Was aber ist zwischen 1943 und 1946 passiert, das dazu auffordert, dass er umblättern und neu anfangen soll? Zwischen diesen beiden Jahreszahlen muss sich Fatales ereignet haben, was diesen Zeitraum zum Schicksalskapitel einer Lebensgeschichte macht, die ansonsten so unglaublich vielfältig war. „Hätte ich es nicht selbst erlebt, würde ich es nicht glauben“, so beendete Rolf die Zusammenfassung seines Lebens, als er im Alter von 91 Jahren interviewt wurde. In großen Worten hatte er über Forschung und Neugierde gesprochen. Darüber, gegen alle Vernunft auf ein Ziel zu setzen, ungeachtet allen Widerstandes und Zweifel die Fahne hochzuhalten. Er hatte ein bisschen über Unvorhersehbarkeit und Zufälle sowohl in der Forschung als auch im Allgemeinen geredet. Und darüber, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein – oder umgekehrt.1

Die Verwunderung darüber, wie seltsam sich ein Leben entwickeln konnte, schloss diese drei Kriegsjahre garantiert ein, ohne dass er dies groß thematisierte. Das tat er nie. Weder öffentlich noch zu Hause. Dramatisierung lag ihm nicht als der Ingenieur, der er war, Klagen auch nicht. Und während dieser merkwürdigen Phase – mit ihren Fragen und Gerüchten – gab es mehr als genug, worum er sich kümmern musste. Danach fand er einen Weg, damit zu leben. Mit dem Fantastischen wie mit dem Entsetzlichen. Diese Jahre wurde zum Kipppunkt seines Lebens. Als passierte, was nicht passieren darf, von dem niemand glaubte, dass es geschehen könnte. Etwas, das jenseits der Vorstellung von Familie, Freunden, Nachbarn und Kollegen war. Gleichzeitig war es eine seiner kreativsten Phasen, in der er sich „den großen fachlichen Traum“ erfüllen konnte. Wenn auch vor dem traurigsten, sonderbarsten, düstersten Hintergrund. Es war und blieb das dunkle Kapitel. Das schmerzhafte, lange, befremdliche Kapitel.

Im Frühjahr und Sommer 1943 war die Dramatik um ihn herum bereits groß genug, auch wenn er selbst nicht noch derart nachdrücklich dazu beigetragen hätte. Es war zu einem Zeitpunkt des Krieges, als sich bei den Deutschen die Verzweiflung breit machte. Hitler brauchte etwas, womit er überzeugen konnte. Sowohl den Feind als auch die eigenen Reihen. Nazi-Deutschland arbeitete an der Entwicklung von etwas, das zur Atomwaffe werden konnte. England, die USA und Frankreich taten das Gleiche. Die Frage lautete, wer als Erster fertig war.

Als in Europa der Krieg ausbrach, arbeitete man beiderseits des Atlantiks schon an Versuchen der Atomspaltung. Jetzt erlangte die Kernforschung den Status „kriegswichtig“. Die britischen und kanadischen Kernforschungsprogramme wurden mit dem amerikanischen zu einem supergeheimen Projekt mit dem Decknamen „Manhattan“ vereint. Lawrence mit seinen ständig größeren Zyklotronen war eine Schlüsselfigur. Er holte den amerikanischen Experten in Theoretischer Physik, Robert Oppenheimer, mit ins Boot, der später den Beinamen „Vater der Atombombe“ erhielt. Mit Oppenheimer als wissenschaftlichem Leiter wurde in New Mexico eigens ein Labor errichtet. Hier wurde die Bombe gebaut. Die Theorien lagen vor, es war jedoch ein Kampf gegen die Zeit. Würden sie es schaffen, rechtzeitig eine Waffe fertigzustellen, damit sie im Laufe des Krieges von Nutzen sein konnte?

Die Deutschen hatten ihr Uranprojekt, wovon der alliierte Geheimdienst wusste, und im Sommer 1943 war man der Meinung, den Deutschen würde es nicht gelingen, vor Kriegsende eine Atombombe zu bauen. Was tatsächlich in der deutschen Atomforschung vor sich ging, wussten nur wenige. Einige meinten, es handele sich vor allem um Bluff und Propaganda. Sicher war man sich, dass das Militär die Kontrolle über die Atomforschung innehatte. Deutsche Wissenschaft befand sich generell auf einem hohen Niveau und man nahm an, die Nazis würden das neue Wissen über die Kernsprengung zur Herstellung von Atomwaffen ausnutzen. Gleichzeitig hatten die Politisierung und Nazifizierung des akademischen Milieus dazu geführt, dass viele Physiker und Mathematiker bereits 1933 das Land verlassen hatten – in dem Jahr, nachdem Rolf nach Norwegen zurückgekehrt war. Viele wurden auch in den regulären Kriegsdienst einberufen. Außerdem waren viele deutsche Wissenschaftler Juden und dadurch ins Exil getrieben worden. Die noch vorhandene Expertise war schlicht und einfach begrenzt. Ungeachtet dessen arbeiteten die Alliierten intensiv daran, Deutschland zuvorzukommen. Und die Alliierten wussten von Rolfs Arbeit für die deutsche Luftwaffe.

Auf Arbeit kontaktiert

Der Wettbewerb, bei der möglicherweise kriegsentscheidenden neuen Technologie der Erste zu sein, spitzte sich immer weiter zu. Keiner auf der anderen Seite durfte etwas erfahren. Jeder überwachte jeden. Wenn alles auf dem Spiel stand, war Angst die stärkste Waffe. Dessen war man sich sicher, egal, wie weit man im Waffenwettlauf gekommen war – und das wurde überall eingesetzt, wo es zu gebrauchen war, allen voran von den Nationalsozialisten.

In dieser Wirklichkeit lebte auch Rolf, der dreifache Familienvater, in Røa, von wo aus er jeden Tag nach Skøyen zur Arbeit radelte, um dort den modernen Stromausbau in Norwegen zu planen. In den Abendstunden widmete er sich wieder den Themen seiner Doktorarbeit. An einem Tag im Frühjahr 1943 sollte sich sein Leben jedoch verändern. Im Büro wurde er von einigen Deutschen aufgesucht. Seltsamerweise ist es schwer herauszufinden, wann genau das geschah. Rolf bemühte sich später nie darum, das Ereignis genau zu datieren. Oder vielleicht wollte er es nicht? Dass der Realist und Forscher es nicht mehr wusste, ist undenkbar. Die Episode an sich, die im Hinterhof von NEBB stattfand, während er an seinem Fahrrad hantierte, hat er jedoch mehrfach geschildert. Vermutlich befand er sich auf dem Heimweg, als sie auftauchten, wobei Zeit und Ort von den Deutschen kaum zufällig gewählt waren. Plötzlich standen sie einfach hinter ihm. Uniformierte, SS-Offiziere der deutschen Luftwaffe, das Synonym des Schreckens. Wie in einer Kriegsfilmszene.2

Auch über die genaue Anzahl der Deutschen sagt Rolf nichts, und, wie bereits erwähnt, auch nichts über das genaue Datum, nur dass schönes Wetter herrschte und es zwei oder drei Personen waren. Parallel zur Unklarheit bei solch scheinbar unverfänglichen Angaben ist er bei anderen Dingen sehr konkret und deutlich. Viele Jahrzehnte später tauchen Informationen auf, bei denen man angesichts dieses Paradoxes die Augen aufreißt. Aber wie so vieles andere zu Rolf in dieser Zeit bleibt auch dies in Nebel eingehüllt. Die Deutschen fragen ihn höflich korrekt, ob er sie zum Grand Hotel begleite; sie wollten etwas mit ihm besprechen. Es handele sich um etwas, das für seinen Bruder wichtig sein könne. Ach ja? Viggo befand sich seit einigen Jahren in deutscher Gefangenschaft, und wie die Familie erfahren hatte, wurde sein Zustand immer schlechter. Erst kürzlich war er in ein neues Lager verlegt worden, ein Stück weiter nördlich. Die Kombination aus Zwangsarbeit, Unterernährung und Krankheit löste bei der Familie Besorgnis aus.

Was konnten die Deutschen mit Rolf vorhaben? Es herrscht Krieg und die Heimat ist besetzt – und wenn dann Gesandte des Feindes wollen, dass man ihnen folgt, hat man mitunter keine große Wahl – egal wie korrekt sie sich benehmen, und unabhängig davon, ob sie zu zweit oder zu dritt sind. Indem er sagt, er müsse erst das Fahrrad in Ordnung bringen, bevor er sie begleiten könne, verschafft sich Rolf ein wenig Bedenkzeit. In Ordnung, das wird ihm gestattet. Sie wollen höflich sein, sind scheinbar in einer wichtigen Angelegenheit unterwegs. Andererseits ist es zu der Zeit auch nicht so ungewöhnlich, von Deutschen angehalten zu werden, weshalb es ihn womöglich auch gar nicht so sehr verwundert? Schwer zu beurteilen ist ebenso, wie überrascht er war, dass gerade er aufgesucht wurde. Zumindest äußert er sich später darüber nicht deutlich.

Warum er?

Die Norweger haben sich daran gewöhnt, dass Launen der Besatzungsmacht Teil des Alltags sind. Es ist das vierte Kriegsjahr. Die Angst, dass eines Tages ein Deutscher an die Tür klopft, sitzt bei den Menschen tief. Jeder hat von jemandem gehört, der auf diese Weise abgeholt worden ist. Oft mitten in der Nacht oder früh am Morgen. Was aber wollen sie von Rolf? Und warum gerade jetzt? Ist er verhaftet? Was hat er getan? Es muss einen fachlichen Zusammenhang geben, er hat immer viel mit Deutschland zu tun gehabt. Hat eine deutsche Großmutter. Aber sie haben den Bruder erwähnt? Er stimmt zu, sie zum Hotel zu begleiten.

Dort erfährt er mehr. Selbstverständlich wollen sie etwas erreichen. Selbstverständlich bieten sie etwas im Austausch. Was Rolf darüber dachte, im ehrwürdigen Grand Hotel auf der Karl Johans gate, wissen wir nicht. Er hat in mehreren Interviews von dieser Episode berichtet, sich aber stets an die Standardversion gehalten: ein nüchternes, ganz sicher durchdachtes Referat über die Geschehnisse. Was er fühlte oder dachte, hat er nie gesagt. Man kann spekulieren und sich fragen, ob ihm der Gedanke kam, dass sie ihn als Spion anwerben wollten. Schließlich lag dafür alles bereit. Er sprach fließend Deutsch, hatte zehn Jahre in Deutschland gelebt und verfügte über ein großes Netzwerk.

Die Offiziere hatten ihn an einen neutralen Ort mitgenommen. Aber auch dort wollten sie nicht alles darüber sagen, worauf sie aus waren. Wie sehr er zu diesem Zeitpunkt glaubte, dass es mit seinem Bruder zu tun habe, ist schwer zu sagen. Möglicherweise dachte er, das hätten sie nur als Lockmittel genutzt. Oder er hat gedacht: Jetzt steht es so schlecht um Viggo, dass, sollte es auch nur ein kleines Fünkchen Hoffnung geben, nichts unversucht bleiben darf, selbst einen Beitrag zu leisten, um ihm zu helfen. Kontakt zu Deutschen eingeschlossen. Aber es gab auch andere Möglichkeiten.

Am Tag darauf gehen die Gespräche weiter. Wie sich herausstellt, sind die Deutschen Röntgen-Experten, und sie haben sich gut vorbereitet. Er begreift, dass sie alles über seine Ausbildung wissen, darüber, dass er in Karlsruhe studiert und in Aachen seinen Doktor gemacht hat. Sie kennen den Inhalt seiner Doktorarbeit. Sind sich im Klaren darüber, dass er in Deutschland gearbeitet hat, aber nach Norwegen zurückkehrt ist. Und nicht zuletzt wissen sie, dass kürzlich in der Märzausgabe von Archiv für Elektrotechnik ein Artikel von ihm erschienen ist – in der Zeitschrift, die 15 Jahre zuvor seine Doktorarbeit veröffentlicht hatte. Der Artikel behandelte seine eigene Arbeit sowie die der Amerikaner auf dem Gebiet und umfasste neue Ideen von Betatronen in verschiedenen Größen.

Es wäre nicht erstaunlich, wenn Rolf die Zeichen jetzt versteht. Dass es die Deutschen aus speziellen fachlichen Gründen auf ihn abgesehen haben. Zumindest zieht er jetzt selbst die Verbindung zu seinem letzten Artikel. Ihm fällt auf, dass sie sehr gut orientiert sind. Nicht viele verstehen die Bedeutung von dem, was er darin geschrieben hat. Die Offiziere müssen Kontakte bis in die obersten Reihen des europäischen Physikmilieus haben. Schmeicheleien sind nicht ungewöhnlich, wenn die Kriegsmacht etwas erreichen will. Alle Mittel sind erlaubt und werden im Großen und Ganzen schnell durchschaut. Das aber sind mehr als Schmeicheleien. Die hier wissen, wovon sie reden. Und sie sprechen über seine eigene große Forschungsidee.

Zur Fortsetzung des Gesprächs wollen sie ihn an einen dritten Ort mitnehmen, nach Berlin. Alles im besten Spionage-Stil. Noch ist er unsicher. Sie wiederholen, dass es dem Bruder möglicherweise helfen könne. Deuten sogar an, dass Viggo freigelassen werden könnte. Sie selbst verfügten zwar nicht über derartige Vollmachten, aber sie könnten ein gutes Wort einlegen. „Das war entscheidend für mich und ich zeigte mich bereit, die Gespräche in Berlin fortzuführen“, sagte er später.

Vielleicht würden sie sich für den Bruder einsetzen, vielleicht nicht. Auf jeden Fall reist er mit ihnen nach Berlin, einer Stadt, die er nach fast vier Jahren bei AEG gut kennt. Dort lebt auch sein Freund aus Studienzeiten, Ernst Sommerfeld, der nunmehr ein anerkannter Patentberater ist und ihm in den letzten Jahren bei mehreren seiner Anträge geholfen hat.

Einige Tage später

Die Reise nach Berlin sollte jetzt stattfinden. Unmittelbar. Und sie sollte mit dem Flugzeug erfolgen. Das Erste ist nicht unerwartet. Das Zweite dagegen speziell. Mit dem Flugzeug? Jetzt? Das muss wichtig sein. Bereits ein oder zwei Tage, nachdem er kontaktiert wurde, ist er auf dem Weg nach Deutschland. Gut geplant. Deutsche Effektivität.

In Berlin kommen sie dann zur Sache, zumindest teilweise. Sie beabsichtigen den Bau eines Betatrons. Die Arbeit soll in Hamburg erfolgen. Die Behörden haben dem Projekt Priorität eingeräumt. Möglicherweise sollen später weitere Maschinen gebaut werden, vielleicht noch größere. Sie sehen in Rolf den größten Experten dieser Technologie und wollen ihn als fachlichen Leiter des Vorhabens. Und – dann kommt es erneut – sollte er hinsichtlich des Projekts zur Zusammenarbeit bereit ist, würden sie ihrerseits alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Haftbedingungen des Bruders zu mildern, ihn bestenfalls ganz freizubekommen. Sagen sie.

Hört man heute von einer solchen Episode, kann man denken – was viele damals auch taten: Es ist Krieg, Menschen werden aufgesucht, verhaftet, kommandiert, Dinge zu tun oder nicht zu tun. Der Feind regiert das Land. Und wenn mehrere uniformierte hohe Vertreter im Auftrag des Feindes kommen und mit einem „verhandeln“ wollen, dann begreift man. Dann läuten die Alarmglocken, dann heulen die Sirenen, dann gellen die Hörner. Dann aktivieren sich alle Gefahrensignale. Ist das jetzt der Fall? Denkt Rolf so?

Er wird mit neuen Details darüber gefüttert, über welches Wissen die Deutschen verfügen. Sie kannten zum Beispiel den Artikel von Kerst aus dem Jahr 1941, von dem Rolf im Vortrag von Professor Roald Tangen in Oslo gehört hatte. Sie wussten, dass es Kerst in den USA gelungen war, ein funktionsfähiges Betatron mit einer Energie von 2,3 MeV zu bauen. Und sie hatten von Rolf gelesen, der das Prinzip entwickelt hatte, welches die Amerikaner dann in der Praxis umgesetzt hatten. Sie waren sich im Klaren darüber, dass Rolf, der nun seit mehreren Jahren Ausrüstung für die norwegische Stromindustrie entwickelte, seine Idee aus der Jugend wieder aufgegriffen hatte und die aktuelle Forschung sehr genau verfolgte. Dass er die Arbeitsstelle gewechselt hatte und in einem anregenden Umfeld tätig war, wussten sie auch. Hier ist die Rede von Überwachung, um nicht zu sagen, Industriespionage, dem Ausspionieren industrieller Geheimnisse.

Die Industrie mit im Boot

In den vergangenen Jahren hatte Rolf Kontakt zur Mutterfirma Brown Boveri in der Schweiz gehabt und vorgeschlagen, dass sie dort mit dem Bau von Strahlentransformatoren beginnen sollten. In einem der Briefe erinnert ihn die Leitung von Brown Boveri daran, nicht zu vergessen, seine Ideen in Deutschland patentieren zu lassen und – sobald es nach dem Krieg möglich würde – auch in den USA und England. Sie boten ihre Hilfe dabei an, denn auf beiden Seiten des Atlantiks bestand jetzt Interesse an Betatronen. Bei Siemens hatte man bereits mit dem Bau eines kleineren Betatrons von 6 MeV begonnen. Als Verantwortlicher für die Arbeit, die auf den Ideen und Zeichnungen von Max Steenbeck beruhten, die Rolf aus seinen Berliner Jahren direkt nach dem Studium kannte, war der Röntgenspezialist Konrad Gund ausgewählt worden.

Die deutschen Behörden verfolgten selbstverständlich genau, was in der Forschung vor sich ging. Die Fantasie dahingehend, was dort geplant war, blühte, und es galt vorsichtig zu sein. Durch seine Kontakte hatte Rolf den in der Industrie und Forschung stattfindenden Wettlauf mehr oder weniger verfolgen können. Warum sollte er also überrascht sein, dass deutsche Behörden ihn zu überzeugen versuchten, Betatrone für sie zu bauen? Außerdem war das doch schließlich sein Jugendtraum. Ein Betatron zu bauen. Einem Amerikaner war es kürzlich gelungen. Jetzt war Rolf an der Reihe, ein noch größeres und noch besseres zu bauen. Schließlich hatte Kerst seinerzeit auf Rolfs Grundlage aufgebaut. Und obwohl ihm die Stelle bei NEBB bessere Möglichkeiten bot als die vorhergehende, fehlte es Rolf am nötigen Umfeld für diese Art von Tätigkeit. Kein Geld, keine Ausrüstung. Norwegen besaß so etwas nicht. Zumindest nicht zu dieser Zeit. Dann kommt die Chance. Ihm auf der Straße entgegen. Labor, Mitarbeiter, Geld. „Sie sind der Chef. Machen Sie, was Sie wollen. Hauptsache, Sie bauen ein Betatron.“ Mit 15 MeV. Und das schnell.

Das ist die Möglichkeit, die eigenen neuen Ideen vom Betatron mit so hoher Energie zu realisieren, dass es zur Krebsbehandlung eingesetzt werden kann. Er hat keinen Einblick in Radiobiologie und Strahlentherapie, als Physiker aber versteht er, wie Strahlen in ein Krebsgeschwür eindringen können. Er kann voraussehen, dass durch den Einsatz hochenergetischer Strahlung größere Strahlendosen in das Geschwür und geringere in das gesunde Gewebe gelenkt werden können, damit letzteres nicht geschädigt wird. Mit anderen Worten: Mittels hoher Energie würde die Strahlentherapie effektiver, besonders bei der Behandlung tiefliegender Geschwüre. Je höher die Energie, desto günstiger würde es sich auswirken. Wahrscheinlich meinte er, dass eine noch höhere Energie als 15 MeV günstig sei. Aber: Wenn die Deutschen ein Betatron mit 15 MeV wollten, dann war das in Ordnung. Dann sollten sie es bekommen. Das war immerhin ein Anfang. Eine angemessene Herausforderung. Ein Sieg in Sicht. Und – wenn er erfolgreich war – ein Instrument, das Krebspatienten helfen konnte. So etwas in der Art könnte er gedacht haben.

Artikelangebot an eine deutsche Zeitschrift

Er verfügte über fachliche Kontakte, mit denen er im Winter zuvor im Briefwechsel gestanden hatte; unter anderem hatte ihm ein Professor aus Berlin lange Briefe voller Formeln geschickt und immer mit „Heil Hitler!“ geschlossen.3 Das ganze Frühjahr über hatte Rolf an einem Folgeartikel für die Zeitschrift gearbeitet. Am Montag, den 12. Juli, registrierte die Redaktion ihn als „erhalten“. Darin präsentierte er neue Details, wie man nicht nur ein 15-MeV-Betatron bauen könne, sondern eines von 200 MeV.4 Allerdings wird der Artikel nie gedruckt. Das Manuskript wird gesetzt, wie es in der damaligen Typografiesprache hieß, und Rolf erhält einen Korrekturabzug. Auf mysteriöse Weise verschwindet der Artikel jedoch, bevor er in Druck geht.5 Es ist Krieg und man macht sich Gedanken über Zensur, über Spionage. Vielleicht ist das Manuskript auch ganz einfach durch einen Zufall abhandengekommen. Solch banale Dinge geschehen auch in einem Weltkrieg. Vielleicht kontaktiert er die Redaktion, mahnt oder fragt, warum der Artikel nicht erschienen ist. Etwas anderes wäre seltsam. Die meisten werden jedoch sagen, dass es überhaupt seltsam für einen Norweger ist, während des Krieges Artikel an eine deutsche Zeitschrift zu schicken, so wissenschaftlich diese auch sein mögen. Später erfährt er, dass das Manuskript den Geheimhaltungsstempel erhalten hat, also nicht veröffentlicht werden kann. Lediglich Eingeweihten gegenüber. Jemand kennt den Inhalt also trotzdem.

Die Redaktion befand sich in Berlin. Theoretisch könnte Rolf den Artikel dabeigehabt und direkt übergeben haben. Die Umstände machen es jedoch wenig wahrscheinlich, dass er den Verlag aufsuchen konnte. Ist es möglich, dass der Redakteur selbst seine Finger im Spiel hatte? In Ermangelung harter Fakten melden sich derart spekulative Gedanken. Kann es sogar sein, dass die Tour es Rolf ermöglichte, persönlich in Berlin zu sein, als er am 15. Juli sein erstes deutsches Patent anmeldete? Noch unwahrscheinlicher. Auch dieses Mal hatte er juristischen Beistand von seinem Freund Sommerfeld. Ob er ihn besuchte? Es ist nicht bekannt, welche Freiheiten er besaß. Wenn die Deutschen wussten, dass er sowohl an einem Artikel als auch an einem Patent arbeitete, war es besonders geschickt, ihn gerade jetzt nach Berlin zu locken. Antworten auf Fragen dieser Art werden wir meiner Meinung nach niemals finden. Auch glaube ich, dass das nicht notwendig ist. Dagegen bin ich überzeugt, dass es mitunter nützlich ist, sie zu stellen und hinsichtlich der faktisch vorliegenden Angaben zu überdenken, zumal einige davon durchaus verlässlich erscheinen. Auf der anderen Seite gibt es Fakten, die komplett fehlen, während Rolf uns oft Dinge wissen lässt, die weniger wichtig sind. So etwas ist mitunter auffällig, muss aber nicht unbedingt beabsichtigt sein.

Deutsche Kontakte

Denkbar ist auch, dass die Tour nach Deutschland es Rolf ermöglicht hat, einen anderen deutschen Kontakt zu treffen, der in diesem Zusammenhang noch interessanter ist, nämlich Direktor Schwartz, den er bei mehreren Besuchen bei NEBB in Oslo kennengelernt hatte. Es ist bekannt, dass Rolf Schwartz gegenüber irgendwann die Idee geäußert hatte, einen Antrag auf Begnadigung des Bruders zu stellen. Der Deutsche war im Reichskommissariat in der Abteilung für den Ausbau der norwegischen Wasserkraft angestellt und Rolf wusste, dass er Kontakte zu Ingenieur Fritz Todt hatte, der zu Kriegsbeginn deutscher Rüstungsminister war. Rolf bat ihn um Hilfe, damit der Antrag in die richtigen Kanäle geriet, um bei jemandem mit Entscheidungsbefugnis zu landen. Und Schwartz entgegnete, dass er dabei durchaus behilflich sein könne. Aber selbstverständlich würde der Antrag eine stärkere Position haben, wenn Rolf etwas in der Art eines von ihm publizierten Artikels vorlegen könne, der eine deutschfreundliche Haltung aufweist, oder wenn er eine passende Summe an eine deutschfreundliche Organisation spenden würde. So etwas würde bei der Beurteilung des Antrags Beachtung finden, so Schwartz.6

Aber wissen wir, ob dieser Direktor Schwartz nicht sogar ein Puzzleteilchen in dem Ganzen ist? Hat er Verbindung zu denen, die nach Norwegen geschickt wurden, um Rolf zu überreden? Ist er wirklich Rolfs Freund und Vertrauter? Was wissen die deutschen Behörden über seinen Kontakt zu Rolf? Stecken sie vielleicht dahinter? Wenig deutet darauf hin, und Rolf lässt sich darauf ein. Er hat bereits einen Artikel, den er vorzeigen kann. Der hatte im Vorjahr im Teknisk Ukeblad gestanden, in Nr. 15 am 16. April 1942 – ein Referat der Reise einer norwegischen Delegation, der er angehört hatte, nach Deutschland zum Studium des Stromausbaus. Hierin taucht auch ein Direktor Schwarz auf – als Reiseleiter und ohne „t“ geschrieben. Sehr wahrscheinlich handelte es sich um ein und dieselbe Person. Der Artikel trägt die Überschrift „Technische Eindrücke von der Studienreise der norwegischen Ingenieure nach Deutschland vom 10. bis 23. September 1941. Von Dr.-Ing. Rolf Widerøe“. Die Einleitung lässt keinen Zweifel daran, wer eingeladen hatte:

„Auf Veranlassung von Reichskommissar Terboven und Reichsminister Dr.-Ing. Todt, Generalinspektor für Wasser und Energie, lud die Arbeitsgemeinschaft für den Elektrizitätsausbau Norwegens im Sommer eine Reihe von norwegischen Wasserkraft- und Elektroingenieuren zu einer Studienreise nach Deutschland ein, damit sie sich selbst eine Vorstellung von der Ausnutzung der deutschen Energiequellen machen konnten.“

Rolf schreibt lobend über die Organisatoren der Tour, denen „ein wesentlicher Teil der Ehre dafür zukommt, dass das Ganze so erfolgreich war“. Seinem Bericht zufolge nahmen daran 18 norwegische Ingenieure teil, die Reiseleitung oblag Direktor Schwarz und Dr. Schoppe. Diese beiden begegneten der Delegation am Tag vor der Abreise in Oslo, wo auch ein Abendessen arrangiert wurde. Im weiteren Verlauf des Artikels berichtet er aus dem Einladungsschreiben von Reichsminister Todt. Todt – vor allem bekannt als Leiter der halböffentlichen Organisation Todt, die für den Ausbau der Infrastruktur verantwortlich war – hatte auf gemeinsame Interessen der beiden Länder im Wasserkraftausbau hingewiesen. Der Brief endete mit dem Ausdruck der Hoffnung, dass die Reise die Teilnehmer in die Lage versetzen möge, sich ein Bild von Adolf Hitlers Deutschland zu machen.

Dann folgt Rolfs Beschreibung der zwölftägigen Exkursion, ein drei- bis vierseitiger Ingenieur-zu-Ingenieur-Bericht voller Begriffe wie Generatoren, Dämmungen, Magazine, Pumpen und Kilowatt. Chronologischen Wendungen der Art: „Am nächsten Tag …“, „Nach dem Vortrag schauten wir … an“. Aber auch mit Lobpreisungen von Zugfahrten durch schöne Gebirgslandschaften und fachlicher Begeisterung darüber, wie die Deutschen ihre Stromversorgung organisiert und koordiniert haben, was er wärmstens empfahl. Zum Schluss stattet er dem Kulturleben einen Besuch ab:

„In Berlin, München und vielen anderen Orten erhielten wir überzeugende Eindrücke von der modernen deutschen Kultur, wie sie sich heute im neuen deutschen Baustil, in der architektonischen Schönheit der Autobahnen und des Olympiastadions, in der Malkunst und im bewussten Streben nach der Erschaffung von Werten, die über unsere Generation hinaus bestehen sollen, manifestiert.“

Am Schluss fügt er hinzu, dass auf den 3000 von ihnen zurückgelegten Kilometern der Krieg das Land nicht so stark geprägt habe, in der Tat erstaunlich wenig, abgesehen von der „Tarnung und anderen Luftschutzmaßnahmen“.

Der Artikel und die Schreibweise können ausgelegt, seziert und missdeutet werden. Man kann ihn so lesen, wie ein weiser Mann die Bibel liest, sagen, dass er von einem typischen Nazi geschrieben wurde. Dass er mit geführter Hand geschrieben wurde. Dass er von einem Elektroingenieur geschrieben wurde, der für die Koordination norwegischer Kraftwerke eintrat. Durch die norwegische Brille der Zeit gelesen, musste der Autor zweifellos als Nazi-Sympathisant betrachtet werden. Warum er mitgefahren war und warum er den Artikel schrieb – das blieb sein Geheimnis. Und für die Nachwelt ein Mysterium. Für Schwartz war das der Beweis, den er brauchte, um weiterzugehen. Ein deutschfreundlicher Reisebericht. Klug? Unklug? Rolf tat es zumindest, reiste und schrieb. 80 Kronen, was nach heutigem Geldwert etwas weniger als 200 € entspricht, gingen an die Freiwilligen-Legion Norwegen, die Organisation der Kriegsfreiwilligen, der Abteilung der Waffen-SS, die auf Initiative von Quisling und Terboven errichtet wurde, um an der Ostfront gegen die Sowjetunion zu kämpfen. Mit anderen Worten: Der Antrag wurde abgeschickt. Das Geld bezahlt. Der Artikel geschrieben. Hinzu kam eine namentlich genannte einflussreiche Person, die versprach, den Antrag an höherer Stelle zu empfehlen. Es ist das Jahr 1942. In der Zwischenzeit ist Schwartz' Vorgesetzter verstorben. Todt war nämlich bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, einem angeblich mysteriösen Unglück nach einem Streit mit Hitler. Sein Nachfolger Albert Speer hätte im selben Flugzeug sitzen sollen, hatte sich jedoch für eine spätere Maschine entschieden.

Und die Antwort lautet …

Im Sommer darauf befindet sich Rolf also in Berlin, um das Gespräch mit den Deutschen fortzuführen. Noch hat er nicht geantwortet, ob er den Forschungsauftrag annehmen will. Sagt er Ja, würde das den Offizieren gefallen. Sagt er Nein, kann das theoretisch zwei Folgen nach sich ziehen: Entweder akzeptieren die Deutschen es und schicken ihn nach Hause. Oder sie setzen härtere Mittel ein, um ihn zum Bleiben zu zwingen. Nachdem sie so viel investiert haben, um ihn zu bekommen, wirkt Erstgenanntes in einer Kriegssituation nicht sehr wahrscheinlich. Darüber, welche Gedanken einem durch den Kopf gehen, wenn der Feind fragt, ob man für ihn arbeiten wolle, lässt sich nur fantasieren. Ob Rolf die Deutschen durchschaute? An einigen Punkten skeptisch war? Angst hatte? Oder ob er ganz im Gegenteil dachte, es würde ihm gelingen, sie zu täuschen? Ja, wenn er überhaupt an etwas anderes dachte als an seine Forschung. Dass hat er uns nie ganz wissen lassen. Vielleicht wollte er helfen? Aber wem – und womit? Den Krieg zu gewinnen? Der Herstellung medizinischer Ausrüstung? Steht er in jemandes Dienst? In dem Fall: Auf welcher Seite? Der einen oder der anderen? Beiden?

Was wir wissen, ist, dass Krieg herrscht. Dass Rolf intelligent, weit gereist, sozial gut angepasst ist. Familie hat. Ehefrau und drei Kinder. Eine Mutter und einen Vater, die stolz auf ihn sind. Drei Schwestern, die ihn mögen. Nichten und Neffen. Einen Bruder, dem er all die Jahre Kamerad war und der jetzt in deutscher Gefangenschaft sitzt. Er hat eine große Familie, die zusammenhält. Seit 20 Jahren Freunde in und berufliche Verbindungen nach Deutschland, mit denen er nach wie vor im Kontakt steht. In Oslo besteht der Alltag aus Rationierungskarten und Verdunklungsgardinen. Auf den Straßen bewegen sich Soldaten der Besatzungsmacht. Freunde werden verhaftet. Nachbarn ebenfalls. Zensur und Meinungszwang – das, was ihn in Berlin so gequält hatte, sodass er schließlich nach Hause, nach Norwegen, zurückgekehrt war. Es ist schwer vorstellbar, dass ein Mann wie er nicht begriff, dass es problematisch war, dies mit einer Stelle in Deutschland „zu vereinbaren“, wo doch alles, was mit Deutschen zu tun hatte, mit Argwohn betrachtet wurde. Dennoch überlegt er, in ein deutsches Forschungsprojekt einzusteigen. Warum? Oder begreift er es schlicht und einfach nicht? Denkt nicht so. Ist darüber erhaben. Wer glaubt er zu sein?

Denkt er idealistisch – dass die Forschung zur Krebsbehandlung beitragen wird? Denkt er politisch – dass die Deutschen spezielle Interessen verfolgen, die mit dem Krieg in Verbindung stehen, und ihn deshalb haben wollen? Dass sie das Betatron im Zusammenhang mit Waffen verwenden wollen? Fragt er sich, warum eine Maschine mit der Energie – die nicht so hoch ist, als dass sie irgendeine kriegswichtige Bedeutung haben könnte – für die Deutschen von Interesse ist? Schließlich ist er derjenige, der weiß, wofür sie gut ist. Oder fragt er sich, ob die Deutschen sie zu Propagandazwecken einsetzen wollen?

Denkt er privat und persönlich – dass eine Stelle in Deutschland eine Trumpfkarte sein könnte, etwas, das zur Rettung des Bruders in die Waagschale geworfen werden könnte? Zumindest hat er den Luftwaffe-Offizieren gegenüber die Frage aufgegriffen, ob er mit ihrer Unterstützung für den Antrag zur Begnadigung des Bruders rechnen könne, wenn er Teil des Forschungsprojekts würde. Fürchtet er die eventuellen Konsequenzen im Falle eines Nein? Für den Bruder? Für sich selbst?

Denkt er moralisch – dass man so etwas nicht tut? Man liebäugelt nicht mit dem Feind. Soll er nicht fahren, weil Krieg herrscht? Gute Norweger schlagen solche Angebote ohne Zögern aus. Er zögert. Ist er beunruhigt, wie die Familie es auffassen wird? Denkt er eigennützig? Will er sehen, was er da herausholen kann – der Krieg kann schließlich nicht alles im Leben steuern? Oder denkt er nicht? Denken nur alle um ihn herum? Die sich wundern und fragen, ob er den Verstand verloren hat. Er ist ihnen diesbezüglich wenig behilflich. Teilt seine Sorgen nicht mit. Berichtet nicht von Zweifeln. Beteuert nicht seine Unschuld. Versichert nicht seine guten Absichten. Weiß vermutlich mehr, als er sagt. Es ist Krieg.

1943 ist für die deutsche Kriegsführung das Katastrophenjahr schlechthin. Niederlage jagt Niederlage. Allen voran Stalingrad. Und der Atlantik. An allen Fronten. Rückzug. Es gibt keinen Zweifel mehr daran, wer gewinnen wird. Die Frage ist nur wann. Vielleicht bleibt nicht einmal Zeit, das Betatron zu entwickeln – kriegswichtig oder nicht.

Aber die Familie?

Der Systematiker Rolf versucht Klarheit in die Details zu bringen, die praktischen wie die formalen. In Berlin werden die Gespräche mit den deutschen Offizieren konkreter. Zu dieser Zeit sind die Alliierten dazu übergegangen, deutsche Städte großflächig zu bombardieren, und Rolf macht früh deutlich, dass es unter solchen Umständen nicht infrage kommt, mit der Familie nach Deutschland zu ziehen. Die Verhandlungsdelegation bietet an, dass die Familie in Norwegen bleibt und er die Möglichkeit zum Pendeln bekommt. Mit dem Flugzeug. Und damit nicht genug: Den theoretischen Teil der Entwicklungsarbeit kann er zu Hause in Oslo erledigen. Was allerdings den eigentlichen Bau des Beschleunigers betrifft, da muss er physisch anwesend sein und die Arbeit in Deutschland begleiten.

Die Ehefrau und die Kinder können also in Røa bleiben. Rolf behält seine Anstellung bei NEBB und wird für das Projekt nur ausgeliehen. Der Lohn soll an die Ehefrau ausbezahlt werden. In Deutschland soll er eine Wohnung, Verpflegung und Geld erhalten. Alles Praktische ist geklärt. Dennoch ist ihm noch vieles unklar. Über den Grund, warum sich gerade die Luftwaffe an ihn gewandt hat, weiß er genauso wenig wie zuvor, und mit dem Status Fremdarbeiter soll er auch nicht mehr erfahren. So viel hat er mitbekommen. Auch sagen sie nicht, wozu die Luftwaffe das Betatron nutzen will. Dass sich die deutschen Behörden jedoch für den Wettlauf zwischen amerikanischen und europäischen Forschern interessieren, ist deutlich und überrascht ihn kaum. Das wissenschaftliche Säbelrasseln auf dem Gebiet der Beschleuniger hält seit Langem an. Er selbst hat dazu beigetragen. Dass die Deutschen, unabhängig davon, wozu sie das Betatron verwenden wollen, sich gegenüber den Amerikanern behaupten wollen, ist auch relativ klar. Wobei die offizielle Linie lautet, dass das Betatron-Projekt ins Leben gerufen wurde, um neue und bessere Apparate zum medizinischen Gebrauch zu entwickeln.

Sofern sein scharfsinniges Gehirn Kontrolle über all diese Aspekte behält, so sagt er darüber zumindest nichts. Schreibt es nicht auf. Wie viel oder wie wenig er von dem versteht, worauf er sich jetzt eventuell einlässt, weiß vermutlich nur er selbst. Vielleicht nicht einmal das. Die Kombination aus Weltpolitik und Alltagsbewältigung ist in diesen Zeiten im wahrsten Sinne des Wortes von Minen gesäumt. Ebenfalls nicht in Leuchtbuchstaben an die Wand geschrieben steht, welche Chancen man im Leben ergreifen soll. Allein er selbst kann das Risiko einer Zu- oder Absage beurteilen. Und er ist es, der sich entscheiden muss. Die Konsequenzen wirken sich jedoch auch auf andere aus.

Die Antwort lautet Ja unter der Bedingung, dass die Offiziere der Luftwaffe alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Sicherheitspolizei hinsichtlich einer Freilassung Viggos zu beeinflussen. Sie versprechen Unterstützung, wiederholen aber den Vorbehalt, dass sie selbst keine Befugnis dahingehend haben. An und für sich durchaus glaubwürdig. Dennoch können sie ihren Einfluss nutzen, ihn freizubekommen, oder zumindest die Haftbedingungen zu erleichtern. Sagen sie. Glaubt er ihnen? Sagen sie die Wahrheit?

„Dienstverpflichtet“ in Hamburg

Die Deutschen haben keine Zeit zu verlieren. Im August ist Rolf in Hamburg. Formal und offiziell ist er jetzt das, was sich in deutscher Kriegssprache „dienstverpflichtet“ nennt. Ausführen sollte er das, was die Amerikaner und Engländer als compulsory labour bezeichneten. Und das ist eine Verpflichtung, nicht für irgendetwas, sondern „für eine besondere Aufgabe“. Als es um alles geht und die Kriegsmaschinerie getrimmt werden soll, besteht seine „besondere Aufgabe“ darin, Strahlentransformatoren für die deutsche Luftwaffe zu bauen. Für einen Arbeitgeber, der direkt Rüstungsminister Albert Speer untersteht. Jetzt ist er mittendrin.

Das genaue Datum, wann er anfing, ist nicht ganz klar. Aber es war ein brutaler Start. Die Stadt war kurz zuvor von britischen und amerikanischen Flugzeugen bombardiert worden. Es handelte sich um das Bombardement mit dem bizarren Codenamen „Operation Gomorrha“, das von Churchill und den Alliierten lange geplant worden war. Der größte Angriff fand in der Nacht vom 27. auf den 28. Juli 1943 mit über 700 Flugzeugen statt. Es brannte tagelang. Die Stadt war wie ein Kamin, hieß es. Alles war rot und schwarz. Die Menschen schliefen nicht, waren in steter Bereitschaft, die Luftschutzkeller aufzusuchen. Am 3. August war es vorbei. Als Rolf dort ankommt, sind alle mit der Bombardierung beschäftigt. Er erhält eine Wohnung in einem Haus am Stadtrand. Die Unterkunft ist in Ordnung, aber er vermisst die Familie. Die Zerstörungen um ihn herum machen es nicht besser. 50.000 Tote, eine Million Obdachlose. Die Hansestadt Hamburg wirkt wie Sodom und Gomorrha aus dem Alten Testament – die zerstörten Städte, in denen seither niemand mehr wohnen wollte. Im Gegenzug gilt sie jetzt als ein verhältnismäßig sicherer Aufenthaltsort. Es ist nicht mehr viel übrig, was bombardiert werden könnte.

Gerade deshalb eignet sich die Stadt für das neue Projekt der Luftwaffe. Zudem befindet sich dort eine wichtige Fabrik, C.H.F. Müller oder „Röntgenmüller“. Sie wurde seinerzeit vom Glasbläser Carl Heinrich Florenz Müller gegründet. Jetzt gehört sie zu Philips in den Niederlanden und stellt unter anderem Röntgenröhren her. Die Gebäude sind nach dem Bombardement praktisch unbeschädigt. Hier soll die Arbeit an Rolfs Betatron stattfinden. An der Auswahl des Ortes war er selbst beteiligt. Mit Glasbläserwerkstatt und vorhandener Kompetenz in der Vakuumtechnik eignet sich die Fabrik ausgezeichnet. Hier am Ufer der Elbe, im Norden Hamburgs in Fuhlsbüttel, soll das erste 15-MeV-Betatron Europas gebaut werden. Nazi-Deutschland bezahlt.

Der Erste, den er kennenlernt, ist Richard Seifert. Der betreibt in Hamburg eine international anerkannte Röntgenfirma, die er von seinem Vater übernommen hat. Jetzt ist Rich. Seifert & Co. Hauptlieferant von Apparaten für die Materialtestung in der Flugzeugindustrie; die Firma hat seit Langem Kontakt zu Röntgenmüller. Anfangs hatte Seifert dort seine Röhren bestellt. Später ließ er sie bei AEG in Berlin bauen, worüber man bei Müller selbstverständlich nicht sonderlich glücklich war. Allerdings stellt das keine Bedrohung für das Verhältnis zwischen Richard Seifert und Rolf dar, weder auf geschäftlicher noch auf persönlicher Ebene. Die beiden pflegen auch privat Umgang. Rolf entwickelt großen Respekt vor ihm und beschreibt ihn als tüchtig, hart arbeitend und „einen guten Menschen, der mir in meiner besonderen Situation sehr half“.7

Sein eigener Chef

Rolf hat keinen direkten Vorgesetzten. Er soll nicht wissen, für welche Organisation er arbeitet. Deshalb beschäftigen ihn noch immer unbeantwortete Fragen. Eine davon lautet, wer der offiziell Verantwortliche für das Projekt ist. Er begegnet vielen Beteiligten und kann nicht die Übersicht über alle behalten, mit denen er zu tun hat oder die irgendeine übergeordnete Funktion bekleiden, politisch oder anderweitig. Auch wird nicht alles klar und eindeutig ausgesprochen. Er selbst sieht in Oberst Friedrich Geist von der Luftwaffe den formal Verantwortlichen. Geist war in Speers Rüstungsministerium Chef für technische Forschung und Entwicklung, also eine wichtige Person des Systems und, dem Nobelpreisträger Heisenberg zufolge, Speers rechte Hand. Rolf besuchte Geist ein paar Mal in dessen Büro. „Ein netter Kerl, recht sympathisch“, wie Rolf es ausdrückte und hinzufügte: „Neben der Sache hatte ich nichts mit ihm zu tun.“8

Viel zu tun hat er hingegen mit einer kleinen, halböffentlichen Firma, die als Bindeglied zwischen ihm und dem Reichsluftfahrtministerium in Berlin fungiert, das seine Arbeit finanziert. Der Chef der Firma heißt Hollnack. Niemand verwendet seinen Vornamen, Theodor. Rolf zufolge eine wundersame, äußerst penible, leicht überspannte Person, die die Leute mit ihrem Interesse für Nietzsche überschüttete.9 Hollnack hat Macht. Er ist administrativ für das Betatron-Projekt verantwortlich und agiert als Unterhändler zwischen den Behörden und Rolf. Er ist es auch, der für die praktische Auszahlung des Geldes an Rolf zuständig ist. Geld scheint im Übrigen kein großes Problem zu sein, so Rolf. Er und Hollnack kommen gut miteinander aus. Rolf vermutet bei Hollnack eine Hitler-freundliche Einstellung, gibt jedoch an, mit ihm nie über Politik gesprochen zu haben. Vermutlich ist dieser es, der die Verbindung zu Richard Seifert hergestellt hat, und es scheint, als habe er neben dem Strahlenprojekt diverse andere Geschäfte laufen, die mit Aluminium zu tun haben. Mit seiner Meinung, dass Hollnack merkwürdig sei, ist Rolf nicht allein. Aber merkwürdig oder nicht: In den kommenden Jahren wird er für Rolfs Schicksal wichtig.

Auf der fachlichen Ebene gibt es keinen Zweifel daran, dass Rolf der Chef ist. Den Rang macht ihm niemand streitig, und „zu irgendwelchen hohen Posten“ gab es ihm zufolge „überhaupt keinen Kontakt“. Jetzt soll gearbeitet werden. Ungeachtet dessen, weshalb er dort ist. Qualen oder keine Qualen. Krieg oder kein Krieg. Jetzt geht es um fachliche Arbeit. Darum, die Maschine zu bauen, zu der er die Idee gehabt hatte. Darum, sich auszudenken, wie man Elektronen dazu bringt, in einer bestimmten Geschwindigkeit in einem Kreis zu beschleunigen, und wie man sich den daraus entstehenden Effekt zunutze macht.

Ein schlagkräftiges Team

Bereits im ersten Herbst steht Rolf ein schlagkräftiges Team zur Seite, angeführt von Dr. Rudolf Kollath, Dr. Gerhard Schumann und dem Physikstudenten Bruno Touschek. Auch sie werden von der Luftwaffe bezahlt, also durch Hollnack. Zudem steht Rolf mit der Müller-Fabrik ein erfahrenes Unternehmen zur Verfügung. Der Physiker Kollath hatte einst für das Aluminiumwerk im norwegischen Sauda gearbeitet und war auch im Forschungslabor von AEG in Berlin tätig, wo Rolf seinerzeit ebenfalls gearbeitet hatte, jedoch kaum zur gleichen Zeit. Kollath hat Probleme in Nazi-Deutschland. Weil seine Frau jüdischer Abstammung ist, bekommt er keine Anstellung an einer Universität oder in der Bürokratie, sondern muss in der Industrie arbeiten – alternativ „kriegswichtige“ Arbeit leisten, wie es heißt. Gilt es, besonders schwierige Probleme zu lösen, dann wird der junge ideenreiche Touschek hinzugezogen. Er verfügt über das nötige mathematische Wissen für die theoretischen Berechnung des Projekts. Die Ergebnisse liefert er in ordentlichen, mit Maschine geschriebenen Formularen. Über Schumann erzählt Rolf nicht viel, außer dass dieser seine Arbeit erledigt und er ihn im Grunde nicht sonderlich viel gesehen habe.

Der Student Touschek hingegen beschäftigt ihn. Österreicher. Gerade mal 20. Begabt. Jüdische Mutter. Probleme, eine Studienerlaubnis zu erhalten. Arbeitet heimlich für die Luftwaffe, das heißt für Rolf. Kürzlich aus Berlin gekommen. Findet Unterschlupf in der Wohnung eines Professors Lenz, der krank ist und den er im Fall eines Luftangriffs regelrecht in den Keller tragen muss. Einige Professoren erlauben ihm auch, ihre Vorlesungen an der Universität Hamburg zu besuchen, eine offizielle Registrierung als Student erhält er jedoch nicht. Rolf lernt Touschek bereits im ersten Sommer kennen, in der Wohnung von Professor Lenz. Jedoch wussten die beiden bereits vorab voneinander, hatten auch in Kontakt gestanden. Touschek hatte nämlich Teilzeit in der Redaktion der Zeitschrift Archiv für Elektrotechnik in Berlin gearbeitet. Er kannte also die Betatron-Arbeit und hatte sich damals an Rolf gewandt, weil er meinte, in dem Artikel einen Rechenfehler gefunden zu haben.

Rolf glaubt, hier könne es einen Zusammenhang geben, dass der Redakteur der Zeitschrift, Karl A. Egerer, den Studenten nach Hamburg gebracht habe. Vorher hatte er nämlich eine Teilzeitstelle bei der Firma Löwe in Berlin, wo Egerer selbst einmal angestellt war. Bei Hollnack trifft Rolf „plötzlich“ – von allen Denkbaren – auch Redakteur Egerer. Damals, vor 15 Jahren, als er seine Doktorarbeit eingesandt hatte, hatten die beiden nur postalisch in Kontakt gestanden. Amüsant wäre, wenn Rolf jetzt, da sich die beiden von Angesicht zu Angesicht begegnen, den Redakteur fragt, was aus seinem zweiten Artikel geworden ist. Es ist schwer vorstellbar, dass er es nicht getan hat. Und sollte er nicht gefragt haben, kann dies darauf hindeuten, dass sie in der Zwischenzeit miteinander Kontakt hatten. Erfährt man das im Nachhinein, ist es leicht, „die Glocken läuten zu hören“. Das sind zu viele Zufälle. Wie viel Rolf selbst „hörte“, teilt er seinem Umfeld nicht mit. Jedoch hat er deutlich gemacht, dass das Wissen darüber, wie die Dinge zusammenhingen, schrittweise zunahm.

Durch Touschek und Lenz lernt Rolf auch Hans Eduard Suess und H. J. D. Jensen kennen. Ein besonders gutes Verhältnis entwickelte er zu Suess, der Rolf zufolge kein Geheimnis aus seiner Aversion gegen Hitler machte. Suess war einer von denen, die Touschek, der ebenfalls aus Wien stammte, seine Vorlesungen besuchen ließ. Gerüchten zufolge war er Kommunist.

Extras und Vergünstigungen

Rolf erhält eine gute Bezahlung und auch sonst attraktive Bedingungen. Die ersten Monate arbeitet er im Großen und Ganzen zu Hause in Oslo. Zwischendurch auch in Berlin. Ab und an habe er „die Erlaubnis [erhalten], nach Hause“ zu kommen, sagt er an einer Stelle und wiederholt es fast wortgetreu an einer anderen.10 Andere Male äußert er sich mehr dahingehend, dass er reisen konnte, so oft er wollte, und dass er Dienstreisen im Hinblick auf Ort und Zeit selbst festlegen konnte. Wie viele Freiheiten er hat, ist schwer zu sagen, und die Art, wie er davon spricht, ist vermutlich davon gefärbt, zu wem er es sagt. Zweifellos wird er aber als eine wichtige Person betrachtet, da er überhaupt zwischen Deutschland und Norwegen hin- und herreisen darf. Allein das Fortbewegen im Land mit Zug und Bus erforderte oft Sondergenehmigungen. Man braucht einen Grund. Und er reist mit dem Flugzeug. Sogar ins Ausland. Als nach und nach alle Linienflüge zwischen dem Land des Feindes und seiner besetzten Heimat eingestellt werden. Als zwischen Oslo und Hamburg keine regulären Flugzeuge mehr verkehren. Kein Wunder, dass die Nachbarn in Røa stutzten. Aber es ist Krieg.

Jetzt, in Friedenszeiten, ist es schwer vorstellbar, dass man den Zug nicht nehmen kann, wann und wohin man will. Damals benötigte man von der Polizei ausgestellte Passierscheine, wenn man zu Bahnhöfen wollte, die sich außerhalb festgelegter Zonen befanden. Vor allem galt es Menschen daran zu hindern, in Orte nahe der schwedischen Grenze zu reisen, aus Angst, jemand würde nach Schweden fliehen oder nach Westnorwegen, wo man dann möglicherweise per Boot nach Großbritannien übersetzen konnte. Und Rolf reiste die ganze Zeit von und nach Deutschland. Sicher, das war speziell. Allerdings berichtet er, dass die Reisen mitunter problematisch waren. Zum Beispiel erwähnt er, dass es neblig war, als er im Dezember 1943 zu Weihnachten nach Hause wollte, und deshalb lange in Kopenhagen warten musste, sodass er gerade noch rechtzeitig zu Heiligabend ankam. Manch einer würde das zu dieser Zeit als ein Luxusproblem bezeichnen. Was für Probleme aber sind es, von denen er nichts erzählt? Hat er Angst, verhaftet zu werden? Angezeigt? Wird er manchmal angehalten? Er gibt keine Auskunft darüber, ob er allein reist oder von Offizieren begleitet wird. Sollte er begleitet werden, fürchtet er dann, von Bekannten zu Hause zusammen mit jemandem in deutscher Uniform gesehen zu werden? Es ist nicht sicher, ob er nicht vielleicht selbst eine Uniform trug.

Alltag in der Fabrik

Die Arbeit in der Müller-Fabrik erfolgt in einer Abteilung, die von einem Albert Kuntke geleitet wird. Er war Lehrling bei Rich. Seifert & Co., dann zu Müller gewechselt, wo er mit Unterstützung der Firma eine Ausbildung zum Ingenieur machte. Rolf, der Zugriff auf die dortigen Labors und Mitarbeiter hat, mag ihn und besucht ihn auch einige Male privat, in einem Haus in einem Waldstück außerhalb von Fuhlsbüttel. Die Stimmung in der Fabrik wird von Rolf als gut beschrieben, die Angestellten seien „den Eindringlingen“ gegenüber wohlwollend eingestellt gewesen. Mehrere der Mitarbeiter sind hoch ausgebildete Spezialisten und übernehmen für Rolf selbstständig Aufgaben.

Ebenfalls ein enges Verhältnis entwickelt er zum stellvertretenden Leiter der Fabrik, einem Röntgenspezialisten, sowie einigen der Ingenieure. Der Leiter ist eigentlich Spezialist für ganz andere Dinge als Röntgenröhren und Rolf glaubt, er habe seine leitende Stellung aus politischen Gründen erhalten. Genauso wie Philips steht C.H.F. Müller nämlich unter „Zwangs- und Fremdverwaltung“.11

Einige der Angestellten sind Rolf zufolge äußerst Nazi-freundlich und lautstarke Anhänger Hitlers. Einer davon ist der Leiter des Entwicklungslabors, der Physiker Walter M. Müller, mit dem er viel zu tun hat. Er unterschreibt immer nur mit Dr. Müller, ist jedoch nicht mit dem Firmengründer verwandt. Rolf charakterisiert ihn als nett, tüchtig und beliebt. Allerdings hat er sich notiert, dass er aufgrund der Nazi-Sympathien im Umgang mit ihm sehr vorsichtig sein müsse.12

Oft ist Rolf auch in Deutschland unterwegs, vor allem in Berlin und Mannheim, jedoch wissen seine Mitarbeiter in Hamburg, was sie zu tun haben. Rolf hat den Rahmen festgelegt und generelle Richtlinien aufgestellt.

Die Schrift am Himmel

Bei einem der ersten Heimatbesuche Rolfs, im Spätsommer 1943, unternimmt er zusammen mit Ragnhild eine Urlaubsreise in die Telemark, ins Tuddal Høyfjellshotell. Ob die Kinder dabei sind, ist nicht bekannt. Aber die Arbeit ist dabei. Im Hinterkopf hat er, wie immer, seine technischen Probleme, besonders eines, über das er seit Langem grübelt. Und wie es bei kreativen Seelen oft ist: Wenn sie es sich „erlauben“, ein Thema aufzugreifen und die Gedanken kreisen zu lassen, ist alles, was man sieht und hört, irgendwie damit verbunden. An einem Tag liegt er hinter dem Hotel im Gras und entspannt. Und da passiert es. Während er dort auf dem Rücken liegt und in die Wolken starrt, sieht er es plötzlich ganz klar vor sich, wenn auch nicht in Leuchtbuchstaben, so doch in aller Deutlichkeit: Die Strahlen müssen kollidieren! Man stelle sich nur die Stoßkräfte vor!

Er hat ein Bild vor Augen – eine Episode, die er mehrfach erzählt hat: Eine Wolke, die zu einem stillstehenden Auto geworden ist, und eine andere, die angedonnert kommt und sie direkt trifft. Dann ein anderes Bild. Zwei sich aufeinander zu bewegende Autos: Peng! Crash! Ein viel dramatischerer Zusammenstoß. Viel größere Zerstörung. Autoteile fliegen in alle Richtungen. In Rolfs Kopf sind die Autos Strahlenbündel, die beschleunigt und gegeneinander geschossen werden. Sie kollidieren und es passiert etwas. Rolf hat eine der Entdeckungen seines Lebens gemacht – die Idee, Kernreaktionen auf eine ganz neue Art und Weise zu untersuchen. In der Physik ist man seit Langem daran interessiert, die Eigenschaften des Atomkerns zu studieren, indem man Teilchen in den Kern schießt und den Effekt beobachtet. Und je größer die Energie der eingeschossenen Teilchen ist, desto größer ist die Möglichkeit, etwas über die Atomkerne herauszufinden. Jetzt will er eine spezielle Anordnung erstellen, bei der er beschleunigte Teilchen in sogenannten Speicherringen lagert und von jeder Seite Strahlen gegeneinander schießt. So will er die Kernreaktionen beobachten und studieren.

Nach seiner Rückkehr nach Hamburg erzählt er seinem Assistenten begeistert, welch geniale Gedanken er während des Urlaubs hatte. Der jedoch ist nicht im Geringsten beeindruckt. Was der Chef herausgefunden habe, sei doch ganz klar und etwas, das alle in der Schule lernten. In der Grundschule, behauptet er sogar. Wie konnte er glauben, dass daraus ein Patent würde? Rolf tut aber dennoch das, was er immer zu tun pflegt, geht mit seinen Patentideen zu seinem Freund Ernst Sommerfeld, und zusammen erstellen sie ein Patent für das Prinzip der Speicherringe: Speicherring-Patent Nr. 876 279. Das, was später die Grundlage für CERNs Entscheidung bilden sollte, Mitte der 1960er Jahre den ISR-Beschleuniger zu bauen, den weltweit ersten Hadron Collider. Es ist der 8. September 1943. Für Nicht-Physiker schwer zu verstehen, auf seiner Meritenliste jedoch ganz weit oben. Die Alten haben es schon immer gewusst – und irgendwas ist dran an der Idee, trotz des negativen Kommentars seines Assistenten, denn die Behörden erklären sie als geheim. Keiner fragt warum. Es ist Krieg.

Allerdings nimmt er Touscheks Einwand sehr ernst und erwähnt in dem Patent nichts von dem, was er als „die gewünschte Energiebalance während der Frontkollision“ bezeichnet, da das als bekannt betrachtet werden muss. Touschek seinerseits ist ein wenig beleidigt, dass Rolf überhaupt ein Patent angemeldet hat, wo er ihn doch davor gewarnt hatte. Allerdings spielt das keine so große Rolle, es gilt nur einzusehen, dass die Zeit nicht reif ist, um einen solchen Apparat zu konstruieren. Damit dies gelingen kann, müssen zunächst neue Technologien und neue Instrumente entwickelt werden, weshalb sich die Frage stellt, ob er an dem Patent überhaupt etwas verdienen wird. Die einzigen Teilchenbeschleuniger, die seinem Wissen nach zu so etwas verwendet werden konnten, sind die Betatrone, die der Amerikaner Kerst entwickelt hatte. Sie eigneten sich im Grunde für nichts anderes als Elektronen. Aber wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis es Speicherring-Beschleuniger für andere Teilchenarten gibt, vollkommen unabhängig von den vorhandenen Zyklotronen. Da wusste er nicht, dass es zehn Jahre dauern sollte, bis jemand die Problematik wieder aufgriff.

Was die Realisierung der Patentidee betrifft, kümmert er sich eigentlich nicht um die fehlende Technologie. Was ihn interessiert, ist das Prinzip. Dafür will er sich den Zugang sichern. Das Vakuumproblem, mit dem er sich abmüht, legt er beiseite – zumindest bis auf Weiteres. Es begleitet ihn seit Langem und er wird es kaum aufgeben. Momentan aber ist es unlösbar. Es braucht ein noch besseres Vakuum, um Teilchen über längere Zeit zu speichern, ohne dass sie mit den Molekülen im restlichen Gas kollidieren. Ihm ist auch klar, dass es der Strahlenposition an Stabilität fehlt. Das hat er seit dem Studium begriffen und weiß genau, wie schwer das hinzubekommen ist. Kerst war der Erste, der das in der Praxis gelöst hat. Dann ist da das Problem, gleich geladene Teilchen dazu zu bringen, in derselben Röhre ihre jeweilige Richtung einzuschlagen. Hierfür denkt er sich eine fantasievolle Lösung aus, an die er nicht einmal selbst richtig glaubt. Die Teilchen sollen von elektrischen Feldern geleitet werden. Dann findet er heraus, dass es leichter ist, zwei Ringe mit steuernden Magnetfeldern zu verwenden. Aber nichts von diesen „Lappalien“ rüttelt daran, dass die beste Art, die Energie der beschleunigten Teilchen zu nutzen, darin besteht, sie frontal kollidieren zu lassen. So war es. Also vielleicht ließe es sich eines Tages ja realisieren. Sein Assistent Touschek teilt den Enthusiasmus nicht, schafft es aber keineswegs, Rolfs Optimismus zu dämpfen.

Die Speicherringe sind nicht das Einzige, was ihn interessiert. Er ist in Schwung. Bereits am 15. Juli hatte er sein allererstes Betatron-Patent (Nr. 889 659), das Injektionssystem des Betatrons betreffend, angemeldet, ein klarer Nachfolger seiner Doktorarbeit. Donnerstag, den 2. September, schickt er zwei Anträge ein, das Betatron-Patent Nr. 2 für „elektrische Linsen“ (Nr. 927 590) und das Betatron-Patent Nr. 3 für die „Vormagnetisierung“ (Nr. 932 194). Sonnabend, den 4. September, unterzeichnet er den Antrag für das Betatron-Patent Nr. 4 für die „Gegenmagnetisierung“ (Nr. 925 004). Der Urlaub ist definitiv vorüber. Inmitten von all dem arbeitet er an seiner nächsten großen Erfindung und sendet bereits in der darauffolgenden Woche das Telemark-Patent ein, das legendär werden wird.

Alle diese fünf Anträge hat er seit seiner Rückkehr eingesandt. Allein der Patentberater in Berlin weiß davon. Die Müller-Fabrik – und damit Philips – darf nichts erfahren. Wahrscheinlich hören sie auch nichts von den nächsten Patenten, die er in Deutschland anmeldet.13 Insgesamt handelt es sich um 13 Patente in der Zeit von 1943 bis 1945.14 Die Müller-Angestellten wussten aber auch nichts von den Patenten mit entsprechenden Themen, insgesamt sieben an der Zahl, die einer aus den eigenen Reihen, Entwicklungsleiter Dr. Walter M. Müller, verfasst und angeblich beantragt hatte. Auch Rolf nicht. Solche Dinge laufen hinter den Kulissen ab. Es ist Krieg.

Zu Hause denkt es sich am besten

Es entwickelt sich zu einem Muster, dass er zu Hause in Oslo die Ruhe bekommt, die es braucht, um sich neue Ideen auszudenken, Berichte zu schreiben und Patentanträge zu verfassen. Zeitgleich geht die Entwicklung des Betatrons seinen Gang, vorläufig jedoch dreht sich das meiste um Planung und Berechnungen. Kersts erstes Betatron belief sich auf nur 2,3 MeV. Jetzt soll Rolfs hinauf auf 15 MeV, was er durchaus für einen angemessenen Schritt hält. Eigentlich wollten Rolf und sein Team die Energie so hoch wie möglich schrauben; wenn sie sich aber an maximal 15 MeV hielten, vermieden sie wahrscheinlich technische Probleme. Dass die Maschine, die sie jetzt in Hamburg bauten, ein verhältnismäßig kleines Betatron sein sollte, wurde bereits im Frühsommer beschlossen. Beim nächsten Mal könnte es sich dann um ein größeres mit Fertigung in der Nähe von Mannheim handeln.

Im September vollendet er eine Übersicht, in der er die wichtigsten Entwicklungsschritte für den aktuell im Bau befindlichen Betatron-Typ zusammenfasst. Darin nimmt er auch die Anfänge in Form seiner Ideen auf, als er als enthusiastischer 20-Jähriger zum ersten Mal die Lösung vor sich sah. Doppelt so alt ist er nun im Begriff, den Traum zu verwirklichen. Am 5. Oktober sendet er den fünften Betatron-Patentantrag dieses Herbstes ein. Es ist ein Zusatz zum Patent für elektrische Linsen vom Vormonat und zeigt, wie magnetische Linsen zur Stabilisierung der Bahn verwendet werden können. Es sollte Vorläufer einer späteren wichtigen Erfindung – des strong focusing – sein, die, als die Zeit gekommen und der Krieg vorüber war, für CERN Bedeutung erlangte.

Die Patente von 1943 hält er geheim. Es ist unbekannt, ob die Luftwaffe ihn dazu zwingt. Er kann sie auch aus reinem Eigennutz im Verborgenen gehalten haben. Aber er beantragt das deutsche Patent, nicht das norwegische. Es wäre eine Möglichkeit gewesen, die Gesuche in beiden Ländern einzureichen. Hier gibt es offensichtlich jemanden, der nichts erfahren soll. Jemand weiß jedoch etwas. Brown Boveri ist eingeweiht und involviert. Aber auch nicht in alle Patente.

Tauziehen um den Vertrag

Rolf lernt schnell, dass Deutscher nicht gleich Deutscher ist. Einige sind Nazi-freundlich, andere nicht. Aber auch andere Trennlinien „stören“ das Bild. Obwohl die Arbeit gut im Gange ist, finden zwischen Rolf und den deutschen Behörden noch immer Vertragsverhandlungen statt. Ein Aspekt der Streitfrage sind die Patentrechte. Auf hoher Ebene werden wahrscheinlich noch immer Rolfs Patentrechte und Arbeitsbedingungen erörtert. Ein Vertragsentwurf, möglicherweise verfasst von Rolf, ist auf den 19. Oktober datiert. Ausformuliert wurde der Entwurf schließlich von einem Anwalt in Essen. Es ist jedoch unbekannt, ob diese Version unterzeichnet wurde. Vermutlich nicht. Es ist nicht einmal bekannt, ob überhaupt irgendein formaler Vertrag unterzeichnet wurde. Der unfertige Entwurf ist als Vertrag zwischen Rolf und dem sogenannten „Schiebolds Institut“, das aus dem Trio Ernst Schiebold, Theodor Hollnack und Richard Seifert besteht, aufgesetzt. Das Institut arbeitet im Auftrag von Generalfeldmarschall Erhard Milch, der im „Dritten Reich“ nicht irgendwer ist. Milch hat zu dieser Zeit eine Doppelfunktion inne, als Generalluftzeugmeister, das heißt als Verantwortlicher für die Ausrüstung und Ausstattung der Luftwaffe, sowie als Generalinspekteur der Luftwaffe. Mit anderen Worten: Er ist er einer der einflussreichsten Männer unter Göring.

Der von Schiebold bestellte Vertragsentwurf behandelt die Rechte und Aufgaben, die Rolf ausgehend von seiner Stellung als „dienstverpflichtet“, das heißt als jemand, der eine „Dienstverpflichtung durch den Reichskommissar für die besetzten norwegischen Gebiete“ erhalten hat, haben soll. Dem Entwurf zufolge soll Rolf unter anderem all seine bisher angemeldeten deutschen Patente, alle zukünftigen Patente sowie jegliche weitere Entwicklung auf dem Gebiet dem Institut zur vollen Verfügung stellen. Ab Unterzeichnung soll der Vertrag mindestens drei Jahre gelten. Dem Entwurf hinzugefügt ist eine Anlage, eine von Rolf erstellte Liste über die sechs Betatron-Patente, die er seit seiner Ankunft in Deutschland dort eingereicht hat.15

Dies bedeutet, dass Schiebold ganz sicher über die Patente informiert war, die Rolf in Berlin eingesandt hatte, vermutlich auch Seifert und Hollnack. Unabhängig davon, was in Verträgen festgehalten wurde, ist ersichtlich, dass es sich um eine schwierige Gratwanderung handelte. Nicht jeder sollte alles wissen, und einige hatten mitunter eine verborgene Agenda. Die Großindustrie zog in ihrer Weise an den Fäden, und vielleicht musste Rolf aus anderen Gründen Zugeständnisse machen.

Hinsichtlich der Vertragsfrage schweigt er späterhin und erwähnt auch in Verbindung mit der Biografie Pedro Waloschek gegenüber nichts.

„Ich finde keinen Beweis dafür, dass dieser Vertrag zustande gekommen ist“, sagt Waloschek. „Die im Entwurf beschriebenen Bedingungen stimmen jedoch mit den Verhältnissen überein, unter denen er in Deutschland wirklich lebte. Unter anderem die Reisefreiheit. Dem Dokument fehlt die Seite über das Honorar, allerdings hat er sich über die Bezahlung nie beklagt.“16

Drei Phasen

Im November sind Rolf und seine Leute mit den Vorbereitungen und vorläufigen Berechnungen so weit gekommen, dass sie mit der eigentlichen Konstruktionsarbeit beginnen können. Er ist wieder zu Hause in Oslo gewesen, wo er einen Zukunftsplan erstellt hat, einen Eilplan für den Bau von Betatronen in Deutschland. Das vierseitige Dokument, datiert auf den 6. November, trägt den Titel: „Vorschläge über eine möglichst rasche Durchführung von Konstruktion, Bau und Aufstellung des Strahlentransformators.“ Mit anderen Worten: ein Betatron-Plan von A bis Z.

Die Arbeit hat er in drei Phasen organisiert. Die erste dreht sich um die Planung und den Bau des 15-MeV-Betatrons in Hamburg. Die zweite Phase umfasst die Planung und den Bau eines 200-MeV-Betatrons. Die dritte und letzte Phase ist durch die Planung und Einrichtung eines Testlabors für eventuell noch größere Installationen in Großostheim bestimmt. Für jede Phase geht er die Arbeitsaufgaben und die Bemannung durch. Konstatiert, dass die erste Phase bereits in der Müller-Fabrik in Hamburg im Gange ist. Erklärt, wie die verschiedenen Teile für die 200-MeV-Maschine gebaut werden sollen, und dass es zehn bis zwölf Monate dauern wird. Parallel dazu sollen in der Forschungsstation Großostheim Vorbereitungen getroffen werden, damit nach etwa zwölf Monaten dort die Arbeit an der 200-MeV-Maschine beginnen könne.

Beim Schreiben ist Rolf voll und ganz konzentriert. Erwähnt Großostheim, nicht aber den Namen Schiebold. Das kann er im Prinzip nicht, denn damit würde er schließlich verraten, dass er von Teilen seiner Arbeit weiß, von denen er nichts wissen soll. Über die Existenz der Forschungsanlage Großostheim ist er jedoch informiert und muss daher auf höchster Ebene abgeklärt haben, dass er sie in seine Pläne einbeziehen kann. Allerdings gibt es sehr viel, was er nicht weiß. Ein Wort, das er bald lernen sollte, war „Todesstrahlen“. Ein anderes „Strahlenkanone“. Man stelle sich vor, wenn er das geahnt hätte: Was hätte er dann getan?

Todesstrahlen

Sowohl Schiebold als auch Hollnack sind schwer greifbar. Der eine ist so sehr Fantast, der andere so sehr Nazi, beide äußerst verdächtig. Hollnack hat Rolf dem Physikprofessor Schiebold vorgestellt, ebenso, wie er den Kontakt zu Seifert hergestellt hatte. Das wird eine merkwürdige Bekanntschaft, da Rolf offiziell nichts von den „kriegswichtigen“ Plänen wissen soll. Jedoch steckt Schiebold hinter der in Großostheim im Bau befindlichen Forschungsstation, und das Geschehen dort kann vor Rolf kaum verborgen gehalten werden. Deshalb wird er über Schiebolds großes Projekt, das Todesstrahlen-Projekt, in Kenntnis gesetzt: der Idee vom Bau einer riesigen Röntgenkanone, die Hitler den Sieg sichern soll. Formell war er zur Arbeit an diesem Projekt geholt worden, in welches das Betatron als Teilprojekt einfloss. Einige Aspekte des Interesses der Luftwaffe an seinem Betatron hatte auch er verstanden. Der Kopf des Ganzen war Ernst Schiebold. Der Mann mit der wilden Idee einer Todesstrahlen-Waffe.17 Er war Spezialist im Bereich Materialtestung mittels Röntgentechnik und hatte die Idee, gegen Flugzeuge des Feindes Röntgenkanonen einzusetzen. Das heißt, man sollte eine Röntgenröhre bauen, die so beschaffen war, dass bei ausreichend hoher Spannung auch auf lange Distanzen eine hohe Strahlenintensität erreicht werden konnte. So sollte es möglich sein, die Piloten in den Flugzeugen des Feindes zu töten oder die Bomben an Bord zu zünden.

Genährt wurde Schiebolds Strahlenprojekt von der gleichen Vision wie das Peenemünde-Projekt mit seinen nahezu unwirklichen personellen und finanziellen Investitionen, zuerst den V1-Raketen und dann der V2. Angetrieben von einer Mischung aus Kriegspropaganda und Verzweiflung setzte Nazi-Deutschland sein Vertrauen in eine weitere „Wunderwaffe“, Schiebolds „Todesstrahlen“. Die Flugzeuge des Feindes außer Gefecht zu setzen, bevor sie sich dem Ziel näherten, musste der Traum der Luftwaffe sein. Unsichtbare, lautlose Strahlen, die einer Science-Fiction-Welt angehören, faszinierten nicht nur Göring im Zweiten Weltkrieg, sondern erschienen späterhin auch Chruschtschow und Reagan als Idealwaffen. Star Wars, Reagans Krieg-der-Sterne-Projekt, war vom selben Gedanken an weitreichende Strahlen getragen, wie die deutsche Kriegsmaschinerie sie auf ihrer Agenda hatte. Wissenschaftler, die teils mehr, teils weniger an das Vorhaben glaubten, waren für Schiebolds Plan elementar – eine Ironie des Schicksals, dass er davon abhängig war, dass die dafür infrage kommenden Wissenschaftler, oft Juden, vom deutschen Kriegsdienst befreit oder aus den Konzentrationslagern entlassen wurden.

Die Idee von mystischen, tödlichen Strahlen wurde jedoch nicht in Nazi-Deutschland geboren. 1935 hatte ein Engländer „death rays“ vorgeschlagen.18 Dabei handelte es sich um stark fokussierte elektromagnetische Strahlen. Jedes Kind, das schon einmal im Sonnenschein mit Brennglas und Papier hantiert und letzteres dazu gebracht hat, Feuer zu fangen, weiß ein bisschen über die Stärke, wenn Strahlen in einem Punkt gesammelt werden. Allerdings ist das ein gutes Stück weit davon entfernt, ein Flugzeug in der Luft zu treffen. Die Engländer gaben auch schnell auf, da das ganze Projekt jenseits aller damaligen technischen Möglichkeiten lag. Einige Jahre später versucht nun also Professor Schiebold energisch, Kollegen und Behörden von seiner Röntgenkanone zu überzeugen. Es gelingt ihm, die richtigen Leute bei der Luftwaffe dazu zu bringen, an den Plan zu glauben. Und so wird Rolf nach Deutschland rekrutiert.

So fing es an

Das Ganze hatte am 5. April 1943 begonnen, das heißt einige Monate vor Rolfs Ankunft im Sommer. Da erhielt Görings Mann, Generalfeldmarschall Erhard Milch, eine sonderbare Notiz. Darin präsentierte Professor Ernst Schiebold aus Leipzig feierlich einen Vorschlag „zur Bekämpfung und Vernichtung der Besatzung feindlicher Flugzeuge und Erdkampftruppen in der Defensive mittels Röntgen- und Elektronenstrahlen“.19 Der volle Titel der Nachricht ist noch umständlicher und im Ton auffallend pathetisch. Der Inhalt wird gründlich präsentiert, und formal ist scheinbar alles in Ordnung. Schiebold genießt sowohl die Anerkennung des Reichsluftfahrtministeriums als auch die von Milch persönlich, zudem hat er bereits zuvor für das Ministerium Aufträge ausgeführt. Er ist Röntgenspezialist, jedoch nicht, was Röntgenröhren betrifft.

In der Notiz führt er unterschiedliche Strahlenarten und verschiedene Varianten für das Erreichen hoher Strahlenenergie an – zum Beispiel mithilfe eines Zyklotrons, das Wort Betatron erwähnt er jedoch nicht. Die Zielsetzung ist ambitioniert. Die Waffe soll Flugzeuge auf vielen Kilometer Entfernung treffen. Also braucht man hohe Energie, und um die zu erreichen, ist man von mehr Forschung abhängig. Schiebold listet auch auf, welche Art von Fachleuten er benötigt. Als Erstes benennt er Richard Seifert mit seinem Unternehmen innerhalb der Röntgen- und Elektroindustrie. Rolf ist nicht erwähnt. Der Vorschlag ist ziemlich „wild“, aber faszinierend und begeistert die, für die er gedacht ist. Bereits am 17. April findet in Hamburg die erste offizielle Besprechung statt. Seifert erstellt ein dreiseitiges Protokoll und konstatiert, dass es möglich sein sollte, die Waffe innerhalb von einem oder zwei Jahren zu entwickeln. Der Zeitfaktor ist wichtig.

Zwei Tage später verfasst Schiebold eine fünfseitige Zusatznotiz, und etwa zwei, drei Wochen später hat er den Auftrag und 150.000 Reichsmark zu seiner Disposition erhalten. Das Projekt soll an den Flugplatz der Luftwaffe in Großostheim angebunden werden. Bereits am darauffolgenden Tag, dem 20. April, darf er seine große Idee Theodor Hollnack präsentieren, den er von früheren Forschungsaufträgen her kennt. Milch stellt die Vollmacht aus. Schiebold ergänzt einige weitere Zusatznotizen, und das Projekt ist im Gange. Selbstverständlich streng geheim. Mit Schiebold als wissenschaftlichem Leiter, Seifert als technischem Berater und Hollnack als administrativem Leiter. Dennoch bleibt es nicht wirklich geheim, denn schon viele wissen davon, nicht zuletzt weil Schiebold selbst nicht in der Lage ist zu schweigen. Zu den Eingeweihten gehören zentrale Physiker wie Arnold Sommerfeld und Werner Heisenberg.

Komponenten für die Anlage werden bei Siemens bestellt, wo einiges selbst produziert und anderes bei Osram in Auftrag gegeben wird, das zum Siemens-Konzern gehört und wiederum Kontakt zur Berliner Firma Loewe hat. Es gibt auch eine Verbindung zu AEG, die mit General Electric in den USA zusammenarbeitet, soweit das mit Hinblick auf den Krieg möglich ist.

Schiebolds Projekt hat auch eine Vorgeschichte auf persönlicher Ebene, was die Dramatik verstärkte und es für ihn noch dringlicher machte, erfolgreich zu sein. Einst hatte er an der Universität Leipzig ein halböffentliches Institut betrieben, das von den Bombenangriffen der Alliierten verwüstet worden war. Dasselbe traf auf sein Haus zu. Er verlor fast seine komplette Ausrüstung, wahrscheinlich auch Unterlagen für die Röntgenkanone sowie die komplette Korrespondenz, die er mit Seifert, Hollnack und Widerøe geführt hatte. Er stand mittellos da, ohne Haus und ohne Basis für sein Schaffen.

Da richtet Schiebold seinen Blick nach Großostheim, ganz im Norden Bayerns, eine Kleinstadt 45 km südöstlich von Frankfurt. Er und seine Mitarbeiter nehmen das Wenige, was vom Institut noch übrig ist, und bauen in den provisorischen, bunkerähnlichen Räumlichkeiten auf dem stillgelegten Militärflugplatz ein neues Labor auf. Anfang 1944 ist die Halle fertig. Dort sollte das Betatron von 15 MeV installiert werden, wenn es in der Müller-Fabrik fertig gebaut war. Aus einem Krankenhaus in Hamburg wurde eine ungenutzte Röntgenanlage herbeigeholt. Damit sollten in der Zwischenzeit Tests durchgeführt werden. Seifert erstellte die Pläne. Hollnack regelte die Finanzierung. Hier sollten große Dinge geschehen. Die Forscher der Luftwaffe befanden sich in der Offensive.

Und auch wenn die Geheimhaltung groß ist, begreift Rolf jetzt immer mehr. Viel später beantwortete er direkte Fragen danach, ob er, als er nach Deutschland geholt wurde, gewusst habe, dass das Betatron im Zusammenhang mit Waffen genutzt werden sollte, mit Nein. Ganz im Gegenteil, ihm war vorgegaukelt worden, dass es sich um ein ziviles Projekt handele:

„Ich ahnte damals nichts von der Sache mit Schiebold und dass die Luftwaffe dahintersteckte, davon hatte ich keine Ahnung, denn es war so schrecklich geheim, ich durfte nichts davon hören.“20

Das wiederholte er in Waloscheks Biografie:

„Jedenfalls habe ich damals nicht gewußt und auch nicht geahnt, daß man Betatrons als Waffe einsetzen könnte oder wollte. Und ich hätte es auch nicht für möglich gehalten. Ganz sicher gab es damals ein wichtiges Argument: Den Vorsprung der Amerikaner auf diesem Gebiet wettzumachen – ganz gleich, was man damit später anfangen könnte. Offiziell handelte es sich immer um die Entwicklung von besonders guten Röntgengeräten, die man in der Medizin und für die zerstörungsfreie Materialprüfung einsetzen wollte.“21

Wem soll man also glauben? Hier gibt es Stellvertreter-Argumente und verborgene Agenden. Eine Portion Mystik. Einen Spritzer Wunschdenken. Gespenster am helllichten Tag. Etwas, das keineswegs mystisch ist, sondern ausschließlich Propaganda. Und einige, die sich frei bewegen, so zuverlässig agieren, dass sie über jeden Verdacht erhaben sind. Oder die so stark übertreiben, dass man ihnen aus diesem Grund nicht traut. Aber wer ist wer? Wem kann man trauen? Es ist Krieg.

Schiebold zum Rapport

Eine neue Person, die das Vertrauen der Machthaber genießt, kommt ins Bild. Es besteht Anlass, sich diesen Mann zu merken, den Rolf seither mehrfach in Interviews erwähnte. Sein Name ist Walther Gerlach. Er ist Professor und erhält die Verantwortung für die komplette Kernphysik sowie das geheime deutsche Atomprojekt, das sogenannte Uranprojekt, an dem ausschließlich profilierte Forscher beteiligt sind. Und – was in diesem Zusammenhang wichtig ist – er wird Vorsitzender des Rates für die Forschungsstation der Luftwaffe Großostheim. Aufgabe dieses Rates ist es, Schiebolds Tun zu überwachen. Mitglieder sind neben Gerlach noch Hollnack, Heisenberg, Egerer, Geist, Esau, Fennel, Georgii und Seifert – ausschließlich Soldaten Tordenskiolds, wie sich zeigen sollte.

Ziemlich schnell entstehen Missklänge. Der Ratsvorsitzende ist im Unklaren über die Entwicklung des Strahlenprojekts und berät sich mit Professor Helmuth Kulenkampff über das, was er als ein „extrem geheimes“ Projekt bezeichnet. Kulenkampff, der Gerlachs Doktorvater war, nimmt sich die Idee der Röntgenstrahlenwaffe detailliert vor. Findet heraus, dass sich die Strahlen nicht so verhalten, wie Schiebold es präsentiert hat. Zum Beispiel sei es nicht möglich, die Waffe auf die behaupteten Entfernungen einzusetzen. Kulenkampffs Niedersäbeln des Projekts bestätigt Gerlachs Verdacht. Da sich die beiden einig sind, schickt Kulenkampff einen Brief an den obersten Verantwortlichen bei den Behörden, Generalfeldmarschall Milch. Mutig, denn damit wird klar, dass der Ratsvorsitzende seiner Pflicht, alles geheim zu halten, nicht nachgekommen war. Milch aber antwortet mit einem persönlichen Brief, in dem er sich dafür bedankt, dass jemand Mut bewiesen und zu der Sache klar Stellung bezogen habe.

Bei dem, was jetzt passiert, spielt Walther Gerlach eine zentrale Rolle. Zusammen mit Werner Heisenberg ist er einer der einflussreichsten Wissenschaftler des Uranprojekts. Seine forschungspolitische Meritenliste belegt jedoch, dass er auch für Nazi-Deutschland an sich ein wichtiges Werkzeug war. Seit 1. Januar 1944 war er Leiter der Physik-Abteilung des Reichsforschungsrates und Bevollmächtigter der Kernphysik. In Regie des Reichsforschungsrates war nämlich eine eigene Gruppe für die Forschung im Bereich Physik eingerichtet worden, auf die die Elektroindustrie bedeutenden Einfluss hatte. Daher war es keine Überraschung, als dem tatkräftigen Gerlach auch der Ratsvorsitz für die Forschungsanlage übertragen wurde, der Hochvoltinstallation, von der man sich sowohl auf dem Gebiet der Biologie als auch der Physik große Ergebnisse erwartete, allen voran in Form der Strahlenwaffe.

Als einige Jahre zuvor der Reichsforschungsrat gegründet worden war, geschah dies mit dem Ziel, alles an einer Stelle zu sammeln, sowohl die Grundlagenforschung als auch die angewandte Forschung. Späterhin wurde Reichsmarschall Göring Präsident des Rats in der Hoffnung, dass er die Forschung mit der gleichen Disziplin und Effektivität steuern würde wie den Flugsektor. Gleichzeitig wurde der Rat vom Bildungsministerium ins Reichsministerium für Bewaffnung und Munition (ab 2.9.1943: Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion) verlegt, dessen Minister Albert Speer war, der eigenhändig die Initiative zur Umorganisation ergriffen hatte. Die Änderungen stellten einen Wendepunkt in der Haltung des Nationalsozialismus zu Wissenschaft und besonders zu jüdischen Forschern dar. Bis dahin war es eine Art stillschweigendes Übereinkommen gewesen, jüdische Forscher nicht außer Landes zu schicken, weil „das Reich“ ihre Expertise benötige. Jetzt gab es keine Gnade mehr. Jüdische Wissenschaftler sollten weg.

Von Fliegeralarm unterbrochen

In der Müller-Fabrik in Hamburg geht der Bau des Betatrons seinen Gang. Seiferts Firma liefert einen Teil der Ausrüstung, und andere wie Brown Boveri liefern weitere. Die Arbeitsverhältnisse sind jedoch vom Krieg geprägt. Geht der Fliegeralarm, müssen alle in die Luftschutzräume, gleichzeitig sind die durch die Bombardierung verursachten Erschütterungen ein Problem für die empfindlichen Apparate. Im Luftschutzkeller gibt es nicht viel mehr zu tun, als nachzudenken und der Fantasie freien Lauf zu lassen, was der nie ruhende und stets positive Rolf als gute Denkpausen bezeichnet. Die Aufenthalte im Keller hatten nämlich auch ihre Vorteile oder, wie er es später lakonisch ausdrückte: Der Krieg gab ihm die Möglichkeit, viel Zeit mit der Meditation rund um Verbesserungen der Beschleuniger zu verbringen und neue Ideen zu entwickeln. Allerdings machte er keinen Hehl daraus, dass sie jedes Mal, wenn sie wieder hinaufkamen, gespannt waren, ob das Vakuum in der aktuell in Arbeit befindlichen Röhre noch vorhanden war.

Schnell zeigt sich, dass die für das Betatron gewählte Größe aus technischer Sicht die richtige Wahl ist. Es stimmt, dass sie durch die selbst gewählte Beschränkung gewisse Probleme vermeiden. Allerdings stellt sich heraus, dass die Strahlung im Labor zeitweise vermutlich stark ist, was zu Schwierigkeiten führen könnte. Am 8. Februar legt Rolf einen geheimen Bericht über die Arbeit am aktuellen Betatron sowie über die Pläne für das Riesen-Betatron vor.

Um ihn herum aber zieht es sich zu. Bereits Ende Februar, möglicherweise am 22., beruft Gerlach eine Besprechung im Rat für Großostheim ein. Als Leiter der Forschungsstation ist Schiebold selbst nicht Mitglied des Rates. Auch Kulenkampff und Rolf nicht. Sie können nur auf Einladung als Gäste teilnehmen, haben dann jedoch Rederecht. Bei dieser Besprechung im Februar sind sie dabei. Hierbei äußert Kulenkampff deutlich Kritik an Schiebolds Projekt. Die Kritik wird den Ratsmitgliedern in schriftlicher Form mitgeteilt, Schiebold selbst erhält jedoch keine Kopie des Dokuments. Dass der Rat sein Projekt mit Fragezeichen versieht, kommt für ihn, der für die Ratsbesprechung nur eine generelle Präsentation des Projekts vorbereitet hat, vollkommen unerwartet. Einige Tage zuvor war er allerdings mit einem der Ratsmitglieder, Georgii, der auch zur Leitung der Forschung bei der Luftwaffe gehört, aneinandergeraten. Das war eine Vorwarnung, jedoch nicht ausreichend, um von ihm ernst genommen zu werden. In einem Brief an Georgii vom 29. Februar versucht er die Situation zu erläutern und hofft auf Klärung. Die Kritik in der Ratsbesprechung erzeugt jedoch Unruhe rund um das gesamte Projekt, und Rolfs „Vorgesetzter“ Hollnack ahnt Unheil.

Schiebold erhält Bescheid, dass sein Institut nur bis auf Weiteres in Großostheim bleiben könne. Als Frist wird der 1. April 1944 gesetzt. Dann muss sein Institut für röntgenologische Roh- und Werkstoff-Forschung ausziehen. Der Rauswurf ist eine Sache. Schlimmer ist die Prestigeniederlage, da er selbst es nicht als Erster erfährt. Ihm dämmert, dass er nicht mehr die volle Unterstützung genießt. Um Stärke zu demonstrieren, muss gehandelt werden. Am 4. Mai schreibt er einen neuen begeisterten Bericht über Rolfs Betatron sowie ein umfassendes Zehn-Punkte-Arbeitsprogramm für die Forschungsstation Großostheim.

Das Todesstrahlen-Projekt wackelt immer heftiger

Der Vorsitzende Gerlach beruft den Rat sofort zu einer zweitägigen Besprechung in Berlin ein. Und jetzt zieht es sich zu. Hier wird Schiebolds Todesstrahlen-Kanone für undurchführbar erklärt und abgelehnt. Rolfs Projekt hingegen ist von der Kritik nicht betroffen. Viele Dokumente aus dieser Phase liegen nicht mehr vor, jedoch soll es am 6. Mai eine wichtige Besprechung gegeben haben, an der neben den Ratsmitgliedern auch Rolf und sein Mitarbeiter Schumann, zudem Kulenkampff, Schiebold und noch einige andere teilgenommen haben sollen.22 Als Vorsitzender erstellte Gerlach von dieser wie auch von einer späteren Besprechung, am 15. August, ein Gesamtprotokoll. Datiert ist es auf den 25. August. Andere Aufzeichnungen wurden nicht gefunden, und Gerlachs Notiz ist kein offizielles Protokoll, lediglich eine persönliche Einschätzung. Schiebold hielt die sechs Seiten jedoch mit seiner privaten Kamera fest, und sein Sohn stellte den Film später zur Verfügung. Der Inhalt bezieht sich kurz zusammengefasst darauf, dass Schiebolds Projekt den Anforderungen nicht genüge.23

Er bekommt eine letzte Frist bis zum 12. Juli, um weitere Berechnungen vorzunehmen und den Beweis zu erbringen, dass er Recht hatte. Notizen werden hin und her geschickt. Kulenkampff ist noch immer nicht zufrieden. Nach und nach bekennen mehrere Ratsmitglieder, dass sie schon lange skeptisch waren. Nicht nur Professor Gerlach. Auch Heisenberg und Sommerfeld haben seit Langem begriffen, dass all das, was Schiebold über die Todesstrahlen behauptet, nicht stimmen kann. Beide sind Experten in angewandter Physik und sehen das Ganze vor allem praktisch. Aber auch die Theoretiker, etwa Rolfs Assistent Bruno Touschek, neigen in dieselbe Richtung, und im Nachhinein gaben drei Experten der Müller-Fabrik an, dass sie Schiebolds Röntgenkanone von Anfang an für unrealistisch hielten. In ihren Augen war Schiebold nur ein pompöses Original mit einigen windigen und politisch korrekten Ideen. Das Einzige, was das Projekt für sie interessant machte, waren die Aussichten auf einen Auftrag mit hoher Priorität, weil er als kriegswichtig galt.24

Kulenkampff führt die Kritikerfraktion an, und seine Einschätzungen machen auch auf Seifert und Hollnack Eindruck, die Schiebolds Vorschlag anfänglich positiv gegenübergestanden. Jetzt distanzieren sich beide von den ursprünglichen Plänen. Der Rat stellt mit deutlichen Worten fest, dass man mit dem Rest des Auftrags fortfahren wolle. Das eigentliche Projekt, für das Rolf geholt worden war, ist torpediert. Der Urheber von der Bildfläche verschwunden. Rolf aber soll weitermachen – nicht mit Todesstrahlen, sondern mit Leben gebenden Strahlen, wie Pedro Waloschek es formuliert. Mit anderen Worten: Rolfs Projekt ist gesichert.

Schiebolds Motiv für den Wunsch, die Todesstrahlen-Waffe zu bauen, ist unklar. War er vielleicht nur ein verrückter Forscher, der die Situation ausnutzte, um sich mit seiner eigenen sonderbaren Erfindung hervorzutun? Im Namen der Gerechtigkeit gehört es jedoch auch zu der Geschichte, dass Professor Schiebold im Ausgangspunkt ein seriöser und anerkannter Fachmann war. Die Frage ist, ob er selbst im tiefsten Inneren an die Wunderwaffe geglaubt hat oder ob er sie als Entschuldigung verwendete. Einige Antworten darauf gibt es, sie sind jedoch nicht offenkundig. Interessant ist auch, inwieweit er Rolf hinter sich hatte, ob er seinen Plänen zustimmte. Schließlich war er ein Teil des „Pakets“.

Rolfs Erklärung lautete wie folgt:

„Die meisten dachten, er sei ein verhältnismäßig harmloser Mann, der nichts Falsches machen konnte, und vielleicht war es etwas, wenn auch nicht gerade brauchbar, wofür sie aber vielleicht etwas Geld für Forschung bekommen konnten. Sie hatten sich, das Projekt betreffend, etwas schwammig geäußert. Genug davon, er ging zur Luftwaffe und sagte: 'Hier haben wir einen Apparat, der Flugzeuge herunterschießen kann. Wir haben den Todesstrahl. Denn entweder können wir oben im Flugzeug die Bombe zünden, wenn wir genug Energie hinaufschicken, oder wir können den Piloten töten oder ihn bewusstlos machen oder sowas.' Und darauf ließ sich die Luftwaffe ein. Sie bauten eine Versuchsanlage, die auf einem kleinen Flugplatz in der Nähe von Frankfurt errichtet wurde, an den Namen des Ortes erinnere ich mich nicht mehr, aber das kann ich herausfinden.“25

Mehr Betatrone

Dass Schiebolds Projekt mit den speziellen Röntgenröhren letztendlich gestoppt wurde, bedeutet nicht, dass die Luftwaffe ihr Interesse an hochenergetischer Strahlung verlor, weit gefehlt. Gerlach, der vom Reichsforschungsrat Bevollmächtigte für Kernphysik, trat für eine Fortführung ein. Und sie verfolgten mehrere Projekte. Auch bei Siemens gab es vom Reichsforschungsrat finanzierte Betatron-Projekte. Nur wenige Monate, nachdem der Amerikaner Donald Kerst das weltweit erste Betatron gefertigt hatte, baute Siemens an einem. Wenig später kamen zwei neue Aufträge hinzu: Forschungs- und Entwicklungsarbeit für ein größeres von 20–25 MeV sowie die Planung eines von 100 MeV. Somit hatte die Luftwaffe im Frühjahr 1944 bei Siemens drei Betatron-Aufträge laufen. Dabei handelte es sich um langfristige Projekte mit Hinblick auf den Einsatz nach Kriegsende. An irgendeinen kriegswichtigen Einsatz der Betatrone in Form von Todesstrahlen glaubte Gerlach nicht mehr.26

Es waren noch mehr Projekte im Gange, auch wenn es bei der Durchführung mangelte. Im Herbst 1943 hatte der Reichsforschungsrat Heinz Schmellenmeier in Berlin den Auftrag erteilt, ein kleines 1,5-MeV-Betatron für den medizinischen Gebrauch zu bauen. In Bezug auf den Krieg hatte er seine eigene „Geschichte“ vorzuweisen. Seit 1935 hatte er gegen die Nazis gearbeitet und aufgrund seiner illegalen Arbeit mehrere Monate im Gefängnis gesessen. Um nicht als Soldat in den Krieg geschickt zu werden, gründete er die private, wehrtechnische Gesellschaft namens Entwicklungslabor Dr. Schmellenmeier. Einer der Mitarbeiter war Richard Gans, auf den es die Nazis wegen seiner jüdischen Abstammung abgesehen hatten. Er war, was man in der Terminologie der Zeit „privilegierte nicht-arische“ Person nannte, und ziemlich sicher rettete Schmellenmeier ihm das Leben, indem er ihn in das Projekt aufnahm, als er bereits in der Schlange der Juden stand, die ins Konzentrationslager gebracht werden sollten.27 Zwei andere, der spätere Nobelpreisträger Walther Bothe aus Heidelberg und ein Kollege, hatten Ideen für ein Betatron von 10 MeV, kamen damit jedoch nie über das Planungsstadium hinaus. Bothe spielte eine zentrale Rolle im Uranprojekt, und zusammen mit seinem Assistenten Wolfgang Gentner – mit dem Rolf später bei der Planung von CERN zusammenarbeiten sollte – hatte er das erste deutsche Zyklotron konstruiert. Dieses wurde im Herbst 1943 in Heidelberg in Betrieb genommen. Albert Speer gegenüber sagte Bothe, die Maschine solle der medizinischen und biologischen Forschung dienen. Mit all diesen Beschleuniger-Entwicklern hatte Rolf später in verschiedener Weise Kontakt.

Die Zeit ist abgelaufen

Dann war für den Todesstrahlen-Fantasten Schiebold die allerletzte Frist abgelaufen. Als Antwort auf Kulenkampffs Kritik hatte er ein 41-seitiges Dokument ausgearbeitet. Aber es hielt der Prüfung nicht stand. Am 15. August 1944 lädt Gerlach zu einer Besprechung nach Ainring in die südöstlichste Ecke Deutschlands ein, in ein von Professor Georgii geleitetes Institut. Zu den Teilnehmenden gehören neben Georgii und Schiebold die Physiker Heisenberg, Kulenkampff und Seifert, ein weiteres Ratsmitglied sowie Geist. Mindestens vier von ihnen, um nicht zu sagen alle, repräsentierten gleichzeitig die Behörden. Heisenberg war verhindert, und Oberst Geist hatte in Vertretung Schumann geschickt. Ob Rolf dabei war, ist unklar. Die wesentliche Schlussfolgerung der Besprechung lautete, dass nichts darauf hindeute, dass Schiebolds Plan von militärischem Nutzen sei. Diese Auffassung habe seit Langem bestanden, und administrativ habe man bereits Maßnahmen ergriffen. Schiebold hatte die Anforderungen der Dokumentation nicht erfüllt. Jetzt war es formal bestätigt.28

Ein abschließendes Treffen wurde abgehalten und scharfe Briefe ausgetauscht. Schiebold beantwortete die Kritik am 20. September mit einer 15-seitigen verdrießlichen Erklärung, worin er unter anderem auf sein Mandat von Feldmarschall Milch verwies. Das löste eine ebenso derbe Erwiderung von Kulenkampff aus. Schiebold war von allen seinen Anhängern verlassen worden. Es war selbstverständlich auch kein Pluspunkt, dass sein anfängliches Alibi, nämlich Milch, weg war – entlassen, zuerst im Juni 1944 vom Posten des Staatssekretärs in Speers Ministerium und dann im Januar 1945 aus der Stellung als Generalinspekteur der Luftwaffe.

Von diesem letzten Treffen, das in Berlin in dem Institut abgehalten wurde, wo Heisenberg als Professor wirkte, und an dem Rolf teilnahm, berichtet dieser:

„Ich wurde damals auch zu einem Treffen im Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin eingeladen, an dem mehrere Physiker teilnahmen. Es war in einem sehr schönen Garten. Ich glaube, Heisenberg hatte das Treffen einberufen, aber es könnte auch Gerlach gewesen sein.

Es war eine rein wissenschaftliche Tagung. Alle sprachen ganz frei und sagten, was sie meinten. Es war niemand von der Gestapo dabei, und es wurde nichts geheim gehalten.“29

Pedro Waloschek ist nicht ganz sicher, ob Rolf wirklich bei diesem wichtigen Treffen durchgehend dabei war, und verweist darauf, dass Rolf ihm ein anderes Mal erzählt habe, ihm sei es nur gestattet gewesen, an bestimmten Teilen der Besprechung teilzunehmen, und dass er die restliche Zeit im Garten spazieren gegangen sei. Es kann nämlich sein, dass Rolf diese Zusammenkunft später mit der vom 6. Mai vermischte, als die Sache explodierte. Der Ausgang der Besprechung im Herbst war ihm jedoch bekannt, sowohl für Schiebold als auch für ihn selbst:

„Und alle waren damit einverstanden, die Schiebold-Phantasien als unrealisierbar abzublasen. Dagegen wurde festgestellt, daß das Betatron eine sehr interessante Maschine sei, besonders für die Medizin und für die zukünftige Kernphysik. Das hoffnungslose 'Geheimprojekt', Flugzeuge mit Röntgenstrahlen von Betatrons abzuschießen, wurde daraufhin (oder vielleicht sogar schon vor diesem Treffen) vollständig fallengelassen. Die Entwicklung der Betatrons sollte aber weiter verfolgt werden. Die offizielle Begründung, es handle sich um ein für die Medizin wichtiges Vorhaben, konnte ja beibehalten werden.“30

So sagt es Rolf in der Biografie. Im Rahmen des Physiker-Interviews in Oslo wurde er gebeten, Näheres dazu auszuführen, dass sein Teil des Projekts fortgeführt werden sollte.

Ist es so, dass mit dieser Besprechung das Todesstrahlen-Projekt aufgegeben wurde?“

„Ja, vollständig aufgegeben.“

„Beendete die Luftwaffe da ihre Unterstützung für Ihr Projekt?“

„Nein, wir sollten den Apparat weiterbauen. Wir sollten ihn vollenden, und so geschah es. Er kostete doch auch nicht so viel Geld, außerdem spielte Geld zu dieser Zeit in Deutschland keine Rolle.“31

Bereits im Mai 1944 war Rolf mit seinem Projekt so weit vorangekommen, dass er nach Plan den Testlauf des Betatrons starten konnte. Und die Maschine funktionierte. Anfangs ist die Intensität nicht so groß. Nach und nach zeigen die Messungen jedoch, dass die produzierte Strahlung eine Energie zwischen 12 und 14 MeV hat. Sie nähern sich also dem Ziel von 15. Im Laufe des Sommers kann das Team Erfolg vermelden: Das erste europäische Betatron von 15 MeV ist nun eine Tatsache … und Rolf stolz. Außerdem, und das ist vielleicht noch wichtiger, haben sie dieselbe Klasse wie die Amerikaner erreicht und können sich nun dem Vergleich mit Kerst und seinem zweiten Betatron, das auf 20 MeV beschleunigt, widmen.

Ursprünglich waren von der Müller-Fabrik Komponenten für zwei Betatrone bestellt worden. Das eine sollte schlicht und einfach dazu verwendet werden, die Eigenschaften solcher Apparate zu untersuchen. Das andere sollte in der Medizin zum Einsatz kommen. Die weitere Arbeit mit den Betatronen sollte nun im Rahmen der erwarteten Fortschritte in der Medizin und in der kernphysikalischen Forschung stattfinden. Milch und Schiebold sind raus, Seifert und Hollnack haben von der Luftwaffe die Vollmacht, Rolfs Pläne weiterzuführen. Damit ist er gerettet. Gerlach hat offensichtlich nichts dagegen, dass die Luftwaffe den Bau von Rolfs Betatronen weiterhin unterstützt, vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Mehrere Mitglieder des aufgelösten Rates für Großostheim waren Angehörige des Reichsluftfahrtministeriums und auf einer Linie mit dem Ratsvorsitzenden. Aber interessierte sich die Luftwaffe wirklich für die Herstellung medizinischer Ausrüstung? Oder war das nur ein Vorwand? Eine mögliche Deutung ist einfach und prinzipiell: Da das Betatron Teil eines größeren Projekts war, sollte es nicht betroffen sein, wenn ein anderes Teilprojekt den Anforderungen nicht gerecht wurde. Der Vertrag, von dem wir nicht wissen, ob er unterzeichnet wurde, war auf drei Jahre ausgelegt, demgemäß sollte das Engagement fortgesetzt werden. Denkbar sind aber auch schlimmere Erklärungen. Auf jeden Fall ging die Arbeit sowohl mit den Siemens-Betatronen als auch mit Rolfs Brown-Boveri-Betatronen weiter.

Und in Peenemünde nahm die Arbeit mit den neuen Raketen ihren Lauf. Am 6. September wird die erste V2-Rakete über London abgefeuert. Der Krieg befindet sich in der Schlussphase.

Köpfe rollen

Nach dem 20. September ist Schiebold komplett aus allem raus, was mit der Röntgenkanone zu tun hat. In Verbindung mit später für die Luftwaffe ausgeführten Aufträgen ist sein Name nirgends zu finden.32 Ab Herbst 1944 existierte auch die Forschungsanlage Großostheim nicht mehr. Sie verschwand mit Schiebold. Aber nicht alle waren gegen ihn. Der Redakteur des Springer-Magazins Archiv für Elektrotechnik, Karl A. Egerer, hatte engen Kontakt zu ihm, was mehrere Briefe belegen, darunter einer, in dem er Schiebold in Schutz nimmt und sagt, dass er nicht allein die Verantwortung trage, denn schließlich hatte er Fachleute um sich herum. Aus den Briefen geht hervor, dass Egerer zu den Beratern und Vertrauten Milchs gehörte. Egerer erwähnt unter anderem, dass er es war, der Milch dazu gebracht habe, Rolfs Ideen in Schiebolds ursprüngliches Forschungsprojekt einzubeziehen. Somit ist das bestätigt. Die Verbindung zwischen dem Redakteur und Milch war eng.

Kann hierin das Mysterium des verschwundenen Artikels liegen? Desjenigen, der nie gedruckt wurde? Ist es so, dass der Redakteur nach Erhalt von Rolfs zweitem Artikel damit direkt zu Schiebold ging, wodurch er den Geheimhaltungsstempel bekam und somit Teil des Strahlenprojekts der Luftwaffe wurde? Oder war es womöglich nicht der Redakteur, der den Artikel gestoppt hat? Warum unternimmt Rolf im Übrigen nichts, um herauszufinden, warum er nicht gedruckt wurde? Oder tat er es und hat es nur nicht erwähnt? Vielleicht hat er sogar die Antwort gefunden. Noch immer gibt es viele unbeantwortete Fragen. Einige davon betreffen die Gefangenschaft des Bruders.

Besuch bei Viggo

Viggo wird ins Gefangenenlager nach Rendsburg in die Nähe von Kiel verlegt, wo Rolf ihn besucht. Seinen Bruder von Angesicht zu Angesicht sehen darf. Dem geht es schlecht. Er ist verwahrlost und krank. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Mangelerscheinung, möglicherweise in Kombination mit einer Lungenentzündung. Rolfs Kontakte hatten also nicht genug Einfluss, um den Bruder freizubekommen. Vielleicht taten sie, was sie konnten, aber es war auf keinen Fall genug, konstatierte Rolf. Darüber, ob es ihnen gelungen war, die Haftbedingungen zu verbessern, sagt er nichts. Aber zumindest hatte Viggo etwas besseres Essen bekommen und wurde später in ein Lager in der Nähe von Darmstadt verlegt, wo er die Erlaubnis erhielt, draußen im Wald zu arbeiten. Das hat ihm vermutlich geholfen, glaubte Rolf später. Vor Rendsburg war er eine Zeit lang in Hamburg-Fuhlsbüttel gewesen. Letztendlich wurde Viggo nach Dreibergen und anschließend nach Dieburg verlegt, wo er blieb, bis er im März 1945 von den Amerikanern befreit wurde.33

Rolf sagt auch nichts darüber, wie es sich zugetragen hat, dass er den Bruder besuchen durfte, ob es vonseiten der Deutschen als eine Geste oder eine Drohung gemeint war. Ein Zufall war es kaum. Ganz im Gegenteil deutet es darauf hin, dass die Nazi-Behörden ein Spiel mit den Brüdern trieben. Anschließend lässt Rolf wissen, dass er ihn besucht habe, schmückt das Elend jedoch nicht aus und äußert sich auch nicht dahingehend, welchen Eindruck die Begegnung mit dem Bruder auf ihn gemacht hat. Ob Viggo überhaupt wusste, dass sich sein Bruder Rolf in Deutschland aufhielt, bevor der dann plötzlich im Lager stand, ist nicht sicher. Zuchthausgefangene unterlagen strengeren Regeln als Insassen gewöhnlicher Gefängnisse, und die zeitlichen Abstände, in denen sie Besuch bekommen, Pakete und Briefe erhalten oder an die Familie schreiben durften, waren länger.

Zwei Brüder in den Vierzigern, die einst als Kinder in Vinderen mit Stromleitungen gespielt und einen Kurzschluss erzeugt hatten, woraufhin ihre deutsche Großmutter in der Dachkammer im Dunkeln gesessen hatte. Die nach der Schule mit Ski auf den Kolsåstoppen hinaufgefahren waren und in der Jugend mit Kameraden in den Osterferien in den Alpen Bier getrunken hatten. Die zusammen eine Fluggesellschaft ins Leben gerufen hatten. Etwa zeitgleich geheiratet und eine Familie gegründet hatten, sich in bester Lage im Osloer Westen niedergelassen hatten. Beide hatten sie Karriere gemacht, jeder in seinem Bereich. Jetzt hatten sie sich zwei, drei Jahre nicht gesehen, und dann treffen sie sich in Deutschland in einem Zuchthaus. Der eine als Gefangener des Feindes. Der andere als Arbeitnehmer des Feindes. Dort, wo er einsaß, hatte Viggo nicht viel Grund, anderes als das Schlimmste zu denken, und es würde nicht erstaunen, wenn er den Bruder aus reiner Frustration und Verzweiflung gebeten hätte, wieder zu gehen. Was wir wissen, ist, dass Viggo in einem Brief nach Hause mitteilte, dass Rolf ihn nie wieder im Gefängnis besuchen solle. Der Besuch des Bruders in tadellosem Anzug und Mantel hatte Viggo, der unter unwürdigen Verhältnissen lebte, möglicherweise gequält – das ist eine Auslegung. Unabhängig davon wäre es naiv zu glauben, dass der Besuch des Bruders nicht von den Behörden organisiert und genehmigt worden war.

Die Industrie in der Offensive

Brown Boveri hatte eine vorläufige Bestellung für die Konstruktion eines 200-MeV-Betatrons erhalten, und im Oktober 1944 fand in Heidelberg eine Sitzung statt, um das Konzept zu diskutieren. Besprochen wurden sowohl die Fortschritte von Gund bei Siemens als auch die von Rolf bei Philips/Brown Boveri.

Der Bau des ersten Siemens-Betatrons hatte sich lange hingezogen. Rolf stand in Kontakt mit dem Labor in Erlangen und war unter anderem im November 1944 zu einem Besuch vor Ort. Dort wurden Erfahrungen über die jeweiligen Maschinen ausgetauscht. Allerdings glaubte Rolf aus diversen Gründen nicht, dass das Siemens-Modell sonderlich gut funktionieren würde. Besonderes Interesse hatte er an dem Material, das sie für die Vakuumröhre verwendeten, einen keramischen Stoff, der ein guter Wärmeisolator war und sich seiner Meinung nach nicht eignete. Er selbst verwendete Glas aus Borosilikat, das gegenüber einer Schädigung durch Wärme widerstandsfähiger war. Sie diskutierten auch die Frage der Frequenz, wobei Rolf meinte, dass es ihm gelungen sei, Gund davon zu überzeugen, dass sie eine viel zu hohe Frequenz verwendeten.34 Nur widerwillig musste Rolf später einräumen, dass es Gund faktisch bereits im April gelungen war, eine solche Maschine zum Laufen zu bringen. Pedro Waloschek zufolge war Rolf Gund gegenüber immer kritisch und in diesem Punkt sogar ungerecht.35

Warum aber dieser gewaltige Eifer der Behörden, Betatrone zu bauen, und das zeitgleich an mehreren Orten? Eine mögliche Theorie ist, dass Nazi-Deutschland die industriellen Interessen an Siemens und Brown Boveri gegeneinander ausspielte. Möglicherweise war die Verzweiflung so groß, dass man auf beide setzte, um zu sehen, wer als Erster ans Ziel gelangte. In diesem Fall kann der Wunsch nach dem Bau der Maschine jedoch kaum medizinische Gründe gehabt haben. Eines der vielen verwirrenden Teilchen in dem Puzzle ist, warum Rolf Siemens besucht hat, um sich das Betatron anzusehen, an dem Konrad Gund arbeitete. Warum half er Siemens? Berät und lenkt sie auf die richtige Fährte? War er nur aufrichtig interessiert und wollte nett sein? Das zu beantworten, ist nicht leicht (Abb. 3.1).

Abb. 3.1
figure 1

(© Smithsonian Institute, Washington D. C., mit freundlicher Genehmigung)

Während seines Aufenthalts in Deutschland im Krieg baute Rolf Widerøe sein erstes Betatron, eine 15-MeV-Maschine, welche die Alliierten als Kriegsbeute nahmen.

In der Müller-Fabrik arbeitete Rolfs Team auf Hochtouren am Betatron. Einmal bekamen sie Besuch von Professor Gentner aus Heidelberg und dem Mann, der am Stopp der Strahlenkanone beteiligt war, Dr. Kulenkampff. Über die Resultate äußerten sie sich sehr lobend. Im Laufe des Herbstes 1944 war der Bau der Maschine so weit fortgeschritten, dass Rolf den Rest Kollath und Schumann – mit ersterem als fachlichem Leiter – überlassen konnte. Schumanns Rolle war diffuser, möglicherweise politischer, jedoch waren beide Physiker mit großer Kompetenz. Sie nehmen die noch ausstehenden Messungen vor und publizieren später unter anderem in der Zeitschrift für Naturforschung einen ausführlichen Bericht. Als Rolf im Alter von 90 Jahren in der Biografie davon erzählt, fügt er hinzu, dass er jetzt fertig war: „Ich konnte nach Hause fahren.“ Im Physiker-Interview verwendete er den Ausdruck „erhielt ich die Erlaubnis, nach Hause zu fahren“ und datierte es auf Januar. Aus seinen Worten ist zu „vernehmen“, dass sich der Krieg dem Ende zuneigte:

„(…) in diesem Herbst kam der Apparat so weit, dass man sagen konnte, er hatte etwas Brauchbares an sich. Gleichzeitig aber näherten sich die Engländer Hamburg immer mehr, und es war wohl Anfang Januar 1945, da erhielt ich die Erlaubnis, nach Hause zu fahren, meine Arbeit war beendet, und Kollath übernahm das Weitere (…)“36

Ob er da wirklich plante, bereits nach Hause zu fahren, ist schwer zu sagen. Eine andere Sache ist, ob er die Erlaubnis erhalten hatte. Die Situation spitzt sich zu. Es ist eine Frage der Zeit, wie lange Rolfs Betatron in Hamburg sicher ist.

Hollnack wirbt einen Kurier

In dem Personenkreis, der in Verbindung mit der behördlichen Verwaltung des Widerøe-Projekts steht, taucht im Dezember ein weiterer Name auf. Rolfs Vorgesetzter, Theodor Hollnack, lernt einen jungen, augenscheinlich gut aussehenden Mann kennen, der sich als Jan Gerrit Overbeek ausgibt. Die erste Begegnung findet in einem Krankenhaus in Marburg statt. Hollnack stellt ihn als persönlichen Kurier ein. Die Geschichte seiner Anwerbung gleicht einem Spionageroman und weist Untertöne von Homosexualität auf:37

In einem Krankenhaus in Marburg liegt ein 17-Jähriger, ein niederländischer Matrose, der angibt, in Duisburg auf einem Frachtschiff angeheuert zu haben, wohin er aber nicht zurückwolle. Ein Mann kommt mit ihm ins Gespräch und findet heraus, dass der Junge gern liest. Der Mann bietet an, ihm ein Buch von Nietzsche mitzubringen, welches er am nächsten Tag dabeihat. Es handelt sich um Also sprach Zarathustra. Er wünscht dem Jungen gute Besserung, gibt ihm das Buch und geht. In dem Buch liegt ein handgeschriebener Zettel, auf dem steht, der Junge solle sich melden, sobald er aus dem Krankenhaus entlassen wird, dann würde er sehen, was er für ihn tun könne. Unterzeichnet ist der Zettel mit Theodor Hollnack, Baracke Mittelfeld, Dillenburg/Dill. – eine Abteilung des Luftfahrtministeriums. Auf dem Briefbogen steht: „Der Treuhänder des Metallurgischen Forschungsinstitutes des Reichsluftfahrtministeriums“.

Aus dem Krankenhaus entlassen, fährt der Junge einige Tage später mit dem Bus zur angegebenen Adresse. Hollnack selbst ist nicht da, hat aber eine Nachricht hinterlassen. Auch die Übernachtung ist geregelt. Der Junge solle sich bereithalten, und wenn Hollnack ihn brauche, würde er ihn rufen. Das war das Einzige, was er zu tun habe, und dafür solle er monatlich 400 Reichsmark erhalten. Die Kollegen sind nett und hilfsbereit und ahnen nichts von der Art der Aufgaben, für die Hollnack ihn angestellt hat. Ansonsten hat der Ex-Matrose nichts mit der Arbeit vor Ort zu tun, und Hollnack verbietet ihm, sowohl inner- als auch außerhalb des Büros persönliche Kontakte zu knüpfen, allen voran nicht mit jungen Damen.

Der Matrose ist oft mit dem Chef unterwegs, der in einem Opel „Kaptein“ umherfährt, und auf diesen Touren reden sie viel miteinander. Der Junge erfährt, dass Hollnack aus einer preußischen Offiziersfamilie stammt, früher Fluglehrer war und sein direkter Vorgesetzter Generalfeldmarschall Milch ist, der Ende 1944 noch eine gewisse Macht innehatte. Matrose Overbeek ist identisch mit dem Schriftsteller Jakov Lind, der viele Jahre später in seiner Autobiografie den Mann, der ihn anwarb, wie folgt beschrieb: „Er hatte kurzgeschnittenes Haar und ein nicht unsympathisches Gesicht. Braune Augen und eine ziemlich kurze, eingedrückte oder aufgebogene Nase.“ Weiter schreibt er, dass er seiner Meinung nach chefartig aussah, mit dunkelblauem Anzug, weißem Hemd und schwarzem Schlips. 38 In dem Buch hat Lind, alias Matrose Overbeek, nicht nur seinen eigenen Namen geändert, sondern aus Hollnack auch „Kolberg“ gemacht. Pedro Waloschek berichtet, dass er Kontakt zu Lind aufgenommen und dieser sowohl schriftlich per Brief als auch telefonisch bestätigt hatte, dass die von ihm beschriebene Person Rolfs Vorgesetzter und das Bindeglied zu den Behörden war. Und der 17-Jährige im Krankenhaus, der später in England zu einem bekannten Schriftsteller wurde, war in Wirklichkeit nicht Overbeek, sondern der ihn Wien geborene Jude Heintz Landwith, den seine Eltern im Alter von elf Jahren mit einer Flüchtlingsorganisation in die Niederlande geschickt hatten, bevor sie selbst nach Israel emigrierten. In den Niederlanden hatte er sich dann unter dem Namen Jan Gerrit Overbeek falsche Papiere beschafft. Nach dem Krieg nannte er sich Jakov Lind.

Etwa zur gleichen Zeit, im November oder Dezember, wurde ein anderer junger Mann, Rolfs Assistent, der Physikstudent Bruno Touschek, von der Gestapo verhaftet. Sein Verbrechen bestand darin, dass er regelmäßig die Bibliothek der Handelskammer in Hamburg aufgesucht hatte, um dort ausländische Zeitungen und Magazine zu lesen. Das war beobachtet worden. Außerdem hatte er sich provokant und unvorsichtig benommen, zum Beispiel Hitler-Bilder umgedreht, sodass „der Führer“ mit dem Kopf nach unten hing. Das entdeckte die Gestapo und fand zu allem Überfluss noch heraus, dass seine Mutter Jüdin war. Infolgedessen wurde er verhaftet und nach Fuhlsbüttel gebracht, nicht weit entfernt vom Standort der Müller-Fabrik – in das Gefängnis, in dem auch Rolfs Bruder Viggo anfangs gesessen hatte.

Siemens will dabei sein

Der internationale Forschungswettlauf war nunmehr dramatisch und hektisch. Als Rolf Anfang des Jahres 1943 seinen Artikel für die Zeitschrift Archiv für Elektrotechnik Korrektur gelesen hatte, veröffentlichte der Physiker Max Steenbeck zur gleichen Zeit Ergebnisse von Versuchen der Konstruktion eines 1,8-MeV-Betatrons im Rahmen eines eigentlich geheimen Siemens-Projekts. Er behauptete, dass es ihm seit Mitte der 1930er Jahre gelänge, Elektronen auf diese Energie zu beschleunigen. Er berichtete auch von seinen Ideen und der Beantragung mehrerer Patente. Steenbecks Funde wurden im Magazin Naturwissenschaften gedruckt, was Rolf in seinem eigenen Artikel kommentierte. Er erwähnte auch, dass Steenbeck in groben Zügen skizziert habe, wie man Elektronen dazu bringt, sich in einer stabilen Bahn zu bewegen.

Steenbeck kannte Rolfs Doktorarbeit von 1927 und hatte Stoff daraus verwendet. Rolf hatte damals selbst überlegt, sich genau diese Entdeckungen patentieren zu lassen, war dann aber mit anderen Dingen beschäftigt, nicht zuletzt mit den Relais, die er entwickeln sollte, weshalb nichts daraus geworden war. Was die Stabilisierung der Elektronen in der Bahn betraf, hatte sich Steenbeck zum Teil mit denselben Problemen abgemüht wie Rolf. Die Stabilisierungsbedingungen hatte Rolf in seiner Abhandlung nicht erwähnt, jedoch bereits in seinem Notizbuch aus Studienzeiten eine brauchbare Theorie darüber aufgestellt, auf die er später merkwürdigerweise selbst keinen Bezug mehr nahm.

Siemens betrachtete das Betatron als eine deutsche Erfindung, für die Steenbeck zusammen mit seinem Chef, der jüdischer Abstammung war, bereits 1933 das Patent beantragt hatte. In Verbindung mit einem Auftrag für das Unternehmen hatte Siemens es Letzterem ermöglicht, Deutschland zu verlassen.39 Daraufhin setzte Steenbeck die Arbeit allein fort. Viele meinten, Steenbeck sei der Erfinder der sogenannten Stabilisierungsbedingung, da er vor Kerst damit zugange war, auch wenn es sich dabei um eine wesentlich kleinere Maschine handelte.

In der Forschung aber baut der eine auf dem anderen auf. Wie sich herausstellte, war auch Steenbeck nicht der Erste. Vor ihm hatte bereits der Engländer Ernest T. S. Walton in mehr genereller Hinsicht an der gleichen Sache gearbeitet, weshalb man sagen kann, dass er der eigentliche Erfinder der Stabilisierungsbedingung ist. Das war 1929, zwei Jahre nach Rolfs Doktorarbeit. Steenbecks Theorien ließen sich jedoch leichter zu verstehen, und in den Geschichtsbüchern gilt er nach wie vor als Urheber. Zudem hatte sich auch Steenbeck frühzeitig ähnliche Gedanken wie der Amerikaner Lawrence gemacht und an einem sogenannten Synchro-Zyklotron gearbeitet, worüber er auch einen Artikel für die Zeitschrift Naturwissenschaften schrieb, der nie gedruckt wurde, angeblich aufgrund eines Missverständnisses. Siemens' Interesse an Steenbecks Patenten während des Krieges bezog sich allen voran auf das, was sich in Form von Rechten später daraus ergeben konnte und bedeuten würde, dass man Lizenzen eintreiben konnte. Für Steenbeck ergab sich daraus anfänglich eher ein bescheidener Auftrag, ein kleines Betatron-Versuchsmodell, das er streng geheim zu halten versprechen musste.

Krieg an allen Fronten

Der Rüstungswettlauf führte dazu, dass auch Steenbeck lernen musste, mit militärischen Forschungszwecken seiner Arbeit zu leben. Zu Kriegsbeginn stellte die Firmenleitung die Arbeit an seinem Betatron ein. Im Jahr darauf hatte Kerst, mit Unterstützung von General Electric, erfolgreich seine ersten Betatron-Versuche durchgeführt, und am 13. November 1940 reichte er in den USA einen Patentantrag ein, der dem, den Steenbeck in Deutschland eingesandt hatte, überraschend ähnelte. In Europa aber blieb Kersts Erfindung praktisch unbemerkt.

General Electric soll Siemens dann um Erlaubnis gebeten haben, das Steenbeck-Patent zu verwenden, das auf Zeichnungen basierte, die Gund bei Siemens genutzt hatte. Steenbecks Version des Ganzen war jedoch eine andere. Er behauptete, die Lizenz sei 1941 an Westinghouse vergeben worden, und Kerst habe das Patent gekannt, bevor er sein Ziel erreicht hatte. Die Lizenz war jedoch ohne Bedeutung, da nach dem Krieg alle deutschen Patente sofort beschlagnahmt wurden. Als sie später zurückgegeben wurden und aktuelle Rechte hätten geltend gemacht werden können, waren die meisten bereits ausgelaufen.40

Rolf zufolge war er bei den Gerichtsverhandlungen in Mannheim und Karlsruhe anwesend, wo Brown Boveri 1954 verurteilt wurde, Siemens etwa 100.000 DM für die Verwendung von Patenten zu zahlen.41 Bis Kriegsende hatte Siemens eine Reihe von Patenten registrieren lassen, die als äußerst interessant eingestuft wurden. Ein amerikanischer Bericht, der die europäische Situation in Sachen Beschleuniger unmittelbar nach dem Krieg zusammenfasste, benennt insgesamt 14 wichtige technische Ideen, die patentiert wurden.42

Pedro Waloschek, der das Betatron-Engagement während des Zweiten Weltkriegs sowohl von Siemens als auch von Brown Boveri studiert hat, meint, es gab einen Unterschied im anvisierten Ziel der beiden Unternehmen, auch wenn beide von der Luftwaffe unterstützt wurden und beide Mittel unter dem Etikett „kriegswichtige Forschung“ erhielten. Er meint auch, dass das Siemens-Betatron anfangs stärker auf den medizinischen Gebrauch ausgerichtet war als das von Rolf:

„Gunds Elektronenschleuder wurde mit ganz anderen Vorgaben geplant als der Strahlentransformator von Widerøe. Während Widerøe, vielleicht beeinflusst durch das Arbeitsfeld von Schiebold, Seifert und Hollnack, seine Apparatur hauptsächlich für die Erzeugung harter Röntgenstrahlen auslegte (Materialuntersuchungen und eventuell 'kriegswichtige' Anwendungen) und weniger für medizinische Zwecke, hat sich Gund ganz den Erfordernissen der Medizin angepasst, im Sinne der Siemens-Planung. Und da hatte man neben der Anwendung der harten Röntgenstrahlen auch die Benutzung der Elektronen als externem Strahl im Sinne. Es bestand nämlich die begründete Hoffnung der Mediziner, mit genügend schnellen Elektronen tiefer liegende Tumore gezielt erreichen zu können und dabei das dazwischenliegende Gewebe weniger zu beschädigen.“43

Waloschek meint, das sei der Beleg dafür, dass Gunds kleines Betatron nicht nur das erste operative deutsche Betatron war, sondern auch das erste, mit dem wissenschaftliche Arbeiten durchgeführt wurden. Er behauptet, dass das ursprüngliche Ziel, Elektronen aus der Maschine zu ziehen, 1947 erreicht wurde und dass die Maschine überraschend stabil und betriebssicher arbeitete. Die Absicht, Betatrone zu entwickeln, war das eine; spätere Ergebnisse führten jedoch zu einer Umkehr der Situation. Unabhängig davon lautete das übergeordnete Ziel für beide Unternehmen, Geld zu verdienen.

Das Interesse an den Siemens-Projekten nahm zu. Ein anderer Physiker, Wolfgang Paul, der später den Nobelpreis erhielt, hatte über Kersts Betatron gelesen und daraufhin selbst große Betatron-Ambitionen entwickelt, zudem begriff er, dass dies Hoffnungen in der deutschen Luftwaffe schüren könnte.44 Zusammen mit seinem Partner, einem Professor der Kernphysik und Mitglied im Uranprojekt45, wollte er Großes erschaffen:

„Wir planten, sobald der Krieg bzw. die Politik es erlauben würde, einen solchen Beschleuniger zu bauen. Als wir dann hörten, dass bereits bei Siemens eine 'Elektronenschleuder' für medizinische Zwecke im Bau sei, haben wir unsere Hilfe bei der Erprobung angeboten. Ich habe dann die dafür nötige Impulselektronik und auch Kernphysik gelernt, die Apparatur dafür in Göttingen aufgebaut und habe damit im Sommer 1944 die ersten Messungen in Erlangen durchgeführt.“46

Letztendlich war es also doch das Steenbeck-Gund-Projekt, das für Siemens große Bedeutung erlangte und dazu führte, dass sich auch andere Experten auf dem Gebiet dafür interessierten (Abb. 3.2).

Abb. 3.2
figure 2

(Foto © Pedro Waloschek)

Wolfgang Paul und Rolf Widerøe bei einer Beschleuniger-Konferenz 1992 in Hamburg. 1989 wurde Paul der Nobelpreis für Physik verliehen.

Medizinischer Einsatz

Es ist schwer, den Zeitpunkt auszumachen, wann Rolf begann, an den medizinischen Einsatz des Betatrons zu denken. Ob es vor, während oder nach dem Deutschland-Aufenthalt im Krieg war. Hierbei sollte immer bedacht werden, dass es mitunter einen Unterschied darstellt, was er wann darüber gesagt hat und was der Realität entsprach. Einer von denen, die Rolf nach dem Krieg in Verbindung mit der Gründung des CERN-Labors am Brookhaven-Institut traf, schrieb in einem Artikel über die Geschichte der Beschleuniger, dass Rolf einen überzeugenden Eindruck gemacht habe. Er „verbrachte die Kriegsjahre in Berlin“, wo er an Betatronen arbeitete. „Die Deutschen unterstützten diese Arbeit, weil Widerøe sie überzeugt hatte, dass sie nützlich sei, um Todesstrahlen zu generieren.“47

Vor diesem Hintergrund ist es schwer zu entscheiden, ob Rolf selbst glaubte, dass seine Erfindung als Waffe eingesetzt werden könnte, oder ob er die Deutschen in dem Glauben ließ, um Unterstützung für das Projekt zu erhalten. Dem Artikel zufolge soll sich Rolf während des Krieges in Berlin aufgehalten haben, was auch von anderen behauptet wurde. Basierend auf Eindrücken, unter anderem aus der Biografie und Gesprächen mit Waloschek, hat es den Anschein, dass er fest in Hamburg gewohnt hat, jedoch sehr viel reiste. Berlin war schließlich die Hauptstadt und Hauptsitz der Nazi-Führung, weshalb womöglich nicht so viel darauf gegeben werden muss, wenn ein Amerikaner 30 Jahre später schreibt, Rolf habe sich während des Krieges in Berlin aufgehalten.

Was den Nutzen betrifft, den Rolf in der Arbeit mit dem Betatron sah, sehe ich drei Szenarien vor mir: Er glaubte, es könne die Grundlage für weitere wissenschaftliche Arbeit in der Physik sein. Er glaubte, es könne zu einer kriegswichtigen Waffe für die Verteidigung aus der Luft führen. Er glaubte, es könne in der medizinischen Behandlung eingesetzt werden. Was er aber während des Krieges – und insoweit auch danach – sagte, ist nicht unbedingt deckungsgleich mit dem, was er selbst meinte. In der Biografie sichert er sich, fast 50 Jahre später, nach allen Seiten ab. Sagt, er nehme an, der Grund für das Interesse der Luftwaffe am Betatron sei gewesen, dass man Röntgenstrahlen mit sehr hoher Energie erzeugen konnte. Das habe den Todesstrahlen-Vorkämpfern neue Hoffnung gegeben, weshalb sie das Ganze finanzierten. „Ich durfte eigentlich nichts von dieser Sache wissen, und wir sprachen immer nur über die Bedeutung für die Medizin.“ In einem späteren Buch schreibt Waloschek mit Rolf als Quelle:

„Aber ich würde es für sehr wahrscheinlich halten, dass damals die Autorität Gerlachs so groß war, dass die politisch oder militärisch Verantwortlichen (darunter wohl Speer, Milch, Georgii und Geist) ohne viel zu fragen seinen Meinungen oder Entscheidungen folgten. Und Gerlach hatte ja auf jeden Fall Vollmacht über die für die Kernphysik ihm zugeteilten Forschungsgelder.“48

Das Betatron muss in Sicherheit

Aber noch dauert der Krieg an. Es ist das letzte Kriegsjahr, kurz vor Weihnachten. Hamburg ist regelmäßig Ziel der Bombenangriffe von Engländern und Amerikanern. Seit Ende Juni gibt es jeden Monat Großrazzien. Deutschlands größte Hafenstadt mit ihren Ölraffinerien und ihrer Schwerindustrie – zum Beispiel Blohm & Voss, die Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge herstellen – ist für die Alliierten ein wichtiges Ziel. Auch die Müller-Fabrik und die umliegenden Industrieanlagen werden schwer getroffen. Das Kellergeschoss, in dem das Betatron steht, ist noch intakt. Das Luftfahrtministerium befiehlt, die fertige 15-MeV-Maschine an einen „sicheren Ort“ außerhalb der Stadt zu bringen. Ob der Befehl wirklich von ganz oben kam – Milch war nicht mehr da – oder von Oberst Geist kam, ob er von Hollnack oder Seifert eigenhändig erteilt wurde, ist nicht bekannt.

Mithilfe von Richard Seifert gelingt es Kollath und Schumann, die Maschine im Laufe weniger Monate zu demontieren und sie an einen kleinen versteckten Ort namens Wrist bei Kellinghusen, zwischen Hamburg und Kiel gelegen, zu bringen. Hier sollte das Betatron in einem Gebäude, das zur Molkerei von Seiferts Familie gehörte, wieder aufgebaut werden, ohne Verdacht zu erregen.

Damit der Transport keinen Verdacht erweckte, saß Richard Seiferts jüngste Tochter Elisabeth mit im Auto. Sie hat später von der dramatischen Fahrt berichtet.49 Rolfs Stellvertreter Kollath saß zusammen mit Hollnack auf der Rückbank, sie selbst vorn beim Fahrer. Es war kein leichtes Vorankommen, sie fuhren ohne Licht, die Straße war schmal und die ganze Zeit über gab es Luftangriffe. Ab und an musste sie aussteigen, um Schilder zu suchen, die mitunter verdeckt waren, damit alliierte Flugzeuge sie nicht sahen. Es gelang ihnen, die Anlage in ein Gebäude zu bugsieren, das eine dafür ausreichend große Tür hatte. Nur einige wenige Eingeweihte wussten davon. Unter diesen war bald auch Hollnacks Kurier, der sich bereits in Wrist aufhielt. Als er eines Tages ein merkwürdiges, gut getarntes Instrument entdeckte, begriff er, dass es sich dabei um das supergeheime Betatron handeln musste.

Hier in Wrist wurde die Maschine installiert und in Betrieb genommen, und sie lief wie im Labor in der Müller-Fabrik. Der Student Touschek saß im Gefängnis und konnte nicht helfen, allerdings sprangen einige Mitarbeiter von Müller ein, sodass Rolfs Team mit den Tests und Messungen fortfahren konnte. Spätere Ereignisse deuten darauf hin, dass Hollnack mehr als die meisten anderen um ihn herum über die Bewegungen der Alliierten wusste und es kaum Zufall war, dass er dafür sorgte, die Maschine genau zu diesem Zeitpunkt aus Hamburg herauszubringen. Sich ein vollständiges Bild von dem zu machen, was die anderen erfuhren – oder begriffen –, ist schwer.

Bereits Anfang Januar hatte Hollnack seinen Kurier mit Papieren ausgestattet, die besagten, dass alle zur Polizei und SS gehörenden Dienststellen aufgefordert wurden, dem Kurier, der „im Auftrag des Luftfahrtministeriums reist, in jeglicher Hinsicht behilflich zu sein“. Damit konnte der Spionageassistent, wie er sich später bezeichnete, frei reisen. Er befördert Mappen und Pakete zwischen Hamburg, Berlin, Mannheim, Dillenburg, Dresden und ab und an anderen Städten hin und her. Er verbringt viel Zeit im Zug, reist stets erste Klasse und wohnt im Hotel in Luxussuiten.

Rolf seinerseits hatte im Laufe des Winters immer weniger mit dem 15-MeV-Betatron zu tun. Er hatte sich auf die 200-MeV-Maschine konzentriert, die in Mannheim gebaut werden sollte, nachdem Großostheim als Produktionsstätte nicht mehr aktuell war. Außerdem nahmen die Patentanträge viel Zeit in Anspruch. Er nutzte noch immer die Patentberatung seines Freundes in Berlin, und es wäre seltsam, wenn sich nicht auch Rolf der Botengänge von Hollnacks Kurier bedient hätte, jenes Jungen, an den sich Rolf „später nicht mehr erinnern konnte“.50 Inmitten des Kriegsdramas und des Industriekampfes verfolgte Rolf seine eigene Agenda, seinen eigenen Wettlauf mit sich selbst und den Konkurrenten. Im Februar 1945 beantragte er weitere Patente, eines am 17. und eines am 19. Februar. Offensichtlich hatte er es eilig. Unabhängig davon, wie sehr oder wie wenig er sich um das politische Spiel drumherum kümmerte, konnte es ihm nicht entgangen sein, dass der Krieg dem Ende zuging und dadurch, aus seiner Sicht, „bestenfalls“ Unsicherheit hinsichtlich der Weiterführung seines Projekts entstand.

Es passiert etwas

Im März, möglicherweise nicht vor April, geschieht etwas Unerwartetes. Hollnack, der für die Finanzen verantwortlich ist, gibt Rolf einen Geldbetrag und bittet ihn, nach Hause zu fahren. Für immer. Sofort. Es handelt sich um eine hohe Summe, rund 38.000 Reichsmark, damals etwa 150.000 Norwegische Kronen. Einer anderen Quelle zufolge waren es 38.000 Norwegische Kronen – in der Situation, in der er sich damals befand, trotzdem ein kleines Vermögen. Um den heutigen Geldwert zu berechnen, muss man mit 20 multiplizieren. Bezogen auf das Jahr 2017 ist also von einem Betrag in Höhe von vielleicht 3 Mio. Kronen – alternativ 800.000 Kronen – die Rede. Die Sonderzahlung erfolgt, laut Rolf, „für seine Dienste“. Später hat er erklärt, es habe sich um die Bezahlung für das Nutzungsrecht der Patente gehandelt.51 Mit diesem Geld verschwindet Rolf unmerklich aus Hamburg. Mit dem Zug. Es kommt zu einigen Zwischenstopps „aufgrund von Sabotage an der Bahnstrecke“ sowie einem Aufenthalt in Kopenhagen, um auf dem Konsulat „die Papiere zu regeln“. Um welche Art von Papieren es sich handelte, sagt er nicht, jedoch hatte er dort auch im ersten Jahr auf der Heimreise zu Weihnachten einen Halt eingelegt, obwohl er da mit dem Flugzeug unterwegs war. So etwas kann durchaus für Verwunderung sorgen. Er kommt im immer noch besetzten Oslo an, wo er noch immer bei der Tochtergesellschaft von Brown Boveri, NEBB, angestellt ist. Sein Aufenthalt in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs ist vorüber.

Zu diesem Zeitpunkt weiß er vermutlich wenig darüber, wie man ihn aufnehmen wird. Warum im Übrigen nimmt er den Zug – er, der immer mit dem Flugzeug reiste? Eine einleuchtende Erklärung dafür gibt es nicht. Schließlich hatte sich vorab immer die Luftwaffe um die Reisen gekümmert. Wusste man dort nichts von seiner Abreise? Offensichtlich nicht. Wahrscheinlich wurde er in gewisser Weise außer Landes geschmuggelt. Und in welcher Währung wurde er bezahlt? Man konnte doch sicher nicht einfach zu einer norwegischen Bank gehen und bitten, einen Haufen Deutsche Reichsmark umzutauschen. Und wann ist er eigentlich nach Hause gekommen? Es werden unterschiedliche Zeitpunkte angegeben. Was hat er im Februar und im März gemacht? Und wo ist er gewesen? An einer Stelle hat er geschrieben, dass er im Herbst 1944 zur Heimkehr bereit war. An anderer Stelle notiert er, dass er im Januar/Februar gefahren sei. Ist „zur Heimkehr bereit“ das Gleiche wie zu reisen? An wiederum anderer Stelle ist die Rede von der Abreise im März, aber es kann auch noch später gewesen sein. Es gibt Briefe mit seiner Unterschrift aus Hamburg, die auf den 12. Februar 1945 datiert sind. Ist die Erklärung womöglich so einfach, dass er aus ganz praktischen Gründen viel Zeit auf die Heimreise verwendet hat? Schließlich war Krieg. Oder hat er auf dem Weg jemanden oder etwas aufgesucht, zum Beispiel in Dänemark?

Sicher ist, dass es Rolf gelang, die Dokumentation der in Deutschland ausgeführten Arbeit mit nach Hause zu nehmen. In den etwa 20 Monaten, die er sich in Deutschland aufgehalten hat, war einiges zusammengekommen, nicht nur Patente, sondern viel Material, das noch unfertig war und eine Weiterbearbeitung erforderte. Viele der Theorien und Ergebnisse, die er gewonnen hatte, waren von ihm bislang noch nicht einmal verschriftlicht worden. Die Möglichkeit dazu könnte sich jedoch ergeben.

In Deutschland wurde die Situation immer chaotischer. Am 14. April befreien amerikanische Truppen den Siemens-Forscher Richard Gans und übernehmen sein und Schmellenmeiers Betatron-Labor, das nach Burggrub verlegt worden war. Die Reste wurden wahrscheinlich zerstört und vernichtet.52 Alle Versuche Nazi-Deutschlands, eine Strahlen-Wunderwaffe herzustellen, sind gescheitert. Der Krieg befindet sich in der Schlussphase, und die Ereignisse geschehen in schneller Abfolge.

24. April: Berlin wird von sowjetischen Truppen umstellt.

30. April: Hitler begeht im Führerbunker Selbstmord.

3. Mai: Britische Truppen besetzen kampflos Hamburg.

7. Mai: Deutschland kapituliert bedingungslos.

Die Enthüllung

Als die Nachricht von Hitlers Selbstmord Hamburg erreicht, verrät Hollnacks Kurier seinem Chef seine wahre Identität, dass er Jude ist und aus Wien stammt, also nicht der Niederländer, für den er sich ausgegeben hat. Hollnack nimmt die Neuigkeit mit großer Ruhe auf. Sagt nur „Ah“, und nach einer kleinen Pause erzählt er, dass die Sekretärin, Fräulein Bluhme, Halbjüdin sei. Jetzt ist der Kurier an der Reihe, ein „Ah“ zu äußern, jedoch ohne die Information aufzugreifen, die er soeben erhalten hat, sodass Hollnack Klartext reden muss: „Ich habe für die Alliierten wichtige Arbeit ausgeführt.“53

Der Kurier ist noch immer verwirrt. Kann sich das nicht vorstellen. Er hatte etwas von Metallteilen aufgeschnappt für das, was er als Zyklotron bezeichnete, das graue Monster, das er gesehen habe. Er fragt Hollnack, wovon er eigentlich redet, und erhält als Antwort: „Bleiben Sie hier, bis die Engländer kommen, Overbeek, und Sie werden sehen. Heute oder morgen müssen sie kommen. Sie sind mir behilflich gewesen, den Alliierten zu helfen, man wird das zu schätzen wissen.“54 Dann bietet er dem Jungen an, ihm ein Stipendium zu verschaffen, damit er in England oder Amerika studieren kann. Der ehemalige Matrose ist mittlerweile 18 Jahre alt und noch immer ohne Ausbildung, schlägt das Angebot jedoch aus. Er bleibt noch einige Tage in Kellinghusen. Der Gedanke, als Paradebeispiel und zusammen mit Kollaths jüdischer Frau, dem jüdischstämmigen Touschek und Fräulein Bluhme als „Show-off“-Jude zu fungieren, sagt ihm nicht sonderlich zu. Er will zurück nach Amsterdam zu seinen dortigen Freunden.55

Theodor Hollnack, der also nicht nur Vertrauter der deutschen Luftwaffe, sondern auch der Engländer ist, nimmt schnell Kontakt zu einer englischen Spezialeinheit auf und führt diese zur Müller-Fabrik. Er zeigt Filme von den Labors und Büros, in denen das Betatron entwickelt wurde. Alle noch vorhandenen Dokumente werden beschlagnahmt und mitgenommen. Anschließend wird der Fabrik jegliche Tätigkeit untersagt. Die Mitarbeiter sind selbstverständlich nicht sonderlich begeistert. Sie wissen, dass sowohl für ihre Firma als auch für den Mutterkonzern Philips mit der Entwicklung des Betatrons viel Prestige verbunden ist. Sie hatten enorm viel Arbeit in dieses Projekt gesteckt und verstanden nicht, warum sie jetzt nicht weitermachen sollten.

Hollnack ist geschäftig, sorgt auch dafür, dass die Engländer die Arbeit in der Molkerei in Wrist weiterlaufen lassen. Höchstwahrscheinlich war das bereits vor Ankunft der Engländer geregelt. Zumindest kann das Team mit Kollath, Schumann und Touschek an der Spitze mit den Betatron-Messungen fortfahren.56

Ganz andere Probleme

In Norwegen warten auf Rolf ganz andere Probleme. Einige Wochen nach seiner Heimkehr wird er verhaftet und ins Gefangenenlager Ilebu gebracht: die ehemalige Strafanstalt, in der die Deutschen Norweger gefangen gehalten hatten und die mit Friedensbeginn zum Gefängnis für Landesverräter umgewandelt wurde. Dorthin hatte die Gestapo am 21. Juli 1941 seinen Bruder Viggo gebracht. Dorthin war am 7. Juli 1943 sein späterer Schwager, Egil Reksten, überführt worden. Jetzt war er an der Reihe, jedoch mit umgekehrtem Vorzeichen und wegen einer ungeheuerlichen Anschuldigung, an der Entwicklung der V2-Rakete beteiligt gewesen zu sein.

Er bekam die Erlaubnis, Papiere und Notizen mit ins Gefängnis zu nehmen, und nutzte die freie Zeit, um Berichte über seine wissenschaftliche Arbeit der letzten Jahre zu erstellen. Ja, so berichtet er es in der Biografie. Er bringt es sogar fertig – auf typisch Widerøesche Art – zu sagen, dass es im Grunde gut war, dass er verhaftet wurde, denn dadurch hatte er richtig viel Zeit zum Schreiben.57 Seine Frau erhält einen langen Brief mit seinen Gedanken zur Zukunft. Er bekam keinen Lohn mehr und sorgte sich selbstverständlich um die Familie. Daher bittet er Ragnhild, den Direktor von NEBB zu kontaktieren und ihn um Rat zu fragen. Und der Rat kommt postwendend: Rolf müsse eine Anstellung am Hauptsitz der Firma in der Schweiz erhalten.

Jetzt geht es schnell. Im Juni wird er von NEBB offiziell gekündigt, wo man Angst um das eigene Renommee hat. Die Firma muss Geld verdienen und kann es sich nicht leisten, einen zur Kollaboration Bereiten unter den ihrigen, oder was schlimmer ist, in der Leitung zu haben. Nicht einmal jemand, der dessen verdächtigt wird. Indem sie ihn in die Schweiz „überführen“, entledigen sie sich eines delikaten Problems und setzen sich gleichzeitig für Rolf ein, der umgehend mit der Planung beginnt. Am Montag, den 9. Juli 1945, wird er aus dem Gefängnis entlassen. Zwei Tage vor seinem 43. Geburtstag. Nach 47 Tagen Gewahrsam. Oder wie er es sagte: „Als ich Anfang Juli mit meinem Bericht fertig war, wurde ich entlassen.“ Ja, so kann man es auch ausdrücken. Die Bedingungen in Ilebu lässt er außen vor, die dort erledigte Arbeit aber wird erwähnt.

Ein kürzlich erschienenes Buch über die gerichtliche Verfolgung von Landesverrat berichtet auf 23 Seiten über Schikane, Drohungen sowie von Schlägen und Tritten in Ilebu, vor allem in den ersten Wochen nach der Befreiung, während die Gefangenen noch von Mitgliedern Hjemmefronten, der norwegischen Widerstandsbewegung, bewacht wurden. Sechs Personen in einer Ein-Mann-Zelle, acht in einer Doppelzelle, Gesunde und Kranke zusammen, Menschen mit Tuberkulose, venerischen Krankheiten, Diphtherie, Läusen und Wanzen, schlechtes und wenig Essen, Strafexerzieren, teils mit Robben, plötzliche Nachtappelle, wobei die Gefangenen kommandiert werden, in Nachtwäsche für mehrere Stunden draußen Aufstellung zu nehmen. Zum schlimmsten Nachtappell kam es der Autorin zufolge am 8. Juni 1945, also während Rolf dort war:

„Weil einigen Gefangenen die Flucht gelungen war, wurden alle Gefangenen in Ilebu zum Strafappell kommandiert und mussten von halb zehn am Vormittag bis halb sechs am Nachmittag draußen stehen.“58

Mit dem, was hier und in anderen Quellen über die Verhältnisse berichtet wird, ist schwer vorstellbar, dass es möglich gewesen sein soll, Gefangener in Ilebu zu sein und zeitgleich Forschungsergebnisse zu bearbeiten. Zudem mit einem internationalen Konzern im Ausland im Dialog über eine Stelle zu stehen, erscheint nicht machbar, nicht einmal für einen Widerøe, weshalb man sich fragen kann, ob hinter den Kulissen jemanden für ihn tätig war. Er selbst hat es jedoch so dargestellt.

Aber unabhängig davon, wie es nun war oder auch nicht, hat er in der Zeit des Gefängnisaufenthalts seine Theorie über das Prinzip eines neuen Beschleuniger-Typs, das Synchrotron, weiterentwickelt. Damit ist das Material, das zu seinem nächsten Patentantrag führen soll, weitestgehend fertig. In Gedanken ist er mit seiner Arbeit beschäftigt und nicht damit, dass er im Gefängnis sitzt. Dabei kann es sich selbstverständlich um die Überlebensstrategie einer extrem fokussierten und rationalen Person handeln. Nicht nur positiv denken, sondern auch handeln? Zu seiner „Verteidigung“ – für den Fall, dass er eine solche braucht – muss gesagt werden, dass es ihm, bodenständig, wie er war, vor allem auch darum ging, dass seine Frau und Kinder Geld hatten, von dem sie leben konnten, weshalb er eine Arbeit brauchte. Getreu der klaren, vernunftgeleiteten Denkweise eines Ingenieurs. Er war arbeitslos und hatte kein Geld. Die Rettung bot der Job im Ausland, den er seit Langem als Plan B im Hinterkopf hatte.

Aber auch wenn er aus dem Gewahrsam entlassen ist, darf er das Land nicht verlassen. Auch weiß er nicht, wann sein Fall vor Gericht kommt. Vor diesem Hintergrund betrachtet, ist das Vernünftigste, was er tun kann, die Zeit im Gefängnis dafür zu nutzen, seine neuesten Forschungsergebnisse auf Papier zu bringen. Lamentieren und den Kopf hängen lassen entspräche zum einen nicht seiner Natur, hätte zum anderen aber auch nicht geholfen. Ihm nicht und der Familie nicht. Es galt, nach vorn zu schauen.

Die Industrie positioniert sich neu

Der Forschungswettlauf wartet nicht auf den Landesverratsprozess. Die Wissenschaft hat ihre eigenen Kampfarenen, und die Schlachten um das Zyklotron, das Synchrotron und das Betatron gehen auch nach dem Sturz Hitlers weiter – auf beiden Seiten der Front. Der erste Kampf dreht sich darum, an die Ausrüstung des Gegners zu gelangen. Die Alliierten beanspruchen das Betatron samt aller technischen Berichte als Kriegsbeute. Dann gilt es, die Wissenschaftler des Feindes zu verpflichten. Diejenigen, die nicht vorab schon übergelaufen waren, wurden jetzt in die USA, nach England und in die Sowjetunion geholt. Die Industrie läuft gut und Brown Boveri, Siemens, General Electric, AEG, Westinghouse, Allis-Chalmers und die anderen in der Beschleuniger-Szene müssen sich die klugen Köpfe sichern. Die Welt muss neu errichtet werden. Das Betatron muss bewahrt und weiterentwickelt werden. Die Frage ist, von wem. Der Wettlauf tobt weiter.

6. August 1945: Atombombenabwurf über Hiroshima

5. September 1945: Ein amerikanischer Forscher präsentiert sein Synchrotron-Prinzip. Unabhängig davon stellt etwa zeitgleich ein Russe eine entsprechende Theorie vor.

11. Dezember 1945: Rolfs ehemaliger Stellvertreter verfasst für die Briten einen fünfseitigen internen Bericht über den Test des Betatrons in Wrist, das noch immer verbessert und getestet wird.

22. Januar 1946: Rolf schreibt an den Direktor von NEBB – zu dem er trotz Kündigung Kontakt hat –, dass er an einem Apparat mit dem vorläufigen Namen Megatron arbeite, der Elektronen mit einer Spannung erzeugen könne, die den Strahlentransformator „vollkommen in den Schatten“ stellt. Er wiege „nur“ 150 t, während das Riesen-Zyklotron, an dem die Amerikaner arbeiteten, 30-mal so viel auf die Waage bringe.59

31. Januar 1946: Rolf sucht Tandbergs Patentkontor auf und beantragt ein norwegisches Patent, worin die Synchrotron-Prinzipien detailliert beschrieben werden. Dieses Mal ist es ein Privatpatent. Er hat Gerüchte über die Geschehnisse in den USA vernommen und tut, was er kann, um schnell fertig zu werden.

August 1946: Im Woolwich Arsenal Research Laboratory in London gelingt es Forschern, ein Betatron in ein Synchrotron umzubauen.60 Dieses Experiment beweist, dass das Synchrotron-Prinzip, dass der Amerikaner McMillan und der Russe Weksler im Jahr zuvor entwickelt hatten, richtig ist. Das verwendete Betatron ist eines von denen, die Kerst auf Rolfs Theorie basierend gebaut hatte. Zum weiteren Einsatz in der Beschleuniger-Forschung wurde auch Rolfs Hamburg-Betatron an das englische Labor geschickt. Damit sind die beiden historischen Betatrone an ein und demselben Ort vereint.61

Ohne Pass und Geld

Trotz des Weltkriegs und der Probleme auf persönlicher Ebene waren die vergangenen drei Jahre ab 1943 in fachlicher Hinsicht eine produktive Phase in Rolfs Leben. Unverschämt produktiv, würden seine Gegner behaupten. Er hatte wichtige Patente angemeldet und kehrte mit Ideen eines Synchrotrons heim, einem Beschleuniger-Typ, der auf einigen Gebieten noch besser war als das Betatron. Er brannte darauf fortzufahren. Für die Familie jedoch war das erste Friedensjahr schwer zu meistern. Rolf, dem Versorger, war die Arbeit gekündigt und der Pass entzogen worden, zudem stand ihm ein Prozess bevor:

„Die zweite Hälfte des Jahres 1945 und besonders den Winter 1945/46 hat meine Frau sehr genau in Erinnerung. Wir hatten sehr wenig Geld, es war sehr kalt, ich hatte keinen Pass und war praktisch arbeitslos in Oslo. Die Zeit habe ich genutzt, um meine Gedanken über das, was man später 'Synchrotron' nannte, zu ordnen und zusammenzuschreiben.“62

Der Landesverratsprozess gegen ihn war vor Gericht noch nicht entschieden. Doch den Unternehmungsgeist konnte ihm keiner nehmen. Und die Standhaftigkeit wurde belohnt. Bereits zu Ostern 1946 ist er in der Schweiz und unterzeichnet bei Brown Boveri einen Arbeitsvertrag. Er soll neue und bessere Betatrone entwickeln. Dafür war es ihm sogar gelungen, einen vorübergehenden Pass zu bekommen, mit einem Monat Gültigkeit und der alleinigen Erlaubnis, in die Schweiz zu reisen. Eigentlich soll er nicht vor August anfangen, mental ist er jedoch längst aktiv. Am 15. Mai beantragt er sein erstes Patent in der Schweiz, das sich um Prinzipien des Synchrotrons dreht. Späterhin klärt sich die Sache mit einem normalen Pass. Und auch das mit dem Geld. Die 50 Jahre, die er noch zu leben hat, wird er außerhalb der norwegischen Landesgrenzen verbringen. Das war so nicht geplant. Aber es kam so. Norwegen unternahm nichts, um ihn zurückzuholen. Und er unternahm nichts, um zurückzukehren.

Drei Jahre umfasst das „dunkle Kapitel“ – zuerst anderthalb Jahre in Deutschland bis zum Frühjahr 1945, dann anderthalb Jahre in Norwegen, bis er in die Schweiz zog. Unwirklich dramatisch, als es am schlimmsten stand. An allen Fronten. Zu Hause und in der Forschung. Zwischen deutschen Nazis und guten Norwegern. Zwischen Spionen und Großindustrie. Als der Atomwettlauf tobte. In Krieg und Frieden. Innerhalb und außerhalb der Mauern. Selbst einen beherrschten Ingenieur konnte das nicht kaltlassen. „Hätte ich das nicht selbst erlebt, würde ich es nicht glauben“, sollte er im Alter von 91 Jahren sagen. Das glaube ich ihm.

Eines Tages aber war es vorbei. An einem Samstagnachmittag, 18 Monate nach seiner Inhaftierung, verließ er die Polizeibehörde Oslo an der Victoria Terrasse als ein freier Mann. In der Dunkelheit des Herbstes trat er auf die Straße. Erleichtert. Zumindest äußerlich. Fertig mit dem Krieg. Vielleicht. Notwendige Papiere hatte er unterzeichnet. Akzeptiert. Angenommen. Das, was in der Justiz als Geldbuße bezeichnet wird und als Urteil gilt. Der Fall gegen ihn war abgeschlossen. Offiziell. Nach Auffassung der Behörden. Nach dem gesetzlichen Paragrafen. Die Abteilung Landesverrat konnte Fall Nr. 3418/45 archivieren.

Es war halb vier. Am 2. November. Im Jahr 1946 des Herrn.

Das merkwürdige, dunkle Kapitel in Rolfs Leben war vorüber. Einige Tage darauf verließ er das Land. Für immer. Freigesprochen. Und gebrandmarkt. Für immer.

***

In der Schweiz warteten Ragnhild und die Kinder. Und eine freie Stelle in einem der besten Technologieunternehmen Europas.

Anmerkungen

  1. 1.

    Biografie

  2. 2.

    Es herrscht Uneinigkeit dahingehend, inwieweit sie Uniform trugen oder nicht. In der Biografie ist zu lesen, dass sie uniformiert waren. In einem Dokument in Verbindung mit dem Landesverratsfall steht: „einige zivile deutsche Herren“ (Dokument 8, per Hand geschrieben „Redegjørelse for mitt arbeid i Tyskland etc.“ (Bericht über meine Arbeit in Deutschland etc.), 24/5–45, Zentralarchiv, Landesverrat-Fall Nr. 3418/45 (Klausul))

  3. 3.

    H. Watzlawek, 23. Februar, 17. März und 15. Juni. Kopien der Briefe befinden sich in der ETH-Bibliothek in Zürich. In den Briefen wird auf Briefe von Rolf vom 6. Februar und 1. März hingewiesen.

  4. 4.

    Physiker-Interview

  5. 5.

    Pedro Waloschek in einer E-Mail an mich, 7. Juni 2011. Da hatte er aus der Papierausgabe der Zeitschrift in der Bibliothek von DESY erfahren, dass auf den betreffenden Seiten ein anderer Artikel von gleicher Länge eingesetzt worden war. Auch Dr. Giulia Pancheri, Theory Group – Research Division, INFN Frascati National Laboratories, Italien, stand diesbezüglich mit Waloschek und mir in E-Mail-Kontakt und verwendet die Information in einem zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlichten Artikel über Bruno Touschek.

  6. 6.

    Tor Brustad im Interview in Verbindung mit diesem Buch

  7. 7.

    Physiker-Interview

  8. 8.

    Physiker-Interview

  9. 9.

    Biografie, S. 80

  10. 10.

    Physiker-Interview, Biografie

  11. 11.

    Pedro Waloschek: Todesstrahlen. Leiter der Fabrik war Hans Ritz, stellvertretender Leiter Dr. Werner Fehr. Bei den beiden Ingenieuren handelt es sich um Gert Krohn und Friedrich Reiniger. Außerdem wird ein Herr Bergmüller genannt.

  12. 12.

    Biografie

  13. 13.

    Pedro Waloschek erzählt mir in einem Interview, dass er 1994 mit vier ehemaligen Angestellten von Müller gesprochen habe, die angedeutet haben, dass es so war. Es ist aber auch denkbar, dass die ehemaligen Angestellten, mit denen Waloschek fast 40 Jahre danach gesprochen hat, sich nicht sonderlich darum gekümmert haben und sich deshalb nicht daran erinnerten. Eine gewisse Rolle spielte vermutlich auch die Konkurrenz zwischen den Großkonzernen, die sich auf die Betatron-Produktion nach dem Krieg vorbereiteten, so Waloschek.

  14. 14.

    In Todesstrahlen schreibt Waloschek von zwölf Patenten, S. 110.

  15. 15.

    Schiebolds hinterlassene Papiere im Archiv der Universität Leipzig

  16. 16.

    Interview in Verbindung mit diesem Buch

  17. 17.

    Im Physiker-Interview erklärt Rolf Widerøe „die Todesstrahlen-Waffe“ wie folgt: „Schiebold hatte die Idee, eine Röntgenröhre zu bauen, deren Kathode wie ein Hohlspiegel war, ungefähr, also konkav. Da würden sich die Elektronen an der Antikathode sammeln und man könne einen Röntgenstrahl erhalten, der teilweise nach oben fokussiert war.“

  18. 18.

    Das britische Projekt wird in dem Buch Most Secret War des Physikers R. V. Jones beschrieben, der während des Krieges für den britischen Geheimdienst gearbeitet hat.

  19. 19.

    Pedro Waloschek: Todesstrahlen, S. 65

  20. 20.

    Physiker-Interview

  21. 21.

    Biografie, S. 70

  22. 22.

    Waloschek im Gespräch mit mir

  23. 23.

    Schiebolds Sohn Joachim hat den Film gefunden und ihn Pedro Waloschek überlassen.

  24. 24.

    Fehr, Bergmüller und Reiniger

  25. 25.

    Physiker-Interview

  26. 26.

    Laut einem Interview, das ich mit Pedro Waloschek geführt habe.

  27. 27.

    Pedro Waloschek in einem Interview in Verbindung mit diesem Buch. Richard Gans war im Übrigen Professor in Buenos Aires und hatte großes Interesse an Betatronen, wovon auch Pedro Waloschek im einleitenden Kapitel seiner Biografie über Rolf schreibt.

  28. 28.

    Gerlachs Sitzungsprotokoll, 25. August 1944, und Pedro Waloschek: Todesstrahlen, S. 129

  29. 29.

    Biografie, S. 94; Pedro Waloschek: Todesstrahlen

  30. 30.

    Biografie, S. 94

  31. 31.

    Frage an Rolf von Finn Aaserud, Physiker-Interview in Oslo 1983

  32. 32.

    Waloschek zufolge

  33. 33.

    Biografie

  34. 34.

    Biografie und Physiker-Interview

  35. 35.

    Im Gespräch im Zusammenhang mit diesem Buch

  36. 36.

    Physiker-Interview

  37. 37.

    Pedro Waloschek: Todesstrahlen

  38. 38.

    Lind, Jakov: Selbstporträt, Picus Verlag, Wien 1997

  39. 39.

    Reinhold Rüdenberg war ein Wegbereiter im Bereich Starkstrom, auf den Rolf aufmerksam wurde, als er vor dem Krieg bei AEG in Berlin gearbeitet hat.

  40. 40.

    Kaiser, H. F. (U.S. Naval Research Lab., Washington, D. C.): „European Electron Induction accelerators“, Journal of Applied Physics 18, 1–17 (1947). Per F. Dahl: „Rolf Wideröe: Pregenitor of Particle Accelerators“, Superconducting Super Collider Laboratory, Dallas, Texas, März 1992

  41. 41.

    Pedro Waloschek: Todesstrahlen

  42. 42.

    Kaiser

  43. 43.

    Pedro Waloschek: Todesstrahlen, S. 190–191

  44. 44.

    Wolfgang Paul: https://www.nobelprize.org/prizes/physics/1989/paul/photo-gallery/

  45. 45.

    Hans Kopfermann

  46. 46.

    Todesstrahlen, S. 191

  47. 47.

    Blewett, John P.: „Reminiscences about accelerators“, Brookhaven Lecture, 15. Oktober 1980

  48. 48.

    Pedro Waloschek: Todesstrahlen, S. 156

  49. 49.

    In einem Brief 1994 an Pedro Waloschek. Elisabeth, die heute den Nachnamen Samisch trägt, ist die dritte Generation in dem Familienunternehmen und war viele Jahre lang Eigentümerin und geschäftsführende Direktorin von Rich. Seifert & Co. Das anerkannte Unternehmen im Bereich der Röntgentechnologie wurde 2001 von Agfa aufgekauft und ist heute Teil des GE-Systems.

  50. 50.

    Pedro Waloschek: Todesstrahlen

  51. 51.

    Pedro Waloschek: Todesstrahlen

  52. 52.

    http://germansecretweaponsnazi.devhub.com/blog/category/exotic/page-3/

  53. 53.

    Pedro Waloschek: Todesstrahlen. Jakov Lind: Autobiografie, S. 158

  54. 54.

    Jakov Lind: Autobiografie, S. 158

  55. 55.

    Pedro Waloschek: Todesstrahlen

  56. 56.

    Kollath: „Notiz“, 11. Dezember 1945, ETH-Bibliothek Zürich Hs 903:28

  57. 57.

    Biografie, S. 172; Physiker-Interview

  58. 58.

    Hagen, Ingerid: Oppgjørets time. Om landssvikoppgjørets skyggesider, Spartacus, Oslo 2009

  59. 59.

    Brief von Widerøe an Solberg, 22. Januar 1946, ETH-Bibliothek Zürich Hs 903:80

  60. 60.

    Die Physiker D. E. Barnes und Frank K. Goward bauten ein 4-MeV-Betatron zu einem 8-MeV-Synchrotron um. Das war der erste experimentelle Beweis für die Richtigkeit des Synchrotron-Prinzips von Weksler und McMillan.

  61. 61.

    E. J. N. Wilson: „Fifty Years of Synchrotrons“, CERN, Genf

  62. 62.

    Biografie, S. 107