1 Bedeutung der Verkehrspolitik für die Realisierung des Binnenmarktziels

Zu den unabdingbaren Voraussetzungen einer jeden modernen Industriegesellschaft gehören die funktionierende Mobilität der Menschen und ein effizienter Transport der Waren.Footnote 1

Die Verkehrspolitik nimmt deshalb heute – aber es war nicht immer soFootnote 2 – in den Aufgabenbereichen der Europäischen Union eine herausragende Stellung ein.Footnote 3 Dies zeigt sich bereits auf primärrechtlicher Ebene in Art. 3 EUV, der die Zielvorgaben der Union festschreibt. Im zweiten Absatz dieser Vorschrift wird auf die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen verwiesen, wobei hier insbesondere die Abschaffung der Personenkontrollen an den BinnengrenzenFootnote 4 beziehungsweise die Grundfreiheit des freien PersonenverkehrsFootnote 5 eine essenzielle Rolle spielen.Footnote 6

Die zentrale Bedeutung der Verkehrspolitik in Bezug auf die Wirtschaft wird in Art. 3 Abs. 3 EUV verdeutlicht. Die Errichtung eines BinnenmarktsFootnote 7 als wesentliche DaueraufgabeFootnote 8 der Union ist ohne freien Verkehr innerhalb der Binnengrenzen nicht denkbar.Footnote 9 Die europäische Integration implizierte so von Anfang an eine Internationalisierung, aber vor allem auch eine Intensivierung und Dynamisierung des Austausches der Personen und Güter in Europa. Dies ist wiederum nur durch einen effizienten Transport umsetzbar.Footnote 10

Im Lichte dieser Zielvorgabe, steht der Binnenraum für die Schaffung eines Wirtschaftsraums ohne innere Grenzen für den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital.Footnote 11 Eine Legaldefinition findet sich in Art. 26 Abs. 2 AEUV, wonach dieser „ein Raum ohne Binnengrenzen [ist], in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist.Footnote 12 Diese Begriffsbestimmung ist allerdings keine abschließende, weil nicht ausdrücklich erwähnte Positionen – wie die sogenannte Annexfreiheit des ZahlungsverkehrsFootnote 13 – gleichsam in das Binnenmarktziel einfließen und durchaus eine prägende Rolle in der Praxis spielen.Footnote 14 Daneben werden noch weitere Aspekte erfasst, etwa das Verbot von Ein- und Ausführzöllen zwischen Mitgliedstaaten,Footnote 15 die Bedeutung des WettbewerbsrechtsFootnote 16 und die inhaltlich nahestehenden Politikschwerpunkte, wie die gemeinsame Handelspolitik.Footnote 17 Um das Konzept kurz auf den Punkt zu bringen, kann die Formel für den gemeinsamen Markt bedient werden: Freiheit nach innen schaffen, Einheit nach außen vermitteln.Footnote 18

Bei der Verwirklichung des Binnenmarkts weist der Verkehr eine doppelte Funktion für die europäische Integration auf.Footnote 19 Einerseits bildet er dessen Instrument, zumal ein freier Verkehr von Waren und Personen ohne die entsprechende Güter- und Personenbeförderung nicht denkbar wäre. Andererseits ist er auch Gegenstand der europäischen Integration, da die im Verkehr behängenden 11 Millionen ArbeitsplätzeFootnote 20 etwa 5 % des gesamten Bruttoinlandsprodukts der Union ausmachen.Footnote 21 Außerdem entfällt ein hoher Anteil der öffentlichen Investitionen auf die Verkehrsinfrastruktur. So flossen im Zeitraum 2007–2020 Finanzmittel in Höhe von rund 193 Milliarden Euro in den Verkehrssektor.Footnote 22 Die Herstellung vieler Güter des alltäglichen Gebrauchs sowie komplexer Maschinen konzentriert sich nicht mehr bloß auf eine einzige Produktionsstätte. Rohstoffe, Halbfabrikate und Montagetätigkeiten entstammen oder erfolgen in unterschiedlichen Ländern, wodurch der Verkehr heute zur notwendigen Voraussetzung der industriellen Produktion wird.Footnote 23

Zusammenfassend lässt sich also einleitend sagen: Mobilität und Verkehr sind unabdingbar für das Funktionieren einer modernen GesellschaftFootnote 24 und bilden zusammen mit anderen Faktoren die Grundlage der europäischen Integration. Zudem bildet der flächendeckende Ausbau nachhaltiger Verkehrsnetze eine notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung und das Funktionieren des europäischen Binnenmarktes.Footnote 25

2 EU-Verkehrspolitik: Primärrechtliche Grundlagen

Die Realisierung der Ziele der Gemeinsamen Verkehrspolitik (GVP) der Union wird in den Art. 90 bis 100 AEUV bzw. von Titel VI des dritten Teils des AEUV geregelt.Footnote 26 Die Bestimmungen erfassen alle fünf Hauptverkehrsarten: (a) Schienenverkehr, (b) Straßenverkehr, (c) Binnenschifffahrt, (d) Schifffahrt und (e) Luftverkehr. Die gegenwärtige Normierung in Titel VI bildet jedoch verschiedentlich Gegenstand von Kritik. Dabei wird argumentiert, dass die darin enthaltenen Regelungen in ihrer Gesamtheit unzureichend, unstrukturiert und ohne klaren Leitfaden seienFootnote 27 bzw. die Definition der gesetzten Ziele jene Bestimmtheit vermissen ließe, die für eine der wichtigsten Politiken der Union notwendig oder zumindest angebracht wäre.Footnote 28

Für einen allgemeinen Überblick über die Bestimmungen des AEUV ist es wichtig, insbesondere zwei Kategorien von Normen zu unterscheiden: einerseits Bestimmungen allgemeiner Tragweite, welche die Transporttätigkeit als solche und nicht lediglich ihren Aspekt als Kostenfaktor für Güter betreffen (Art. 90 bis 94 AEUV); andererseits spezifische Bestimmungen zur Beförderung von Gütern im Landverkehr, die dazu bestimmt sind, etwaige Hindernisse zu beseitigen, die aus dieser Verkehrsart für den allgemeinen Binnenmarkt entstehen könnten (Art. 95 bis 97 AEUV).Footnote 29

Die Bestimmungen der Art. 94, 97 und auch 98 AEUV haben dabei heute keine praktische Relevanz mehr und sind als obsolet anzusehen.

Doch was wird von der gemeinsamen Verkehrspolitik erfasst? Diesbezüglich bleibt Art. 90 AEUV insgesamt „merkwürdig unbestimmt“,Footnote 30 während inhaltliche Bezugspunkte in Art. 100 AEUV näher konkretisiert werden. Letztere Vorschrift erstreckt die geregelte EU-Verkehrspolitik auf den gewerblichen und individuellen Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr, einschließlich des sogenannten kombinierten (Land-)Verkehrs. Außerdem können das Europäische Parlament und der Rat nach Art. 100 Abs. 2 AEUV im Rahmen des ordentlichen GesetzgebungsverfahrensFootnote 31 Vorschriften in Bezug auf die Seeschifffahrt34 und die Luftfahrt35 erlassen, nachdem der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA)Footnote 32 sowie der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR)Footnote 33 konsultiert wurden.Footnote 34 Damit sind das Post- und Fernmeldewesen, Seilbahnen, aber auch die RaumfahrtFootnote 35 nicht von diesem Titel erfasst.Footnote 36

Aus Art. 58 AEUV lässt sich zudem ableiten, dass die gemeinsame Verkehrspolitik der Union nicht nur (im engeren Sinne) die Beförderung von Personen und Waren von einem Ort zum anderen erfasst, sondern auch alle anderen Dienstleistungen, die naturgemäß mit Verkehr und Transport verbunden sind.Footnote 37

Die Transeuropäischen Netze (TEN), die für den Verkehrs-, Telekommunikations- und Energiesektor von zentraler Bedeutung sind, werden im Titel XVI des dritten Teils des AEUV (Art. 170–172), geregelt.

2.1 Kompetenzaufteilung zwischen Union und Mitgliedstaaten

Die gemeinsame Verkehrspolitik zählt zu den geteilten Zuständigkeiten der Europäischen Union.Footnote 38 Demnach ist die Union im Verkehrssektor zum Erlass von Gesetzgebungsakten berechtigt. Wird sie hier aber nicht tätig, liegt die Zuständigkeit bei den einzelnen Mitgliedstaaten. Präziser ausgedrückt, können die Mitgliedsstaaten nur dann in Bereichen der geteilten Zuständigkeiten gesetzgeberisch tätig werden, wenn die Union ihre Vorrechte noch nicht wahrgenommen hat, also ihre Kompetenz nicht ausgeübt hat. Liegt eine Kompetenzausübung seitens der Union vor, haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, erneut ihre Kompetenz auszuüben. Dies jedoch nur in dem Maße, in dem die Union selbst ihre Kompetenz nicht ausgeübt hat.Footnote 39 Dem nicht entgegenstehend, findet auch der SubsidiaritätsgrundsatzFootnote 40 Anwendung, welcher im Jahre 1992 mit dem Vertrag von MaastrichtFootnote 41 eingeführt worden war und vorsieht, dass die Union in allen Bereichen, in denen sie keine ausschließliche Kompetenz besitzt, nur dann eingreift, wenn die angestrebten Ziele von den Mitgliedstaaten nicht im ausreichendem Maße erfüllt werden können.Footnote 42 Daraus kann geschlossen werden, dass neben der europäischen Regelung weiterhin eine nicht unbeachtliche nationale Gesetzgebungskompetenz vorliegt, welche aber stets unter Achtung des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Union ausgeübt werden muss.Footnote 43

Die zentrale verfahrensrechtliche Vorschrift zur Gestaltung der Verkehrspolitik findet sich in Art. 91 Abs. 1 AEUV.Footnote 44 Diese Norm sieht vor, dass das Europäische Parlament und der Rat, nach entsprechender Anhörung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie des Europäischen Ausschusses der Regionen, im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens (a) gemeinsame Regeln für den grenzüberschreitenden und internationalen Verkehr, (b) die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen innerhalb eines Mitgliedstaates, in dem sie nicht ansässig sind sowie (c) allfällige Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit erlassen.Footnote 45 Allerdings kann die Union über die Auffangklausel in Art. 91 Abs. 1 lit. d AEUV („alle sonstigen zweckdienlichen Vorschriften“) in umfassender Weise die Verkehrspolitik gestalten.Footnote 46

Gleichzeitig beinhaltet Art. 91 Abs. 1 AEUV das Gebot der Berücksichtigung der Besonderheiten des Verkehrs. Mit Blick auf regionale Besonderheiten normiert der zweite Absatz der Vorschrift ausdrücklich die Beachtung des Lebensstandards und der Beschäftigungslage in bestimmten Regionen, aber auch den Betrieb der Verkehrseinrichtungen selbst.

Für die Mitgliedstaaten hingegen gilt nach Art. 92 AEUV eine sogenannte Stillhalteverpflichtung. Demnach dürfen die Mitgliedstaaten ihre Verkehrsunternehmen bis zum Erlass des einschlägigen europäischen Sekundärrechts nicht zusätzlich begünstigen. Daneben gilt ein Diskriminierungsverbot für Beförderungsbedingungen, das in Art. 95 AEUV festgeschrieben wird: verboten sind Diskriminierungen, wonach ein Verkehrsunternehmen in denselben Verkehrsverbindungen für dieselben Güter je nach ihrem Herkunfts- oder Bestimmungsland unterschiedliche Frachten oder Beförderungsbedingungen anwendet.

2.2 Regelungen zu öffentlichen Beihilfen

Besondere Regelungen zum allgemeinen BeihilfeverbotFootnote 47 finden sich in den Art. 93 und 96 AEUV, wo zugunsten der Besonderheiten des Verkehrs für gewisse Standorterfordernisse und die entsprechende Wirtschafts- und Wettbewerbspolitik Ausnahmetatbestände ermöglicht werden (sektorale Beihilfen).Footnote 48 Die Abweichung vom generellen Beihilfeverbot im Bereich Verkehr, der als sensibler Sektor angesehen wird, ist damit zu rechtfertigen, dass im öffentlichen Interesse die Güter- und Personenbeförderung auch dann gewährleistet sein muss, wenn die Durchführung des Transports nicht in die Logik des Marktes fällt und nicht ausschließlich durch Wirtschafts- und Handelskriterien gesteuert werden kann.Footnote 49

Abweichungen vom generellen Beihilfeverbot sind nur restriktiv und begrenzt möglich und müssen jedenfalls sowohl mit den Grundsätzen des Unionsrechts als auch mit den besonderen Regelungen im Bereich Beihilfen vereinbar sein.Footnote 50

So sind Unterstützungsmaßnahmen von Unternehmen gemeinhin verboten, sofern nicht die Kommission eine entsprechende Genehmigung erteilt. Dabei hat die Kommission insbesondere die Kriterien einer angemessenen Standortpolitik, die Bedürfnisse unterentwickelter Gebiete, die Probleme der durch politische Umstände schwer betroffenen Gegenden sowie allfällige Auswirkungen der Beförderungsbedingungen auf den Wettbewerb zwischen den Verkehrsarten zu berücksichtigen.

Von besonderer Relevanz sind Unternehmen mit Konzessionen für den öffentlichen Personenverkehr. Sie erbringen Dienste „von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse innerhalb der gemeinsamen Werte der Union […], […und sind bedeutsam für die] Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhalts“.Footnote 51 Es ist daher nicht nur Interesse, sondern auch Aufgabe der Union und ihrer Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass diese Dienste stets im Einklang mit unionsrechtlichen Grundsätzen und Bedingungen erfolgen und eine effiziente Dienstleistungserbringung gesichert ist.Footnote 52 Das öffentliche Eingreifen fällt nicht in den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV, sondern dient als Ausgleich für die Leistungen, die von den empfangenden Unternehmen zur Erfüllung von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes erbracht werden. Demnach erhalten die Unternehmen keine finanziellen Vorteile und werden ebenso wenig in eine günstigere Wettbewerbsposition gegenüber den mit ihnen im Wettbewerb stehenden Unternehmen versetzt.Footnote 53

Das Europäische Parlament und der Rat der EU haben darüber hinaus eine Reihe von Sonderbestimmungen auf sekundärer Ebene erlassen, um den Wettbewerb auf dem Verkehrsmarkt im Binnenmarkt zu regeln.Footnote 54

2.3 Querschnittsmaterien

Rein methodisch darf daran erinnert werden, dass jenseits der Vorschriften, die in Titel VI (Art. 90–100) und in Titel XVI (Art. 170–172) des dritten Teils des AEUV vorgesehen sind, auch für die gemeinsame Verkehrspolitik im Binnenmarkt alle allgemeinen Rechtsprinzipien des EU-Primärrechts gelten.

Eine besondere Erwähnung verdienen in diesem Zusammenhang die Dienstleistungsfreiheit,Footnote 55 die Warenverkehrsfreiheit,Footnote 56 die Niederlassungsfreiheit,Footnote 57 das Diskriminierungsverbot aufgrund der Staatsangehörigkeit,Footnote 58 die WettbewerbsregelnFootnote 59 und das Beihilfenrecht sowie die Aufhebung der Grenzkontrollen im unionsrechtlichen Binnenbereich.Footnote 60

3 Sekundärrechtliche Ausgestaltung der EU-Verkehrspolitik

Zur gemeinsamen Verkehrspolitik findet sich eine Vielzahl an Sekundärrechtsakten.Footnote 61 Das erklärt sich zunächst mit Blick auf die Ausgestaltung von Art. 100 AEUV, der insgesamt fünf verschiedenartige Verkehrsträger – Eisenbahn,Footnote 62 Straßen, Binnenschifffahrt, Seeschifffahrt, Luftfahrt – in einer Norm zusammenfasst, sodass in den jeweiligen Rechtsakten nur jeweils ein bestimmter Verkehrsträger angesprochen wird. Außerdem sind die Unterschiede in den jeweiligen Regelungsansprüchen zu beachten, so etwa, wenn man den überwiegend privaten Straßenverkehr dem größtenteils staatsnahen Eisenbahnverkehr gegenüberstellen möchte. Schließlich werden in der gemeinsamen Verkehrspolitik durchaus unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt, etwa einerseits Marktöffnung und Liberalisierung im Binnenmarkt, andererseits Sicherstellung fairer Wettbewerbsbedingungen, aber auch Rechtsangleichung in Verbindung mit dem vorgegebenen Ziel der Verkehrssicherheit.

3.1 Liberalisierung des Verkehrs

Im Hinblick auf die Marktliberalisierung im Verkehrssektor muss zwischen den verschiedenen Verkehrsarten, d. h. dem Schienen-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr sowie dem See- und Luftverkehr, unterschieden werden. Sie weisen nämlich grundlegende Unterschiede auf, die meist auf bestimmte historische Entwicklungen zurückzuführen sind. Während beispielsweise der Verkehr von PKWs, LKWs und Anhängern immer schon in privaten Händen lag, wird das Eisenbahnwesen in den meisten Mitgliedstaaten von öffentlichen Unternehmen geführt, meist unter indirekter oder direkter Kontrolle des Staates. Der See- und Luftverkehr wurden hingegen seit jeher stark von internationalen Vorschriften geprägt.

Im Detail lassen sich innerhalb der sekundärrechtlichen Bestimmungen grundsätzlich drei Liberalisierungstendenzen feststellen.

Bei der Erbringung von Verkehrsdienstleistungen wurde durch das Sekundärrecht eine Vielzahl von Beschränkungen, etwa zur Kontingentbildung, Preisregelung oder zum Kabotageverbot, aufgehoben.Footnote 63

Im Rahmen des Schienenverkehrs liegen Schwerpunkte des Sekundärrechts u.a. bei der Kompatibilität des Zugmaterials, der Abstimmung der Gleisverbindungen und grenzüberschreitenden Streckenzügen. Außerdem sollen Maßnahmen den diskriminierungsfreien Zugang zum Bahnnetz sowie zur entsprechenden Infrastruktur sichern. Insbesondere hat die Kommission hier gegen verschiedene Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren angestrengt, die allerdings nur zum Teil erfolgreich waren.Footnote 64

Mit Blick auf die Luftfahrt findet sich sekundäres Unionsrecht zu den Zeitrahmen bei Start- und Landemöglichkeiten auf Flughäfen,Footnote 65 aber auch zum Zugang zu den Bodenabfertigungsdiensten am Flughafen.Footnote 66 2004 wurde über das Sekundärrecht zudem die Erbringung von Flugsicherungsdiensten, die Ordnung und die Nutzung des EU-Luftraums und das Flugverkehrsmanagement-Netz europäisiert.Footnote 67

Im Rahmen der Liberalisierung personenbezogener Regelungen ist insbesondere der europäische Führerschein zu nennen.Footnote 68 Dabei verfolgt die Union einerseits das Ziel, mit dem Verkehrsbereich die allgemeine Personenfreizügigkeit zu ergänzen, andererseits soll verhindert werden, dass Verkehrsverstöße durch transnationale Vorgehensweisen sanktionsfrei bleiben. Die Europäische Union hat dafür mittels einer Richtlinie, die den Mitgliedstaaten einen gewissen Handlungsspielraum bei der Umsetzung ließ, ein einheitliches Modell des Führerscheins eingeführt, das die Informationen festlegt, welche in einem Genehmigungsdokument dieser Art unbedingt enthalten sein müssen. Des Weiteren werden darin die Voraussetzungen und Mindesterfordernisse für seine Ausstellung definiert. Ziel ist es, eine sichere Fahrt auf europäischen Straßen zu gewährleisten, unabhängig davon, von welchem Mitgliedstaat der Führerschein ausgestellt wurde.Footnote 69

Im Zuge der Bereitstellung und Nutzung von Infrastruktur findet insbesondere das Diskriminierungsverbot in seiner allgemeinen AusgestaltungFootnote 70 bzw. bezogen auf VerkehrsunternehmenFootnote 71 Niederschlag. Dieses Thema ist heute in der EU von besonderer Aktualität. Grundlegend wird dabei zwischen einer Mautgebühr, d. h. einer Gebühr für die Nutzung einer bestimmten Strecke auf einer Autobahn (z. B. „pedaggio“ in Italien), und einer Benutzungsgebühr, d. h. einer Gebühr, um für einen festgelegten Zeitraum die Autobahn nutzen zu können (z. B. „Vignette“ in Österreich), unterschieden.Footnote 72

Das erstgenannte Modell sieht vor, dass die Infrastrukturen gegen die Zahlung einer Gebühr an den Betreiber, bei dem es sich um den Staat selbst, eine öffentliche Körperschaft oder sogar ein privates Unternehmen handeln kann, genutzt werden können. Die Gebühr wird nach der zurückgelegten Strecke und der Art des verwendeten Fahrzeugs oder sogar pauschal, aber immer nur für die tatsächlich erfolgte Nutzung, berechnet.Footnote 73

Beim System der Benutzungsgebühr wird ein Betrag als einmalige Zahlung für einen bestimmten Zeitraum entrichtet (z. B. für einen Tag, eine Woche, ein Monat oder ein Jahr), unabhängig davon, wie viele Kilometer auf der jeweiligen Autobahn zurückgelegt wurden.Footnote 74 Dieses Modell kann jedoch diskriminierende Elemente für ausländische Nutzer enthalten, zumal die Infrastrukturen von nicht im betreffenden Staat ansässigen Personen in der Regel nicht so häufig und intensiv genutzt werden wie von Personen, die im jeweiligen Staat leben und arbeiten. Es fällt Nichtansässigen demnach schwerer, die entsprechenden Begünstigungen und Dienste in Verbindung mit der Vignette zu beanspruchen.

Ein konkretes Beispiel für die Verletzung des EU-Diskriminierungsverbots stellt die Infrastrukturabgabe, besser bekannt als PKW-Maut, dar, die in Deutschland am 1. Januar 2016 eingeführt wworden war und nach Ansicht führender Politiker durch Kompensation über eine niedrige Kfz-Steuer faktisch nur ausländische PKW-Fahrer treffen sollte.Footnote 75 Die große Kammer des EuGHs entschied mit Urteil vom 18. Juni 2019 die Rechtssache C-591/17,Footnote 76 die von der Republik ÖsterreichFootnote 77 gegen die Bundesrepublik Deutschland angestrengt worden war und mit einer juristischen Niederlage Deutschlands endete.Footnote 78 Die Hintergründe dieses UrteilsFootnote 79 sind auf das Jahr 2015 zurückzuführen, als Deutschland den Gesetzestext zur Einführung einer Gebühr für die Nutzung von Bundesstraßen und Autobahnen seitens privater Fahrzeuge ausarbeitete. Alle Eigentümer von Fahrzeugen mit Registrierung in Deutschland, hätten die Abgabe in Form einer jährlichen Marke zahlen müssen. Hinsichtlich außerhalb Deutschlands registrierter Fahrzeuge, hätte die Infrastrukturabgabe vom Eigentümer oder vom Fahrzeuglenker bezahlt werden müssen, sobald diese die Autobahn benutzt hätten. Gleichzeitig wäre aber durch die Entrichtung der Infrastrukturabgabe die Kfz-Steuer für die Eigentümer der in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge um die von ihnen gezahlte Gebühr gekürzt worden. Österreich beklagte, dass die kombinierte Wirkung von Infrastrukturabgabe und Kürzung der Kfz-Steuer für in Deutschland zugelassene Fahrzeuge sowie die Art und Weise, auf die die Infrastrukturabgabe festgelegt und angewandt worden war, gegen EU-Recht, insbesondere gegen das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, verstoße. Nachdem von der Kommission eine Stellungnahme gefordert wurde, die nicht fristgerecht abgegeben wurde,Footnote 80 erhob Österreich beim Gerichtshof eine Vertragsverletzungsklage gegen Deutschland.Footnote 81 In seinem Urteil stellte der Gerichtshof – unter Verweis darauf, dass Deutschland gegen seine Verpflichtungen aus Art. 18, 34, 56 und 92 AEUV verstoßen habe – fest, dass die Infrastrukturabgabe in Verbindung mit der Verringerung der Kfz-Steuer die Eigentümer von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen begünstige, eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit und einen Verstoß gegen die Grundsätze des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs darstelle. In Bezug auf das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit stellte der Gerichtshof fest, dass die Befreiung von der Kfz-Steuer zugunsten der Eigentümer von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen einen vollständigen Ausgleich der von ihnen gezahlten Infrastrukturabgaben bewirken würde. Somit würde die wirtschaftliche Belastung durch diese Abgabe in der Tat ausschließlich auf ausländischen PKW-Fahrern lasten.Footnote 82

Während das Schrifttum von einer Unionsrechtswidrigkeit ausgegangen war,Footnote 83 gab die Europäische Kommission nach Prüfung eines nachgebesserten Kompromissvorschlags, der für ausländische PKWs verschieden gestaffelte Kurzzeitvignetten vorsah,Footnote 84 letztlich grünes Licht für die PKW-Maut, da sie den Grundsatz der Gleichbehandlung der EU-Bürger ungeachtet ihrer Staatsbürger beachte, für eine gerechte Infrastrukturfinanzierung sorge und den Übergang zu einer emissionsarmen Mobilität erleichtere.Footnote 85

3.2 Sicherung des Wettbewerbs

Ein besonderes Augenmerk der EU-Verkehrspolitik bildet die Sicherung des Wettbewerbes. Hierbei werden verschiedene Aspekte schlagend.

So ist zunächst das Beihilfenrecht zu nennen, das in Art. 93 AEUV verschiedene Ausnahmetatbestände enthält, die auf bestimmte Erfordernisse des Verkehrs oder die Abgeltung besonderer öffentlicher DienstleistungenFootnote 86 abzielen.

Für den Eisenbahn-, Straßen- und Schiffsverkehr werden im Sekundärrecht spezielle Wettbewerbsregeln aufgestellt, die auf die Besonderheiten des Verkehrs Rücksicht nehmen.Footnote 87 Diese betreffen gerade im Bereich der öffentlichen Personenverkehrsdienste die jeweiligen Vergabeverfahren. Die entsprechenden Vorschriften lehnen sich zwar teilweise an die Bestimmungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge an, belassen den Mitgliedstaaten im Einzelnen aber mehr Spielraum.Footnote 88

Nichtsdestotrotz erfolgte die Vergabe von Diensten im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs über viele Jahrzehnte in vielen Mitgliedstaaten nicht im Wege öffentlicher Ausschreibungen, sondern es wurden Konzessionen ohne Ausschreibung ausgestellt. Dieser Umstand ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass der öffentliche Personenverkehr in vielen Mitgliedstaaten von staatlichen oder zumindest öffentlichen Unternehmen beherrscht wurde bzw. wird.

Schließlich sind verschiedene Standards für die Beschäftigten und die Nutzer im Verkehrssektor zu nennen.

Hinsichtlich der Beschäftigten gilt es auf die Sozialvorschriften im Straßenverkehr zu verweisen, die etwa das Mindestalter von LKW-Fahrern, die Lenk- und Ruhezeiten im Straßengüterverkehr oder auch das Verbot von einzelnen leistungsbezogenen Entgelten vorsehen.Footnote 89

Mit Blick auf die Nutzer bzw. Verbraucher sind die besonderen Fahrgastrechte zu nennen,Footnote 90 etwa im Hinblick auf Überbuchungen, Verspätungen oder Ausfälle von Fahrten und Flügen, auf die Rechte behinderter Fluggäste, aber auch auf die Unfallhaftung.Footnote 91

3.3 Verkehrssicherheit

Besondere praktische Bedeutung kommt dem Schwerpunkt der Verkehrssicherheit zu, zumal es in der EU jährlich etwa 50.000 Verkehrstote und rund 1,5 Millionen Verletzte gibt.Footnote 92

Wie bereits dargelegt, fußt die Gesetzgebungskompetenz der Union in diesem Bereich auf Art. 91 Abs. 1 lit. c AEUV. Auf dieser Grundlage wurde eine Vielzahl an Vorschriften erlassen, die unter anderem Kfz-Zulassungen, verschiedenartige Typengenehmigungen, schadstoffbezogene Emissionswerte, oder besondere Regelungen für den Transport von GefahrgutFootnote 93 betreffen. Auch die Gurtanlegepflicht in bestimmten Fahrzeugen wurde über eine Richtlinie geregelt.Footnote 94

Die EU setzt auf Automatisierung, Digitalisierung und gemeinsam genutzte Mobilitätsdienste – Trends, die sich heute sicherlich rasch verbreiten – und unterstützt diese mit dem Ziel, den Verkehrssektor effizienter zu gestalten und damit die Verkehrssicherheit zu verbessern.Footnote 95 Die Vereinheitlichung technischer Normen wurde auch in der BinnenschifffahrtFootnote 96 und im SeerechtFootnote 97 vorangetrieben. Bei der Luftfahrt wurden insbesondere Sicherheitsvorschriften vereinheitlicht,Footnote 98 aber auch technische Vorschriften für den FlugbetriebFootnote 99 oder Regelungen für die durch Fluglärm legitimierten Betriebsbeschränkungen von Flughäfen.Footnote 100

3.4 Umwelt- und Klimaschutz

Verschiedene Maßnahmen zur Rechtsangleichung finden sich zum Themenschwerpunkt Klima- und Umweltschutz. So wurde für den Bereich des Straßenverkehrs etwa der obligatorische Verkauf von bleifreiem Benzin und die Sicherung der Versorgung mit alternativen Kraftstoffen sekundärrechtlich geregelt.Footnote 101 Im Güterverkehr gewährt die Union verschiedene Finanzhilfen zur Verbesserung der Umweltfreundlichkeit.Footnote 102

3.5 Europäische Agenturen

Für ausgewählte Verkehrsbereiche wurden entsprechende Agenturen geschaffen, die nicht nur die Verkehrssicherheit gewährleisten, die Sicherheit der Transporte vorantreiben und den jeweiligen Wettbewerb sichern und überwachen sollen, sondern auch auf die Vorbeugung von Unfällen abzielen.

Hierbei ist zunächst die Europäische Eisenbahnagentur (ERA)Footnote 103,Footnote 104 mit Sitz in Valenciennes und Lille (Nordfrankreich) zu nennen.Footnote 105 Diese Agentur überwacht und fördert die Interoperabilität, die Wettbewerbsfähigkeit und die Sicherheit des europäischen Eisenbahnsystems. Insbesondere treibt die ERA auch alle Anstrengungen voran, um Signalvorschriften in allen EU-Mitgliedstaaten einzuführen.Footnote 106

Als Folge der Havarie des Öltankers Erika vor der Küste der Bretagne im Jahr 1999 wurde 2002 die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA)Footnote 107,Footnote 108 gegründet, die sich der Verbesserung der Sicherheit auf See verschrieben hat und damit sowohl der Unfallprävention als auch dem Umweltschutz dient.

Schließlich ist die 2002 errichtete Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA)Footnote 109,Footnote 110 mit Sitz in Köln zu nennen, die die Flugsicherheitsbehörde der Europäischen Union für die zivile Luftfahrt bildet.Footnote 111 Zu ihren Aufgaben gehört die Erstellung und Überwachung einheitlicher Sicherheits- und Umweltstandards.

4 Internationale Beziehungen und Regelungen im Verkehrsbereich

Die Welt des Verkehrs ist seit jeher von einer internationalen Dimension geprägt, deren Regelungen folglich nicht an den Grenzen eines Staates halt machen können. In den letzten Jahrzehnten hat die Globalisierung des Transportsektors eine starke Dynamik erfahren, die sich der Notwendigkeit einer Reglementierung nicht entziehen konnte. Für einen funktionierenden europäischen Binnenmarkt braucht es nicht nur einen grenzüberschreitenden Verkehr zwischen den EU-Mitgliedstaaten, sondern auch einen transkontinentalen Verkehr. Der globale Handel erfordert nämlich, dass die EU im Verkehrsbereich auf internationaler und interkontinentaler Ebene aktiv wird, um die Effizienz des eigenen Handels, aber auch aller für ihren Markt relevanten wirtschaftlichen Tätigkeiten, zu gewährleisten. Demnach ist nicht nur eine Präsenz der Union in internationalen Verkehrsorganisationen, sondern auch die Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Abkommen mit Drittstaaten erforderlich.

Wie bereits erwähnt, fällt die gemeinsame Verkehrspolitik in den Bereich der geteilten Zuständigkeiten der EUFootnote 112 und trotz ihres Vorrechts bleiben die Staaten weiterhin in diesem Bereich gesetzgeberisch tätig. Die Union besitzt jedoch ausschließliche Zuständigkeit im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik.Footnote 113 Das bedeutet, dass der Verkehr in alle Verhandlungen im Handelssektor der EU einbezogen wird und zwar auf WHO-Ebene, genauso wie auf kontinentaler und bilateraler Ebene.Footnote 114

Der Abschluss von internationalen Abkommen durch die Union ist im fünften Teil, Titel V AEUV normiert.Footnote 115 Art. 216 AEUV sieht vor, dass die Union mit einem oder mehreren Drittländern, oder einer oder mehreren internationalen Organisationen eine Übereinkunft treffen kann, wenn dies in den Verträgen vorgesehen ist, oder wenn der Abschluss einer Übereinkunft im Rahmen der Politik der Union entweder zur Verwirklichung eines der in den Verträgen festgesetzten Ziele erforderlich, oder in einem verbindlichen Rechtsakt der Union vorgesehen ist, oder gemeinsame Vorschriften beeinträchtigen oder deren Anwendungsbereich ändern könnte. Diese Übereinkünfte sind dann sowohl für die Institutionen der Union als auch für die Mitgliedstaaten bindend.Footnote 116

Die Norm kodifiziert die sogenannte AETR-Doktrin, die vom EuGHs geprägt wurde,Footnote 117 und unter bestimmten Umständen von der Existenz impliziter Kompetenzen der EU ausging, also von Zuständigkeiten, die der Union von den Mitgliedstaaten nicht ausdrücklich übertragen worden waren. Gemäß dieser Theorie impliziter Kompetenzen ergibt sich die externe Zuständigkeit der Union aus dem Vorhandensein einer expliziten Kompetenz auf interner Ebene. Da die Verträge der EU eine explizite Zuständigkeit in einem bestimmten Bereich, wie beispielsweise dem Verkehrswesen einräumen, muss die EU folglich eine ähnliche Zuständigkeit für den Abschluss von Abkommen mit Drittstaaten in demselben Bereich haben.Footnote 118

4.1 Landverkehr

In diesem Zusammenhang nehmen die Europäische Kommission und der Rat an den Arbeiten der UN-Wirtschaftskommission für Europa (ECE)Footnote 119 in Genf teil. Auf diesem Forum wurden verschiedene internationale Verkehrsabkommen geschlossen, so beispielsweise das AETR-Abkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals.Footnote 120

Den Status einer Beobachterin nimmt die Union hingegen in verschiedenen anderen Institutionen ein, etwa in der 1953 gegründeten Europäischen Konferenz der Verkehrsminister (CEMT),Footnote 121 bei Verkehrsanliegen im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD),Footnote 122 welche 1961 ihre Tätigkeit aufnahm, im 1949 gegründeten Europarat,Footnote 123 oder in der Zwischenstaatlichen Organisation für den internationalen Eisenbahnverkehrs (OTIF),Footnote 124 welche 1985 mit Sitz in Bern (Schweiz) gegründet wurde und die Aufgaben der Union internationale des chemins de fer (UIC),Footnote 125 die 1922 mit Sitz in Paris gegründet worden war, weiterführte sowie im Internationalen Eisenbahntransportkomitee (CIT).Footnote 126

Eine besonders praktische Bedeutung haben die Verträge mit der Schweiz beim Alpentransit, also dem Alpen querenden Güterverkehr, der seit 1. Juni 2002 im Landverkehrsabkommen zwischen der EU und der Schweiz geregelt ist.Footnote 127

Auf materiellrechtlicher Ebene ist für alle EU-MitgliedstaatenFootnote 128 die Internationale Vereinbarung über Beförderungsverträge auf Straßen (CMR)Footnote 129 für den Transportbereich von zentraler Bedeutung. Dieser am 19. Mai 1956 in Genf unterschriebene und am 2. Juli 1961 in Kraft getretene wirtschaftsvölkerrechtliche Vertrag, schafft einheitliche Regeln für die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, meist Lastkraftwagen, wenn der Ort der Übernahme des Guts und der für die Ablieferung vorgesehene Ort, wie im Vertrag angegeben, in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist. Dies gilt ohne Rücksicht auf den Wohnsitz und die Staatsangehörigkeit der Parteien.Footnote 130 Die CMR setzt die Existenz eines zivilrechtlich gültigen Beförderungsvertrags voraus und regelt dann bestimmte transportspezifische Aspekte wie beispielsweise den Frachtbrief, die Verantwortung und Haftung des Frachtführers. Alle Vorschriften der CMR, mit Ausnahme jener über das Innenverhältnis zwischen aufeinander folgenden Frachtführern, gelten zwingend.Footnote 131

Für den internationalen Eisenbahnbereich ist ebenfalls für die EU-MitgliedstaatenFootnote 132 das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF)Footnote 133 einschlägig.Footnote 134 Der am 9. Mai 1980 unterschriebene Vertrag ist heute in der Fassung des Änderungsprotokolls von Vilnius vom 3. Juni 1999 – in Kraft ab 1. Juli 2006 – rechtsverbindlich (COTIF 1999). Ziel dieses völkerwirtschaftsrechtlichen Vertrages ist die Festlegung einheitlicher Rechtsnormen für die Beförderung von Personen und Gütern im durchgehenden internationalen Eisenbahnverkehr, einschließlich ergänzender Beförderungen mit anderen Beförderungsmitteln, die Gegenstand eines einzigen Vertrages sind. Das COTIF aus dem Jahre 1999 hat sieben Anhänge. Die drei ersten davon dürfen hier hervorgehoben werden: Anhang A enthält einheitliche Rechtsvorschriften (ER) für den Vertag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen (CIV); Anhang B enthält einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern (CIM); Anhang C enthält die Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter (RID). Der Anhang D befasst sich schließlich mit der Verwendung von Wagen (CUV), der Anhang E mit der Nutzung der Infrastruktur (CUI), Anhang F mit einheitlichen technischen Vorschriften (APTU) und Anhang G mit den technischen Vorschriften für die Zulassung von Eisenbahnmaterial (ATMF).

Die Europäische Union ist neben den Mitgliedstaaten dem COTIF mit Wirkung ab 1. Juli 2011 beigetreten.Footnote 135

4.2 Schifffahrt

Im Bereich der Schifffahrt gilt es zwischen dem Transport von Gütern und Personen auf Binnenwasserstraßen, der in Europa im Allgemeinen auf Wasserläufen oder Seen stattfindet, und dem Transport von Gütern und Personen auf dem Seeweg zu unterscheiden, der weltweit stattfindet und in den letzten Jahrzehnten ein Ausmaß erreicht hat wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Die zunehmende Verbreitung des multimodalen VerkehrsFootnote 136 lässt vermuten, dass der Seeverkehr auch in Zukunft weiter zunehmen wird und, hinsichtlich des Güterverkehrs, zumindest mittelfristig, das Feld nicht dem Luftverkehr überlassen wird.

Was den Transport von Gütern und Personen auf Binnenwasserstraßen betrifft, so hat der Unionsgesetzgeber eine ganze Reihe von RechtsaktenFootnote 137 zur Regelung dieses Sektors erlassen. Insbesondere für die Binnenschifffahrt gibt es besondere Vorschriften, die sich aus internationalen Abkommen oder Verträgen der EU ergeben, wenn Wasserläufe in Nicht-EU-Staaten führen oder aus diesen kommen. In diesem Kontext ist auf die Revidierte Rheinschifffahrtsakte vom 17. Oktober 1868 (Mannheimer Akte)Footnote 138 sowie auf das Übereinkommen über die Regelung der Schifffahrt auf der Donau vom 18. August 1948 (Belgrader Donaukonvention oder Akte)Footnote 139 zu verweisen.Footnote 140

Aus materiellrechtlicher Sicht ist für die Binnenschifffahrt in Europa das Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt (CMNI)Footnote 141 hervorzuheben.Footnote 142 Nicht alle Mitgliedstaaten der EU sind dem Vertrag beigetreten, sondern nur jene, die eine ausgeprägte Binnenschifffahrt betreiben.Footnote 143 Dieser völkerwirtschaftsrechtliche Vertrag wurde auf einer von der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR),Footnote 144 der DonaukommissionFootnote 145 und der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE)Footnote 146 einberufenen diplomatischen Staatenkonferenz, die vom 25. September bis zum 3. Oktober 2000 in Budapest stattfand, ausgearbeitet, verabschiedet und am 20.–22. Juni 2001 von den meisten der heutigen Mitgliedstaaten unterzeichnet. Das Abkommen kommt dann zur Anwendung, wenn der Ladehafen bzw. Übernahmeort und der Löschhafen bzw. Ablieferungsort in zwei verschiedenen Staaten liegen und mindestens einer dieser Staaten Vertragsstaat des Abkommens ist.Footnote 147

Von der Binnenschifffahrt ist der Seeverkehr auf den Weltmeeren zu unterscheiden. Neben verschiedenen Abkommen zum Seeverkehr, die mit Drittstaaten geschlossen wurden, schützt die Union die Schiffe der jeweiligen Mitgliedstaaten gegen allfällige Diskriminierungen durch Drittstaaten. Schließlich vertritt die Kommission die Unionsinteressen als Beobachterin bzw. als Vertreterin der Union in den verschiedenen internationalen Organisationen mit Schwerpunkt im Seerecht, wie etwa in der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO),Footnote 148 eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in London, in der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD),Footnote 149 in der Welthandelsorganisation (WTO),Footnote 150 sowie in der bereits genannten Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Aus materiellrechtlicher Sicht gibt es im Bereich des Seetransportrechts mehrere völkerwirtschaftsrechtliche Übereinkommen. Die besondere Komplexität einer einheitlichen Regulierung ergibt sich sicher auch daraus, dass die Seetransporte den interkontinentalen Warenaustausch heute regelrecht dominieren und somit auch die Interessen der verschiedenen Staaten, Staatenverbünde und Kontinente, auch aufgrund der unterschiedlichen Rechtskulturen und Rechtstraditionen, sehr unterschiedlich sein können.

Für den internationalen Seehandel wurden im Laufe der letzten hundert Jahre eine Reihe von völkerrechtlichen Verträgen geschlossen, um die materiellrechtlichen Verhältnisse im internationalen Transport einheitlich zu normieren. Einen wichtigen Meilenstein – vor allem für die Vereinheitlichung, Verwendung und Anerkennung von Konnossementen bzw. Frachtbriefen, die die zwingenden Mindesthaftungsregelungen des Seebeförderers gegenüber dem Verfrachter regeln, bildete das in Brüssel unterschriebene Übereinkommen vom 25. August 1924 zur Vereinheitlichung von Regeln über Konnossemente, das als Haager Regeln (HR)Footnote 151 bekannt ist. Die Initiative dieses Vertrages ist auf das Comité Maritime International (CMI)Footnote 152 zurückzuführen. Das CMI trieb in den Folgejahren die Anwendung des Vertrages voran, stellte im Laufe der Zeit jedoch einen Ergänzungs- und Reformbedarf der Regeln fest. Dies führte, ebenfalls in Brüssel, zur Unterfertigung des Protokolls vom 23. Februar 1968 zur Änderung des Übereinkommens vom 25. August 1924 zur Vereinheitlichung der Regeln von Konnossementen, das als Haag-Visby-Regeln (HVR)Footnote 153 bekannt ist. Dieser neue, im Jahre 1977 in Kraft getretene Vertrag hat im Wesentlichen die Haftungsbeträge erhöht und die Haftung bei den Ladeeinheiten (Container, Pallets usw.) ergänzt. Am 21. Dezember 1979, immer in Brüssel, wurden die Haager Regeln mit einem 2. Protokoll, dem sogenannten SDR Protokoll 1979,Footnote 154 ergänzt. Dieses Regelwerk erwies sich aber insgesamt als unzureichend und nicht mehr zeitgemäß. So wurde beispielsweise der aufstrebende multimodale Transport nicht bedacht. Infolgedessen wurde auf Initiative der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD)Footnote 155 und der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL)Footnote 156 auf einer Konferenz der Vereinten Nationen in Hamburg, an welcher Regierungsvertreter aus 78 Staaten teilnahmen, das UN-Übereinkommen vom 31. März 1978 über die Beförderung von Gütern auf See, auch bekannt als Hamburger Regeln,Footnote 157 verabschiedet. Ziel der Konferenz war die Schaffung eines umfassenden Seefrachtrechts, das beispielsweise auch auf Seefrachtverträge anwendbar sein sollte, wenn kein Konnossement vorläge. Dieses Seefrachtrecht sollte sich allerdings nicht zu stark vom Landfrachtrecht differenzieren bzw. diesem sogar angenähert werden. So wurde auch eine stärkere Haftung des Verfrachters vorgesehen, was beispielsweise dazu führte, dass die Haftungsfreistellung für nautisches Verschulden abgeschafft wurde. Diese UN-Übereinkunft setzt sich ferner, erstmalig in der Seerechtsgeschichte, mit der Deck-Verlegung von Containern auseinander.

Im Bereich des multimodalen Transports wurden in den Folgejahren weitere Versuche einer Vereinheitlichung unternommen. Leider scheiterte das auf Betreiben der UNCTAD von 77 Staaten am 24. Mai 1980 verabschiedete Übereinkommen der Vereinten Nationen über den internationalen multimodalen Transport von Gütern (MTC)Footnote 158 daran, dass die für das Inkrafttreten notwendigen 30 Unterschriften bei Weitem nicht erreicht wurden. Dabei wird der multimodale Transport für den europäischen und internationalen Handel immer wichtiger. Das Fehlen einer vereinheitlichten Reglementierung wirkt sich wiederum nachteilig auf grenzüberschreitende Wirtschaftsbeziehungen aus. Hier könnte das MTC ansetzen, das den Inhalt heute üblicher Beförderungsverträge in einigen Bereichen modifizieren und verschiedene internationale Beförderungsabkommen – zumindest zum Teil – verdrängen könnte.

Im Rahmen der UNCITRAL wurde aufgrund eines mehrjährigen Projekts, an dem auch das Comité Maritime International (CMI) mitwirkte, das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über die internationale Beförderung von Gütern ganz oder teilweise auf SeeFootnote 159 ausgearbeitet. Dieses wurde am 11. Dezember 2008 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet.Footnote 160 Bei der Zeichnungskonferenz am 23. Oktober 2009 in Rotterdam, weshalb das Übereinkommen auch als Rotterdam-Regeln (RR)Footnote 161 bekannt wurde, unterzeichneten nur sechzehn Staaten das Übereinkommen. Diesen schlossen sich in der Folge einige mehr an. Bis heute haben allerdings nur fünf Staaten – unter den EU-Mitgliedstaaten nur Spanien – das Übereinkommen ratifiziert. Für ein Inkrafttreten ist allerdings die Ratifizierungen durch mindestens zwanzig Staaten erforderlich,Footnote 162 weshalb das Übereinkommen bis heute nicht rechtsverbindlich ist. Staaten, die die Rotterdam Regeln annehmen, ratifizieren und diesem völkerwirtschaftsrechtlichen Vertrag formell beitreten, kündigen gleichzeitig andere Seerechtsübereinkommen, wie die Haager Regeln, die Haag-Visby Regeln, oder die Hamburg Regeln.Footnote 163 Die Umsetzung der Rotterdam Regeln wäre jedochvor allem deshalb wichtig, weil sie einerseits auch Seefrachtverträge ohne Konnossement regeln, dann aber auch eine Regulierung all jener Multimodal-Transportverträge vorsehen, bei denen eine Teilstrecke über das Meer verläuft.

4.3 Luftverkehr

Da der Luftverkehr seinem Wesen nach über die Grenzen der Union hinweg auf eine weltweite Ausrichtung aufbaut, kommt der „Außendimension“ der EU-Luftverkehrspolitik eine wichtige Rolle zu.

Während alte multilaterale Abkommen – wie etwa das Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt (Chicagoer Abkommen) vom 7. Dezember 1944 im Sinne des Art. 351 AEUV zwischen den Vertragsstaaten weiter gelten, hat der EuGH aus Art. 216 i.V.m. Art. 100 Abs. 2 AEUV eine EU-Außenkompetenz im Luftverkehr abgeleitet, weshalb die Union auf diesem Gebiet neue Abkommen schließen kann.

Konsequenterweise – und unter Hinweis auf den Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit von Fluggesellschaften innerhalb der EU – hat der EuGH bilaterale Abkommen von sieben EU-Mitgliedstaaten mit den USA für nichtig erklärt.Footnote 164 Inzwischen wurde ein (gemischtes) EU-USA-Luftverkehrsabkommen geschlossen.Footnote 165

Von zentraler Wichtigkeit für den Binnenmarkt im engeren Sinne, wie auch für die Entwicklung des kontinentaleuropäischen Flugverkehrs im weiteren Sinne, ist die Entwicklung eines einheitlichen europäischen Luftraums (SES),Footnote 166 der vor allem seit dem Jahr 1999 vorangetrieben wird. Ziel dieser Bestrebung ist es, die Effizienz des Flugverkehrsmanagements (ATM),Footnote 167 wie auch der Flugsicherungsdienste (ANS)Footnote 168 und Flugverkehrsdienste (ATS)Footnote 169 im Allgemeinen zu erhöhen, indem die Zersplitterung des europäischen Luftraumes abgebaut wird. Diese Initiative steht prinzipiell nicht nur den EU-Mitgliedstaaten, sondern allen europäischen Staaten zur Verfügung.Footnote 170

In verschiedenen internationalen Luftfahrtorganisationen werden die Unionsinteressen durch die Kommission als Beobachterin neben den Mitgliedstaaten vertreten; wie etwa in der bereits genannten Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO)Footnote 171 mit Sitz in Montreal. In diesem Zusammenhang ist ebenso die 1960 gegründete Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt (auch Eurocontrol)Footnote 172 mit Hauptsitz in Brüssel zu nennen. Es handelt sich hierbei um eine internationale Organisation, die im Jahre 1960 für die Weiterentwicklung der Flugsicherung und Luftverkehrskontrolle in Europa gegründet wurde. Dieser internationalen Organisation gehören sämtliche europäische Staaten, mit Ausnahme von Russland und Weißrussland, an.

Aus materiellrechtlicher Sicht ist das Warschauer Abkommen über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Warschauer Abkommen)Footnote 173 zu nennen, das heute allerdings für viele Staaten, die dem Montrealer Übereinkommen beigetreten sind, überholt ist.Footnote 174 Dieser wirtschaftsvölkerrechtliche Vertrag wurde am 12. Oktober 1929 in Warschau unterschrieben, ist am 13. Februar 1933 in Kraft getreten, und zielte auf die Vereinheitlichung der Bestimmungen über die Beförderung von Personen (Passagierbeförderung), wie auch von Gütern (Luftfrachtverkehr) im internationalen Luftverkehr, ab. Um Anwendung zu finden, musste der Luftbeförderungsvertrag von den Parteien vertraglich explizit vereinbart oder die Staaten, in denen der Abgangs- und der Zielflughafen liegen (beide!), dieses Abkommen ratifiziert haben. Das Abkommen wurde von 138 Staaten ratifiziert. Das Warschauer Abkommen wurde im Laufe der Jahre immer wieder ergänzt und abgeändert.Footnote 175

Mit den Jahren wuchs die Kritik am Warschauer Übereinkommen jedoch, weil es durch die häufigen Änderungen keinen organischen Regelkorpus mehr darstellte und vielen Entwicklungen des Luftverkehrs nicht mehr angemessen Rechnung trug. Dies führte nach Jahren der Vorbereitung am 28. Mai 1999 in Montreal zur Unterfertigung des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, das als Montrealer Übereinkommen (MÜ)Footnote 176 bekannt ist. Auch dieser völkerwirtschaftsrechtliche Vertrag, der seit 4. November 2003 in Kraft getreten ist, regelt den Gütertransport ebenso wie die Personenbeförderung. Im Wesen setzt sich das Übereinkommen das Ziel, einer einheitlichen organischen und in sich harmonischen Regulierung der Haftung von Fluggesellschaften bzw. Luftfahrtunternehmen beim Eintritt von Schäden, die Reisende, Reisegepäck oder allgemeine Fracht und Güter während internationaler Flüge erleiden. Die Europäische Union hat das Übereinkommen von Montreal ausdrücklich genehmigt,Footnote 177 sodass es Teil der Unionsrechtsordnung ist.Footnote 178 Durch die Verordnung (EG) Nr. 889/2002 werden die Vorschriften des Übereinkommens von Montreal auf alle Flüge angewandt, die von Luftfahrtunternehmen der EU durchgeführt werden, unabhängig davon, ob es sich um Inlandsflüge oder internationale Flüge handelt.Footnote 179 Weltweit haben 131 Staaten den Vertrag ratifiziert.

5 Transeuropäische Netze – TEN

Der gegenwärtige Titel XVI, Dritter Teil AEUV enthält die primärrechtlichen Regeln der Transeuropäischen Netze (TEN).Footnote 180 Der Titel wurde im Jahre 1992 mit dem Vertrag von Maastricht geschaffen.Footnote 181 Durch den Begriff „transeuropäisch“ wird suggeriert, dass die von der Regelung betroffenen Netze grenzüberschreitende Bedeutung haben müssen, wobei der Ausbau der Funktionalität des Binnenmarktes sowie volkswirtschaftliche Auswirkungen im Fokus stehen.Footnote 182

Die TEN im Bereich der Verkehrsinfrastrukturen werden auch TEN-VFootnote 183 genannt und umfassen Verkehrsinfrastrukturen im engeren Sinn sowie Verkehrsmanagement-, Ortungs- und Navigationssysteme, wenngleich der Schwerpunkt bei Autobahnen und Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecken liegt.

Die TEN im Verkehrssektor sind jedoch nicht die einzigen transeuropäischen Netze, die Gegenstand der Unionspolitik sind. Die Telekommunikationsinfrastruktur (eTEN),Footnote 184 welche die digitale Versetzung und die dazugehörigen Dienste umfasst, fällt ebenso in den Bereich der TEN. Des Weiteren wird auch die Energieinfrastruktur (TEN-E oder TEN-Energy)Footnote 185 erfasst, wobei hier der Fokus auf der europaweiten Verbindung von Gas- und Elektrizitätsleitungen liegt. Insofern soll mittels TEN der Verkehrsbinnenmarkt und der wirtschaftlich-soziale Zusammenhalt vorangetrieben werden.Footnote 186

Die transeuropäischen Netze können als technische Struktur betrachtet werden, mittels welcher die Grundfreiheiten der Union an Dynamik, Evolution und Stabilität gewinnen.Footnote 187

5.1 Rechtliche Einordnung, Zielvorgaben und Finanzierung

Die Verlagerung von Kompetenzen zum Auf- und Ausbau transeuropäischer Netze auf Unionsebene ist im engen Zusammenhang mit der Verwirklichung des Binnenmarkts zu sehen. Nur durch die Gewährleistung entsprechender technischer Mittel kann die rechtlich verankerte Freiheit der Unionsbürger angemessen verwirklicht werden.Footnote 188 Vor diesem Hintergrund ist die Verankerung der TEN-Politik im Recht der Europäischen Union zu sehen, die gleichzeitig mehrere Überschneidungen zu anderen Unionsregelungen aufweist, etwa Umweltschutz, öffentliche Auftragsvergabe und Wettbewerbspolitik, aber auch zur Verkehrspolitik in Art. 90 ff. AEUV.Footnote 189 Ferner dient die Unionskompetenz im TEN-Bereich auch als Rechtsgrundlage für sämtliche Unionsmaßnahmen zur Entwicklung und Errichtung des europäischen globalen Navigationssatellitensystems GalileoFootnote 190 sowie der Europäischen Erweiterung des geostationären Navigationssystems Egnos.Footnote 191

Die primärrechtlichen Grundlagen der TEN finden sich dabei in den Artikeln 170 bis 172 AEUV.

Art. 170 Abs. 2 AEUV definiert zunächst die Ziele der EU-Netzpolitik als Förderung des Verbunds der nationalen Netze sowie des Zugangs zu diesen Netzen. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich, dass die Union zur Verwirklichung des BinnenmarktzielsFootnote 192 und der EU-StrukturpolitikFootnote 193 zum Auf- und Ausbau transeuropäischer Netze in den Bereichen der Infrastruktur von Verkehr, der Telekommunikation und Energie beiträgt. Durch diese Unterstützung soll der Verkehrsbinnenmarkt und der wirtschaftlich-soziale Zusammenhalt zugunsten der Unionsbürger, der Wirtschaftsbeteiligten sowie der regionalen bzw. lokalen Gebietskörperschaften verwirklicht werden.

Es geht damit um die Verkoppelung, oder besser die „Interoperabilität“, der jeweiligen nationalen Verkehrs-, Telekommunikations- und Energienetze, die bisher noch nebeneinander bestehen und über die TEN-Politik der Union zu einem abgestimmten gesamteuropäischen Verbund hin entwickelt werden sollen.Footnote 194 Die Zielvorgabe nimmt dabei besonderen Bezug auf die Randgebiete der Union, die mit zentraleren Gebieten verbunden werden sollen.

Über den Begriff „Förderung“ soll zum Ausdruck kommen, dass die TEN-Maßnahmen von einzelnen Mitgliedstaaten und allenfalls von privaten Unternehmen durchgeführt werden sollen, die Union hingegen lediglich finanzielle und planerische Unterstützung leistet.Footnote 195 In diesem Sinne fällt die TEN-Politik unter die geteilte Zuständigkeit zwischen Union und MitgliedstaatenFootnote 196 und unterliegt entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip.Footnote 197

So gibt die Union nach Art. 171 AEUV Leitlinien zur Verwirklichung der TEN-Politik vor, die häufig mittels Verordnungen beschlossen werden und im Rahmen von Aktionen bzw. „übrigen Maßnahmen“ – und damit über das Spektrum von Verordnungen, Richtlinien und Beschlüssen – konkret ausgestaltet werden. Die jeweiligen, vom Projekt betroffenen Mitgliedstaaten, müssen die Maßnahmen genehmigen.Footnote 198

Die finanzielle Mithilfe der Union zur Unterstützung der TEN-Politik ist subsidiär, sodass die jeweiligen Mitgliedstaaten die Hauptlast des finanziellen Aufwands tragen und die Mitfinanzierung der Union höchstens 50 % beträgt. Die Finanzierung der Union wird über VerordnungenFootnote 199 festgelegt und kann entweder direkt über die Mittel des EU- Haushalts oder über Kohäsionsfonds bzw. andere Strukturfonds erfolgen.Footnote 200 Daneben beteiligt sich die Europäische Investitionsbank (EIB)Footnote 201 im Rahmen ihres Auftrages zu einer ausgewogenen und reibungslosen Entwicklung des Binnenmarkts im Interesse der UnionFootnote 202 an der Finanzierung der TEN-Projekte. In diesem Zusammenhang wurde im Jahre 2007 die Exekutivagentur für Innovation und Netze (INEA)Footnote 203 als EU-Behörde mit Sitz in Brüssel geschaffen.Footnote 204

Konkrete Beispiele für die TEN-Politik sind etwa transnationale Großprojekte in der Verkehrsinfrastruktur, wie der Brennerbasistunnel,Footnote 205 die Rhein-Rhône-Kanalverbindung, oder allgemeine Anschlussstücke zwischen nationalen Hochgeschwindigkeitsstrecken im Eisenbahnverkehr.Footnote 206

Die Fertigstellung des sogenannten Core Network, also der TEN-V-Kernnetzkorridore, ist für das Jahr 2030 als Teil der Strategien der EU und der Mitgliedstaaten zur Verwirklichung des TEN-V geplant. Um eine koordinierte Umsetzung der TEN-V zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, hat die EU neun sogenannte KorridoreFootnote 207 definiert. Sie bilden gleichsam das Gerüst und die Basisstruktur der Verkehrsadern auf unserem Kontinent. Sie werden durch das Europäische Eisenbahnverkehrsleitsystem (ERTMS)Footnote 208 und die Meeresautobahnen (MoS)Footnote 209 ergänzt.

Gleichzeitig stellen die Art. 170–172 AEUV eine Querschnittskompetenz der Union zu anderen Sachpolitiken, wie der Verkehrspolitik, der Energiepolitik und der Telekommunikationspolitik, dar; sie berühren aber auch andere wichtige Bereiche, wie den freien Wettbewerb, den Umweltschutz usw. Die Bestimmungen sind methodisch jedoch als Spezialvorschriften zu anderen vorrangigen EU-Sachpolitiken zu verstehen. Somit haben sie keine ausschließliche, sondern eine ergänzende Funktion zur EU-Verkehrspolitik.Footnote 210

5.2 Der Brennerbasis-Tunnel als Beispiel der Umsetzung der TEN-V-Politik der EU

Gemeinhin definiert die grundlegende Verordnung (EU) Nr. 1315/2013 die Leitlinien für den Verkehrsbereich zur Verwirklichung eines umfassenden transeuropäischen Verkehrsnetzes im Land-, See- und Luftverkehr mit Entwicklungsperspektive bis 2050.Footnote 211 Weitere spezifische Regelungen haben die Leitlinien näher konkretisiert, etwa zu den Sicherheitsanforderungen bei Straßentunneln.Footnote 212

Bereits im Jahr 1994 hat der Europäische Rat vierzehn Projekte als vorrangige spezifische Vorhaben definiert, auf die sich die Mitfinanzierung durch die Union besonders konzentrieren sollte. Unter diesen Projekten befindet sich auch der in Bau befindliche Brennerbasistunnel (BBT)Footnote 213 zwischen Innsbruck (A) und Franzensfeste (I). Der Bau begann im Sommer des Jahres 2007Footnote 214 und ist heute wohl das größte Verkehrsinfrastrukturprojekt zur Verbindung Deutschlands, Österreichs und Italiens. Der BBT bettet sich in die Eisenbahnachse Berlin–Palermo des Skandinavisch-Mediterranen EU-KernkorridorsFootnote 215 des TEN-V-Programms ein. Konkret handelt es sich um einen 55 kmFootnote 216 langen Eisenbahntunnel für den Personen- und Güterverkehr unter dem Brenner-Pass am Alpenhauptkamm. Obwohl sich die Verwirklichung dieser im Jahre 1994 als prioritär definierten Projekte insgesamt gesehen eher schleppend vollzog, gilt der Brennerbasistunnel als gemeinsames Projekt der Mitgliedstaaten Österreich und ItalienFootnote 217 trotz kleinerer Startprobleme und wiederholter Verzögerungen als Erfolgsmodell der TEN-V-Politik der Union.Footnote 218

6 Ausblick

Aus Gründen, die heute nur noch schwer nachvollziehbar sind, blieb die Europäische Union Jahrzehnte nach ihrer Gründung im Verkehrsbereich untätig. Dabei wäre die gemeinsame Verkehrspolitik für die konkrete Verwirklichung der vier Grundfreiheiten von Anfang an unabdingbar gewesen. Ein Eingreifen des Gerichtshofs der Europäischen Union in den achtziger Jahren war also notwendig,Footnote 219 um der Union den nötigen Impuls und Handlungsauftrag zu erteilen. Heute kann dieser Sektor als echte Triebkraft der Integration angesehen werden, wiewohl in vielen Bereichen noch ein akuter Handlungsbereich besteht.

Verkehr und Mobilität sind nicht nur Gegenstand der europäischen Integration, sondern stellen auch ein Instrument dar, ohne das weder der Personen- und Warenverkehr in Europa noch der transkontinentale Handel denkbar wäre. Daraus könnte man schließen, dass der Verkehrssektor aufgrund der Schaffung eines Raums ohne Binnengrenzen zu den unionsrechtlich am stärksten liberalisierten Bereichen zählt. Dies ist aber nicht oder nur teilweise der Fall. Die Liberalisierung der Verkehrsmärkte ist im Zuge des allgemeinen Binnenmarktprozesses seit Mitte der 1980er-Jahre zwar in wichtigen Teilen erreicht worden. Schwachpunkte bei der Liberalisierung liegen jedoch weiterhin im Schienen- und Personennahverkehr und somit in zwei Bereichen von grundlegender wirtschaftlicher und sozialer Bedeutung.Footnote 220

Der Schienenverkehr ist – nicht zuletzt, weil die Erbringung von Verkehrsleistungen ohne geeignete Schieneninfrastruktur unmöglich ist – in vielen Mitgliedstaaten noch immer fest in den Händen großer staatlicher und öffentlicher Unternehmen. Diese Körperschaften waren seit jeher eng mit der Spitze der öffentlichen Verwaltungen und auch mit politischer Macht verbunden. Dies hat in der Vergangenheit zu einer Ad-hoc-Gesetzgebung im Interesse der staatlichen Eisenbahnen geführt. Bislang gelang es nur wenigen privaten Unternehmen, erfolgreich in den Eisenbahnmarkt einzusteigen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Unionsgesetzgeber aus wettbewerbsrechtlichen Gründen eine Trennung des kostspieligen Eisenbahninfrastrukturbetriebs von der eigentlichen Erbringung von Verkehrsleistungen fordert. Es liegt daher an den einzelnen Mitgliedstaaten, die Gesamtverantwortung für die Entwicklung einer angemessenen Schieneninfrastruktur zu übernehmen.Footnote 221 Erschwert werden entsprechende Bestrebungen insbesondere auch durch den schlechten Zustand des Schienennetzes einiger Mitgliedstaaten.Footnote 222

Eine große Herausforderung der Zukunft wird auch der Schienengüterverkehr innerhalb der EU bleiben. Obwohl die Politik darauf hinarbeitet, dass Güter künftig nur mehr oder zumindest verstärkt auf Schienen und nicht mehr auf Straßen transportiert werden, sieht die Realität (noch) anders aus. In den letzten Jahrzehnten hat der Schienengüterverkehr trotz des Tätigwerdens des Unionsgesetzgebers – man denke an die Verabschiedung der vier „Eisenbahnpakete“ zwischen 2001 und 2016 – nicht wirksam auf die Wettbewerbsfähigkeit des Straßenverkehrs reagiert. Ein erster Grund hierfür liegt in der Fragmentierung des europäischen Eisenbahnmarktes. In vielen Mitgliedstaaten ist die Eisenbahninfrastruktur weiterhin veraltet oder anderweitig ungeeignet für die Bedürfnisse des europäischen Binnenmarktes, verbunden mit der geringen Geschwindigkeit der Züge, denn auf einigen internationalen Strecken fahren Güterzüge mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von nur 18 km/h.Footnote 223

Einen weiteren kritischen Aspekt stellen die administrativen wie auch die technischen Hemmnisse dar, welche die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs in Europa weiterhin einschränken. Hierzu zählen die langwierigen Verwaltungsverfahren, die für die Zulassung von Fahrzeugen und die Ausstellung von Sicherheitsbescheinigungen an Eisenbahnunternehmen erforderlich sind. Aus technischer Sicht können hingegen Einschränkungen der Interoperabilität festgestellt werden, wie beispielsweise unterschiedliche Signalsysteme zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten. Nicht alle Mitgliedstaaten verwenden darüber hinaus die gleichen Elektrifizierungssysteme.Footnote 224 Die Mitgliedstaaten sind nicht einheitlich in der zulässigen Höchstlänge für ZügeFootnote 225 und wenden unterschiedliche Achslastkategorien an. Schließlich fehlt in der EU eine gemeinsame Normalspurweite.Footnote 226

Auch die Erbringung von Personenverkehrsdiensten mit Bus oder Straßenbahn als Teil des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) in Europa liegt hauptsächlich in der Hand öffentlicher Unternehmen, obwohl das Interesse privater Unternehmen am Markteintritt in diesem Bereich immer stärker wahrgenommen werden kann. Es handelt sich jedoch um einen regulierten Markt, auf dem das Streckennetz von den öffentlichen Verwaltungen festgelegt wird. Der EU-Gesetzgeber setzt klar darauf, dass in diesem Sektor die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge durch öffentliche AusschreibungenFootnote 227 erfolgt, in der Erwartung, dass durch einen fairen Wettbewerb den Nutzern ein effizienterer Dienst, besserer Komfort und kundenorientierterer Service geboten werden kann. Die Verbesserung und Effizienzsteigerung der Dienstleistungen muss auch anhand strenger Beihilfenkontrollen erreicht werden. Diese tragen dazu bei, dass der öffentliche Versorgungsauftrag stärker mittels marktkonformer Mechanismen wahrgenommen wird.

Es stellt sich die Frage, ob eine Revision der Verträge bzw. des primären Unionsrechts hinsichtlich der gemeinsamen Verkehrspolitik notwendig geworden ist. Tatsächlich ist die gegenwärtige Normierung in Titel VI im dritten Teil des AEUV (Artikel 90–100) vielfach Gegenstand von Kritik. Immer wieder wird darauf verwiesen, dass die darin enthaltenen Regelungen in ihrer Gesamtheit unzureichend, unstrukturiert und ohne klaren Leitfaden seienFootnote 228 bzw. die Definition der Ziele jene Bestimmtheit vermissen ließe, die für eine der wichtigsten Politiken der Union notwendig oder zumindest angebracht wäre.Footnote 229 Dazu kommt, dass die Bestimmungen in den Artikeln 94, 97 und sogar 98 AEUV mittlerweile obsolet geworden sind.

Eine Revision des EU-Primärrechts wäre auch hinsichtlich der Neudefinierung der Kompetenzen der Union im Verkehrssektor erforderlich. Im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik besitzt die EU geteilte Zuständigkeit,Footnote 230 während die Handelspolitik in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fällt. Da Handel und Transport Hand in Hand gehen, kann das immer wieder zu einer problematischen Asymmetrie führen. Es wäre deshalb sicher ratsam, auch die Verkehrspolitik zu den ausschließlichen Kompetenzen der Union zu erheben. Die ausschließliche Zuständigkeit der EU wäre sowohl in interner als auch externer Hinsicht vorteilhaft. Intern würde es die Beseitigung all jener Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten erleichtern, die den grenzüberschreitenden Verkehr weniger effizient machen, angefangen bei banalen Beispielen, wie der Vereinheitlichung der Eisenbahnbeschilderung in der EU oder der Einführung eines europäischen Eisenbahnführerscheins. Nach außen hin könnte die EU als eine politische Einheit agieren, so wie es etwa die großen Akteure auf dem globalen Markt, also die Vereinigten Staaten oder China, machen. Nur so ist es einem Staat wie China möglich, eine Verkehrsinfrastruktur wie die Neue Seidenstraße zu errichten.Footnote 231

Die Europäische Union hat als wichtiger Akteur des Welthandels in Zukunft keine andere Wahl, als in der globalen Verkehrspolitik als Einheit zu handeln. Nur so können in internationalen Organisationen, wie der WHO, ZKR, Eurocontrol, IMO, ICAO, COTIF die Interessen Europas gewahrt und gestärkt werden. Des Weiteren wird die Öffnung der Märkte von Drittländern für Transportdienstleistungen, Produkte und Investitionen zu den Prioritäten der EU zählen müssen. Die Verkehrsdimension ist daher Thema aller Verhandlungen der Europäischen Union im Handelsbereich, d. h. konkret auf Ebene der WHO, wie auch regional und bilateral.Footnote 232

Die Union wird auch Anstrengungen unternehmen müssen, um einen gemeinsamen europäischen Luftverkehrsraum zu schaffen, der etwa 60 Länder und eine Milliarde Einwohner umfassen wird. Zu diesem Zweck müssen mit den wichtigsten Wirtschaftspartnern auf globaler Ebene umfassende internationale Abkommen über Luftverkehrsdienste geschlossen und Beschränkungen für Investitionen in den Luftverkehr in Drittländern beseitigt werden.Footnote 233

Von erheblicher Bedeutung für die Zukunft wird das Engagement der EU im Satellitensektor sein, wo Europa in der Vergangenheit nie so aktiv war wie die Vereinigten Staaten, Russland oder China. Fakt ist jedoch, dass die Entwicklung und Errichtung des europäischen globalen Navigationssatellitensystems Galileo sowie des europäischen geostationären Navigations-Ergänzungsdienstes Egnos den Verkehrssektor in Europa erheblich unterstützt. Man denke nur an die Navigationssysteme, die heute nicht nur in Autos vorhanden sind, sondern für die Flug- oder Seefahrtsnavigation auf schwierigen Strecken unverzichtbar sind.

Zudem wird sich die Union auch entschieden mit der Revolution des Verkehrs hinsichtlich aufkommender TechnologienFootnote 234 auseinandersetzen müssen, sodass eine intelligentere, umweltfreundlichere und effizientere Mobilität von Personen und Gütern weltweit möglich wird (smart mobility).Footnote 235 Zu derartigen Trends im Verkehrssektor gehören Automatisierung, Digitalisierung und gemeinsam genutzte Mobilitätsdienste. Die Union wird ihr Engagement für diese Technologien verstärken müssen, da sie den Verkehrssektor effizienter gestalten, die Verkehrssicherheit verbessern, die Umweltbelastung reduzieren und die Verkehrsüberlastung verringern muss.Footnote 236