Welche Geheimnisse nahm Rolf Widerøe mit zu seinem Neuanfang in die Schweiz? Darüber steht in den Dokumenten des Zentralarchivs nichts. In den Archiven der ehemaligen Brown Boveri finden sich Informationen über Projektideen für das, was zu einer jahrzehntelangen industriellen Erfolgsgeschichte werden sollte. Patentdokumente in mehreren Ländern berichten von Theorien, die juristischen und ökonomischen Schutzes bedurften. Allerdings soll es jetzt nicht um Technologie gehen. Ein Mann, der mitten im Zweiten Weltkrieg damit beginnt, in Deutschland für die Luftwaffe zu arbeiten, und das an einem supergeheimen Waffenprojekt, muss in vielen Archiven und Zusammenhängen Spuren hinterlassen haben. Oder gelang ihm genau das zu vermeiden? In diesem Fall muss es auch dafür eine Erklärung geben. Nachdem ich Zugang zu neuen Quellen erhalten hatte, formte sich die Frage: Wie viel wusste er selbst von dem, in das er da hineingeraten war? Wusste er viel, ist es interessant. Wusste er wenig, ist es auch interessant. Was wusste er und sagte es nicht? Zum Beispiel:

  • dass er fast verhaftet und nach England geschickt wurde?

  • dass das Projekt aus den Händen der Nazi-Behörden genommen wurde?

  • dass er wusste, dass sein Assistent freigelassen werden würde?

  • dass Hollnack & Co. ihn in Oslo abholten?

  • dass Randers für den amerikanischen Geheimdienst arbeitete?

  • dass Brown Boveri die ganze Zeit im Bilde war?

  • dass es ein ganzes Spinnennetz gab?

Rolf hat nichts von dem Drama erzählt, dass er beim Verlassen Deutschlands kurz vor Kriegsende gerade so eben davonkam, verhaftet zu werden. Dass er und Hollnack unter Beobachtung der Alliierten gestanden hatten. Hollnack, der wusste, dass sich die Briten näherten, gab ihm Geld und sagte: „Lauf! Mach dich nach Hause, solange du die Möglichkeit hast.“ Das war im April 1945. Da hatte Rolf die Wahl, entweder zurück nach Oslo zu fahren und Gefahr zu laufen, von norwegischen Behörden verhaftet zu werden, oder in Deutschland zu bleiben und damit zu rechnen, von den Briten verhaftet und nach England gebracht zu werden. Deutschland zu verlassen, bot also dasselbe Catch-22-Dilemma wie die Aufforderung, nach Deutschland zu kommen.

In beiden Fällen hatte Theodor Hollnack eine Schlüsselrolle inne. Am liebsten wäre er mit nach Norwegen gefahren, das deutsche Militärwesen beorderte ihn jedoch zu bleiben.1

Außerdem war er für die britische Armee eine wichtige Person und sollte das Betatron schützen, das aus Sicherheitsgründen weiter in den Norden an die dänische Grenze gebracht worden war.

Wer war also dieser Hollnack? Fünf Jahre jünger als Rolf, bei Kriegsausbruch gerade mal 32 Jahre alt. Geboren in Halle (Saale).2 Vielseitig. Hatte sowohl Naturwissenschaften als auch Sozialwissenschaften studiert und sich zudem auf Organisation und Marketing spezialisiert. War zu Anfang des Krieges Jagdflieger gewesen und hatte sich, als er mit Rolf in Kontakt kam, als Geschäftsmann im Auftrag der Luftwaffe vorgestellt.3 Rolf hatte keine klare Vorstellung von dem, was der Mann außerhalb ihres gemeinsamen Projekts machte, allerdings war klar, dass er vielseitig aktiv war. Er besaß und betrieb ein Unternehmen im Aluminiumsektor und machte Aufhebens um seine guten Verbindungen zu einflussreichen Personen in Berlin. Er betonte, nie einer Partei angehört zu haben, genoss jedoch in wichtigen Kreisen Vertrauen und verfügte über ein Kontaktnetz mit Verästelungen in viele Lager.4 Außerdem befand er sich in einer Position, dank der er Aufträge vom Reichsluftfahrtministerium und anderen offiziellen Organen an Firmen oder Privatpersonen vergab oder vermittelte. Zudem war er sich dem Interesse der Behörden für alles, was mit Kernforschung und Beschleuniger-Technologie zu tun hatte, bewusst. Und er war dahingehend auf dem Laufenden, was der Amerikaner Kerst in Sachen Beschleuniger erreicht hatte, und begeistert, weil es ihm selbst gelungen war, „Generalfeldmarschall Milch persönlich dazu zu bringen, sich für dieses ganze Feld zu interessieren“.5

Mit seinem vielseitigen Hintergrund und organisatorischen Fähigkeiten war Hollnack perfekt geeignet als administrativer Leiter der Gruppe, die die Strahlenwaffe der Luftwaffe entwickeln sollte, die nach Vorstellung der Fantasten Bombenflugzeuge außer Gefecht setzen konnte – das, was später als Rolfs Betatron-Projekt endete.

Schiebolds Vision einer Strahlenkanone

Ebenfalls jemand mit guten Kontakten in die höchsten Kreise des Nazi-Systems war Ernst Schiebold, der Professor, der Röntgenkanonen bauen wollte. Das war Anfang 1943, und das Reichsluftfahrtministerium in Berlin stand unter Druck, Erfolgsgeschichten zu liefern. Für Schiebold ein perfektes Timing. Es wird erzählt, dass Generalfeldmarschall Milch am 5. März 1943 mit Hitler zu Abend gegessen habe und die beiden bis Viertel nach drei in der Nacht Kriegsstrategien diskutiert hätten. Die Niederlage in Stalingrad hatte ihnen einen Schrecken eingejagt, und Milchs klare Botschaft an Hitler lautete: Es brauche etwas Entscheidendes, um Deutschland aus dem Krieg herauszubekommen. Es sei noch immer nicht zu spät. Aber es eile.6

Daher kam es wie bestellt, als Generalfeldmarschall Milch einen Monat später ein Angebot auf dem Tisch lag: ein pathetisch-feierlicher Brief von Schiebold. Der Professor wolle „im Interesse der Landesverteidigung im totalen Krieg“, den Propagandaminister Goebbels ausgerufen hatte, „Vorschläge (…) machen, die ihm als langjährigem Fachmann auf dem Gebiet der Röntgen- und Elektronenstrahlen als neuartig für die Feindbekämpfung erscheinen“7. Einige hundert von Schiebolds Röntgenstrahlenapparaten sollten eine ganze Stadt gegen alliierte Bomber beschützen können. Und mit einigen tausend solcher Kanonen sollte ganz Deutschland zu verteidigen sein. Milch war beeindruckt, gab grünes Licht und Geld. Schiebold hatte bereits früher Aufträge vom Reichsluftfahrtministerium erhalten, leitete ein Forschungsinstitut in Leipzig und war persönlich mit Milch bekannt.

Das Ministerium erteilte Schiebold die Genehmigung, seinem Freund Richard Seifert, dem Inhaber und Leiter der Firma Rich. Seifert & Co., die Röntgenausrüstung für den medizinischen und industriellen Gebrauch herstellte, von dem streng geheimen Projekt zu erzählen. Dies musste jedoch unter einer Bedingung erfolgen: Das Gespräch sollte in Anwesenheit des Ingenieurs und Luftwaffen-Hauptmanns Kurt Fennel stattfinden. Es erfolgte bereits am Samstag, den 17. April. Da trafen sich die beiden unter Anwesenheit Fennels. Sie verabredeten, dass Schiebold den Posten des wissenschaftlichen Direktors und Seifert den des technisch Verantwortlichen übernehmen sollte. Um das Projekt zu tarnen, erhielt es den Decknamen „Röntgenuntersuchung von Panzerplatten“. Insofern die Behörden ihre Genehmigung erteilten, sollte die Arbeit unmittelbar aufgenommen werden. Alle drei unterzeichneten ein handschriftliches Protokoll, woraus anschließend ein dreiseitiges formelles Protokoll mit diversen Anlagen erstellt wurde.8

Jetzt ging es schnell. Bereits am darauffolgenden Dienstag waren sie zur Besprechung in Milchs Büro im Reichsluftfahrtministerium eingeladen, wo Schiebold seine Ideen präsentierte, und jetzt war auch Hollnacks Anwesenheit erforderlich. Vor Ort wurde ein offizieller Forschungsauftrag der Luftwaffe erstellt, mit allen vier – Schiebold, Fennel, Hollnack und Seifert – als Mitverantwortliche. Die Aufgabe wurde als so entscheidend für den Krieg betrachtet, dass sie eine Dringlichkeitsstufe, DE 6224/0109/43, erhielt. Hollnack wurde zum Verwalter von Schiebolds streng geheimem Projekt bestellt. Seifert war realistisch genug zu bezweifeln, dass es möglich sei, innerhalb der geplanten ein, zwei Jahre die komplette Ausrüstung und alle nötigen Hilfsmittel fertigzustellen. Fennel gehörte wie selbstverständlich dazu und wirkt wie ein Joker. Man kann seine Bedeutung nicht übergehen, obwohl seine Rolle unklar war, oder vielleicht gerade deshalb.9

Glaubte der Strahlenfantast Schiebold selbst an die Waffe? Oder wollte er sich unter dem Deckmantel „kriegswichtig“ nur Forschungsgelder beschaffen? War er womöglich Handlanger der Nazis und wollte den Behörden gegenüber Loyalität beweisen, um wiedergutzumachen, dass er einer jüdischen Familie geholfen hatte? Als der pensionierte Teilchenforscher und Widerøe-Biograf Pedro Waloschek 2004 die Geschichte über Schiebolds Todesstrahlen-Idee dokumentierte, hatte er dafür zehn Jahre lang recherchiert.10 „Nicht auf alle Fragen fand Waloschek trotz detektivischer Spurensuche eine Antwort, konnte aber den Deckmantel der braun gefärbten Geschichte ein gutes Stück lüften“, wie ein Rezensent schrieb.11

Die Todesstrahlen-Waffe wird zur Krebsbehandlungsmaschine

Die Physikerkollegen des Urhebers fanden jedoch schnell heraus, dass die Röntgenkanone, die auf wundersame Weise Flugzeuge abschießen sollte, nur ein Hirngespinst war, vollkommen unrealistisch und deshalb gestoppt wurde. Aber – und das ist das Seltsame – das Projekt an sich wurde fortgeführt, allerdings mit einer wesentlichen Veränderung: Nunmehr sollte sich alles um den Bau von Rolfs Betatron drehen. Das Strahlenwaffenprojekt der Deutschen war also mit Rolfs Projekt identisch geworden. Ziel waren nicht mehr eine „Kanone“ oder ein „Katapult“, das Todesstrahlen gegen Flugzeuge richtete, sondern lebensrettende Strahlen zum Einsatz in der Krebsbehandlung. Das geschah im Herbst 1944 und überstieg vermutlich bei Weitem das, was Rolf selbst sich jemals vorgestellt hatte, unabhängig vom Grund, der ihn die Stelle bei der Luftwaffe hatte annehmen lassen. Und Schiebold seinerseits hatte jetzt – unabhängig der von ihm verfolgten Absicht – wahrscheinlich auch eingesehen, dass sein Vorschlag nicht realisierbar war.

Der Hintergrund, warum Rolfs Ideen überhaupt hinzugezogen wurden, war, dass das militärische Todesstrahlen-Projekt den Einsatz von zu sehr hoher Energie beschleunigten Teilchen erforderte. Und genau für eine solche Beschleunigung war Rolfs Betatron gedacht. Dadurch wurde die Betatron-Entwicklung zu einem wichtigen Teil von Schiebolds Projekt. Und als die Strahlenkanone aufgegeben wurde, blieb die Luftwaffe mit Rolfs Betatron zurück, das in der Müller-Fabrik in Hamburg gebaut und später aus der Stadt gerettet wurde.12.

So hatte sie angefangen, die Verbindung zwischen Rolf und Hollnack. Wie aber endete sie? Das Betatron war an einen sicheren Ort gebracht und wieder in Betrieb genommen worden. Wo war Rolf? In Wrist? Waloschek gibt an, Rolf mehrfach genau das gefragt zu haben, woraufhin dieser ausdrücklich geantwortet habe, selbst nie in Wrist gewesen zu sein und das Betatron daher nie an seinem neuen Ort gesehen zu haben.13 Hier stimmt jedoch etwas nicht, denn in kürzlich veröffentlichten Briefen von Rolfs Assistenten, Bruno Touschek, an seine Eltern steht, dass Rolf sowohl in Wrist als auch im Büro in Kellinghusen war, wo die Verwaltung abgewickelt wurde.14 Touscheks Verhältnis zu den Behörden in Berlin kränkelte seit Anfang 1945. Ihnen gefiel es nicht, dass er am Betatron mitwirkte, woraufhin er Rolf mehrfach anrief, um nach Rat zu fragen. Rolf wurde bewusst, dass die Bedingungen in der Müller-Fabrik zu problematisch geworden waren, woraufhin er beschloss, die Stadt zu verlassen und dorthin zu gehen, wo das Betatron installiert wurde.

Donnerstag, den 15. März, machte Rolf damit Ernst und fuhr nach Kellinghusen, wo Touschek eine Unterkunft hatte. Ein schroffer Brief seitens der Leitung von Müller zwei Tage zuvor kann zu Rolfs Entschluss beigetragen haben, Touschek zu folgen. Darin wurde er gebeten, unverzüglich eine Mappe mit Konstruktionszeichnungen zurückzugeben. Diese sei ohne Mitteilung entfernt worden und gehöre der Fabrik, nicht ihm.15 Adressiert war der Brief an „Arbeitsstab Dillenburg, zu Hd. Herrn Dr. Widerøe, Wrist/Holstein“. Mit anderen Worten wusste jetzt auch die Leitung von Müller, dass die Testmessungen des Betatrons in Wrist fortgesetzt wurden, und rechnete damit, dass Rolf sich dort bei seinen engsten Mitarbeitern aufhielt.

Freitagabend kehrte Touschek nach Hamburg zurück. Nach einer mitunter dramatischen Fahrt mit einem von einem unerfahrenen Chauffeur gesteuerten klapprigen LKW, Bombenalarm und diversen Pannen war er gegen Mitternacht zu Hause. Halb acht am nächsten Morgen wurde er von zwei Vertretern der Gestapo geweckt und verhaftet. In den kommenden sechs Wochen wurde er zwischen verschiedenen Gefängnissen in und außerhalb Hamburgs hin und her verlegt.

Es herrscht Unsicherheit dahingehend, wann Rolf nach Norwegen zurückgekehrt ist. Um den 10. bis 12. April herum war er jedoch noch in Deutschland, denn da besuchte er Touschek erneut im Gefängnis. Das war vermutlich kurz nachdem Hollnack ihm Geld gegeben und ihn gebeten hatte, das Land zu verlassen. Am Montag, den 30. April, holte Hollnack Touschek aus dem Gefängnis. Am Donnerstag, den 3. Mai, nahmen britische Truppen Hamburg ein, und einige Tage später erreichten diese Kellinghusen und Wrist.

Schluss mit dem Doppelspiel

Theodor Hollnack, der also nicht nur für die Luftwaffe, sondern auch für die Alliierten aktiv war, wandte sich nun umgehend an die britische Spezialeinheit, mit der er in Kontakt stand, und begleitete die Offiziere in die Müller-Fabrik. Dort zeigte er ihnen die Labors und Büros, in denen das Betatron entwickelt worden war. Alle dort noch vorhandenen Dokumente wurden konfisziert. Jegliche Form von Aktivität in der Fabrik war nunmehr untersagt, was die Angestellten wenig begeistert stimmte. Der Mutterkonzern Philips war eifrig darauf bedacht, mit der Betatron-Entwicklung fortzufahren, einem Bereich, in den er bereits viel investiert hatte, und der Leitung fiel es schwer, die Einstellung des Betriebes zu akzeptieren.16

In Wrist hingegen durften Rolfs Mitarbeiter fortfahren. Das hatte Hollnack bereits vor deren Ankunft mit den Briten abgeklärt. Damit konnten Kollath, Schumann und Touschek in Seiferts entlegener Molkerei nahezu ungestört weitere Tests durchführen und Berichte verfassen. Die Tätigkeit war von den britischen Behörden als Staatsgeheimnis deklariert worden, mit dem einzigen Minus, dass der Student Touschek das Betatron-Material nicht in seiner aktuellen Abhandlung verwenden durfte.17 Außerdem unterlagen sie derselben Beschränkung wie alle anderen zu dieser Zeit, die Kontakt zu Forschern anderer deutscher Universitäten und Institute untersagte. Ansonsten war die Situation wie zuvor. Seifert zeichnete für die Materialzuteilung, inklusive Transport, verantwortlich. Hollnack verteilte das Geld und hatte bei Kriegsende noch immer 200.000 Reichsmark vom Budget übrig. Seit dem Umzug im März war er auch für die Unterbringung des gesamten Stabes verantwortlich. Wie lange das Geld der Luftwaffe für den Betrieb sorgte, ist unbekannt, jedoch erscheint es angemessen anzunehmen, dass die Behörden in Berlin die Finanzierung der Arbeit nun ablehnten und die Briten dies mehr oder weniger übernahmen. Um die Fortführung abzusichern, war, was Geld und Kontakte betrifft, wahrscheinlich auch Rich. Seifert & Co. involviert, gleichzeitig hatte auch die Müller-Fabrik Interesse daran, Mittel zur Verfügung zu stellen. Zudem versuchte das Team in Wrist durch die Entwicklung von Patenten auch selbst Geld zu beschaffen. Die Situation in dem vom Krieg verwüsteten Deutschland war chaotisch, und für diese Forscher, die allen voran daran interessiert waren, ihre Beschleuniger-Forschung zu betreiben, ging es darum, Wege zu finden, um weiterzumachen.

Im August befand sich Touschek in Hannover und Göttingen, wo ihm angeboten worden war, mit Betatronen zu arbeiten. Aufgrund eines Streits mit Hollnack entschieden die Engländer jedoch, dass er in Wrist bleiben müsse, bis seine Situation geklärt sei. Im Oktober kamen die Professoren, die ihn anstellen wollten, Jensen und Gentner, zur Besichtigung. Im Dezember teilten die Briten mit, das Betatron solle demnächst nach England gebracht werden. Im Februar kam jedoch eine neue Meldung: Das Betatron solle nach Hamburg an die dortige Universität, inklusive der Schlüsselpersonen des Projekts. 18

In einem Monatsbericht von Mitte November bis Mitte Dezember über die Tätigkeit schreibt Kollath, dass nach seinem Wissen nach mit dem 1. Januar 1946 nicht mehr viel Geld vom Budget übrig sei und er ohne Garantie für die Ausbezahlung des Lohns nicht wisse, ob es ihm gelänge, das Forscherteam noch sehr viel länger in Wrist zu halten. Es ist nicht bekannt, an wen er den Bericht geschickt hat, jedoch bittet er darin einen Herrn Barns um die schriftliche Bestätigung des Empfangs, entweder direkt oder durch die Engländer.19 Einer möglichen Theorie zufolge handelt es sich um einen Schreibfehler des Namens einer der Forscher im Woolwitch Arsenal, dem Labor in England, an welches das Betatron später als Kriegsbeute geschickt wurde. Der Physiker D. E. Barnes war dort eine der zentralen Personen. Ausgehend von dem, was Rolf in der Biografie sagt, scheint er selbst geglaubt zu haben, die Maschine sei bereits im Dezember 1945 nach England gebracht worden.

Wichtig war, dass sich das Betatron in Sicherheit befand, vor den Deutschen und vor den Russen gerettet, und dass Rolf und seine Mitarbeiter sicher waren. Ihm war es gelungen, kurz vor dem deutschen Kollaps nach Oslo zu gelangen. Die Briten hatten es auf Rolf und Hollnack abgesehen, und beide hatten unter Beobachtung gestanden.20,21

Eines Tages ist also Schluss mit Hollnacks Doppelspiel. Am 31. Januar wird er von den Briten verhaftet, und am Tag darauf liefert er seinen Gesamtbericht an Oberst F. Read von BAOR (British Army of the Rhine).22 Theodor Hollnack war seit längerer Zeit für die Alliierten aktiv gewesen. Er hatte sich mit beiden Seiten gut gestellt, sowohl mit den Deutschen als auch mit den Briten. Jetzt war es vorbei. Alle Karten auf den Tisch. Die Briten griffen begierig zu.

In den National Archives in England liegt eine Mappe mit der Registrierungsnummer FO 1032/230 und dem Wort „Hollnack“ im Betreff-Feld. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie seit Erstellung 1946 nicht geöffnet wurde.23 Früher hatte der Großteil solcher Dokumente eine 30-Jahres-Klausel. Viele trugen daher den Stempel, 1977 freigegeben werden zu können. Einige jedoch sollten länger unter Verschluss bleiben. Das änderte sich, als 2000 der Freedom of Information Act in Kraft trat. Die 30-Jahres-Regel wurde abgeschafft, stattdessen werden die Dokumente jetzt einzeln beurteilt.24 Das führte dazu, dass in den letzten Jahren nahezu kontinuierlich Archive geöffnet wurden, die zuvor verschlossen waren. Damals jedoch, als die Dokumente frisch waren, eilte es, und die Forschungsabteilung des britischen Hauptquartiers in Deutschland stürzte sich auf den Inhalt der Dokumente, sobald sie in Reichweite gelangten. Hollnack hatte den Bericht über sich selbst auf Deutsch geschrieben, und in der Notiz an das Übersetzungsbüro vom 6. Februar 1946 wurde darum gebeten, dass man eine englische Version bereits am nächsten Abend erhalten müsse, „as it is very urgent required“. Das gelingt den Übersetzern, im Begleitbrief betonen sie jedoch, „dass es ihnen aufgrund von Zeitnot nicht möglich war, ordentlich Korrektur zu lesen, und dass deshalb mögliche Schreib- und Grammatikfehler akzeptiert werden müssen“. Diese sind im Text auch zu finden, der Inhalt stimmt jedoch.25

Hollnack berichtet anscheinend bereitwillig – vom Betatron, von Rolf und allen Beteiligten. In dem Text findet sich eine Menge an Informationen, auf die Rolf niemals eingegangen ist. Was wir nicht wissen ist, ob auch Hollnack mehr wusste, als er preisgegeben hat. Als Doppelspion stand er selbstverständlich unter großem Druck. Inwieweit sein Verhalten in der letzten Zeit davon geprägt oder ob er von vornherein leicht paranoid war, ist schwer zu beurteilen. Er erscheint als komplexe Person. Nett und zänkisch zugleich. Tüchtig und mit einem Gerechtigkeitssinn ausgestattet, der ab und an überhandnahm. Es wäre jedoch falsch, ihn als schwierig zu bezeichnen, denn sich in so vielen Kreisen zu bewegen, wie er es tat, erforderte Flexibilität.

Kellinghusens Mussolini

Gegen Kriegsende sowie in der Zeit danach reagiert das Umfeld auf sein Verhalten. Der junge Mann, der als Kurier fungiert hatte, räumte später sein

en Verdacht ein, dass Hollnack die Alliierten mit Informationen versorgt habe. Rolfs Assistent Touschek schrieb in einem Brief an seine Eltern, dass Hollnack nunmehr „grandiose Ambitionen“ habe, dass er „zu den Medien ginge, wenn er nicht bekam, was er wollte“, und dass ihn einige in der Tat als „Kellinghusens Mussolini“ bezeichneten.26 Zwar war Hollnack in seine Freilassung involviert gewesen, aber vielleicht nicht so stark, wie er selbst es vermitteln wolle, schreibt Touschek. Letztendlich wurde er also gefasst. Als zwei Offiziere der Forschungsdivision der britischen Militärabteilung in Bad Oeynhausen am 29. Januar 1946 das Labor in Wrist aufsuchten, war die Sache vorüber. Bei den beiden handelte es sich um den Sicherheitschef, Dr. Ronald Fraser, und den Kontrolloffizier, Oberst F. Read. Die Absicht war klar. Sie sollten sich „die Aktivitäten von Dr. Hollnack, dem von General Milch eingesetzten Verwaltungschef“, ansehen. In seinem Bericht machte Read keinen Hehl aus seiner Abscheu gegenüber dem Mann, nannte ihn einen „aggressiven Typ“, der „irritiert [wirke], dass seine Tätigkeit untersucht werden sollte“.27 Im selben Bericht schrieb er auch über das Verhör eines Mitglieds des Uranprojekts, Dr. Kurt Diebner, den das örtliche Sicherheitsbüro der Briten für suspekt hielt und der später zu jenen gehörte, die nach England gebracht wurden. Der britische Kontrolloffizier hielt Diebner jedoch nicht für schlimm genug, um ihn zu verhaften, und begnügte sich damit, ihm eine Meldepflicht aufzuerlegen. An Hollnack hingegen war er interessiert und bat ihn um volle Rechenschaft, Details über alle Angestellten und eine komplette Ausstattungsliste des Widerøe-Projekts.

Nachdem sie das wissenschaftliche Personal in Wrist verhört und sich einen ersten Eindruck verschafft hatten, waren sich die beiden Offiziere einig, dass Hollnacks Haltung „äußerst unzufriedenstellend“ war, und Fraser befürchtete, er könne den Versuch unternehmen, die Ausrüstung zu sabotieren. Bereits am nächsten Tag bittet Read darum, dass sofort Maßnahmen zur Verhaftung von Hollnack und „dessen männlichem Sekretär“ getroffen würden. Das wurde veranlasst, und am nächsten Morgen, dem 31. Januar 1946, erfolgte die Verhaftung. Mit dem „männlichem Sekretär“ war der Kurier gemeint, also jener junge Mann, der sich als Niederländer ausgegeben und unter diversen Identitäten operiert hatte.

Am 4. Februar fuhr Oberst Read erneut nach Hamburg, um das Verhör von Hollnack zu diskutieren. Dort erfuhr er, dass Major Coleman vom Sicherheitsbüro Hollnack persönlich verhört und zwei, drei Mal mit ihm gesprochen hatte. Coleman „glaubte nicht, dass er irgendwie gefährlich war“, brachte ihn jedoch dazu, seine Lebensgeschichte aufzuschreiben, wie es für Verhaftete üblich war. Die biografischen Angaben samt diverser Berichte über das Betatron-Projekt, die Mitarbeiter und die Ausstattung schickte Read an seine Vorgesetzten. Im Begleitschreiben informierte er über seine Entscheidung, Hollnack freizulassen, ihm jedoch den Zugang zum Labor zu verwehren.

Danach fuhr Read zurück nach Wrist, wo er auf Kollath traf, Rolfs Stellvertreter und nach dessen Abreise nunmehr amtierender Chef. „Ich erklärte ihm alles und informierte ihn über die geplante Schließung und Kündigung des gesamten Personals“, schreibt der Offizier in seinem Bericht. Ein innerer Kreis namentlich genannter Mitarbeiter sollte aber behalten werden, und der wachhabende Unteroffizier erhielt Bescheid, dass nur Wenigen Zugang zu dem Gebäude gestattet war: Das galt allen voran für Kollath, Schumann und Touschek, außerdem für einige Sekretärinnen, ein paar Mechaniker und eine Reinigungskraft, nicht jedoch für Hollnack. Zum Schluss empfahl Read Fraser, er solle sich der „Übereignung“ des Betatrons annehmen.

Hollnack wird recht schnell freigelassen, ist jedoch vom Betatron-Projekt ausgeschlossen. Er ist verletzt und enttäuscht, und nicht zuletzt wichtig für ihn selbst: ohne Einkommen. Einige Wochen später beklagt er sich beim Sicherheitsdienst über Reads Befehl, dass auch seine privaten Finanzen von Kollath verwaltet werden sollen, der zu diesem Zeitpunkt im Übrigen im Begriff war, den Ort zu verlassen, und die Aufgaben an Hollnacks Nachfolger delegiert hatte.28 Einem Brief Reads an die Sicherheitsleitung zufolge hatten sie jedoch keinerlei Interesse an Hollnacks Privatbesitz, und faktisch habe es auch nie irgendeine Anweisung an Kollath gegeben, diesen einzufrieren. „Sollten Hollnacks Habseligkeiten dennoch beschlagnahmt worden sein, wäre ich sehr dankbar, wenn Sie Schritte zu deren Freigabe einleiten“, schreibt er an Major Coleman. Er beendet den Brief mit der Hoffnung, dass sie in der darauffolgenden Woche die Anlagen in Wrist endlich schließen konnten, das heißt Ende März 1946.29

Der Kontakt mit Rolf wird wieder aufgenommen

Nun war ein Jahr vergangen, seit Rolf die Gruppe in Wrist verlassen hatte, und weder er noch sie hatten in der Zwischenzeit Kontakt aufgenommen. Am 30. März 1946 schreibt Kollath an Rolf, konstatiert, dass es nun endlich möglich sei, Briefe ins Ausland zu senden, und unterstreicht seine Hoffnung, dass Rolf keine Unannehmlichkeiten habe, wenn er Post aus Deutschland erhält. Es ist der erste Brief von mehreren, in denen er ihn über die Ereignisse des vergangenen Jahres informiert. Einen Tag zuvor hatte Touschek geschrieben. Kollath und er hatten sich darauf geeinigt, dass beide schreiben, jedoch unabhängig voneinander, damit Rolf die Informationen von mehreren Seiten erhielt. Touscheks Brief erreichte Rolf erst über drei Monate später, am 8. Juli. Da hatte Touschek bereits zwei weitere Briefe geschrieben. Auch Seifert meldet sich per Post bei Rolf. Und diese vier – Kollath, Touschek, Seifert und Rolf – versuchen nun aufzudröseln, was eigentlich passiert war. Die ehemaligen Mitarbeiter sprudeln regelrecht über vor unterdrücktem Erzähldrang und Neugierde. Die Themen kreisen im Großen und Ganzen um drei Dinge, zugleich sagen die Briefe viel sowohl über das Nachkriegschaos in Deutschland als auch über das enge Verhältnis der Betreffenden aus.

Das persönliche Verhältnis: Es ist die Rede von Paketen mit Lebensmitteln, die Rolf und seine Frau ihnen schicken und für die sie große Dankbarkeit äußern. Sogar Kollaths Sekretärin hat eine sehr willkommene Sendung erhalten, während sich Touschek für die zugeschickten Zigaretten bedankt und ziemlich unverhohlen um mehr bittet. Einige Male erwähnen sie beschämt auch ihre Besorgnis um Pakete, die nicht angekommen seien. Kollath bittet Rolf, seinen kranken elfjährigen Sohn in einer Einrichtung im Ausland unterzubringen, wo er nahrhaftes Essen und gute Pflege erhält. Touschek lässt sich bezüglich eines Stellenangebots aus England beraten. Schreibt, dass die Engländer ihm schließlich geholfen hätten, und in noch höherem Maße Rolf, dass er den Gedanken in mehrfacher Hinsicht verlockend fände, sich aber frage, wie es wohl sei, als „Ex-Feind“ nach England zu kommen. Ein anderes Argument, das er in die Betrachtung einbezieht, lautet: „Ohne Essen kann man nicht arbeiten.“ Überhaupt sind die drei deutschen Kollegen froh, dass es jetzt möglich ist, den Kontakt zu Rolf wiederaufzunehmen, und äußern ihre Hoffnung auf ein Wiedersehen, wenn sich die Zustände in Europa normalisiert haben.

Information: Was war in Wrist geschehen, nachdem Rolf sie im April 1945 verlassen hatte? Es brauchte seine Zeit, die Chronologie zu ordnen, wenn Antwortbriefe und neue Briefe einander kreuzten, man nie wusste, ob sie zensiert wurden oder wann sie ankamen. Kollath und Rolf begannen faktisch ihre Briefe zu nummerieren, K1, K2 usw. bzw. W1, W2 usw. Besonders interessiert sind sie an dem mysteriösen Hollnack. Mit großen und heftigen Gefühlen schmückt Touschek aus, wie schwierig er am Ende war. Kollath äußert sich diplomatischer, schreibt, dass Hollnack ihm erhebliches Kopfzerbrechen bereitet und jetzt jeglichen Kontakt zu ihm abgebrochen habe, und das in einer Weise, dass Kollath kein Interesse hätte, ihn wiederaufzunehmen. Lange hatte er versucht, zwischen Touschek und Hollnack zu vermitteln, letztendlich aber hart durchgreifen müssen. Im Kern drehte sich der Streit darum, wer über Leute und Mittel herrschen sollte. Die Arbeit mit dem Betatron an sich war seit Mai 1945 schwierig gewesen. Zuerst hatte es auseinandermontiert, in einem Keller versteckt und anschließend unter großen Hindernissen wieder aufgebaut werden müssen, die Details diesbezüglich wolle Kollath Rolf jedoch ersparen, wie er schreibt. Auch hatte er Patentberater Sommerfeld gebeten, mit seinem Besuch in Wrist zu warten, bis die Sachlage klarer war. Noch immer gab es Rechnungen, die nicht geklärt waren, worüber er sich zuerst mit Rolf beraten wolle.

Forschung: Ihr Alltag aber ist die Physik, und nachdem sie sich die Frustration und Aggression heruntergeschrieben und Rolf hinreichend auf den neuesten Stand gebracht haben, ist ein immer größerer Teil der Briefe vom Austausch von Funden und Theorien hinsichtlich der Weiterentwicklung des Betatrons bestimmt. Ein anderes Thema sind die Konkurrenten bei Siemens. Die Berichte der ehemaligen Mitarbeiter verraten, dass das vergangene Jahr nicht ganz so einfach verlaufen war, wie Rolf es später in der Biografie ausdrückte. Diesen fachlichen Kontakt führen sie über viele Jahre hinweg fort, und eine Zeit lang ist die Rede davon, dass Kollath zu Rolf in die Schweiz kommen und dort arbeiten solle. Auch Seifert erweist sich als ein eifriger Briefeschreiber. Als Geschäftsmann hat er ein Gespür dafür, wie Rolf das Betatron verkaufen kann, und schlägt ziemlich schnell die USA als einen möglichen Markt vor.30

Kollath war bis April 1945 in Wrist. Anschließend hatte er ein Jahr lang seine Basis an der Universität in Hamburg, wo er unter anderem an einem Betatron mit 50–60 meV als Ziel arbeitete. Er versuchte den Kontakt zu alten Kollegen an der Universität sowie in der Müller-Fabrik aufrechtzuerhalten. Unter anderem war die Rede davon, einen Professor aus Heidelberg nach Hamburg zu holen, der sich letztendlich jedoch für eine andere Universität entschied. Er stand auch im Dialog mit Vertretern von Brown Boveri in Mannheim, die er zu einem gemeinsamen Treffen mit seinem ehemaligen Chef zu bewegen versuchte. Zudem wurde Rolfs Patentberater in der Frage hinzugezogen, wann und wie er Patente beantragen sollte. Im Juni 1947 nahm Kollath seine Arbeit im Labor im englischen Woolwich Arsenal auf, wo sich das Betatron nunmehr befand. Im Februar 1948 kehrte er nach Hamburg zurück, wo er Professor wurde.31

An die zuständige Stelle

Nachdem Kollath Wrist verlassen hat, vergeht trotzdem eine Weile, bevor ein Schlussstrich gezogen werden kann. Im Juli wird im Sicherheitsbüro der Briten ein Dokument mit der Überschrift „An die zuständige Stelle“ formuliert, welches darüber informiert, dass der Hollnack betreffende Fall „mit vollster Kenntnis und Genehmigung von diesem Büro zufriedenstellend abgeschlossen“ wurde.32 Ganz abgeschlossen ist er dennoch nicht. Der Mann ist für die Briten offensichtlich eine Last, und am 25. Juli 1946 geht ein heftiger Brief an Kollath mit der Nachricht raus: „Die persönlichen Papiere von Herrn Hollnack müssen ihm unmittelbar zurückgegeben werden, sollte es keinen Grund geben, diese zu behalten.“33

Im Oktober hatte Hollnack seinen Privatbesitz, Papiere, Manuskripte und sogar Kleidungsstücke, die man ihm im April weggenommen hatte, aber noch immer nicht zurückerhalten. Erneut beklagt er sich bei Read. Der Protest gegen die Eigentumskontrolle in Kiel habe nicht geholfen, schreibt er, obwohl ihm der Chef des Sicherheitsbüros kurz zuvor versichert hätte, dass nicht die Absicht bestehe, etwas mit seinem Hab und Gut zu unternehmen. Hollnack betont, dass sein Interesse nur den privaten Papieren gelte, die er zurückhaben wolle, und bietet an, sie stets zur Inspektion bereitzuhalten. Der Ton hat an Schärfe gewonnen. Jetzt bittet er um schriftliche Antwort.34

Dann verschwindet Hollnack für eine Zeit lang von der Bildfläche. 1947 meldet er sich jedoch telefonisch bei Rolf und teilt mit, er wolle ihn unter vier Augen sprechen. Sie treffen sich in Deutschland, bei Waldshut, in der Nähe der Schweizer Grenze. Dabei macht Hollnack deutlich, dass er gewisse Ansprüche hinsichtlich der Patente habe, die Rolf in der zweiten Hälfte des Krieges angemeldet hatte und die sich jetzt als wertvoll erwiesen. Aber der Deutsche, der sich nunmehr Kolberg nennt, kann seine Ansprüche nicht beweisen. Rolf erklärt ihm, dass die Rechte der zwölf Patente, die er zwischen 1943 und 1945 angemeldet hatte, Brown Boveri in der Schweiz gehören, wo er jetzt angestellt ist. Aber Hollnack alias Kolberg will aus irgendeinem Grund nichts mit dem Unternehmen zu tun haben. Später hat Rolf erzählt, dass Hollnack ziemlich verdutzt wieder abgefahren sei. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass gerade er nicht gewusst haben soll, wie Rolfs Verhältnis zu Brown Boveri während des Krieges war. Aber vermutlich hatte er es versuchen wollen, und hinsichtlich der Verwirrung rund um die Kriegspatente war er nicht allein. Das ist der letzte bekannte Kontakt zwischen den beiden.

Hollnack wurde hinsichtlich seiner finanziellen Lage offenbar immer verzweifelter, zudem war er nicht gesund. 1948 wandte er sich mit der Frage nach einer Stelle in Form eines Briefes an das regionale Forschungsbüro in Kiel an seine alten Kontakte der British Army of the Rhine. Zurück kam eine Standardantwort, dass im Augenblick keine geeignete Stelle frei sei, man jedoch an ihn denken würde, sollte sich dahingehend etwas ergeben.35 Von da an ist er aus allem verschwunden, was mit dem Physikmilieu in Deutschland zu tun hat. Es war ihm gelungen, in seinem großen Bekanntenkreis – und letztendlich auch rund um seine eigene Person – für sehr viel Wirbel zu sorgen. Keiner wusste genau, wo er sich befand. Jetzt war das wortwörtlich zu nehmen.

Kurz gesagt: Zu viel Aufhebens. Zu viele Interessen. Menschen, die flüchten, verhört, inhaftiert werden. Die verzweifeln, verteidigen, verschwinden. Man ist sich nicht richtig sicher, wer auf welcher Seite steht, von Nazis, Helfern und Überwachern. Und dann Rolf mittendrin. Ohne ihn hätte es kein Betatron-Projekt gegeben. Auch er wurde überwacht. Entging jedoch der Verhaftung. Geradeso. Als die Alliierten kamen, war er außer Landes. Aber sein Assistent wurde verhaftet. Und sein Chef. Ob Rolf danach etwas sagte? Das Drama erwähnte? Erzählte, dass er geradeso entkommen war? Nein.

Aber da war mehr. In dem Bericht, der zu Hollnacks Verhaftung führte, werden zwei Organisationen erwähnt, bei denen Rolf im Bilde ist und worüber er in der Biografie auch nichts erzählt. Das ist aufsehenerregend, wenn man sieht, wie zentral beide Organisationen für alles waren, was mit seinem Deutschland-Aufenthalt während des Krieges zu tun hatte. Entweder hat er nichts von ihnen gewusst oder er hat nichts über sie erzählen wollen. Beides erscheint heute fragwürdig. Eine der beiden Alternativen muss jedoch richtig sein. Der Doppelspion und „Treuhänder“ Hollnack hatte weitere Karten im Ärmel.

  • dass das Projekt von den Nazi-Behörden losgelöst wurde

Rolf hat nie erwähnt, dass das Betatron-Projekt 1945 einen Namenswechsel erfuhr. Dass es danach MV-Forschungs-Vereinigung“ / „MV-Research-Association“, heißen sollte, mit Schrägstrich dazwischen und vier Anführungszeichen, oder der Einfachhalt halber: Megavoltorganisation. Die Abkürzung MV stand für Megavolt, und auch zuvor hatte man über die Betatron-Gruppe bereits als MV-Forschungs-Vereinigung oder ähnliche, auf hohe Energie und Forschung anspielende Namen gesprochen.36 Für gewöhnlich wurden die Namen „Widerøe-Gruppe“ und „Arbeitsstab Dillenburg“ verwendet. Der neue Name war zweigeteilt, der erste Teil deutsch, der zweite englisch. Nicht nur umständliche deutsche Erbsenzählerei, sondern ein klares Signal von etwas Neuem. Denn es war mehr als nur ein Namenswechsel. Es wurde eine Stiftung gegründet mit eigener Verordnung und einer Reihe damit verbundener formeller Dokumente, die Rechenschaft über den Verbleib und die Hintermänner ablegten. Zuvor war es ein auf Initiative der obersten Forschungsbehörde durchgeführtes Forschungsprojekt der Luftwaffe gewesen. Jetzt sollte es eine freie und unabhängige Organisation mit eigener Leitung sein. Die Änderung erfolgte am Freitag, den 4. Mai 1945, wenige Tage vor der deutschen Kapitulation.

Warum hat Rolf das nicht erzählt? Wusste er es nicht? Er stand doch auf der Kopienliste aller Stiftungsdokumente und Berichte. Die Tätigkeit sollte sich um den „Bau von Betatronen nach Widerøes Idee und Anweisung“ drehen. Rolf aber war verduftet. Irgendwohin nach Dänemark. Im Zug. Bei der Familie in Oslo. Mit Tausenden anderer, des Landesverrats verdächtigter Norweger in Untersuchungshaft. Irgendwo, nur nicht in Wrist. Woher konnte er überhaupt etwas wissen? Wahrscheinlich wussten die Alliierten längst mehr als er. Später kam heraus, dass er zumindest etwas wusste. Was für einen Grund hatte er dichtzuhalten?So hätte er bei Bekanntgabe der Loslösung des Betatron-Projekts von den Nazi-Behörden auch mehr über die bisherige Anbindung hätte sagen müssen, aber darüber wollte er nicht mehr als nötig reden. Viel deutet darauf hin, dass Rolf auch seinem Biografen Waloschek nichts darüber erzählt hat.

Aber es gibt andere Quellen als die Hauptperson selbst. Zum Beispiel schrieb Rolfs Assistent an seine Eltern, dass sie versucht hätten, das Betatron zu bergen, und dies auch für möglich hielten. In diesem Zusammenhang erwähnte er die Gründung einer neuen Organisation.37 In einem späteren Brief berichtete er davon, mit Hollnack in Wrist und Kellinghusen gewesen zu sein, wo sich die anderen Mitarbeiter von Rolf aufhielten. Die Absicht habe darin bestanden, zur Fortführung des Projekts beizutragen. Rolf schreibt er, dass in diesen ersten Monaten nach Kriegsende wenig zu tun war. Die 30 bis 35 Leute in Wrist würden zum Schein Wochenberichte schreiben und sie Hollnack auf den Tisch legen, er selbst würde viel bei der Übersetzung ins Englische helfen.38

Im Dienst des wissenschaftlichen Interesses der Welt

Vier Wochen nach Gründung der Megavoltorganisation, das heißt Anfang Juni 1945, stellte Hollnack für die britische Militärregierung eine Mappe mit Dokumenten zusammen. Darin erklärte er das Zustandekommen der Organisation, gab Auskunft über die Hintermänner, das Erreichte und nicht zuletzt über das weitere Schicksal nach der deutschen Kapitulation, wie er und die anderen es sich bestenfalls vorstellten.39 Rolf wurde als Verantwortlicher und Empfänger einer Kopie benannt. Zu diesem Zeitpunkt jedoch war Rolf in Ilebu im Gefängnis, wo er kaum über den neuesten Stand informiert war. Die Mappe ist umfangreich und beinhaltet ein längeres Begleitschreiben. Es ist auf Kellinghusen, den 9. Juni 1945, datiert und auf Deutsch verfasst.40 Da es sich bei der neuen Organisation um eine Fortführung von Rolfs Projekt handelte – jetzt allerdings losgelöst von deutschen Behörden –, werfen die Dokumente auch Licht auf Rolfs ursprüngliches Hamburg-Projekt und Hollnacks Beschäftigung mit Rolf.

In dem Schreiben erinnert Hollnack auch an einen früheren Brief, in dem er Punkte angesprochen hatte, die noch immer nicht geklärt sind, unter anderem der Wunsch, mit der Arbeit an den Betatronen fortzufahren, bis ein endgültiger Beschluss der Alliierten vorlag. Ebenfalls bittet er um die nötige Bewegungsfreiheit und die Erlaubnis, Verhandlungen bezüglich internationaler Verträge aufnehmen zu dürfen. Er verweist darauf, dass es sich um die Ideen von Rolf Widerøe handele und dass es ihm in den vergangenen Monaten nicht gelungen sei, hinsichtlich der Rechte mit dem deutschen Patentbüro in Kontakt zu treten. Er unterstreicht, dass er als „Treuhänder von Dr. Widerøe, Oslo“ und nicht als Vertreter seines Landes agiere, und bittet darum, dies beim Lesen der Dokumente zu berücksichtigen. Abschließend konstatiert er, dass nun alles in den Händen der Alliierten liege.

Eines der von ihm mitgeschickten Dokumente war eine Kopie des Stiftungsprotokolls. Es war auf den 4. Mai 1945 datiert, also den Tag nach der Kapitulation Hamburgs, und nahm zum Ausgangspunkt, dass Deutschland gegenüber den westlichen Alliierten nun eine Niederlage erlitten habe. Daher sei, was internationale Verbindungen und Interessen angehe, für Wissenschaft und Technik nun eine neue Situation eingetreten. Das betraf auch das Betatron-Projekt. Unterstrichen wurde die Wichtigkeit, die Entwicklungsarbeit gemäß dem ursprünglichen Vertrag mit Rolf vom 1. November 1943 fortzusetzen, wobei die Arbeit entsprechend internationalen wissenschaftlichen und ökonomischen Verpflichtungen erfolgen müsse. Das, was bis zu diesem Zeitpunkt „Arbeitsstab Dillenburg“ genannt worden war, sollte mit sofortiger Wirkung aufgelöst werden. Es galt, so schnell wie möglich damit anzufangen, wissenschaftliche und technische Probleme zusammen mit Physikern anderer Länder zu lösen, zudem müsse zerstörte Ausrüstung schnellstmöglich instandgesetzt werden.

Weiter heißt es im Protokoll, dass die Betatron-Arbeit mit dem Gründungstag in Regie der Megavoltorganisation fortgeführt werden solle. Der fachliche Stab befände sich in Wrist, und alle Mitglieder des ursprünglichen Projekts verpflichteten sich, Verträge mit der neuen Organisation einzugehen. Die Megavoltorganisation sollte „unabhängig von persönlichen und industriellen Interessen wissenschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten“ garantieren. Man solle die Verbindung zu involvierten Forschern wiederaufnehmen, sicherstellen, dass alle theoretischen Arbeiten und Konstruktionsunterlagen vorhanden seien, und wenn der Kontakt zu Rolf wiederhergestellt sei, sei man bereit, „den wissenschaftlichen Interessen der Welt zu dienen“. Das Protokoll ist unterzeichnet von Hollnack mit Kopien an Rolf, Kollath, den neuen Geschäftsführer Werner Bartelt und „übrige Mitarbeiter“.41

Wer macht was?

In einem beigelegten Vermerk findet sich eine Aufstellung über die Verteilung von Aufgaben und Verantwortung. An der Spitze der technisch-wissenschaftlichen Leitung steht Rolf, mit Adresse in Oslo, gefolgt von Kollath als Nummer zwei. Danach kommen der Physiker Schumann und der Assistent Touschek. Namentlich genannt werden weiterhin ein Werkstattleiter, ein Laboringenieur, ein Laborassistent, ein Mechaniker, ein Feinmechaniker sowie zwei Büromitarbeiter. Zudem hat Hollnack ein eigenes administratives Sekretariat von sechs, sieben Personen inklusive Sekretärin und Kurier.42 Die juristische Verantwortung werde zu „einem späteren Zeitpunkt“ und „in Abstimmung mit Dr. Widerøe“ festgelegt. Bis formell alles geregelt sei, solle Hollnack in dieser Funktion agieren, heißt es weiter. Der Frage hinsichtlich der weiteren Finanzierung der Arbeit sollte sich Hollnack annehmen, sobald die politischen Verhältnisse in Deutschland geklärt waren. Auf dem Programm stehen weiterhin die Sanktionierung der Arbeit durch die Alliierten, das Finden des nötigen Personals sowie, betreffs juristischer Fragen, der Kontakt mit Rolfs Patentexperten Sommerfeld.

Ziel und Aufgabe der Organisation sei es, die Forschungs- und Entwicklungsarbeit mit Widerøes Betatronen fortzuführen. Wie zuvor dreht es sich um die weitere Entwicklung des 15-meV-Betatrons und der Pläne für das 200-meV-Betatron sowie die schnellstmögliche Inbetriebnahme des 30-meV-Betatrons in Wrist. Ständig wiederholt sich die Formulierung, dass alles gemäß den Plänen von Rolf und in Abstimmung mit ihm erfolgen soll. Erwähnt wird auch, dass benötigte Teile bei Seiferts Firma bestellt werden sollen. Was das 30-meV-Betatron betrifft, wird besonders die Kontaktaufnahme zur Industrie und zu Forschern in Deutschland angeführt. Wichtig sei es auch, ausländische Fachkräfte hinzuzuziehen, wie Niels Bohr in Dänemark, Bragg in England und Serber in den USA. Empfohlen wird auch der Kontakt zu Vertretern industrieller Kreise wie Brown Boveri in der Schweiz und General Electric in den USA. Und sollte es erwünscht sein, gelte dasselbe für Russland.43

Noch immer „Treuhänder“

Eine weitere Anlage besteht aus einem dreiseitigen Bericht vom 18. Mai über das Verhältnis zwischen Rolf und ihm. Über seine eigene Rolle sagt er mit klaren Worten: „Im Jahre 1943 habe ich die Verantwortung für eine konzentrierte Inangriffnahme hinsichtlich Forschung und Entwicklung von Strahlentransformatoren nach der Konstruktion von Dr. Widerøe, Oslo, übernommen.“ Er erklärt seine Aufgabe als „Treuhänder“ und liefert eine pathetische Programmerklärung:

„Nach Beendigung dieses Krieges erscheint es mir als selbstverständliche Pflicht, die bisherigen Ergebnisse den wissenschaftlichen Kreisen des Auslandes ohne Vorbehalt schnellstens zugänglich zu machen. (…) Unter Gewährleistung einer selbständigen, unabhängigen Forschungs- und Entwicklungsmöglichkeit sind zur Mitarbeit maßgebende deutsche Wissenschaftler herangezogen worden, wie Prof. Dr. Heisenberg, Berlin; Prof. Dr. Bothe, Heidelberg; Prof. Dr. Jensen, Hannover.“

Über Rolfs Rolle schreibt er:

„Derselbe ist durch mich im Jahre 1943 nach Deutschland verpflichtet worden und dieser Aufforderung gefolgt aus Motiven, die Gegenstand einer weiteren persönlichen Erklärung werden können. Sie sind aber ehrenhaft, da sie unter Bedingungen erfolgten, die auch eine Persönlichkeit wie Dr. Widerøe im Hinblick auf seinen internationalen Ruf akzeptieren konnte. Als Treuhänder obliegt mir die Verpflichtung für eine Einhaltung der eingegangenen und abgeschlossenen Verträge, insbesondere mit Norwegen und der Schweiz und damit möglicherweise mit England einzutreten.“

Er erinnert daran, dass die Arbeit für jegliche Kernphysik von Interesse sei, und bittet die britische Militärregierung, drei Forderungen zu erfüllen: die Begegnung mit autoritativen Offizieren und Fachleuten der 2. Britischen Armee/T-Force zur Regelung aller Verträge im Hinblick auf Rechte etc., um die Arbeit wiederaufnehmen zu können, die von der britischen Militärregierung unterbrochen worden war. Die Genehmigung einer Reise nach Hamburg zur Erwirkung internationaler Verträge. Bewegungsfreiheit innerhalb Deutschlands für alle Mitarbeiter, ihn inklusive, um Kontakte wiederaufzunehmen sowie theoretische Arbeiten und Konstruktionsdokumente zu sichern. Besonders das 200-meV-Betatron sei von Letztgenanntem abhängig.

Hollnack erklärt sich bereit, sich der Kontrolle und Aufsicht der britischen Militärregierung zu unterwerfen. Zudem schlägt er vor, dass die Arbeit in Wrist und Kellinghusen bewacht wird, und fügt hinzu: „Ich bin außerdem bereit, jede Fahrt unter Begleitschutz innerhalb Deutschlands durchzuführen.“44

Er fügt eine ausführliche technische Dokumentation mit Skizzen und theoretischen Berechnungen bei sowie eine Kopie von Rolfs Doktorarbeit – plus der beiden Artikel, die dieser während des Krieges für die wissenschaftliche Zeitschrift verfasst hatte. Die formellen Dokumente hatte er selbst geschrieben. Die mehr praktisch-fachlichen Beschreibungen, was den Arbeitsablauf betraf, hatte Rolfs Stellvertreter ausgearbeitet.45

Heisenberg et al. sind eingeladen Am 26. Mai erstellen der amtierende wissenschaftliche Leiter Kollath und der neue Geschäftsführer Bartelt auf dem organisationseigenen Briefpapier ein Dokument den Betrieb betreffend. Allen voran sollte ein wissenschaftlicher Rat gegründet werden. Im Jahr zuvor war ein Vorstand gebildet worden, damit es jetzt aber passte, brauchte dieser eine andere Form. Frühere politische, wissenschaftliche und industrielle Verbindungen der Mitglieder mussten verschwinden. Nunmehr konnten zudem fachliche Kapazitäten im In- und Ausland eingebunden werden, was der Krieg verhindert hatte.46 Bereits am 29. Mai schreiben sie einen Einladungsbrief an die Professoren Heisenberg und Bothe, in dem sie sich auf Gespräche zwischen ihnen und Rolf beziehen und in dem die Wissenschaftler gebeten werden, dem Rat beizutreten. Es wird versichert, dass stets die Intention bestanden habe, einen größeren Kreis von Fachleuten in Bereichen wie Kernphysik, Elektrotechnik, Biologie und Materialprüfung zu erreichen, dass die Geheimhaltungsforderung während des Krieges sie jedoch daran gehindert habe. Jetzt wollten sie einen breit zusammengesetzten, wissenschaftlichen Rat etablieren, und für die Zukunft solle die wichtigste Aufgabe der Organisation darin bestehen, „für eine freie und unabhängige Forschung und Entwicklung zu sorgen“. Beigelegt sind Dokumente und Richtlinien für das Unternehmen. Unterzeichnet ist das Schreiben von Kollath für die fachliche Leitung und von Bartelt für die administrative Leitung.47 Eine Einladung erhalten auch weitere deutsche Professoren sowie mehrere internationale Größen, unter anderem Bohr (Dänemark), Bragg (England), Joliot (Frankreich) und Serber (USA).48

Hollnacks Mappe an die Briten sind sowohl eine Kopie des Briefs an Heisenberg und Bothe als auch Vorschläge zu den Verordnungen des wissenschaftlichen Rates, datiert auf den 26. Mai, beigelegt. Darin finden sich Angaben über die geplante Anzahl der Ratsmitglieder, die mögliche Amtsdauer, die Protokollierungspflicht der Sitzungen sowie das Recht der Mitglieder auf Einsicht in alle Tätigkeiten.49 Inkludiert war auch die Einladung an die Briten, „einen infrage kommenden Wissenschaftler“ für die Beteiligung an der Zusammenarbeit „zur Entwicklung der Betatrone nach den Plänen von Dr. Widerøe“ zu bestimmen.50

Was soll man zu all dem sagen? Dass sie Luftschlösser bauten? Dass die Gründung einer neuen Organisation der Beweis dafür war, dass es den Hintermännern an Bodenhaftung fehlte? Oder dass sie das einzig Vernünftige taten und mit der Umorganisation bewiesen, dass sie seriöse Forscher waren?

Auch Rolfs Assistent Bruno Touschek fällt in dem Ganzen eine Rolle zu. Er fühlt sich Hollnack gegenüber verpflichtet, zur Etablierung der Megavoltstiftung beizutragen, ist aber nur halbherzig bei der Sache. In Briefen an Rolf und seine Eltern verrät er, dass er kein großes Interesse an der neuen Organisation hatte, die er als Ego-Initiative von Hollnack betrachtete. Er wundert sich auch, warum sich Kollath auf Hollnacks Seite stellt. Touschek hatte drei Monate Kündigungsfrist und wollte in dieser Zeit loyal sein, hielt sich jedoch streng an die Beschaffung von Patenten zur Sicherung der Finanzlage. Außerdem zeichnete er für den Kontakt zu den Engländern verantwortlich, das heißt zu T-Force2. Britische Armee, wohin Hollnack das ganze Material über die Megavoltorganisation geschickt hatte. Touschek schreibt:

„Ich nahm mich der Verhandlungen mit dem Militärregime an, und für eine kurze Zeit war ich Dolmetscher, und es gelang mir auch, dass unser Projekt in T-Force aufgenommen wurde, was in einer von Plünderung und Verwüstung geprägten Situation notwendig erschien.“51

Topsecret

Was ist T-Force, worauf sich Touschek beruft und wohin Hollnack die Dokumente geschickt hat? Rolf sagt darüber nichts. Alles, was T-Force unternahm, war „secret“ oder „topsecret“. Bis Ende der 1980er Jahre hatte kaum jemand etwas von diesem geheimen Nachrichtdienst gehört, der auf der Jagd nach wissenschaftlichen und militärischen Werten war, die dem Feind in zum Teil James-Bond-artigen Operationen entwunden werden sollten. An und für sich nicht verwunderlich, zumal der Schöpfer des 007-Agenten, Ian Flemming, einer derjenigen war, die T-Force aus der Taufe gehoben hatten. Der Spionageautor war zu diesem Zeitpunkt bei der Armee und verwendete später Elemente daraus in seinem Buch „Moonraker“52 – einem Spionageroman über die große Rakete, die England bauen sollte, wobei die Techniker aber Deutsche waren; als kurz vor dem Probestart ein Notizbuch verschwindet, kommt heraus, dass die mit einem Atomsprengkopf ausgestattete Rakete tatsächlich zur Landung mitten in London programmiert und der Projektleiter ein auf Rache sinnender deutscher Kriegsveteran war. Zu dieser Zeit war es selbstverständlich verboten, diese Art von Geschichten preiszugeben, die einzige Möglichkeit bot die belletristische Form, wobei einige der Beteiligten später angaben, sich in bestimmten Episoden des Agentenromans wiederzuerkennen.

Dann wurden Archive geöffnet und es erschienen Sachbücher über T-Force, erst eines und dann noch eins. Die britische Zeitung The Guardian grub noch mehr unbekanntes Material aus, woraufhin ein neues Kapitel der Geschichte des Zweiten Weltkriegs aufgeblättert wurde.53 Kurz erzählt, verhielt es sich wie folgt:

Die Verantwortung dafür, deutsche Wissenschaftler ausfindig zu machen, oblag einer britischen Spezialeinheit, bekannt als T-Force. Sie wurde bald nach dem D-Day, dem 6. Juni 1944, gebildet, war eine einfach ausgerüstete und äußerst mobile Einheit, die vor den alliierten Truppen loszog, um Objekte von wissenschaftlichem oder nachrichtlichem Wert auszumachen, bevor diese von flüchtenden Deutschen sabotiert oder von der Sowjetunion übernommen werden konnten. Es gab also zwei Ziele: Aufbau der britischen Wirtschaft nach dem Krieg und Verhinderung, dass die Russen an das Wissen der Deutschen gelangten.

Target-Force – oder T-Force – war also eine Eliteeinheit der britischen Militärregierung, die wissenschaftliche und militärische Untersuchungen betrieb. Für die Briten ging es darum, den größtmöglichen Nutzen aus der Kompetenz Hitler-Deutschlands zu ziehen, sowohl kommerziell als auch wissenschaftlich. Die Truppe bestand aus Wissenschaftlern, Bombenexperten, Ingenieuren und Technikern. Die Aufgaben (the targets) wurden vom CIOS (Combined Intelligence Objectives Sub-Committee) festgelegt.54 Sobald eine Gruppe der T-Force die Kontrolle über eine Fabrik oder Anlage übernommen hatte, wurde das CIOS informiert und die Ermittler wurden unmittelbar dorthin geschickt. Machten Gerüchte die Runde, dass die Spione der T-Force unterwegs waren, versuchten deutsche Wissenschaftler vor deren Ankunft möglichst viel Ausrüstung und Dokumente zu beseitigen. Tonnenweise Papier wurden verbrannt, versteckt, vergraben oder an sichere Orte gebracht.

Die Feldarmee, die 2. Britische Armee, an die Hollnack seine Berichte geschickt hatte, überquerte am 23. März den Rhein. Am 4. April erreichte sie die Weser und am 19. April die Elbe. Am 2. Mai kam die Armee in Lübeck an, am 3. Mai kapitulierte Hamburg und am 7. Mai traf sie auf die Rote Armee. Unmittelbar danach erfolgte die deutsche Kapitulation. Mit dem Frieden erhielt die Streitkraft den Auftrag, deutsche Forscher ausfindig zu machen. Rund 1500 Wissenschaftler wurden nach England geschickt, wo sie von ihren konkurrierenden britischen Kollegen in Forschung und Industrie befragt wurden. Nachdem sich der Kalte Krieg entwickelt hatte, ging es mehr und mehr auch darum, die Sowjetunion daran zu hindern, Vorteile aus den Forschungs- und Industriegeheimnissen der Deutschen zu ziehen. Die T-Force war nach Friedensbeginn zwei Jahre lang aktiv.

Die Entführungen der Wissenschaftler erfolgten in der britischen Besatzungszone und wurden von zwei Organisationen durchgeführt. Die eine war BIOS (British Intelligence Objectives Sub-Committee), das an das Kabinett berichtete. Die andere war FIAT (Field Information Agency Technical), eine gemeinsame angloamerikanische militärische Untersuchungseinheit, die Forscher zur „gezwungenen Evakuierung“ aus der amerikanischen und französischen Zone sowie aus Berlin „vormerkte“. Um sich möglichst viel Material zu sichern, war FIAT mit Kopierausrüstung und mobilen Mikrofilmapparaten unterwegs. Rund 1000 Forscher und Techniker, vor allem aus dem Bereich Raketen- und Kernforschung, wurden für die USA rekrutiert.55 Die meisten von ihnen reisten auf eigene Initiative. Gut 100 sollen gezwungen worden sein.

Bis gegen Ende der 1980er Jahre die Aufdeckung von T-Force begann, glaubte man, deutsche Wissenschaftler seien im Großen und Ganzen freiwillig zum Feind übergelaufen, um billig davonzukommen. Dann tauchten Berichte auf, die andeuteten, dass es ebenso gut umgekehrt gewesen sein konnte.56 Dass die Briten verzweifelt darauf aus waren, an das Wissen der Deutschen zu gelangen, und daher diese Forscher auf ihrer Seite haben wollten. Es wurde von Fällen nächtlichen Kidnappings und Gestapo-ähnlichen Methoden berichtet.57 Andere mäßigten ihre Wortwahl und sprachen von Überredung, Entführung zur Befragung und anschließender Rückkehr ins Heimatland. Von mildem Druck und dass es – mit anderen Worten – nicht immer freiwillig geschah. Einzelne britische Ermittler wurden seither beschuldigt, mindestens ebenso Interesse am intellektuellen Eigentum ihrer deutschen Industrierivalen gehabt zu haben wie an den Militärgeheimnissen der Nazis. Persönliche Berichte gaben Auskunft, dass nicht alle Deutschen rabiate Nazis waren, während andere von „grauenvoller“ und „schockierender“ Behandlung sprachen. Das lief wechselseitig.

Rolfs Assistent, Bruno Touschek, ist einer von denen, die meinen, dass es auf das Gleiche herauskam, ob er in den Händen von T-Force oder der Gestapo war. Im Frühjahr und Sommer 1945 erlebte er beides. In der Tat scheint es so, als habe die Gefangennahme durch die britische T-Force den größeren Eindruck auf den jungen Juden gemacht. Gegenüber dem viel älteren und sehr berühmten Professor Arnold Sommerfeld äußert er sich hinsichtlich der Internierung bei den Briten dennoch diplomatisch und sagt lediglich, dass T-Force ihn nicht habe gehen lassen wollen, bevor die alliierte Kommission nicht das Betatron übernommen hatte.58 Dem Vater gegenüber klagte er jedoch über die Behandlung sowohl seitens der T-Force als auch der Gestapo:

„Ich kann Kellinghusen nicht verlassen, bevor sich die alliierte Kommission nicht bezüglich des Betatrons entschieden hat. Daher bin ich praktisch wie ein Gefängnisinsasse in Kellinghusen platziert. Das Essen ist schlecht, ich bin erkältet, und wie zuvor ist es sehr schwer, an Essen zu kommen, auch habe ich kaum was zum Anziehen. Viele meiner Sachen wurden bei der Gestapo gestohlen, und hier gibt es nur unbrauchbare Läden. Die deutschen Offiziere arbeiten nur für Nazis, und die Engländer kümmern sich offensichtlich nicht um solche Kleinigkeiten. Selbstverständlich gibt es Ausnahmen.“59

Zudem meinte er, dass sofort nach Verlegung des Betatrons etwas nicht gestimmt habe. Da waren Personen, die er nicht mochte, „eine Gruppe nicht sonderlich angenehmer Leute, die Hollnack von verschiedenen Spezialeinheiten mit nach Kellinghusen gebracht hatte“.

Die Verbindung zu Rolf

Norddeutschland mit seiner Waffen- und Schwerindustrie, besonders im Gebiet Kiel-Hamburg, war ein begehrtes Ziel für die alliierten Nachrichtendienste, die sich auf der Jagd nach wissenschaftlich wertvollen Kenntnissen befanden. In einem T-Force-Bericht über Untersuchungen in Norddeutschland im Zeitraum vom 2. bis zum 10. Mai 1945 heißt es:

„Die Kapitulation der deutschen Streitkräfte hat in einem nahezu überwältigenden Tempo aktuelle Ziele eröffnet. Die beiden Hauptgebiete, Hamburg mit 104 aufgelisteten Zielen und Kiel mit 50, erweisen sich als von großem Wert, trotz großer Zerstörungen infolge von Luftangriffen. Es wird erwartet, dass die Einsammlung und detaillierte Untersuchung einige Zeit in Anspruch nehmen wird.“60

Für Hamburg sind unter anderem folgende Unternehmen benannt: C.H.F. Müller, Philips, Shell, Standard Oil sowie der Waffengigant Blohm & Voss. Über die Müller-Fabrik, wo Rolf den Bau des Betatrons begann, ist zu lesen, dass dort Forschung an einer – nunmehr demontierten – 15-meV-Anlage stattgefunden habe und dass auch „Röntgenröhren von sehr schönem Design“ hergestellt wurden. Der Bericht ist an eine Reihe armeeinterner Personen adressiert. Auf den Umschlag haben die National Archives „Closed until 2046“ gestempelt. Nachdem die Klausel der 100-jährigen Geheimhaltung aufgehoben wurde, steht nunmehr über dem Stempel „Cancelled“.

In einem neuen Bericht für die beiden Tage des 19. und 20. Mai sind Orte aufgelistet, an denen in den zurückliegenden zwölf Tagen Dinge von Interesse gefunden wurden, darunter Wrist und ein weiteres Mal Hamburg. Über die Forschungseinrichtung in Wrist ist zu lesen:

„Die Mega-Volt Research Association ist eine selbsterklärte 'anti-militärische, anti-industrielle' Allianz von Physikern, die ihre Arbeit allein der Atomkernforschung widmen. Sie haben eine Reihe von Verbindungen in neutrale Länder hergestellt und durch den Einsatz von Betatronen und Energien von 30 Mio. Volt sehr fortschrittliche Forschung in der Atomphysik betrieben. Ihr Ziel war es, 200 Mio. Volt zu erreichen, bevor sie sich dem widmeten, was sie als 'ernstere Arbeit' bezeichneten. Sie behaupten auch, über gute Kenntnisse der generellen deutschen Forschung innerhalb des Atomfeldes zu verfügen.“

Für Hamburg wird die Müller-Fabrik besonders erwähnt, deren Cheftechniker verhaftet wurde. Als sein Spezialgebiet sind „Röntgenapparate, Radarteile und Rettungsspiegelausrüstung für Unterwasserfahrzeuge“ angegeben. Über 400 Orte seien „seit der Überquerung des Rheins untersucht“ worden „und ca. 190 Ermittler“ seien „noch immer im Gebiet der 21. Army Group aktiv“. Am 5. Juni geht ein gesonderter Bericht über die Müller-Fabrik von T-Force an die übergeordnete Instanz CIOS, auch dieser als „confidential“ markiert und mit militärischer Präzision angegebenen Formalitäten versehen: Evaluierungsbericht Nr. 63. Ziel: C.H.F. Müller AG. Ziel Nr.: 1/132e. Ort: Hamburg-Fuhlsbüttel, Röntgenstraße 24. In der Spalte „Zustand“ steht: „Unbeschadet. Alle Apparate, Dokumente etc. sind vorhanden.“ Es wird konstatiert, dass die Bewachung vorschriftsmäßig erfolge und die Fabrik von einer T-Force-Gruppe bewacht würde. Die Angelegenheit ist äußerst wichtig; im Feld „Priority“ steht: „Top Priority“. Dann werden Namen von Personen aufgelistet, die befragt wurden, sowie von Personen, die befragt werden sollen.61

Es wird festgestellt, dass die Fabrik zum Philips-System gehört und Röntgenausrüstung das Hauptprodukt ist. Dann wird von Funden unterschiedlicher Art von Röntgenröhren und Ausrüstung für die Produktion medizinischer, industrieller und wissenschaftlicher Apparaturen, Hochvolt- und Elektronen beschleunigender Ausrüstung zur Kernforschung sowie dazugehörigen Testapparaten berichtet. Speziell wird die Produktion von Hochvoltausrüstungen von bis zu 15 Megavolt erwähnt und dass sich vor Ort noch immer eine fast komplette derartige Anlage befinde:

„In der Fabrik wurde ein kleiner Elektronen-Umlaufbahn-Beschleuniger von unbekannter Leistung gefunden, der möglicherweise von Dr. Widerøe verwendet wurde, den man jetzt in Oslo vermutet.“

Die Ermittler sorgten auch dafür, dass sich Experten für Röntgen und Hochvoltphysik die Anlage näher ansahen, wobei für diese Inspektionen Namen und Daten angegeben sind.62

In guter Gesellschaft

Der Bericht über die Tätigkeit in der Müller-Fabrik befindet sich in „guter Gesellschaft“ und liegt in einer Mappe zusammen mit dem Evaluierungsbericht Nr. 53b, datiert auf den 18. Juni: Verhör von Albert Speer, dem Rüstungsminister in Hitlers Regierung von 1942 bis 1945. Die Entwicklung einer Atombombe betreffend, sagte Speer direkt, dass seiner Ansicht nach die Amerikaner damit viel weiter gekommen waren als die Deutschen. Die Deutschen hätten zwar einiges an Forschung auf dem Gebiet betrieben, jedoch sei nichts sonderlich Praktisches dabei herausgekommen. „Sie brauchten noch zehn Jahre.“ Ansonsten verwies der ehemalige Rüstungs- und Kriegsminister auf die von Heisenberg in Berlin und von Bothe in Heidelberg geleitete Forschung. Des Weiteren gab er an, dem Bau zweier Zyklotrone in Heidelberg höchste Priorität eingeräumt zu haben, für mehr Details diesbezüglich verwies er auf den formal Verantwortlichen, Oberst Friedrich Geist von der Luftwaffe.63 Geist war auch von Rolf als der für sein Projekt Zuständige betrachtet worden.

An gleicher Stelle liegt auch Evaluierungsbericht Nr. 159, datiert auf den 30. Juni, eine Befragung von Professor Walther Bothe. Die Maschine, an der er gearbeitet hatte, wird beschrieben und es wird konstatiert, dass er Teile dafür von Krupp, Siemens und Brown Boveri in Mannheim erhalten habe und dass die Maschine sich nicht nennenswert von den amerikanischen Zyklotronen unterscheide. Es wird darauf hingewiesen, dass Bothe vor dem Krieg Zyklotron-Installationen in den USA besucht habe und er Lawrence' Forschung allem Anschein nach kenne. Bothe hatte geäußert, dass er mit einem bestimmten Beschleuniger-Typ vertraut war, der Art von Apparaten, die später Betatron genannt wurden, und dass die von ihm begonnene Konstruktion aufgrund des Krieges unterbrochen worden war. Die drei Offiziere, die den Bericht unterzeichneten, erstellten auch mehrere umfassende technische Berichte über Bothes Arbeit, die bei britischen und amerikanischen Nachrichtendiensten große Aufmerksamkeit genoss. 64

Im Herbst darauf erfolgten weitere Untersuchungen der Müller-Fabrik, darunter am 8. Oktober, wobei der Bericht darüber bis 1977 einer Sperrfrist unterlag. Siemens und I.G. Farben wurden gleichzeitig untersucht.65 Siemens betrieb lange Zeit ein konkurrierendes Betatron-Projekt und I.G. Farben hatte während des Krieges den Betrieb der norwegischen Schwerwasser-Fabrik Vemork übernommen. Ein Bericht über das Thema Betatrone wurde 1948 auch an FIAT geliefert.66

Die Untersuchungen der Müller-Fabrik und in Wrist thematisiert auch der Autor Sean Longden in seinem 2009 erschienenen Buch T-Force. Er schreibt über die Megavoltorganisation und berichtet, dass die Einheit bei der Überprüfung der Fabrik in Hamburg diverse Röntgenausrüstung gefunden habe, die nach England gebracht wurde, inklusive eines Prototyps des 15-meV-Betatrons. Es waren zwei bestellt worden, und da das eine aus der Stadt gebracht worden war, könnte es sich dabei um das zweite gehandelt haben. In dem Buch heißt es weiter: Infolge der Schwerwasser-Aktion in Norwegen habe T-Force frühzeitig Untersuchungen in Deutschland vorgenommen, die bestätigten, was andere wissenschaftliche und militärische Nachrichtendienste – sowohl Briten als auch Amerikaner – bereits herausgefunden hatten: dass die Deutschen im Bereich Atom „wenig oder keinen technischen Fortschritt“ erzielt hatten. Longden schreibt, dass die Mitarbeiter des Betatron-Labors in Wrist krampfhaft daran festhielten, an reiner Forschung ohne militärische Nebenabsichten interessiert gewesen zu sein. Auch weist er darauf hin, dass es sich um Forschung auf einem sehr fortschrittlichen Niveau gehandelt habe.

Die Hauptquelle für Kenntnisse über den Zusammenhang zwischen Rolf und der Untersuchungsorganisation T-Force ist Theodor Hollnack, der gleichzeitig Rolfs Bindeglied zur Leitung der Luftwaffe war. Hollnack schickte seine Berichte nämlich direkt an T-Force. Wann das begann, ist nicht bekannt, es gibt jedoch Grund zu der Annahme, dass er ab Dezember 1944 aktiv war.67

Es ist nicht leicht zu sagen, wer die Initiative ergriffen hat. Die Briten oder er selbst. Es kann aber dokumentiert werden, dass er den Kontakt zu T-Force über mehrere Monate hielt und sie mit umfangreichen Informationen über die deutschen Aktivitäten im Bereich Kernphysik versorgte. Am interessantesten ist, wo und wann Rolf ins Bild kommt. Ob er sozusagen „an dem Spiel teilnimmt“. Es ist verlockend, ein konspiratives Szenario zu entwerfen, bei dem Hollnack Rolf von Beginn an dazu bringt, Teamgeist mit den Briten zu beweisen, dass Rolf also der Luftwaffe seine Zusage gab, um britischer Spion zu werden. Der apolitische und unpolitische Forscher wäre für eine solche Rolle geeignet gewesen. Dafür finden sich jedoch keine Anhaltspunkte. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Keinen Zweifel gibt es hingegen daran, dass Hollnack Rolf benutzt hat. Ob und wann Rolf das begriff, ist eine andere Sache.

Hektischer Frieden

In dem entlegenen und provisorischen Betatron-Labor in Wrist herrscht in diesen ersten Wochen des Friedens große Aktivität. In Rolfs Abwesenheit verfasst Kollath einen Tätigkeitsbericht, in dem er auch die ganze Geschichte seit 1943 zusammenfasst. Das Dokument ist auf den 6. Juni datiert und nimmt sich der Vorgeschichte an: mit dem nach Deutschland kommenden Rolf, den Arbeiten in der Müller-Fabrik in Hamburg, dem Wiederaufbau nach der Evakuierung im März nach Wrist in Schleswig–Holstein sowie dem Programm für die weitere Arbeit – inklusive Erwähnung des kleinen, des mittelgroßen und des großen Betatrons. Er unterstreicht, dass es jetzt äußerst wichtig sei, das beschlossene Bauprogramm wieder aufzunehmen.

Lediglich die kleinste Maschine von 15 meV ist fertig, und davon sollen jetzt noch mindestens zwei gebaut werden. Eine soll für die biologische Arbeit verwendet werden, wobei man die Wirkung der Strahlen sowohl auf tierische als auch auf menschliche Organismen beobachten wolle. Eine weitere soll zu Materialuntersuchungen eingesetzt werden. Teile der Ausrüstung des 15-meV-Betatrons mussten nach Ankunft in Wrist aufgrund von Kampfhandlungen wieder weggepackt und die Planung der beiden größeren Apparate gestoppt werden. Diese Arbeit solle jetzt wieder aufgenommen werden. Allen voran solle, sobald die benötigte Ausrüstung vorhanden sei, die Arbeit mit der 30-meV-Maschine beginnen, schreibt Rolfs Stellvertreter. Diese solle eine justierbare Strahlenenergie haben und zu kernphysikalischer Forschung in Instituten eingesetzt werden. Der Bau an sich könne eventuell einer Firma in Hamburg übertragen werden, zum Beispiel Rich. Seifert & Co., die Komponenten liefern solle. Überlegt wird aber auch eine Konstruktion in Wrist. Es wird beabsichtigt, auch von diesem Typ mehrere Exemplare zu entwickeln.Zudem solle die Arbeit an den Plänen für das allergrößte mit 200 meV schnellstmöglich wieder aufgenommen werden, heißt es. Es soll in Heidelberg gebaut werden, aufgrund der Industriekontakte in der Stadt wie auch Professor Bothe und seinem dortigen Institut. Die Mitarbeiter in Wrist sind dieselben wie in Hamburg, ergänzt durch weitere Anstellungen. Der Tätigkeitsbericht informiert auch über die Notwendigkeit, die richtigen Fachkräfte zu finden, wie Glasbläser, Biologen, Laboranten, Feinmechaniker und Spezialisten für die Entwicklung eines bestimmten, erforderlichen Röhrentyps sowie diverser anderer Hilfswerkzeuge etc.68

Parallel dazu erstellt Kollath eine längere Fachdokumentation über die bisherige technische Entwicklung des Betatrons sowie über zukünftige Entwicklungspläne. Der Titel lautet: „Bericht über den Strahlentransformator nach Widerøe“. Alle, die sich mit dem Projekt befassten, verwendeten diese Ausdrucksweise „nach Widerøe“. Das galt sowohl für deutsche Behörden als auch für eigene Mitarbeiter und andere. Zu dieser Zeit verwendeten sie noch immer die von Rolf stammende Bezeichnung „Strahlentransformator“. Das Dokument beinhaltet auch Skizzen und Gleichungen sowie – und das ist interessant – zwei Anlagen. Bei der ersten mit dem Vermerk „Geheime Reichssache!“ handelt es sich um den Artikel, den Rolf an die deutsche Fachzeitschrift geschickt hatte und der im Frühjahr 1943 gedruckt wurde. Die zweite Anlage besteht aus Artikel Nummer zwei, den er im Sommer 1943 eingereicht hatte und der nie veröffentlicht wurde.69 Während die erste Kopie oben auf jeder Seite über eine Zeile mit Seitenzahl und Heftnummer verfügt, fehlt diese aus verständlichen Gründen beim zweiten Artikel.70

Neben Kollaths technischem Bericht findet sich auch eine Notiz, in der Rolfs Arbeit in eine größere fachliche Perspektive eingeordnet wird und Verbindungen zurück zu den Vorgängern gezogen werden. Zu den Amerikanern Kerst und Serber.71 All das sind Dokumente, die Hollnack im Vorsommer 1945 an die Briten geschickt hat, also etwa acht Monate vor seiner Verhaftung. In der Praxis ist die neue Organisation eine Fortführung der alten, jedoch mit klarer definierter Struktur und Strategie und nicht zuletzt Betonung der Unabhängigkeit.

In der Praxis sollte es nicht unbedingt so laufen, wie Berichte und Strategiedokumente es ankündigten. Im August wurde Touschek nach Hannover und Göttingen eingeladen, Hollnack verweigerte ihm jedoch zu reisen. Im September gründete Hollnack dann eine neue Organisation, die WTO (Wirtschaftstreuhandorganisation), worin die Megavoltstiftung zu einer Tochtergesellschaft wurde. Kollath versuchte die ganze Zeit, die normale Arbeit mit dem Betatron wieder aufzunehmen, Hollnack aber hielt an seiner Art der Leitung fest, obwohl er formell keine Befugnis dazu hatte. Zu diesem Zeitpunkt machten sich auch Kratzenstein und Flegel wieder bemerkbar. Sie beide waren zu Beginn des Projekts Hollnacks Mitverschworene gewesen. Jetzt sorgten die beiden dafür, Kollath von wichtigen Entscheidungen fernzuhalten. 1946 aber wurde Hollnack festgenommen. Anfänglich dachten die anderen am Projekt Beteiligten, Kollath sei schuld an der Verhaftung, wofür ihn Hollnacks Frau auch direkt beschuldigte. Später wurde Kollath zum Nachlassverwalter der Entwicklungsarbeit in Wrist.72

Kurz gesagt: So viel Stoff – und noch viel mehr – findet man über die Megavoltstiftung, den neuen Namen der Widerøe-Gruppe. In einem von einem amerikanischen Nachrichtendienst (Alsos) errichteten Archiv. Mit an einen britischen Nachrichtendienst (T-Force) adressierten Dokumenten. Dorthin geschickt von einem Deutschen (Hollnack), der in Deutschland Rolfs Vorgesetzter (im Auftrag der Luftwaffe) war.

Mit anderen Worten befindet sich im Besitz der Alliierten eine umfassende Dokumentation über die Stiftung MV-Forschungs-Vereinigung“ / „MV-Research-Association“. Aber in nichts, was die Hauptperson gesagt oder geschrieben hat, findet sich davon eine Spur. Nicht der Name. Nichts über die Umorganisation oder die Loslösung von den Nazi-Behörden. Nicht den geringsten Hinweis habe ich zwischen den Zeilen gefunden. Aber Rolf ist mit von der Partie, wird in nahezu allen Dokumenten namentlich erwähnt. Alles ist „gemäß Widerøe“, „nach Abstimmung mit Widerøe“, „im Sinne von Widerøe“. Das Projekt haftet an ihm und er steht auf der Kopienliste von allem, was über das Projekt an die Briten geliefert wurde.

Hat er diese Unterlagen jemals selbst gesehen? Tja. Er war außer Landes – „derzeit“, wie darin vermerkt ist. Kehrte jedoch nie zurück. Die Kommunikation zwischen der früheren Besatzungsmacht und dem besetzten Norwegen war minimal. Und seine persönliche Lage mit dem schwebenden Verfahren wegen Landesverrat und ohne Pass machte das wenig wahrscheinlich, um nicht zu sagen unmöglich.

  • dass sein Assistent freigelassen würde

Etwas muss Rolf gewusst haben. Ansonsten hätte er kurz vor seiner Heimkehr nicht zu dem verhafteten Touschek sagen können, dass nun bald Hilfe kommen würde. Der Assistent hat später nämlich erzählt, dass Rolf ihn bei einem seiner letzten Besuche im Gefängnis damit beruhigt habe, dass von Berlin aus ein Kurier mit den Begnadigungspapieren unterwegs sei.73 Das Datum des Besuchs war wahrscheinlich der 11. April, ein Mittwoch. Woher aber hatte Rolf seine Informationen? Er muss seine Kontakte gehabt haben. Am wahrscheinlichsten über Hollnack. Er hat nie erklärt, warum er so sicher sagen konnte, dass Touschek bald aus dem Gefängnis entlassen würde. Rolf wusste offenbar, dass die Begnadigung unterwegs war. Möglicherweise hatte er selbst auch die Finger im Spiel gehabt, denn Touschek schreibt darüber etwas an seinen Vater – in dem Brief, in dem er auch von den schlechten Zuständen in den verschiedenen Gefängnissen, den Methoden der Gestapo, der SS, über wenig Essen und viel Marschieren berichtet. Darin werden Widerøe, Seifert, Kollath und Hollnack als die einzigen Lichtblicke im Dasein erwähnt. Die Leitungsriege des Betatron-Projekts hatte sich für den 24-jährigen Studenten eingesetzt, besonders Rolf, der immer Zigaretten dabeihatte, die unter anderem zur Bestechung der Wachen verwendet werden konnten. Die drei waren bereits anwesend, als er bei der Gestapo vorgeladen wurde. Alle, Touschek inklusive, waren starke Persönlichkeiten und spielten ihre Karten aus, so gut sie konnten. Touschek hatte Rolf gegenüber den Wunsch nach einer Einzelzelle geäußert, und letzterer erklärte daraufhin dem Kriminalkommissar, dass keiner von ihnen „die Verantwortung übernehmen würde“, wenn Touschek zusammen mit anderen in eine Zelle gesperrt würde. Die Kollegen hatten der Gestapo zu verstehen gegeben, dass „die Zukunft des Reiches im Guten wie im Bösen“ von der Forschung abhinge, die Rolf soeben aufgenommen habe. Sie machten auch deutlich, dass Touschek das Recht zu rauchen, zu lesen und zum Empfang von Besuch erhalten solle. Der Brief an die Eltern fährt in enormem Tempo und mit großem Engagement fort:

Am Freitag wollte ich mich aufhängen, und am Sonntag kam Widerøe. Ab da verbesserte sich die Situation. Ich hatte eine 'einfache' Zelle in der zweiten Etage und Widerøe hatte für mich Heitlers Quantum Theory of Radiation dabei, und ich belas mich über die Strahlendämpfung. W[iderøe] vergaß nie, mir eine Packung Zigaretten mit der Aufschrift 'Treibgas für dich' mitzubringen. (…) Ich wurde relativ gut behandelt, da häufige Besuche wichtiger Personen einen gewissen Respekt einbrachten.“

Touschek gehörte zu den Glücklichen und hat später erzählt, dass er nicht wie die üblichen Gefangenen behandelt wurde. Auf wundersame Weise wurde ihm auch erlaubt, im Gefängnis weiter für Rolf zu arbeiten. „Wir halfen ihm, so gut wir konnten, bekamen ihn aber nicht frei“, sagte Rolf, der ihn mit Essen und mitunter sogar einem Schnaps versorgte. Touschek war fleißig wie sein Chef und verfasste während seiner Zeit im Gefängnis mehrere Berichte über das Betatron, einen davon schrieb er mit unsichtbarer Tinte an den Rand eines Physikbuches.

Touschek war Sanguiniker. Nach der Schilderung eines anstrengenden Marschs, bei dem er krank war und elendig kommandiert wurde, den ganzen Weg zu einem neuen Gefängnis mit einem bleischweren Rucksack voller Bücher zu Fuß zurückzulegen, schreibt er weiter:

„In der Zwischenzeit waren Leute gekommen, um zu sehen, ob ich tot bin oder nicht. Ich versuchte ein Telefon zu finden, um Seifert anzurufen und ihn nach einem Auto zu fragen. In der Zwischenzeit hatte ich fürchterliche Kopfschmerzen, und ich schaffte es, in Langenhorn ins Krankenhaus zu gehen, ich brauchte Hilfe. Dank Widerøes Nachricht machte ich mir diesbezüglich keine Sorgen.“74

Das Erlebnis beeindruckte ihn enorm und ist das Erste, was er Rolf erzählt, als er nach dem Krieg wieder Kontakt zu ihm aufnimmt. Der Respekt vor Rolf war groß und es war die Rede davon gewesen, dass Touschek nach Kriegsende für weitere Studien nach Norwegen kommen solle. Plan war der Erwerb eines Doktortitels in einem nordischen Land, wahrscheinlich in Norwegen, genauer gesagt in Oslo, was Rolf Touschek zufolge bereits während des Krieges Professor Hylleraas mitgeteilt hatte.75 Rolf und Hylleraas kannten einander also, bevor der Professor der Universität Oslo in das Sachverständigenkomitee berufen wurde, das nach dem Krieg die Staatsanwaltschaft im Landesverratsfall gegen ihn beraten sollte. Folglich muss Hylleraas etwas über die Ressourcen gewusst haben, über die Rolf verfügte.

Auch Hollnack setzte sich für den jungen Touschek ein:

„Einige Tage vor der Besetzung von Hamburg kam Hollnack, um mich aus dem Gefängnis zu bekommen, auch wenn das nicht ganz mit rechten Dingen zuging. Es war höchste Zeit, da ich ansonsten erschossen worden wäre – bestenfalls. Mit dem Auto fuhr ich nach Kellinghusen, wo ich noch immer bin.“76

Jedoch ist er von Hollnack nicht durchweg begeistert und findet es grenzwertig, wenn der Deutsche, „ohne drei Wochen lang etwas für ihn getan zu haben“, behauptet, er sei der Grund, warum Touschek nicht erschossen worden sei. Hier finden sich menschliche Dramen am laufenden Band, mit Decknamen, Verhaftungen und Entlassungen, Treffen mit der Gestapo, Operationen am Rande des Gesetzes, Geld von höchster Ebene des Nazi-Regimes, Barmherzigkeitsanstellungen verfolgter Juden, ein mit der britischen Militärregierung kooperierender Vertreter der Luftwaffe – und ein Norweger, der anscheinend unwissentlich als Leiter einer internationalen Forschungsorganisation eingesetzt wurde, die nach dem Krieg quer über Landesgrenzen hinweg die freie und unabhängige Betatron-Forschung wahrnehmen soll. In seinem Namen errichtet, während er selbst auf der Flucht vor amerikanischen und britischen, vielleicht auch vor deutschen und russischen Behörden war. Direkt in die Arme der norwegischen Staatsanwaltschaft.

Wie war Rolf in all das hineingeraten? Er, der nur forschen wollte. Ein Mann wusste darüber mehr als alle anderen, nämlich Theodor Hollnack. Letztendlich sprach er auch darüber. Nahm es überdies in Dokumente auf, die er britischen Offizieren der T-Force übergab. Die sie genau für das verwendeten, wofür solche Informationen bei einem Nachrichtendienst da sind. Bevor sie im Nationalarchiv für Kriegs- und Militärgeschichte landeten. Dort blieben sie liegen. Zuerst aber erhielten die Amerikaner eine Kopie.

Hollnacks heikles Manöver

In einem umfangreichen, an namentlich benannte Offiziere adressierten Gesamtdokument berichtet Hollnack von sich und seiner Arbeit, vor allem der Beschäftigung mit dem Betatron-Projekt.77 In seiner üblichen systematischen Vorgehensweise beginnt er am Anfang und arbeitet sich schrittweise voran. Sein persönlicher Bericht wird gleichzeitig zu einer Erzählung über Rolfs Luftwaffe-Projekt von Anfang bis Ende. Ein Ende, das bereits zur Hälfte des Projekts drohte. Und eine Geschichte, die durchaus nicht ganz so einfach war, wie Rolf es nach außen darstellen wollte. Ob sie objektiv und „wahr“ ist, lässt sich schwerlich nachprüfen. Hollnack selbst erscheint dabei als Schlange und Apfel wie auch als Erlöser in ein und derselben Person.

Sein Eigeninteresse

Als sein Hauptinteresse an dem Projekt nennt Hollnack die Finanzen sowie die dazugehörigen wissenschaftlichen und technischen Probleme. Er gibt an, die Sache sei komplex und erfordere in allen Einzelbereichen professionelle und effektive Abläufe. Ein so groß angelegtes technisch-wissenschaftliches Projekt mit derart umfassendem volkswirtschaftlichem Potenzial verlange nach der Unabhängigkeit von industriellen Verbindungen. Des Weiteren gibt er an, ein Büro zu führen, das sich in diversen Bereichen engagiere: ein Unternehmen für Firmengründungen, in dem er selbst den Vorstand stellt. Ein Unternehmen für Bürotechnik, in dem er Aktionär ist. Ein Unterausschuss im Verband deutscher Metallurgen, wo er im Vorstand sitzt. Und nicht zuletzt: das Betatron-Projekt.

Sein „Credo“

In erhabenen und äußerst selbstgefälligen Wendungen verleiht er den von ihm vertretenen Führungsprinzipien Ausdruck:

„Die Frage der Rentabilität spielt bei jedem Unternehmen eine ausschlaggebende Rolle. Es gibt aber Forschungs- und Entwicklungsaufgaben, die nicht nach diesen Maßstäben zu bewerten sind. Aus diesen Gründen erfolgt die Lösung derartiger Aufgaben in den dafür vorgesehenen Instituten oder innerhalb bestimmter Industriegruppen. Die Institute verfügen in den meisten Fällen nicht über die erforderlichen Mittel, die sie in die Lage versetzen, größere Aufgaben in Angriff zu nehmen. Die Industrie treibt überwiegend Zweckforschung und muss infolgedessen auch einen entsprechenden Maßstab anlegen.“

Seine Rolle als „Treuhänder“

Er erläutert seine Rolle als „Treuhänder“, eine administrative Funktion, die mit Vertrauen zwischen zwei Parteien zu tun habe. Hollnack versucht zu vertiefen, worin der Balanceakt besteht:

„Es gibt aber Aufgaben, deren Tragweite und Bedeutung man nicht mit Rentabilitätsberechnungen rechtfertigen kann. Ich stehe daher auf dem Standpunkt, dass es die Aufgabe eines Wirtschaftlers ist, aus volkswirtschaftlichen Interessen diejenigen des Staates, der Wissenschaft und der Technik zugleich zu vertreten und einem möglicherweise groß angelegten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben (…) den Weg zu ebnen. Der Treuhänder ist der Mittler zwischen ihnen, er sorgt ohne kommerzielle Interessen für eine Durchsetzung weitgesteckter wissenschaftlich-technischer Aufgaben.“

Im Nachhinein kann man fragen, ob Hollnack sich womöglich aus Gründen der Selbstrettung zum Hilfsjungen, sprich „Treuhänder“ von Rolf gemacht hat. Dass er der Ansicht war, es würde ihm selbst nützen, sich als Verwalter für den weitaus berühmteren Norweger bedeutungsvoll zu geben.

Sein Hintergrund

Was er über sich selbst schreibt, ist von Prahlerei geprägt. Er berichtet, wie er mit Hintergrund in seiner früheren wissenschaftlichen und generell eher technischen Tätigkeit 1942 auf ein interessantes fachliches Problem stieß, „ein Gussverfahren, welches im volkswirtschaftlichen Interesse nur dann Aussicht auf Erfolg hatte, wenn ich meine oben geschilderte wirtschaftliche Theorie auch an diesem Vorhaben verwirklichen konnte“. Du meine Güte! Er verweist darauf, dass sich diese Aufgabe im Krieg nur mittels einer Zusammenarbeit mit dem Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion habe durchführen lassen.

„Infolge meiner Vorkriegstätigkeit erhielt ich Verbindung mit der maßgebenden Stelle des Ministeriums, und zwar dem Chef des Technischen Amtes, den ich persönlich kannte. Am 20. August 1942 erhielt ich vom gleichen Ministerium den Auftrag zur Gestaltung dieser Aufgabe.“

Er sagt, er habe sich von ungeeigneten Personen und irrelevanten Interessen der Involvierten getrennt, das Brauchbare integriert, habe Industriebetriebe aufgebaut und für den betreffenden Fachbereich einen Unterausschuss im Metallurgen-Verband gegründet, wo er im Vorstand war. Zudem erinnerte er daran, dass es sich um langfristige Forschungs- und Entwicklungsaufgaben handele, worin die Engländer und Amerikaner weltweit führend seien.

Seine Beschäftigung mit Schiebolds Strahlenwaffe

Dann nähert er sich Rolf, umkreist das Thema jedoch noch ein wenig, augenscheinlich mit einem großen Bedürfnis, ins Detail zu gehen und zu erzählen, was er gemacht und welche Kontakte er geknüpft hatte, unter anderem zu Speers Ministerium und zum Luftfahrtministerium, und wie das zu einer neuen großen Aufgabe führte. Er weiß sich zu winden. Er war sich im Klaren darüber, dass die Regierung besonderes Interesse an dem aktuellen Feld hatte, speziell an der Atomphysik und am Bau von Apparaturen zur Generierung hochenergetischer Teilchen wie Zyklotronen und Betatronen. Er wusste auch, dass jegliche Forschung im Bereich Physik nunmehr durch den Reichsforschungsrat ging, in dem einflussreiche Fachleute, Nobelpreisträger und andere wie der Chef des Forschungsrates, Walter Gerlach, saßen. Und nicht zuletzt: Er kannte den Röntgenexperten Schiebold, der Hochspannungsröhren hatte bauen und so hohe Energie erzeugen wollen, dass die Strahlen auf sehr weite Entfernungen wirksam waren, eine Strahlenwaffe, eine Röntgenkanone:

„Mit diesem, späterhin in wissenschaftlichen Diskussionen nicht mehr haltbaren und daher fallen gelassenen Projekt gelang es mir, Generalfeldmarschall Milch persönlich für das Gesamtgebiet zu interessieren. Ich erhielt die Vollmacht, alles zur Durchführung dieses Projektes Erforderliche zu veranlassen.

Ich behielt mir hierbei völlige Unabhängigkeit vor und lehnte jede Einordnung in das Ministerium ab. Ich strebte darauf hin, eine von den zuständigen Instanzen, also Reichforschungsrat unabhängige Forschungs- und Entwicklungsgruppe zu bilden. Persönliche Schwierigkeiten beseitigte ich dadurch, dass ich Prof. Dr. Gerlach und der Forschungsführung des RdLuObdL [Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe Hermann Göring] formell gewisses Aufsichtsrecht überlies."

Seine Großtat – er holt Rolf

Mithilfe seiner Kontakte findet er den Mann, den er braucht, wohlwissend, dass das große Thema der Physik zu dieser Zeit die Entwicklung von Apparaten zur Produktion hochenergetischer Strahlung war. Siemens arbeitete daran und AEG hegte die gleiche Ambition. Er weiß auch von Kersts Betatronen und hat Verbindung zu Heisenberg. Möglicherweise schreibt er sich in der Startphase selbst eine aktivere Rolle zu, als er sie tatsächlich innehatte, denn es ist unklar, wer die Initiative ergriff, Hollnack oder Heisenberg.

„Auf Grund einer Mitteilung von Prof. Dr. Heisenberg kam ich erstmalig in Verbindung mit dem Namen Widerøe. Dieser hatte im Jahre 1928 über seinen Strahlentransformator veröffentlicht, welcher für Kerst Ausgangspunkt seiner weiteren konstruktiven und experimentellen Arbeit war. Es handelt sich hier also um einen sehr wichtigen Mann.

Durch einen Mitarbeiter, Dr. Kratzenstein, erhielt ich Verbindung mit dem Schriftleiter des VDG, Berlin, Dr. K. A. Egerer. Dieser machte mich mit der bei ihm vorliegenden, noch unveröffentlichten Arbeit zu Dr. Widerøe, Teil 1–3, aus dem Jahre 1945 bekannt.

Aus den vorliegenden Arbeiten ergab sich, dass Widerøe bereits einen Strahlentransformator von 15 MeV und 100 MeV durchgerechnet hatte, und außerdem den Bau von Strahlentransformatoren bis zur Größe von 500-600 MeV noch für technisch und wirtschaftlich durchführbar hielt. Ich nahm darauf persönliche Verbindung mit Dr. Widerøe in Oslo auf.“

Heisenberg, der Atomexperte und Nobelpreisträger, war es also, der Rolf empfohlen hatte, wodurch sich Hollnack – mit anderen Worten – sowohl fachlich als auch statusmäßig auf der sicheren Seite befand, als er auf den Norweger setzte.

Seine Auslegung von Rolfs Motiven

Dann gibt er an, über sensible Informationen bezüglich Rolfs Familie zu verfügen, und liefert seine Deutung von Rolfs Motiven, nach Deutschland zu kommen. Mit anderen Worten, dass er ihm eine Honigfalle vorgesetzt hatte. Außerdem eine bestechende organisatorische Lösung, die deutsche Behörden auf Abstand hielt:

„Widerøe hatte Gründe, mein Angebot, nach Deutschland zu kommen, anzunehmen. Diese waren ehrenhafter Natur, auch für eine Persönlichkeit wie Widerøe im Hinblick auf seinen internationalen Ruf. (…) Im Hinblick auf meine wirtschaftlichen Erfahrungen in Bezug auf die Lösung groß angelegter wissenschaftlicher und technischer Probleme habe ich es vermieden, Dr. Widerøe in irgendwelche Abhängigkeit zu deutschen Industriegruppen oder den Ministerien zu bringen, und schloss daher als Treuhänder des Reiches und Widerøes einen Vertrag mit ihm ab.

Dr. Widerøe nahm seine Arbeit in Deutschland auf. Als einer der Ersten trat Dr.-Ing. R. Kollath aus Danzig hinzu, der damals nach Norwegen dienstverpflichtet war. Er wurde Stellvertreter von Dr. Widerøe. Ich bildete außerdem um Dr. Widerøe eine Gruppe von Menschen, die ich für vertrauenswürdig genug ansah, um ohne eigensüchtige Interessen die Arbeit dieses Mannes zum Erfolg zu führen.“

Sein Bruch mit der Luftwaffe

Ende 1944 war Rolfs 15-meV-Anlage fast fertig und es galt nun zu bewiesen, dass seine Konstruktionsideen richtig waren. Bis dahin war alles gut verlaufen. Dann aber kam man plötzlich nur noch schwer voran. Etwas konterkarierte das Projekt. Die Luftwaffe wollte es umorganisieren und in neue Hände legen. Rolf sollte raus, bestenfalls gekündigt, schlimmstenfalls von den Nazi-Behörden verhaftet werden, schreibt Hollnack an die Briten:

„Über den Umweg des Luftfahrtministeriums, insbesondere der Forschungsführung des RdLuObdL, auch mit Unterstützung des Reichforschungsrates, versuchten bestimmte Kreise, die Arbeit der Gruppe Dr. Widerøe zum Erliegen zu bringen. Es kam zu unerfreulichen Auseinandersetzungen zwischen der Luftwaffe und mir. Widerøes Arbeit sollte von den Siemens-Werken übernommen, Widerøe selbst entlassen oder im Falle von Schwierigkeiten verhaftet werden.“

Seinem eigenen Bericht zufolge beruhigte Hollnack das Ganze, begriff jedoch, dass eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der Luftwaffe nicht mehr möglich war. Es gärte und es vergingen einige Woche, bis Rolf in den Urlaub nach Oslo reisen wollte:

„Als Widerøe seinen ihm vertraglich zugesicherten Urlaub nach Oslo antreten wollte, verbot mir das Luftfahrtministerium, Widerøe die Erlaubnis zu dieser Reise zu geben. Im Weigerungsfalle würde mit aller Schärfe vorgegangen werden. Im Hinblick auf die bereits seit langer Zeit bestehenden Spannungen zur Luftwaffe hatte ich auf diesem Gebiete Fühlung mit Oberst Dipl.-Ing. Geist, Amtschef der Amtsgruppe Entwicklung beim Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion, aufgenommen. Oberst Geist war ein sehr wichtiger und wirklich positiver Mensch. Ich erlangte seine Zusage, dass er die wissenschaftlich-technische Betreuung übernehmen wollte.

Darauf kam es zum vollkommenen Bruch mit der Luftwaffe. Die Verbindung zum Ministerium Speer war sehr lose und ausschließlich auf meine Person abgestellt. Der 'Arbeitsstab Dillenburg', unter dieser Bezeichnung wurden die Aufgaben Dr. Widerøes seinerzeit durchgeführt, setzte seine Tätigkeit nunmehr unter meiner ausschließlichen Leitung fort.“

Nicht nur in diesem großen zusammenfassenden Bericht bei Kriegsende, sondern bereits ein halbes Jahr zuvor hatte er T-Force über Unstimmigkeiten informiert und darauf aufmerksam gemacht, dass Geist und Gerlach die Rettung seien, die beide als Ratsmitglieder der Forschungsanlage in Großostheim, solange diese existiert hatte, eine enge Verbindung zu dem Projekt besaßen. Damals hatte er geschrieben:

„Dezember 1944. Es kam zu einer Spannung zwischen der Luftwaffe und mir. Sie zog sich aus der Entwicklung zurück und überließ mir die weitere Bearbeitung. Die techn. Verantwortung übernahm als Mitgl. des Kuratoriums Oberst Dipl.Ing. Geist, Entwicklungschef beim RfRuk. Und dies für eine Forschungs- und Entwicklungsaufgabe, die Jahre in Anspruch nahm.

Prof. Gerlach reichte einen Vorschlag an Oberst Geist über die zukünftige Gestaltung der Entwicklungsgruppe ein. In dieser sollte ich die wirtschaftliche Leitung übernehmen. (Schr. v. 22.12.44.) Im Hinblick auf die vorangegangenen Erfahrungen konnte ich als Treuhänder dem Vorschlag von Prof. Gerlach nicht ohne Weiteres zustimmen. Erforderlich werdende Besprechungen konnten zu Beginn des Jahres 1945 infolge der Kriegsereignisse nicht durchgeführt werden. Die 15-MeV-Anlage in Hamburg war nahezu vollendet.78 Professor Gerlach hatte als weitere Aufgabe den Bau einer 200-MeV-Anlage gefordert. Hieran war besonders Prof. Bothe, Heidelberg, interessiert. Der Konstruktionsauftrag war inzwischen an BBC Heidelberg erteilt worden.“79

Hollnack brauchte seine Freunde, sowohl den mächtigen Gerlach im Reichsforschungsrat als auch Geist, der vom amerikanischen Nachrichtendienst als der „vielleicht einzige Beamte“ bezeichnet wurde, „der die verschiedenen Seiten von Deutschlands Forschungsbedarf verstand“.80 Einen Grund für den neuerlichen Widerstand in der Luftwaffe gab Hollnack nicht an, auch sagte er nicht, wer sich im Luftfahrtministerium und im Reichsforschungsrat auf die Hinterbeine gestellt hatte. Jedoch war der Stress im Winter 1944/45 in Deutschland auf mehreren Ebenen spürbar, und auch Hollnack selbst war nicht immer der Einfachste.

Es ist schwer zu sagen, ob Rolf jemals erfuhr, wie nah das Projekt vor dem Scheitern gestanden hat, nicht zu sprechen von der Gefahr, in der er sich selbst befunden hat. Vielleicht gefiel sich Hollnack in der Rolle des Einflussreichen so gut, dass er es für sich behielt. Vielleicht hatte er taktische Gründe. Irgendeine Bedrohung, von den Deutschen verhaftet zu werden, hat Rolf jedenfalls nie erwähnt, ebenso wenig, dass die Gefahr bestanden hatte, von den Briten oder Russen gefangen genommen zu werden. Vielleicht war das Gerede von einer möglichen Verhaftung durch die Deutschen lediglich Erfindung und etwas, das ausschließlich in Hollnacks Kopf existierte. Ein Mann, der mit dem Segen Heisenbergs und Speers nach Deutschland geholt worden war, lief wohl kaum Gefahr, von den Nazi-Behörden verhaftet zu werden. Kaum ein anderer als Hitler konnte an einer Person rütteln, die sich unter Speers Fittichen befand.

Seine neue Offensive

Es ist denkbar, dass Hollnack zu diesem Zeitpunkt reif für den Kontakt mit T-Force ist, dem Nachrichtendienst, der in einem unerbittlich auf den Zusammenbruch zutreibenden Deutschland immer näher heranrückt. Vielleicht treibt ihn „die Pflicht“, Loyalität – ja, aber gegenüber welcher Sache und welcher Seite? Im Nachhinein betrachtet gelingt es Hollnack, es wie eine gesteuerte Handlung aussehen zu lassen: 1943 Rolf finden. Ihn nutzen. Die Ergebnisse sichern. Ihn in Sicherheit bringen. Hollnack gibt an, es gegen Ende des Krieges als seine Pflicht betrachtet zu haben, die Betatron-Anlage, die Konstruktionsunterlagen und die Mitarbeiter zu sichern. Im März 1945 verlegte er das Verwaltungsbüro des gesamten Hamburg-Projekts nach Kellinghusen und Wrist in Schleswig–Holstein. Dann berichtet er, dass bei Müller zwei neue 15-meV-Maschinen gebaut werden sollten und dass es auch Pläne für andere, größere Betatrone gab, unter anderem eine Maschine von 30 meV, die bei Rich. Seifert & Co. in Hamburg entwickelt werden sollte.

Seine Mitarbeiter und Ausrüstung

Er hat die volle Kontrolle. Regelt und repariert, schaltet und waltet, hat seine Kontakte und ist ein Mann der Tat. Um Mitarbeiter, Ausrüstung und Formalitäten wird sich gekümmert. So wie er sich ausdrückt, kann der Verdacht aufkommen, dass er gefährlich viel Kontrolle hat – wenn er nicht blufft:

„Seifert war in den letzten Jahren röntgentechnischer Berater des Unterzeichneten. Bis auf wenige Ausnahmen befinden sich alle direkten Mitarbeiter der Widerøe-Gruppe in Kellinghusen und Wrist. Es handelt sich um Menschen, die persönlich und politisch unbelastet sind und sich nur bemühen, ihre wissenschaftlich-technische Aufgabe zu erfüllen. Es sind außerdem Menschen darunter, die, wie der Mathematiker Touschek, infolge jüdischer Abstammung sich längere Zeit in Haft der Gestapo befanden. Der Mitarbeiter meines Sekretariats ist jüdischer Abstammung. Er hat sich jahrelang vor der geheimen Staatspolizei verborgen gehalten. Es ist ihm später gelungen, sich einen holländischen Pass zu besorgen. Er ist Deutscher und befindet sich zurzeit auf der Suche nach seinen Angehörigen in Holland.

In dem Augenblick, wo ich mit Kampfhandlungen in Schleswig-Holstein rechnen musste, sorgte ich für die Sicherstellung der gesamten Konstruktion. Am 4. Mai 1945 war klar, dass Schleswig-Holstein nicht mit Kämpfen zu rechnen habe. Ich entschloss mich daher noch am gleichen Tage, der Entwicklungsgruppe Widerøe nun endlich die Form zu geben, die geeignet ist, derartige wissenschaftlich-technische Probleme mit Erfolg zu lösen. Mit der Auflösung des Arbeitsstabes wurde die 'MV-Forschungsvereinigung' unter der wissenschaftlich-technischen Leitung von Dr. Widerøe und seinem Stellvertreter, Dr. Kollath, gebildet. Geschäftsführer ist Dipl.-Ing. Werner Bartelt. Ich bin zunächst weiterhin Treuhänder und es ist meine Aufgabe, für die Sicherstellung und die Wahrnehmung abgeschlossener internationaler Verträge einzutreten.“

Seine Verträge mit Rolf

Er geht näher auf den mit Rolf geschlossenen Vertrag sowie einen Vertrag zwischen ihm und dem Deutschen Reich ein, der seine eigene Situation regelte:

„Ich erhielt die Mittel vom Reich auf Grund des Vertrages zwischen dem Deutschen Reich und dem Unterzeichnenden als Treuhänder zur Verfügung gestellt und war verantwortlich für einen zweckgebundenen Einsatz der Mittel. Im Übrigen war es meine Pflicht, für die Sicherstellung der Arbeit und für die Wahrung der Verträge einzutreten.“

Was die finanzielle Entschädigung betrifft, scheint es, als sei nunmehr eine Änderung eingetreten und Hollnack habe in letzter Zeit einem persönlichen Ausgleich entsagt und ihm zufolge sogar alle Ausgaben selbst getragen. Das ist mitunter ein Zeichen dafür, dass er sich in der Defensive befand und versuchte, sich Sympathie zu erkaufen. Am Ende des langen Berichts weist er darauf hin, dass das Betatron-Projekt weder in seiner früheren noch in seiner jetzigen Form mit „belastenden persönlichen oder sachlichen Momenten“ zu tun habe. Und „wenn überhaupt“, dann sei er „allein und als Einziger hierfür verantwortlich“.81

Das Dokument ist mit „Hollnack“ unterzeichnet und mit „Kellinghusen, 9. Juni 1945“ datiert. Den meisten Raum nehmen die Punkte über Rolf und das Betatron ein, wobei er sich so ausdrückt, als würde er das ganze Projekt „besitzen“. Es zu besitzen, trifft gewiss auch auf Rolf zu, und beide haben ein Stück weit recht. Welches – hinter all den Worten über seinen Antrieb, alle Bekannten und alles Erreichte – Hollnacks Motive waren, ist verwirrend. War er ein berechnender, eiskalter Geschäftsmann? War er ein Gewiefter, der die Situation ausnutzte, ein Sonderling mit ideellen Absichten, ein eigenbrötlerischer Pedant vom Typ Machtmensch? Oder Nazi oder Hitler-Gegner oder Abenteurer? Oder war Hollnack nur ein selbstbewusster und mitunter armseliger Mann mit großen Vorstellungen von sich selbst? Die Antwort darauf hätte ich gern gefunden, allerdings ist sie kaum wichtig, um Rolf zu verstehen. Alles jedoch, was über ihn dokumentiert werden kann, befindet sich gemäß Rolfs Charakteristik irgendwo zwischen „merkwürdig“ und „etwas überspannt“.

Zweifellos ein Mann, der mit großer Süffisanz, mit Ambitionen und Macht auftrat. Ansonsten hätte er das von ihm Erreichte nicht geschafft. Tüchtig in vielem, jedoch nicht in allem. Er war zielstrebig und „wollte“ viel. Zeitweise zynisch. Aber nicht nur „gemein“, auch loyal. Umsichtig. Er hätte Rolfs Assistent Touschek nicht helfen müssen, aus dem Gefängnis freizukommen. Er war nicht gezwungen, sich dafür anzubieten, dem Kurier Overbeek ein Stipendium zu verschaffen, damit dieser im Ausland studieren konnte. Er hätte nicht für Rolfs Projekt kämpfen müssen, als ihm entgegengearbeitet wurde. Vermutlich entschied Hollnack selbst durchzudrücken, dass Rolf in seinem geplanten Urlaub nach Hause fahren konnte und einer möglichen Verhaftung in Deutschland entging. Letztendlich hätte er ihn auch nicht vor einer möglichen Verhaftung durch die Briten retten müssen, damit er endgültig nach Norwegen reisen konnte.

Kurz gesagt: Gut zu Hause angekommen, schwieg Rolf. Darüber, wie er wissen konnte, was er wusste, zum Beispiel das mit der Freilassung seines Assistenten. Dass er ihn aber im Gefängnis besucht, ihm Bücher mitgebracht und Zigaretten in die Taschen geschoben hatte, ja, das sagte er. Auch erzählte er von Touscheks jüdischem Hintergrund und davon, dass er verhaftet worden war, weil er in der Bibliothek ausländische Zeitschriften gelesen hatte. Aber irgendein darüber hinausgehendes Engagement, etwa die Mitwirkung oder Komplizenschaft, um ihn unter Einsatz von List und Kontakten aus der Gefangenschaft zu holen? Nein. Kein Wort darüber, dass er sich bei der Gestapo für ihn eingesetzt hatte. Dabei hätte er erzählen können, wie nah er selbst am Abgrund gestanden hatte …

  • dass Hollnack & Co. ihn in Oslo abholten

Wie aber konnte der Norweger Rolf, der seriöse und anständige dreifache Vater in ein solches Drama hineingeraten? Nicht nur auf persönlicher Ebene, nicht nur im Weltkrieg, sondern mitten hinein in das große Thema des Krieges: Wer hatte in Sachen Atomwaffe die Nase vorn, die Deutschen oder die Amerikaner? Nun, jemand verfügte über Insiderinformationen über seine Forschung und begriff, dass er der Mann war, den Deutschland brauchte. Das klingt gewaltig, ist faktisch aber wahr. Aber hat er etwas darüber erzählt? Nein. Wer ihn zum Beispiel an diesem Tag im Jahre 1943 kontaktierte? Zwar kannte er selbst nicht die ganze Geschichte, sagte aber auch nicht alles, was er wusste. So entstehen Gerüchte. Mystik.

Worauf wir uns stützen können, ist das Wenige, was er in der deutschen Biografie preisgegeben hat. Über das Zustandekommen des Engagements für die Luftwaffe bleibt er wortkarg und vage. Und der Autor Waloschek – ganz eindeutig beeindruckt von dem Physikerkollegen – lässt den älteren, berühmten Mann billig davonkommen. Beim gründlichen Lesen entdeckt man jedoch, dass zwischen den Zeilen etwas geschrieben steht.

Der alte Mann sagt vermutlich genau das, was er vorgehabt hatte zu sagen, und das, was er immer gesagt hat. Formuliert es so, wie er es all die Jahre, nachdem es geschehen war, getan hatte. Bis er selbst geglaubt hat, dass es so gesagt werden sollte, dass er es so erinnerte, und dass es so war.

Als Erstes ist Rolf unklar, wann er kontaktiert wurde, und er „erinnert sich nicht“, ob es zwei oder drei Offiziere der Luftwaffe waren, die nach Oslo kamen, um ihn zu überreden. Hingegen nennt er aber ein unwesentliches Detail, nämlich dass er etwas an seinem Fahrrad reparieren musste, bevor er sie begleiten konnte. Okay. Stimmt jedoch meine Theorie darüber, wer zu ihm kam, waren mindestens zwei davon Personen, mit denen er später zu tun hatte. Daher scheint es unwahrscheinlich, dass er sich nicht „erinnerte“. Dass er es nicht erzählen wollte, ist eine andere Sache und von seinem Standpunkt aus verständlich. Hätte er es getan, hätte er die ganze Geschichte auf den Tisch legen müssen. Was er sagt, ist:

„Eine Zeit, nachdem mein Bericht erschienen war, geschah etwas sehr Sonderbares. Eines Tages, es muss etwa im März 1943 gewesen sein, kamen einige Offiziere der deutschen Luftwaffe zu NEBB und wollten mit mir sprechen. (…) Ich weiß nicht mehr genau, ob es zwei oder drei waren.“82

Wenn das eigene Land besetzt ist und man am helllichten Tag von Offizieren des Feindes aufgesucht wird, ja, dann bekommt man mit, ob zwei oder drei Männer mit einem sprechen wollen, zuerst vor dem Büro und später im Grand Hotel. Auch erinnert man sich später daran, ob es im März war oder nicht. Dennoch verrät Rolf indirekt etwas, und zwar indem er zwei Informationen zusammenfügt, die für Uneingeweihte nichts miteinander zu tun haben. Denn während er von den Artikeln spricht, die er an Egerers Zeitschrift in Berlin geschickt hat, sowohl den ersten als auch den im Juli eingereichten – und hier gibt er den genauen Zeitpunkt an –, sagt er etwas, das dazu veranlasst, sich den Text und den Zusammenhang noch einmal anzusehen:

„Eine Zeit, nachdem mein Bericht erschienen war, geschah etwas sehr Sonderbares.“

Dann folgen die Sätze darüber, dass er aufgesucht wurde, und dass es entweder zwei oder drei Personen waren, die zu ihm kamen:

„Eines Tages, es muss etwa im März 1943 gewesen sein, kamen einige Offiziere der deutschen Luftwaffe zu NEBB und wollten mit mir sprechen. (…) Ich weiß nicht mehr genau, ob es zwei oder drei waren.“

Er verbindet also die Artikel damit, dass er aufgesucht wurde. Beim ersten Lesen wirkt das logisch, nicht aber, wenn man mehr weiß und darüber nachdenkt. Nun waren Biografien früher gern epischer und – nennen wir es – entspannter gestaltet. Zudem darf man nicht vergessen, dass der Interviewte 91 Jahre alt war, jedoch ist dieser Abschnitt beispielhaft für das leicht Naive, das Teile der Biografie prägt. Rolf hat den Interviewer nicht näher an sich herangelassen, als er selbst es wollte, und Pedro Waloschek hat den Abstand akzeptiert. Mikrofonstativ aufgestellt, dann servil und unkritisch, so würde es die heutige Generation draufgängerischer Journalisten nennen. Später aber hat Waloschek, der zu diesem Zeitpunkt selbst fast 90 Jahre alt war, in Gesprächen mit mir eine nuanciertere und kritischere Sichtweise vermittelt (Abb. 5.1).

Abb. 5.1
figure 1

(Foto © Pedro Waloschek)

Rolf Widerøe engagierte sich aktiv in der Arbeit an seiner Biografie, die 1993 in deutscher Sprache erschien.

Aber auch hier gibt es andere Quellen. Was findet man in den frisch geöffneten britischen und amerikanischen Archiven über diese erste Begegnung zwischen Rolf und Nazi-Deutschland? Nun, hier ist von einem Mann zu lesen, der in Vertretung des Ministeriums von Rüstungsminister Speer nach Norwegen reiste und Rolf für ein geheimes deutsches Waffenprojekt ins Land holte. Der Mann war Theodor Hollnack. Begleitet wurde er von zwei Männern, die beide einen Doktor in Physik hatten. SS-Offiziere mit Spezialauftrag. Ein Teil des Kriegsalltags, aber dennoch – wie war Rolf ins Blickfeld geraten?

Da die Gespräche in Oslo, trotz allem, scheinbar eine angenehme Atmosphäre hatten, ist denkbar, dass ein deutscher Experte, den Rolf von früher kannte, Teil der Delegation war, die ihn überreden sollte. Er könnte Rolf jovial auf die Schulter geklopft und seine Vorfreude auf die Zusammenarbeit mit ihm in Deutschland geäußert haben. Einer, der eine solche Rolle erfüllt haben könnte, war Rudolf Kollath. Er war ein vielversprechender Beschleuniger-Experte, der 1941 zur Arbeit im Aluminiumwerk im norwegischen Sauda „dienstverpflichtet“ wurde. Er hatte etwa zur gleichen Zeit wie Rolf promoviert und beide hatten sie dann bei AEG in Berlin angefangen. Die Grundlage für eine fruchtbare fachliche Zusammenarbeit muss vorhanden gewesen sein, zumal sie diese auch nach dem Krieg fortführten.83

Ein anderer, der sich anbietet, ist der Chemiker und Kernphysiker Hans Eduard Suess. Er war Deutschlands Berater für die Produktion von Schwerwasser in Vemork und hielt sich eine Zeit lang in Norwegen auf. Eigentlich war er an der Universität Hamburg angestellt. Gerüchten zufolge war er Kommunist und laut Rolf einer von denen, die sich ausdrücklich als Hitler-Gegner bezeichneten. „Ich konnte ganz offen mit ihm reden“, sagte er. „Er vermittelte mir den Eindruck, dass die Forscher alles in ihrer Macht Stehende taten, um zu verhindern, dass die Atombombe in Deutschland gebaut wurde. Das einzige Potenzial, das sie in der Uranspaltung sahen, war der Gedanke an eine zukünftige Energiequelle.“84

Die anti-nationalsozialistische Haltung von Suees wird vom Konstrukteur und Leiter von Vemork, Jomar Brun, bestätigt:85

„Während einem meiner Gespräche mit Suess (draußen auf einem der Altane der Fabrik, um nicht gehört zu werden), sagte er, dass er mir aus Rücksicht auf meine Gewissensskrupel erzählen wolle, wozu das Schwerwasser wirklich verwendet werden sollte. Es hatte keine kriegstechnische Bedeutung. Man zielte darauf ab, einen Uranreaktor zur Stromproduktion zu konstruieren – im Wesentlichen nach den bereits von Joliot-Curie in einem Patent angemeldeten Prinzipien (das auch ich kannte). Man rechnete damit, dass das so viel Zeit in Anspruch nehmen würde, dass das Projekt erst nach dem Krieg abgeschlossen würde. Dafür brauchte man ca. 5 Tonnen Schwerwasser. Suess bat mich, bezüglich seiner Information absolut dichtzuhalten, erzählte mir jedoch nach dem Krieg, dass er damit gerechnet hatte, dass ich sie an meinen Freund Tronstad in Großbritannien weiterleiten würde, was ich auch tat, aber erst im Juli, als ich wieder Besuch vom Kurier bekam.“86

Status

Sicher ist, dass es mit Status verbunden gewesen sein muss, Rolf zu kennen und ihn zu empfehlen, da sich mehrere Personen die Idee für sich in Anspruch nehmen, ihn während des Krieges zu gewinnen. Erwähnt werden sowohl Fabrikbesitzer Seifert als auch Redakteur Egerer. Theoretisch kann Richard Seifert mit in Oslo gewesen sein, jedoch gibt es für die Zeit vor dem Krieg keinen bekannten Kontakt zwischen den beiden. Während des Hamburg-Aufenthalts wurde er dann zu einem guten Kollegen und Vertrauten, und die Freundschaft hielt ein Leben lang an.

Quellen in der Röntgenfirma Rich. Seifert & Co. behaupten, dass Richard Seifert jr. eine zentrale Rolle dabei gespielt habe, Rolf nach Deutschland zu holen, vielleicht sogar die zentrale.87 Redakteur Egerer behauptet, er sei es gewesen, der Generalfeldmarschall Erhard Milch auf den Gedanken gebracht habe, die Widerøeschen Ideen in den Forschungsauftrag zu integrieren, den er übrigens als „Aufstellungsbefehl“ bezeichnet.88 Egerer war zu dieser Zeit Milchs Berater und kann der Urheber sein, jedoch ist auch möglich, dass ihm jemand einen Tipp gegeben hat. In diesem Fall ist Seifert am naheliegendsten.89 Er hatte weitreichende Vollmachten, handelte im Auftrag des Luftfahrtministeriums und war von Beginn an in das Widerøe-Projekt involviert.

Rolf hütete sich stets gut davor zu sagen, wer ihn nach Deutschland geholt hatte. Der überall gegenwärtige Theodor Hollnack, keineswegs wortkarg, was diese Sache betrifft, verbucht die Ehre unbescheiden für sich. Er habe dafür gesorgt, Rolf nach Deutschland zu bringen, ja, in der Tat sei er selbst nach Norwegen gereist, um ihn zu überreden. Sagt er. Und schreibt er – im Bericht an die britische T-Force.90 Er gibt an, dass nicht nur Heisenberg, sondern auch Kratzenstein, der bereits mit ihm zusammenarbeitete, auf Rolfs Schaffen hingewiesen hatte. Kratzenstein stellte die Verbindung zu Egerer her, und Egerer kannte wiederum Rolf, den Hollnack91 so ausfindig machte:

„Im Oktober 1943 verpflichtete ich W. nach einem Besuch mit Dr. Kratzenstein und Dr. Egerer (Schriftl. des VDE Berlin) seine Arbeiten in Deutschland aufzunehmen. Der Vertrag wurde am 1.11.43 in Oslo geschlossen.“92

Ja, so steht es dort. Viel deutlicher kann es nicht gesagt werden:

„Im Oktober 1943 verpflichtete ich W. nach einem Besuch mit Dr. Kratzenstein und Dr. Egerer.“

Hollnack kann gelogen haben, was seine Begleiter nach Oslo betrifft, allerdings spricht nichts des ansonsten Bekannten gegen Kratzenstein und Egerer. Es ist auch schwer zu erkennen, welche Motive Hollnack bewogen haben könnten, hinsichtlich seiner Reisebegleiter mit falschen Namen um sich zu werfen. Diese beiden waren anerkannte Physiker, was Rolf schnell begriff.93 (Beide landeten nach dem Krieg auf einer klassifizierten Liste über deutsche Forschung, die nach Ansicht amerikanischer Ermittler nützlich für die amerikanische Wirtschaft und Industrie war; erstellt wurde der Bericht für die Library of Congress. Unter der Überschrift „Röntgenausrüstung“ finden sich eine Studie über Materialuntersuchungen von H. Kratzenstein94 und ein Artikel Egerers über Röntgenstrahlen.95 Interessanter ist, dass beide Teil einer neueren Übersicht über Deutsche sind, die gegen das NS-Regime aufbegehrt haben.96).

Ansonsten erscheint Kratzenstein wie eine weitgehend gesichtslose Figur. Egerer hingegen zieht sich wie eine Nemesis durch Rolfs Leben: von der Doktorarbeit, die 1928 in dem Blatt erschien, bei dem er als Redakteur tätig war, über einige Artikel, die Rolf in den 1930er Jahren darin veröffentlicht hatte, und die beiden Artikel, die er während des Krieges eingereicht hatte, bis zu dem Besuch in Oslo, dem Flug nach Berlin und dem Zeitpunkt, als Rolf in Hollnacks Bekanntenkreis in Hamburg auf ihn trifft. Der Verband, als dessen Sekretär Egerer tätig war, war ein zentraler technisch-wissenschaftlicher Zusammenschluss im Bereich Elektro mit dem leicht verworrenen Namen Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik.

Viel deutet darauf hin, dass es sich bei den drei Deutschen, die nach Oslo kamen, um Karl Egerer, Hermann Kratzenstein und Theodor Hollnack handelte. Den ersten kannte er von früher, der zweite war ihm vermutlich unbekannt, der dritte wurde sein „Vorgesetzter“. Alle drei aber wussten viel über ihn. Sie hatten sich gut vorbereitet. Hatten einen klaren Plan, ihn zu holen, und einen Befehl von höchster Ebene.

Ein Haken an der Erklärung, dass es diese drei waren, ist, dass Hollnack in seinen Informationen an die Briten die einzige Quelle dafür darstellt. Ein weiterer Haken ist, dass der Biograf Waloschek behauptet, Redakteur Egerer sei nie in Oslo gewesen. Leider verstarb Pedro Waloschek im Frühjahr 2012, bevor ich ihn näher dazu befragen konnte. Auf der anderen Seite erfüllt Redakteur Egerer die Rolle von jemandem, den Rolf kannte und zu dem ein stärkerer Kontakt möglicherweise von Interesse war. Wichtiger aber, als genau zu wissen, wer dorthin reiste, ist die Tatsache, dass sie Einfluss hatten und von einflussreichen Leuten geschickt worden waren, weil Rolf jemand war, den zu überreden wichtig war. Ausgehend von der Situation, in der er sich befand, denkt man gern, dass er seine Gründe dafür gehabt haben muss, nie erzählt zu haben, wer damals zu ihm kam.

Der Ort des Geschehens

In der Kriegs- und Spionagegeschichte gibt es eine berühmte Parallele zu Egerer, einen Redakteurskollegen im selben renommierten Verlag Springer. Er hieß Paul Rosbaud, war wissenschaftlicher Redakteur der Zeitschrift Naturwissenschaften und hatte den Codenamen „Griffen“. Redakteure wissenschaftlicher Zeitschriften erlangen gute Kenntnisse über akademische Kreise, wissen jederzeit, welche Forscher herausragen und welche Themen „heiß“ sind. Daher können sie in einer Kriegssituation von Nutzen sein. Mithilfe norwegischer Nazis und Helfern der Freiwilligen-Legion Norwegen informierte Griffen die Alliierten über die Entwicklung deutscher Waffentypen, und er war es, der ihnen wichtige Angaben über die größte Bedrohung von allen lieferte, die Entwicklung einer deutschen Atombombe. Die Spekulationen darüber, wer Griffen sein könnte, tobten über 30 Jahre lang. Er verfügte über Kenntnisse, die nicht jeden für diese Rolle prädestinierten, und entsprechend merkwürdig war es, dass seine Identität nicht aufgedeckt wurde. Dem amerikanischen Physiker und Autor Arnold Kramish gelang es schließlich, die aufsehenerregende Geschichte aufzuklären und aufzudecken, um wen es sich handelte. 1986 veröffentlichte er das Buch „The Griffin. The Greatest Untold Espionage Story of World War II“, in Deutsch erschienen unter dem Titel „Der Greif. Paul Rosbaud, der Mann, der Hitlers Atompläne scheitern ließ“. Es verfügte über alle Zutaten eines Spionageromans. Mit dem Unterschied, dass das hier Ernst war.

Ein Greif ist ein Fabeltier, eine Kreuzung aus Löwe und Adler, das seit mehr als 5000 Jahren in diversen Kulturen als Symbol für Wachsamkeit und Achtsamkeit verwendet wird. In einigen Sprachen werden die Wörter „Greif“ und „Geier“ vermischt, was es nicht immer leicht macht, Fantasiegebilde von wirklichen Tieren zu unterscheiden. Rosbaud in der Verkleidung des Greifs wurde den Erwartungen an den Namen gerecht und Kramishs Buch als „die Geschichte eines der bestbewahrten Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs“ präsentiert.97 Die Geschichte eines vergessenen Helden, wissenschaftlichen Redakteurs, engen Freundes führender Physiker, Lebemanns, einer scheinbar guten Stütze der nationalsozialistischen Gesellschaft. Und die eines Spions.

Arnold Kramish war Experte der Kernforschung, am Manhattan-Projekt beteiligt und hatte Verbindungen zur CIA, für die er in der Sowjet-Spionage tätig war. Er konnte berichten, dass Rosbaud die Engländer frühzeitig über das deutsche Uranprojekt informiert hatte, dessen Aufgabe es war, eine Uranbombe, also eine Atombombe, herzustellen. Wichtiger aber war, dass er der Erste war, der den Chef der Wissenschaftsspionage beim englischen MI5, I.V. Jones, darüber in Kenntnis setzte, dass die deutschen Atombestrebungen zu keinem Ergebnis führen würden.98 Er wusste auch, dass der norwegische Student Sverre Bergh einer der Kuriere war, die Rosbauds Berichte von Deutschland nach Norwegen schmuggelten.

Mir ist es gelungen, Kramish einige Monate vor seinem Tod zu fragen, ob er Rolf kannte, und das tat er wirklich. „Ich war immer an Widerøes Pionierarbeit im Bereich der Beschleuniger interessiert“, schrieb er in einer E-Mail aus dem Krankenhaus. Aber er war zu krank für ein Interview und schrieb, dass er bedauerlicherweise auch nicht so viel wisse. In seiner letzten E-Mail forderte er mich auf, mit der Aufgabe fortzufahren, mehr über Rolf herauszufinden und über das, was er als ein „äußerst interessantes Projekt“ bezeichnete.99

Krieg ist Krieg

In Kramishs Buch finden sich Namen und Ereignisse, die gelegentlich Rolfs Weg und die „Welt“, in der er lebte, kreuzen, ohne ihn jedoch direkt zu betreffen. Zu Rolf ist keine Verbindung dokumentiert, jedoch zeigen die Geschichten „das Setting“, in dem er operierte, und sagen etwas darüber aus, wie während eines Krieges leicht Gerüchte und Unsicherheiten bezüglich der Fakten entstehen. Daher ist gegenüber Berichten über Rolf eine gesunde Skepsis angebracht.

Vielen Personen, die in den Zweiten Weltkrieg involviert waren, ist gemeinsam, dass sie danach nichts erzählt haben. Als man beinahe glaubte, es könne keine Geschichte mehr geben, die sich noch zu veröffentlichen lohnt, erschien 2006 zum Beispiel das Buch über den Norweger Sverre Bergh und sein Doppelleben als Student und Agent. Schwer krank brach dieser kurz vor seinem Tod sein Schweigen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits 60 Jahre lang Stillschweigen bewahrt. Hatte sein Schweigegelübde gegenüber der geheimen Organisation XU ernst genommen, die Kramish im Übrigen als „den am besten organisierten und produktivsten Nachrichtdienst, der während des Zweiten Weltkriegs operierte“100. Einige meinten, ein Schweigegelübde gelte auf Lebenszeit, andere unterschrieben für 30, wieder andere für 50 Jahre. Ein neuer Krieg konnte kommen und es war nicht ratsam, Methoden preiszugeben. Bergh hatte nichts unterschrieben, seine Loyalität erwies sich aber als widerstandsfähig. Und schließlich waren Geheimdienste ja auch kein Phänomen, das direkt nach Kriegsende verschwand. Da ging man lediglich direkt in den Kalten Krieg über. Und noch immer gibt es Menschen, die damit herausrücken, was sie all die Jahre, aus mehr oder weniger erklärlichen Gründen, verborgen haben. Vor uns. Die nicht sie waren. Dort. Damals.

Das Buch über den Einsatz des norwegischen Ingenieurstudenten für den britischen Secret Intelligence Service durch XU erschien bereits im ersten Jahr in vier Auflagen. Die Leute waren interessiert, über den 20-Jährigen zu lesen, der einen Agentenauftrag angenommen, die Entwicklung der deutschen Raketenwaffe V2 aufgedeckt und zentrale Berichte über Hitlers Atomwaffenprojekt geliefert hatte.

Ebenso zurückhaltend, wie es die Helden im Erzählen sind, so wissbegierig sind die Leute, etwas darüber zu erfahren. Jetzt. Danach. Wie sich herausstellte, verfügte die Organisation XU bei Kriegsende in ganz Norwegen verteilt über rund 1500 Agenten, zudem hatte sich via Schweden ein raffiniertes Kuriersystem nach Großbritannien entwickelt. Die Menge an Informationen führte dazu, dass die Alliierten einen guten Überblick über deutsche Streitkräfte in Norwegen besaßen. Bis 1988 wurde der Großteil der XU-Tätigkeit geheim gehalten, und selbst nachdem der damalige Verteidigungsminister Johan Jørgen Holst die Mitglieder vom Schweigegelübde entbunden hatte, hielten viele ihren Einsatz weiterhin im Verborgenen. Das war eine Art des Weiterlebens. Mit etwas, das gleichwohl keiner verstehen würde. Oder etwas, worüber sie nicht ohne Weiteres sprechen konnten.

Der junge Sverre Bergh, alias Sigurd, studierte in Dresden, um Ingenieur zu werden, und hatte von seinem Führungsoffizier folgenden Auftrag erhalten: Finde alles über das Atomwaffenprogramm und die Raketen der Deutschen heraus. Daraufhin bekam er einen Kontakt beim Springer Verlag in Berlin in einer Abteilung, die wissenschaftliche Artikel, unter anderem über Atomphysik, publizierte. Und der Kontakt war Redakteur Paul Rosbaud. Zusammen mit diesem berichtete Bergh als allererster Agent von den V2-Raketen, über den genauen Ort der Abschussstationen, ihre Form und Größe. Über den britischen Rundfunk erhielt Bergh die Bestätigung, dass die Berichte angekommen waren, und glaubte, alles sei in Ordnung. Da aber geschah das Fatale: Die Briten glaubten es nicht. Er hatte sein Leben aufs Spiel gesetzt, eine Sensation aufgedeckt, die Information überbracht – und ihm wurde nicht geglaubt. Dann schwieg er, bis zu seinem 85. Lebensjahr. Nur seine Frau und ein Onkel, der als Auslandskorrespondent für die Aftenposten gearbeitet hatte, wussten davon.101

Bergh war jedoch nicht der Einzige, der von seiner Studienzeit in Deutschland eingeholt wurde. Derselbe Springer-Redakteur, Paul Rosbaud alias Griffen, war vor dem Krieg 1939 in Oslo gewesen und hatte mit dem norwegischen Chemiker Odd Hassel die Gründung einer neuen Zeitschrift diskutiert. Die beiden kannten einander, seit sie zur selben Zeit in Deutschland promoviert hatten. Allem nach zu urteilen, begann Rosbaud während des Krieges, Hassel als Kurier für den britischen Geheimdienst einzusetzen, anfangs vermutlich ohne Hassels Wissen. In diesem Material fand sich unter anderem der sogenannte Oslo-Report.

Als Rosbaud 1942 mit Genehmigung eines hochstehenden Nazi-Generals und in Uniform der deutschen Luftwaffe nach Oslo kam, lautete der offizielle Auftrag, einen norwegischen Chemiker aufzusuchen, der ein guter Freund von ihm war.102 Die wirkliche Absicht bestand darin, durch XU dem britischen Geheimdienst Informationen über die Entwicklung deutscher Atomwaffen zukommen zu lassen. Dazu nutzte er Hassel, der nunmehr mit der Rolle als Mittler einverstanden schien. Anfang Herbst 1943 wurde der Kontakt jedoch abgebrochen.103

Während des Besuchs in Oslo hatte Rosbaud auch den Kernphysiker Harald Wergeland getroffen – der auch bei der Organisation XU war – und ihn darüber orientiert, dass keine Gefahr bezüglich einer deutschen Atombombe bestünde. Wergeland leitete die Informationen an Leif Tronstad weiter, der die Schwerwasser-Aktion in Rjukan plante und organisierte.104 Im Übrigen gehörte Wergeland nach dem Krieg im Prozess gegen Rolf dem Sachverständigenkomitee an.

Der Oslo-Report

Redakteur Paul Rosbaud wurde lange auch mit dem sogenannten „Oslo-Report“ in Verbindung gebracht, einem der spektakulärsten Lecks in der militärischen Geheimdienstarbeit während des Zweiten Weltkriegs. Darin wurde detailliert über Waffen und technische Hilfsmittel informiert, die die deutsche Kriegsindustrie entwickelte, unter anderem Flugzeuge, Torpedos und Radare, aber auch über die Raketen in Peenemünde. Der Report an sich war in zwei anonymen Briefen an die Britische Botschaft in Oslo geschickt und von dort aus, zur weiteren Analyse, an das MI6 in London weitergeleitet worden. Der SIS-Chef R. V. Jones gab später in einem Buch an, dass der Bericht von jemandem mit guten wissenschaftlichen und technischen Kenntnissen verfasst worden sein musste und sich klar von dem unterschied, was er bisher an Geheimdienstmaterial gesehen hatte. Die Identität war für ihn, als er das Buch 1978 veröffentlichte, allerdings immer noch ein Mysterium:

„Die Frage, wer es war, wird unvermeidlich gestellt werden. Ich glaube, ich weiß es, die Art jedoch, wie die Identität mir gegenüber aufgedeckt wurde, war so außergewöhnlich, dass es sehr gut sein kann, dass es ihm nicht angerechnet werden soll. Unabhängig davon gehört das der Zukunft an, und bis dahin muss die endgültige Schlussfolgerung warten.“105

16 Jahre später teilte der norwegische Widerstandskämpfer Arvid Brodersen mit, wie der Bericht zum britischen Geheimdienst gelangt war, und gab neue Details preis. Zu dieser Zeit waren der Oslo-Report und die damit verbundene Geschichte in Norwegen noch nicht allgemein bekannt:

„Der Report wurde am 1. und 2. November 1939 in Oslo in zwei Briefen per Post an den Marineattaché der Britischen Botschaft, Hauptmann Hector Boyes, geschickt. Die Briefe waren nicht signiert, und die Identität des Absenders war viele Jahre lang ein ungelöstes Rätsel. Als der Chef des wissenschaftlichen Geheimdienstes (SIS), Dr. R. V. Jones, den Report bekam und las, fiel ihm unmittelbar dessen hohes technisches und sprachliches Niveau auf, was ihn von der Echtheit überzeugte. Daher folgte SIS der Bitte des Absenders nach einer codierten Bestätigung des Erhalts im Rahmen einer Nachrichtensendung der BBC an einem bestimmten Tag.“106

1967 erhielt Jones einen neuen Brief, unterzeichnet mit „The Oslo Person“, in dem der Verfasser des Reports sein Motiv für die scheinbar landesverräterische Handlung, Geheimnisse über deutsche Waffen preiszugeben, erklärte: Er wollte verhindern, dass Hitler den Krieg gewann, wofür seiner Meinung nach, mit dem Wissen über die neue Ausrüstung der deutschen Kriegsmacht, Gefahr bestünde. Und der Bericht hatte für die Kriegsführung der Alliierten wirklich Geheimnisse von großem Wert verraten. Er stellte einen Durchbruch der wissenschaftlichen Geheimdienstarbeit dar und bot den Briten eine gute Grundlage, um Gegenmaßnahmen für die erwähnten Waffensysteme zu entwickeln. Nicht ohne Grund widmete Jones 1978 sein Buch über den britischen wissenschaftlichen Geheimdienst unter anderem „dem Verfasser des Oslo-Reports“, von dem er zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht wusste, wer es war.

Jones aber, als Chef der Wissenschaftsspionage beim MI5, ließ nicht locker und konnte in einem späteren Buch die Geschichte über den Urheber aufdecken, der sich als der oberste technische Chef des Siemens-Konzerns, Dr. Hans Ferdinand Mayer, erwies. Er war auf Geschäftsreise in Oslo gewesen und hatte den Report innerhalb von zwei Tagen während eines Aufenthalts im Hotel Bristol auf der Schreibmaschine des Hotelportiers geschrieben.107

Konspirativ und kryptisch

Rolfs Konkurrent und Kollege bei Siemens, Max Steenbeck, veröffentlichte seine Artikel in der Zeitschrift Naturwissenschaften, für die Rosbaud, alias Griffen, als Redakteur arbeitete. Für einen bestimmten Zeitraum untersagten ihm seine Chefs allerdings, Stoff über das Betatron zu publizieren. Wie Rolf hatte auch Steenbeck einen Artikel eingereicht, der nicht gedruckt wurde. Rolfs Redakteur im selben Verlag, Karl Egerer von der Zeitschrift Archiv für Elektrotechnik, ist ebenso eine Schlüsselfigur wie Rosbaud – der sich in einer Position befand, die Zugriff auf sensible wissenschaftliche Informationen erlaubte. Egerer hatte in den 1920er, 1930er und 1940er Jahren Artikel von Rolf gedruckt und kannte selbstverständlich auch den Inhalt des letzten „verschwundenen“ Artikels. Er wird ihn wohl kaum vielen gezeigt haben; zwei Personen, die den Artikel jedoch gekannt haben müssen, waren Hollnack und Kratzenstein.

Wie viel Rolf von dem verstand, was da vor sich ging, und ob er und Egerer sich zuvor persönlich begegnet waren, ist schwer zu sagen. Wenn aber der Redakteur kurze Zeit nach Erhalt des letzten Manuskripts Rolf in Oslo besucht hat, wie ich es glaube, muss Rolf es auf jeden Fall gewusst haben. Und wenn Hollnack derjenige war, der Rolf Geld gab und sein Projekt in Deutschland verwaltete – und das haben beide bestätigt –, dann wusste Rolf selbstverständlich, dass Hollnack mit einer der Personen identisch war, die nach Oslo gekommen waren. Aber er sagte nichts. Auch nicht über Kratzenstein, einen Namen, den er nie in irgendeiner Veröffentlichung nannte.

Und wenn jemand irgendwann in der Zukunft eine Verbindung zu Rolf findet, die ihn zu einer aktiven Figur in diesem Spiel macht, in das er zweifellos involviert war, sollte das nicht verwundern. Mit dem, was man ansonsten über Kriegsspionage weiß, würde das sogar wahrscheinlich klingen. Eine solche Spur ist jedoch nicht dokumentiert, und auch ohne sind der Mensch Rolf Widerøe, die Entscheidungen und Zufälle, aus denen sein Leben besteht, nicht weniger interessant. Ausgestattet mit einer nationalsozialistischen Gesinnung wäre es nicht aufsehenerregend gewesen, während des Krieges nach Deutschland zu gehen, um dort bei der Waffenentwicklung behilflich zu sein. Als erklärter Nazi oder Spion der Alliierten hätte er ein Programm durchzuführen, einer geplanten Strategie zu folgen gehabt – und als Doppelspion einen noch geringeren Handlungsrahmen. Ohne solche Verbindungen ist er ein gewöhnlicher Mensch, der versucht hat, so gut wie möglich klarzukommen, und illustriert, wie vielfältig sich das Leben mitunter ausnimmt. Ist das Talent groß, können die Prüfungen in einer außergewöhnlichen Situation entsprechend groß sein, vor allem wenn jemand einen ausnutzen will. Und das wollen oft viele.

Manchmal ist es nicht leicht zu wissen, was was ist. Im Krieg werden Informationen auf die wundersamsten Weisen gesammelt und verteilt. Das kann lebenswichtig und lebensgefährlich sein. Sowohl zu geben als auch zu nehmen und zu besitzen. Sie sollen zu dem gelangen, für den sie bestimmt sind, und zu niemand anderem. Kanäle müssen mit Sorgfalt, gern mit List ausgewählt werden. In der Mappe FO 1032/230 in den National Archives in London liegt zum Beispiel eine kryptische Notiz mit dem Vermerk „Fall: Hollnack“, geschrieben vom Sicherheitschef der britischen Militärregierung, Ronald Fraser, im Hauptquartier bei Hamburg. Diesen T-Force-Offizier hatte im Juni 1945 ein sonderbarer dreiseitiger Text mit klaren Assoziationen zu der Sache erreicht, an der er arbeitete, nämlich Rolfs Betatron-Projekt. Der Text war künstlerisch ausformuliert und hatte eine gefühlsgeladene politische Botschaft. Er beinhaltete keine Namen von Personen oder genauen Orten, sondern war auf eine stilisierte Ebene „gehoben“, wie ein Schauspiel mit zwei Rollen: ein Norweger und ein Deutscher. Über den Norweger steht geschrieben, er sei Techniker und Wissenschaftler; über den Deutschen steht nichts. Zeit und Ort: „Oslo, ein Haus im Gebirge, im Oktober 1943“. Überschrift: „Gespräch in Oslo 1943“. Und wo führt das hin?

In dem an Oberst Read adressierten Übersendungsvermerk, datiert auf den 10. Februar 1946, konstatiert Fraser, dass er die Korrekturkopien eines Artikels, den er vor Abdruck in der kleinen Zeitschrift Der Kreis zur Durchsicht erhalten hatte, „mit erheblichem Interesse“ gelesen habe und er Reads „Aufmerksamkeit [speziell] auf zwei Sätze auf Seite 22, zweiter Abschnitt lenken“ wolle. Fraser hatte sich nicht die Zeit genommen, den deutschen Text ans Übersetzungsbüro zu schicken, und ihn daher selbst ins Englische übersetzt:

„Die deutsche Regierung hat den Führungsanspruch auf Europa proklamiert. Ich habe es, im Rahmen der mir selbst gezogenen Grenzen, führenden Männern in Deutschland klargemacht und werde es weiterhin tun, dass ein Anspruch auf eine solche Führung sich nicht ständig auf Bajonette stützen kann, sondern dass wir der Welt zuerst unseren Geist entgegenzusetzen haben.“108

Auf seiner eigenen Kopie hatte Fraser auf Deutsch vielsagend notiert: „Also! Marschiert DOCH das Herrenvolk!“ Das ist so, als höre man förmlich die Hymne der Nationalsozialisten: „Die Fahne hoch! Marschier'n im Geist in unser'n Reihen mit.“ Im Begleitschreiben an seinen Chef macht er auf den von ihm am Rand hinzugefügten Kommentar aufmerksam und erläutert näher, was er damit meint:

„(…) aus dem Sumpf aus Selbstmitleid und Masochismus, mit dem die Zeitschrift von der Titel- bis zur Rückseite gefüllt ist, sehen wir einen unverkennbaren Hinweis auf einen totalen Mangel an Verständnis für den Gedanken an ein Deutschland, das seinen Platz in der Welt auf einer Linie mit anderen Nationen einnimmt – ganz im Gegenteil, jetzt soll Deutschland durch die Kraft der Gedanken und kulturell-humanistische Propaganda die Welt dominieren.“

Als Oberst Read den Brief erhielt, fand er die Sache so speziell, dass er unverzüglich eine Kopie an seinen Vorgesetzten, Major Evans, schickte und in einem Begleitschreiben kommentierte:

„Das bedeutet selbstverständlich in keinster Weise, dass unser Freund Nazi war oder ist. Das ist lediglich ein Hinweis auf die uralte mentale Krankheit, unter der das deutsche Volk leidet.“

Aus dem Zusammenhang heraus gibt es keinen Zweifel daran, dass mit „unser Freund“ Hollnack gemeint ist. Der Artikel, von dem die Rede ist, liegt dem Begleitschreiben heute nicht mehr bei, jedoch findet sich in amerikanischen Archiven eine englische Version davon.109 Dort befindet sich auch ein Brief, den Fraser zusammen mit dem Artikel erhalten hatte, geschrieben und zugesandt von – genau – Theodor Hollnack.110

Der berüchtigte Text stammte aus der Juni-Ausgabe von Der Kreis, die 1945 einen Monat nach der deutschen Kapitulation erschien – zur gleichen Zeit, als die Widerøe-Gruppe und Hollnack in Kellinghusen saßen und das Betatron-Projekt zusammenfassten. Die Ausgabe erschien am 6. Juni. Drei Tage später schrieb Theodor Hollnack einen seiner sehr umfangreichen Briefe an die Briten, mit einem großen Stapel Anlagen, die von A bis Z über Rolfs Projekt informierten. Dort, im allerletzten Abschnitt des äußerst korrekten, auf Hollnacks eigenem Briefpapier verfassten Schriftstück an „T-Force, 2. Britische Armee“, wird eine Anlage erwähnt, die sich deutlich von allen anderen unterschied. Hollnacks Brief lässt keinen Zweifel daran, dass der merkwürdige Text mit Rolfs Betatron-Projekt zu tun hat:

„Ich überreiche Ihnen weiterhin ein Exemplar der mir zum Druck vorliegenden Zeitschrift 'Der Kreis'. Bei den Herausgebern handelt es sich um die Mitarbeiter der 'MV-F.-V'. Sie ist ausschließlich für den internen Gebrauch bestimmt und birgt das Gedankengut dieses Kreises. Außerdem wird vor offiziellem Erscheinen die Genehmigung der Britischen Militärregierung Itzehoe eingeholt. Vielleicht darf ich besonders auf das auf Seite 20 veröffentlichte 'Gespräch in Oslo 1943' hinweisen.“

Beim Lesen des Textes hat man auf dreieinhalb Seiten Replikenwechsel mehrere Aha-Erlebnisse. Hier ist Rolf definitiv mit von der Partie. Ich gebe die englische Version wieder, die als einzige zugänglich ist; aus dem Zusammenhang heraus wirkt es jedoch so, als sei der Text ursprünglich auf Deutsch geschrieben worden:

Übersicht

Auszug aus der Zeitschrift "DER KREIS Juni 1945

Conversation in Oslo in 194 3

Persons:

  1. 1)

    a Norwegian, a technical and scientific man

  2. 2)

    a German

Place and time: Oslo, a house in the mountains, in October 1943

The Situation:

Germany had pushed forward with a gigantic war-machinery and a dynamic never seen before, since 1939 in the East South and West. World seemed to be overcome. Germany seemed to be certain of its affair. Beginning 1943 and in the course of it Germany had to change from offensive into defensive and retreat began in the south and east. This, even to a critical German, could mean planning and self-restriction. The German press did the rest. From the point of view of the adversaries of Germany, the occupied and neutral states it was clear: the point of culmination of the German aggression had been exceeded. Here going back at all fronts, and therewith slow, but sure exhaustion; there a power of offensive of all rivals of German raising from month to month. According to this judgement the break down of Germany was still only a question of preparation and start of the invasion by England and America in the West. Even to the most non-critical member of a country occupied by Germany it must appear a considerable risk to continue existing connections at the limit of its ability of aggression and, in the end, could not resist a pressure constantly getting greater. In October 1943 the dice against Germany had already been thrown from the point of view of foreign countries.

The Norwegian: I shall come to you to Germany, work there and realize my ideas. I am an engineer, my brain and my heart belong to mechanic and science. Except my wife, my children and my relations, work means everything to me. This work is my task of life. I believe that I have to give the world something and I have to fulfil my mission sooner or later.

The German: Man has in life only one duty, to recognize his mission and to fulfil it. The thorny way of mankind is called development. It can only be reached by giving away oneself without the rest to one's destination and by personal sacrifices. I shall give you the possibility to fulfil your duty to yourself to science and mechanics. Come to us to Germany!

The Norwegian: I know all that you tell me. Often enough I have examined myself. But just as to my work, I am connected to my wife and my children. Consider well, what you are offering me: certainly the immediate realization of my thoughts, but what does Germany mean to me! Germany is in war with nearly all the world. Till now Germany shed much blood, it has brought much suffering, misery and destruction to human being and the nations whom I am related to. It has invaded our country. The king, the leader of our nation had to escape and with him many of my compatriots. Thousands have been put to death, thousands dragged to a tribunal, only because they were good Norwegians. Your own compatriots have condemned my brother to 10 years in a house of correction only because he wanted to help good friends of his, he was accused of conspiring with England. My parents nearly broke down by that. And now you, as representative of this Germany, are coming to ask me to come to you. Surely, I like Germany. I know the Germans, and in your country I have many friends whom I appreciate very much and whom I would like not to loose. In Germany, I have studied and worked. Besides I know that it is not the real Germany which is causing this inferno to the world. It is just the depth and impenetrability of German soul made this people able and ready to give in to the dynamic pressure of jugglers and hazarding creatures. Can you now imagine the conflict into which you are bringing me?

The German: You have showed Germany to me how it really is and like one can only judge men and things if one has the necessary distance from them. It must seem to everybody who does not know this people, that this land is the seat of the apocalyptic riders and that for cultural nations there is no more holy mission than to burn away this blister on the body of Europe. You see, I am a German and I like my country and my people just as you like yours. To love one's country does not mean to destroy that of other people. The more I am fond of this country, the more I can imagine and understand the virtues and faults of my nation, the more I am able to understand all human being that live under the same pains and sorrows. I do not see only their conflict, but I knew my own one, and I know that many Germans recoil at it the same myself. What are we to do? Shall we destroy the men who misuses a whole nation and who have founded their government on the most primitive instincts in man? This, and the possibilities hereto, no outsider can easily imagine. Not considering that I believe that such problems cannot resolved by the destroyment of single men. Or are the German who overlook the evolution of things, to leave home, wife, children and their relations and join the army of the allied nations? Or shall we fight with ink and pen from a safe port and put the rotation-press of all countries into a furious movement against spiritless and tyranny? Or shall we be sitting during the act of this immense drama that now hurries over the stage of the world, as spectators in the parquette, tired and disinterested, terrified or intoxicated, applauding or rising tiresom, as if all this would be nothing to us? It would be more simple and straightforward, but not courageous and resolute. I do not see a martyr in a man who leave his nation in order to bring itself into safety. I believe that the real German grows up to the sense of sacrifice to know all this, to undergo the consequences of this attitude, and still to remain at his place and to do what duty demands from him.

The Norwegian: I must admit that I have not yet seen things in the way you are showing me. But if you please, what do you think to be your duty?

The German: I have said it already: to endure and to work, to undergo and suffer the horrors of this war, the bomb-nights same as millions of my people to whom help is necessary. To soften physical or soulish wounds of those families who lost their home, their relations or at least of some of them. To help people who are pushed out by reason of the politics of races, and thus are considered pariahs, only if it can only be a single one to whom one can be of use.

The Norwegian: That may be all quite right. But you spoke of the work. How is it possible at all to work in Germany under the existing conditions and how can one think of starting a task, which almost does not belong to the present development of war at any rate? Besides: Doe not every work lose its real sense and every justification under this point of view, in the present Germany?

The German: My answer to this shall justify my attitude stated above and that of any German as well. My own responsibility engages me to the following: to arrange for a problem, the results of work of which are highly exceeding the frame of the present war, to act for the solution of a matter which keeps its importance also after the end of the war and that really for all nations. Besides, we have to consider that after the end of this war Germany will be a poor, destroyed country. Therefore I consider it a demand of the hour that every German works according to this as far as his abilities and possibilities enable him. The German government has claimed to the leading in Europe. I have explained to leading persons of Germany and shall continue doing so that a claim to such a leadership ought not to be supported by bayonets for all time, but we have to prove at first our spirit to the world. Besides I know so well as you that one can be master of a people and likely of all the world for long years by force, but that at last justness will triumph. Besides I am seeing the time coming when present dream of a 1000 years’ empire breaks down on account of its lack of supposition and conditions and that with this event new leaders are brought up, tolerated or moved by ambition; or nobody’s blessing, neither for that of a real Germany nor for that of the world. Then we need creatures grown ripe by afflictions who have learned to keep silence and also can be silent, and speak only when truth and justice demand it. I follow the politic of the “Trojan horse” and hereby and in persecution of my zeal I make use of every means; every lie in this connection means a holy lie to me. I use those forces which I cannot and will not destroy, but I do not allow anything to make use of me.

The Norwegian: So you seem earnestly to believe that such an immense problem of research and development, as my work represents, could be executed with result in Germany?

The German: Yes, I am even convinced that, for the time being there is no better possibility of realizing your work of life than in Germany.

The Norwegian: This I do not quite understand.

The German: I will declare it to you. Germany, nearly without any exception, works on preparation-equipments. All proposals which are not in any connection to the war, are not allowed to be executed. A certain part of research and development, however, is kept, and those ideas which for the time being are executed, are carried out most urgently. Besides, my method guarantees a preferring attending to your problem, and moreover you will always meet at the responsible places some persons with whom a working together pays out. Please consider the difficulties arising for a researcher in most of the countries, same as formerly in Germany to execute a founding work which possibly requires a lot of money, and the many years which a researching personality sometimes has to spend useless before getting to the zeal of his desires. – All of us know the desire and the necessity for an inquirer to be and to remain independent. In each technical or economical connexion there is an extreme danger to one's own research and the evolution of it. Anyhow, I am absolutely convinced that considering the possibility that you could bring your problem nearer to a realization and that thus you would render inestimable service to your country as well as to other nations. I am fully aware of the fact that you will not find any especially good personal conditions and that you are put to certain dangers by your eventually working in Germany. Please also think of your brother whom possibly you might be able to help. My request to you “Come to Germany” means a sacrifice to you. But this sacrifice you ought to bring to your work, to Germany as you know it and as it really is, and besides to the world.

The Norwegian: Well, I am ready. I am coming to you to Germany.

Wo in dem Ganzen soll man mit der Suche nach Sinn beginnen? Zuerst drei eindeutige Beobachtungen:

Das Rollenspiel wurde von jemandem verfasst, der den Stoff gut kennt, entweder weil der Betreffende selbst an dem Gespräch teilgenommen oder weil der Betreffende eine gründliche Einführung in das Thema erhalten hat. Die Repliken des Deutschen sind lang und dosiert, die des Norwegers kurz und persönlich. Es gibt keinen Zweifel daran, dass „der Norweger“ Rolf ist und das Ganze auf eine tatsächliche Begebenheit anspielt. Da ergibt sich ganz natürlich die Frage: Wer ist „der Deutsche“? Mit dem, was bisher über diejenigen bekannt ist, die Rolf in Oslo aufgesucht haben, ergeben sich drei mögliche Namen: Hollnack, Egerer und möglicherweise Kratzenstein. Ausgehend vom Inhalt des Textes ist jedoch schwer zu erkennen, ob einer dieser drei für die Rolle des „Deutschen“ infrage kommt. Möglicherweise wurden die drei, als eine Art künstlerischer Effekt, auch zu einer fiktiven Figur zusammengefasst.

Eine andere Frage lautet: Wer kann so etwas geschrieben haben? Szenario 1: Der Betreffende ist die Quelle selbst, also jemand, der an dem Gespräch in Oslo teilgenommen hat. Szenario 2: Jemand, dem die Geschichte erzählt wurde, gibt sie auf seine Weise wieder. In beiden Fällen besteht der literarische Kniff darin, dass diejenigen, die in Wirklichkeit anwesend waren, zu einer Person, „dem Deutschen“, zusammengefasst wurden. Dem Verfasser des Schauspiels ist das Genre des Dramas bekannt, obwohl es sich nicht um literarische Kunst handelt. Der Inhalt weist eine gewisse halbphilosophische Prägung auf, was an Hollnack mit seinem Interesse an Nietzsche denken lässt. Egerer könnte – als Redakteur – mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Autor sein, jedoch lassen sich schwer Anhaltspunkte dafür finden, dass er es ist. Das zweite Szenario, jemand habe die Geschichte vermittelt, ohne selbst in Oslo dabei gewesen zu sein, eröffnet unzählige Möglichkeiten.

Mit anderen Worten: Es ist nicht leicht, ausgehend von der Textanalyse einen verständlichen Sinn zu erkennen. Eine Auslegung ist jedoch wahrscheinlich: dass die Quelle des Berichts jemand ist, der mit in Oslo war, um Rolf zu holen, und dass der Betreffende identisch mit dem Verfasser ist. Hollnack, der den Text überliefert, bietet sich an. In der Mappe im britischen Sicherheitsarchiv gibt es diesbezüglich keine Dokumentation, weshalb nicht bekannt ist, ob die Briten es wussten. In zwei Briefen, die Rolf nach dem Krieg von seinem ehemaligen Assistenten Touschek bekam, steht jedoch mit klaren Worten, dass es Hollnack war.111

Also lautet die Frage: Was will man mit der Publikation dieses Textes erreichen? Welche Nachricht will wer an wen übermitteln? Ich weiß nicht, ob die Offiziere, die den dramatisierten Text von Hollnack erhielten, die Zeitschrift kannten, in der er veröffentlicht werden sollte. Kaum einer tat dies, und das war der Punkt, denn es handelte sich um ein geschlossenes Forum. Allein der Schweizer Redakteur und eine weitere Person sollen die Abonnentenliste gehabt haben, die lediglich 200 Personen zählte. Der Kreis – le Cercle – the Circle, wie der volle Name lautete, war ein Blatt für intellektuelle homosexuelle Männer und verfolgte ein ambitioniertes politisches und künstlerisches Ziel. Homosexuelle galten in Hitler-Deutschland als suspekt und sollten ebenso wie die Juden von der SS ausgerottet werden; die Abonnenten bildeten einen geheimen Club, in dem die Zeitschrift einen wichtigen Kanal darstellte. Zu dieser Zeit wurden darin Artikel auf Deutsch, Englisch und Französisch publiziert. Sehr viele der Mitglieder und Autoren agierten unter falschem Namen. Der Redakteur, der auch die Gruppe leitete, war Schauspieler und Urheber vieler Beiträge.112 Er operierte unter mehreren Namen, im Blatt jedoch immer unter dem Pseudonym „Rolf“ – ein Zufall, der leicht verwirren kann. Auch er ist als Autor des Dramas über den Deutschen und den Norweger denkbar.

Es ist nachweisbar, dass Hollnack den Text an die Engländer gegeben hat. Das hätte er nicht tun müssen. Wen wollte er erreichen und womit? Eine Sache ist, was der Autor damit bezwecken wollte, den Text in dieser Weise und in dieser speziellen Zeitschrift zu veröffentlichen. Warum aber sollte Hollnack das den Briten gegenüber erwähnen? Es erscheint seltsam, dass das Büro der britischen Militärregierung bei Hamburg einen Artikel für ein solches Magazin genehmigt haben soll. Das weist in die Richtung, dass jemand eine bestimmte Absicht damit verfolgte und jemandem den Inhalt mitteilen wollte.

Ich habe keinen Beweis dafür gefunden, dass Hollnack homosexuell war, auch wenn einiges dafürspricht. Dagegen spricht unter anderem, dass er verheiratet war. Aber sein Kurier, der Teenager mit den vielen Namen, war homosexuell, wovon er selbst berichtet hat. Und wirkte Hollnack auf sein Umfeld sonderbar, dann war sein Kurier noch sonderbarer. In seiner Autobiografie schrieb Letzterer viele Jahre später, dass er Hollnacks „Günstling“ war und dass die anderen ihn deshalb mit einem gewissen Respekt behandelten:

„Niemand wusste, was ich hier eigentlich zu suchen hatte. Also musste es einen sehr guten Grund für meine Anwesenheit geben.“113

Der Kurier seinerseits fand das Ganze etwas merkwürdig und war unzufrieden, dass er im Grunde nicht sonderlich viel mehr zu tun hatte, als ab und an herumzureisen und Briefumschläge abzuliefern. Als Hollnack nach dem Krieg versuchte, die Situation aufzuklären, den Alliierten von seiner Arbeit berichtete und erzählte, wer im Büro Jude war, begriff er auch nichts. Und als Hollnack damit fortfuhr, dass die Engländer seinen Einsatz schätzen würden, verstand er noch weniger. Was war er gewesen?, fragte er sich. Hollnacks „privater Jude“? Der Gedanke war ihm damals durchaus gekommen, jedoch hatte er ihn nicht laut geäußert. Offenbar hatte man ihn hinters Licht geführt und nun begriff er, dass die Information, die er damals erhalten hatte, Show gewesen war. Im Namen der Gerechtigkeit begriff er aber auch, dass ihm selbst geholfen worden war und dass es nach dem Krieg nun an ihm war, Großmut zu zeigen und, wenn nötig, auch den Chef zu decken. „Vielleicht hatte er wirklich den Alliierten geholfen, während er den Deutschen half und sich selbst dazu.“114 Letzteres ist eine vielsagende Auskunft, ohne dass er sie näher vertieft hat. Kellinghusen war zumindest voll von britischen Soldaten, und er hatte registriert, dass sich über der Eingangstür der Pension, in der er wohnte, jetzt ein Schild mit der Aufschrift „Eight Army, T-Force, Keep Out“ fand.115

Nach dem Krieg zog der Kurier nach England und wurde unter dem Namen Jakov Lind zu einem bekannten Autor. Seine Autobiografie ist eine seltsame Mischung aus Erotik, Raketen und Quasi-Politik; er erweist sich sozusagen als möglicher Kandidat des pompösen Textes für die Homosexuellen-Zeitschrift. Allerdings war er bei Kriegsende erst 18 Jahre alt und verfügte damals kaum über das Wissen oder die Fähigkeit – vom Interesse gar nicht erst zu sprechen –, um darüber zu schreiben, wie Rolf nach Deutschland gekommen war. Daher muss man ihn aus dem Kandidatenkreis derer ausschließen, die etwas mit dem merkwürdigen Schauspiel zu tun gehabt haben könnten. Was das Mysterium an sich noch größer macht.

Die ganze Homosexuellen-Spur ist womöglich eine Sackgasse. Aber alle, die die Kopien und die beiliegenden Notizen, sowohl das Begleitschreiben des britischen Sicherheitschefs als auch das Hollnacks, erhalten haben, müssen sich gefragt haben: Warum taucht diese Geschichte in einem solchen Blatt auf? Oder war das nur ein Deckmantel, ein Kanal, der verwendet wurde, um Informationen zu verbreiten, die anderen außer dem Adressaten verborgen bleiben sollten? Das kann gut sein, aber in dem Fall bleibt die Frage, wen man erreichen und was man mitteilen wollte. Es ist zum Beispiel nicht einfach zu erkennen, wo „der Deutsche“ mit seinen quasi-philosophischen Betrachtungen hinwill:

„Wir brauchen Leute, die durch Leid gereift sind, die gelernt haben, dicht zu halten und still zu sein, und nur reden, wenn die Wahrheit und die Gerechtigkeit es erfordern. Ich folge der Politik des Trojanischen Pferdes, und auf diese Weise, und indem ich meinem Eifer folge, nehme ich jedes Mittel in Gebrauch; jede Lüge in diesem Zusammenhang bedeutet für mich eine heilige Lüge.“

Auch solche Formulierungen können auf den wundersamen Hollnack verweisen, der sich neben vielem anderen auch in PR und Marketing auskannte, und bestätigen damit das, was Touschek an seine Eltern schrieb. Indem man die aktuellen Personen in einer künstlerischen Stilisierung dessen, was faktisch passiert ist, zu einer fiktiven Person vereint, verdeutlicht man den Konflikt, spitzt die Botschaft zu. Aber warum in Der Kreis? Die Frage muss unbeantwortet bleiben. Aber auch wenn die Relevanz nicht klar ist, muss das Schauspiel dennoch erwähnt werden, weil der Inhalt so eindeutig Rolfs Geschichte ist. Wenn auch nicht mehr, so zeigt der Text doch, wie verwickelt und merkwürdig das Leben in Deutschland rund um Rolf während des Krieges war. Vielleicht taucht eines Tages auch eine Erklärung auf, warum gerade in diesem Blatt. Der Begleitbrief, den Hollnack an den englischen Sicherheitschef schickte, ist bei der Klärung jedoch keine Hilfe.

Diese erhält man hingegen, wenn man in alte Archive geht und die Briefe des Studenten Touschek an seinen früheren Chef ausfindig macht. Im ersten Brief, den er Rolf nach dem Krieg geschrieben hat, ist nämlich zu lesen, dass das Schauspiel von einem realen Gespräch handele, das zwischen Hollnack und Rolf stattgefunden haben soll, und dass Hollnack selbst der Autor war. Die Absicht soll gewesen sein, Rolf von der Anklage der Alliierten zu befreien. Dagegen habe Touschek damals eingewandt: „Ich sagte Hollnack, dass ich mir an Ihrer Stelle so eine Rechtfertigung verbieten würde.“ In einem späteren Brief übte er noch stärkere Kritik an dem Text, der seiner Meinung nach nur hohle Phrasen enthielt und zudem schlecht geschrieben war. Faktisch sei das ganze Blatt von Schwulst geprägt, und er habe sich geweigert, selbst etwas darin zu veröffentlichen. Deutlich war jedoch, dass Hollnack es für wichtig hielt und mehrere Mitarbeiter dazu gebracht hatte, Artikel beizusteuern, sogar Kollath, was Touschek erstaunte.116

Kurz gesagt: Dass Homosexuelle unter dem Hitler-Regime bedroht waren, ist wohlbekannt. Und dass ein Homosexuellen-Blatt mit einer äußerst begrenzten und definierten Leserschaft ein sicherer Kanal für die Vermittlung von Informationen war, die nicht auf Abwege geraten sollten, ist selbstverständlich. Ob jemand von den Deutschen, die in oder rund um das Betatron-Projekt involviert waren, homosexuell war, erscheint in diesem Zusammenhang unwichtig. Das Interessante ist, dass die abgedruckte Geschichte in dem Homosexuellen-Blatt Rolfs Geschichte war. So war es. Jemand kannte sie. Interessierte sich dafür. Und wollte sie bekannt machen. Aus bestimmten Gründen. Wer sie indirekt empfing, war eine kleine Gruppe intellektueller Homosexueller, deren Namen auf einer Liste standen, die nur zwei Personen kannten. Eine Geschichte, die ein Sicherheitschef im Auftrag der britischen Militärregierung zu lesen bekam. Weil Hollnack sie ihm geschickt hatte. Die Hollnack wahrscheinlich selbst geschrieben hat. Die der Sicherheitschef an seinen Vorgesetzten weiterleitete, den Kontrolloffizier, der sie wiederum an seinen Vorgesetzten weiterleitete, den Major. Die Geschichte, wie Rolf Widerøe nach Deutschland geholt worden war, um im Dienst der Luftwaffe zu arbeiten. Nicht weniger.

Genauso, wie Hollnack es T-Force berichtet hatte. Die Geschichte über drei Männer – nicht unwahrscheinlich Hollnack, Kratzenstein und Egerer –, die nach Oslo gereist waren, um Rolf zu überreden, nach Deutschland zu kommen. Lediglich in einer etwas anderen Art erzählt. In einem anderen Dokument. Das auch in einer Mappe in den USA landete. Mit als geheim gestempeltem Material. Gesammelt und archiviert vom amerikanischen Nachrichtendienst Alsos.

  • dass Randers für die Amerikaner Geheimdienstarbeit leistete

Eine Person, die an den wundersamsten Orten und zu den wundersamsten Zeiten in Rolfs Leben auftaucht, ist Gunnar Randers. Wie lange Randers ihn beschattet hat, ist schwer zu sagen. Denn das war der Fall. Das war die Aufgabe der wissenschaftlichen Geheimdienstorganisation Alsos, die Randers vertrat. So viel wie möglich darüber herauszufinden, wie weit die Deutschen in ihrer Kernforschung gekommen waren. Denn wer war der Atombombe am nächsten, die Deutschen oder die Amerikaner? Bis heute werden ganze Bücher über dieses Thema geschrieben.

Alsos war gegründet worden, um das Tun der Deutschen auf diesem Gebiet zu kartieren, und nahm 1944 seine Arbeit auf. Im Juli des darauffolgenden Jahres war Hauptmann Gunnar Randers in Norwegen, um Rolf zu verhören, der zu diesem Zeitpunkt in Gewahrsam saß. Der Alsos-Vertreter verließ ihn mit einer dicken Mappe inklusive Details über das Betatron und Rolfs Arbeit für die Deutschen.

Dass sich die beiden Norweger später mehr oder weniger freiwillig an mehreren Gabelungen wieder begegnen, hat selbstverständlich damit zu tun, dass Norwegen ein kleines Land ist – aber nicht nur. Es sagt auch etwas darüber aus, dass beide fachliche Kapazitäten von internationalem Format waren und viele gleiche Interessen hatten. Die erste Begegnung findet statt, als Rolf nach Norwegen zurückgekehrt ist und im Gefängnis sitzt. Rolf wird ausgefragt, antwortet, übergibt Papiere. Wird entlassen. Für die meisten ein bahnbrechendes Erlebnis. Aber nicht einmal darüber sagt Rolf sonderlich viel. Nicht mehr, als er muss. In der Biografie wird der Besuch auf Seite 100 erwähnt, in einem Abschnitt von zehn Zeilen. Fünf, um zu erzählen, wer Randers war und warum er gekommen war. Zwei, um von der Sonnenfinsternis am selben Tag zu berichten. Die drei letzten, um mitzuteilen, was er selbst gesagt und wie er das Treffen aufgefasst hat:

„Es besuchte mich damals auch der norwegische Physiker Gunnar Randers, der wohl eine Zeit in Amerika gewesen ist und sich dann in Norwegen mit Astrophysik und Kernphysik beschäftigt hat. Er hatte den Auftrag, mit mir zu reden, wahrscheinlich wegen der V2-Gerüchte. Das genaue Datum könnte man leicht herausfinden, denn es war gerade am Tag einer Sonnenfinsternis, und er hatte ein geschwärztes Glas mitgebracht, um die Sonne zu beobachten. Ich habe ihm die richtige Sachlage bezüglich meiner Tätigkeit in Deutschland erklären können, und wir haben uns, wenigstens nach meiner Meinung, damals recht gut verstanden.“

„Unter uns Realisten, sic“, könnte ein passender ironischer, tiefer Seufzer eines Philologen lauten. Bei dem Abschnitt könnte es sich um eine kurzgefasste altnordische Aussage handeln, wäre da nicht das menschliche Zugeständnis „wenigstens nach meiner Meinung“ am Ende. Das Wort „Alsos“ wird nicht erwähnt. Gefühle nicht gezeigt. Nüchtern. Sachlich. „Mission accomplished“. Botschaft überliefert. Der Biograf hat seine Antwort erhalten: Mir wurden ein paar Fragen gestellt. Ich habe erklärt, wie es gewesen ist. Wir schauten uns die Sonnenfinsternis an. So war’s. Mehr gibt es darüber nicht zu sagen. Ja. Und nein. Rolf sagt alles und nichts. Ziemlich listig. Man kann ihn nicht dafür „angreifen“, die Episode nicht erwähnt zu haben. Hatte er vorab geplant, dass er genau das und nicht mehr sagen wollte? Oder erzählte er voller Treuherzigkeit von den Geschehnissen? Der Autor der Biografie bedrängte ihn nicht weiter, sodass von dieser Seite keine Hilfe zu erwarten ist. Als die Befragung auf Ilebu stattfand, war Alsos niemandem ein Begriff; als jedoch ein halbes Jahrhundert später die Biografie entstand und Rolf über 90 Jahre alt war, war die Geheimdienstorganisation bekannt – wurde aber nicht erwähnt.

Das 50-Worte-Gefängnisprotokoll

Auch in dem offiziellen Interview mit norwegischen Physikern in den Achtzigerjahren in Oslo erwähnte Rolf nichts vom Geheimdienst und der Jagd nach deutschen Forschern. Der Tonbandaufzeichnung wortgetreu entsprechend sagte er da – und entweder verbirgt er ein entsetzliches Trauma oder es war so einfach:

„Etwas aber war seltsam. Randers erhielt den Auftrag – er war drüben in Amerika – nach Norwegen zu reisen und mich auszufragen. Also traf ich ihn in Grini, und wir wurden recht gute Freunde, sprachen über alles Mögliche. Denn verstehen Sie, der Grund, warum ich nach Grini kam, war, dass die Nachbarn in Røa wussten, dass ich Ahnung von Relais hatte, und daher glaubten sie, ich sei der Erfinder der V2-Rakete. Und das wäre natürlich eine entsetzliche Sache gewesen. Und deshalb kam ich nach Grini. Und deshalb kam Randers nach Norwegen, um mich dahingehend auszufragen. Und ich erklärte es ihm schnell – ich erzählte ihm natürlich alles so, wie es war, und er begriff schnell, dass das mit der V2-Rakete nur Unsinn war. Danach gab es für mich keine größeren Schwierigkeiten.“117

Kurz zuvor hatte er, dem Protokoll zufolge, den Aufenthalt in Ilebu mit 50 Worten abgehandelt. Alles zusammen, die Anzeige und die Verhaftung. Die Inhaftierung, die Gefangenschaft, die Gefühle, die Bedingungen. Daraus hätte man ein ganzes Buch machen können. Über Erniedrigung um Erniedrigung. Hingegen wurde das daraus:

„Und so kam ich nach Norwegen, und mit der Befreiung, da kam ich nach Grini und hatte viel Glück, denn ich konnte alle Unterlagen über das Betatron mitnehmen, und dort in Grini saß ich und schrieb eine Arbeit über das Betatron. Und als ich fertig war, da kam ich raus.“

Vor dem Krieg war Gunnar Randers Stipendiat in den USA gewesen, 1942 ging er im Alter von 28 Jahren nach England, um sich der Zusammenarbeit der Londoner Regierung mit norwegischen Militärkräften anzuschließen. Er war ein aufstrebender Astrophysiker, dessen Universitätsexamen so gut ausfiel, dass sogar der König davon in Kenntnis gesetzt wurde – und mit einer ganz eigenen Gabe, dort zu sein, wo etwas passierte, oder besser gesagt, wo er etwas geschehen lassen konnte. Identisch mit dem späteren Gründer des Halden-Reaktors und einer der Vorkämpfer für das Institut für Energietechnik (IFE) sowie des Forschungsinstituts der Armee. Als er sich zu Alsos meldete, hatte er den Atomwettlauf genau verfolgt und verfügte über Insiderinformationen, das Projekt der Amerikaner betreffend. Seine Basis hatte er im Hauptquartier in Paris, von wo aus sie mit dem Vorrücken der Alliierten in Zweier- oder Dreiergruppen an die Front geschickt wurden. Dort sollten sie große und kleine deutsche Labore aufsuchen, um herauszufinden, was dort vor sich ging und wie weit deutsche Forscher mit ihrem Atomprojekt gekommen waren.118

Treffen unter Kollegen

Der wissenschaftliche Chef von Alsos, Professor Samuel A. Goudsmit, hat die besondere Situation beschrieben, die entstand, wenn Ermittler und diejenigen, die untersucht wurden, alte Studienkameraden und Kollegen waren.119 Unter anderem erzählte er, wie es war, den legendären Professor Bothe zu verhören, den er gut kannte und der seiner Meinung nach kein Nazi und Deutschlands bekanntester Experimental-Kernphysiker war. Das war Mitte März 1945. Alsos, die den Truppen auf den Fuß folgte, hatte den Rhein überquert und war nach Mannheim sowie in die – für Alsos wichtige – Universitätsstadt Heidelberg vorgedrungen. Hier waren viele große Physiker im Kreis rund um Bothe und sein Zyklotron tätig – dasselbe Milieu, das nach dem Krieg Rolfs Assistenten Touschek anstellen wollte. Die erste Aufgabe von Alsos bestand darin, das Labor zu besetzen. Goudsmit war nervös und wusste nicht, wie er mit der Situation umgehen sollte. Fraternisieren mit dem Feind war aufs Strengste verboten:

„Hier sollte ich dem größten Feindesforscher begegnen, der mich persönlich kannte, einem Physiker, der dem inneren Kreis des deutschen Uranprojekts angehörte. (…) Wie konnte ich Bothe gegenüber autoritär sein, der nicht nur ein alter Bekannter und Kollege war, sondern mir als Physiker sicher vollkommen überlegen?“120

Der Alsos-Chef sollte Informationen über die Uranforschung herbeischaffen, und wie gut ihm das gelingen würde, hing stark davon ab, wie dieses erste Treffen mit Bothe verlaufen würde. Würde er gezwungen sein, ihn von Soldaten einsperren zu lassen? Musste er ihn zwangsweise in die USA bringen lassen? Wie kommandierte man einen alten respektierten Kollegen, das zu tun, was man wollte? Aber – auch dem deutschen Kollegen fiel das Ganze nicht leicht. Beide tasteten sich heran:

„Bothe begrüßte mich freundlich, wir gaben einander die Hand, was gegen die Nicht-Fraternisierungsregel war. 'Ich bin froh, jemanden hier zu haben, mit dem ich über Physik sprechen kann', sagte er. 'Einige deiner Offiziere haben mir Fragen gestellt, aber es ist eindeutig, dass sie keine Experten auf diesem Gebiet sind. Es ist viel einfacher, mit einem Physikerkollegen zu sprechen.'“

Goudsmit erzählt weiter, wie er im Labor herumgeführt wurde, sie über die Arbeit des Instituts und die neuesten Forschungsberichte sprachen. Nicht zuletzt sahen sie sich das Zyklotron an, auf das Bothe sichtlich stolz war, das einzige deutsche Zyklotron in operativem Betrieb, während die USA für ihre Kernforschung rund 20 im Gebrauch hatten. Goudsmit ist überrascht, wie viel reine Physik während des Krieges ausgeführt wurde. Es konnte kaum viel Zeit für die Kriegsforschung übrig gewesen sein. Und dann tastet er sich vorsichtig an die Sache heran:

„Letztendlich stellte ich die Frage: 'Sag mir, Kollege', sagte ich, 'wie viel hat dein Labor zur Kriegsproblematik beigetragen? Es ist klar, dass nicht all deine Zeit auf die interessante Arbeit verwendet wurde, die du mir bisher erklärt hast.'

Professor Bothe wurde nervös. 'Wir befinden uns noch immer im Krieg', sagte er. 'Es muss vollkommen klar sein, dass ich nichts sagen kann, was ich versprochen habe, geheim zu halten. Würdest du dich in meiner Lage befinden, hättest du auch keine Geheimnisse preisgeben.'

Dazu konnte ich wenig sagen. Ich argumentierte damit, dass der Krieg in Europa nichtsdestotrotz fast vorüber war und machte ein paar Andeutungen, dass ich bereits einiges über die Uran-Frage wusste. Aber je mehr ich drängte, desto aufgewühlter und wütender wurde Bothe. Ich konnte ihn schlicht und einfach nicht ermutigen.“

Goudsmit änderte seine Taktik und versuchte stattdessen an Dokumente zu gelangen:

„Bothe schüttelte den Kopf. 'Ich habe keine derartigen Papiere', sagte er. 'Alle geheimen Dokumente habe ich verbrannt. Es wurde mir befohlen.'“

Der Alsos-Professor glaubte ihm nicht. Durchaus kann er offizielle Papiere verbrannt haben, allerdings war schwer vorstellbar, dass ein Physiker die Ergebnisse seiner akribischen Forschung verbrannte, egal wie oft sie als „geheim“ oder „secret“ gestempelt waren. Der Deutsche beharrte darauf, die Wahrheit zu sagen. Er bedaure es, der Befehl sei jedoch eindeutig gewesen.

Letztendlich musste Goudsmit zugeben, dass sein Verdacht falsch gewesen war. Kontraspionage und die gründliche Durchsuchung der Räumlichkeiten ergaben, dass Bothe die Wahrheit gesagt hatte. In seinem Buch konstatiert er, dass Bothe ein Mann war, der die Wahrheit sprach und dem man vertrauen konnte. Vor Kriegsende gab Bothe nichts preis. Danach schrieb er einen Bericht, wusste aber selbstverständlich, dass auch die Amerikaner bereits einiges in Erfahrung gebracht hatten, und der Alsos-Chef beendete sein Referat über Bothe mit der Feststellung, dass er „ein loyaler Deutscher, aber nie ein Nazi“ war. Als die Nazis die Einrichtung zu einer Nazi-Hochburg umbildeten, hatte er seine Professur an der Universität Heidelberg verloren. Stattdessen hatte er eine Stelle am Kaiser-Wilhelm-Institut für Medizin in Heidelberg angenommen, auf das die Parteipolitik keinen so starken Einfluss hatte.

Speziell war für Goudsmit auch das Verhör von Werner Heisenberg. Die alliierten Geheimdienste hatten den Mann ein halbes Jahr lang gejagt, und als es endlich zur Begegnung der beiden Professoren kam, war diese mitunter melodramatisch:

„Ich war gerade nach Heidelberg zurückgekehrt, als Heisenberg hereingebracht wurde. Ich begrüßte meinen alten Freund und Kollegen herzlich. Vollkommen aus dem Impuls des Augenblicks heraus sagte ich: 'Willst du nicht mit uns nach Amerika kommen und mit uns zusammenarbeiten?' Er aber war noch immer nur von der Wichtigkeit seiner Person und seiner Arbeit beeindruckt, was seiner Meinung nach die Ursache für seine Internierung war. 'Nein, ich will nicht reisen', sagte er. 'Deutschland braucht mich.'“121

Das zu hören war traurig und ironisch. Er war verblendet von seiner eigenen Rolle, schreibt Goudsmit, der Mitleid mit dem Mann bekam, der ihn in der Jugend in den Niederlanden und später mehrfach in den USA besucht hatte, zum letzten Mal im Juli 1939, als er sogar bei ihm zu Hause gewohnt hatte. Aber er ist noch immer Deutschlands größter Name auf dem Gebiet der Theoretischen Physik und einer der größten weltweit. Sein Beitrag in der modernen Physik rangiert auf einer Ebene mit dem Einsteins, ruft er sich selbst in Erinnerung.

Anders war Goudsmits Begegnung mit Walther Gerlach in Heidelberg. Auch sie kannten einander. Bei ihrem letzten Zusammentreffen, auf einer Konferenz in England 1938, war Gerlach jedoch ausweichend und ängstlich hinsichtlich allem gewesen, was mit der politischen Situation in Deutschland zu tun hatte. Jetzt zeigte er sich viel offener. Auch er war einer der Prominenten, deren Befragung Goudsmit selbst vornahm, und erzählte, dass er damals, als er Chef der gesamten physikalischen Forschung in Deutschland wurde, versucht habe, die Forschung anzukurbeln, die unter seinem Vorgänger stagniert hätte. Goudsmits Einschätzung zufolge war Gerlach kein Nazi, auch wenn er durchaus einräumte, sein Urteilsvermögen könne mitunter trügen. Das Einzige, worauf Gerlach eigentlich aus war, sei das Vorantreiben der deutschen Forschung unabhängig vom politischen Regime gewesen.122

Es ist leicht, diese Physikerkollegen zu verstehen, wenn sie aufeinandertreffen. Einerseits. Andererseits auch nicht. So ist es im Krieg. Das ist nicht der Ort, um Urteile darüber zu fällen. Meine Absicht besteht in dem Versuch, ein wenig von dem, wie es war, aufzuspüren und zu vermitteln. Ein Teil dieser Milieus zu sein. Forscher von Weltformat zu sein. In der Kernphysik. In der Beschleuniger-Technologie. Während des Atomwettlaufs. Im Weltkrieg.

Für das Verhör von Rolf war Randers zuständig, und es erfolgte erst, nachdem er in Oslo in Gewahrsam saß. Es lief, trotz des ernsten Themas, jovial und kollegial ab. Sie sprachen über Fachliches, und Hauptmann Randers war hinsichtlich des Betatrons aufrichtig interessiert. Dennoch hatte er, ebenso wie seine Geheimdienstkollegen, sein „Rezept“. Es lief auf eine freundliche Annäherung in Verbindung mit dem beruflichen Hintergrund des „Opfers“ hinaus – und vor allem darauf, dass es unter deutschen Forschern nicht unüblich war einzusehen, dass die Schlacht verloren war, und ihre einzige Chance, in den kommenden Jahren ihrer Forschungsarbeit nachgehen zu können, darin bestand, sich mit amerikanischen Forschern gut zu stellen. Daraus ergab sich mitunter eine Möglichkeit, nach dem Krieg entweder in Deutschland neue Forschungsarbeit zu leiten oder eingeladen zu werden, in Amerika zu forschen.123

„… nach einigen Tagen Diskussion wusste ich nicht nur mehr über Betatrone als zuvor, sondern war so interessiert, dass mir der Gedanke kam, den Bau eines Betatrons als Forschungsinstrument in Norwegen in unsere Pläne von FOTU einzubeziehen.“124

Das Atomzeitalter erreicht Norwegen

Hier bestand Aussicht auf eine Zusammenarbeit, und das auf hoher Ebene. Die Buchstaben FOTU stehen für Forsvarets Overkommandos Tekniske Utvalg, Technischer Ausschuss des Oberkommandos der Armee, der während des Krieges viele norwegische Forscher und Ingenieure für britische Forschungslabore rekrutierte. Der Ausschuss war wichtig für den Wiederaufbau des Landes und Vorläufer des Forschungsinstituts der Armee. Randers und Rolf waren beides begeisterte und ideenreiche Männer, und es ist nicht verwunderlich, dass sie einander fanden.

In den ersten Jahren nach dem Krieg stieg Norwegen ins Atomzeitalter ein, und es war ein internationales Ereignis, als 1951 der kernphysikalische Versuchsreaktor in Kjeller fertig war. Was Rolfs Rolle betrifft, lohnt es, sich die Namen der zentralen Akteure zu merken. Das Unternehmen genoss hohes Ansehen, und dank des Milorg-Chefs Jens Chr. Hauge, der 1945 norwegischer Verteidigungsminister geworden war, erhielt die in diesem Milieu stattfindende Forschung mehr öffentliche Unterstützung als andere naturwissenschaftliche Forschung.125

„In der Frühphase des Reaktorprojekts kam Hauge eine Schlüsselrolle zu. Er war es, der das benötigte Geld herbeischaffte und in Zusammenarbeit mit Fredrik Møller, Gunnar Randers und Odd Dahl dafür sorgte, dass die Atomforschung in Norwegen ein konkret ausgerichtetes Ziel bekam (…).

Seine Gespräche mit Møller und Randers hatten Hauge überzeugt, dass es für die zukünftige Sicherheit Norwegens von entscheidender Bedeutung war, dass das Land auf dem Gebiet der Kernphysik für eine selbstständige technologische Kompetenz sorgte.“126

Das Reaktor-Projekt ist als das charakterisiert, was man im Norwegen der 1950er und 1960er Jahre in der Physikerszene als Big Science bezeichne.127 In einer Studie über das Aufblühen der Kernphysik in Norwegen wird Rolf zusammen mit Randers und Dahl erwähnt. Alle drei waren sie „Bauunternehmer“, die etwas bewirkten. Über Randers heißt es, dass er im Unterschied zu Dahl und Widerøe hauptsächlich Forschungspolitiker war, das heißt Verwalter kernphysikalischer Installationen. Die beiden anderen werden als Forschungstechnologen beschrieben:

„Dahl spielte beim Aufbau fast aller Kernforschungsinstallationen in Norwegen eine führende Rolle. Widerøe beeinflusste das Beschleuniger-Design und die Entwicklung erheblich und wird oft als 'der Urheber der modernen Teilchenbeschleuniger' bezeichnet. In starkem Kontrast zu Dahl hatte Widerøe indessen nahezu keinen Einfluss auf die Entwicklung von Teilchenbeschleunigern in Norwegen.“128

Die Mächtigen hinter dem Bau der Reaktoren in Kjeller und Halden sowie der Etablierung der Institute in Kjeller wollten Rolf dabeihaben und kontaktierten ihn. Einer von ihnen war Gunnar Randers, ein anderer Fredrik Møller, Elektroingenieur, der während des Krieges in der militärtechnischen Forschung in England aktiv gewesen und nunmehr Leiter von FOTU war. Und Rolf stand dem Ganzen positiv gegenüber. Keiner sah besser als er das Potenzial der Atomforschung für Industrie und Gesellschaft. Nur sechs Wochen, nachdem er aus der Untersuchungshaft entlassen worden ist, am 23. August 1945, schreibt er einen langen Brief an Møller über seine Idee von einem Forschungsinstitut, inspiriert von Niels Bohrs Institut in Kopenhagen. In unbescheidenem „Facebook-Stil“ verkauft er sich damit, was er bisher erreicht hat und wie sein Einsatz der Industrie und der Gesellschaft in Zukunft zugutekommen könne. So spricht kein geschlagener Mann, und alles ist erwähnt: die Patente, das 30-meV-Betatron, das 200-MeV-Betatron, die Konkurrenten, Brown Boveri sowie die Zwangsüberführung nach Deutschland, wie er es nennt. Er argumentiert dafür, dass „die Industrie gemeinschaftlich ein neues Forschungsinstitut, das vorzugsweise und auf breiter Basis Kernphysik betreibt“, finanzieren solle:

„Das neue, von Ihnen und Dr. Randers mir gegenüber erwähnte Forschungsinstitut scheint in vielerlei Hinsicht Möglichkeiten für eine Lösung der von mir benannten Aufgaben zu bieten. Vorläufig weiß ich zu wenig über die neuen Pläne, um mich äußern zu können, dennoch dachte ich, es könne für Sie von Interesse sein, einen Einblick in meine eigenen Pläne hinsichtlich dieser Dinge zu erhalten, bevor wir zusammen mit Randers und Dahl diskutieren können, wie wir die Sache am besten angehen.“

Plötzlich aber wird es still. Der Initiative, zu der Randers und Co. eingeladen haben, wird von ihrer Seite nicht weiter verfolgt. Die offensiven Vorkämpfer für die Forschung im Allgemeinen und die Atomkraft im Besonderen hören abrupt auf, sich an Rolf zu wenden. Im Jahr darauf, 1947, wird das Forschungsinstitut der Armee in Kjeller gegründet, mit Fredrik Møller als Direktor. Das war ein ganz neuer Typ von Forschungsinstitut, vollkommen anders als jene, die man in Bergen, Trondheim und Oslo betrieb.129 Møller übernahm eine wichtige Rolle im Kreis um Hauge, der Forschung und Technologie zur Schaffung neuer Industrie einsetzen wollte. Er wurde Vorstandsvorsitzender des neu errichteten Zentralinstituts für industrielle Forschung (SI) in Oslo, das heute zu SINTEF (Stiftelsen for industriell og teknisk forskning) in Trondheim gehört. Ebenso wurde er Vorstandsvorsitzender der Waffenfabrik Kongsberg und der Munitionsfabrik Raufoss. Unter anderem. Sowie Ritter der 1. Klasse des St.-Olavs-Ordens.

Nach ihm übernahm Finn Lied die Leitung des Forschungsinstituts der Armee. In der kompletten zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war er eine zentrale Figur in der Forschungs-, Industrie- und Ölpolitik des Landes. Lied folgte Jens Chr. Hauge als Vorstandsvorsitzender von Statoil. Über drei Jahrzehnte hinweg hatte er Posten im Technisch-Naturwissenschaftlichen Forschungsrat Norwegens (Norges Teknisk Naturvitenskapelige Forskningsråd) (NTNF) inne, der in der Forschungsinitiative nach dem Krieg ein wichtiger Baustein war. Und – er war Kommandeur des St.-Olavs-Ordens sowie Träger der Verteidigungsmedaille mit Lorbeerzweig.

Rolf hatte sich lange in guter Gesellschaft befunden. Bis das nicht mehr der Fall war.

Wand an Wand und stets in enger Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut der Armee entstand 1948 das Institut für Atomenergie (heute: Institut für Energietechnik), das auch das Halden-Projekt beherbergte, für das Gunnar Randers enthusiastisch eingetreten war und dann als Direktor leitete. Als kurz zuvor der Atomausschuss des Forschungsrates errichtet worden war, war Randers wie selbstverständlich dabei. Gleiches traf auf die drei anderen zu, die während des Landesverratsfalls gegen Rolf im Sachverständigenkomitee gesessen hatten. Alles mächtige Männer, die nach dem Krieg das Land aufbauen sollten, und das basierend auf Forschung und Technologie. Gunnar Randers, Odd Dahl, Fredrik Møller, Finn Lied. Alle waren sie in den kommenden Jahrzehnten in einer Reihe beratender Komitees des NTNF sowie in Institutsvorständen aktiv. Gleiches galt auch für Tangen, Hylleraas und Wergeland vom einstigen Sachverständigenkomitee.130

Für Rolf hingegen nicht. Elektroingenieur. Doktortitel. Industriekontakte. Mit dem Wunsch, ein Forschungsinstitut zu gründen, um Norwegen voranzubringen. Zusammen mit Møller, Randers, Dahl und den anderen. Er war nun nicht mehr einer von ihnen. Nirgends wurde ein Wort gefunden, dass er das bedauerte. Es gab andere Arenen. Oder man erschuf welche. Probleme sind da, um überwunden zu werden. Derselbe Randers, der sich an einem Julitag in Ilebu von der Betatron-Forschung begeistern ließ, hatte einen Gesinnungsgenossen.

Viel von dem, was heute über Rolfs Tätigkeit in Deutschland zugänglich ist, findet sich in dem von Alsos, unter anderem mit Randers' Hilfe beschafften Material. Auch eine Menge des von der britischen T-Force gesammelten Betatron-Materials landete bei Alsos. Zu einer Zusammenarbeit der beiden nach dem Krieg für den Aufbau von Forschungs- und Industrie-Norwegen kam es jedoch nicht.

Harte Fakten über Alsos

Die von den USA und Großbritannien ins Leben gerufene Operation Alsos war streng geheim. Die Maßnahme entstand aus dem Manhattan-Projekt, dem Atombomben-Projekt der Amerikaner. Die Streitkraft war in unmittelbarer Nähe der Front aktiv, zuerst in Italien, dann in Frankreich und Deutschland. Sie hielt Ausschau nach Leuten und Ausrüstung, Berichten, Material und Anlagen, die für die Entwicklung der Atomwaffe eine Rolle spielten. Es ging darum herauszufinden, wo sich alles befand, und dafür zu sorgen, dass es den Alliierten zu Nutze kam – sowie zu verhindern, dass es in die Hände der Sowjetunion gelangte. Anders ausgedrückt: „Zu verhindern, was alle am meisten fürchteten, dass Hitler in einem letzten verzweifelten Versuch, das Reich zu retten, eine Atombombe einsetzte.“131

Ab und an wird Alsos fälschlicherweise mit Großbuchstaben geschrieben, weil angenommen wird, es handele sich um eine Abkürzung. „Alsos“ ist jedoch das griechische Wort für „Hain“ (englisch „grove“) und spielt auf den Namen des Militärchefs des Manhattan-Projekts, General Leslie R. Groves, an. Wissenschaftlicher Leiter war Robert Oppenheimer, und um zu illustrieren, wie klein dieses Expertenmilieu war, sei erwähnt, dass der Mann, mit dem Oppenheimer um den Job kämpfte, der Berkeley-Physiker Ernest Lawrence war, der in seiner Doktorarbeit über das Zyklotron auf Rolfs Erfindung aufgebaut hatte.132

Mehrere Monate vor den erwähnten Goudsmit-Verhören in Heidelberg, bereits am 29. November 1944, hatten Mitglieder der Operation Alsos in Straßburg die ersten deutschen Wissenschaftler verhaftet, die in Sachen des Uranprojekts tätig waren.

Im Laufe des Frühjahrs 1945 erlangte Alsos Zugriff auf viele der auf der Wunschliste stehenden Deutschen. Dokumente und Ausrüstung wurden beschlagnahmt und das, was sie nicht mitnehmen konnten, zerstört. Im Mai fand Alsos schließlich auch Heisenberg. Er wurde auf seinem Landsitz außerhalb von München aufgefunden. Erst im Juli erhielt eine kleine Gruppe die Erlaubnis, nach Berlin zu gehen. Dort gelangten die letzten Puzzleteilchen an ihren Platz, obwohl dies das große Bild nicht mehr veränderte, sondern lediglich bestätigte.133 Hauptziel war selbstverständlich das Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik, wo etwa zeitgleich zum Kriegsanfang die Uranforschung begann. Es handelte sich um eines der wenigen noch intakten Gebäude. Aber es war leer. Die Russen waren dort gewesen und hatten alles von Wert entfernt, sogar Lichtschalter und Leitungen.134

Ende Juli 1945 war die Arbeit von Alsos weitestgehend abgeschlossen. Obwohl deutsche Forscher viel Material vernichtet hatten, gelangten die Amerikaner in den Besitz zentraler Berichte und wichtiger Korrespondenzen. Die Dokumente waren großteils „geheim“ oder „streng geheim“ und nur sehr begrenzt verteilt worden. Nun wurde alles in die USA gebracht und durchgesehen. Insgesamt ergab sich daraus eine Übersicht über die deutsche Atomforschung. Erst 1970 wurde das Material an Deutschland zurückgegeben, und seit 1998 ist der Alsos-Stoff im Archiv des Deutschen Museums verwahrt, wo er katalogisiert und zugänglich gemacht wurde. Historiker und Wissenschaftshistoriker haben sich das Material vorgenommen, es gedreht und gewendet. Für alle Welt ist dokumentiert, dass die Angst vor Hitlers Atombombe größer war als die reale Gefahr. Auch Theater und Film haben sich des Materials angenommen und so gezeigt, dass sich das Interesse daran nicht nur auf Fachkreise beschränkt.

Operation Epsilon

Die von Alsos beendete Aktion trug den Codenamen Operation Epsilon. Die zehn deutschen Forscher, die nach Ansicht der Alliierten im Kernforschungsprogramm Nazi-Deutschlands gearbeitet hatten, wurden nach England gebracht und in Farm Hall, einem kleinen Schloss nahe Cambridge, interniert.135 Hier wurden sie sechs Monate lang, vom 3. Juli 1945 bis zum 3. Januar 1946, außer Reichweite der Russen und über versteckte Mikrofone abgehört. Die Welt nahm teil an den Sorgen um die Familien, lautem Vorlesen aus Charles Dickens, einem Beethoven-Sonaten spielenden Heisenberg und einem Nobelpreisträger, der erst aus der Zeitung erfuhr, dass er den Preis erhalten hatte.136 Er war verhaftet und niemand sollte erfahren, wo er sich aufhielt. Nicht einmal die Schwedische Akademie selbst konnte ihm ein Gratulationstelegramm schicken.137Ziel war es selbstverständlich, durch das Abhören ihrer Gespräche noch mehr darüber herauszufinden, wie nah – oder eben nicht – die Deutschen an der Konstruktion einer Atombombe gewesen waren. Atomgeheimnisse wurden nur wenige aufgedeckt, jedoch wurde deutlich, dass die deutschen Forscher in ihrer Meinung gespalten und zum Teil wütend aufeinander waren. Hier fanden sich alle Schattierungen von vollkommener Einigkeit mit Hitler bis hin zu vollkommener Ablehnung. Das war das eine. Das andere war die große Uneinigkeit im Glauben, ob sie Erfolg haben würden und ob sie den Erfolg wollten, oder ganz im Gegenteil das Projekt verzögerten. Inmitten des Ganzen kam es am 6. August 1945 zum Atombombenabwurf der Amerikaner über Hiroshima. Auf Farm Hall begegnete man der Nachricht mit Schock. Einige waren verzweifelt, dass es ihnen nicht gelungen war, für Hitler eine Bombe zu bauen; andere waren glücklich darüber, dass es ihnen nicht gelungen war.

Abschriften der Gespräche wurden als Berichte an britische Militäroffiziere geschickt, von diesen wiederum an das US War Departement und von dort aus an General Groves vom Manhattan-Projekt weitergeleitet, als Teil der Mission Alsos. Im Februar 1992 wurden die Abschriften deklassifiziert und veröffentlicht. Später wurden sie sogar dramatisiert und im britischen Radio gesendet.138

Der wissenschaftliche Alsos-Chef Goudsmit wartete früh mit seinem Urteil auf, das er bereits 1947 in seinem offenherzigen Buch kundtat. Zum Ausgangspunkt nahm er, dass die Atombombe „topsecret“ und ein großes Mysterium war, selbst für jene in hohen Ebenen des Militärsystems, und die Arbeit von Alsos daher von der nötigen Geheimhaltung bestimmt gewesen war. Jetzt aber könne die Geschichte erzählt werden. Und er erzählte. Und meinte. Seine Kardinalfrage lautete, wie die deutsche Forschung sich habe irren können, während die der Alliierten erfolgreich war. Schließlich waren die Deutschen in Europa technische Vorreiter. Er selbst hatte an der Antwort keine Zweifel:

„Ich glaube, die Fakten demonstrieren recht gut, dass Wissenschaft unter Faschismus nicht auf der Höhe mit Forschung in einer Demokratie war und wahrscheinlich auch nie sein wird.“

Seiner Meinung nach drehte es sich letztlich um Heldenverehrung, was er am Fall Heisenberg illustrierte:

„Werner Heisenberg zum Beispiel war der beste Atomphysiker Deutschlands, ein Wissenschaftler von Weltformat. Kein respektabler, junger deutscher Forscher würde im Traum darauf kommen, die Worte des Meisters infrage zu stellen. Aber Wissenschaft ist nicht autoritär, und wissenschaftliches Denken kann auch nicht von einem Chef gesteuert werden, wie begabt er auch sein mag.“

Andere meinten, Goudsmit sei mit seinem Urteil vorschnell und das Argument, Forschung könne in einem totalitären Regime nicht blühen, sei schwerlich mit den Fortschritten der Deutschen in anderen Bereichen vereinbar. Wer hatte die Messerschmitt Me 262 entwickelt, den ersten Düsenjäger der Welt? Und die V2, die erste ballistische Rakete der Welt? Herangezogen wurde auch die etwas später von der Sowjetunion entwickelte Kernwaffe. Doch wie auch immer, in diesem Zusammenhang ging es darum, dass die Deutschen mit der Atombombe nicht weit gekommen waren. Und das hatten Alsos und die anderen wissenschaftlichen Geheimdienstorganisationen festgestellt.

Im Übrigen hatte Heisenberg kurz vor Kriegsausbruch die USA besucht, Vorlesungen an der Universität Michigan gehalten und privat bei Goudsmit gewohnt. Dabei hatte er alle mit der Aussage schockiert, dass er vor Ausbruch des Krieges nach Deutschland zurückmüsse, was seither in vielerlei Richtung ausgelegt wurde, ebenso wie vieles andere, was er während des Krieges gesagt und getan hat.139

Die Schlussfolgerung von Alsos lautete, dass die Alliierten 1942 das gesamte deutsche Atombomben-Projekt überholt hatten. Das bestätigte der deutsche Rüstungsminister Albert Speer 1970 in seinen Erinnerungen, worin er schrieb:

„Auf Vorschlag der Kernphysiker verzichteten wir schon im Herbst 1942 auf die Entwicklung der Atombombe, nachdem mir auf meine erneute Frage nach den Fristen erklärt worden war, dass nicht vor drei bis vier Jahren damit zu rechnen sei.“140

Der Riesenfehler

Wie die deutschen Forscher ihr Projekt damals selbst sahen, wurde von den Historikern seither sehr unterschiedlich ausgelegt. Goudsmit aber zeigt keine Gnade und macht sich über die Haltung der deutschen Forscher lustig, während diese in England interniert waren.

„Da kamen einige der Jüngeren auf eine glänzende Rationalisierung ihres Zu-kurz-Kommens bezüglich der Bombe. Sie wollten den Riesenfehler zu ihrem Vorteil verkehren, indem sie leugneten, jemals versucht zu haben, eine Atombombe herzustellen. (…) Sie wollten präzisieren, dass sie nur an einer Uranmaschine gearbeitet hatten, und dadurch vergessen, dass sie dachten, dies könne direkt zu einer Bombe führen. Sie wollten der Welt erzählen, dass deutsche Forschung niemals, niemals eingewilligt habe, an etwas so Entsetzlichem wie einer Atombombe zu arbeiten.

Zur neuen Aussage der deutschen Forschung sollte dann werden: 'Deutschland arbeitete an der Uranproblematik ausschließlich mit friedlichen Absichten, die Alliierten, um zu zerstören.'“141

Auch der Norweger Gunnar Randers dachte in solchen Bahnen, als die Alsos-Offiziere in Deutschland vordrangen:

„Allmählich verstand ich, dass die Deutschen wesentlich weniger erreicht hatten als die Alliierten. Ja, in Wirklichkeit hatten sie das Projekt offenbar eine Weile nach den Sabotagehandlungen in Vemork aufgegeben, die sie der Schwerwasser-Produktion beraubten.“142

Den Grund betreffend, dass den Deutschen der Bau einer Atombombe misslungen war, behauptete er:

„Später war behauptet worden, moralische Gründe hätten die Deutschen vom Atombombenbau abgehalten. Ihr aktives Projekt in den ersten Kriegsjahren zeigte deutlich, dass dies nicht der Fall war. Es war eine Kombination aus fehlendem technisch-ökonomischem Einsatz und einem Mangel an wissenschaftlicher Leitung (…), die dazu führte, dass das Projekt nie über das Laborstadium hinauskam.“

Als Kuriosum kann erwähnt werden, dass derselbe Randers auch dafür plädierte, dass die Alsos-Aufträge immer in Uniform ausgeführt wurden, er selbst aber seine norwegischen Dienstgradabzeichen überall dort anlegte, wo sie ihm nützlich waren. In seiner Autobiografie erklärt er das so:

„Es kann sonderbar erscheinen, dass man sich in Uniform bewegt, wenn Spionage das Ziel ist, in Wirklichkeit aber war es das einzig Vernünftige. Wissenschaftler sollten eigentlich nicht spionieren, sie sollten sich, durch Gespräche mit Forschern, offen Informationen beschaffen. Sich mit Hut und Mantel im Frontabschnitt zu bewegen, war nahezu eine Unmöglichkeit, man stach überall heraus und riskierte sowohl bei den eigenen Leuten als auch beim Feind Identifikationsschwierigkeiten, und vor allem bei all den alliierten Transportorganisationen. Die deutsche Uniform war für unser Ziel definitiv nicht denkbar, weshalb unsere eigenen Uniformen die Lösung waren.

Um draußen im Feld nicht als Ausländer hervorzustechen, verwendete ich einen amerikanischen Kampfanzug, Helm und einen Colt 45 wie normale amerikanische Soldaten. Jedoch war es wünschenswerter, meine norwegischen Dienstgradabzeichen zu ändern, da ich ja kein amerikanischer Offizier war. Mit einem Kampfanzug bekleidet, war oft das einzige Dienstgradabzeichen, das den Rang angab, am Helm befestigt. Ich war jetzt Hauptmann, und meine drei Sterne wurden vorn am Helm befestigt. Bei den alliierten Streitkräften war dies mitunter eine große Hilfe, denn drei Sterne waren das Zeichen für den höchsten Generalsrang, abgesehen von Eisenhower selbst, und ohne Zuflucht in etwas anderem als dem Versuch zu nehmen, bedeutungsvoll zu erscheinen, erhielt ich oft Übernachtungs- und Transportmöglichkeiten, die ansonsten unerreichbar gewesen wären.“143

Mit noch größerem Engagement als Randers echauffiert sich Goudsmit über die Organisation deutscher Forschung beim Militär, wo seiner Meinung nach alle für irgendetwas Direktor sein mussten.144 Die Luftwaffe war die Ausnahme:

„Aber im Kontrast zur Forschung in Regie der Armee war die Forschung der Luftwaffe unter Göring ausgezeichnet organisiert und hatte großen Erfolg. Das hat mehrere Gründe. Einer davon ist, dass die Luftwaffe an Ergebnissen interessiert war, nicht an Politik, und das für die Forschung verantwortliche Komitee nach Tüchtigkeit ausgewählt worden war. Nur einige wenige davon waren Mitglieder der Nazi-Partei. Die Leiter waren sich auch über die Schwächen anderer deutscher Forschungsorganisationen im Klaren und vermieden den Kontakt mit ihnen so weit wie möglich. Daher wurde praktisch gesprochen alle Forschung in Bereichen, die für die Luftwaffe von Interesse waren, von ihrer eigenen Organisation durchgeführt, die über Abteilungen für Radio, Radar, Flugzeuge usw. verfügte.“145

Er äußert sich auch über Schiebolds Röntgenvision und holt ein wenig überraschend gegen die aus, die dem Mann entgegengearbeitet haben:

„Die seriösen Physiker verwendeten nicht nur Zeit darauf, Ideen vom herumhantierenden Griff des Scharlatans fernzuhalten, sondern auch von Fonds und Ausrüstung. Erfolgreich kämpften sie gegen einen fantastischen Plan des Röntgenforschers Schiebold. Dieser Mann wollte eine neue Hochvolt-Röntgenstrahlenmaschine, das sogenannte Betatron – eine amerikanische Erfindung –, gegen alliierte Bomber einsetzen. Seine Idee bestand darin, die Besatzung der Bomber mit Röntgenstrahlen zu verbrennen. Für diesen Wunschtraum hatte er sich die Unterstützung von Marschall Milch von der Luftwaffe beschafft, um nicht vom Apparat rund um das Uranprojekt zu sprechen.“146

Das und nicht weniger. Der große Kampf, bei der Atombombe der Erste zu sein. Darin war Rolf also gelandet. Wurde ein Steinchen des Ganzen. Nicht weil er mit der Bombe arbeitete, sondern weil er dort war, wo er war, und tat, was er tat. In der Mappe, die Randers nach Ausführung des Auftrags der Alsos-Führung übergab, befand sich unter anderem ein Bericht über die Gespräche mit Rolf nach der Befreiung. Auf dem Umschlag war ein Zettel mit dem Vermerk „Important“ befestigt.

Der Bericht, der selbstverständlich in Englisch verfasst war, belegt, dass Rolf Randers gegenüber viel deutlicher war als später in der Biografie. Sicher war das Taktik, vielleicht hatte er auch keine große Wahl. Vermutlich bekam er etwas zu hören wie: „Wenn Sie sich nicht anständig benehmen, holen Sie die Alliierten, also sagen Sie es mir.“ Rolf befürchtete, dass seine Ergebnisse in die Hände amerikanischer Forscher gelangen könnten. Unterstützt von seinem Anwalt Oscar de Besche kam es zu einem ordentlichen Tauziehen mit Randers dahingehend, welche Dokumente er übergeben sollte. Die Gespräche darüber – oder vielleicht sind „Verhandlungen“ ein treffenderes Wort – verliefen über mehrere Tage, nicht an einem bestimmten, wie Rolf es in anderen Zusammenhängen vermittelt hat. Daraus geht auch hervor, dass Randers nicht alles glaubte, was er zu hören bekam, und dass nicht feststand, ob Rolf einer Gefängnisstrafe entging, selbst wenn er aus dem Gewahrsam entlassen wurde. Eine verkürzte Version der zehn in dem Bericht behandelten Punkte folgt auf den nächsten Seiten.

Randers' Bericht

Bericht über den Besuch bei Widerøe in Oslo, Juli 1945

(Anm. d. Autorin: eigenständig gekürzt und mit Stichworten versehen).

Dr. Widerøe und die deutsche Betatron-Entwicklung

(Todesstrahlen )

  1. 1.

    Wie es aussieht, hat das deutsche Betatron-Projekt mit der ziemlich fantastischen Idee von Professor Schiebold betreffs eines enormen Röntgenapparates begonnen, der gegen die Flugzeuge des Feindes eingesetzt werden sollte. Die Strahlen sollten gegen den Piloten, nicht gegen das Flugzeug gerichtet werden.

(Der Amerikaner Kerst)

  1. 2.

    Rolf Widerøe – der zu dieser Zeit in der norwegischen Tochterfirma von Brown Boveri angestellt war – hat an der Hochschule in Aachen 1927 seine Doktorarbeit über das Thema Strahlentransformatoren geschrieben, hat vor dem Krieg in Deutschland studiert und acht Jahre dort gelebt, hat 1942 vom Betatron-Projekt des Amerikaners Kerst gelesen und Artikel über Strahlentransformatoren geschrieben und an das Archiv für Elektrotechnik gesandt. Der erste Artikel wurde in dem Blatt nicht komplett abgedruckt. Einige technische Details und Entdeckungen wurden ausgelassen. In seiner Gänze wurde der Text jedoch als geheim gestempelter Kriegsforschungsbericht gedruckt.

(Ausfindigmachen von Rolf)

  1. 3.

    Leute in Deutschland, die Interesse an Schiebold hatten und von Kerst gehört hatten, fanden heraus, dass Rolf Widerøes Strahlentransformator genau das war, was sie brauchten. Sie kontaktierten Widerøe und boten ihm an, seinen Transformator mit deutscher Unterstützung in Deutschland zu bauen. Es kann sehr gut stimmen, was Widerøe sagt, dass er über Schiebolds Pläne überhaupt nicht informiert worden war. Er kann gezwungen worden sein, wie er selbst behauptet, nach Deutschland zu gehen, da sozusagen alle deutschen Angebote zu dieser Zeit als Ultimatum betrachtet werden konnten. Ungeachtet dessen ist mein Eindruck von Widerøe, dass es wenig Überredung brauchte, damit er das Angebot annahm. Er ist derart von seiner Arbeit in Anspruch genommen, dass es so wirkte, als sei er sogar während des Gefängnisaufenthalts mehr daran interessiert, seine neuen Ideen auszuprobieren, als der Gefangenschaft zu entkommen. Die Tatsache, dass er 1943 in diese Arbeit einstieg, als alle mit Nazi-Verbindungen in Norwegen frenetisch versuchten, diese loszuwerden, zeigt, dass er hinsichtlich der politischen Situation ein schlechtes Urteilsvermögen hatte. Dieses bewies er auch in den Gesprächen mit mir, in denen er zum Beispiel versuchte, über mich in Kontakt mit seinen deutschen Partnern zu kommen, während er noch immer gerade wegen der Zusammenarbeit mit den Deutschen im Gefängnis saß.

(Absage an Schiebold ).

  1. 4.

    Widerøe sagt, er habe, nachdem er eine Zeit lang in Deutschland gearbeitet hatte, ganz zufällig von Schiebolds Projekt gehört. Sowohl ihm als auch vielen anderen sei relativ zeitig das Unmögliche an Schiebolds Plan bewusst geworden. Das Betatron-Projekt wurde jedoch mit unverminderter Stärke fortgeführt. Es scheint, als sei Professor Gerlach der Hauptverantwortliche dafür gewesen. Der Grund war wahrscheinlich zu einem großen Teil das generelle Interesse an der Entwicklung des Betatrons, und selbstverständlich bestand nebenbei auch die Absicht eines möglichen Fortschritts in der Arbeit mit der Erforschung von Atomenergie. Es wirkt auch so, als habe der Umstand, dass Amerika Geld und Aufwand in die Betatron-Forschung investierte, eine Bedeutung gehabt, zumindest um die Behörden davon zu überzeugen, dass die Arbeit den Einsatz wert war. Der therapeutische Wert der Forschung, auf den Widerøe drängte, kann teilweise Selbstverteidigung und teilweise finanzieller Art gewesen sein, weil es danach aussah, als sei es die einzige Möglichkeit, jemals viel Geld mit seinen Patenten zu verdienen.

(Erfolgreiche Arbeit)

  1. 5.

    Die Arbeit an Widerøes Institut scheint schnell vorangeschritten zu sein, der 15-meV-Transformator wurde schnell gebaut und lieferte Ergebnisse, die die Erwartungen aller übertrafen. Der 200-MeV-Transformator, der bei BBC in Mannheim gebaut werden sollte, befand sich erst im Planungsstadium. Ich habe Widerøe so verstanden, dass er bei dem großen Transformator Schwierigkeiten erwartete und dass die Bauzeit bedeutend länger sein würde als angenommen. Vollständige Berichte über das Voranschreiten der Arbeit in technischer Hinsicht wurden von Hollnack, Kollath, Touschek und Widerøe selbst in dem beigefügten Material vermittelt und müssen hier nicht bewertet werden.

(Verhaftung)

  1. 6.

    Als Widerøe einige Tage vor der Befreiung seine Arbeit und Deutschland verließ, nahm er seine persönlichen Unterlagen und jegliche Korrespondenz mit nach Norwegen, wofür er eine Art Kurierpass erhalten hatte. Der Gedanke war meiner Meinung nach, dass, selbst wenn alles in Deutschland Befindliche zerstört würde, er noch immer alles notwendige Material hätte. Widerøe wurde kurz nach der Befreiung festgenommen, beschuldigt, am Bau der V2-Raketen mitgearbeitet zu haben. Er kam ins Gefangenenlager Ilebu bei Oslo, wo er seine Zeit damit verbrachte, an seinen „gesammelten Werken“ über den Strahlentransformator zu arbeiten und seine neue, noch nicht erprobte Idee von magnetischen „supplementary fields“ zur Beförderung von Elektronen in eine Beschleuniger-Röhre zu erforschen.

(Die neuesten Ideen)

  1. 7.

    Seine neuesten Ideen über „focusing of the electrons“, die er als extrem wichtig ansieht, sind in seiner Notiz vom 11.7.45 mit dem Titel „Arrangement for Introducing Electrons into Radiation Transformer“ (auf Norwegisch verfasst) sowie im Patentschreiben (auch auf Norwegisch) mit demselben Datum erläutert. Die norwegischen Texte sind auch beigelegt, da der Sprachgebrauch im Patentschreiben praktisch unmöglich ins Englische zu übersetzen ist.

(Komplizierter Fall)

  1. 8.

    Während ich in Oslo war, wurde Widerøe aus der Haft entlassen. Das bedeutet nicht, dass der Fall abgeschlossen ist, jedoch wird er nicht als gefährlich oder ernsthaft kriminell angesehen. Wenn sein Anwalt dem Gericht gegenüber beweisen kann, dass Widerøe in Deutschland als ein „forced laborer“ betrachtet wurde, wird die Anklageerhebung gegen ihn sehr reduziert, bezogen auf die Publikation von Artikeln in deutschen Zeitschriften etc. Das verkompliziert die Sache ein wenig, weil ich womöglich in Schwierigkeiten geraten bin, schlicht und einfach indem ich ihm die Papiere abgenommen habe. Widerøe ist an seinen Patentrechten und Auskünften über seine Arbeit extrem interessiert. Mehrere Tage musste ich ihm und dem Anwalt gegenüber argumentieren, bevor sie mir alle Informationen geben wollten. Ihr Argument (das in Norwegen Unterstützung gehabt haben kann) war, dass Widerøe seine Rechte geregelt haben wolle, bevor irgendeine Information zu den Amerikanern durchdrang – um sicherzugehen, dass seine Arbeit nicht direkt an amerikanische Forscher weitergeleitet wurde, die für seine Entdeckungen Patente anmelden würden. Hätte er die Sache als eine Art patriotische Wahrnehmung der Interessen Norwegens präsentiert, hätte er mich vielleicht aufhalten oder zumindest die Weiterleitung der Dokumente um einige Monate verzögern können. Auf der anderen Seite befindet er sich in einer eher schwachen Position, was ich ihm auch gesagt habe, da eine Erklärung der Alliierten, dass seine Arbeit potenziell von hoher Wichtigkeit für den Krieg war, ihn direkt ins Gefängnis zurückbringen würde. Letztendlich bekam ich all seine Papiere, inklusive des Materials, das nicht in Deutschland geschrieben worden und daher keinesfalls Arbeit für den Feind war. Ich meinerseits versprach, seine Arbeit nicht ohne Quellenangabe publizieren zu lassen.

(Verbleib in Norwegen)

  1. 9.

    Zuerst benannte Widerøe als einen Grund dafür, dass die Alliierten seine Unterlagen nicht bekommen sollten, Angst, nach England oder Amerika geschickt zu werden und dort seine Forschung fortsetzen zu müssen. Er wollte in Norwegen bleiben und arbeiten. Er schrieb einen Brief, in dem er seine Bereitschaft ausdrückte, für die Alliierten zu arbeiten, aber nur wenn die Arbeit in Norwegen ausgeführt werden konnte. Nach der Entlassung, als er bemerkte, wie Nachbarn und Freunde ihn behandelten, nahm die Überzeugung, in Norwegen zu bleiben, ab. Seine Frau – eine sehr sympathische Person, die zwei Monate lang die Erfahrung machte, eine von der Gesellschaft Ausgestoßene zu sein – hatte den starken Willen, Norwegen zu verlassen.

(Zweifelhafte Unterstützung)

  1. 10.

    Widerøe war sehr neugierig, was die Forscher in Amerika auf seinem Feld trieben. Er erscheint als ein sehr tüchtiger Mann und wird zweifellos alles in seiner Macht Stehende tun, um seine Arbeit am Betatron in irgendeiner Weise fortzusetzen. Derzeit scheint er auf irgendeine Unterstützung aus Norwegen dafür zu hoffen. Ich meinerseits halte das für sehr zweifelhaft.147

Der letzte Punkt in Randers’ Bericht sagte alles. Rolf war tüchtig, verfolgte den Forschungswettlauf genau, war erpicht darauf, weiter am Betatron zu arbeiten, hoffte auf Unterstützung aus Norwegen, die er jedoch nicht bekommen würde. Die Begegnung mit Randers war wohl doch nicht so einfach, wie Rolf es gern gehabt hätte.

Die Befragung im Gefängnis

Die von Randers im Gefängnis durchgeführte Befragung ist ein nicht weniger interessanter Lesestoff und dreht sich darum, was die Deutschen mit Rolf beabsichtigten – und was Rolf mit seiner Reise nach Deutschland beabsichtigte. Heute befinden sich die Abschriften zusammen mit dem Bericht in der Alsos-Mappe in den Niels Bohr Library and Archives im The American Institute of Physics. Sieben Fragen und Antworten, datiert auf den 10. Juli 1945.148 Randers besuchte Rolf am Tag seiner Entlassung, dem 9. Juli 1945, und es scheint, als sei der Bericht im Nachhinein, hinsichtlich der Richtigkeit der technischen Details, möglicherweise von Rolf leicht redigiert worden. Dafür hat er wahrscheinlich auch ein bisschen Zeit bekommen. Eines von Rolfs Dokumenten, das als Anlage in der Mappe enthalten ist, ist auf den 11. Juli 1945 datiert, sodass die beiden auch nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis in Kontakt gestanden haben müssen. Hier erklärt sich Rolf ausführlicher, als er es an irgendeiner anderen bekannten Stelle getan hat:

Übersicht

  1. 1.

    Frage : Welche Erwartung hatten die Deutschen an das Entwicklungsprojekt?

Rolfs Antwort: Als ich nach Deutschland gebracht wurde, wurde mir gesagt, dass sie das Betatron (den Strahlentransformator) zur wissenschaftlichen Forschung generell sowie zur Materialtestung und Therapie verwenden wollten. Ende Dezember 1943 entdeckte ich zufällig die Vorgeschichte und den Ursprung der Erfindung, die vor mir geheim gehalten worden waren.

1942 schlug Professor Schiebold (Leipzig) den Bau einer riesengroßen Röntgenmaschine vor, die ausreichend starke Röntgenstrahlen aussenden sollte, um der Besatzung in einem Flugzeug Schaden zuzufügen. Professor Schiebold hatte eine gewisse Unterstützung für seine Theorien erfahren, jedoch wurde schnell klar, dass sich die Pläne nicht realisieren ließen. Durch meine Artikel in Archiv für Elektrotechnik war man auf mein Betatron aufmerksam geworden, das sich nach Ansicht jener, die sich für Schiebolds Projekt interessierten, zu dem Zweck eignen könne. Meine erste Untersuchung, nachdem ich das erfahren hatte, galt selbstverständlich herauszufinden, ob solche Möglichkeiten existierten. Ich fand heraus, dass alles, was jemals erwartet werden konnte, – unter extrem günstigen Verhältnissen – eine winzig kleine und harmlose Strahlung von einigen hundert Metern sein würde. Unabhängig davon kam Professor Kulenkampff (Jena) in einer gründlichen Untersuchung zu derselben Schlussfolgerung. (Die Kopie davon befindet sich in Wrist.)

Als diese Dinge bekannt wurden, wurde die ganze fantastische Schiebold-Geschichte Anfang 1944 aufgegeben. Zur selben Zeit wurde indessen beschlossen (Professor Gerlach), dass die Arbeit mit dem Betatron mit unverminderter Kraft fortgeführt werden solle, in der Absicht, die angenommene Führung der Amerikaner zu reduzieren und die Forschung auf diesem neuen und relativ unbekannten Feld zu fördern.

  1. 2.

    Frage : Warum wollten die Deutschen das finanzieren?

Rolfs Antwort: Der eigentliche Grund folgt aus 1. Warum die Deutschen weiterhin Geld auf das Betatron verwendeten, ist schwer zu beantworten, und Hollnack würde das besser machen, als ich dazu in der Lage bin. Meine persönliche Meinung ist, dass alles, was die geringste Verbindung zu Kernphysik hatte, unterstützt wurde, weil man annahm, dass solche Investitionen früher oder später zu Ergebnissen führen konnten, die mit der Entwicklung von Kernkraft zu tun hatten. Unter den Forschern, mit denen ich das diskutierte, schien die Auffassung zu sein, dass solche Ergebnisse kaum im Laufe des Krieges zu erwarten waren und dass das Betatron sie in keinem Fall bringen würde. Indessen verwendeten mehrere Forscher die Möglichkeit den Behörden gegenüber als Köder, um Mittel zur Fortführung ihrer wissenschaftlichen Arbeit zu erhalten. Ich nehme an, das war auch beim Betatron der Fall.

  1. 3.

    Frage : Welche Ergebnisse erwarten Sie persönlich?

Rolfs Antwort: Erstens wichtige Werkzeuge zur physikalischen Forschung. Zweitens möglichst einen Apparat zur Krebsbehandlung. Drittens einen Apparat zur Materialtestung.

Ich bin Ingenieur, kein Physiker. Meine Aufgabe ist es, Apparate für den Einsatz durch Physiker zu konstruieren. Aber ich interessiere mich für Physik, und meine Meinung als Amateur ist folgende: Die Physik befindet sich gerade am Beginn, in ein neues Feld vorzudringen, die Kernphysik, die sich außerhalb des momentanen Feldes, der Quantenmechanik, befindet. (…) Das Meiste davon befindet sich noch immer in einem Stadium „wissenschaftlicher Poesie“. Der einzige wissenschaftliche Beweis stammt von der äußerst unbekannten kosmischen Strahlung. In diesem Bereich ist das Betatron der einzige ideale Apparat und die einzige Möglichkeit für kontrolliertes Experimentieren. (…).

In Bezug auf das, was ich erwähnt habe, kann ich das Interesse deutscher Physiker an meiner Arbeit sehr gut verstehen. Ich kann auch verstehen, dass viele von ihnen Möglichkeiten sahen, die es nicht gab.

  1. 4.

    Frage : Welche Antikathode wurde verwendet?

(Die Antwort ist rein fachlicher Art.)

  1. 5.

    Frage : Was verbindet das Betatron mit der Kernphysik?

Rolfs Antwort: Siehe 3. Viele Forscher, die mit Kernphysik gearbeitet haben, habe ich persönlich kennengelernt, u. a. Professor Jensen (Hannover), Professor Ott (Würzburg), Professor Bothe, Professor Dänzer, Professor Hardeck, Professor Lenz, Dr. Suess (Hamburg), Professor Gentner (Heidelberg), Professor Kulenkampff und Professor Raether (Jena). Indessen sprachen wir nur zufällig über Fragen die Uranspaltung betreffend.

  1. 6.

    Frage : Welche Forderungen stellten die Deutschen im Hinblick auf das Erreichen von Ergebnissen?

Rolfs Antwort: Darüber hinaus, den Transformator dazu zu bringen, so gut wie möglich und so schnell wie möglich zu funktionieren, keine speziellen Forderungen. Anfangs dachte ich, es wäre möglich, den kleinen Transformator Mitte 1944 zum Wirken zu bringen, sodass die Experimentierarbeit beginnen konnte. Für die Fertigstellung des großen Transformators rechnete ich mit einem Jahr mehr, sofern alle Anforderungen an Rohmaterial und Arbeit erfüllt wären. Hätte die Arbeit ungehindert in Hamburg fortgesetzt werden können, wären wir wahrscheinlich im Laufe des Jahres 1945 in der Lage gewesen, die Arbeit und die Experimente mit dem kleinen Transformator abzuschließen. Für den speziellen Zweck, Kernphotoeffekte zu erforschen, war zudem geplant, einen 30-meV-Transformator zu bauen. Ob der Bau des großen Transformators im Laufe des Krieges überhaupt begonnen werden konnte, war meiner Meinung nach zweifelhaft.

  1. 7.

    Frage : Was ist das Spezielle an Ihrem Apparat?

Rolfs Antwort: Der kleine, in Hamburg gebaute Transformator unterschied sich nicht viel von Kersts Apparat von 1942. (Es folgt eine technische Erklärung des Unterschieds.)

Der Rest der Alsos-Mappe

Aber es befand sich noch mehr in der Mappe – die Doktorarbeit, ein kleines fachtechnisches, von Rolf verfasstes Dokument mit diversen Skizzen und eine englische, wahrscheinlich durch Randers erfolgte Übersetzung149 plus Rolfs eigene Übersicht der Patentansprüche, in beiden Sprachversionen150, sowie eine Reihe anderer Dokumente über das Betatron und die Arbeit in Deutschland, die meisten von Rolf verfasst und allesamt in einer eigenen Liste aufgeführt.151 Das interessanteste davon ist ein Schreiben Rolfs vom 17. September 1943, in dem er fachlich die Pläne für das 15-meV-Betatron und das 200-meV-Betatron erläutert. Das Dokument ist zu einem frühen Zeitpunkt seines Deutschland-Aufenthalts entstanden, während er in einer kombinierten Urlaubs- und Schreibphase zu Hause in Norwegen war.152 Außerdem enthielt die Mappe diverse Mitteilungen und Berichte von Hollnack und Kollath. Hinzu kam eine Übersicht über 17 Dokumente, die auf Mikrofilm vorlagen. Dazu gehörten unter anderem Dokumente des anerkannten Professors Bothe, ein Bericht von Rolf an Feldmarschall Geist im Reichsluftfahrtministerium, ein Brief von Rolf an Professor Kulenkampff, der seinerseits Schiebolds Strahlenwaffe torpediert hatte, diverse Notizen von Rolfs Assistent Touschek sowie ein Brief an Rolf von Heisenberg.153

Kurz gesagt: Das von Alsos gesammelte Material war eine Kombination von Informationen aus erster Hand, die entweder Rolf selbst, sein Stellvertreter Kollath oder sein Bindeglied zur Luftwaffe, Hollnack, mitgeteilt hatten. Dieser Dokumentation folgten die Eigendarstellung und Beurteilung des Ganzen durch die Alsos-Vertreter. Die von Hollnack und Kollath verfassten Dokumente waren an die britische Geheimdienstorganisation T-Force adressiert und später an Alsos weitergeleitet worden. Wie viel Rolf über die Aktivität der Amerikaner und Engländer wusste, etwas über sein Tun herauszufinden, blieb sein Geheimnis. Angesichts dessen, was man heute in Archiven findet, ist jedoch offenkundig, dass es Dinge gab, von denen Rolf wusste, über die er jedoch nicht öffentlich sprach. So kann man sich schon über die Zufälle des Lebens wundern, fragen, was passiert wäre, wenn Randers ihn nicht aufgesucht hätte. Wäre er länger in Gewahrsam geblieben? Wäre er aufgrund der Maximalgrenze der Hafttage dennoch aus der Untersuchungshaft entlassen worden? Hätte er vielleicht eine härtere Strafe bekommen? Das werden wir nie erfahren.

Vielleicht war Randers in gewisser Hinsicht sein Retter, trug bei dem kritischen Sachverständigenbericht aber gleichzeitig zu seinem Untergang bei. Feststeht, dass Rolfs Betatron-Projekt so wichtig war, dass die alliierten Behörden ihn kontrollierten und eingriffen. Was fehlt in einem bereits komplizierten Bild, um das Ganze zu komplettieren? Nun, die Industrie, die Großindustrie. Denn die war in höchstem Maße beteiligt. Ökonomische Interessen, die dem Wirtschaftsleben sowohl auf kurze als auch auf lange Sicht Bestand sichern sollen, sind im Krieg fast immer zugegen, und hier galten sie revolutionärer feinmechanischer Ausrüstung mit großem Marktpotenzial. Es ging darum, strategisch und langfristig zu denken, denn eines Tages musste der Krieg schließlich vorüber sein. Die Betriebe sollten aber auch in der Zwischenzeit überleben. Und einige hatten damit mehr als genug zu tun. Die Mittel – und die Motive – konnten bei beiden Gruppen mehr oder weniger edel sein. Die Grenzziehung schwierig.

  • dass Brown Boveri die ganze Zeit im Bilde war

Rolf hat es nie so konkret gesagt. Aber Brown Boveri war die ganze Zeit über im Bilde. Das heißt, er sagte deutlich, dass er den gesamten Krieg über dort angestellt war, jedoch nicht, wie stark oder wenig die Firma in die Aktivitäten während des Krieges involviert war. Und er muss es gewusst haben. Denn Brown Boveri war aktiv in seine Pläne involviert. Das galt sowohl für die Zentrale in der Schweiz, den Ableger des Unternehmens in Deutschland als auch für die norwegische Tochtergesellschaft NEBB. Das bestätigen Gesprächsprotokolle, Verträge und Berichte.

Selbstverständlich sprach er über Brown Boveri. Schließlich war das Unternehmen ein Teil seines Lebens, war es sozusagen immer. Auch bevor er die Stelle bei der Luftwaffe annahm. Allerdings erklärte er nie die zentrale, nahezu übergeordnete Rolle, die Brown Boveri während des Krieges für Teile des Betatron-Projekts hatte, die Linie vom Direktor von NEBB über den Direktor in Heidelberg bis hin zum Hauptsitz in der Schweiz. Gewiss sprach er vom Einsatz, sogar über Details, ließ aber auch einiges aus. Vielleicht dachte er: Wozu soll das gut sein? Oder womöglich: Es ist am besten, es wird nichts bekannt. Es gibt so viele Aspekte. Doch ungeachtet des Motivs hat er nicht sonderlich viel gesagt.

Aber Hollnack hat erzählt. Solange er mit Rolf zu tun hatte, hatte er auch Kontakt zu Brown Boveri, sowohl in Oslo als auch in der Schweiz. Als er T-Force über den mit Rolf geschlossenen Vertrag in Kenntnis setzte, gab er klar und deutlich an:

„Gleichzeitig der NEBBC Oslo bestimmte – schriftliche – Zusicherungen vorliegender Ansprüche der Schweiz gegeben.“154

Hier arbeiten ein Brown-Boveri-Unternehmen in einem von Deutschland besetzten Land und die Zentrale in der neutralen Schweiz zusammen – mit Hollnack als Mittler und Vertreter deutscher Behörden. Es handelt sich also nicht nur um ein Verhältnis zwischen Deutschland und Norwegen, sondern um eine Dreiecksbeziehung, an der auch die Schweizer Muttergesellschaft beteiligt ist. Letztendlich verstand auch Hollnacks Kurier, dass die von ihm beförderten braunen Mappen technische Informationen über das geheime Betatron in Hamburg enthielten und dass einige davon für Brown Boveri in der Schweiz bestimmt waren.155

Bereits vor dem Krieg hatte Rolf Kontakt zur Mutterfirma gehabt. 1942 habe er dann, Tor Brustad zufolge, Verbindungen zu den Schweizern hinsichtlich Industriekooperationen für die Ausnutzung diverser Entdeckungen innerhalb der Betatron-Technologie etabliert. Das wurde in einem Brief vom 12. Juni 1946 von NEBB an Rolfs Anwalt bestätigt.156 Eine andere Sache war, dass es den Deutschen nicht besonders gefiel, dass Rolf Kontakt mit dem Büro in der Schweiz hatte. Hier spielten die Patente eine wichtige Rolle:

„Als Teil dieser Zusammenarbeit ersuchte und erinnerte das Unternehmen Widerøe, dass er seine Entdeckungen in Deutschland patentieren lassen müsse, und vielleicht auch in den USA und England. Das war übliche Firmen-Policy. Auf diese Weise konnte die Gesellschaft sowohl eine unabhängige professionelle Evaluierung der Entdeckungen als auch die eigenen Interessen/Rechte sichern. (…)157 Im Frühjahr und Sommer 1943 verhandelte Widerøe mit BBC über den Verkauf einiger seiner Patente und die Anmeldung von Patenten in englischsprachigen Ländern.“158

In seinem großen Gesamtbericht159 an T-Force erläuterte Hollnack die Rolle von Brown Boveri, der Muttergesellschaft wie auch der Tochterunternehmen, detaillierter. Unter anderem schreibt er:

  • darüber, dass er 1943 in Oslo Kontakt zu Rolf aufnahm:

Widerøe war und ist Angehöriger von NEBBC – Oslo, einem Unternehmen des Baseler (Schweiz) Stammhauses.“

„Die Formalitäten seiner zeitweiligen Dienstentlassung wurden mit Direktor Solberg, Direktor von NEBBC, geregelt. Vertragsrechte des Stammhauses in der Schweiz wurden anerkannt.“

  • über formelle Verträge, die Hollnack in seiner Eigenschaft als „Treuhänder“ des Widerøe-Projekts eingegangen war:

„Abkommen mit BBC – Basel (Schweiz) durch NEBBC – Oslo.“

„Entwicklungsvertrag BBC – Heidelberg. Die Schutzrechtbearbeitung wurde durch Patentanwalt Dr.-Ing. Sommerfeld (…) Berlin vorgenommen. Dies war ein persönlicher Freund Dr. Widerøes, sie arbeiten sehr eng zusammen.“

  • über die Pläne für die 200-meV-Maschine, nachdem das 15-meV- Betatron gegen Kriegsende aus Hamburg evakuiert werden musste:

„Die Konstruktion der 200-MeV-Anlage lief bei BBC – Heidelberg, Dir. Dr. Meyer-Delius. Eine Absprache über den vorliegenden Konstruktionsentwurf und eine Sicherstellung dieser Konstruktion durch uns konnte infolge der Kriegsereignisse nicht mehr erfolgen.“

Die Statusmaschine von 200 Elektronenvolt

Neben all dem Interesse für das 15-meV-Betatron, wie es fertig gestellt und wozu es verwendet werden konnte, arbeitete Rolf nahezu im Stillen an einer anderen, viel größeren Maschine, über die er nach dem Krieg nicht groß sprechen wollte. Er fertigte sie regelrecht als uninteressant und etwas ab, das ihn nichts anging. Sagte sogar, dass er nicht wusste, ob Brown Boveri jemals mit dem Bau des 200-meV-Betatrons beginnen würde, dies jedoch äußerst unwahrscheinlich sei. Aber selbstverständlich musste er es wissen. Denn das Projekt hatte den Superstatus.

Sobald das erste kleine Betatron fertig und zum Testen bereit war, stand der Bau des großen an – Rolfs Plänen zufolge. Es gab keinen Zweifel daran, dass auch dieser Schritt politisch von oben abgesegnet war. Es handelte sich nicht mehr nur um eine Strategienotiz, die bei Projektbeginn erstellt und von Rolf Widerøe aus Oslo unterzeichnet worden war. Walther Gerlach persönlich verlieh dem Ganzen Gewicht, der Neue in der Physikabteilung des Reichsforschungsrates, in dem Göring ihn platziert hatte, Mitglied des Uranprojekts und nach dem Krieg zusammen unter anderem mit Heisenberg in England interniert. An Interesse für das Projekt fehlte es nicht. Gerlach forderte eine Anlage von 200 meV und Professor Bothe war äußerst interessiert. In der Zwischenzeit wurde der Konstruktionsbefehl an Brown Boveri in Mannheim erteilt.160

Mehrere Heidelberg-Forscher beschäftigten sich mit der Zyklotron- und Betatron-Problematik, und weil die Namensverwendung noch nicht etabliert war und es auch gleitende Übergänge zwischen den verschiedenen Typen gab, ist nicht immer leicht zu erkennen, von welcher Maschine genau die Rede ist. Das gute Physikmilieu, das sich in Heidelberg entwickelt hatte, war für die Fachleute Anlass für den Wunsch, den Bau von Rolfs Prestigemaschine in der Nähe der Stadt zu platzieren, obwohl ursprünglich Großostheim als Konstruktionsort vorgesehen war. In Heidelberg arbeitete der anerkannte Professor Bothe bereits an einem Zyklotron. Somit käme Rolf in gute Gesellschaft. Gegen Kriegsende wurde mit Wolfgang Genter eine andere Kapazität ausgesandt, um Bothe mit dem Zyklotron zu helfen. Dieser, „im Geheimen ein überzeugter Nazi-Gegner“, hatte einige Jahre bei Joliot in Paris und auch bei Lawrence in Berkeley gearbeitet.161

Auch Rolf interessierte sich für Bothes Tun und suchte den Kontakt zu ihm, wobei das Interesse auf Gegenseitigkeit beruhte. Im Herbst 1944 lud er Bothe zu einer Besichtigung des 15-meV-Betatrons ein, dazu auch einen Professor aus Frankfurt, mit dem Bothe an einem 10-meV-Betatron arbeitete, das jedoch nie über das Planungsstadium hinauskam. Am 23. November 1944 erhielt Rolf ein feierliches Antwortschreiben von Direktor Prof. Dr. W. Bothe, Kaiser-Wilhelm-Institut für Medizinische Forschung, Institut für Physik. Darin bedankt sich dieser für den Brief vom 13. mit der Einladung an ihn und seinen Kollegen, Rolf zu besuchen. Da sie in den kommenden Wochen beschäftigt seien, bitten sie darum, darauf zurückzukommen, wenn Rolf von seiner Reise nach Oslo zurückgekehrt sei. Ein freundlicher und zuvorkommender Brief von Bothe, der offensichtlich darüber informiert war, dass der große Transformator gebaut werden sollte und er eine Zusammenarbeit wollte. In dem Brief drückt er seinen Respekt und seine Bewunderung für Rolfs Schaffen aus, fügt hinzu, dass er sein Wissen gern teile und dass es unklug wäre, unabhängig voneinander jeder mit seinem Apparat fortzufahren. Er unterstreicht, dass das Ganze nach Widerøes Prämissen erfolgen solle und dass sie die nötigen Rücksichten auf Geheimhaltung, Rechte usw. nehmen würden, und an Geld solle es nicht fehlen.

Sowohl in politischen als auch in akademischen Kreisen engagiert man sich merkbar. Datiert auf den 4. Dezember 1944 erhalten Bothe und Rolf nunmehr zusammen einen Brief von den Behörden.162 Der Brief beginnt mit: „Sehr geehrte Herren Kollegen!“ und endet mit „Heil Hitler!“. Der Briefkopf quilt vor Nazi-Jargon über: Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches / Präsident des Reichforschungsrats / der Bevollmächtigte. Die nächste Zeile ist schwer zu lesen, jedoch nehme ich an, dass dort Walther Gerlach steht, also der Name des Bevollmächtigten im Bereich Kernphysik, mit anderen Worten der Verantwortliche für die komplette deutsche Kernphysik und das geheime Uranprojekt. Im Bereich Physik gibt es in der Hitler-Hierarchie keine höhere Instanz. Neben der Zugehörigkeit zur politischen Machtelite ist Gerlach derjenige unter den Machthabern, der Rolfs Arbeit fachlich am besten versteht. Leider ist der Großteil des gut eine Seite umfassenden Textes unleserlich. Es wird jedoch auf Gespräche in Erlangen und darauffolgende Besprechungen und Kontakte hingewiesen, zudem wird in verschiedener Hinsicht der Wunsch nach Weiterverfolgung geäußert. Mit anderen Worten: Rolf hat den Segen und die Zustimmung der Behörden. Hier gilt es einfach weiterzumachen.

Pst!, pst!

Brown Boveri in Deutschland war sehr daran interessiert, den Vertrag für das Riesen-Betatron zu bekommen. Das Projekt war mit viel Prestige und zugleich Stillschweigen verknüpft. Es fanden Besprechungen mit den Behörden und mit Rolf statt. Schließlich enthielt der berühmte nichtpublizierte Artikel gerade die Ideen für ein solches Riesen-Betatron. Auch Rolf, der nie einen Hehl aus seiner Zugehörigkeit und Loyalität gegenüber Brown Boveri machte, wollte, dass es dort gebaut wurde. In der Biografie sagt er, dass er „die ganze Kriegszeit (…) bei NEBB (Brown Boveri) in Oslo angestellt“ war und nach Deutschland „dienstverpflichtet“ wurde.163 Wie schon zehn Jahre zuvor im Physiker-Interview sagt er im gleichen Atemzug, dass die Verbindung zu Brown Boveri ihm keine Hilfe war, aus der Untersuchungshaft entlassen zu werden. Zum Chef, Sven Adolf Solberg, hatte er jedoch die ganze Zeit über ein gutes Verhältnis, unterstreicht Rolf.164 Der geschäftsführende Direktor hatte den Posten in der Nachfolge seines Großvaters und Vaters übernommen. Sein Ingenieurstudium hatte er an der Züricher Hochschule absolviert, an der Rolf später unterrichtete. Zudem hatte Solberg jr. mehrere Jahre in der Zentrale in Baden gearbeitet. Allerdings wollten die deutschen Nazi-Behörden nicht so viel mit dem Hauptsitz des Unternehmens in der Schweiz zu tun haben.

Für die Nutzung seiner verschiedenen Erfindungen hatte Rolf bereits 1942 Kontakt zu Brown Boveri in der Schweiz hinsichtlich industrieller Zusammenarbeit aufgenommen. Während der gerichtlichen Verfolgung nach dem Krieg wurde das zu einem wichtigen Aspekt, was Rolfs Verteidiger bestätigte.165

Im Verhör erklärte Rolf, dass er das komplette Frühjahr und den ganzen Sommer 1943 über „mit BBC in der Schweiz in Verhandlung gestanden hatte hinsichtlich des Verkaufs von Patenten, sodass diese über die Schweizer in englischsprachigen Ländern beantragt werden konnten. Diese Möglichkeit fiel weg, als die Deutschen die Patente beschlagnahmten.“166

Der NEBB-Direktor in Oslo gehörte zu jenen, die Rolf nach dem Krieg über die polizeilichen Ermittlungen orientiert hielt, und als er im Frühjahr 1946 seinen ersten Besuch bei Brown Boveri in der Schweiz plante, versuchte er dies so zu organisieren, dass sie beide an den Besprechungen teilnehmen konnten.167

Das Frühjahr 1944 dreht sich für Rolf um die 200-meV-Maschine, während die Arbeit an dem 15-meV-Betatron bei C.H.F. Müller in Hamburg ihren Gang geht, schreibt er in einer internen Notiz. Was das Riesen-Betatron betrifft, ist es nicht nur eine technologische Kraftanstrengung, sondern sind viele sich kreuzende Interessen involviert. Zudem ist ungeklärt, wo die Arbeit an sich ausgeführt werden soll. Im Februar äußert er die Idee, dass die Maschine in Oslo gebaut werden soll, während ursprünglich Großostheim angedacht war:

„Ich habe vorgeschlagen, dass der Bau bei BBC in Oslo durchgeführt wird. Da der Vorschlag sowohl von der technischen Leitung als auch von anderen Involvierten als zweckmäßig angesehen wird, sollen die Möglichkeiten dafür Anfang März in Oslo näher untersucht werden.“168

Aber es gibt auch Alternativen. Während einer dreitägigen Zusammenkunft unter Regie von Brown Boveri Ende April finden wichtige Gespräche sowie Besichtigungen in Weinheim und Heidelberg statt. Am Vormittag des 29. April wird der Auftrag mit allen aktuell Anwesenden, inklusive dem Direktor Meyer-Delius, besprochen. Dabei werden Details unter anderem über den Zeitpunkt der Inbetriebnahme sowie den Zeitpunkt für die Informierung aller Beteiligten diskutiert. Dr. Böcker, dem als Hochspannungsexperte in Vertretung von BBC die übergeordnete Verantwortung obliegen soll, äußert, dass er das Projekt sehr interessant finde und sich persönlich dafür einsetzen wolle, dass die Arbeiten bei BBC schnell und effektiv durchgeführt würden. Es herrscht Einigkeit darüber, dass das nächste technische Gespräch in vier Wochen stattfinden soll. Beide Seiten erstellen Protokolle und bereits am 1. Mai verfasst Rolf eine Notiz, in der er unter anderem erwähnt, dass er Gespräche mit dem Direktor, mit Böcker sowie mit dem Ingenieur in Weinheim geführt habe, der die technische Verantwortung übernehmen soll. Weiter schreibt er:

„Ich erwähnte, dass unter Umständen Herr Seifert oder Herren vom R.L.M. bereits in der Zwischenzeit zwecks Verhandlungen über den Abschluss des Auftrages nach Heidelberg fahren würden.

Ganz unabhängig von den obigen Verhandlungen teilte mir Herr Dr. Meyer-Delius mit, er habe von Bothe und Gentner erfahren, dass sie sich auch mit Plänen für den Bau eines Strahlentransformators beschäftigen. Sie hätten auch über Schweden einige neuere Nachrichten über den großen amerikanischen Transformator erhalten. Es sollte geglückt sein, die Elektronen aus der Röhre herauszubringen und mehrere hundert Meter lange Leuchterscheinungen zu erzeugen. Ich halte eine baldige Fühlungnahme mit Bothe und Gentner als die auf diesem Gebiet in Deutschland erfahrensten Fachleute für sehr erwünscht. Wahrscheinlich können sie uns wertvolle Ratschläge für den Aufbau der Anlage geben und auch gewisse Angaben über die zweckmäßigste Verwendung der Strahlenenergie machen.“169

Am selben Tag verfasst Rolf noch ein Zusatzprotokoll und am nächsten Tag eine Notiz.170 Von der Besprechung am ersten Tag erstellt der Direktor ein eigenes Protokoll, „Großer Strahlentransformator Widerøe, Besprechung in Heidelberg am 30.6.44, Geheim“, aus dem hervorgeht, dass neben ihm, Widerøe und Seifert drei weitere namentlich benannte Personen teilgenommen haben, bei denen es sich vermutlich um Vertreter des Unternehmens handelt. Und von allem am wichtigsten: Er verkündet, dass Seifert BBC einen vorläufigen Befehl vom Luftfahrtministerium überreicht habe, mit der Forschungs- und Entwicklungsarbeit für eine solche Maschine zu beginnen.171

Internes Protokoll

Im Rahmen einer Besprechung wurden am zweiten Tag wichtige Beschlüsse gefasst. Böcker erstellte ein praktisch und operativ orientiertes Protokoll der Sitzung.172 Anwesend waren unter anderem der Direktor von Brown Boveri, „Hollnack im Spezialauftrag für das Reichsluftfahrtministerium“ und Rolf. Hollnack informierte zu Beginn, dass die Aufgabe bezüglich der Entwicklung des Strahlentransformators an BBC Mannheim erteilt worden war. Der Grund der Entscheidung für Mannheim war Rolfs Zugehörigkeit zu Brown Boveri, weshalb das Ganze in Regie von BBC erfolgen musste. Weil es sich bei der Mutterfirma in der Schweiz um eine ausländische Gesellschaft handelte, konnten die Deutschen diese nicht nutzen, weshalb es das Tochterunternehmen in Deutschland werden musste. Eine Reihe wichtiger Punkte wurde behandelt:

Formalitäten

Hollnack wies darauf hin, dass jegliche Entwicklungsarbeit im Bereich Kernphysik unter der Leitung von Professor Gerlach stünde. Er versicherte, dass man bestrebt sei, eine enge Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Forschungsinstituten und Firmen zu etablieren. Was die Kernforschung betraf, waren sowohl das Reichsluftfahrtministerium als auch das Kriegsministerium involviert. Beide Ministerien verfügten über eine Instanz, die sich solcher Forschung annahm. Im Reichsluftfahrtministerium gehörte das zum Verantwortungsbereich von Oberst Geist, im Kriegsministerium war dies – und das ist interessant – Richard Seifert vom Widerøe-Projekt. Hollnack selbst vertrat das Projekt gegenüber beiden Ministerien.

Fachleute

Der Direktor von Brown Boveri verwies auf die Schwierigkeiten, die die „angestrengte Arbeitslage in der Konstruktionsabteilung für Transformatoren“ mit sich brachte. Daher könne man mit dem 200-meV-Strahlentransformator nicht beginnen, bevor man nicht die beiden dem Unternehmen zugesagten Konstrukteure bekommen habe. Hollnack entgegnete, dass sie den einen im Laufe „einiger Tage“ bekommen würden, den anderen innerhalb von 14 Tagen.

Klassifizierung

Dem Protokoll zufolge hatte das Projekt einen besonderen Status:

„Auf die Frage nach der Einstufung der Arbeiten an dem Strahlentransformator in die zurzeit laufenden dringlichen Programme führte Herr Hollnack aus, dass es sich bei dem MeV-Programm (Strahlentransformator) um eine sehr dringende Maßnahme handele, die von Seiten des RLM und des Ministeriums Speer besondere Förderung genieße. Die Arbeiten gehörten zwar nicht zu den Sofort-Programmen, jedoch könnte ihre Durchführung mit Sondergenehmigung der interessierten Ministerien jederzeit vorwärtsgetrieben werden.“

Arbeitsplan

Zeitplan und Aufgabenverteilung standen fest: In wenigen Tagen wollte das Reichsluftfahrtministerium einen offiziellen Auftrag für die Konstruktion von Strahlentransformatoren erteilen. Hollnack sollte sich um die baldige Überweisung des Kredits kümmern. Seitens Brown Boveri würde ein Verantwortlicher für die Arbeiten mit dem Strahlentransformator ernannt werden. Der Betreffende sollte sich vor allem der Durchführung annehmen und „der Verbindungsmann zwischen den interessierten Ministerien und der Firma F.W. Müller (Dr. Widerøe) einerseits und BBC andererseits“ sein. Hollnack sollte im Laufe der kommenden Wochen einen Vorschlag für einen Entwicklungsvertrag mit dem Industrie- und Wirtschaftsministerium vorlegen, zudem sollte er ein Protokoll der Besprechung erstellen und es den Betreffenden zusenden.

Hollnacks Protokoll

Hollnacks mit „Geheim“ gekennzeichnetes Protokoll war eher juristisch formell:173

Anwesende:

Direktor Meyer-Delius, BBC

Dr. Böcker, BBC

Dr.-Ing. Rolf Widerøe, Fog (Forschungsstelle der Luftwaffe).

Hollnack, Fog (Forschungsstelle der Luftwaffe)

  1. 1)

    BBC erklärt sich bereit, die Konstruktion eines 200-meV-Transformators nach Dr. Widerøe sofort in Angriff zu nehmen.

  2. 2)

    BBC Mannheim erhält durch die Forschungsstelle der Luftwaffe einen Entwicklungsauftrag unter der Dringlichkeitsstufe DE 1382/XII L/44, außerdem die Bestätigung des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion TAE Oberst Dipl.-Ing. Geist, dass dieses Programm im Rahmen der bei BBC vorliegenden Programme mit gleicher Dringlichkeit durchgeführt werden muss. (…)

  3. 3)

    In Bezug auf die Geheimhaltung der Entwicklungsarbeiten wird Herr Dir. Meyer-Delius von den Verhandlungen mit BBC Oslo aufgrund eines Protokolls vom 30.10.1943 unterrichtet. Hierin sind die Beziehungen zwischen RLM einerseits, BBC Oslo und Baden sowie Dr. Widerøe andererseits geregelt worden. (…)

  4. 4)

    BBC Heidelberg wird eine Persönlichkeit innerhalb BBC beauftragen, die Entwicklungsarbeiten verantwortlich zu führen. Die Konstruktion erfolgt nach den Richtlinien des von BBC zu erteilenden Auftrags ausgehend von Schutzanmeldungen durch Dr.-Ing. Rolf Widerøe.

  5. 5)

    Nach Auftragserteilung an BBC durch die Fog folgt ein Entwurf für einen Entwicklungsvertrag durch das Industriewirtschaftsamt des R&L (GL/F 1 IV B).

  6. 6)

    BBC erhielt durch Herrn Hollnack davon Kenntnis, dass in Kürze mit der Anstellung eines Konstrukteurs von Telefunken zu rechnen ist. Wegen des angeforderten 2. Konstrukteurs wird Herr Hollnack bis spätestens 20.7.44 versuchen, eine Entscheidung über die Möglichkeit der Zurverfügungstellung herbeizuführen.

Dillenburg, den 3.7.44

Hollnack

Für denjenigen, den Rolf vertritt, verwendet Hollnack hier die übergeordnete und formelle Bezeichnung, nämlich „Forschungsstelle der Luftwaffe“, abgekürzt „Fog.“ Dasselbe macht er seine eigene Person betreffend. In operativeren Zusammenhängen wird gern Bezug auf die Müller-Fabrik genommen, wo die Arbeit stattfand.

Es ist genau aufgelistet, wer neben sechs namentlich benannten BBC-Internen außerhalb von Brown Boveri eine Kopie erhalten soll.

Herr Seifert, Hamburg

Dr. Widerøe

Fog Gruppe Verwaltung

RLM Industriewirtschaftsamt (GL/F 1IV B)

RfRuk TAE Oberst Dipl.-Ing. Geist

Dr. Spengler Forschungsführung des Rdl.

Einige Tage später informiert der Direktor von Brown Boveri eine Gruppe treuer Mitarbeiter in einer geheimen internen Mitteilung darüber, dass die Firma den Auftrag erhalten habe.174 Die Mitteilung trägt schlicht und einfach die Überschrift „Strahlentransformator Widerøe“ und beginnt mit einer offiziellen Bekanntmachung:

„BBC hat einen Auftrag auf Anfertigung von Konstruktionen für einen Strahlentransformator Widerøe von der Forschungsstelle der Luftwaffe Großostheim erhalten.“

Es ist ausführlich beschrieben, wer die technische Leitung für die „nach den Angaben von Dr. Widerøe“ auszuführenden Arbeiten trägt. Der Direktor ermahnt zu strenger Vertraulichkeit und fordert für den Umgang mit der Angelegenheit die Einrichtung eigener Routinen:

„Alle beteiligten Personen sind zur strikten Geheimhaltung dieser Arbeiten verpflichtet, sowohl anderen BBC-Angehörigen als auch dritten Personen gegenüber. Alle Korrespondenzen innerhalb und außerhalb des Hauses sind mit dem Stempel 'Geheim' zu versehen und von den übrigen BBC-Akten getrennt aufzubewahren.“175

Im Herbst 1944 werden die Gespräche über den Bau der 200-meV-Anlage konkreter und die Protokolle entsprechend technischer. Im Oktober kommt es in Heidelberg zu einer weiteren Besprechung des Vorhabens. Es werden mehrere Möglichkeiten durchdacht und detaillierte Zeichnungen präsentiert. Neben dem Direktor von Brown Boveri, Meyer-Delius, und zwei seiner Angestellten sind Rolf und Rudolf Kollath anwesend.176 In dem von Kollath verfassten Protokoll steht ausdrücklich, dass Rolf und er das Widerøe-Projekt als Arbeit für Brown Boveri repräsentieren. Besprochen werden auch die Fortschritte gegenüber dem Konkurrenten Siemens.

Am 6. Dezember 1944 ist die Brown-Boveri-Gruppe zur Besichtigung bei Rolf in der Müller-Fabrik. Es geht darum, die Anlage zu demonstrieren, zu lernen, wie ein Strahlentransformator wirkt und wie man Erfahrungen aus einer solchen Anlage für die Zusammenarbeit hinsichtlich eines großen 200-meV-Betatrons ziehen kann. Am Vortag des Besuchs führte der Projektverantwortliche von Brown Boveri, Böcker, eine Vorbesprechung mit Rolf, Kollath und den ausgewählten Mitarbeitern bei Müller durch. Auch Seifert nimmt an der Besichtigung teil. Es werden intensive Diskussionen über die speziellen Schwierigkeiten des aktuellen Entwicklungsstadiums geführt, zudem werden Verträge hinsichtlich einzelner fachlicher Aspekte geschlossen.177

Zu diesem Zeitpunkt sind die Bombardierungen der Alliierten, Verzögerungen in der Postzustellung sowie Probleme, sich zwischen verschiedenen deutschen Städten zu bewegen, zu einem Teil des Alltags geworden, oder wie Rolf es am 12. Februar in einem Brief an den Direktor diplomatisch ausdrückt: „(…) aus verschiedenen Gründen ist es z. Zt. für uns nicht möglich, nach Heidelberg zu kommen“. Er fügt hinzu: „Im Übrigen hoffe ich, dass Ihr Betrieb die letzten Angriffe einigermaßen überstanden hat sowie dass es Ihnen und Ihrer Familie persönlich gut geht.“ Anfang Februar 1945 erhält Rolf schließlich einen wichtigen Brief, der vor dem Jahreswechsel vom Direktor von Brown Boveri in Mannheim geschrieben worden war. Es geht um Berechnungen, die dringend für das Design des 200-meV-Transformators gebraucht wurden. Seiner Antwort legt Rolf Skizzen bei und bittet um schnelle Rückmeldung, am besten telefonisch. Dann schlägt er ein Treffen in Hamburg vor, um genauer über die Konstruktionsberechnungen zu sprechen, da es offensichtlich leichter ist, von Heidelberg nach Hamburg zu kommen als umgekehrt.178

Die Pläne materialisieren sich und am 3. März steht ein groß aufgemachter Fachartikel über einen neuen Typ großer Transformatoren im internen Magazin von Brown Boveri.179 Die Neuigkeit, dass etwas im Gange ist und ein Vertrag mit BBC Heidelberg für den Bau eines 200-meV-Betatrons abgeschlossen wurde, dringt auch in die USA.180 Andererseits erscheint das seltsam, zumal Rolf in der Biografie sagt, dass Brown Boveri zu dieser Zeit in Heidelberg nicht vertreten war. Einer der Direktoren wohnte dort und es fanden dort einige Besprechungen statt, das war alles. 181 Es war Krieg.

Aber dann …

Mitten im Eifer und dem intensiven Agieren aller Parteien wird das Vorhaben plötzlich gestoppt. Das Ganze ist vorbei, bevor es angefangen hat. Seltsame erscheint dabei, dass Rolf nicht mehr darauf eingeht, als er für seine Biografie die 200-meV-Maschine erläutern soll. Das Projekt wird nur kurz erwähnt, unmittelbar gefolgt von der Information, dass er im April 1945 endgültig nach Norwegen zurückkehrte. Die Dramatik in Betracht gezogen, sagt er nicht viel, sondern zieht ohne Umschweife ein Resümee:

„Ich diskutierte damals mehrere Male mit den Direktoren und Konstrukteuren von Brown Boveri (BBC) über den Bau eines 200-MeV-Betatrons. Die vorläufige Bestellung für die Konstruktionsarbeiten hatte Dr. Seifert im Auftrag des Reichsluftfahrtministeriums an die Firma BBC gegeben. Es wurden mehrere Möglichkeiten durchdacht, und es gab detaillierte Zeichnungen (…). Aber am Ende des Krieges waren all diese Pläne unrealisierbar. Die BBC-Fabriken in Mannheim waren ziemlich zerstört. Als Deutschland besetzt wurde, ist über diese Pläne nicht mehr gesprochen worden.“182

Auch hier sagt er nicht mehr, als er muss. Er erwähnt nicht den Eifer von Brown Boveri, nicht die Neugierde deutscher Experten, nicht den Druck von den Behörden, und am Ende bagatellisiert er die Pläne beinahe. Denn eine konkrete Planung hatte stattgefunden und Rolf war dabei gewesen: 1943, 1944 und 1945.

Von Pedro Waloschek erfuhr ich, dass Rolf in den vielen Gesprächen der beiden im Zusammenhang mit der Biografie nur ungern über die 200-meV-Maschine sprach. Als Waloschek ihn dann an das erinnerte, was er selbst in einer Notiz über die Betatron-Pläne geschrieben hatte183, stimmte Rolf einer Aufnahme des Themas in das Buch zu. Fakt ist jedoch, laut Waloschek, dass Rolf und sein Team, Kollath, Schumann und Touschek, viel Zeit in die Planung dieser Maschine investiert haben müssen. Und er gibt an, dass Rolf ihm außer dieses eine Mal weder mehr über die große Maschine noch über anderes, das in Großostheim stattfinden sollte, erzählt habe. Darüber wunderte sich Waloschek, weil es sich seiner Meinung nach um ein Projekt handelte, das für Rolf mit viel Prestige verbunden war. Der Grund braucht jedoch nicht mystischer zu sein als die Frustration darüber, nach intensiven Planungen aufgeben zu müssen.

Waloschek hält es für unwahrscheinlich, dass die Luftwaffe zu dieser Zeit besonderes Interesse an langfristiger Grundlagenforschung innerhalb der Kernphysik oder an der Verbesserung medizinischer Apparaturen für Röntgenuntersuchungen oder die Krebsbehandlung hatte. Es muss also spezielle Gründe dafür gegeben haben, den zeitraubenden und komplizierten Bau eines derart großen Strahlentransformators zu unterstützen.

Eine andere Sache ist, dass Rolf später einsah, dass die 200-meV-Maschine für den medizinischen Gebrauch nicht die am besten geeignete war. Maschinen unter 50 meV reichten aus und waren faktisch die besten, zudem kleiner und preiswerter. Die Absicht hinter dem Bau einer großen Maschine war das Betreiben von Forschung auf dem Gebiet der Atom- und Kernphysik. Hier hatten jedoch andere Beschleuniger-Typen wie Zyklotrone und Synchrotrone mehr Erfolg. Das stimmt mit dem überein, was ein amerikanischer Experte später in einem offiziellen Bericht über die Entwicklung der Beschleuniger in Europa schrieb. Rolf kannte den Bericht und wies in Gesprächen mit Waloschek darauf hin. Der Autor war Physiker im U.S. Naval Research Laboratory in Washington D. C. und der im Januar 1947 veröffentlichte Bericht belegte, dass er die deutsche Betatron-Arbeit überraschend gut kannte. Er bezeichnete die 200-meV-Maschine als das wichtigste Betatron-Projekt Europas und meinte, die Widerøe-Gruppe sei ein Beweis für das hohe Niveau in Deutschland auf diesem Gebiet. Er schrieb auch direkt, dass „die Konstruktionspläne für diesen Apparat bei Brown Boveri in Mannheim unter Leitung von Rolf Widerøe und im Auftrag der Luftwaffe erstellt“ wurden. Er verglich sie mit der 100-meV-Maschine, die Kerst bei General Electric gebaut hatte, und kam zu dem Schluss, dass Rolfs Maschine „noch mehr äußerst interessante technische Details“ aufwies und dass er Spuren von Rolfs Erfahrung als Elektroingenieur erkennen würde.184

Warum kam es dann plötzlich zum Stillstand? Warum ging das Ganze nicht über die Planungsphase hinaus? Ist die Antwort möglicherweise, dass sie bereits im Frühjahr 1944 auf frischer Tat ertappt wurden, als britische Truppen in Heidelberg einmarschierten? Schließlich betrachteten die Alliierten diese Universitätsstadt als ein Zentrum der Kernphysik und Beschleuniger-Technologie. Es war der Ort, wo sie unter anderem Professor Bothe fanden, der sich für Betatrone interessierte, Kontakt zu Rolf suchte und der mit entsprechenden Plänen geliebäugelt hatte, sich während des Krieges aber dann, angefeuert von den Behörden, auf das Zyklotron konzentrierte – und den zu befragen Goudsmit von Alsos so schwer fiel, weil sie alte Bekannte waren. Heidelberg war auch eines der Milieus, auf die Rüstungsminister Albert Speer in späteren Verhören hinwies und sagte, er hätte dem Bau von Zyklotronen hohe Priorität eingeräumt.

Hier fand die 6th Army Group's T Section im April 1944 sowohl Dokumente als auch Personen, die zu Brown Boveri und I.G. Farben gehörten, beides wichtige Untersuchungsziele. In der Bibliothek der Universität errichteten sie ein eigenes Dokumentenzentrum, um all das Material zu kontrollieren, das dann kopiert und an verschiedene Geheimdienstorganisationen weitergeleitet wurde, inklusive denen, die Kriegsverbrechen untersuchten. Bei Schließung des Zentrums wurde ein Großteil der beschlagnahmten Unterlagen in die USA geschickt und dort von einer eigenen Abteilung im Pentagon bearbeitet. Später wurden die Originaldokumente an die National Archives in England übergeben.185

Es wäre auch nicht unnatürlich, wenn die Kriegshandlungen an sich Ursache für die Einstellung der 200-meV-Betatron-Pläne gewesen wären, was Rolf selbst sagt. Er kann es aber auch kleingeredet haben, weil er selbst den Glauben daran verloren hatte. Als Teil des Mottos, langfristige Ziele zu verfolgen und sich nicht von zweckfremden Aspekten, eingetroffenen Umständen und Erschwernissen düpieren zu lassen. Zumindest setzte er nach dem Krieg auf eine mittelgroße Maschine von 31 meV, eine Größe, die seiner Meinung nach für die Krebsbehandlung optimal war. Sie wurde zur Erfolgsmaschine schlechthin. „Das erste Betatron zur medizinischen Forschung“, wie Brown Boveris Internetzeitung sie bezeichnete.186 Lediglich Konkurrent Siemens stimmte dem vermutlich nicht zu.

Laut Professor Tor Brustad vom Osloer Radiumhospital hat die Erfahrung später gezeigt, dass mit Betatronen einer höheren Energie als um die 30 meV bei der Strahlentherapie von Krebspatienten wenig zu gewinnen war. Außerdem hatte die Radartechnologie eine gewaltige Entwicklung durchlaufen, vor allem in England, und damit konnte man kleine kompakte Linearbeschleuniger herstellen, die es erleichterten, die Strahlen auf einen bestimmten Bereich im Patienten zu lenken. In der kernphysikalischen Forschung wünschte man sich indessen Teilchenstrahlung mit weitaus höherer Energie als der bisher mit Betatronen erreichten. Mit anderen Worten: Die Epoche des klassischen mittelgroßen Betatrons war – sowohl in der Strahlentherapie als auch in der Kernphysik – zeitlich begrenzt.

Zyklotrone werden Betatrone

Es ist an der Zeit innezuhalten und sich die großen Entwicklungslinien des Wettlaufs auf diesem politisch und zum Teil von Spionen durchdrungenen Forschungsfeld anzusehen. Anfang des 20. Jahrhunderts begann mit den Arbeiten Rutherfords das Atomzeitalter. Dann präsentierte der Däne Niels Bohr seine Theorie über den Aufbau des Atoms. Es stellte sich heraus, dass Elektronen – unter sehr speziellen Voraussetzungen – Runde um Runde in einer Bahn herumgeschickt werden und hohe Energien erzeugen konnten. Möglich war das zum Beispiel in einem Zyklotron, womit in den 1930er Jahren viele experimentierten: Bohr in Kopenhagen, Joliot in Paris und Scherrer in Zürich. Während des Krieges fuhr Bothe in Deutschland damit fort.

Der wesentliche Unterschied zwischen einem Betatron und einem Zyklotron liegt in der Art der Beschleunigung der Elektronen. Es darf hier durchaus wiederholt werden: Das erste funktionsfähige Betatron wurde 1941 an der Universität in Illinois von Donald Kerst gebaut, das Konzept stammte jedoch von Rolf Widerøe aus den 1920er Jahren. Nachdem bekannt wurde, dass der Amerikaner Kerst ein funktionierendes Betatron konstruiert hatte und zusammen mit General Electric stärkere Versionen entwickeln wollte, sprang das Interesse schnell auf Europa über. In Norwegen stürzte sich Rolf – 13, 14 Jahre, nachdem er die Theorie darüber lanciert hatte – erneut in die Entwicklung von Betatronen. Der Deutsche Max Steenbeck hatte bereits in den 1930er Jahren erfolglos an einer ähnlichen Maschine gearbeitet. Nunmehr sprangen die besten Kernphysiker Deutschlands allesamt auf den Zug der Hochenergie-Problematik auf: Heisenberg, Bothe, Kopfermann, Kulenkampff, Kollath, Schmellenmeier.187 Auch in Japan war man aktiv, allen voran in Osaka und Tokio.188

Mit dem Bau von Betatronen war Rolf also nicht allein. Das Ziel lautete jedoch durchweg, der Erste und der Beste zu sein. Vor dem Krieg gab es in den USA um die 20 Betatrone, in Europa keines. 189 Nach Kriegsende hatte Europa zwei erfolgreiche Projekte vorzuweisen: Steenbeck und Gund mit ihrem 6-meV-Betatron für Siemens und Rolf mit seiner 15-meV-Maschine. Manch einer wollte sogar richtiggestellt wissen, dass eigentlich nur Rolf erfolgreich gewesen, nur sein Betatron ganz fertig geworden war.

Beides, Betatrone und Zyklotrone, sind Beschleuniger. Und in beiden Fällen bewegen sich die Elektronen wie in einem Karussell in einer runden Bahn. Bei Kriegsbeginn hatten sich die Namen der verschiedenen Teilchenbeschleuniger noch nicht etabliert, zudem waren die Übergänge zwischen den verschiedenen Apparaten gleitend, was eine Kategorisierung erschwerte. Eine chronologische Übersicht der wichtigsten Bezeichnungen, inklusive ihrer Urheber, sieht auf Deutsch und Englisch wie folgt aus:

Gund/Steenbeck: Elektronenschleuder / electron-centrifuge

Widerøe: Strahlentransformator / ray-transformator

Gans/Schmellenmeier: Rheotron / rheotron

Slepian: Röntgenröhre / x-ray tube

Kerst/Serber: Induktionsbeschleuniger / induction-accelerator

Kerst: Betatron – was nach und nach zur gebräuchlichen Bezeichnung aller Apparate wurde

Betatrone werden politisch

Apparate, die Elektronen beschleunigten, wurden sowohl für die Kernphysiker als auch für die Großindustrie, die zeigen wollte, wie weit sie technologisch gekommen war, zu Prestigeobjekten. Bei der Entwicklung schwangen auch große politische Ambitionen mit, wodurch es gegen Kriegsende leichter wurde, Geld dafür zu bekommen.190 Das galt auch für Projekte, die nicht von „entscheidender Bedeutung für den Krieg“ waren. Das wurde auf einer von Rüstungsminister Speer abgehaltenen Konferenz deutlich, auf der er über den Forschungsstatus informierte.191 Ein anwesender Siemens-Mitarbeiter fasste das später wie folgt zusammen:

„Ganz allgemein ist in der Aussprache dann die Erstellung der Zyklotrone als eine Renommeefrage für Deutschland bezeichnet worden, die auch während des Krieges mit allen zu Gebote stehenden Mitteln vorwärts getrieben werden müsste.“192

Vorangetrieben wurde das Ganze von den großen Wissenschaftlern, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts verstanden hatten, wie ein Atom aufgebaut ist. Die Betreffenden, Rutherford, Einstein und Bohr – und alle vor ihnen, die über das innerste Geheimnis der Materie nachgrübelten –, hatten weltweit die Labore mit einem neuen großen Thema versorgt. Dann erahnten einige langsam die Konsequenzen dessen, was stattfand. Dazu gehörten jedoch weder Politiker noch Militärs. 193 Im September begann der Krieg, und bereits einen Monat zuvor hatte Einstein seinen heute so berühmten Brief an Präsident Roosevelt geschrieben, in dem er vor den Fortschritten der Deutschen in der Atomphysik und dem, wozu diese führen konnten, warnte. Ein halbes Jahr zuvor war das deutsche Kriegsministerium auf die Möglichkeit der Herstellung einer Vernichtungswaffe hingewiesen worden.194 Die Physiker konsultierten den Reichsforschungsrat, um zu diskutieren, ob man eine „Uranmaschine“, einen Reaktor für den militärischen Einsatz, bauen könne. Das Uranprojekt wurde ins Leben gerufen, Heisenberg erhielt den „Einberufungsbefehl“, sich zu beteiligen, wenn auch nicht als Leiter – und somit war das deutsche Atomprojekt im Gange.

Die Forscher mussten nur erst herausfinden, wie sie die nicht ganz so kleine Aufgabe lösen sollten. Wie sich später herausstellen sollte, benötigten die Amerikaner fast sechs Jahre für den Bau ihrer Bombe, dabei waren sie wesentlich mehr Leute, viel besser organisiert, und sie investierten ungeheure Summen. Im Takt mit neuen Ergebnissen in der Atomforschung entwickelte sich nicht nur ein wissenschaftlicher Wettlauf, sondern auch ein militärischer. Mittels Atomspaltung konnten bisher ungeahnte Kräfte freigesetzt werden. Das Land, welches das auszunutzen wusste, würde allen überlegen sein – nur Tage nach dieser Erkenntnis war das deutsche Uranprojekt eine Tatsache.195 Frontfigur der Atomforschung war Werner Heisenberg, wobei die Spekulationen über seine Rolle noch immer andauern. Für einige war er der Mann der Nazis, für andere derjenige, der die Atombombe bewusst verzögerte. Nach zwei, drei Jahren beklagten sich jedoch die deutsche Forschung und die deutsche Industrie, dass das Engagement in der Physik weniger und nicht mehr geworden war, woraufhin nach Gegenmaßnahmen verlangt wurde.

Schließlich hatte der Kriegsminister den Reichsforschungsrat übernommen, damit die Kernphysik mehr Geld bekam und effektiver wurde. Der erste Leiter hatte versucht aufzuräumen, indem er ganz einfach sagte, man solle keine neuen Maßnahmen ergreifen, bevor die alten nicht abgeschlossen seien.196 Jedoch hatte er auf die Entwicklung neuer Zyklotrone ebenso wenig Einfluss wie auf die Betatron-Entwicklung.197 Unter Leitung seines weitaus mächtigeren Nachfolgers Gerlach sollte nun in Heidelberg unter Regie des Heereswaffenamtes (HWA), der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und AEG ein Riesen-Betatron gebaut werden. Zu den zentralen Personen des Rates gehörten weiterhin mehrere ehemalige und zukünftige Nobelpreisträger, unter anderem Otto Hahn in Berlin, Walther Bothe in Heidelberg und Werner Heisenberg in Leipzig.

Im Mai 1945 wurde Gerlach im Rahmen der Operation Alsos von der britischen und amerikanischen Armee in Frankreich und Belgien interniert. Ab Juli befand er sich im Zuge der Operation Epsilon zusammen mit Heisenberg und anderen in Farm Hall in England. In den 1950er Jahren wurde er Mitunterzeichner des Göttinger Manifests gegen Atomwaffen, einer taktischen Erklärung von 18 führenden Kernphysikern der ehemaligen BRD. Das war in einer Frühphase des Kalten Krieges und das erste Mal, dass deutsche Forscher gemeinsam die Verantwortung für politische Beschlüsse und deren Konsequenzen übernahmen.

Bomben und Raketen

Wenn es darum geht, die großen Linien des Forschungswettlaufs zu betrachten, gilt es auch zu wissen, was Kernforschung und was Beschleuniger-Forschung ist. Ende der 1930er Jahre war Deutschland in dem einen Bereich und die USA im anderen führend. Im Laufe des Krieges kehrte sich das um. Nicht-Physikern erscheinen die beiden Begriffe möglicherweise synonym – Missdeutungen sind somit nicht verwunderlich, daher anbei ein Schnellkurs für „Laien“:

Das eine: die Kernforschung

Fakt ist, dass Deutschland kurz vor dem Krieg der Atombombe näher war als irgendein anderes Land. Das Stichwort lautet Uranforschung. 1938 entdeckten der Chemiker Otto Hahn sowie die Physiker Lise Meitner und Otto Frisch die Kernspaltung.198 Durch die Bestrahlung von Uran mit Neutronen wird das Uran gespalten und Energie freigesetzt. Diese Entdeckung führte direkt zur Entwicklung von Kernwaffen, das heißt Atomwaffen. Mit dieser Entdeckung übernahm Deutschland in dem Forschungsbereich die Führung. Im Jahr darauf begann Deutschland den Weltkrieg und war anfangs, dank seiner militärischen und militärtechnologischen Überlegenheit, erfolgreich. Die Deutschen entwickelten ein übertriebenes Selbstbild, verfolgten die Forschung zur Kernspaltung jedoch nicht wirklich weiter und ließen sich diese Chance somit entgehen. Ganz im Gegensatz zu den USA, die sich Hahns Entdeckung ernsthaft zuwandten und die Atombombe entwickelten. Rolf war daran nicht beteiligt.

Das andere: die Beschleuniger-Forschung

Mit einem operativen Zyklotron 1933 (Lawrence) und einem Betatron 1941 (Kerst) befand sich die USA vor dem Krieg in diesem Bereich in einer gewissen Führungsposition gegenüber Deutschland. 1944/45 gelingt Rolf in Deutschland der Bau eines funktionsfähigen Betatrons. An der Beschleuniger-Forschung war Rolf also beteiligt.

Hitlers Verachtung für die Physik

Hitler selbst kam selten auf Physik zu sprechen. Für eine derart von Juden geprägte Wissenschaft hatte er nur Verachtung übrig. Zudem wurde ihm unterstellt, sich seine Meinung zur Kernforschung mittels Unterhaltungsromanen und nicht Fachexpertise zu bilden. Die Industrie hingegen, allen voran Siemens, AEG und I.G. Farben, wusste aus der Physik, die neue Märkte und Möglichkeiten eröffnete, Profit zu schlagen. Es tobte ein Krieg um Patente, und die Geschicktesten sicherten sich die Elite. Rolf war ein Teil der neuen Offensive und des sich politisch, industriell und forschungsmäßig entwickelnden Dramas. Bereits nach einem Jahr in Deutschland während des Krieges hatte er für Brown Boveri zehn Patente angemeldet, und es sollten noch viele mehr werden. Beschleuniger in allen Varianten – inklusive Betatronen und Zyklotronen sowie allem dazwischen – waren jetzt heiß begehrt. Dafür brauchte es die Industrie, und sie wiederum brauchte innovative Forscher. Die Nazi-Behörden beschafften das Geld. Zielführend in diesem Zusammenhang ist, nicht alle Motive, nicht jedes kleinste Detail zu hinterfragen, dafür ist das Thema zu groß und es haben sich bereits zu viele dazu geäußert. Der Punkt ist, dass Rolf von der Situation profitierte.

Die Umstände, unter denen Rolf während des Krieges die Genehmigung für seine Patente erhalten hat, sind laut Pedro Waloschek unklar. Ihm zufolge wurden die Patente offiziell auf Brown Boveri registriert. Sie wurden schließlich von den Alliierten beschlagnahmt und später zurückgegeben. Bekannt gemacht wurde das jedoch erst in den 1950er Jahren. Die offiziellen Dokumente diesbezüglich befinden sich nunmehr im Archiv des Deutschen Museums in München, als Teil der hinterlassenen Papiere von Rolfs Patentexperten Ernst Sommerfeld. Die Frage ist, ob Rolf sie ursprünglich auf das Unternehmen registrieren ließ oder zuerst in eigenem Namen und erst später Brown Boveri überließ. Denkbar ist auch, dass eine solche eventuelle Übertragung nach dem Krieg stattgefunden hat. Unabhängig davon wurden sie aber, so behauptet Waloschek, nach Aufforderung von Brown Boveri beantragt. Wie man es auch betrachtet: Die Firma ist Teil des Ganzen. Laut dem ehemaligen Leiter des Archivs, Norbert Lang, wurden von dem Unternehmen alle Patente Rolfs übernommen und sind nunmehr in Brown Boveris Patent-Katalog gelistet.199

Auch in menschlicher Hinsicht war der Forschungswettlauf brutal. Einer, der den Kampf nicht verkraftete, war der Konkurrent Konrad Gund, der von Siemens für die Fertigung von Betatronen angeheuerte Ingenieur. Das erste gelingt ihm, und 1946 soll dann in Göttingen noch eine kleine Maschine für die Medizin in Gebrauch genommen worden sein. Konrad Gund erhielt seinen Nobelpreis und wurde befördert. 1950 war die Maschine Teil der Weltausstellung in London und wurde der Königin Mutter präsentiert. Mit dem nächsten, einem 15-meV-Betatron – also derselben Stärke, die Rolf bereits während des Krieges realisiert hatte –, das noch tiefer liegende Krebsgeschwüre behandeln sollte, tat er sich jedoch schwer. Anfangs sah es vielversprechend aus, dann aber meldeten sich Probleme mit der keramischen Vakuumröhre, und das wiederholt. Die Technologie hielt mit Gunds Plänen nicht Schritt, und er wiederum wollte keine Kompromisse eingehen. Der Erwartungsdruck war groß. Tag und Nacht verbrachte er im Krankenhaus, wo die Montage der Maschine stattfand. Dann, an einem Tag im Mai 1953, als er auf dem Weg zu einer Konferenz in Amsterdam war, brach er die Reise ab und fuhr zurück. Ins Labor. Am nächsten Morgen wurde er tot neben dem Betatron gefunden. Der Röntgenexperte hatte Schlaftabletten genommen und das Gas aufgedreht. Nicht nur das, am Morgen darauf wurde seine Frau in der Küche gefunden. Sie hatte es ihrem Mann gleichgetan und das Gas aufgedreht. Einige Wochen später wurde das Problem mit dem Betatron gelöst. Gunds Schicksal jedoch ließ Rolf nicht unberührt.

Der Spion Scherrer

Obwohl die Schweiz im Krieg neutral gewesen war, wurden dortige Fabriken deutscher Eigentümer nach dem Krieg von den wissenschaftlichen Geheimdiensten der Alliierten genau überprüft. Nur einen Monat, bevor Rolf im März 1946 zu seiner ersten Besprechung mit der Leitung von Brown Boveri in die Schweiz kam, hatten zum Beispiel Techniker die Anlage in Baden aufgesucht und einen Bericht an BIOS (British Intelligence Objectives Sub-Committee) geliefert.200

Der für sein Zyklotron bekannte Schweizer Paul Scherrer hatte während des Krieges mit den Amerikanern und mit Alsos zusammengearbeitet. Er verfügte über ein enormes Kontaktnetz, und ab 1944 ließ er Informationen über deutsche Forschung und den Versuch deutscher Forscher, Kernwaffen zu entwickeln, an die USA durchsickern.201 Unter anderem stand er hinter einem Komplott, um Heisenberg zu einer Konferenz nach Zürich zu locken und dort den Alsos-Chef Goudsmit zu treffen. Heisenberg, mit dem OSS-Codenamen Christopher, war auf der Hut und teilte mit, nur zu kommen, wenn ganz sicher sei, dass nicht über Politik gesprochen werde, und wenn es sich lediglich um eine kleinere Versammlung handele. Er reiste an – und im Saal saß ein Mann mit Pistole und dem Befehl, wenn nötig, Heisenberg das Leben zu nehmen. Der Mann, Morris 'Moe' Berg, war bezüglich des Themas der Konferenz gedrillt und wusste, auf welche Worte er während des Vortrags achten musste, bevor er zuschlug. So weit kam es jedoch nicht. Vielleicht rettete Scherrer seinem alten Kollegen das Leben, indem es ihm gelang, die Amerikaner davon zu überzeugen, dass Heisenberg doch keine Gefahr darstelle, dass er keine Bombe bauen würde und dass er kein Nazi sei, wie er es anfangs geglaubt hatte.

Scherrer muss Rolf gekannt haben, denn nach dem Krieg gab er der Leitung von Brown Boveri den Tipp, sich den Norweger zu sichern. 1942 fasste der Vorstand von Brown Boveri einen Beschluss, wonach das Wichtigste, was das Unternehmen tun könne, um sich auf die Zeit nach dem Krieg vorzubereiten, die Aufrechterhaltung des technologischen Status seiner Produkte sei. Sich Rolf zu sichern, ist ein Beispiel dieses Bewusstseins. Man setzte auch auf die Tochterunternehmen. Diese genossen in Deutschland – im Verhältnis zur Mutterfirma in der Schweiz – eine durchaus unabhängige Stellung, und mehrere von ihnen hatten wiederum selbst Tochterfirmen. Das traf zum Beispiel auf die Fabrik in Mannheim mit ihren über 15.000 Angestellten zu. Im Übrigen waren, laut einem unabhängigen Schweizer Bericht, nur drei von neun Vorstandsmitgliedern von BBC Mannheim Nazis.

Auch die Rolle der neutralen Schweiz während des Krieges ist ein großes Thema, das noch immer untersucht wird. 2002 veröffentlichte eine unabhängige Expertenkommission einen Bericht über die Schweiz und den Nationalsozialismus. Darin wurde der Schluss gezogen, dass der Krieg für das Land noch immer ein schmerzhafter Punkt sei. Einen zentralen Teil des Berichts bildete die Haltung von Schweizer Industrieunternehmen zum Nationalsozialismus sowie ihre Art der Navigation im Feld zwischen dem Gutstellen mit NS-Funktionären, dem Fernhalten jeglicher politischer Involviertheit, dem Einsatz von Zwangsarbeitern, der Anstellung von Juden und der Behandlung von Holocaust-Opfern.202

Kurz gesagt: Überall, wo in Rolfs Arbeitsbereich etwas Spannendes passierte, war das Schweizer Unternehmen Brown Boveri mit von der Partie – vor, während und nach dem Krieg. Ab Juni 1940 war Rolf bei der norwegischen Tochtergesellschaft angestellt. Formal war er dort auch angestellt, als er während des Krieges für die Luftwaffe in Deutschland arbeitete. Von 1946 bis zu seiner Pensionierung war er am Stammsitz in der Schweiz tätig. Während des Krieges spielte Brown Boveris Mannheimer Tochterfirma eine aktive und verhältnismäßig selbstständige Rolle in der Betatron-Forschung. Auch die Mutterfirma aus der Schweiz war im Hintergrund aktiv, jedoch wollten die Deutschen so wenig wie möglich mit ihr zu tun haben. Hinter den Kulissen befand sich ebenfalls das norwegische Tochterunternehmen. Während des Krieges kam Brown Boveri eine zentrale, jedoch nicht die alleinige Stellung im europäischen Betatron-Bau zu. Die Konkurrenz war groß und auch Siemens und AEG wichtige Akteure. Die europäischen Unternehmen kämpften gegeneinander sowie gegen amerikanische Firmen wie General Electric und Westinghouse.

  • dass es ein ganzes Spinnennetz war

Dort, zwischen Brown Boveri und den Behörden, war Rolf – im Guten wie im Schlechten von beiden beschützt – von vielen Interessen umgeben. Die Industrie hatte ihre Agenda und die Forscher ihre eigene, der Krieg bestimmte die Tagesordnung und alle jonglierten so gut sie konnten. Damit entstand ein Sammelsurium aus genuin wissenschaftlichem Interesse, einem auf höchster Ebene geführten Technologiekampf zwischen Deutschland und Amerika, zwischen konkurrierenden Industriegiganten, vermischt mit Fanatismus, Naivität, blankem Unsinn, Propaganda, Idealismus und großpolitischer Strategie. Rolf war in ein von Forschern, Behörden, Nazi-Größen, Geheimdienstleuten, privaten Kleinbetrieben und der Großindustrie errichtetes Spinnennetz verwickelt, in dem jeder für sich seine Unternetzwerke, mehr oder weniger unwissende Solisten, echte Nazis und Quasi-Nazis, Agenten, Alliierte und Pseudoneutrale hatte.

Es gibt genug Erklärungen dafür, warum es kam, wie es kam. Weltpolitik und Big Science. Krieg. Wettlauf in Politik und Forschung. Stimulierende Konkurrenz und kollegiale Missgunst. Industriespionage. Militärspionage. Eine Extremsituation. Für den Einzelnen wie für die Gesellschaft. Rache, Frustration, Naivität, Verleugnung, Ratlosigkeit. All das gemixt mit einer guten Portion Zufall. Zwei, drei Generationen später kann festgestellt werden, dass der zeitliche Abstand hilft, die prinzipiellen Seiten klarer zu sehen, gleichzeitig aber, dass etwas ganz einfach weg ist – weil diejenigen, die es betrifft, nicht mehr da sind. Und weil nicht darüber gesprochen werden sollte.

Wer benutzte und wer benutzt wurde, ist nicht leicht auszumachen – und glücklicherweise auch nicht Thema dieses Buches. Hier geht es um das, was mehr oder weniger mit Rolf zu tun hatte. Das ist kompliziert genug. Nicht alle trugen Hüte, die weiß oder schwarz, um nicht zu sagen, braun waren. Und einige hatten gleich mehrere auf. Oder setzten den einen, den sie hatten, nicht auf und sorgten damit für Verwirrung. Sicher aber ist: Als „kriegswichtig“ definierte Forschung erhielt Geld. Rolf war in ein Umfeld von Personen hineingeraten, denen die Befugnis oblag, so etwas zu definieren, er machte jedoch nicht viel Aufhebens darum.

Heute können wir das Ganze von außen und mit Zugang zu einer Vielzahl an Berichten sowie der schließlich zugänglich gemachten Dokumentation betrachten. Geheimhaltungsklauseln wurden aufgehoben, der Eiserne Vorhang ist verschwunden und Beteiligte haben endlich ihre Geschichten erzählt. Heraus kam ein verwickeltes und nahezu dreidimensionales Netzwerk. Die Liste auf den nächsten Seiten kann überblättert werden, wurde jedoch aufgenommen, um die Komplexität der involvierten Personengalerie zu visualisieren. Pro Person sind jeweils zwei Punkte benannt, wobei der zweite immer auf die Verbindung des Betreffenden zu Rolf eingeht.

Nazi-Behörden bis hin zur höchsten Ebene im Bereich Forschung und Physik waren involviert:

Göring

  • Hermann Göring war Reichsmarschall und Chef der Luftwaffe. Unter Hitler war er die Nummer 2.

  • Göring wurde Präsident des Reichsforschungsrates, als dieser 1942 auf Initiative von Albert Speer umorganisiert wurde. Die Idee war, dass Göring den Forschungsrat mit derselben Disziplin und Effektivität leiten sollte, wie er bereits den Flugsektor steuerte. Die Forschung musste Fahrt aufnehmen, vor allem in den Bereichen Waffenentwicklung und Kernphysik. Bei dem Vermerk „kriegswichtig“ saß die Reichsmark locker. Hierfür brauchte er die Besten Europas, und Rolf war einer von ihnen.

Milch

  • Erhard Milch war Generalfeldmarschall und Generalluftfahrtinspekteur sowie einer der verlässlichsten und einflussreichsten Männer unter Göring. Er war jüdischer Abstammung.

  • Das sogenannte Todesstrahlen-Projekt von Schiebold, das später zu Rolfs Betatron-Projekt wurde, war von Milch in die Wege geleitet worden, der Schiebold persönlich kannte.

Speer

  • Albert Speer war ab 1942 Rüstungsminister mit nahezu unbegrenzten Vollmachten und Ressourcen innerhalb seines Bereichs.

  • Als T-Force ihn nach dem Krieg verhörte, sagte er, dass einiges an Atomforschung stattgefunden habe, praktisch jedoch nicht sonderlich viel dabei herausgekommen sei. „Sie brauchten noch zehn Jahre.“ Er verwies auf die von Heisenberg und Bothe203 geleitete Forschung und gab an, dem Bau zweier Zyklotrone in Heidelberg die höchste Priorität eingeräumt zu haben.204 Heisenberg empfahl Rolf, und Bothe zeigte Interesse an Rolfs Betatron sowie einer Zusammenarbeit.

Geist

  • Friedrich Geist war in Speers Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion Chef für Technische Forschung und Entwicklung – und Heisenberg zufolge Speers rechte Hand.

  • Rolf sah in Geist den für seine Arbeit offiziell Verantwortlichen. Geist war Mitglied des Rates für Schiebolds Forschungsstation Großostheim, in die Rolfs Projekt einging und nach und nach Schiebolds Wirken ablöste.

Dann waren da diejenigen mit guten Kontakten nach oben und weit in die Forschung hinein :

Gerlach

  • Walther Gerlach war Physikprofessor in München und zusammen mit Heisenberg einer der einflussreichsten Wissenschaftler im Uranprojekt. Er wurde von den Alliierten verhaftet und gehörte zu denen, die nach dem Krieg auf Farm Hall in England interniert und heimlich abgehört wurden.

  • Gerlach war der forschungspolitische Leiter der Physik-Abteilung des Reichsforschungsrates und verantwortlich für alles, was mit kernphysikalischer Forschung und Rolfs Betatron-Projekt zu tun hatte. Er hatte auch den Ratsvorsitz für die Forschungsstation Großostheim der Luftwaffe inne, wo ursprünglichen Plänen zufolge Rolfs 200-meV-Betatron gebaut werden sollte.

Schiebold

  • Ernst Schiebold war in Leipzig Professor für physikalisch-chemische Mineralogie und führte eine Methode zum Einsatz von Röntgenstrahlen zur Untersuchung von Metallen ein. Für diese Art der Materialtestung baute er ein Institut auf, das während des Krieges bombardiert wurde; aus den Resten der Instrumente errichtete er in Großostheim eine Forschungsanlage.

  • 1943 erhielt er durch Milch Geld von der Luftwaffe, um seine Idee von einer Röntgenstrahlenwaffe zu realisieren, die die Kampfflieger und Piloten des Feindes außer Gefecht setzen sollte. Für dieses „Todesstrahlen-Projekt“ wurde Rolf angestellt. Rolf zufolge begegnete er Schiebold einmal, und zwar zu Hause bei Hollnack. Die Wunderwaffe erwies sich als vollkommen unrealistisch, woraufhin der Bau im Jahr darauf gestoppt wurde. Das Vorhaben wurde in Form von Rolfs Betatron-Projekt fortgeführt.

Georgii

  • Walter Georgii war Professor für Meteorologie und Chef der Reichsstelle mit dem umständlichen Namen „Forschungsführung des Reichsministers der Luftfahrt und Oberbefehlshaber

der Luftwaffe“

  • Der Forschungsstandort Großostheim fiel in Georgiis Zuständigkeitsbereich. Er war es, der Schiebold per Brief über die Einstellung des Strahlenwaffenprojekts und die Fortsetzung von Rolfs Betatron-Projekt informierte. Zudem war er Mitglied des Rats für die Forschungsstation Großostheim, in die Rolfs Projekt einging.

Fennel

  • Kurt Fennel war Ingenieur und dabei, als am 17. April 1943 Schiebolds Todesstrahlen-Projekt beschlossen wurde. Er war Unterzeichner des Beschlussdokuments und einer der vier, die von Generalfeldmarschall Milch persönlich die Vollmacht erhielten, in Vertretung des Projekts aufzutreten. Die anderen drei waren Hollnack, Seifert und Schiebold.

  • Fennel war Mitglied des Rats für Schiebolds Forschungsstation Großostheim, in die Rolfs Projekt einging. Vermutlich war es Fennel, der am 15. Februar 1944 formell den Brief vom Reichsluftfahrtministerium entgegennahm, der über die Einstellung des Todesstrahlen-Projekts in Großostheim informierte. Bei dem Projekt war er der Vertreter der Behörden und nahm an vielen Sitzungen teil. Welche Funktion er jedoch eigentlich innehatte, ist schwer auszumachen.205

Egerer

  • Karl A. Egerer war Physiker und Chefredakteur der vom Springer Verlag in Berlin herausgegebenen wissenschaftlichen Zeitschrift Archiv für Elektrotechnik. Er war Mitglied des wissenschaftlichen Rats für die Forschungsstation der Luftwaffe Großostheim sowie Berater von Generalfeldmarschall Milch.

  • Egerers Zeitschrift veröffentlichte Rolfs Doktorarbeit und später mehrere seiner Artikel. Der im Frühjahr 1943 von Rolf eingesandte Beitrag wurde nicht gedruckt, dennoch war sein Inhalt jenen bekannt, die nach Norwegen kamen, um Rolf zu holen.

Hollnack

  • Theodor Hollnack hatte Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften studiert und sich zudem auf Organisation und Marketing spezialisiert. Er verfügte über enge Verbindungen zu den Nazi-Behörden sowie über ein großes Kontaktnetz innerhalb der Wirtschaft und akademischer Kreise.

  • Über seine halb öffentliche Firma war er für die Administration von Rolfs Betatron-Projekt in Deutschland verantwortlich und Bindeglied zwischen Rolf und dem Luftfahrtministerium. Hollnack oblag die praktische Ausbezahlung des Lohns der Luftwaffe an Rolf. Rolf war der Meinung, Hollnack sei Nazi. Gegen Ende des Krieges offenbarte er Rolf gegenüber seine Kontakte zu den Briten. Er war Mitglied des Rats für Schiebolds Forschungsstation Großostheim, in die Rolfs Projekt einging.

Seifert

  • Richard Seifert jr. war Doktor der Physik und Leiter der Firma Rich. Seifert & Co., die Ausrüstung für die Röntgenindustrie herstellte.

  • Seifert wurde zu einem persönlichen Freund Rolfs, und nach dem Krieg hielten die Familien den Kontakt aufrecht. Seifert war röntgentechnischer Berater in Hollnacks Firma. Er war auch mit Schiebold befreundet und technischer Leiter, zuerst für das Todesstrahlen-Projekt und dann für das Betatron-Projekt, wofür er bevollmächtigt war, in Vertretung des Reichsluftfahrtministeriums zu agieren.

Kratzenstein

  • Kratzenstein war Doktor der Physik. Sein Vorname war wahrscheinlich Hermann, möglicherweise aber auch Marius.

  • Hollnack bezeichnete ihn als „Initiator“ von Rolfs Luftwaffe-Projekt. Kratzenstein stellte den Kontakt zwischen Hollnack und Egerer her, der Rolf durch seinen Artikel für die Zeitschrift kannte, deren Redakteur er war. Wahrscheinlich war er einer von denen, die nach Oslo kamen, um Rolf nach Deutschland zu holen. Vermutlich hatte Kratzenstein jüdische Wurzeln. In einem Buch von 2004 über Deutsche, die dem Nationalsozialismus entgegenarbeiteten, ist Kratzenstein erwähnt.206

Die Widerøe-Gruppe mit drei Schlüsselpersonen :

Kollath

  • Rudolf Kollath hatte in Physik promoviert und im Aluminiumwerk in Sauda sowie im Forschungslabor von AEG in Berlin gearbeitet. Weil seine Frau jüdischer Herkunft war, hatte er in Nazi-Deutschland Probleme. Eine Anstellung an einer Universität oder in der Bürokratie war ihm verwehrt, weshalb er in der Industrie tätig sein oder „kriegswichtige“ Arbeit verrichten musste.

  • Kollath war eine der zentralen Personen in Rolfs Team in Hamburg und agierte als dessen Stellvertreter. Rolf beschrieb ihn als einen „guten Partner und Kollegen“. Als das Betatron im Frühjahr 1945 nach Kellinghusen/Wrist gebracht wurde, ging Kollath mit. In den ersten Wochen nach Kriegsende verfasste er mehrere ausführliche Fachberichte über das Betatron. Diese landeten in den Händen der Alliierten. Als das Betatron als Kriegsbeute nach England kam, hielt sich auch Kollath eine Zeit lang dort auf. Er und Rolf blieben auch nach dem Krieg in Kontakt.

Schumann

  • Gerhard Schumann hatte einen Doktor in Physik.

  • Zusammen mit Kollath und Touschek bildete Schumann den Kern von Rolfs Team. Als das Betatron im Frühjahr 1945 nach Kellinghusen/Wrist gebracht wurde, ging er mit.

Touschek

  • Bruno Touschek war ein begabter Mathematiker und Physikstudent aus Österreich. Wegen seiner jüdischen Mutter wurde er von Schulen und Universitäten verwiesen.

  • Im Alter von 22 Jahren wurde er Rolfs Assistent, rekrutiert von Egerer, der ihm anfangs eine Teilzeitstelle in der Firma gab, in der er selbst angestellt war, und später bei der Zeitschrift, deren Redakteur er war. Touschek wohnte bei Professor Lenz, wo Rolf ihm im August 1943 erstmals begegnete. Obwohl er sich nicht als Student registrieren lassen konnte, durfte er die Vorlesungen von Professor Jensen besuchen. Während seiner Tätigkeit für Rolf wurde Touschek sowohl von der Gestapo als auch von den Briten verhaftet. Nachdem er im Mai/Juni 1945 aus der Gefangenschaft entlassen wurde, ging er bei Familie Seifert in Kellinghusen in Deckung. Später wurde er in Italien ein anerkannter Beschleuniger-Physiker, was er zum Teil Rolf zu verdanken hatte, ebenso wie Rolf auch ihm einiges zu verdanken hatte.

Deutsche Physiker mit mehr oder weniger Verbindung zum Uranprojekt und Rolfs Projekt :

Heisenberg

  • Werner Heisenberg war einer der großen Physiker des 20. Jahrhunderts. Im Alter von 31 Jahren erhielt er den Nobelpreis und war eine der zentralen Figuren des deutschen Uranprojekts. Er war Professor in München und Mitglied des Reichsforschungsrats. Er wurde von den Alliierten verhaftet und gehörte zu denen, die nach dem Krieg in England interniert und heimlich abgehört wurden. Um Heisenberg ranken sich viele Mythen, und noch immer gibt es Spekulationen darüber, was er eigentlich über Hitler dachte.

  • Heisenberg soll es gewesen sein, der empfohlen hatte, Rolf nach Deutschland zu holen. Er war Mitglied des Rats für Schiebolds Forschungsstation Großostheim, in die Rolfs Projekt einging.

Bothe

  • Walther Bothe war Professor in Heidelberg, ein zentraler Akteur des Uranprojekts sowie Mitglied des Reichsforschungsrats. Zusammen mit seinem Assistenten Gentner erhielt er 1941 den Auftrag, für Brown Boveri ein Zyklotron zu bauen. Zu Speer sagte Bothe, die Maschine solle nur zum medizinischen und biologischen Gebrauch dienen. Bothe war Nazi-Gegner. Später erhielt er den Physik-Nobelpreis.

  • Bothe war einer der Kernforscher, die Rolf persönlich kennenlernte. Beide waren sie in der Entwicklung von Betatronen tätig. Er nahm Kontakt zu Rolf auf, um Ideen hinsichtlich des 200-meV-Betatrons auszutauschen. Er selbst arbeitete an einem 200-meV-Zyklotron. Zusammen mit seinem Kollegen Dänzer plante Bothe den Bau eines 10-meV-Betatrons.

Gentner

  • Wolfgang Gentner war Professor in Heidelberg und Mitglied des Uranprojekts.

  • Gentner war einer der deutschen Kernforscher, die Rolf während des Krieges persönlich kennenlernte. Er assistierte Bothe bei der Arbeit an einem von Brown Boveri beauftragten Zyklotron. Davor arbeitete er bei Joliot in Paris und Lawrence in Berkeley. Gentner war mit dem Spion Paul Rosbaud (Griffen) befreundet und im Geheimen ein überzeugter Antifaschist.207

Kulenkampff

  • Helmuth Kulenkampff hatte einen Doktor in Physik. Anerkannt war er für seine Arbeit mit Röntgenstrahlen sowie die Entwicklung von Betatronen.

  • Sowohl Kulenkampff als auch Rolf hatten das Recht, an Sitzungen des Rats für die Forschungsstation der Luftwaffe Großostheim teilzunehmen und dort Redebeiträge einzubringen. Nach einem Gespräch mit dem Ratsvorsitzenden alarmierte Kulenkampff den obersten Verantwortlichen für das Todesstrahlen-Projekt, Generalfeldmarschall Milch, dass Schiebolds Röntgenkanone jeglicher Realität entbehre. Damit bahnte er indirekt den Weg dafür, dass Rolfs Projekt zur Hauptaufgabe avancierte.

Lenz

  • Wilhelm Lenz war Physikprofessor und Direktor des Instituts für Theoretische Physik an der Universität Hamburg. Zusammen mit u. a. Otto Stern baute er das Institut zu einem Zentrum der Kernphysik aus.

  • Rolf lernte Lenz persönlich kennen, und Rolfs Assistent Touschek durfte bei Lenz wohnen.

Jensen

  • Johannes Hans Daniel Jensen war Professor in Hamburg und Nobelpreisträger. Er bezeichnete sich als Sozialist, jedoch wurde gemunkelt, dass er eigentlich Kommunist war. Nach dem Krieg ging er in die USA.

  • Jensen gehörte zu den Kernforschern, die Rolf während des Krieges persönlich kennenlernte. Die beiden begegneten einander erstmals bei Lenz zu Hause. Sowohl Jensen als auch Lenz ließen Rolfs Assistenten Touschek – dem als Jude der Zugang zur Universität verwehrt war – an ihren Vorlesungen teilnehmen, ohne dass dieser als Student registriert war.

Suess

  • Hans Eduard Suess war Chemiker und Kernphysiker. Er war am Institut für Physikalische Chemie der Universität Hamburg angestellt, wo er u. a. mit Jensen zusammenarbeitete. Während des Krieges war er als Berater der Deutschen in Sachen Schwerwasser-Produktion im norwegischen Kraftwerk Vemork tätig. Nach dem Krieg ging er in die USA, wo er Professor an der University of California wurde.

  • Rolf traf Suess erstmals zu Hause bei Lenz. Dem Norweger zufolge war Suess einer von denen, die sich ausdrücklich als Gegner Hitlers bezeichneten.208

Sommerfeld sr .

  • Arnold Sommerfeld war Professor der Theoretischen Physik in München und zählte zu den bedeutendsten Physikern seiner Zeit. Zusammen mit Heisenberg war er einer der Ersten, die begriffen, dass Schiebolds Röntgenkanone ein Fantasiegebilde war.

  • Wegen seiner Antifaschismus-Haltung verlor er seine Stelle und hielt sich während des Krieges in den USA auf, von wo aus er Rolf mit Informationen über die dortige Forschung versorgte.

Sommerfeld jr .

  • Ernst Sommerfeld, Ingenieur und Spezialist im Bereich Patentierung, war ein anerkannter Patentberater in Berlin und Sohn des Physikers Arnold Sommerfeld.

  • Sommerfeld jr. war mit Rolf eng befreundet und nahm sich im Zusammenhang mit Rolfs Patenten aller juristischen und formellen Aspekte an. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass er von den Nazi-Behörden überwacht wurde, wodurch diese vermutlich Einblick in Rolfs Arbeit erhielten.

Gund

  • Konrad Gund war Ingenieur und Röntgenspezialist. Er arbeitete an einem 6-meV-Betatron für Siemens sowie an einem von 25 meV, basierend auf den Ideen und Zeichnungen von Steenbeck.

  • Gund und Rolf waren „Kollegen“ und Konkurrenten. Beide erhielten für ihre Betatron-Projekte öffentliche Unterstützung von Nazi-Deutschland.

Steenbeck

  • Max Steenbeck war Professor der Physik und schrieb seine Doktorarbeit, während er in der Forschungsabteilung von Siemens tätig war. Bei Kriegsende wurde er von den Sowjetrussen verhaftet und nach Moskau gebracht, wo er beim russischen Atombomben-Projekt mitarbeitete und zum erklärten Kommunisten wurde. Später wurde er Professor in der DDR und nahm eine kritische Haltung zu seiner Vergangenheit bei Siemens ein.

  • Bereits zu der Zeit, als Rolf seine Doktorarbeit über das Betatron schrieb, hatte Steenbeck seine grundlegenden Ideen eines Zyklotrons – das heißt vor Lawrence – und sogar eine erste Skizze für ein Synchro-Zyklotron entwickelt. Rolf erkannte sich in Steenbeck vermutlich ein Stück weit wieder. Steenbeck arbeitete bei Siemens, zusammen mit Gund und später auch mit Kopfermann und Paul, an Betatron-Experimenten.

Kopfermann

  • Hans Kopfermann war Professor der Kernphysik und Mitglied des Uranprojekts. Gegen seinen Willen wurde er 1941 zum Dekan der Universität Kiel berufen, was ihn dazu zwang, Mitglied der NSDAP zu werden.

  • Paul und er arbeiteten in Göttingen lange an der Entwicklung eines eigenen Betatrons. Als sie jedoch von Gunds und Steenbecks Projekt für Siemens hörten, boten sie stattdessen ihre Assistenz dafür an. Die Siemens-Forscher waren die einzigen ernst zu nehmenden Konkurrenten für Rolf.

Paul

  • Wolfgang Paul war Professor in Bonn und arbeitete zusammen mit seinem Lehrer Kopfermann lange an der Entwicklung eines eigenen Betatrons. Beide schlossen sich später jedoch Gunds und Steenbecks Projekt bei Siemens an. Zusammen mit zwei Kollegen erhielt er den Nobelpreis.

  • Auf dem Gebiet der Betatrone waren Paul und Rolf „Kollegen“. In einer historischen Abhandlung über die Entwicklung der Beschleuniger-Forschung hob Paul zwei Forscher hervor, nämlich Rolf und Steenbeck, bei dem er später selbst arbeitete.

Einen wesentlichen Teil der Antriebskraft deutscher Forscher stellten ausländische Kernforscher dar :

Lawrence , USA

  • Ernest O. Lawrence erfand 1930 das Zyklotron.

  • Auf die Idee kam er durch das Studium der Skizzen und Gleichungen in Rolfs Doktorarbeit von 1927.

Kerst , USA

  • Donald Kerst gelang es 1941 als Erstem überhaupt, ein funktionsfähiges Betatron zu konstruieren.

  • Seine Grundlage war das in Rolfs Doktorarbeit von 1927 erläuterte Prinzip. Als Rolf davon erfuhr, nahm er seine Betatron-Forschung wieder auf, die er einige Jahre zugunsten von Relais für den Ausbau der Stromversorgung vernachlässigt hatte.

Bohr , Dänemark

  • Niels Bohr ist einer der berühmtesten Physiker des 20. Jahrhunderts und als Begründer der Quantenmechanik bekannt. Für sein Studium der Atomstruktur und der von Atomen ausgesandten Strahlung erhielt er 1922 den Nobelpreis. Einer seiner Studenten war Heisenberg. Bohr hatte einen jüdischen Hintergrund. Während des Krieges flüchtete er in die USA, wo er am Manhattan-Projekt beteiligt war.

  • Bohr war Schüler von Rolfs großem Inspirator, dem Engländer Rutherford, dem es gelang, einen Atomkern zu spalten, was den Beginn des Atomzeitalters einläutete. Der Däne bearbeitete das Thema als Theoretiker, Rolf als Praktiker.

Scherrer , Schweiz

  • Paul Scherrer war Kernphysiker und Professor der Experimentalphysik an der Hochschule in Zürich, wo er 40 Jahre lang unterrichtete. 1940 baute er das erste Schweizer Zyklotron. Er war auch an der Gründung des CERN-Labors beteiligt. Ab 1944 lieferte er Informationen über deutsche Forschung und den Versuch deutscher Forscher, Kernwaffen zu entwickeln, an die USA; unter anderem stand er hinter einem Komplott, für die Operation Alsos Heisenberg nach Zürich zu locken.209

  • Scherrer empfahl dem Eigentümer von Brown Boveri in der Schweiz, Rolf für sich zu gewinnen. Die drei trafen sich kurz vor Ostern 1946 in Baden, um Rolfs Anstellung am Firmenhauptsitz zu besprechen. Etwa zu der Zeit, als Scherrer seine Lehrtätigkeit an der Hochschule in Zürich beendete, begann Rolf dort Vorlesungen zu halten. Nach Scherrer wurde ein international anerkanntes Forschungsinstitut benannt, das Paul Scherrer Institut (PSI), das sich in der Nähe von Nussbaumen befindet, wo Rolf den Großteil seiner Zeit in der Schweiz lebte.

Auch die Großindustrie war mit forschungsintensiven internationalen Konzernen in den Kampf um den Beschleuniger-Bau involviert :

Brown Bover i

Brown Boveri spielte im Betatron-Wettlauf eine ganz spezielle Rolle, weil Rolf dort sowohl vor, während als auch nach dem Krieg angestellt war. Das Unternehmen war einverstanden mit dem Vertrag, der während des Krieges mit Rolf zur Forschung für die Luftwaffe geschlossen wurde. Mit Hauptsitz in der Schweiz hatte Brown Boveri Tochtergesellschaften in Deutschland und Norwegen. Der deutsche Ableger war stark in den geplanten Bau des 200-meV-Betatrons involviert, der in der firmeneigenen Fabrik in Mannheim erfolgen sollte. Nach dem Krieg hatte das Unternehmen mit seinen Betatronen, von denen Rolf fast 100 entwickelte, großen internationalen Erfolg.

Philips C . H . F . Mülle r

C.H.F. Müller war Teil der Philips-Gruppe. Die Firma entwickelte und produzierte Röntgenröhren sowie andere Röntgenausrüstung. Während des Krieges produzierte Müller unter anderem auch Tontechnik für den Unterwassereinsatz. Bei Kriegsbeginn hatte das Unternehmen 500 Angestellte. 20 von ihnen gehörten der Gruppe für Hochspannungsanlagen an, die für die Betatron-Arbeit zuständig war. 160 arbeiteten mit reiner Röntgenausrüstung und der Rest mit verschiedenen verwandten Technologien. Die Fabrik überstand die Bombenangriffe auf Hamburg weitestgehend unbeschadet, sodass die Ermittler der Alliierten die Ausrüstung im Frühjahr 1945 im Großen und Ganzen intakt vorfanden.210

Unter der Überschrift „Ultra Hochspannungs-Ausrüstung“ schrieben die CIOS-Ermittler in ihren Bericht: „C.H.F. Müller, die in Wrist unter der Leitung vom 'MV. Forschungs-Verein' / 'MV Research Association' tätig ist, vollendete zum Jahreswechsel ein 15-meV-Betatron.“211

Weiterhin ist erwähnt, dass die M.V. Research Association im Dezember 1944 Berechnungen und Zeichnungen für ein 200-meV-Betatron fertigstellte. Neben weiteren näheren Angaben findet sich das berechnete Gewicht von 30 t. Das große Betatron sollte bei Brown Boveri in Mannheim gebaut werden.212

In einem eigenen Kapitel über den medizinischen Einsatz des Betatrons wurde von der aufsehenerregenden Methode berichtet, die Krankenhäuser nunmehr nutzen konnten. Mit einfachen Worten wurde erklärt, wie Röntgenstrahlen zur Krebsbehandlung eingesetzt werden können, um die Krebszellen zu töten, ohne dabei die umliegenden gesunden Zellen zu stark zu belasten. Es ist erwähnt, wie diese Technik Ende der 1920er Jahre „entdeckt“, jedoch erst 1941 „bewiesen“ wurde, als es dem Amerikaner Kerst gelang, Rolfs Betatron-Theorie wirksam umzusetzen. Es gibt mit anderen Worten keinen Zweifel daran, dass die Geheimdienstoffiziere sich auf Rolfs Betatron-Projekt beziehen. Unzweifelhaft ist ebenfalls, dass sie dessen große Bedeutung für die Medizin verstehen.

Der Chef der Müller-Fabrik, Hans Ritz, war Elektrotechniker und eigentlich Spezialist auf einem ganz anderen Gebiet als Röntgenröhren. Er war einer der Vertrauten im Kreis um Schiebold, dem Mann mit der Idee einer Todesstrahlen-Waffe. Ritz war zuvor bei AEG angestellt, 1940 aber aus politischen Gründen zum Chef von C.H.F. Müller gemacht worden. Als Philips-Betrieb stand die Fabrik nämlich unter Zwangs- und Fremdverwaltung und war gezwungen, bestimmte Aufgaben mit Hilfe bestimmter Personen auszuführen. Einige Wochen nach dem Krieg erhielt Ritz, zusammen mit zwei anderen, auf Anordnung der Philips-Leitung die Kündigung. Grund war ihre aktive Mitgliedschaft in der NSDAP.

Ein ganz anderer Typ und wichtiger für die praktische Arbeit mit dem Betatron war Albert Kuntke, Leiter des Hochspannungslabors und ein Mann, den Rolf als sehr tüchtig beschrieben hat. Kuntke übernahm wichtige Präzisionsarbeit und hatte somit bedeutenden Anteil am erfolgreichen Bau des 15-meV-Betatrons. Rolf besuchte ihn mehrfach. Als Vertreter von Brown Boveri bezüglich der Pläne für das 200-meV-Betatron kamen, nahm Kuntke an Sitzungen und Betriebsbegehungen teil. Er war Lehrling bei Seifert gewesen und erhielt bei Müller schließlich die Gelegenheit, sich zum Ingenieur weiterzubilden. Kuntke gehörte zu jenen, die im Frühjahr und Sommer 1945 von wissenschaftlichen Geheimdienstmitarbeitern gründlich ausgefragt wurden. In einem zusammenfassenden Bericht von BIOS (British Intelligence Objectives Sub-Committee) steht: „Müller hatte in Zusammenarbeit mit einem Norweger ein 15-meV-Betatron gebaut“.

Dr. Werner Fehr war Röntgenspezialist und stellvertretender Leiter von Müller. Auch er gehörte zu jenen, mit denen Rolf viel zu tun hatte. Als er von den Briten, die die Anlage durchsuchten, ausgefragt wurde, gab er an, dass das Betatron etwas sei, „womit die Luftwaffe experimentierte, in der Hoffnung, einen Todesstrahl zum Einsatz in einer Flugabwehrrakete zu erschaffen“. Unklar aus welchem Grund, steht hinter dem Wort „Hoffnung“ in Klammern ein Fragezeichen.213

Rolf traf ihn später mehrfach und erwähnte speziell, dass Fehr ihm viele Jahre später ein Foto vom Hamburger Betatron schickte und ein interessantes kleines Heft über die Geschichte der C.H.F. Müller-Fabrik geschrieben habe.214

Fehr sowie einige Angestellte der Müller-Fabrik behaupteten im Nachhinein, Schiebolds Röntgenkanone von Beginn an als wenig realistisch eingestuft zu haben.215

In ihren Augen war Schiebold lediglich ein pompöses Original, das weit über das Ziel hinausschoss. Das Einzige, was das Projekt für sie interessant machte, war, dass es der Fabrik einen Auftrag mit hoher kriegswichtiger Priorität einbrachte. Müller war sehr eifrig, und obwohl die Zusammenarbeit mit Rolf weitestgehend gut verlief, kam es gegen Ende zu Misstönen.

General Electric (GE).

Der amerikanische Physiker Donald Kerst arbeitete mit General Electric zusammen. Nach seinen Spezifikationen hatte GE die Donut-förmige Glasröhre gebaut, die er in seinem ersten Betatron verwendete. Zusammen mit GE entwickelte er die Maschine weiter auf 20 meV sowie 100 meV: 1942 gelang Kerst der Bau seines zweiten Betatrons von 20 meV, und 1945 vollendete GE schließlich ein 100-meV-Betatron. In der Zwischenzeit war Kerst an die Universität von Illinois zurückgekehrt, wo er eine Modellmaschine von 80 meV und dann ein gigantisches Betatron von 300 meV baute. Es war die größte jemals konstruierte Maschine dieses Typs und galt als letzter Schritt in der Entwicklung von Betatronen.

Westinghouse.

In den USA war auch Westinghouse mit Joseph Slepian an dem Rennen beteiligt, das die Zyklotron- und Betatron-Entwicklung einleitete. Slepian nannte seinen Apparat 1922 bescheiden Röntgenröhre, englisch x-ray tube. Das norwegische Tochterunternehmen von Westinghouse, National Industrie, hatte 1937 Rolf in die Abteilung in Oslo geholt.

AE G

AEG ist ein großes Unternehmen im Elektrobereich mit ebenso langer Tradition wie Brown Boveri und spielte in der Entwicklung von Zyklotronen eine zentrale Rolle. Auf diesem Feld hatte das Unternehmen große Ambitionen und erhielt Aufträge von höchster Ebene. In Regie der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und AEG sollte ein Riesen-Zyklotron für das Uranprojekt gebaut werden. AEG steht für Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft.

AEG lieferte unter anderem Ausrüstung für Schiebolds Todesstrahlen-Projekt. Der technische Direktor des Widerøe-Projekts, Seifert, bestellte schließlich Glasröhren bei AEG, während diese anfangs noch von Müller stammten. Bei AEG war auch ein 20-meV-Betatron geplant, das jedoch nie realisiert wurde.216 Solange es möglich war, arbeitete AEG mit General Electric in den USA zusammen. Viele, die später sowohl bei Siemens als auch bei Brown Boveri eine wichtige Rolle in der Betatron-Forschung innehatten, kamen von AEG. Direkt nach seinem Studium hatte auch Rolf bei AEG gearbeitet, bevor er nach Norwegen zurückkehrte. Rolfs Stellvertreter Kollath wurde aus der Forschungsabteilung von AEG rekrutiert, allerdings waren die beiden nicht zur selben Zeit im Unternehmen tätig. In derselben Abteilung arbeitete Gans, bevor er von Siemens engagiert wurde, und auch der Chef der Müller-Fabrik, Hans Ritz, kam von AEG.

Siemen s

Auch Siemens war damals ein bedeutendes Unternehmen und, was Betatrone betraf, der Hauptherausforderer von Brown Boveri. In der Betatron-Forschung von Siemens waren Konrad Gund und Max Steenbeck sowie späterhin auch Wolfgang Paul und Hans Kopfermann tätig.

Sowohl Siemens als auch AEG und Brown Boveri kam das Interesse an Hochspannungsanlagen sehr gelegen. Diese war das Neueste auf dem Gebiet, und es galt sich zu behaupten. Selbstverständlich spielte es eine wichtige Rolle, dass die Forschung im Bereich Elektronenbeschleuniger als „kriegswichtig“ eingestuft wurde, nachdem in der ersten Kriegshälfte der Forschung zunehmend das Geld ausgegangen war und sowohl Physiker als auch Industrie sich nach neuen Finanzierungsquellen umsehen mussten. Walther Gerlach, der gegen Kriegsende zum Reichsbevollmächtigten für Kernphysik wurde, hatte Siemens zum Beispiel drei Betatron-Aufträge erteilt.,217

Als die Amerikaner zur Inspektion zu Siemens kamen, konstatierten sie, dass an zwei Betatronen gearbeitet worden war und dass es Pläne für ein etwas größeres gegeben hatte, entsprechend dem ersten von Rolf gefertigten mit 15 meV. Den Ermittlern gegenüber gab Siemens an, ihr Betatron-Interesse habe sich allein auf die Krebsbehandlung gerichtet.218 Beim Einmarsch der Amerikaner wurde eine kleine Maschine von 6 meV beschlagnahmt. Es war befohlen worden, sie zu zerstören, was Paul und Kopfermann durch ihre Kontakte zur britischen Militärregierung jedoch verhindern konnten.219

Der Theoretiker hinter den Siemens-Projekten, Max Steenbeck, sagte später: „Das Betatron war ganz sicher nicht 'kriegswichtig'.“ Seiner Meinung nach habe in diesem Bereich die Wirtschaft das Engagement diktiert. Da die Amerikaner auch am Betatron arbeiteten, mussten sich die Deutschen beeilen, um nach dem Krieg so schnell wie möglich in diesen Markt hineinzukommen; sie hatten keine Wahl, behauptete er.220

Rich . Seifert & Co

Die Firma Rich. Seifert & Co. war während des Krieges der größte Produzent industrieller Röntgenausrüstung in Deutschland, wobei die Firma auch Ausrüstung für den medizinischen Bereich herstellte. Seifert nutzte sowohl Siemens als auch Müller und AEG als Zulieferer für seine Produkte, stand mit diesen Firmen aber auch in Konkurrenz. Als der Betrieb 1945 vom amerikanischen Geheimdienst untersucht wurde, hatte er etwa 350 Angestellte. Neben dem Inhaber, Richard Seifert jr., wurden auch mehrere Angestellte befragt.221 Das Unternehmen existiert noch immer, wurde 2001 von Agfa aufgekauft und ist heute Teil des GE-Konzerns.

Das Unternehmen Rich. Seifert & Co. erfordert eine gesonderte Erwähnung. Die Firma lieferte nicht nur Ausrüstung, ihr Inhaber war zugleich auch Technischer Direktor von Schiebolds Todesstrahlen-Projekt und anschließend von Rolfs Betatron-Projekt. Und er stand auch auf der Gehaltsliste der Luftwaffe. Er war ausgebildeter Professor und hatte das gut geführte Unternehmen von seinem Vater übernommen. Zuvor war er als röntgentechnischer Berater in Hollnacks Firma tätig gewesen, und Rolf meinte, Hollnack habe die Verbindung hergestellt, obwohl er sich nicht mehr genau daran erinnerte, wie sie sich kennengelernt hatten.222 Seifert war auch ein Freund Schiebolds, und als letzterer den Behörden erstmals von seiner Idee einer Todesstrahlen-Waffe erzählte, erhielt er die Erlaubnis, das geheime Projekt seinem Freund Seifert gegenüber zu erwähnen, der aktiv in die Projektleitung hineingezogen wurde. Aber nicht nur das. Seifert hatte auch Verbindungen zum Reichsluftfahrtministerium. Als Brown Boveri der Auftrag für ein 200-meV-Betatron erteilt wurde, trat Seifert in Vertretung des Ministeriums auf. Er war also ein wichtiger Teil des Trios Hollnack – Schiebold – Seifert, also der drei Männer, die für Kontakte in das höhere Nazi-System verantwortlich waren und für Mittel und Vollmachten für Rolfs Betatron-Arbeit sorgten. Oder wie Rolf selbst es ausdrückte:

„Meine erste und wohl wichtigste Kontaktperson in Hamburg war Dr. Richard Seifert. (…) Seifert war ein sehr tüchtiger und ordentlicher Mensch, den ich sehr schätzte. Er hat mich in meiner sonderbaren Lage tatkräftig unterstützt.“223

Seifert galt als Nazi,224 worüber Rolf offenbar erhaben war, das Politische nicht gesehen oder darüber hinweggesehen hat. In beruflicher Hinsicht war er ein notwendiges Puzzlesteinchen, sowohl durch seine fachliche Kompetenz als auch durch seinen Status als Lieferant von Ausrüstung für Projekte der Luftwaffe. Seine Schlüsselrolle und die vielen Anknüpfungspunkte illustrieren, wie schwer es zu dieser Zeit war, Menschen zu „verorten“, d. h. sie mit einem Etikett zu versehen, denn einige hatten gleich mehrere und andere passten nirgends hinein. Selbst mit der heutigen Einsicht ist es schwer, das unübersichtliche Netzwerk zu entwirren. Und das verstärkt die Problematik nur: Während Rolf im Krieg vertraulich mit dem Nazi-Gegner Hans Suess sprach, war er gleichzeitig ein Leben lang mit Seifert befreundet.

Was aus Rolfs Mitarbeitern wurde

Nach dem Krieg hatte sich Rolf mehrfach dahingehend geäußert, dass er sich Gedanken über das Schicksal seiner ehemaligen Mitarbeiter in Deutschland mache, und er blieb mit mehreren von ihnen in Kontakt. Das galt auch für die Angestellten der Müller-Fabrik, die nicht darum gebeten hatten, in diese Situation zu geraten, und fachlich loyal mit ihm zusammengearbeitet hatten. Der Organisator Hollnack verschwand von der Bildfläche. Schiebold, der das Ganze mit seinen Todesstrahlen-Ideen in Gang gesetzt hatte, zog in die DDR, verlor aufgrund seiner politischen Vergangenheit eine erste Anstellung und erhielt letztendlich andernorts eine Professur. Der einflussreiche Forschungspolitiker unterschrieb zusammen mit anderen führenden deutschen Kernphysikern das „Göttinger Manifest“. Steenbeck von Siemens wurde Kommunist und landete zuerst in der Sowjetunion und dann in der DDR. Rolfs engste Mitarbeiter, Kollath und Schumann, setzten ihre Forscherkarrieren in der BRD fort und nahmen den Kontakt zu Rolf wieder auf. Dasselbe tat der Geschäftsmann und Freund Richard Seifert.

Dann war da der Assistent Touschek, der als Student mit jüdischen Wurzeln unter Rolf die Chance seines Lebens bekommen und über den er die ganze Zeit seine Hand gehalten hatte. Wenn Rolf später von seinen Mitarbeitern und Kontakten in dieser Zeit erzählte sollte, räumte er Touschek immer extra viel Raum ein, dem begabten, 1921 in Wien geborenen Jungen, der die weiterführende Schule beenden musste, weil seine Mutter Jüdin war. Nach dem Krieg wurde ihm eine Stelle in England angeboten, er aber entschied sich für Göttingen, wo er an der Installation des Siemens-Betatrons mitarbeitete, das jemand dorthin in Sicherheit gebracht hatte. Dann war er in Glasgow und ging in den 1950er Jahren nach Rom, wo er als theoretischer Physiker von sich reden machte. In Form eines Artikels mit der Überschrift „A stolen Nobel Prize!“ verfassten zehn seiner Kollegen eine Huldigung, in der sie behaupteten, dass Touschek den Nobelpreis eindeutig verdient habe.225 „Fachlich stark, zweifellos eine Begabung und äußerst amüsant“, lautete der Nachruf der Frascati-Universität auf ihn. Aber auch eine tragische Figur: Er wurde Alkoholiker und starb im Alter von 57 Jahren, nur wenige Monate nachdem er Professor geworden war. Rolf traf Touschek nach dem Krieg mehrfach, letztmalig 1975. Altersmäßig hätte Rolf sein Vater sein können. Die beiden hatten ein vertrautes Verhältnis, und die Zeit ihrer Zusammenarbeit war für beide wichtig.

Seit Rolf und er den Hintergrund der Geschichte über die kollidierenden Wolken diskutiert hatten, widmete sich Touschek der Kollisionsproblematik und ihm gelang es als weltweit Erstem, einen funktionsfähigen Speicherring herzustellen. Noch immer herrschte eine leichte, freundschaftlich gesinnte Rivalität zwischen den beiden, jedoch hatte der Lehrmeister Respekt vor seinem ehemaligen Assistenten und lobte ihn 1960 für den Durchbruch bezüglich der Speicherringe. Ganz zurückhalten konnte er sich allerdings nicht:

„Es war der erste Speicherring, der je funktioniert hat, also die erste praktische Anwendung meiner 1943 patentierten Ideen.“226

Noch immer wird mit Rolfs Ideen als Ausgangspunkt weitergeforscht. Weltweit werden im Internet Vorlesungen über die Bedeutung Rolfs und den Platz des Betatrons in der Wissenschaftsgeschichte veröffentlicht. Jedem neuen Jahrgang Physikstudenten werden hinsichtlich der Beschleuniger-Technologie die Entwicklungslinien, angefangen bei Rolfs ersten Thesen über die Erben, die auf seinen Theorien aufbauten, bis heute vermittelt. Erst 2011 veröffentlichten zwei italienische Physiker des Frascati-Labors neue Details über Rolfs Arbeit sowie die Zusammenarbeit mit seinem Assistenten. Grundlage boten den Forschern unter anderem erst kürzlich entdeckte Briefe, die Touschek während und kurz nach dem Krieg an seine Eltern geschrieben hatte.227

Jetzt folgt auch die Universität Oslo und will, dem Teknisk Ukeblad zufolge, basierend auf neu entwickelten Technologien Kompetenz auf dem Gebiet der Teilchenbeschleunigung aufbauen. Dabei verweist das Magazin auf das Paradoxe daran, dass es Norwegen an Kompetenz in diesem Bereich fehle:

„Norwegen hat starke Milieus in der Teilchenphysik, die um die Aktivität bei CERN gewachsen sind. Auf einem Feld sind wir jedoch schwach. Im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ländern verfügen wir in Sachen Beschleuniger nicht über viel Kompetenz. Etwas seltsam vielleicht, zumal wir historisch betrachtet über starke Traditionen im Bau selbiger verfügen.

Die Technologie wurde zuerst von dem Norweger Rolf Widerøe entwickelt, der seine bahnbrechenden Ergebnisse bereits 1928 veröffentlichte. Jetzt finden wir diese in allen Teilchenbeschleunigern weltweit, entweder verläuft der Strahl in einem Ring oder geradlinig.“228

Nicht nur Physiker, sondern auch Wissenschaftshistoriker, Lokalhistoriker und Hobbyforscher, vermischt mit einigen Scharlatanen und Fantasten, sind weiterhin aktiv und „erweitern“ dieses Netzwerk von Engagierten und Involvierten. Einige entdecken unbekannte Fäden, andere spinnen vorhandene weiter. Südöstlich von Frankfurt, in Großostheim, waren bis vor Kurzem die wildesten Gerüchte über das Mystische im Umlauf, das sich während des Krieges auf dem stillgelegten Fliegerhorst abgespielt haben soll. Dort gab es einen Bunker, dem sich niemand nähern durfte, der einigen zufolge als Konzentrationslager angedacht gewesen war. Andere meinten, hinter den meterdicken Mauern habe verdächtige Forschung stattgefunden. Nach dem Krieg wuchs die Neugierde mehr und mehr. Der von Mythen umwobene Bunker, in dem Strahlen hergestellt werden sollten und dem sich niemand nähern durfte, hat Experten und Hobbyhistoriker in dem kleinen Ort aktiviert. Sie haben sowohl die Geschichte über den Röntgenkanonen-Professor, der auf ihrem Fliegerhorst ein Labor errichten wollte, aufgedröselt als auch die über den Norweger, der einen Bruder in deutscher Gefangenschaft hatte und dort ein Riesen-Betatron bauen sollte. Ihrem Glauben nach hatte Schiebolds Halle im Frühjahr 1944 bereitgestanden, um ein Betatron aufzunehmen, das im Sommer aus der Müller-Fabrik in Hamburg kommen sollte. Dann aber war Schiebolds Arbeit ein Riegel vorgeschoben worden. Rolf hingegen durfte in Hamburg wie bisher mit seiner Arbeit fortfahren. Die Pläne für Großostheim waren grandios gewesen, wurden jedoch nie umgesetzt. Die Geschehnisse stellten den Ausgangspunkt für ein heutiges Museum dar. Die offenen Fragen, die lokale Kriegsgeschichte betreffend, wurden durch dokumentierte Fakten beantwortet, mühsam aus Archivmaterial, Zeitzeugenberichten und nicht zuletzt Pedro Waloscheks Buch über die Todesstrahlen zusammengesetzt.229

Aber nicht jedes Engagement führt zu ebenso seriösen Ergebnissen. Themen wie Kräfte, die man nicht sieht, von denen man aber weiß, dass sie da sind, bringen gern – weit über das Technologiemilieu hinaus – die Gedanken der Menschen in Schwung. Ist ein Thema an sich spektakulär und an der Grenze des Fassungsvermögens normaler Menschen, und steht es dann noch in Verbindung mit Dokumenten, die Stempel wie „Geheim“, „Secret“ oder „Heil Hitler“ tragen, lädt das in zweifelhaften Zusammenhängen auch zu Science-Fiction-artigen Erzählungen ein. Dort draußen gibt es eine ganze Industrie von Verschwörungstheorien, die durch das Interesse der Leute an diesem „Mehr“ zwischen Himmel und Erde Nahrung erhalten. Obwohl die Autoren mit Namen und Fakten um sich werfen, die in einigen Fällen richtig sind oder zumindest zuverlässig erscheinen, ist Information nicht immer das, wofür sie sich ausgibt. Schiebolds „Todesstrahlen“ haben hier selbstverständlich ihren Platz gefunden. Schlimmer ist, dass auch Rolf und das Betatron in das Sammelsurium aus Nazi-Okkultismus, möglichen Ufos und Vorstellungen von der Aufhebung der Schwerkraft hineingezogen wurden.

Die Spinne

Die Wirklichkeit um Rolf bedarf jedoch keines Aufbauschens. Seine Arbeit war an sich spannend genug. Hinzu kam der Wettlauf mit anderen Forschern, angefeuert von der Industrie, die überleben und Geld verdienen wollte, und den Behörden, die den Krieg gewinnen wollten. Zusätzlich dramatisch wurde es, weil einige an bestimmten Fäden zogen. Ein Hollnack. Ein Egerer. Sowie andere ihre jeweils eigene Agenda hatten. Konkret zeigt sich das in der Schwierigkeit zu wissen, welcher Interessengruppe viele der vorab aufgelisteten Personen angehörten.

Hollnack teilte den Briten seine Version mit. Diese muss nicht richtig sein, jedoch ist es schwer, ihn bei etwas Wesentlichem zu „ertappen“. Rolf teilte seine Version den Amerikanern mit. Auch die muss nicht objektiv korrekt sein. Aber so sah er es, jedenfalls schrieb er es so. Sein Stellvertreter, Kollath, schrieb gründliche Berichte an die Briten. Selbiges tat mit Friedensbeginn der neu ernannte Geschäftsführer. Von Besprechungen zwischen Brown Boveri, deutschen Behörden und Angehörigen des Widerøe-Projekts gibt es Berichte und persönliche Zusammenfassungen. Diejenigen, die sich auf alliierter Seite an den wissenschaftlichen Untersuchungen beteiligten, schickten ihre Berichte und Dokumente wechselseitig über den Atlantik.

Und nur weil Hollnack sich selbst eine übergeordnete Rolle zuteilte, muss nicht er es sein, der in dem Netzwerk die Fäden zog. Die wirkliche Spinne kann jemand ganz anderes gewesen sein. Der Zeitschriftenredakteur, der Rolfs letzten Artikel beschlagnahmte, Egerer, hat eine Schlüsselrolle inne, egal ob er steuerte oder gesteuert wurde. Das spekulativste Szenario ist, dass es der Spinne gelungen ist, sich im Verborgenen zu halten. Vielleicht Seifert, der zuverlässig überall zugegen war. Oder Kratzenstein, den Hollnack in seinem Bericht nur nebenbei erwähnt. Vielleicht sogar Fennel, der anfangs bei Besprechungen mit den Behörden immer dabei sein musste und dann von der Bildfläche verschwand, am Ende jedoch wieder auftauchte. Aber ist es wichtig zu wissen, wer die Spinne war, um das Umfeld zu verstehen, in dem Rolf sich befand? Nein. Der Punkt ist, dass es ein Netz war.

Kurz gesagt: Welchen Interessen die Einzelnen letztendlich dienten, ist schwer greifbar. Die Zusammenfassung dieses Kapitels passt weder in einen noch in zwei Abschnitte. Vielleicht lautet die langweilige Antwort, dass die meisten einfach versucht haben, in einer schweren Situation so gut wie möglich klarzukommen. Aber dann waren da die Prinzipien. Wenn sich das Heimatland im Krieg befindet, was wird da von einem verlangt? Rolf wusste vermutlich kaum selbst, wie viele Interessengruppen in sein Projekt involviert waren. Sein Fokus lag auf der Forschung. Dass er in einem ganzen Netzwerk festsaß, konnte er ahnen, jedoch unmöglich einen Überblick darüber haben. Und wusste er etwas, kümmerte er sich nicht darum, wollte es nicht erzählen. Oder er konnte es nicht. Immer diese Unsicherheit. Krieg ist Krieg.

Es konnte ihm selbstverständlich eine Ehre sein, dass faktisch Heisenberg ihn empfohlen hatte. Sofern er das wusste. Diejenigen, die ihn nach Deutschland brachten, hatten Kontakte bis ganz nach oben in der Hierarchie. Auch eine Ehre. Eine Art. Jedoch ist keineswegs sicher, ob er das wusste. Denn wie konnte er das wissen? Tja, der Auftrag kam schließlich von der Luftwaffe. Das Geld auch. Derjenige, der Job und Bezahlung vermittelte, hieß Hollnack. So viel wusste er. So viel sagte er. Aber es war mehr, viel mehr, was er nicht sagte.

Die gesamte Kernforschung in Deutschland während des Krieges ist in Mystik, Propaganda, Zweifel und Glaube gehüllt. Sie ist die Illustration dessen, dass dort, wo Fakten fehlen, Gerüchte entstehen. Und Angst. So wurde der Glaube erschaffen, dass derjenige, dem zuerst der Bau einer Atombombe gelang, den Krieg gewinnen würde. Sehr früh wussten die Alliierten mehr als die Deutschen – dass es auf deutscher Seite faktisch nicht so viel zu wissen gab. Allerdings wussten die Deutschen nicht, dass die Alliierten das wussten. Also verfolgten sie weiter den Plan, ihre ultimative Wunderwaffe zu finden, sollte die Atombombe nicht rechtzeitig fertig werden. Aber es war auch ein Wirtschaftskrieg, ein Industriekrieg – um Rechte, Patente, Lizenzen, um den Reingewinn nach dem Krieg, und dafür brauchte man die Besten.

In diesem Spiel auf dem Kriegsschauplatz der Welt sollte Rolf also zu einer Figur werden. Weil er zufällig gerade zum Thema der Zeit eine Idee hatte. Weil er sie als Student 1922 in ein dünnes Notizbuch mit karierten Seiten skizziert hatte. Und weil er an der Idee weiterarbeitete. Weiter und weiter. Weder nach rechts noch nach links schaute. Den Blick allein aufs Ziel gerichtet. So einfach und so kompliziert war das, und so kompliziert war Rolfs eigene Geschichte.

Nach ihm werden Physiker weiterhin die Möglichkeiten der Kernkraft erforschen. Alle Beschleuniger-Technologen der Welt werden weiterhin Grenzen herausfordern. Wissenschaftshistoriker, Politiker und der Großteil der Menschen werden vorwärts und rückwärts nach Zusammenhängen suchen. Das Leben aber wird nach vorn gelebt und muss von Tag zu Tag gemeistert werden, ohne in allen Richtungen Zusammenhänge zu sehen. Und je großartiger und je höher man spielt, desto gewaltiger sind die Konsequenzen. Für Rolf persönlich drehte es sich darum, mit den Folgen seiner Entscheidungen zu leben. So können alle anderen überlegen, was er über das Erlebte gesagt hat und was nicht, also warum er zum Beispiel nicht erzählt hat …

  • dass er beinahe sowohl von den Briten als auch von den Russen verhaftet worden war.

  • dass sein Projekt nach seiner Rückkehr nach Norwegen losgelöst von den Nazi-Behörden weiterexistierte.

  • dass er von der baldigen Begnadigung seines verhafteten Assistenten wusste.

  • dass er gewusst haben muss, welche SS-Offiziere ihn in Oslo aufgesucht haben.

  • dass der Physiker, der ihn im Gefängnis ausfragte, eine hohe Ebene des amerikanischen Geheimdienstes repräsentierte.

  • dass Brown Boveri die ganze Zeit über im Bilde war.

  • dass hinter seinem Projekt ein Sammelsurium aus Nationalsozialisten, Quasi-Nationalsozialisten, Hitler-Gegnern, Agenten und Alliierten steckte.

Denn einiges davon muss er gewusst haben. Wie viel, wird sein Geheimnis bleiben. Es war seine Entscheidung, dass es so sein soll. Damit muss auch das Umfeld leben. Und sein Nachruf muss Vorwürfe, Spekulationen, Verteidigungen und Fehldeutungen hinnehmen. Auch zur Atombombenforschung in Nazi-Deutschland gibt es trotz energischen Einsatzes kein endgültiges Fazit, und es ist wenig wahrscheinlich, dass die Wahrheit irgendwann gefunden wird. Egal, ob es sich um die Beschleuniger-Entwicklung oder Deutschlands Waffenprogramm während des Zweiten Weltkriegs handelt, raten Experten zu gesunder Skepsis und einem offenen Geist.230

***

Rolfs Entscheidung, nach Deutschland zu gehen, hatte ihren Preis, und diese Konsequenz nahm er an. Mit offenen Armen. Mit geradem Rücken und erhobenen Hauptes. Mit dem Blick weit nach vorn gerichtet. Quer durch das Landesverratsverfahren hindurch. Verhaftung, Bußgeld und Gerede der Leute. Für sein Handeln einstehen, was da auch komme. Auch die Ungewissheit darüber, was es mehr zu wissen gab, musste er hinnehmen. Ebenso die Verantwortung dafür, dass er nicht alles erzählte, was er wusste. Und dass die Leute deshalb dachten, was sie wollten. Was aber dachte er? Und warum setzte er sich all dem aus? Ach, wie gern ich das wüsste.

Anmerkungen

  1. 1.

    National Archives FO 1032/230. 3A: „Daten und Tätigkeit“ und 4A „Curriculum Vitae“ (englische Übersetzung), gesandt an T-Force 1. Februar 1946.

  2. 2.

    National Archives FO 1032/230. 3A: „Daten und Tätigkeit“ und 4A „Curriculum Vitae“ (englische Übersetzung), gesandt an T-Force 1. Februar 1946.

  3. 3.

    Biografie, S. 80.

  4. 4.

    Alsos, „Visit to Wideröe in Oslo. July 1945. Hauptm. G. Randers“, Dokument „Bericht über die historisch-organisatorische Entwicklung“, geschrieben von Theodor Hollnack, Pkt. „Vorgeschichte“, 9. Juni 1945, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics.

  5. 5.

    Alsos, „Visit to Wideröe in Oslo. July 1945. Hauptm. G. Randers“, Dokument „Bericht über die historisch-organisatorische Entwicklung“, geschrieben von Theodor Hollnack, Pkt. „Vorgeschichte“, 9. Juni 1945, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics.

  6. 6.

    Irving, David: „The Rise and Fall of the Luftwaffe. The Life of Field Marshal Erhard Milch“, Focal point, 14 Total War, Februar–März 1943, S. 226–227.

  7. 7.

    Pedro Waloschek: Todesstrahlen, S. 65.

  8. 8.

    Waloschek, Siebold E. „Niederschrift über die Besprechung Seifert-Fennel-Schiebold vom 17. April 1943“ in Hamburg, NES: #75 bis 77.

  9. 9.

    Waloschek: Todesstrahlen.

  10. 10.

    Waloschek: Todesstrahlen.

  11. 11.

    „Schiebolds braune Sciencefiction“, Leipziger Volkszeitung 16./17. April 2004, Besprechung von Pedro Waloscheks Buch „Todesstrahlen als Lebensretter“.

  12. 12.

    Waloschek: Todesstrahlen.

  13. 13.

    Waloschek: Todesstrahlen.

  14. 14.

    Bonolis, L. und G. Pancheri: „Bruno Touschek: particle physicist and father of the e +e-collider“, in: The European Physical Journal H, Vol. 36, S. 1–61 (2011). Für den Artikel wurde eine Reihe bisher unveröffentlichter und bis dato unbekannter Dokumente verwendet, darunter eine frühe Korrespondenz mit Arnold Sommerfeld sowie Bruno Touscheks Briefe an seine Eltern in Wien, die er aus Italien, Deutschland und Großbritannien schickte. Der Brief an seinen Vater ist auf den 17. November 1945 datiert. Hier aus dem Norwegischen übersetzt.

  15. 15.

    Waloschek: Todesstrahlen.

  16. 16.

    Pedro Waloschek, der für sein Buch über Schiebolds Strahlenprojekt mit mehreren früheren Angestellten gesprochen hatte, in einem Gespräch in Verbindung mit diesem Buch.

  17. 17.

    Bonolis, L. und G. Pancheri: „Bruno Touschek: particle physicist and father of the e +e-collider“, in: The European Physical Journal H, Vol. 36, S. 1–61 (2011). Für den Artikel wurde eine Reihe bisher unveröffentlichter und bis dato unbekannter Dokumente verwendet, darunter eine frühe Korrespondenz mit Arnold Sommerfeld sowie Bruno Touscheks Briefe an seine Eltern in Wien, die er aus Italien, Deutschland und Großbritannien schickte. Der Brief an seinen Vater ist auf den 17. November 1945 datiert. Hier aus dem Norwegischen übersetzt.

  18. 18.

    ETH-Bibliothek Zürich HS 903:203, Brief von Touschek an Widerøe, 29. März 1946.

  19. 19.

    ETH-Bibliothek Zürich HS 903:28, Kollath: „Bericht über die Arbeiten am Betatron in Wrist für die Zeit von Mitte November bis Mitte Dezember 1945“, MV-Forschungs-Vereinigung, Wrist 11.12.1945.

  20. 20.

    National Archives FO 1032/230. 3A: „Daten und Tätigkeit“ und 4A „Curriculum Vitae“ (englische Übersetzung), gesandt an T-Force 1. Februar 1946.

  21. 21.

    AB 12/4ACAE Nuclear Physics Sub-Committee Accelerating Systems Panel: 1945–46.

  22. 22.

    British Army Of the Rhine (BAOR) war der neue Name des ehemaligen Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force (SHAEF), geleitet von Feldmarschall Montgomery und im Juli 1943 in London gegründet. SHAEF bestand hauptsächlich aus britischen und kanadischen Soldaten und trug die Verantwortung für die „Operation Overlord“, der Codename des übergeordneten Plans für die Befreiung von Nordwesteuropa, die mit dem D-Day und der Invasion in der Normandie begann. Von Juni 1944 bis Friedensbeginn trug die Gruppe den Namen 21st Army Group und war in Nordfrankreich, Luxemburg, Belgien, den Niederlanden und Deutschland aktiv. Mit Friedensbeginn wurde die Gruppe in BAOR umbenannt und hieß so während der Zeit des Kalten Krieges. (In einigen Ländern ist Feldmarschall der höchste militärische Rang, noch über dem General. In Deutschland und einigen anderen Ländern entspricht er dem Rang des Generalfeldmarschalls.)

  23. 23.

    National Archives FO 1032/230. Betreff: Hollnack. 7A: 20. Febr 1946. An Brigadier C.F.C. Spedding. Geschrieben von Colonel F. Read, Mil. Gov. Econ 4 (Research), Block L, Mudra Barracks, Minden, B.A.O.R.

  24. 24.

    Alle Dokumente in den National Archives haben eine dreiteilige Referenznummer, bestehend aus einem Abteilungscode, zum Beispiel „WO“ für „War Office“, einen normalerweise dreiziffrigen Kategoriencode sowie eine vier- oder fünfziffrige individuelle Nummer. Bei älteren Dokumenten kann die Anzahl der Ziffern abweichen.

  25. 25.

    National Archives FO 1032/230. 3A: „Daten und Tätigkeit“ und 4A „Curriculum Vitae“ (englische Übersetzung), gesandt an T-Force 1. Februar 1946. 2A: Translation. 6. Februar 1946. Sign Econ. 5A: Translation. 7. Februar 1946. Chief Interpreter. 5B: Coverark 7. Februar 1946.

  26. 26.

    Bonolis, L. und G. Pancheri: „Bruno Touschek: particle physicist and father of the e + e-collider“, in: The European Physical Journal H, Vol. 36, S. 1–61 (2011). Für den Artikel wurde eine Reihe bisher unveröffentlichter und bis dato unbekannter Dokumente verwendet, darunter eine frühe Korrespondenz mit Arnold Sommerfeld sowie Bruno Touscheks Briefe an seine Eltern in Wien, die er aus Italien, Deutschland und Großbritannien schickte. Der Brief an seinen Vater ist auf den 17. November 1945 datiert. Hier aus dem Norwegischen übersetzt.

  27. 27.

    National Archives FO 1032/230 Hollnack: 7A: 20. Februar 1946. An: Brigadier C.F.C. Spedding. Geschrieben von Colonel F. Read, Mil. Gov. Econ 4 (Research), Block L, Mudra Barracks, Minden, B.A.O.R. Bericht Besuch in Hamburg 28. Januar und 4. Februar 1946.

  28. 28.

    National Archives FO 1032/230 Hollnack. 6A: Brief an Read. Betreff: Mr. Hollnack. 25.2.1946. Von Major Coleman, ASO, Hamburg. FO 1032/230 Hollnack. 6B deutsch. (Englisch nicht nummeriert): An Read. Brief. Geschrieben in Kellinghusen, 18. Februar 1946, von Hollnack.

  29. 29.

    National Archives FO 1032/230 Hollnack. 8A: An Coleman. Von Read. 20.3.1946. Zur Beachtung von Major Coleman. Geschrieben von F. Read, Controller, Research Branch.

  30. 30.

    Briefe von Touschek an Widerøe, 29. März 1946, ETH-Bibliothek Zürich HS 903:203; 20. Mai 1946 Hs 903:205; 28. September 1946 Hs 903:212; 19. November 1946 Hs 903:207; 6. April 1947 Hs 903:215. Briefe von Kollath in Wrist/Kellinghusen/Hamburg an Widerøe, 30. März 1946, ETH-Bibliothek Zürich Hs 903:119; 30. Mai 1946 Hs 903:120; 14. Juli 1946 Hs 903:124; 20. Juli 1946 Hs 903:126; 21. Juli 1946 Hs 903:127; 29. August 1946 Hs 903:130; 4. September 1946 Hs 903:129. Brief von Widerøe an Kollath, 16. September 1946, ETH-Bibliothek Zürich Hs 903:131Brief von Meyer-Delius von BBC an Widerøe, 7. August 1947, ETH-Bibliothek Zürich Hs 903:234. Briefe von Kollath in London an Widerøe, 1947–1948, ETH-Bibliothek Zürich Hs 903:138–160. Briefe von Kollath in Hamburg an Widerøe, 1951–1953, ETH-Bibliothek Zürich Hs 903:408–432. Brief von Widerøe an Sommerfeld, 14. Juni 1952, ETH-Bibliothek Zürich Hs 903: 508. Brief von Sommerfeld an Widerøe, 17. Juni 1952, ETH-Bibliothek Zürich Hs 903: 509. Briefe von Seifert an Widerøe, 1951–1953, Hs 903:486–504. Briefe von Wolfgang Gentner an Widerøe, 1950–1953, ETH-Bibliothek Zürich Hs 903:346–352.

  31. 31.

    In der Biografie (S. 96) steht, dass Kollath um den Jahreswechsel 1945/46 dem Betatron nach London folgte. Das passt jedoch nicht zu den Angaben in den Briefen von Kollath an Widerøe im Zeitraum 1946–1948.

  32. 32.

    National Archives FO 1032/230 Hollnack. 9 C: Anlage 1: 3. Juli 1946. Geschrieben von Major A. Battegal für Lt.Col. 16 (Hamburg) Int. Office: Theodor Hollnack – to whom it may concern.

  33. 33.

    National Archives FO 1032/230 Hollnack. 9 C: Anlage 2: 25. Juli Brief von Major Wallis an Dr.-Ing. R. Kollath, Hamburg-Fuhlsbüttel, Erdkampsweg 16.

  34. 34.

    National Archives FO 1032/230 Hollnack. 9B: An Read von Hollnack, deutsche Version, 20.10.1946, auf Hollnacks eigenem Briefpapier FO 1032/230 Hollnack. 9A: An Read von Hollnack, englische Version, 22.10.1946, ebenfalls auf Hollnacks eigenem Briefpapier. (Bedeutet das, dass er die englische Version selbst verfasst hat?) Auf der englischen Version ist zudem per Hand ganz oben auf das Blatt der Name „Groves“ geschrieben worden. Das kann ein Zufall sein, jedoch war Leslie Groves der Name des Leiters des amerikanischen Manhattan-Projekts, in dessen Rahmen die erste Atombombe entwickelt wurde.

  35. 35.

    National Archives FO 1032/230 Hollnack. An Hollnack. Betreff: Graded Scientists. 12. April 1948. Unterzeichnet: Barnes.

  36. 36.

    National Archives FO 171/5211: „T-Force Intelligence summary for period 2. May–10. May 1945“.

  37. 37.

    Brief 22. Juni 1945.

  38. 38.

    ETH-Bibliothek Zürich HS 903:203 Touschek in Briefen an Widerøe, 29.3.1946 und 20.5.1946.

  39. 39.

    Mappe mit dem Vermerk „Alsos“ (Material gesammelt von Hauptmann Gunnar Randers), in Niels Bohr Archives, American Institute of Physics. „Visit to Wideröe in Oslo. July 1945. Hauptm. G. Randers“.

  40. 40.

    Der Brief war datiert auf Kellinghusen, 9. Juni 1945, und formal gerichtet an „T-Force, 2. Britische Armee, Hamburg“.

  41. 41.

    Niels Bohr Archives, American Institute of Physics: „Protokoll 'MV-Forschungs-Vereinigung' / 'MV-Research-Association'“, Alsos/Hauptm. G. Randers: „Re: B etatron for further evaluation“.

  42. 42.

    Neben Rolfs engsten Mitarbeitern werden benannt: Schulz (Werkstattleiter), Flegel (Laboringenieur), Frau Gärtke (Büromitarbeiterin), Frl. Goos (Laborassistentin), Rümling (Mechaniker), Luhn (Mechaniker), Frl. Lindemann und Walter (Feinmechanikerinnen). (Die vier Letztgenannten sind als Mitarbeiter Seiferts aufgeführt.) Geschäftsführer ist Dipl.-Ing. Werner Bartelt. In der administrativen Leitung sind im Übrigen aufgelistet: Januszak, Köchig, Frl. Borchedt, Frl. Lochmann, Frl. Lucas und Klein(?) (undeutlich). Zudem hat Hollnack ein eigenes Sekretariat, das aus Frl. Blome, Kirchner, Frl. Bernhardt, Overbeek und Helffenbein/Meier/Vrana besteht.

  43. 43.

    Niels Bohr Archives, American Institute of Physics, Anlagen I-1-2, Alsos/Hauptm. G. Randers: „Re: Betatron for further evaluation“.

  44. 44.

    Niels Bohr Archives, American Institute of Physics, „Nr 1. Bericht“, Alsos/Hauptm. G. Randers: „Re: Betatron for further evaluation“.

  45. 45.

    Niels Bohr Archives, American Institute of Physics: „Bericht über die historisch-organisatorische Entwicklung des Entwicklungsvorhabens Dr. Wideroe, Oslo, in Deutschland“. „Protokoll“ (Gründungsprotokoll mit 13 Anlagen). „Tätigkeitsbericht und Programm für die Weiterarbeit der 'MV-Forschungs-Vereinigung’ /’MV-Research-Association'. Bericht über den Stahlentransformatornach Dr. Wideröe“. „Für die in der 'AV-Forschungs-Vereinigung' betriebene Entwicklung sind und waren folgende Mitarbeiter tätig“ (Mitarbeiterliste). Alle Dokumente befinden sich in der Alsos-Mappe, Hauptm. G. Randers: „Re: Betatron for further evaluation“.

  46. 46.

    Niels Bohr Archives, American Institute of Physics, „Beschlussfassung“, Alsos/Hauptm. G. Randers: „Re: Betatron for further evaluation“.

  47. 47.

    Gleichlautender Brief an Prof. Dr. Heisenberg und Prof. Dr. Bothe, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics, Alsos/Hauptm. G. Randers: „Re: Betatron for further evaluation“, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics.

  48. 48.

    Brief mit der Einladung zur Zusammenarbeit, gesandt an zehn Professoren, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics, Alsos/Hauptm. G. Randers: „Re: Betatron for further evaluation“. Thomas Powers: Heisenberg’s War, 1993.

  49. 49.

    Niels Bohr Archives, American Institute of Physics, „Anlagen II-1-11“ und „II-1-12“, Alsos/Hauptm. G. Randers: „Re: Betatron for further evaluation“.

  50. 50.

    Niels Bohr Archives, American Institute of Physics, „Einladung eines englischen Wissenschaftlers des einschlägigen Gebietes zur Mitarbeit“ (Prof. Dr. Braggs), Alsos/Hauptm. G. Randers: „Re: Betatron for further evaluation“.

  51. 51.

    ETH-Bibliothek Zürich HS 903:203 Touschek in Briefen an Widerøe, 29.3.1946 und 20.5.1946. Bonolis, L. und G. Pancheri: „Bruno Touschek: particle physicist and father of the e+e-collider“, in: The European Physical Journal H, Vol. 36, S. 1–61 (2011). Für den Artikel wurde eine Reihe bisher unveröffentlichter und bis dato unbekannter Dokumente verwendet, darunter eine frühe Korrespondenz mit Arnold Sommerfeld sowie Bruno Touscheks Briefe an seine Eltern in Wien, die er aus Italien, Deutschland und Großbritannien schickte. Der Brief an seinen Vater ist auf den 17. November 1945 datiert. Hier aus dem Norwegischen übersetzt.

  52. 52.

    „Moonraker“, 1955.

  53. 53.

    Sean Longdens T-Force. „The Race for Nazi War Secrets“, 1945. Constable London. 2009. „How T-Force abducted Germany's best brains for Britain“ von Ian Cobain. The Guardian, 29. August 2007. „How Britain put Nazis’ top men to work“ von Stewart Payne. The Telegraph, 30. August 2007. Tom Bower: „The Paperclip Conspiracy: The Hunt for the Nazi Scientists“, Little, Brown, 1987.

  54. 54.

    T-Force-Einheiten wurden an drei „army groups“ an der Westfront angebunden: Sixth United States Army Group, 21st Army Group und 12th Army Group.

  55. 55.

    The 6860th Headquarters Detachment Intelligence Assault Force (im Internet).

  56. 56.

    Tom Bower: The Paperclip Conspiracy: The Hunt for the Nazi Scientists, Little, Brown, 1987.

  57. 57.

    Ian Cobain, The Guardian, 29. August 2007.

  58. 58.

    Bruno Touschek im Brief an Geheimrat Prof. Dr. A. Sommerfeld, 28. September 1945.

  59. 59.

    Bonolis, L. und G. Pancheri: „Bruno Touschek: particle physicist and father of the e+e-collider“, in: The European Physical Journal H, Vol. 36, S. 1–61 (2011). Für den Artikel wurde eine Reihe bisher unveröffentlichter und bis dato unbekannter Dokumente verwendet, darunter eine frühe Korrespondenz mit Arnold Sommerfeld sowie Bruno Touscheks Briefe an seine Eltern in Wien, die er aus Italien, Deutschland und Großbritannien schickte. Der Brief an seinen Vater ist auf den 17. November 1945 datiert. Hier aus dem Norwegischen übersetzt.

  60. 60.

    The National Archives: WO 171 / 5211: „T-Force Intelligence Summary for period 2. May–10. May 1945“. Geschlossen bis 2046. Aufgehoben. 620/1. 5th British Kings Regt. Pkt 1.

  61. 61.

    Interviewt wurden Otto Gundermann (Verwalter/Leiter?) und Dr. Ritz (Forschungsdirektor). Personen, die interviewt werden sollen, sind Deert Jacobs (Forschungsdirektor), Alfred Kun(t)ke (Hochvoltphysiker) und Dr. Müller (Elektronen-Optik).

  62. 62.

    6. Mai 1945: Radioröhrenexperten F/Lt. F.R. Holt M.A.P. und Hauptmann W.H. Horner R.A.; 7. Mai: Maj. J.H. Arthur, U.S. Sig Corps; Lt/Com De Baun U.S.N.; F/Lt. E.R. Holt M.A.P., Lt L. Strauss U.S.N.R.

  63. 63.

    Evaluationsbericht 53 (b): 18. Juni 1945. Interrogation of Albert Speer. Target No 28/5.01. 3rd Session – 11:00 bis 12:30, Dienstag 29. Mai 1945. Sign Hausell, Slattery, Sanabria. Dort steht „Bode“, aber möglicherweise handelt es sich um Bothe. Es gibt einen Volkhard Bode, der zusammen mit Gerhard Kaiser das Buch Raketenspuren: Peenemünde 1936–1994 (Berlin 1995) geschrieben hat.

  64. 64.

    WWI European Theater Army Records, Historical Division: Records, 1941–1946, S. 53, NARA, Record Group 498, 2011. Cyclotron Investigation Heidelberg, Item no 21&24, file no XXIX-47, Combined Intelligence Objectives Sub-Committee (CIOS).

  65. 65.

    National Archives WO 232/92: Betreff: BIOS and FIAT field team reports. Jan-July 1946 (per Hand auf die Titelseite geschrieben, Datum: 3.3. 1978). Summary no 7 of reports from Bios Field teams 6th February 1946. Gruppe 2 Metallurgi: „Visit to 'C.H.F. Müller', berichtet von C.G. Lloyd 8. Oktober 1945. Gruppe 1“: Ultra-sonic resesarch and development in x-ray equipment Siemens-Reiniger Werke A.G. Erlangen. Berichtet von G. J. Thiesen. Erwähnt ist auch ein Besuch bei I.G. Farben.

  66. 66.

    Verfasst von dem deutschen Atomphysiker und späteren Nobelpreisträger Wolfgang Paul und Hans Kopfermann, die im Übrigen beide bei der Gründung von CERN eine Zeit lang aktiv waren.

  67. 67.

    National Archives FO 1032/230 Hollnack 2a und 3a Pkt. 10.

  68. 68.

    Niels Bohr Archives, American Institute of Physics, Alsos/Hauptm. G. Randers: „Re: Betatron for further evaluation“, Entwicklungsbericht. Anlage II-2 „Tätigkeitsbericht und Programm für die Weiterarbeit der 'MV-Forschungs-Vereinigung'“. Kollath, 6.6.1945.

  69. 69.

    Laut Giulia Pancheri, ehemals Director of Research am INFN Frascati National Laboratory, Italien.

  70. 70.

    Archiv für Elektrotechnik: „Der Strahlentransformator“ (1. Teil), eingereicht 15.9.1942, Vermerk „Geheime Reichssache!“. „Der Strahlentransformator II“, eingereicht 12.7.1943.

  71. 71.

    „Zur Theorie des Strahlentransformators“, Alsos/Hauptm. G. Randers: „Re: Betatron for further evaluation“, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics.

  72. 72.

    Briefe von Touschek an Widerøe, 29. März 1946, ETH-Bibliothek Zürich HS 903:203; 20. Mai 1946 Hs 903:205; 28. September 1946 Hs 903:212; 19. November 1946 Hs 903:207. Briefe von Kollath an Widerøe, 30. März 1946, ETH-Bibliothek Zürich Hs 903:119; 30. Mai 1946 Hs 903:120; 14. Juli 1946 Hs 903:124; 20. Juli 1946 Hs 903:126; 21. Juli 1946 Hs 903:127; 29. August 1946 Hs 903:130; 4. September 1946 Hs 903:129.

  73. 73.

    In der Biografie (S. 171) steht, dass Rolf im März nach Norwegen gereist ist, was jedoch nicht damit übereinstimmen kann, dass er am 11. April noch immer in Hamburg war. Das Zitat von Touschek stammt aus dem Brief an seinen Vater vom 17. November 1945.

  74. 74.

    Bonolis, L. und G. Pancheri: „Bruno Touschek: particle physicist and father of the e+e-collider“, in: The European Physical Journal H, Vol. 36, S. 1–61 (2011). Für den Artikel wurde eine Reihe bisher unveröffentlichter und bis dato unbekannter Dokumente verwendet, darunter eine frühe Korrespondenz mit Arnold Sommerfeld sowie Bruno Touscheks Briefe an seine Eltern in Wien, die er aus Italien, Deutschland und Großbritannien schickte. Der Brief an seinen Vater ist auf den 17. November 1945 datiert. Hier aus dem Norwegischen übersetzt.

  75. 75.

    Bonolis, L. und G. Pancheri: „Bruno Touschek: particle physicist and father of the e+e-collider“, in: The European Physical Journal H, Vol. 36, S. 1–61 (2011). Für den Artikel wurde eine Reihe bisher unveröffentlichter und bis dato unbekannter Dokumente verwendet, darunter eine frühe Korrespondenz mit Arnold Sommerfeld sowie Bruno Touscheks Briefe an seine Eltern in Wien, die er aus Italien, Deutschland und Großbritannien schickte. Der auf den 22. Juni 1945 datierte Brief erreichte Touscheks Eltern am 22. Oktober 1945. Hier aus dem Norwegischen übersetzt.

  76. 76.

    Bonolis, L. und G. Pancheri: „Bruno Touschek: particle physicist and father of the e+e-collider“, in: The European Physical Journal H, Vol. 36, S. 1–61 (2011). Für den Artikel wurde eine Reihe bisher unveröffentlichter und bis dato unbekannter Dokumente verwendet, darunter eine frühe Korrespondenz mit Arnold Sommerfeld sowie Bruno Touscheks Briefe an seine Eltern in Wien, die er aus Italien, Deutschland und Großbritannien schickte. Der auf den 22. Juni 1945 datierte Brief erreichte Touscheks Eltern am 22. Oktober 1945. Hier aus dem Norwegischen übersetzt.

  77. 77.

    Hollnack: Bericht über die historisch-organisatorische Entwicklung. Geschrieben an T-Force. 9.6.1945. Alsos/Hauptm. G. Randers: „Re: Betatron for further evaluation“, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics.

  78. 78.

    Dort steht 5, jedoch ist wahrscheinlich 15 gemeint.

  79. 79.

    National Archives FO 1032/230. 3A: „Daten und Tätigkeit“ und 4A „Curriculum Vitae“ (englische Übersetzung) geschickt an T-Force 1. Februar 1946, Alsos/Hauptm. G. Randers: Re: Betatron for further evaluation.

  80. 80.

    Goudsmit, Samuel: Alsos, S. 240.

  81. 81.

    Hollnack: „Bericht über die historisch-organisatorische Entwicklung“, geschrieben an T-Force, 9.6.1945. Alsos/Hauptm. G. Randers: „Re: Betatron for further evaluation“, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics.

  82. 82.

    Biografie, S. 63.

  83. 83.

    Nachruf auf Rudolf Kollath, Phys. Today 31(12), 73 (1978); https://doi.org/10.1063/1.2994891. Widerøe im Physiker-Interview.

  84. 84.

    Physiker-Interview.

  85. 85.

    Brun, Jomar: Brennpunkt Vemork 1940–1945, Universitetsforlaget 1985, S. 31.

  86. 86.

    Brun, Jomar: Brennpunkt Vemork 1940–1945, Universitetsforlaget 1985, S. 28–31.

  87. 87.

    Waloschek: Todesstrahlen.

  88. 88.

    Waloschek: Todesstrahlen.

  89. 89.

    Waloschek: Todesstrahlen.

  90. 90.

    Hollnack: „Bericht über die historisch-organisatorische Entwicklung“, geschrieben an T-Force, 9.6.1945. Alsos/Hauptm. G. Randers: „Re: Betatron for further evaluation“, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics.

  91. 91.

    National Archives FO 1032/230, Hollnack, 2A und 3A „Daten und Tätigkeit“. 4A Curriculum vitae, Pkt. 11, gesandt an T-Force, 1. Februar 1946.

  92. 92.

    National Archives FO 1032/230. 3A: „Daten und Tätigkeit“ und 4A „Curriculum Vitae“ (englische Übersetzung), gesandt an T-Force, 1. Februar 1946. Pkt. 9.

  93. 93.

    Biografie.

  94. 94.

    Kratzenstein, H.: PB I755is2l (V-200) Praxis zerstörungsfreier Werkstoffprüfung, 1941. FIAT FR 536, Supp.21. IP $.25. PB 81.500. Department of Commerce. W. Averell Harriman, Secretary: „Classified List of OTS Printed Reportes“. A List of Reports on German and Japanese Technology Prepared by American Investigators Which Are Available in Printed Form From the Office of Technical Services. Property of Technical Reports Section. Science and Technology Division. Library of Congress. Office of Technical Services. John C. Green, Director. Compiled by O. Willard Holloway and Oliver B. Isaac. Reports Division. Oktober 1947.

  95. 95.

    Egerer and others. PB I755I-SI2 (V-200) Röntgenraumsicht. (Stereoscopic X-rays). August 1914. FIAT FR 535, Supp. 12. 2p $.25.

  96. 96.

    Widerstand in Berlin gegen das NS-Regime 1933 bis 1945 – Ein biographisches Lexikon – Gesamtlexikon (12 Bände) (ISBN 3-89.626-350-1) trafo verlag 2002–2006. Namensregister für Buchstaben K aus dem Band 4 des Lexikons. Kratzenstein, Hermann; g. 21.1.1893 http://www.trafoberlin.de/widerstand_in_berlin/Widerstand_Startseite.html, Redakteur Dr. Hans-Joachim Fieber. Herausgeber: Geschichtswerkstatt der Berliner Vereinigung ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener (BV VdN) e. V. Im Vorwort steht: „Zwischen Juni 2002 und Juni 2006 erschien das biographische Lexikon 'Widerstand in Berlin gegen das NS-Regime 1933 bis 1945', eine bisher einzigartige Publikation über den Widerstand gegen das NS-Regime in Berlin, ja, der Widerstandsliteratur gegen das NS-Regime überhaupt. Erstmalig werden – soweit sie heute noch ermittelt werden konnten – über 13.000 Personen genannt und vorgestellt, die zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 in der Hauptstadt Hitler-Deutschlands Widerstand gegen das NS-Regime geleistet haben: mit welchem politischen Ziel, in welcher Form, in welchem Umfang und von welcher Dauer auch immer und unabhängig davon, ob sie in Berlin oder an einem anderen Ort geboren wurden.“ Kratzenstein ist erwähnt in Bd. X, S. YY. Egerer ist erwähnt in Bd. 4, S. 157. (Ich nehme an, dass H. Kratzenstein mit Hermann Kratzenstein identisch ist.) Es gibt auch einen Marius Kratzenstein in Hamburg, der über entsprechende Themen schrieb, u. a. einen Artikel in Zeitschrift für Physik, Vol. 93, Nr. 5–6. Mai, 1935. Da Kratzensteins Vorname nicht genannt ist, kann auch er es sein.

  97. 97.

    Kramish, Arnold: The Griffin. The Greatest Untold Espionage Story of World War II, Houghton Mifflin Company, Boston, 1986.

  98. 98.

    The Security Service (Britischer Sicherheitsdienst, bekannt als MI5, Military Intelligence, Section 5) kümmert sich um inländische Kontraspionage und Sicherheit. Secret Intelligence Service (SIS oder MI6) kümmert sich um ausländische Bedrohungen.

  99. 99.

    In einer E-Mail von Arnold Kramish, 16. Oktober 2009. In einer E-Mail vom 11. September 2009 bat er mich im Übrigen, den Historiker und Experten in Sachen norwegische Geheimdienste, Olav Riste, zu grüßen, mit dem er in Verbindung mit seinem Buch über den Spion Paul Rosbaud in Kontakt gestanden hatte.

  100. 100.

    Sæter, Svein: Spion i Hitlers rike. Student og agent Sverre Berghs dramatiske dobbeltliv, Cappelen Damm, Oslo 2006.

  101. 101.

    Theo Finndahl.

  102. 102.

    Victor Goldschmidt.

  103. 103.

    Benum, Edgeir: „En forskerskole bygges. Odd Hassel og strukturkjemien 1925–1943“, Historisk tidsskrift Bd. 88, S. 639–670, Universitetsforlaget 2009. Kramisch 1986 (norwegische Ausgabe): S. 42–43, 64, 69, 79–80, 83–85, 110, 133, 157, 178–180, 197, 224.

  104. 104.

    Brun, Jomar: Brennpunkt Vemork 1940–1945, Universitetsforlaget 1985, S. 65.

  105. 105.

    Jones, R. V.: Most Secret War. British Scientific Intelligence 1939–1945, Hamish Hamilton, London 1978.

  106. 106.

    Brodersen, Arvid: „Siemens-direktøren – Oslo-rapporten“, Forskningspolitikk 2/1994. Brodersen war Professor an der New School of Social Research in New York.

  107. 107.

    Jones, R. V.: „Most Secret War, British Scientific Intelligence 1939–1945“ (1978) und „Reflections on Intelligence“ (1989).

  108. 108.

    Hierbei handelt es sich um das deutsche Originalzitat.

  109. 109.

    Alsos/Hauptm. G. Randers: „Re: Betatron for further evaluation“, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics.

  110. 110.

    Brief an T-Force von Hollnack, 9. Juni 1945, Alsos/Hauptm. G. Randers: „Re: Betatron for further evaluation“, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics.

  111. 111.

    ETH-Bibliothek Zürich HS 903:203, Briefe von Touschek an Widerøe, 29.3.1946 und 20.5.1946.

  112. 112.

    Der Schweizer Karl Meyer.

  113. 113.

    Lind, Jakov: Selbstporträt, S. Fischer, London, 1970, S. 147.

  114. 114.

    Lind, Jakov: Selbstporträt, S. Fischer, London, 1970, S. 158.

  115. 115.

    Lind, Jakov: Selbstporträt, S. Fischer, London, 1970, S. 160.

  116. 116.

    ETH-Bibliothek Zürich HS 903:203, Briefe von Touschek an Widerøe, 29.3.1946 und 20.5.1946.

  117. 117.

    Frage von Jan Vaagen, Abschrift des Gesprächs.

  118. 118.

    Randers: Lysår, Gyldendal, 1975, S. 75.

  119. 119.

    Goudsmit, Samuel A.: Alsos (Samuel A. Goudsmit American Institute of Physics Woodbury, New York Library of Congress Cataloging-in-Publication Data SBN 1-56.396-415-5).

  120. 120.

    Goudsmit, S. 77–80 und Powers, Thomas: Heisenberg's War, S. 411–412.

  121. 121.

    Goudsmit, S. 112–113.

  122. 122.

    Goudsmit, S. 120–121.

  123. 123.

    Randers: Lysår, Gyldendal, 1975, S. 76.

  124. 124.

    Randers: Lysår, Gyldendal, 1975, S. 86.

  125. 125.

    Skoie, Hans: „Norge – en atommakt?“ Forskningspolitikk 2/2006. Njølstad, Olav: Jens Chr. Hauge – Fullt og helt, Aschehoug, 2008.

  126. 126.

    Njølstad, Olav: Jens Chr. Hauge – Fullt og helt, Aschehoug, 2008.

  127. 127.

    Njølstad, Olav: Jens Chr. Hauge – Fullt og helt, Aschehoug, 2008.

  128. 128.

    Wittje, Roland (Dr. philos. – history of science and technology), Universität Regensburg, Lehrstuhl Wissenschaftsgeschichte „Nuclear Physics in Norway, 1933–1955“, Physics in Perspectiv, Birkhäuser Verlag, Basel, 2007, S. 406–433.

  129. 129.

    Olav Wicken zur Zeitschrift Forskning, Nr. 6, 1997. Olav Wicken und Olav Njølstad: „Kunnskap som våpen. Forsvarets forskningsinstitutt 1946–1975“, Tano Aschehoug, 1996.

  130. 130.

    Barlaup, Asbjørn (Red.): „Norges Teknisk-Naturvitenskapelige Forskningsråd 1946–1956“.

  131. 131.

    David Cassidy im Vorwort zur Ausgabe von Goudsmits Buch Alsos von 1996.

  132. 132.

    Bodanis, David: En biografi om verdens mest berømte ligning, Gyldendal, 2001. Originaltitel: E = mc2. A Biography of the World’s Most Famous Equation, Walker Publishing Company, Inc., USA, 2000. Wikipedia: http://en.wikipedia.org/wiki/Operation_Alsos.

  133. 133.

    Goudsmit, S. 123.

  134. 134.

    Goudsmit, S. 125.

  135. 135.

    Erik Bagge, Kurt Diebner, Walther Gerlach, Otto Hahn, Paul Harteck, Werner Heisenberg, Horst Korsching, Max von Laue, Carl Friedrich von Weizsäcker, Karl Wirtz.

  136. 136.

    Otto Hahn.

  137. 137.

    Bernstein, Jeremy (2001). Hitler's uranium club: the secret recordings at Farm Hall. New York: Copernicus. p. 281. ISBN 0-387-95.089-3.

  138. 138.

    BBC Radio 4, 15. Juni 2010, in: Ganz, Adam: Nuclear Reactions.

  139. 139.

    Powers, Thomas: Heisenberg's War. The secret story of the German bomb, 1993. Goudsmit, Samuel: Alsos.

  140. 140.

    Erik Tunstad, 12. September 2002, www.forskning.no/Artikler/2002/september/1031815152.4; hier zitiert nach: Speer, Albert: Erinnerungen, Propyläen Verlag, Berlin, 1969, S. 241–242.

  141. 141.

    Goudsmit, S. 138–139.

  142. 142.

    Randers, S. 79.

  143. 143.

    Randers, S. 77.

  144. 144.

    Goudsmit, S. 140.

  145. 145.

    Goudsmit, S. 147.

  146. 146.

    Goudsmit, S. 154.

  147. 147.

    „Report of the visit to Wideroe in Oslo, July 45. Von Hauptm. G. Randers R.N.A. of ALSOS“, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics.

  148. 148.

    „Interview with Dr. Wideroe in Oslo July 1945“, Niels Bohr Laboratory, American Institute of Physics. Fragen und Antworten in diesem Dokument finden sich später in Form der Dokumente 14 und 15 in der Fall-Mappe des Zentralarchivs, Abteilung Landesverrat, wieder.

  149. 149.

    „Arrangement for Introducing Electrons into a Radiation Transformer (Betatron)“.

  150. 150.

    Kopien der Unterlagen: 1. „Bericht über die Entwicklung von Strahlentransformatoren“ von Widerøe 27/2/44. 2. Angaben für Dr. Boersch (Wien) 13/3/44. 3. Bericht über den Besuch bei B.B.C. Vom 27. bis 29. April 1944, von Widerøe. 4. Comparative figures for Kersts 20 and Widerøes 15 MV apparatus, 9/6/1944. 5. Theoretische Untersuchungen für das MV-Verfahren in Hamburg während der Zeit Mai bis September 1944. Eine Zusammenfassung von Widerøe und Touschek. 6. Über die Erzeugung von Röntgenstrahlen, von Widerøe 8/2/44, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics.

  151. 151.

    Widerøe, Rolf: „Denkschrift über die Weiterentwicklung des Strahlentransformators“. 10-seitige technische Beschreibung der Betatrone von 15 und 200 meV. Oslo, 17.9.1943, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics.

  152. 152.

    Liste über Inhalt der Mikrofilme:

    1.) Complete summary and description in detail of Widerøes Radiation transformer (Betatron), geschrieben von Widerøe während seines Aufenthalts im Ihlebu Gefängnis in der Nähe von Oslo, im Mai, Juni und Juli 1945. (Sowohl die theoretische Seite als auch die praktischen Fragen der Konstruktion sind enthalten. Die Arbeit wurde von Widerøe noch nicht als abgeschlossen betrachtet. Das bedeutet wohl hauptsächlich, dass seine neuen Ideen noch nicht ausgearbeitet waren. Auch Zahlen fehlen, die, wenn gewünscht, von Widerøe in etwa einem Monat – nach seiner eigenen Einschätzung – geliefert werden könnten.)

    2.) Dokument, geschrieben von Prof. Bothe

    3.) Brief vom 12.12.1944 von Widerøe an Prof. Kuhlenkampp

    4.) Brief vom 19.10.1944 von Heisenberg an Widerøe (suggesting 150 MV as target for the big betatron)

    5.) Report up to 15/9/44 on the progress or the betatron work

    6.) Letter report Widerøe to Col. Geist 15/12/44

    7.) Report from meeting in Erlangen 31/10/44 by Widerøe

    8.) Report on conference at B.B.C. Heidelberg 2/11/44

    9.) „Der Ablenktheorie der Schleuderelektronen“ von Dänzer 19/1/1945

    10.) „Bemerkungen zur vorstehenden Arbeit“ von Bothe

    11.) „Die elektrostatische Stabilisierung“, „Die Lisenstrasse“ von Dr. Müller 29/11/43

    12.) „Führungsproblem der Elektronen“ von Touschek

    13.) „Die magnetische Fokussierung“ von Touschek

    14.) „Die Maximalverteilung“, 8.1.1944, von Touschek

    15.) „Zur Theorie der Wideröeschen Strahlungstransformatoren“ von Touschek

    16.) „Theorie des ebenen Einschießens“ und „Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen zum Vorgang des Einschießens“ von Touschek, 5.12.1944

    17.) „Theorie des Einschießvorganges“ und „Wachstumseffekte“, wahrscheinlich von Touschek, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics

  153. 153.

    National Archives FO 1032/230. 3A: „Daten und Tätigkeit“ und 4A „Curriculum Vitae“ (englische Übersetzung), gesandt an T-Force, 1. Februar 1946, Pkt. 9.

  154. 154.

    Lind, Jakov: Selbstporträt.

  155. 155.

    Brustad, Tor: „Why is the Originator of The Science of Particle Accelerators so Neglected, Particularly in his Home Country?“ Vollständige Version. Scandinavian University Press 1998. ISSN 0284-186X, Fußnote 24. (Gekürzte Version ohne Fußnoten in Acta Oncologica 1998, 37).

  156. 156.

    „Why is the Originator …“, Fußnote 25.

  157. 157.

    „Why is the Originator …“, Fußnote 2: Eine Vernehmung durch Rechtsanwalt G. B. Dreyer am 4. Juli 1946 ergab folgendes: 'Während des gesamten Frühjahrs und Sommers 1943 erklärte der Vernehmungsbeamte, dass er in Verhandlungen mit BB&C in der Schweiz vereinbart hatte, die Firmenpatente zu verkaufen, so dass diese über die Schweiz in englischsprachigen Ländern patentiert werden konnten. Diese Chance verschwand, als die deutschen Länder die Patente beschlagnahmten (…)'.

  158. 158.

    Hollnack: „Bericht über die historisch-organisatorische Entwicklung“, geschrieben an T-Force, 9.6.1945.

  159. 159.

    National Archives FO 1032/230. 3A: „Daten und Tätigkeit“ und 4A „Curriculum Vitae“ (englische Übersetzung), gesandt an T-Force, 1. Februar 1946, 8, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics: Alsos/Hauptm. G. Randers: „Re: Betatron for further evaluation“.

  160. 160.

    Kramish, S. 148.

  161. 161.

    Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches / Präsident des Reichsforschungsrats / der Bevollmächtigte (Der Rest des Briefkopfs ist nicht lesbar.): Brief an Bothe und Widerøe, 4. Dezember 1944. Niels Bohr Archives, American Institute of Physics, Alsos/Hauptm. G. Randers: „Re: Betatron for further evaluation“.

  162. 162.

    Biografie, S. 98.

  163. 163.

    Physiker-Interview.

  164. 164.

    Brief von NEBB an den Anwalt des Höchsten Gerichts, Oscar de Besche, 12. Juni 1946.

  165. 165.

    Protokoll des Verhörs von Rolf Widerøe, durchgeführt von P.bm. G.B. Dreyer, 4. Juli 1946.

  166. 166.

    Brief von Rolf Widerøe an S.A. Solberg, 22. Januar 1946, ETH-Bibliothek Zürich, HS 903:79–80.

  167. 167.

    Rolf Widerøe: „Bericht über die Entwicklung von Strahlentransformatoren“, 27. Februar 1944, ETH-Bibliothek Zürich, HS 903:49.

  168. 168.

    Rolf Widerøe: „Berichte über Besuche bei BBC in Weinheim vom 27. bis 29. April 1944“, geschrieben am 1.5.1944, ETH-Bibliothek Zürich, Hs 903:62 und 63.

  169. 169.

    Rolf Widerøe: „Niederschrift“, Heidelberg, 29. April, datiert 2. Mai 1944.

  170. 170.

    Pedro Waloschek im Gespräch. Die drei anderen waren Kade, Weiss und Kneller.

  171. 171.

    BBC-Vermerk: „Grosser Strahlentransformator Wideröe, Besprechung in Heidelberg am 30.6.44“. BBC-Vermerk. EB-Bericht Nr. 71 – „Geheim“. Geschrieben von Böcker, Projektverantwortlicher bei BBC. Datiert 3. Juli 1944. In dem Vermerk wird bekannt gegeben, dass die betreffende Abteilung von den technischen Gesprächen mit Wideröe in Weinheim am 1. Juli ein eigenes Protokoll erstellen wolle. Niels Bohr Archives, American Institute of Physics.

  172. 172.

    Theodor Hollnack: „Über Besprechung am 30.6.44 bei BBC Heidelberg“. Geheim. Datiert 3. Juli 1944, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics.

  173. 173.

    Den Vermerk erhalten Dir. Deichmann und Dr. Kade sowie die Abteilungen Gr v/Martens, Hfk v/ Weiss und EB v/Dr. Böcker.

  174. 174.

    BBC-Vermerk: Betrifft: Strahlentransformator Wideröe. Geheim. Geschrieben von Meyer-Delius. Datiert 7. Juli 1944, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics, Alsos/Hauptm. G. Randers: „Re: Betatron for further evaluation“, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics.

  175. 175.

    Otto Weiss und Helmut Böcker.

  176. 176.

    BBC-Vermerk. EB-Bericht Nr. 71/1. Böcker. Mannheim, 20. Dezember 1944. Betrifft: Strahlentransformator 15 meV. Gespräch bei C.H.F. Müller, Hamburg-Fuhlsbüttel, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics.

  177. 177.

    Brief von Rolf Widerøe an den BBC-Direktor Meyer-Delius, Heidelberg. Hamburg, 12. Februar 1945, Alsos/Hauptm. G. Randers: „Re: Betatron for further evaluation“, Niels Bohr Archives, American Institute of Physics.

  178. 178.

    The Brown Boveri Review: „New designs of transformers and choke coils“. Nr. 3, März 1945.

  179. 179.

    Kaiser, H. F. (U.S. Naval Research Lab., Washington, D. C.): „European Electron Induction accelerators“, Journal of Applied Physics 18, 1–17 (1947).

  180. 180.

    Rolf Widerøe zufolge gab es zu dieser Zeit in Heidelberg keine Vertretung von BBC. Einer der Direktoren lebte in der Stadt, einige Sitzungen fanden in Heidelberg statt. (Pedro Waloschek).

  181. 181.

    Biografie, S. 94.

  182. 182.

    Das bezieht sich auf den Plan, den Rolf am 6. November 1943 verfasst hat.

  183. 183.

    Kaiser, H. F. (U.S. Naval Research Lab., Washington, D. C.): „European Electron Induction accelerators“, Journal of Applied Physics 18, 1–17 (1947).

  184. 184.

    The 6860th Headquarters Detachment Intelligence Assault Force (T-Force). Les Hughes. 1997. Hochwald, Jack, „The U.S. Army T-Forces: Documenting the Holocaust“, American Jewish History, Vol. LXX, No. 3, März 1981.

  185. 185.

    Brown Boveri Hauszeitung, 1972, Nr. 2.

  186. 186.

    Sonderdruck Technikgeschichte, Band 55 (1988) Heft 1, VDI Verlag, Anmerkung 15.

  187. 187.

    Gordon Fraser (Autor), Egil Lillestøl (Autor), Inge Sellevag (Autor), Stephen Hawking (Einleitung): „Auf der Suche nach dem Unendlichen“. Mit Heisenbergs Theorien arbeitet u. a. der Japaner Hideki Yukawa weiter.

  188. 188.

    Goudsmit, S. 254.

  189. 189.

    Sonderdruck Technikgeschichte, Band 55 (1988) Heft 1, VDI Verlag, Anmerkung 87.

  190. 190.

    Speer, Albert: Erinnerungen. Frankfurt/M. 1969, S. 240. Zur Politik des HWA gegenüber dem Uranprojekt, vgl. Walker, M: S. 67 ff. (VDI-Heft Anmerkung 88).

  191. 191.

    Sonderdruck Technikgeschichte, Band 55 (1988) Heft 1, VDI Verlag, Anmerkung 89.

  192. 192.

    Operation Epsilon: „Jakten på Tredje Rikets atomhemligheter“, (schwedischer Wissenschaftsjournalist).

  193. 193.

    Der Tipp kam von Paul Harteck von der Universität Hamburg, einem der Forscher, den Rolf später kennenlernte.

  194. 194.

    Karlsch, Rainer: Hitlers Bombe. Die geheime Geschichte der deutschen Kernwaffenversuche. DVA, 2005 (http://www.sandammeer.at/rezensionen/hitlersbombe.htm).

  195. 195.

    Esau, A.: „Ergebnisbericht der Arbeitsgemeinschaft Nutzbarmachung der Atomkernenergie vom 24.11.1942“. Esau, A.: „Bericht über den Stand der Arbeiten auf dem Gebiet der Kernphysik vom 1.6.1943“, Irving Papers, Sondersammlungen des Deutschen Museums.

  196. 196.

    Sonderdruck Technikgeschichte, Band 55 (1988) Heft 1, VDI Verlag, Anmerkung 93: Bothe baute in seinem Institut an einem Betatron, das vom Oberkommando der Wehrmacht gefördert wurde. Vgl. Bothe Nachlass 62, Bothe an Vogler am 20.1.1943. Die von Widerøe 1941 [muss 1943 sein, Korrektur durch Autorin] bei der Hamburger Firma C.H.F. Müller begonnene Entwicklung eines 15-meV-Betatrons, das noch vor Kriegsende fertiggestellt wurde, und die Planung einer 100-meV- bzw. 200-meV-Maschine wurden von der Luftwaffe unterstützt. Vgl. SAA 35 La/84. Bericht Nr. 148: German Betatrons. British Intelligence Objectives Sub-Committee.

  197. 197.

    Otto Hahn arbeitete mit Lise Meitner und Fritz Strassmann zusammen. Hahn und Strassmann erhielten 1944 den Chemie-Nobelpreis für die Entdeckung der Kernspaltung, und viele sind der Meinung, dass auch Meitner hätte mit ausgezeichnet werden müssen. 1966 erhielten sie für dieselbe Entdeckung alle drei den Preis der amerikanischen Atomenergie-Kommission, den Enrico-Fermi-Preis.

  198. 198.

    1986 wurde die BBC/ABB-Abteilung für Teilchenbeschleuniger an das amerikanische Unternehmen Varian Medical Systems verkauft. Gespräch in Verbindung mit diesem Buch, 29. August 2011.

  199. 199.

    National Archives BT 211 / 15: „Visits to Switzerland by British technicians to investigate German owned plants etc. SC/ZH“. BIOS Investigations –Switzerland. 9. Februar 1946. Wood. Maunsell. Preserve permanently. Geschlossen bis 1977. Registriert 15.2.1946.

  200. 200.

    Weltwoche Nr. 32/2011 und 33/2011. Der Spiegel Nr. 23, 24, 25, 26, 27 und 28, 1967. Powers, Thomas: Heisenberg's War. Goudsmit: Alsos.

  201. 201.

    Switzerland – National Socialism and the Second World War, Final report of the Independent Commission of Experts Switzerland – Second World War / Schlussbericht der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg / Rapport final de la Commission Indépendante d'Experts Suisse – Seconde Guerre Mondiale / Rapporto finale della Commissione Indipendente d'Esperti Svizzera – Seconda Guerra Mondiale, Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg, Jean-François Bergier (chairman), Editorial Team / Coordination: Mario König, Bettina Zeugin, Pendo Verlag GmbH, Zürich 2002.

  202. 202.

    Dort steht „Bode“, möglicherweise soll es aber Bothe heißen. Es gibt einen Volkhard Bode, der zusammen mit Gerhard Kaiser Raketenspuren: Peenemünde 1936–1994 (Berlin 1995) geschrieben hat.

  203. 203.

    National Archives, Evaluationsbericht 53 (b): 18. Juni 1945. Interrogation of Albert Speer. Target No 28/5.01. 3rd Session – 11:00 to 12:30, Dienstag, 29. Mai 1945. Sign Hausell, Slattery, Sanabria.

  204. 204.

    Waloschek: Todesstrahlen.

  205. 205.

    Hans-Joachim Fieber, Widerstand in Berlin gegen das NS-Regime 1933 bis 1945 Ein biographisches Lexikon in 12 Bänden, ISBN 3-89.626-350-1, Trafo Verlag Berlin 2002–2006, Band 4.

  206. 206.

    Arnold Kramish, S. 148.

  207. 207.

    Physiker-Interview.

  208. 208.

    Weltwoche Nr. 32/2011 und 33/2011. Der Spiegel Nr. 23, 24, 25, 26, 27 und 28, 1967. Powers, Thomas: Heisenberg's War. Goudsmit: Alsos.

  209. 209.

    „The X-ray Industry in Germany“, Combined Intelligence Objectives Sub-Committee, Item no 1, 9 & 21, file no XXVIII-31, Reported by: Caperton B. Horsley, U.S. Civilian on behalf of the U.S. Technical Industrial Intelligence Committee, CIOS Target NOs. 1/32e, 1/144, 1/246, 9/37, 9/147, 21/180 Radar, Physical & optical Instruments & Devices, Metallurgy, August 1945.

  210. 210.

    „The X-ray Industry in Germany“.

  211. 211.

    Waloschek: Todesstrahlen.

  212. 212.

    National Archives, BIOS, Final report no 210, item no 1, 7, 21, Visit to C.H.F. Müller A.G., Reported by: C.G. Lloyd – Canadian G.E., G.J. Thiesen – N.R.C, BIOS Target Numbers 1/132e, C7/193, C21/744.

  213. 213.

    Fehr, Werner: C.H.F. Müller … mit Röntgen begann die Zukunft: Überliefertes und Erlebtes, Hamburg 1981.

  214. 214.

    Einem Interview mit Pedro Waloschek zufolge waren die beiden anderen Bergmüller und Reiniger.

  215. 215.

    Professor Ludwig Biermann, AEG. „The X-ray Industry in Germay“, Combined Intelligence Objectives Sub-Committee, Item no 1, 9 & 21, file no XXVIII-31, Reported by: Caperton B. Horsley, U.S. Civilian on behalf of the U.S. Technical Industrial Intelligence Committee, CIOS Target NOs. 1/32e, 1/144, 1/246, 9/37, 9/147, 21/180 Radar, Physical & optical Instruments & Devices, Metallurgy, August 1945.

  216. 216.

    Eine kleine 5-meV-Anlage zu bauen, die Forschungs- und Entwicklungsarbeit für einen Elektronenbeschleuniger mittlerer Größe von 20–25 meV einzuleiten sowie einen große 100-meV-Anlage zu planen.

  217. 217.

    Sonderdruck Technikgeschichte, Band 55 (1988) Heft 1, VDI Verlag.: „Kernphysikalische Großgeräte zwischen naturwissenschaftlicher Forschung, Industrie und Politik. Zur Entwicklung der ersten deutschen Teilchenbeschleuniger bei Siemens 1935–45“ von Maria Osietzki. (Dieser Aufsatz entstand in einem von der Stiftung Volkswagenwerk finanzierten Forschungsprojekt.), Note 96: SAA 35 Lg/84, Durchschriften der Aufträge Walter Gerlachs, September 1944.

  218. 218.

    „The X-ray Industry in Germany“.

  219. 219.

    Paul, Wikipedia.

  220. 220.

    Max Steenbeck, S. 124 (Fußnote 97 im VDI-Heft).

  221. 221.

    „The X-ray Industry in Germany“.

  222. 222.

    Biografie, S. 79.

  223. 223.

    Physiker-Interview, Biografie, S. 79.

  224. 224.

    Im Gespräch mit mir sagte Pedro Waloschek, dass Seifert seiner Meinung nach Nazi war.

  225. 225.

    Die Huldigung verfasste Giovanni Maria Piacentino.

  226. 226.

    Biografie, S. 101.

  227. 227.

    Bonolis, L. und G. Pancheri: „Bruno Touschek: particle physicist and father of the e+e-collider“, inThe European Physical Journal H, Vol. 36, S. 1–61 (2011). Für den Artikel wurde eine Reihe bisher unveröffentlichter und bis dato unbekannter Dokumente verwendet, darunter eine frühe Korrespondenz mit Arnold Sommerfeld sowie Bruno Touscheks Briefe an seine Eltern in Wien, die er aus Italien, Deutschland und Großbritannien schickte. Der auf den 22. Juni 1945 datierte Brief erreichte Touscheks Eltern am 22. Oktober 1945. Hier aus dem Norwegischen übersetzt.

  228. 228.

    Teknisk Ukeblad 19. Januar 2015, Artikel von Odd Richard Valmot, der Erik Adli von der Universität Oslo interviewt hat: http://www.tu.no/industri/2015/01/19/ny-teknologi-gir-elektronerenorm-energ.

  229. 229.

    Die Geheimprojekte im Forschungsbunker des Fliegerhorsts Großostheim. Auszug aus dem Buch „Großostheim in den Kriegsjahren 1939–1945“, Kapitel Fliegerhorst 207X11, S. 94 ff. Peter Hepp und Klaus Sauerwein: Die Geheimprojekte des Fliegerhorstes Großostheim 1943–1944 (4.1.2010). Der Fliegerhorst Großostheim (heute Ringheim) Bernd Hilla, Co-Autoren Klaus Sauerwein, Peter Hepp. Fliegerhorst in Großostheim-Ringheim: Hier wollte Hitler seine irre Geheimwaffe bauen! www.primavera24.de/lokalnachrichten/aschaffenburg/10850, 27. Mai 2011. Rolfs Biograf war Pedro Waloschek, der später das Buch Todestrahlen als Lebensretter schrieb (deutsche Ausgabe 2004 und akt. englische Ausgabe 2012).

  230. 230.

    Porter, David: World War II Data Book. Hitler's Secret Weapons 1922–1945. The essential facts and figures for Germany's secret weapons programme, Amber Books, 2010.