vorher festgelegter Kriterien, welches von einem vorab definierten Bewertungsgremium geprüft wird, über den Übergang in die nächste Stufe. Im IdeaCheck unterteilt sich der Prozess von der Idee im Anfangsstadium bis zur Umsetzungsentscheidung in kleine, standardisierte Schritte. Über die Bewertung an den Gates fließt Feedback seitens des Bewertungsgremiums ein, das zurückmeldet, ob die Idee weiterverfolgt werden sollte sowie ob und inwiefern Anpassungen an der Idee gewünscht sind. So entsteht ein dynamischer Innovationsprozess, in dem die verteilte Expertise im Unternehmen zusammengebracht werden kann.

Abb. 4.3
figure 3

Der Prozessablauf im IdeaCheck. (Angelehnt an den Stage-Gate-Prozess der Produktentwicklung (Cooper, 2014))

Zunächst können Mitarbeitende eines Unternehmens eine Ideenskizze entwerfen und überarbeiten, um diese schließlich im Tool zu veröffentlichen. Ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Idee ist diese für andere Mitarbeiter des Unternehmens sichtbar. Diese können ihr Interesse an der Idee ausdrücken, indem sie der Idee ,,folgen“ oder sie „unterstützen“. Wenn die Idee alle relevanten Informationen zur Bewertung enthält, kann die Idee dann zur Bewertung freigegeben werden (Check 1), welche durch ein zuvor festgelegtes Gremium anhand festgelegter Kriterien erfolgt. Die Idee durchläuft eine vom Unternehmen festgelegte Anzahl von Phasen, aus der sie mit einer positiven Bewertung bzgl. der Kriterien hervorgehen muss, um voranzuschreiten und schließlich umgesetzt zu werden.

Das Besondere am IdeaCheck ist die Möglichkeit, das Tool sehr individuell an die Bedürfnisse des Unternehmens anzupassen. Das Unternehmen konfiguriert dazu bei Einführung des Tools:

  • Die Ideen-Kategorien

  • Die Anzahl und Inhalte der einzelnen Phasen für jede Kategorie

  • Die Kriterien zur Bewertung der Idee

  • Die Zusammensetzung der Bewertungsgremien.

Die Ideen-Kategorien erlauben es, die Ideen zu wichtigen, unterscheidbaren Bereichen im Unternehmen zuzuordnen, innerhalb derer sie nach gleichen Kriterien bewertet werden. Kategorien können unterschiedliche Produkte oder Dienstleistungen, aber auch Unternehmensbereiche sein. Sie helfen als Wissensspeicher auch dabei, dass Interessierte einen schnellen Überblick zu Ideen in den von ihnen gewählten Kategorien erhalten sowie gezielt nach Ideen suchen können. Pro Kategorie können Anzahl und Inhalte der Phasen in der Ideenentwicklung definiert werden. So können die inhaltlichen Anforderungen pro Phase und pro Kategorie spezifiziert werden. Über die Anzahl der Phasen steuert das Unternehmen, wie viele Stufen eine Idee durchlaufen muss, bevor sie in die Umsetzung geht. Genauso werden die Checks nach jeder Phase über die Bewertungskriterien spezifiziert. Pro Kategorie werden Bewertungskriterien definiert und es wird entschieden, welche dieser Kriterien zu welchem Zeitpunkt im Prozess relevant und bewertungskritisch sind. Für jeden dieser Checks wird ein Bewertungsgremium zusammengestellt, das bestenfalls die Expertise sowie Entscheidungsbefugnis zur Bewertung der Ideen dieser Kategorie mitbringt. Diese Konfigurierbarkeit macht den IdeaCheck sehr flexibel und nah am Unternehmensgeschäft einsetzbar, da er differenzierte Urteile und Entscheidungen ermöglicht.

Damit stellt der IdeaCheck ein Tool dar, welches das Ideenmanagement im Unternehmen sehr individuell und flexibel unterstützt. Es bietet den Mitarbeitenden und der Unternehmensspitze einen Überblick über die entwickelten Ideen im Unternehmen und bringt die Expertise im gesamten Unternehmen zusammen. Dies fördert eine Innovationskultur im Unternehmen, die ein gemeinsames Vorantreiben guter Ideen stimuliert.

Aufbau des IdeaChecks: Rollen und Rechte

Im IdeaCheck gibt es fünf festgelegte Rollen, die im Folgenden erläutert werden:

  • Adminstrator*in

  • Ideenverantwortliche*r

  • Unterstützer*in

  • Folgende*r

  • Bewertungsgremium

Der/die Administrator*in registriert das Unternehmen im IdeaCheck und ist für dessen unternehmensspezifische Konfiguration verantwortlich. Außerdem legt er die User im Tool an und ist für deren Verwaltung zuständig.

Die drei Rollen Ideenverantwortliche*r, Unterstützer*in und Folgende*r sind für das Entwickeln und Vorantreiben einer Idee verantwortlich. Hierbei kann es sich um jegliche Mitarbeitende des Unternehmens handeln, die Ideen und Innovationen im Unternehmen voranbringen möchten. Der/die Ideenverantwortliche geht dabei den ersten Schritt und bringt eine Idee im IdeaCheck ein. Wenn diese veröffentlicht wird, kann die Idee im Unternehmen gesehen werden. Die Mitarbeitenden, die dies sehen, haben dann bei Interesse an der Idee die Möglichkeit, diese aktiv zu unterstützen, indem sie ihre Expertise für die Weiterentwicklung der Idee anbieten und damit als Unterstützer*in Teil des Teams werden. Wenn keine direkte Expertise mit eingebracht werden soll, jedoch trotzdem ein Gefallen an der Idee ausgedrückt werden möchte, kann dies über einen „Gefällt mir“-Klick geschehen. Wer sich weitere Informationen zum Fortlauf der Idee wünscht, kann der Idee „folgen“ und damit Nachrichten zu Neuigkeiten rund um die Idee aktivieren.

Auf der anderen Seite steht das Bewertungsgremium, welches sich aus Experten*innen für den jeweiligen Bereich zusammensetzt. Ein Bewertungsgremium wird für den „Check“ nach jeder Phase in der Ideenentwicklung eingesetzt. Dieses soll entscheiden, ob die Idee soweit ausgereift ist und eine sinnvolle Idee für das Unternehmen darstellt, dass sie in die nächste Phase der Ideenentwicklung übergehen kann (s. Abb. 4.4). So können Ideen Schritt für Schritt auf dem Feedback des Bewertungsgremiums aufbauen und so weiterentwickelt werden, aber auch größere Investitionen in nicht zukunftsfähige Ideen vermieden werden.

Abb. 4.4
figure 4

Die Bewertungsmaske im IdeaCheck

Handbuch

Der IdeaCheck wurde so aufgebaut, dass die Funktionen im Tool so selbsterklärend wie möglich sind.

Zur Einführung in das Tool öffnet sich zu Beginn eine vorbereitete „Tour“, die durch die wichtigsten Funktionen des Tools führt. So kann sich jeder User einen schnellen Überblick über Nutzen und Möglichkeiten des Tools verschaffen. Auf diese Information kann jederzeit auf jeglicher Bildschirmseite im Tool zurückgegriffen werden.

Daneben ist ein QuickGuide im Tool eingebaut und über eine FAQ-Seite ständig abrufbar. Dieser führt mit kurzen Erläuterungen durch die ersten Schritte.

Darüber hinaus liegt dem IdeaCheck begleitend ein Handbuch bei, welches neben einer Zusammenfassung der wichtigsten Schritte im Tool den Lesenden und die Lesende mittels eines anschaulichen Beispiels durch die Konfiguration des Tools führt. Weiterhin finden sich hier Tipps zur Einführung und zu begleitenden Maßnahmen im Unternehmen (das Handbuch und weitere Infomationen und Materialien finden sich auch auf der Website des Projektes www.vlead.de).

4.2 Der IdeaCheck für das Innovationsmanagement – ein Erfahrungsbericht der Human Solutions Gruppe zu Entwicklung und Anwendung

Im Folgenden werden die Ziele und Erfahrungen der Human Solutions Gruppe bei der Entwicklung und Anwendung des IdeaCheck vor dem Hintergrund der Ausgangssituation des Unternehmens und der Bedeutung, die das Unternehmen Innovationen und digitaler Zusammenarbeit beimisst, beschrieben.

4.2.1 Ausgangsituation der Human Solutions

4.2.1.1 Das Unternehmen Human Solutions

Human Solutions ist ein mittelständisches Unternehmen der IT-Branche, das Entwicklung, Vertrieb, Wartung und Support von Softwarelösungen für Mobility, Fashion, Interiors und die Sportindustrie betreibt. Human Solutions arbeitet eng mit führenden Unternehmen zusammen, um Märkte durch moderne Technologien und überzeugende Produkte neu zu gestalten. Innovation ist Kerngeschäft, das sich durch alle Bereiche des Unternehmens zieht.

Die Human Solutions Gruppe umfasst mehrere Unternehmen unter einem gemeinsamen Dach – darunter das Mutterunternehmen Human Solutions Verwaltungs GmbH sowie die Tochterunternehmen Human Solutions GmbH, Assyst GmbH und Human Solutions of North America sowie die Sistemi Assyst in Italien. Die Human Solutions GmbH wurde 2002 als Ausgliederung der Firma Tecmath GmbH als eigenständiges Unternehmen gegründet und ist in Kaiserslautern ansässig. Die Standorte der Tochterunternehmen sind Italien, USA und München. Im Ausland gibt es insgesamt über 30 Niederlassungen und Vertretungen des Unternehmens und der Vertrieb verteilt sich über 50 Länder hinweg. In der gesamten Gruppe beschäftigt das Unternehmen in 2020 ca. 200 Mitarbeiter, darunter Softwareentwickler*innen, Mathematiker*innen, Wirtschaftsingenieur*innen und Betriebswirt*innen. Damit ist die Human Solutions Gruppe breit aufgestellt und Beschäftigte im Unternehmen arbeiten über unterschiedliche Standorte und in Teilen auch über unterschiedliche Zeitzonen hinweg zusammen. Die Zusammenarbeit über digitale Medien ist selbstverständlich – aber wie sieht diese konkret aus und welche Auswirkungen hat sie auf die Innovationsprozesse im Unternehmen?

4.2.1.1.1 Stellenwert von Innovationen und digitale Zusammenarbeit bei Human Solutions

Welchen Stellenwert das Thema Innovationen bei Human Solutions hat und was man unter Innovationen bei Human Solutions verstehen kann, wird im folgenden Interview ausgeführt. Dr. Rainer Trieb, Director Research and Development bei der Human Solutions Verwaltungs GmbH, gibt außerdem einen Einblick dazu, wie digitale Innovationsprojekte bisher durchgeführt wurden und was Human Solutions dazu bewegt hat, im Rahmen des Projekts vLead ein digitales Innovations-Tool zu entwickeln.

F: Innovationsfähigkeit wird in den meisten Unternehmen großgeschrieben. Welchen Stellenwert haben Innovationen bei Human Solutions und was sind das für Innovationen, die Sie entwickeln und auf den Markt bringen?

Zitat: „Human Solutions stellt den Menschen in den Mittelpunkt des Produktentwicklungsprozesses und bietet dazu leistungsfähige branchenspezifische Softwarelösungen. Produktdesigner*innen und Ingenieure*innen können damit zielkundenschaftsspezifische Anforderungen bereits in der Designphase – zum Beispiel in die ergonomische Auslegung eines Fahrzeuginnenraumes oder bei der Passformoptimierung von Bekleidung – berücksichtigen.

Statistisch abgesicherte und funktional valide Menschmodelle auf Basis von weltweiten anthropometrischen Bevölkerungsdaten sind dafür die Grundlage. Human Solutions hat daher bereits Mitte der 90er Jahre mit der Entwicklung von 3D-Bodyscanning-Systemen begonnen, mit denen ein dreidimensionales, virtuelles Abbild von Menschen generiert werden kann. Mit der erstmaligen Durchführung von 3D Reihenmessungen z. B. in Deutschland, Frankreich, Italien und den USA ist damit die weltweit größte Datenbasis an 3D-Bodyscans entstanden. Dieses anthropometrische Wissen steht in unseren innovativen Softwarelösungen beispielsweise den automobilherstellenden Unternehmen und der Bekleidungsbranche zur Verfügung.

Ziel ist dabei immer die durchgängige Digitalisierung der Prozesse, sodass Produktdesign und Produktoptimierung virtuell erfolgen können. Hier steht Human Solutions in hartem Wettbewerb mit Anbietern und Anbieterinnen weltweit. Kontinuierliche Innovation und die Stärkung der Innovationsfähigkeit der Mitarbeitenden und Teams sind daher grundlegender Bestandteil der Unternehmensstrategie“.

F: Wer arbeitet im Unternehmen an Innovationen?

Zitat: „Innovation erfordert die Zusammenarbeit und Kooperation in allen Unternehmensbereichen. Dies beginnt mit dem Verstehen der Kundschaftsanforderungen im Bereich des Consultings, der Konzeption entsprechender Lösungen, der Erforschung und Entwicklung leistungsfähiger Methoden und Verfahren sowie der softwaretechnischen Umsetzung in praxisorientierte Softwarelösungen für unsere Kundschaft“.

F: Die Human Solutions Gruppe ist mit ihren Tochterunternehmen, die über mehrere Standorte verteilt sind, breit aufgestellt. Wird über die unterschiedlichen Standorte verteilt zusammengearbeitet und wie sieht diese Zusammenarbeit insbesondere in Bezug auf Innovationsprojekte konkret aus? Haben Sie viele Videokonferenzen mit Kollegen und Kolleginnen oder tauschen Sie sich eher über E-Mail oder Chatprogramme aus?

Zitat: „Durch die unterschiedlichen Standorte ist die digitale Zusammenarbeit permanent notwendig und bereits Alltag. Vor allem zwischen den Standorten Kaiserslautern und München sowie unserer Niederlassung in den USA existieren viele gemeinsame Projekte, die vor allem mit Hilfe von Telefon- und Videokonferenzen und zum Informationsaustausch über digitale Plattformen durchgeführt werden.“

F: Wie oft treffen Sie sich noch persönlich?

Zitat: „Natürlich finden noch persönliche Treffen statt, doch versuchen wir immer mehr, hier die digitalen Möglichkeiten auszuschöpfen, indem wir z. B. ein für die gesamte Unternehmensgruppe einheitliches Video-Konferenzsystem einsetzen.

Gerade am Anfang eines Projektes ist es uns immer wichtig, zusammen an einen Tisch zu kommen, um neben den rein fachlichen Aspekten auch eine gemeinsame, persönliche Basis im Projektteam zu erzeugen. Dies ist nicht nur wichtig, um ein gemeinsames Verständnis des Projekts und der Zielsetzung zu schaffen, sondern auch um die persönlichen Beziehungen, die Rollen und Verantwortlichkeiten in Projekten zu stärken.

Danach versuchen wir dann allerdings den Großteil der Projektarbeit digital durchzuführen. Das Ziel ist, sich lediglich zu Projektmeilensteinen wieder persönlich zu treffen, sei es bei Produktentwicklungen, Kundschaftsprojekten oder im Rahmen von Kooperationsprojekten. Hin und wieder sind allerdings Brainstorming-Aufgaben oder technische Fragestellungen zu lösen, bei denen es sich gezeigt hat, dass Präsenzmeetings die Arbeit effektiver voranbringen“.

In einem Unternehmen wie Human Solutions trägt die Innovationsfähigkeit einen großen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit bei und hat daher einen sehr hohen Stellenwert. Auch aufgrund der Verteilung des Unternehmens auf mehrere Standorte ist die Zusammenarbeit über digitale Tools nicht mehr wegzudenken.

4.2.1.1.2 Herausforderungen bei Human Solutions in Bezug auf Innovationsprozesse

Herausforderungen in Bezug auf die vermehrt stattfindende digitale Zusammenarbeit gibt es viele. Als im Projekt vLead beteiligtes Unternehmen hat sich Human Solutions auf die Entwicklung eines Tools zur Unterstützung von digitalen Innovationsprozessen fokussiert. Welche spezifischen Herausforderungen Auslöser für die Entscheidung waren, den Fokus auf Innovationsprozesse zu legen, wird im Folgenden erläutert.

F: Sie arbeiten in Ihrem Unternehmen auch heute schon an Innovationsprojekten digital zusammen. Was hat Sie dazu bewogen, ein Tool zu entwickeln, das Innovationsprozesse digital unterstützt?

Zitat: „Mit zunehmender Mitarbeitendenzahl und steigender Komplexität der Fragestellungen hat sich gezeigt, dass wir strukturierte Prozesse für die systematische Erfassung von Innovationsideen, deren Bewertung und Auswahl für die weitere Verfolgung benötigen.

Unser Ziel im Projekt vLead war es, das Innovationspotenzial im Unternehmen zu heben und die Quantität und Qualität von Ideen, die zu Innovationen werden können, zu erhöhen. Viele Innovationsideen schlummern in einzelnen Abteilungen und schaffen es unter Umständen aus Zeitgründen nicht zur Umsetzung. Auch sind manche Ideen anfangs qualitativ nicht ausreichend hinsichtlich technischer oder wirtschaftlicher Wirkung durchdacht. Das Bündeln und Systematisieren dieser Ideen in einem Ideen- und Wissenspool ist daher ein zentrales Anliegen.

Uns ging es bei der Entwicklung des Tools vor allem um den Prozess von der Ideenfindung über die Ideenkonkretisierung bis hin zur endgültigen Entscheidung, ob eine Innovationsidee umgesetzt werden soll oder nicht. Für den späteren Prozess der tatsächlichen Umsetzung der Innovationsideen haben wir bereits etablierte Tools im Einsatz, die auch nicht ersetzt werden sollen.“

F: Bei der Entstehung von Innovationen denkt man ja erstmal an Brainstorming mit Post-It’s und Flipcharts, eine eng zusammenarbeitende Truppe in einem Raum… Wie laufen solche Prozesse bei Human Solutions ab? Was war Ihrer Meinung nach die Hauptsorge von Unternehmensseite, was die Innovationsprozesse innerhalb einer immer stärker digitalisierten Arbeitswelt angeht?

Zitat: „Mit zunehmender Digitalisierung und weniger persönlichen Kontakten reduziert sich auch der formelle – beispielweise in Brainstormings – und der informelle Austausch im Kollegium, der zu gemeinsamen Ideen führt: man trifft sich auf dem Flur, erzählt sich von den eigenen Projekten, im Gespräch baut man auf gegenseitigen Erfahrungen auf, Ideen entwickeln sich. Die virtuellen Meetings erlauben erfahrungsgemäß weniger „Nebengespräche“ und es werden ggf. weniger Informationen geteilt, die nicht direkt themenrelevant sind.

Daher war ein großes Anliegen zu vermeiden, dass gute Ideen in den Köpfen der Mitarbeitenden dadurch am Ende für das Unternehmen verloren gehen.“

F: Wie viele Ideen wurden denn so in etwa im Unternehmen pro Jahr eingebracht von Seiten der Mitarbeitenden?

Zitat: „Das ist natürlich schwierig zu sagen. Viele Ideen werden im Rahmen der Produktentwicklung oder in Kundschaftsprojekten in den Teams direkt umgesetzt. Die Arbeiten an neuen Produkt- und Dienstleistungsentwicklungen werden im Rahmen der jährlichen Unternehmensplanung, in regelmäßigen Produktstrategie- und Produktmanagementsitzungen und in Form von Zielvereinbarungen oder durch Kundenaufträge initiiert.

Wichtig ist es uns daher, frühzeitig gute Ideen, an denen im Unternehmen gearbeitet wird, für die Mitarbeitenden transparent zu machen, um Redundanzen zu vermeiden und stattdessen Synergien zu schaffen“.

F: Wie motiviert schätzen Sie denn die Mitarbeitenden im Unternehmen ein, sich für ihre Ideen einzubringen und diese voranzutreiben?

Zitat: „Generell schätzen wir hier die Motivation unserer Mitarbeitenden als sehr hoch ein, da eine hohe Identifikation mit der Vision und Mission des Unternehmens besteht. Allerdings ist das Vorgehen innerhalb der einzelnen Unternehmen historisch gewachsen und damit unterschiedlich. Dies ist sicherlich auch der hohen Diversifikation der Themen- und Spezialgebiete geschuldet.“

F: Die Quantität der Ideen zu erhöhen ist eine Sache – das macht die eingebrachten Ideen ja noch nicht zu qualitativ hochwertigen Ideen, die für das Unternehmen einen Nutzen bringen.

Zitat: „Wir sind davon überzeugt, dass viele qualitativ gute Ideen und Innovationsansätze in den Köpfen unserer Mitarbeitenden existieren. Eine Umsetzungsentscheidung ist aber auch immer eine Investitionsentscheidung und muss zur Unternehmensstrategie passen. Die Fokussierung auf den Nutzen für die Kundschaft sowie die Berücksichtigung wirtschaftlicher Faktoren sind damit wichtige Kriterien für die Beurteilung der Wirksamkeit und Qualität einer innovativen Idee. Daher ist es essenziell, Entscheidungsprozesse nachvollziehbar zu machen. Langfristig schärft das den Sinn dafür, was für das Unternehmen wertvoll ist und vorangetrieben werden soll.“

Eine der größten Herausforderungen von Human Solutions war die Schaffung einer unternehmensübergreifenden Plattform, die eine systematische Erfassung und Dokumentation von Ideen erlaubt und damit die notwendige bereichsübergreifende Transparenz über den vorhandenen „Ideenpool“ schafft. Darüber hinaus standen die Strukturierung und Standardisierung eines mehrstufigen Entscheidungsprozesses im Vordergrund.

4.2.2 Ziele und Erwartungen der Human Solutions an den IdeaCheck

Aus den Herausforderungen, mit denen sich Human Solutions in Bezug auf die Innovationsprozesse im Unternehmen konfrontiert sah, haben sich konkrete Ziele und Erwartungen an das Tool ergeben, das im Projekt gemeinsam entwickelt werden sollte. Im Folgenden werden die für die Entwicklung des IdeaChecks wichtigsten Ziele erörtert und wie das Tool letztendlich zu diesen beiträgt.

4.2.2.1 Ideen sollen nicht verloren gehen

F: Eines Ihrer Fokus-Ziele bei der Entwicklung des IdeaChecks war es, gute Ideen der Mitarbeitenden nicht verloren gehen zu lassen und eine Art Ideenspeicher mit dem Tool aufzubauen. Wie soll der IdeaCheck dazu beitragen?

Zitat: „Im hektischen Alltag vergisst man schnell mal eine gute Idee, wenn sie nicht dokumentiert wird. Und manchmal ist die Zeit für eine Idee noch nicht reif und sie wird daher verworfen. Mit einer geeigneten Plattform, die einfach und schnell erlaubt, Ideen zu erfassen, diese mit den Kollegen und Kolleginnen zu teilen und gemeinsam weiterzuentwickeln sowie den Entscheidungsprozess zu moderieren, wird ein strukturierter Innovationsprozess angestoßen. Hier spielt die Konfigurierbarkeit nach unternehmensspezifischen Produkten, Dienstleistungen und Prozessen eine entscheidende Rolle: handelt es sich um eine Idee für das Produktportfolio, spielen für deren Bewertung und Weiterentwicklung andere Kriterien eine Rolle als beispielsweise bei einer Verbesserung interner Prozesse. In der Plattform werden damit nicht nur Ideen gesammelt, sondern durch systematische Reflektion auch der gedankliche Ansatz bis zur praxisreifen Umsetzung dokumentiert und jederzeit nachvollziehbar gemacht.“

4.2.2.2 Entscheidungsprozesse sollen nachvollziehbar sein

F: Ein weiteres Ziel, mit dem Sie in die Entwicklung des IdeaChecks gegangen sind, war die Transparenz von Umsetzungsentscheidungen in Innovationsprozessen zu erhöhen und damit die Nachvollziehbarkeit dieser Entscheidungen zu stärken. Wie gelingt das mit dem Tool?

Zitat: „Der IdeaCheck ist in Phasen eingeteilt, um regelmäßiges Feedback zu gewährleisten, auf dessen Basis die Idee weiterentwickelt oder zunächst mal zurückgestellt werden kann. Die Entscheidung des Bewertungsgremiums zu jeder Phase ist transparent. So wird sichergestellt, dass der oder die Ideenverantwortliche erfährt, wie die Idee vom Unternehmen beurteilt wird. Diese Transparenz in den Prozessen führt langfristig auch zur Schärfung des Bewusstseins, welche Ideen für das Unternehmen wichtig sind. Dies steigert damit die Effektivität der Ideenprozesse, indem Ideen weiterverfolgt werden, die sowohl zur Unternehmensstrategie passen als auch umsetzbar sind.“

4.2.2.3 Ideenprozesse sollen transparent und zugänglich sein

F: Zuletzt ist es Ihr Ziel, Ideenprozesse für jeden im Unternehmen transparent zu machen. Wie unterstützt der IdeaCheck dabei?

Zitat: „Im IdeaCheck wird der komplette Ideen- und Entscheidungsprozess sichtbar – von der initialen Ideenskizze bis zur Umsetzungsentscheidung. Es können Dokumente im IdeaCheck hochgeladen werden, die zum Verständnis der Idee beitragen und den Nutzen für die Kundschaft und/oder das Unternehmen darstellen. Der Austausch zu Themen, die die Idee betreffen, kann im Forum zur Idee stattfinden. Ideen können „geliked“, sie können aktiv unterstützt oder ihnen kann gefolgt werden. All das kann von jedem Tooluser eingesehen werden und schafft so einen Überblick zu dem bereits vorhandenen Ideenpool. Der IdeaCheck dient jedoch auch als Wissens- und Informationspool. Damit bleiben auch nach Jahren Entscheidungsprozesse noch nachvollziehbar. Auf dem dort gesammelten Wissen kann aufgebaut werden.“

4.2.2.4 Unternehmensübergreifender Austausch zu Ideen soll gefördert werden

F: Nebenbei trägt der IdeaCheck als unternehmensübergreifendes Tool dazu bei, dass der Austausch zwischen Mitarbeitenden im Unternehmen über Ideen gestärkt wird. Was erhoffen Sie sich hiervon?

Zitat: „Das Tool ist einfach und intuitiv zu bedienen. Insbesondere der Austausch zwischen Mitarbeitenden in Bezug auf ihre Ideen war hier wichtig – unabhängig, ob dies über die Foren der jeweiligen Ideen geschieht oder als Unterstützung einer Idee und somit als Team die Idee weiter vorantreibt. So fördern wir die Motivation, das eigene Wissen gezielt einzubringen. Über das Tool können dann auch Mitarbeitende aus unterschiedlichen Bereichen zusammenarbeiten, die bisher nur geringe Berührungspunkte hatten, aber dieselbe Idee spannend finden.“

Zusammenfassend verfolgt der IdeaCheck die folgenden Ziele: 1) Ideenspeicher, 2) Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen, 3) Transparenz der Ideenprozesse und 4) unternehmensübergreifender Austausch zu Ideen. Inwieweit diese Ziele erfüllt werden konnten, wird im Folgenden aufgezeigt.

4.2.3 Erste Erfahrungen mit der Nutzung des IdeaChecks

Der IdeaCheck wurde in einer ersten formativen Evaluationsphase in zwei unterschiedlichen Unternehmensbereichen der Human Solutions getestet. Wie das Tool aufgenommen wurde, insbesondere in Hinblick auf die Ziele, die wir uns bei der Entwicklung des Idea-Checks im Projekt gesetzt hatten, wird im Folgenden geschildert.

4.2.3.1 Auswirkungen auf die Quantität und Qualität von eingebrachten Ideen

F: Die Quantität eingebrachter Ideen im Tool in der Testphase lässt sich schwer vergleichen mit der Quantität von Ideen ohne das Tool, da der Fokus auf das Testen sicherlich schon zu einem erhöhten Einbringen von Ideen geführt hat. Waren die Mitarbeitenden jedoch motiviert, den IdeaCheck in Zukunft zu nutzen und ihre Ideen über das Tool im Unternehmen einzubringen? Und haben Sie in der Art der Ideen und in der Ausführung dieser Ideen einen Unterschied zu vorher erkennen können?

Zitat: „Das Tool wurde von unseren Mitarbeitenden gut angenommen. Die visuell sehr ansprechend und modern gestaltete Useroberfläche sowie die leichte Handhabung wurde von beiden Testteams als intuitiv empfunden.

Vor allem der standardisierte und nachvollziehbare Bewertungsprozess wird sehr positiv wahrgenommen. Als motivierender Faktor wurde zeitnahes Feedback – vom Bewertungsgremium, aber auch von Kollegen und Kolleginnen, die als Unterstützer und Unterstützerinnen angefragt werden – als wichtige Anforderung der Mitarbeitenden genannt.

Die Möglichkeit das Tool auch als „soziales Netzwerk“ im Innovationsprozess zur Förderung des interdisziplinären Austausches zu nutzen, wurde ebenfalls als sehr hilfreich eingeschätzt.

Die systemische Erfassung im Tool führt insgesamt zu einer stärkeren Reflektion des Nutzens und zu einer Präzisierung bei der schriftlichen Formulierung. Dadurch erhöht sich die Nachvollziehbarkeit für die Kollegen und Kolleginnen und damit die Motivation zur gemeinsamen Weiterentwicklung.“

4.2.3.2 Auswirkungen auf den Zugang zu einem unternehmensübergreifenden Ideenpool

F: Wie ist das Tool als „unternehmensübergreifender Ideenpool“ angekommen?

Zitat: „Gute Innovationen entstehen im Team. Die heutige Komplexität erfordert ein Zusammenspiel unterschiedlicher Kompetenzen, um originelle und machbare Innovationen aus einer Idee hervorzubringen. Leider sind nicht alle Ideen gleichzeitig umsetzbar, stellen aber einen wertvollen Wissenspool des Unternehmens dar. Die Offenheit der Lösung und die Möglichkeit, auch bereichsübergreifend Ideen aus der Historie heraus zu folgen oder Synergien aus dem bereits dokumentierten Stand zu nutzen, stellt daher ein wertvolles Hilfsmittel im Innovationsprozess dar.“

4.2.3.3 Auswirkungen auf unternehmensübergreifende Austauschprozesse und das Innovationsklima im Unternehmen

F: Es ging uns bei der Entwicklung des IdeaChecks ja auch darum, mehr Austausch im Unternehmen zu Ideen zu schaffen und damit die Innovationskultur langfristig zu stärken. Funktionen wie das Unterstützen oder das Folgen von Ideen anderer sollten dies erleichtern. Wie aussichtsreich schätzen Sie das Tool dahingehend ein?

Zitat: „Der IdeaCheck dient dazu, nicht nur mehr, sondern vor allem bessere Ideen zu entwickeln, diese entschlossen – mit Unterstützung und Begleitung durch die Unternehmensleitung – voranzutreiben und zum Erfolg zu führen. Daher geht es auch darum, verdeckte Hindernisse im Innovationsprozess zu identifizieren und für die Mitarbeitenden aus dem Weg zu räumen. Hier sind wir sehr zuversichtlich, dass sich subjektiv wahrgenommene strukturelle und Kommunikationsbarrieren durch den Austausch und die Zusammenarbeit über Team-, Bereichs-, und Unternehmensgrenzen hinweg, aber auch über die individuellen Wissensgrenzen hinaus, mit der Nutzung des Tools auflösen. Gerade diese Funktion wird durch das Tool effektiv unterstützt.“

Schon in der Evaluierungsphase zeigten sich erste positive Auswirkungen des IdeaChecks als Innovations-Tool im Unternehmen. Die Möglichkeit des Austauschs wurde von den Mitarbeitenden, die das Tool getestet haben, geschätzt und das Interesse, sich Ideen anderer im Tool anzuschauen, war hoch. Insgesamt hat der Gedanke, Ideen in einem Tool zu sammeln und damit Transparenz zu schaffen, einen hohen Zuspruch gefunden.

4.2.4 Ausblick

Wie auch die übrigen Tools der vLead-Toolbox ist der IdeaCheck mit dem Ziel entwickelt worden, insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen mittels eines flexiblen Tools in der digitalen Zusammenarbeit zu unterstützen. Das Besondere des IdeaChecks ist die Möglichkeit, das Tool auf die Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens spezifisch zuzuschneiden. Aus den ersten Erfahrungen lassen sich Empfehlungen ableiten, wie der Idea-Check im Unternehmen eingeführt werden sollte und was es daneben noch zu beachten gibt.

4.2.4.1 Einführung des IdeaChecks im Unternehmen

F: Was halten Sie bei der Einführung des Tools im Unternehmen für kritische Erfolgsfaktoren?

Zitat: „Wichtig ist, dass die Unternehmensführung den Stellenwert von Innovationen im Unternehmen im Einklang mit der Unternehmensstrategie verdeutlicht sowie Ziel, Bedeutung und Nutzen des Tools den Mitarbeitenden klar kommuniziert.

Die Mitarbeitenden brauchen hier den notwendigen Freiraum und die Unterstützung der Unternehmensführung, da die Einführung und der Austausch zu diesen Themen Zeit in Anspruch nehmen.

Das Tool kann spezifisch auf die Bedürfnisse und Abläufe des Unternehmens angepasst werden. Daher sollten sich die Verantwortlichen ausreichend Zeit für die Konfiguration des Tools nehmen: geht es um die Entwicklung neuer Produkte oder darum, bestehende „smarter“ zu machen? Sollen interne Prozesse optimiert werden oder neu überdacht und etabliert werden? Welche Kriterien sind für eine Bewertung und Priorisierung zur erfolgreichen Umsetzung relevant?

Hierzu muss im Vorfeld analysiert werden, in welchen Bereichen Innovationsprozesse ähnlich oder auch ganz unterschiedlich ablaufen und welche Komplexität diese besitzen. Die Spannbreite kann von der inkrementellen Prozessinnovation bis zum disruptiven Geschäftsmodell reichen. Davon abhängig ist dann die Definition der im Tool verwendeten Kategorien. Für jede Kategorie muss dann festgelegt werden, in welchen Stufen und nach welchen Kriterien diese Ideen bewertet werden sollen.

Ist das Tool erst einmal eingeführt, so muss es begleitet werden. Der Start in einem Bereich oder einem Team innerhalb des Unternehmens ist sinnvoll, um Erfahrungen zu sammeln und hemmende Motivations- und Kommunikationsbarrieren zu erkennen und zu beheben.“

4.2.4.2 Empfehlungen an andere Unternehmen

F: Wenn Sie einem anderen Unternehmen vom IdeaCheck erzählen, was würden Sie den Verantwortlichen im Unternehmen raten?

Zitat: „Wir können es nur jedem Unternehmen empfehlen. Das Tool hilft einem Unternehmen dabei, die richtigen Ideen zu verfolgen, und diese Ideen auch richtig zu verfolgen.

Ist der IdeaCheck erst einmal eingeführt, begleitet das Management die Nutzung und sollte den Mitarbeitenden auch ausreichend Zeit für die Pflege des Tools einräumen. Das schnelle und konstruktive Feedback durch die Bewertungsgremien ist natürlich einer der wesentlichen Motivationsfaktoren.

Wenn es eine Idee bis zur tatsächlichen Umsetzung geschafft hat, sollte dies auch entsprechend gewürdigt werden. Dies führt dazu, dass potenzielle Barrieren im Innovationsprozess sinken und sich so das Potenzial der Mitarbeitenden effektiver entfalten kann.

4.2.4.3 Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sowohl die unternehmensspezifische Konfiguration des IdeaChecks sowie dessen Einführung essenziell für die Nutzung des Tools sind. Daneben erweist sich vor allem die Begleitung durch das Management und die kontinuierliche Kommunikation zu dem Tool als wichtig, um die Nutzung dauerhaft zu gewährleisten.

4.3 Evaluation des vLead-IdeaChecks

Die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens ist einer der entscheidendsten Wettbewerbsvorteile im heutigen Marktumfeld. Wie in Abschn. 4.1 dargestellt, zeigen prägende Innovationstheorien wie die „Componential Theory of Creativity and Innovation“ von Amabile & Pratt (2016) auf, welche Faktoren auf der Ebene der Beschäftigten, aber auch auf der Ebene des Unternehmens ausschlaggebend für die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens sind. Diese Faktoren beziehen sich sowohl auf die Phase der Ideengenerierung als auch auf die der Ideenrealisierung. Der von der Human Solutions Gruppe und der ABO-Psychologie der Universität Trier im BMBF- und ESF-geförderten Projekt vLead partizipativ entwickelte IdeaCheck setzt an der Schnittstelle dieser beiden Phasen an. Erste Ideen, die bisher bei einzelnen Beschäftigten entstanden sind, können im Tool dokumentiert und mit dem Input von Verantwortlichen im Unternehmen weiterentwickelt werden. Am Ende des Prozesses im IdeaCheck steht eine ausgereifte und geprüfte Idee, die nun in die Realisierung gehen kann.

Das Tool wurde mit dem Ziel entwickelt, eine individuell konfigurierbare Innovationsplattform für Unternehmen zu schaffen, die deren auch unter der Bedingung digitaler Zusammenarbeit stärkt. Die digitale Zusammenarbeit kann, wie in Abschn. 4.1 beschrieben, für die gemeinsame Arbeit an Innovationen herausfordernd sein, da zentrale Teamprozesse im digitalen Setting in Teilen schwieriger zu etablieren sind. Auf Organisationsebene kann eine solche Innovationsplattform jedoch zu einer Professionalitätskultur, wie im Center-of-Excellence-Ansatz von Frey (Kauffeld et al., 2004) beschrieben, beitragen, indem sie die Dokumentation von Innovationsprozessen fördert. Eine Innovationsplattform stellt nicht nur eine Möglichkeit für Mitarbeitende dar, die eigenen Ideen sichtbar zu machen und Unterstützende im Unternehmen zu finden, die diese Idee fördern und mit vorantreiben. Gleichzeitig bietet sie einen Überblick, welche Ideen schon existieren und an welchen mitgearbeitet und die eigene Expertise eingebracht werden kann. Zu guter Letzt schafft sie anhand des transparenten Feedbacks zu den Ideen für die Mitarbeitenden Orientierung, welche Art von Ideen vom Unternehmen erwünscht sind und welchen Kriterien diese Ideen genügen sollten.

Ausgehend von diesen Überlegungen lagen der Entwicklung des IdeaChecks die folgenden Ziele zu Grunde:

  • Die Dokumentation aller Ideen im Unternehmen im Sinne eines Wissensspeichers von Ideen

  • Der unternehmensübergreifende Austausch zu Ideen

  • Die Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungsprozessen

Um zu prüfen, ob die gesetzten Ziele mit der Umsetzung des IdeaChecks erzielt werden können und die Innovationskraft im Unternehmen dadurch gestärkt werden kann, evaluierten wir die Entwicklung des Tools sowohl formativ als auch summativ nach dem Einsatz des Tools bei den Projektpartnerunternehmen (Antoni, 1993).

Im Rahmen der formativen Evaluation wurde die Beta-Version des IdeaChecks verschiedenen Personengruppen des Projektpartnerunternehmens Human Solutions vorgestellt. Ziel war es, die Anmerkungen und das Feedback in die Entwicklung des Ideenmanagementtools einfließen zu lassen, um die Nutzung zu erleichtern und die Nutzungsbereitschaft zu erhöhen. Im Rahmen der summativen Evaluation wurde der IdeaCheck inklusive der umgesetzten Verbesserung in einem weiteren, nicht an der Entwicklung des Tools beteiligten Kooperationsunternehmen eingesetzt und dieser Einsatz durch Fragebögen und Interviews begleitet. Die Ergebnisse dieser Nutzungserfahrungen werden im Folgenden dargestellt.

4.3.1 Evaluationsergebnisse des IdeaChecks (formativ & summativ)

Während der formativen Evaluation lag das Augenmerk darauf, Informationen zur Optimierung des IdeaChecks zu erhalten, die die Nutzungsbereitschaft des Tools erhöhen können. Das von Venkatesh et al. (2003) entwickelte UTAUT-Modell (Unified Theory of Acceptance and Use of Technology, s. Abb. 4.5) diente als Grundlage für die formative Evaluation. Das Modell definiert Einflussfaktoren für die Akzeptanz von Informationstechnologien und ermöglicht so einen Zugang zum individuellen Nutzungsverhalten. Basierend auf dem empirisch bestätigten Zusammenhang zwischen der Verhaltensabsicht und der tatsächlichen Nutzung (Venkatesh et al., 2003) finden sich in dem Modell vor allem Einflussfaktoren, die auf die Verhaltensabsicht einwirken, zusätzlich jedoch auch sogenannte „erleichternde Bedingungen“ (facilitating conditions), die direkt auf die tatsächliche Nutzung einwirken.

Abb. 4.5
figure 5

UTAUT-Modell nach Venkatesh et al. (2003)

Die zentralen, im UTAUT-Modell definierten Einflussfaktoren sind die Folgenden:

  • Leistungserwartung (performance expectancy): die Erwartung, dass die Nutzung des Tools die eigene Leistung unterstützt

  • Aufwandserwartung (effort expectancy): die Einschätzung des Aufwands zur Nutzung des Tools

  • Sozialer Einfluss (Social Influence): die Einstellung wichtiger Personen im Unternehmen zum Tool

  • Unterstützende Bedingungen (Facilitating Conditions): das Vorhandensein technischer und organisationaler Infrastruktur, die die Nutzung des Tools unterstützen

  • Geschlecht, Alter, die Berufserfahrung und die Freiwilligkeit der Nutzung stellen moderierende Einflüsse dar.

Die formative Evaluation bestand aus zwei Schritten. Im ersten Schritt wurden Mitte 2019 sechs Personen, die das Tool zum ersten Mal sahen, mittels eines gemischt qualitativ-quantitativen Vorgehens befragt. Bei der Auswahl der Personen wurde Wert auf Diversität in Hinblick auf Geschlecht, Seniorität, Arbeitsbereich und Managementebene (Mitarbeitende sowie Führungskräfte unterschiedlicher Managementebenen) gelegt. Zunächst wurde den Teilnehmenden die Möglichkeit gegeben, das Tool ohne eine explizite Aufgabenstellung zu erkunden. Die wichtigsten Funktionen und Eigenschaften konnten sie sich über die Hilfe-Funktion im IdeaCheck anzeigen lassen. Anschließend erhielten die Teilnehmenden eine Testaufgabe, bei der es darum ging, eine Innovationsidee aus Ihrem Tätigkeitskontext ins Tool einzutragen. Hierbei wurden sie beobachtet und gebeten, ihre Gedanken zur Tooloberfläche sowie zu den Funktionen und dem Prozess im Tool laut auszusprechen (Thinking Aloud Methode nach Jørgensen, 1990). Nach der Bearbeitung der Testaufgabe wurden die Teilnehmenden anhand eines leitfadengestützten Interviews zu ihrem Eindruck vom Tool und Ideen zu möglichen Verbesserungen befragt. Die Schwerpunkte lagen hierbei insbesondere in der Wahrnehmung und Handhabung des IdeaChecks sowie der Anwendungsfreundlichkeit. Vorschläge zur Verbesserung wurden im Nachgang im Tool umgesetzt.

Im zweiten Schritt der formativen Evaluation nutzten im Herbst 2019 zwei Teams des Unternehmens den überarbeiteten IdeaCheck für einen Zeitraum von sechs Wochen. Sie wurden bei Einführung in das Tool sowie zum Ende des Zeitraums nach ihren Eindrücken befragt. Für diese Probelaufzeit hat das vLead-Projektteam im kooperierenden Unternehmen die Struktur des Tools, d. h. die Kategorien, Bewertungskriterien und Phasen, definiert. Die begleitende Evaluation erfolgte zunächst mittels einer quantitativen online Befragung mit insgesamt drei Messzeitpunkten. Die erste Befragung erfolgte vor der Nutzung, die zweite nach drei Wochen und die dritte am Ende der Probelaufzeit. Im Anschluss daran wurden leitfadengestützte Gruppeninterviews mit beiden Teams durchgeführt. Diese fokussierten die Anwenderfreundlichkeit des IdeaChecks sowie die Einschätzung des Mehrwerts des Tools für die eigene Arbeit. So konnten Faktoren identifiziert werden, die bei der Einführung des Tools unterstützend wirken, aber auch solche, die sich als hinderlich erwiesen. Die Erkenntnisse aus der Evaluation flossen wieder in eine Überarbeitung des bestehenden Tools, sodass der IdeaCheck in der darauffolgenden summativen Evaluation in nochmals überarbeiteter Version eingesetzt werden konnte.

Die summative Evaluation fand im Frühjahr 2020 in einem zweiten Unternehmen statt. Das Unternehmen hatte schon vorab Kriterien und eine Struktur zur Bewertung neuer Ideen entwickelt, die sich an das Business Model Canvas anlehnte (Osterwalder et al., 2005). Ein Team (ca. 15 Personen), das für Innovationsmanagement im Unternehmen zuständig war, erprobte dazu den IdeaCheck. Die Bewertung erfolgte in zwei Schritten: im ersten Schritt bewertete das Team die Ideen in einem Workshop, dann folgte eine zweite Bewertung durch den Leiter des Innovationsmanagements. Diese schon bestehende Bewertungsstruktur wurde mit Hilfe der Bewertungskriterien und der Zusammensetzung der Bewertungsgremien in den IdeaCheck übertragen. Für die Evaluation sollten die Teammitglieder sowohl bereits eingereichte als auch neue eigene Ideen in das Tool eintragen und den bisherigen Entwicklungsprozess im IdeaCheck dokumentieren. Die Ideen wurden dann von den Gremienmitgliedern bewertet. Fragebögen sowie leitfadengestützte Interviews begleiteten die Evaluation. Für die Interviews wurden folgende Personengruppen befragt, die jeweils unterschiedliche Rollen im Innovationsprozess einnahmen: Im Fokus standen einmal die Ideengeber*innen, die ihre Ideen im Tool veröffentlicht und zur Bewertung freigegeben hatten. Diese wurden zu zwei verschiedenen Zeitpunkten befragt: Zuerst nach der Eingabe ihrer Idee und dann nach Erhalt des Feedbacks zu ihrer Idee im Tool. Des Weiteren wurden auch Mitglieder der Bewertungsgremien befragt, um auch deren Perspektive zu erfassen. Schwerpunkte der Interviews waren dabei die Fragen, inwieweit das Tool den Innovationsprozess im Unternehmen abbildet und im Unternehmensalltag praktikabel eingesetzt werden kann.

Die Ergebnisse dieser Evaluationsschritte werden im Folgenden berichtet und die Nutzungsbereitschaft eingeschätzt. Hierzu werden die zentralen Einflussfaktoren herangezogen, die im UTAUT-Modell definiert werden und die Schlussfolgerungen um entsprechende Zitate aus den Interviews ergänzt.

Hinsichtlich der Leistungserwartung (performance expectancy) wurde in den Interviews die Rückmeldung gegeben, dass das Tool die Sichtbarkeit der eigenen Ideen sowohl im Team als auch im gesamten Unternehmen erhöhe und damit deutliche Vorteile gegenüber der bisherigen Kommunikation neuer Ideen habe, wie das nachfolgende Zitat verdeutlicht.

„[…] Für Sichtbarkeit der Idee […] innerhalb meines Teams […] [gebe ich Idea-Check] neun [von zehn Punkten], weil alle, die in dem Prozess in IdeaCheck eingetragen sind, sich an einer Stelle mal mit der Idee befasst haben und haben es damit auch mitbekommen, dass die Idee überhaupt existiert.“

Die Nutzung von IdeaCheck kann und soll den persönlichen Austausch über Ideen innerhalb des Unternehmens nicht ersetzen, sondern ergänzen. Aus Perspektive der Interviewten ist ein elementarer Mehrwert des Tools, dass es als unternehmensweite Ideenplattform ermöglicht, Informationen zu Ideen und deren Entwicklung im Unternehmen an einer zentralen Stelle zu konsolidieren.

„Das ist halt das, was das Tool, denke ich, auch so ein bisschen ausmacht. Man hat alles konzentriert an einer Stelle.“

Weiterhin rege das Tool den Austausch mit Mitarbeitenden an, bei denen die persönliche Kommunikation beispielsweise aufgrund von geografischer Verteilung oder unterschiedlicher Abteilungszugehörigkeit erschwert ist. Ein weiterer wesentlicher Vorteil des Tools besteht aus Nutzer*innensicht deshalb im Austausch von Ideen und der Möglichkeit, vorhandene Ideen einzusehen, gemeinsam an diesen zu arbeiten und sie zu unterstützen.

„Als Ideentreiber [braucht man] immer Unterstützung, [und zwar] tatkräftige. [Es ist] essentiell, dass man mit mehreren Leuten [an einer Idee] arbeitet, weil jeder andere Ideen hat.“

Positiv bewertet wurde auch, dass Nutzer*innen Ideen nicht nur von sich aus unterstützen, sondern Ideengeber*innen im Tool auch aktiv nach Unterstützung und bestimmten Kompetenzen suchen können.

„[Du kannst] Unterstützer finden und hast dann eine Auflistung von allen Leuten, die [im Tool] angemeldet sind. Du kannst sowohl nach Namen als auch nach den Kompetenzen suchen. Du kannst in das Textfeld reinschreiben, was du von der Person erwartest, wie sie mitwirkt bei der Idee.“

Feedback zu den eigenen Ideen zu bekommen, sowohl von Kolleg*innen als auch von den Entscheidungstragenden, scheint einen entscheidenden Beitrag zur Motivation und Orientierung zu leisten. Feedback kann im IdeaCheck über „unterstützen“ signalisiert werden. Es ist jedoch auch wichtig rückgemeldet zu bekommen, aus welchen Gründen eine Idee zum jetzigen Zeitpunkt nicht umsetzbar ist. Je detaillierter hier das Feedback, desto besser.

„[Es] ist auch wichtig für die Ideeninhaber, dass […] man auch sieht, was andere davon halten oder ob das nur ein Geistesblitz war, der […] demokratisch abgeschmettert wird. Es ist auch ziemlich unwahrscheinlich, dass eine Idee, von der niemand etwas hält, gut sein kann.“

„Die Kommunikation mit Kollegen und Vorgesetzten [ist nicht immer] transparent, das heißt die Informationen werden nicht so oft geteilt und deswegen wäre es gut zu wissen, dass [eine Idee] abgelehnt wurde, weil sie zum Beispiel zu viele Ressourcen frisst, Budget, Zeit oder Personal. Das ist sicherlich was sehr Gutes.“

Gleichzeitig wurde angemerkt, dass einige Aspekte des bisherigen Innovationsprozesses beibehalten werden sollten und diese durchaus mit dem Tool kombinierbar seien. Dabei ging es insbesondere um den „Pitch“, also die Vorstellung der Idee in der Testphase, die weiterhin auch außerhalb des Tools stattfinden und in bestehende Meetings eingebettet werden könne. Wenn diese aufgrund der digitalen Zusammenarbeit nicht persönlich stattfinden könne, bieten Videopräsentationen, die als Datei im Tool hinterlegt werden können, eine gute Alternative.

Hinsichtlich der Aufwandserwartung (effort expectancy) wurden verschiedene Perspektiven betrachtet. Aus Perspektive des Unternehmens besteht der Aufwand in der Konfiguration des IdeaChecks. Unternehmen, die noch keinen formalisierten Innovationsprozess implementiert haben, müssen diesen erst entwickeln, um das Tool nutzen zu können. IdeaCheck kann den Innovationsprozess abbilden und Transparenz schaffen, erleichtert jedoch nicht das Aufsetzen des Prozesses.

Die Nutzungsfreundlichkeit – im Sinne von Verständlichkeit der Funktionen im Tool sowie Nachvollziehbarkeit der Toolprozesse – wurde insgesamt gut bewertet. Insbesondere die jederzeit zugängliche „Tour“ durch das Tool, die mittels einfacher Erklärungstexte die jeweiligen Funktionen erläutert, wurde sehr geschätzt. So konnten beispielsweise Missverständnisse in Bezug auf die Funktion „unterstützen“ ausgeräumt werden.

Der Zeitaufwand, sich in das Tool einzuarbeiten, wurde als hoch und als Barriere eingeschätzt:

„Die Nutzung erfordert eine Auseinandersetzung mit der Software, die von vornherein eine Barriere darstellt – vor allem im stressigen Berufsalltag.“

Die Gremienmitglieder, die den Aufwand bei der Ideenbewertung einschätzten, bewerteten die Bewertungsmaske (s. Abschn. 4.1.3) als hilfreich, da alle Kriterien auf einen Blick erkennbar sind und Gremienmitglieder direkt eine Punktebewertung abgeben können. Auch die zusätzliche Kommentarfunktion bei Bewertungsabgabe wurde als sinnvoll erachtet. Die technische Umsetzung der Abgabe einer Bewertung als Gremienmitglied war mit etwas Übung leicht zu bedienen. Unterstützende Hinweistexte wurden im Anschluss an die Evaluation überarbeitet und ergänzt.

Die Bereitschaft, ein Tool zu nutzen, wird nicht nur durch den damit verbundenen Aufwand und Nutzen beeinflusst, sondern auch durch den Sozialen Einfluss (social influence), den das eigene Team und Unternehmen ausübt. Die Befragten erachteten es als besonders wichtig, dass das Management deutlich signalisiert, dass das Tool genutzt werden soll. Die Zeit, die sich das Management zur Ideensichtung und -bewertung nehme und die es den Mitarbeitenden zur Verfügung stelle, Ideen im Tool einzutragen, weiterzuentwickeln und andere zu unterstützen, scheint dafür den entscheidenden Unterschied zu machen, wie die folgenden Zitate verdeutlichen:

„Ich glaube, die Kernhürde ist dann, dass man zwar eine Idee anlegt, aber [dann fehlt die] Zeit seine Bewertung zu geben [aufgrund eines] vollen Terminkalenders. […] Es könnte wahrscheinlich eher daran scheitern als an dem Tool.“

„Dass die Personen sich nicht die Zeit nehmen, sich da durch zu klicken, sich mit den Ideen auseinanderzusetzen. Ich glaube, dass Zeit ein ganz großer Faktor ist bei uns im Unternehmen. Ich erlebe häufig, dass Dinge nicht stattfinden oder dass Dinge irgendwie ewig dauern.“

„Wir haben bei vielen Mitarbeitern ein massives Zeitproblem, die Leute sind ausgelastet und überlastet mit den Aufgaben, die sie auf dem Schreibtisch haben […] Also das Problem ist, sich die Zeit zu nehmen, durchaus auch was aktiv zu tun […]. Es ist tatsächlich auch eine Frage des Denkens und der Einstellung und ich glaube tatsächlich diese Schiene Innovation zu betreiben, die auch noch über Produktentwicklung hinausgeht, das muss man uns arg beibringen und uns auch irgendwie glaubhaft machen, dass das auch gewollt ist, dass wir auch tatsächlich die Zeit dafür investieren. Also wir haben durchaus alle Ideen, was man tun könnte, aber da ist glaub ich so ein bisschen Ernüchterung, über die man hinwegkommen muss.“

Wie das letzte Zitat zeigt, kann insbesondere die Art und Weise, wie das Thema Innovation im Unternehmen platziert wird, wie glaubhaft dessen Relevanz im Unternehmen vermittelt wird und inwiefern die Mitarbeitenden mittels Ressourcen bei der Entwicklung von Ideen unterstützt werden, einen wichtigen Beitrag zur Nutzung des Tools leisten.

Als unterstützende Bedingungen (facilitating conditions) zählen die Einführung und die Einbindung des Tools im Unternehmen. Die Rückmeldungen zeigen, dass IdeaCheck kein Selbstläufer ist – bei der Einführung in einem Unternehmen müsse den Mitarbeitenden Sinn und Zweck des Tools erläutert werden und mit entsprechenden Maßnahmen begleitet werden:

„Was mir jetzt fehlt, ist, dass mir jemand grob erklärt, was mit dem Tool gemacht wird, was Sinn und Zweck ist, der Nutzen fürs Unternehmen, für das Team und für die Mitarbeiter, […]“.

„Ich glaube eine schöne Vorstellung wäre in einer großen Runde, in der man es allen Mitarbeitern zeigen kann, so dass relativ viele dann damit arbeiten können und dann noch Fallbeispiele genannt werden, die sich gerade in der Pipeline befinden und dementsprechend zurzeit verfolgbar sind und daraus auch jeder einen Benefit ziehen würde.“

Neben der Einführung spiele die Aufrechterhaltung der Nutzungsintention im späteren Verlauf eine wichtige Rolle und könne am ehesten erreicht werden, wenn es eine spezifische Ansprechperson für IdeaCheck im Unternehmen gibt, die das Thema Innovation vorantreibe. Daneben müssen aber auch personelle und zeitliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden:

„Wenn man so ein Tool [im gesamten Unternehmen] einführen würde […], glaube ich auch, dass man mindestens einen Menschen bräuchte, der sich um dieses Tool kümmert und dieses Tool pusht und auch pflegt.“

„Das heißt, wenn wir [IdeaCheck] nutzen wollen, brauchen wir eine Person, die dieses Tool trägt, die dieses Tool liebt, die die Ideen [auch] aufnimmt [und] da reinpackt. Und dann auch eine Person, die sagt, ihr dürft euch mit eurem Team einmal die Woche eine bestimmte Zeit nehmen, um das durchzugucken. […] Also die Zeit muss da sein, die Leute müssen da sein. Ich glaub, das sind für mich ganz kriegsentscheidende Faktoren.“

Auch die Einbindung von IdeaCheck über Schnittstellen ins Intranet könne eine Möglichkeit darstellen, um die Nutzung zu steigern:

„[Es ist gut], wenn es eine Schnittstelle gibt, zum Beispiel ein Intranet. [Wir arbeiten mit verschiedenen Software-Plattformen und viele] tun sich jetzt schwer […] weil die dann immer hin- und herspringen müssen. [Die Gefahr besteht, dass sie] in der Regel nicht wirklich [in IdeaCheck] reinsehen, weil die in ihrem operativen Umfeld arbeiten und ganz aktiv immer wieder das Tool öffnen müssten. […] [Ich] könnte mir vorstellen, dass das sehr als Akzeptanzsteigerung dient.“

Abschließend lässt sich zusammenfassen:

„Um das Tool gewinnbringend einzuführen, braucht [es] Ressourcen. Kapazitäten, Leute, die Zeit haben und die auch Lust haben, das zu machen.“

Die Gesamtbewertung des IdeaChecks fiel im Großen und Ganzen positiv aus, sowohl in der mündlichen als auch in der schriftlichen Befragung. Die Motivation, den IdeaCheck in Zukunft für das Vorantreiben der eigenen Ideen zu nutzen, sowie das Interesse am Unterstützen von Ideen anderer war hoch. Die Bereitschaft, den IdeaCheck zu nutzen, war jedoch stark abhängig von den Rahmenbedingungen und den bereitgestellten Ressourcen im Unternehmen.

4.3.2 Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die mit der Entwicklung des IdeaChecks verfolgten Ziele im Großen und Ganzen erreicht werden konnten. Die Idee mit dem IdeaCheck eine zentrale Ideenplattform im Unternehmen aufzubauen, die allen Beschäftigten einen Überblick über alle Ideen im Unternehmen und deren Status Quo ermöglicht, kam in den teilnehmenden Unternehmen sehr gut an. Besonders positiv hervorgehoben wurde die Möglichkeit, sich mit anderen Personen im Unternehmen zu Innovationsprojekten zusammenzufinden und so einen über die alltäglichen Arbeitsbeziehungen hinausgehenden Austausch zu etablieren, der weniger durch Abteilungszugehörigkeiten, sondern selbstbestimmt durch das gemeinsame Interesse an Themenbereichen motiviert ist. Das bestätigt Befunde der Innovationsforschung (Amabile & Pratt, 2016), dass die Motivation, sich an Innovationsprozessen zu beteiligen, umso höher ist, je wichtiger Personen ein Thema einschätzen.

Auch die Transparenz des Ideenbewertungsprozesses und die dadurch entstehende Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen über die Unterstützung und Umsetzung von Ideen wurde sehr gut beurteilt. Aus Perspektive der Befragten kann langfristig gesehen eine solche Transparenz das Vertrauen in die Fairness der Entscheidungsprozesse und damit die Motivation, eigene Ideen ‚in den Ring zu werfen‘, stärken. Dies bestätigt den von Amabile und Pratt (2016) postulierten dynamischen Einfluss organisationaler Faktoren – hier die Transparenz des Innovationsprozesses – auf die individuelle Kreativität. Als Folge dieser Transparenz sahen die Befragten die Chance, ein gemeinsames Verständnis darüber zu etablieren, was gute Ideen für das Unternehmen ausmachen und sich entsprechend zu orientieren. Ein solch gemeinsames Verständnis wirkt aus Sicht des Managements positiv auf die Steigerung der Qualität der Ideen aus.

Der im Tool umgesetzte Stage-Gate-Gedanke unterteilt den Ideenentwicklungsprozess in für das Unternehmen und die jeweilige Ideenkategorie sinnvolle Phasen. Die in jeder Phase gewährleistete Transparenz der Bewertungskriterien ermöglicht es, Ideen kriterien-und damit „kundengerecht“ auszuarbeiten. Die Beurteilung nach jeder Phase erlaubt ein schnelles Feedback, inwieweit die Ausarbeitung gelungen ist, und Anregungen zur Verbesserung der Passung, bevor Energie und Ressourcen in die weitere Entwicklung gesteckt werden. Damit eignet sich das Tool prinzipiell auch für agile Innovationsprozesse, in denen sich zu Beginn Teams zur Entwicklung einer Idee finden, diese in mehreren kurzen Phasen vorantreiben, und nach jedem dieser „Sprints“ ein Feedback erhalten. Aus Unternehmensperspektive kann so der Einsatz von Ressourcen in die Ideenentwicklung strategisch gut gesteuert werden. Aus Perspektive der Mitarbeitenden ermöglicht es der Stage-Gate-Prozess, sich in jeder Phase an einem Ideenentwicklungsteam zu beteiligen, über das an jedem „Check“ erhaltene Feedback Erfolgserlebnisse zu erhalten und die Idee kundengerecht weiter ausarbeiten zu können.

Der Erfolg des Tools steht und fällt damit, wie glaubhaft den Mitarbeitenden seitens des Unternehmen vermittelt wird, dass ihre Ideen einen hohen Stellenwert im Unternehmen haben: Im Arbeitsalltag zeigt sich das vor allem in den zeitlichen und finanziellen Ressourcen, die das Unternehmen für die erfolgreiche Arbeit an Innovationen zur Verfügung stellen muss, und in dem Umgang des Managements mit den Ideen; ein zeitnahes und nachvollziehbares Feedback an den Entscheidungsstellen im Prozess ist hier gefordert.

Nach der Konfiguration des Tools durch das jeweilige Unternehmen, d. h. nachdem unternehmensspezifische Ideenkategorien und Bewertungskriterien partizipativ erarbeitet und die Zusammensetzung der Gremien festgelegt wurden, muss die Unternehmensleitung den IdeaCheck, dessen Nutzen und dessen Funktionen allen Beschäftigten vorstellen. Aus den Interviews kam der Vorschlag, dies anhand eines konkreten aktuellen Projekts zu tun, am besten in großen hierarchieübergreifenden Runden. Im Sinne des UTAUT-Modells kann dadurch das Management sozialen Einfluss ausüben und zeigen, dass die Nutzung des Tools im Unternehmen durch alle und von allen erwünscht ist. Durch die Darstellung des konkreten Nutzens und des dafür geforderten Aufwands anhand eines Beispiels sowie durch die Beantwortung von Fragen zu den Toolfunktionen können die Leistungs- und Aufwandserwartungen beeinflusst werden.

Um den IdeaCheck präsent zu halten, erscheint es sinnvoll, eine Person als Administrator*in und Ansprechpartner*in für das Tool zu benennen, die zugleich dafür sorgt, dass es über entsprechende Kommunikation und Marketing im Fokus bleibt und an wechselnde Anforderungen angepasst wird. Darüber hinaus sollte die Nutzung des Tools durch die Führungskräfte in ihren jeweiligen Teams kontinuierlich vorgelebt und verstärkt werden.

Die Evaluation des IdeaChecks belegt, dass Ideenentwicklungs- und -bewertungsprozesse im Unternehmen über dieses Tool unterstützt und professionalisiert werden können. Das volle Potenzial eines solchen Tools kann jedoch nur dann gehoben werden, wenn Ideen und Innovation im Unternehmen die erforderliche Wertschätzung finden und die notwendigen zeitlichen und finanziellen Ressourcen investiert werden.