„Reichst du mir die Soße, Tante Else?“ Die Fragende ist Unn, eines der ältesten Enkelkinder und ein großes Mädchen von sieben Jahren. Die Szenerie ist das Sonntagsessen bei Theodor und Carla Widerøe in bester Lage im Osloer Westen im Herbst 1943. Hier sind sie alle zusammen. Nun, zumindest diejenigen, die sich im Land befinden und nicht anderweitig beschäftigt sind. Schließlich haben alle so viel zu tun. Es ist ein neuer kleiner Arild dazugekommen, der mittlerweile fünf Jahre alt ist. Geboren ist er ein Jahr, nachdem sein Onkel mit dem Flugzeug über dem Oslofjord abgestürzt war. Der kleine Rolf mit seinen zwei Jahren hat Mühe, ordentlich zu sitzen. Ist er bei den Großeltern väterlicherseits im Borgenveien, muss er sich anständig benehmen, das weiß er.

Gut, dass es sie gibt, all die Kleinen, und sie dazu beitragen, dass der Alltag rund läuft. In einer großen Familie ist immer „etwas“. Das Unglück mit Arild hat noch keiner richtig verarbeitet. Dann kam der Krieg. Viggo wurde früh verhaftet und geriet in deutsche Gefangenschaft. Schlimmer war, dass Rolf, der älteste Sohn, eine Stelle in Deutschland angenommen hatte.

Viggo war eigentlich zum Tode verurteilt worden, jedoch war das Urteil in zehn Jahre Zuchthaus geändert worden. Soweit ihnen bekannt, war er am Leben. Sehr viel mehr gab es darüber nicht zu sagen, nur das Beste zu hoffen. Es war Krieg, Menschen wurden verhaftet. Finn Kaas, einer der Schlimmsten, hatte ihn angeschwärzt. Was aber konnten sie tun? So viel wussten sie auch nicht. Jetzt befand er sich zumindest im Gefängnis Fuhlsbüttel in Hamburg, hatten sie erfahren. Man stelle sich vor, dass er vor mehr als zwei Jahren verhaftet worden war. Es ging irgendwie. Man musste sich zusammenreißen, der Kinder wegen und wegen der Schwiegertochter, Solveig, mit einem Kind im Alter von vier und einem von sechs Jahren. Ja, wegen allen. Wie sie dort um den Esstisch saßen, fehlten den beiden alten Herrschaften im Borgenveien ihre drei „Jungs“. Aber es gab so viel, das auf den Kopf gestellt war. Der Krieg wirkte sich auf alle aus. Zwei der Töchter, Edel und Else, waren im Land, Elses Mann aber hatte nach Schweden fliehen müssen. Die jüngste Tochter, Grethe, wohnte in Stockholm.

Für das mit Rolf gab es vermutlich eine Erklärung. Aber seltsam war es. Er, der so begabt war. Nicht zu begreifen. Und dann noch, dass er sich in derselben Stadt befand wie Viggo. Ja, die Welt war merkwürdig.

Genau dieses Gespräch hat in der Großfamilie Widerøe nie stattgefunden. Aber es hätte stattgefunden haben können. In verschiedenen Varianten, in Anwesenheit unterschiedlicher Kinder und Erwachsener. Denn Großvater Theodor und Großmutter Carla stellten den Sammelplatz. Der Borgenveien war die Basis und das Bindeglied für eine ganze Generation von Cousins und Cousinen und deren Eltern. Darüber können sie viel erzählen, der kleine Rolf und Arild (die es auch in dieser Generation gab), Turi, Thor, Aasmund und die anderen. An Weihnachten und Geburtstagen waren sie immer dort, ebenso an Sonntagen, wo die Andacht des Großvaters dazugehörte, bevor man zum Spielen in den Garten hinauslaufen konnte. Es ging nett zu in dem, was man heute definitiv als ein gut betuchtes Zuhause bezeichnen würde.

In der Szene am Esstisch ist Rolfs Ehefrau Ragnhild nicht erwähnt. Eine Zeit lang war sie seltener bei den Schwiegereltern zu Gast. So war es am einfachsten. Das Szenario vom sonntäglichen Essen entstand aus dem, was die Augen und Ohren der Enkelgeneration aufgenommen hatten und diese später als Erwachsene berichteten – mit der Option, dass sie damals nicht alles verstanden haben und sich auch nicht an alles erinnern, wenn sie es jetzt, nach so langer Zeit, rekapitulieren sollen. Einiges davon wurde ihnen im Erwachsenenalter auch selbst erzählt. Das, was sich gefestigt hat, ist der Eindruck von einer Großfamilie, deren Mitglieder eine enge Bindung zueinander hatten und schöne Stunden zusammen im Borgenveien oder auf Skjæløy verlebten.

Das Wochenendhaus auf Skjæløy im Oslofjord war in der Familie Widerøe nämlich ein anderer wichtiger Anlaufpunkt. Kurz vor dem Krieg hatte Rolfs Vater seine Briefmarkensammlung verkauft und Skjæløy, dieses ein Hektar große Grundstück zwischen Hankø und Hvaler, gekauft. Alles hat seine Zeit, dachte er wohl. Jetzt erschien es ihm wichtiger, die Familie zu versammeln. Den ganzen Sommer über stand das Haus für die komplette Familie offen, Sonne und Baden inklusive. Mit Rolfs 16-mm-Filmkamera und Ragnhilds Fotoapparat wurde alles gebührend festgehalten. Später erbte Rolfs Schwester Else das Haus und führte die Tradition der Gastfreundschaft und der für alle geöffneten Türen fort. Rolf und Ragnhild machten dort nahezu jeden Sommer mit ihren Kindern Ferien, auch als sie in der Schweiz wohnten, und oft waren auch Freunde der Kinder dabei.

Zur selben Zeit an einem anderen Ort

Es gibt auch eine andere Szenerie in der Widerøeschen Familiengeschichte, die man sich in jenem Jahr vorstellen kann. Anwesend sind lediglich zwei Personen, Rolf und Viggo. In einem deutschen Gefängnis. Rolf mit einem tadellosen Anzug bekleidet, für die deutschen Behörden arbeitend. Viggo abgemagert, krank und in Gefangenenkluft, inhaftiert, weil er gegen die Deutschen gekämpft hatte. Der eine als Forscher von der Luftwaffe engagiert für ein Projekt zur Entwicklung einer Waffe für den Abschuss der Flugzeuge der Alliierten. Der andere – Pilot – inhaftiert und zum Tode verurteilt, weil er norwegischen Widerstandskämpfern bei der Flucht nach England geholfen hatte.

Zurück bei dem imaginären Essen in Oslo vermisste man beide. Von der Begegnung zwischen den Brüdern erfuhren sie erst im Nachhinein.

Hätten Vater Theodor und Mutter Carla aus der Kristallkugel lesen können, hätten sie gesehen, welch unglaublich zusammengesetztes Bouquet der Zukunft Europas bei ihren Sonntagsessen um den Tisch saß. Eine Balletttänzerin, die einen Architekten aus Jugoslawien heiratete; ein Professor der Medizin; ein Jazz-Promoter und Plattenproduzent, der amerikanische Stars nach Europa holte; die erste Frau der westlichen Welt, die Pilotin einer Fluggesellschaft wurde. Finanz- und Geschäftsleute, Ingenieure, Redakteure, Ärzte sowie Vertreter weiterer Berufsgruppen. Bei sechs Kindern nimmt die Anzahl der Gäste am sonntäglichen Mittagstisch im Laufe der Jahre zu, auch wenn irgendwer immer fehlt – aus mehr oder weniger guten Gründen. Dennoch hätte die farbenfrohe Zukunft der Kinderschar die ältere Generation wohl kaum direkt überrascht. Die Widerøes waren immer ihre eigenen Wege gegangen, um nicht zu sagen, hatten sie bereitet.

Eine Schar von Gründern

Es ist ein Zuhause und eine Zeit, wo die Jungs die besten Fleischstücke bekamen und die Mädchen das, was übrig blieb. Was ihre Söhne betraf, war Mutter Carla außerordentlich ehrgeizig. In ihre Ausbildung sollte viel investiert werden. Die Mädchen sollten verheiratet werden, nähen, Sprachen und Kochen lernen, gern auf einer Hauswirtschaftsschule in der Schweiz oder in Deutschland, allerdings brachten sie es zu mehr. Da ist Grethe, die im Alter von 17 Jahren als eine der ersten Frauen Norwegens ihren Pilotenschein machte. Da ist Edel, die in einer Telefonzentrale arbeitete. Da ist Else, die, als deutsche Soldaten anklopften, um das Haus einzufordern, freundlich auf Deutsch entgegnete: „Kommen Sie bitte herein“, jedoch gleich ergänzte, sie müsse sie „um Gottes Willen“ warnen, denn bei ihnen hätte sich die Tuberkulose verbreitet und es bestünde hohe Ansteckungsgefahr. Und die Deutschen, die große Angst vor jeglicher Form von Ansteckung hatten, lehnten ab und gingen wieder, während im Haus selbstverständlich alle gesund und munter waren. Nach dem Krieg, gründete sie als alleinerziehende Mutter zusammen mit einer Freundin Norwegens ersten Personaldienstleister, Contact Service AS.1 Spätere Generationen übernahmen die Firma und durch die Gesellschaften Norsk Personal – Olsten Personal Norden – Adecco – Amesto lebt ihre Gründung heute als das zu 100 % in Familienbesitz befindliches Unternehmen „Spabogruppen“ weiter, ein skandinavischer Konzern mit rund 1000 Angestellten. Sie ihrerseits überlebte alle ihre Brüder und Schwestern und fuhr noch bis weit nach ihrem 90. Geburtstag Auto.2

Da sind Arild und Viggo, die Flugpioniere. Viggo war der Verwegene, der mit Hunden und Rentierfell-Schlafsack durchs Gebirge streifte und davon träumte, ein neuer Nansen oder Amundsen zu werden. Später widmete er seine ganze Leidenschaft dem Flugsport. Schön und gut, die Weinagentur des Vaters zu übernehmen, noch besser aber, die eigene Fluggesellschaft zu gründen. Und damals ging es nicht nur um die Gründung an sich, obwohl das schwer genug war. Den Leuten musste auch regelrecht erklärt werden, wozu ein Flugzeug im Alltag verwendet werden konnte. Der Flug der Brüder Wright und Lindbergh über den Atlantik war noch nicht so lange her.

Der andere Bruder, Arild, war zuerst Post-Pilot in Amerika. Dann riefen sie gemeinsam die erste Post-Flugroute in Norwegen zwischen Oslo und Haugesund ins Leben, zudem flogen sie viel nach Nordnorwegen. Es folgten einige abenteuerliche Jahre mit Taxi-Flügen und Vorführungen, was den Auftakt zur Fluggesellschaft Widerøe darstellte. Mehr als 80 Jahre später ist es eine der ältesten aktiven Fluggesellschaften der Welt.

Das Luftfahrtabenteuer begann mit der legendären Vorführung auf der Etterstadsletta in Kristiania, dem heutigen Oslo, der „Flugveranstaltung“ für die ersten norwegischen Flugenthusiasten. Man schrieb das Jahr 1910, und zwar den 14. Oktober. Das Flugzeug war mit dem Zug in die Stadt transportiert worden. Die Wenigsten hatten zu diesem Zeitpunkt auch nur ein Foto von einem Flugzeug gesehen. Jetzt sahen sie eines in der Realität. „Alle“ waren da. 30.000 Menschen schauten zu, wie der schwedische Baron von Cederstrøm den ersten Flug in Norwegen absolvierte. Andere sprechen von 10.000 Schaulustigen – wie auch immer, es waren viele. Bei einem einzigartigen Ereignis. Und es schrieb Geschichte.

Dort in dem Menschengedränge befand sich auch Vater Theodor mit dem sechsjährigen Viggo und dem achtjährigen Rolf; Arild war noch zu klein. Für Viggo wurde es ein schicksalhafter Tag. Mit großen Augen hatte er den Mechaniker angesehen, der den Motor in Gang kurbelte, das abhebende Flugzeug, das eine Runde über das Stadtzentrum flog, dann hinaus über Hovedøya, um 23 min später wieder zu landen. Alle Anwesenden reckten die Hälse und riefen, und nach der Landung wurde der Held mit der Lederhaube auf dem Kopf, der fliegende Baron, auf Händen getragen. Da fasste Viggo einen Entschluss: Er wollte Pilot werden. Von da an zählten nur noch Modellflugzeuge und ausländische Luftfahrtmagazine, bis er alt genug war, um sich bei der Luftwaffe der Marine zu bewerben und eine Ausbildung zum Offizier der Luftwaffe zu machen. Der Traum war in Erfüllung gegangen. Das Abenteuer damit jedoch nicht zu Ende.

Der Älteste soll studieren

Und dann war da der Älteste, Rolf, der sich für Naturwissenschaften interessierte und in Deutschland seinen Doktor machte. 1920 war es nicht für jedermann möglich, zum Studieren ins Ausland zu gehen, die Widerøes jedoch waren wohlhabend und sowohl international als auch akademisch ausgerichtet. Auch Vater Theodor und seine Brüder hatten das Gymnasium besucht, und mehrere von ihnen hatten das Staatsexamen. In vorangegangenen Generationen fanden sich Ärzte und Theologen. Damals war Deutschland die Ingenieurhochburg schlechthin, und in den meisten europäischen Ländern waren die Lehrbücher im Ingenieurwesen auf Deutsch verfasst. Und wenn Deutschland dafür den besten Ruf besaß, dann ging man eben nach Deutschland, auch wenn es weit weg war, viel weiter als heute. So ging es zu in der Familie Widerøe.

Nach dem Studium blieb Rolf einige Jahre lang in Deutschland. Viele Kollegen glaubten, er sei Deutscher, was ihn selbst jedoch irritierte. Im Ausland redete man von ihm als Schweizer, Schwede oder Deutscher. Aber er war Norweger. Geboren in Vestre Aker, am Rand der norwegischen Hauptstadt. Aufgewachsen im Stadtteil Vinderen. Das Abitur machte er an der Halling-Schule in der Oscarsgate. Und sein komplettes 94-jähriges Leben lang blieb er Norweger. Er beschäftigte sich mit seiner norwegischen Identität, wohnte den Großteil seines Lebens jedoch in der Schweiz.

Schinken und Aquavit

Der Vater war Geschäftsmann, skandinavischer Generalagent für französische Weine und Martell Cognac. Ebenso war er Grossist für Aalborg Aquavit und niederländisches Pflanzenöl, das zur Margarineproduktion eingesetzt wurde. Die achtköpfige Familie „plus“ – von Rolfs Mutter streng geführt – wohnte in einer Villa, die heute a-ha-Mitglied Pål Waaktaar Savoy sein Eigen nennt. Dazu gehörten Mutter, Vater, drei Söhne und drei Töchter. „Plus“ war viele Jahre lang „Oma“, Rolfs deutsche Großmutter mütterlicherseits. Eine Zeit lang auch die Großmutter väterlicherseits, die Pfarrerswitwe. Und dann war da Tante Polly, eine unverheiratete Freundin der Mutter, die zeitweise ebenfalls bei ihnen wohnte. Hier – zwischen 1902 und 1915 geboren – wuchsen sie auf: Rolf, Viggo, Edel, Arild, Else und Grethe. Mit Konzertflügel, Geschäftsessen und großem Bekanntenkreis. Und nicht zuletzt der Nordmarka in unmittelbarer Nachbarschaft.

Ein Zuhause der alten Schule, aber nicht nur. Die Freunde der Kinder gingen ein und aus, der Keller glich zeitweise einer Bodega, Viggos und Arilds Piloten übernachteten in der Dachkammer, die Fluggesellschaft hielt hier ihre Vorstandssitzungen ab, und inmitten von all dem fertigte die Hausherrin mit Stolz ihre eigenen Schinken. Gleichzeitig war es streng. Man ging nicht ohne Weiteres in die Stube. Und es war nüchtern. Bis sie erwachsen waren, teilten sich die drei Brüder ein Zimmer. Ebenso die drei Mädchen. „Oma“ hatte die große, schöne Veranda. Zudem gab es eine Mägdekammer. Jedes Familienmitglied hat seine Erinnerungen, eine ist jedoch allen gemein: dass es im Widerøeschen Heim in Vinderen niemals langweilig war.

„Clara war meistens streng und Theodor die Güte in Person“, sagt einer.

„Für mich war Großvater im Borgenveien eine Person, vor der man Respekt hatte. Und Großmutter, sie war das Beste, was man sich vorstellen kann, durchweg gut“, sagt ein anderer.

Sie deutscher Abstammung und streng. Er gutmütig“, sagt ein Dritter und zitiert den Kehrreim des Großvaters: „Wie du willst, Clara.“

So waren sie, Rolfs Eltern in Vinderen, vermutlich beide sowohl nett als auch streng.

Egal wen man fragt, alle sprechen von den Ausflügen in die Marka. Über Ski, Pilze, Aussichtspunkte und Rastplätze. Nach ihrer Kindheit gefragt, erwähnt Rolfs Schwester Else, das als Erstes. Sie wohnte zu diesem Zeitpunkt noch immer mit der Marka in Nachbarschaft und sagt über den Vater, er sei ein Nordmarka-Traber sondergleichen gewesen. Rolf ebenso, Sommer wie Winter, sobald sich die Gelegenheit bot. Sie seien zusammen regelrecht in der Nordmarka geboren und aufgewachsen, sagt sie. Alle waren „total verrückt, was das betraf“.3

Dann erzählt sie vom Bruder, der, wenn er zu Hause in Norwegen war, gern mit ihren Söhnen, die im Alter seiner eigenen waren, Wanderungen unternahm und wie sie in der Marka übernachteten. Stolz auf den großen Bruder fügt sie eilig hinzu, dass er auch musikalisch war, Klavier spielte. Was ihm leichtfiel. Er spielte viel Edvard Grieg. Sie selbst sang und spielte ebenfalls Klavier – das war Teil der Erziehung. Viggo spielte Geige, einmal sogar in der Aula, erinnert sie sich ebenso stolz an ihn.

Als Rolf im Alter von 90 Jahren für Pedro Waloscheks Buch interviewt wurde, erzählte auch er von der Marka, dem Vater und den gemeinsamen Skitouren. Vater und Sohn verstanden einander, wie Rolf es ausdrückte, wobei das Interesse für die Marka eine wichtige Rolle spielte. Dass das ganze Gerede über die Touren keine Angeberei war, bezeugt sein Tagebuch. Als 15-Jähriger schrieb er am Freitag, den 2. November 1917:

„Heute haben wir frei. Wir machten eine sehr spannende Tour, Eilif, Frits, Pil, Angri, Viggo und ich. Wir sahen uns den Skihang in Skaadalen an und gingen auf den Tryvandstaarnet hinauf. Hinunter nahmen wir anschließend einen sehr spannenden Pfad durch unwegsames Gelände. Auf unserem Weg kamen wir an einem schönen kleinen See vorbei, wo wir Spaß hatten.“

Die Marka gehörte schlicht und einfach dazu. Physikexperimente ebenso. Kein entweder oder. Freitag, den 5. Oktober, ist zu lesen:

„Kaare ist heute Nachmittag zu mir gekommen, um über eine Tour morgen zu sprechen. Ich zeigte ihm die Bogenlampe, den Telefoninduktor, den Induktionsapparat, den Telegrafen, den Schrotttransformator und alle meine Stoffe. Er war erstaunt und interessiert.“

Am Tag darauf wird von dem Ausflug berichtet:

„Habe zusammen mit Kaare die Straßenbahn hinauf zum Holmenkollen genommen. Machten dann eine dreistündige Tour nach Kolsaas. Das war ziemlich lang und meine Beine waren müde. Auf Kolsaas hatten wir eine schöne Aussicht. Anschließend gingen wir hinunter nach Stabæk und nahmen den Zug nach Hause.“

Stahldraht für 30 Öre

In diesem Herbst begann seine Schulzeit auf dem Gymnasium. Nur wenige Teenager vertrauen ihrem Tagebuch so viele Formeln und leidenschaftliche Notizen über Volt und Watt an. Mit Tinte und Schreibschrift führt er Buch über die Versuche und berichtet gleichzeitig von zerbrochenen Lampenschirmen, schlechten Noten, einem Kleinkredit und Konfirmationsvorbereitungen. Sonntag, den 7. Oktober, schreibt er:

„Bin mit Papa und Herbert in der Kirche gewesen. Kjeld Stub hat gut gesprochen, aber er hat mich nicht besonders beeinflusst. Ich habe den Strombegrenzer von 2000 Watt auf über 3300 Watt gesetzt. Heute Nachmittag soll ich einen Aufsatz schreiben. Heute Abend ist ein neues Phänomen aufgetreten. Das Licht wurde ohne irgendwelchen Unfug mit den Schmelzstücken gelöscht. Der Strombegrenzer wollte nicht mehr. Das Licht bekam ich an, aber der Fehler wurde nicht ordentlich reguliert und instandgesetzt.“

Sonntag, 11. November:

„K l1 = 0,1 V. K l3 = 0,3 V. Heute musste ich in die Kirche gehen. Frits und Eilif waren mit. Kjeld Stub hat ausgezeichnet gepredigt, und ich stimmte ihm vollends zu. Habe die Darstellungsform für N2H4 und HN3" gefunden.“

Wenn er „für 30 Öre feinen Stahldraht“ für die Experimente kauft, hält er das im Tagebuch fest. Kleine und nicht ganz so kleine Alltäglichkeiten werden notiert, zum Beispiel über das Elektrolyseexperiment, das schließlich erfolgreich war, nachdem er einige Stücke Seife ins Wasser gelegt hatte, oder Sachen wie:

„In Französisch lief es heute für mich so schlecht wie nur möglich.“

„Habe 1,25 Kr von B. Næss geliehen, und ich habe Chemie der Kohlenstoffverbindungen II und III gekauft. BF = ÷ 1,25 (Kr). K l1 = 0,2 V. K l3 = 0,85 V. Es regnet immer noch.“

Probleme mit Sicherungen sind ein wiederkehrendes Thema. Nicht selten gibt er seinen an allem herumhantierende Brüder dafür die Schuld. Der große Bruder Rolf versucht Verantwortung zu übernehmen. Die Angst ist, dass „Oma“ keinen Strom hat. Am Montag, den 8. Oktober, passiert es erneut:

„Heute Vormittag spielte der Strombegrenzer wieder verrückt. Wir hatten keinen Strom, bis es mir gelang, ihn wieder instand zu setzen. Heute Nachmittag war der Strombegrenzer ununterbrochen aktiv. Wir lagen bei ca. 2600 und alle beschwerten sich heftig. Als ich nach oben ging, stellte sich heraus, dass durch eine gewaltige Funkenbildung mehrere Teile des Strombegrenzers weggeschmolzen waren. Der Strombegrenzer steht jetzt zwischen 3000 und 4000.“

Die Sprache ist geradeaus und direkt. Die Rechtschreibung so lala. Stilistisch ein kleines Chaos. Wenn Tagebuchschreiben für einen 15-Jährigen jedoch bedeutet, das aufs Papier zu bringen, womit sein Tag, sein Kopf und sein Herz erfüllt sind, verdient der Inhalt eindeutig eine Eins. Ebenso für Schönschrift. Er bekennt sich offenbar zu dem Tagebuch. Nichts deutet darauf hin, dass es besonders geheim oder weggeschlossen war. Es handelt sich um ein gewöhnliches Tagebuch der Art, wie er sie sein Leben lang für Skizzen und Notizen verwendet hat. Auf der Vorderseite stehen sein Name und die betreffende Zeitspanne. Keine Warnung à la „Achtung! Streng privat“. Sein ältester Sohn übergibt es mir, zusammen mit anderem, vom Vater hinterlassenem schriftlichem Material, mit einem einfachen „Bitte“. Lassen Sie uns daher annehmen – und hoffen –, dass es für den Urheber in Ordnung wäre, dass wir heute, so lange Zeit danach, an seinen vertraulichen Mitteilungen zwischen den Formeln teilhaben, auch dann, wenn er sich philosophisch und verliebt zeigt, wie am Donnerstag, den 18. Oktober 1917:

„Heute morgen war K l1 = 1 V, jetzt am Mittag schwingt K l1 zwischen 1 ½ und 2 V. Am Nachmittag, als ich vom Orthopäden nach Hause kam, sah ich Elsie den Hegdehaugsveien hinunterkommen. Ich grüßte sie, und sie erwiderte den Gruß, und allein ihr Blick, ihre Augen reichten aus, dass ich wieder unheilbar in sie verliebt war. Der Mensch, d. h. ich, ist eine merkwürdig komplizierte Person; wenn ich von sowas frei bin, denke ich, ich sei unangreifbar. 5 Minuten später reicht ein einziger Blick von Elsie aus, um mich wahnsinnig zu machen. K l1 schwingt beständig zwischen 1 ½ und 2 V. K.F = 3,20 Kr BF = 0,60 Kr.“

Besuch von König Oskar II

Rolf wusste viel über seine Familie und berichtete in mehreren Interviews vom familiären Hintergrund. Der Großvater war Pfarrer gewesen. In Frosta geboren und „als Propst und Gemeindepfarrer in Vinger am 20/8–1891 um 10 1/2 am Abend, nach einem Tag Krankenlager, in Kongsvinger an Magenkrebs“ gestorben. So ist es nach alten Protokollaufzeichnungen im Familienstammbuch festgehalten.4 Bevor er nach Kongsvinger kam, war er Pfarrer in Trøndelag, und der Dorfchronik zufolge sagten die Leute, dass „Widerøe ein wahrer Mann des Volkes war“, der „mehr als sein Vaterunser konnte“. Er hatte „etwas Kühnes und Starkes an sich, wie Peder Dass“, und „noch beim letzten Jahreswechsel erinnerten sich die Alten an ihn als den besten Pfarrer, den das Dorf je hatte“.5 Seine Frau Edel und er „feierten am 18. Januar 1883 ihre Silberhochzeit“, und in Klammern ist hinzugefügt: „Große Feier mit Geschenken, Komplimenten u. a.“

König Oskar II. und Königin Sofie waren oft zu Besuch bei den Großeltern auf dem Pfarrhof in Kongsvinger, der einen eigenen Raum hatte, welcher als „Königszimmer“ bezeichnet wurde. Von den Königen der Unionszeit hielt sich Oskar II. am häufigsten in Norwegen auf, wobei Kongsvinger auf dem Weg zwischen Stockholm und Oslo einen günstigen Halt darstellte. Zudem war die Königin viel krank und erholte sich gern in Norwegen, oft bei den Widerøes. Die Großmutter bekam vom König ein Armband mit grünen Steinen. Darin eingraviert waren das Datum sowie „Für Edel Widerøe von Oskar II.“ Später erbte es Rolfs Schwester, die ebenfalls Edel hieß und in ihrer Kindheit viel bei der Großmutter gewesen war. Der Großvater, der Gemeindepfarrer, war verstorben lange bevor Rolf, Edel, Else und die anderen geboren wurden; zur Großmutter, Edel Johanne Solem, jedoch hatten sie engen Kontakt. Die Familie der Großmutter väterlicherseits, Edel, stammte von dem großen Hof Solem in Klæbu, der sich seit dem 17. Jahrhundert in Familienbesitz befand. Ihre Schwester war mit General Fleischer verheiratet, dessen Name in Verbindung mit dem Kampf um Narvik im Zweiten Weltkrieg bekannt ist. Rolfs Großmutter war mit ihren neun Söhnen und der einen Tochter gut klargekommen. 37 Jahre lang war sie Witwe, zog später zu ihrem Sohn Theodor nach Oslo, wo sie im Sommer 1928 starb. So erlebte sie mit, dass ihr Enkelsohn Rolf den Doktortitel erwarb. Ihr eigener Sohn Sofus, war längst Dr. med. und Spezialist in der Chirurgie geworden. Kriegsarzt in Serbien war er auch gewesen. Jedoch musste sie nicht mehr miterleben, dass er beim Absturz mit Arilds Flugzeug ums Leben kam. Ein anderer Sohn war wie der Vater Pfarrer geworden, ein weiterer Wirtschaftsprüfer, der später die Fluggesellschaft Widerøe zum Kunden bekam.

Die reiche Familie aus Romsdal

Stammvater der Widerøe-Familie war Aage Hanssøn aus Romsdal, wobei wir uns nunmehr im 16. Jahrhundert befinden. Er war mit Synnøve Oudensdatter von der Familie Aspen verheiratet, die bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann und ursprünglich aus Brandenburg im heutigen Deutschland stammte. Die Familie besaß landesweit Höfe. Hier tauchen prunkvollen Namen wie Gyldenløve und Rosenkrands sowie Personen auf, die sich mit dem Erzbischof berieten, mit Adeligen, Ingerd Ottesdotter Rømer und dem Vogt Vincent Lunge, verkehrten. Hier finden sich Ritter, Reichsräte und andere aus der Reihe feiner Titel der norwegischen Geschichte: Truchsess – wobei es sich um ein Hofamt handelte, später jedoch zu einem Reichsverweseramt wurde; Fehirde – ein königlicher Schatzmeister, und Junker – ursprünglich ein Titel für Königssöhne, später auch für Edelmänner, die noch nicht zum Ritter geschlagen waren. Auch der mit über 1000 Höfen „größte Grundbesitzer, der zu dieser Zeit in Norwegen lebte“, ist im 15. Jahrhundert in der Familie zu finden. Dabei handelt es sich auch um Besitztümer und Güter, die von der Domkirche in Trondheim übernommen wurden, Häuser, die als „Königsstube“ oder „Herrenstube“ bezeichnet werden, ja allem, was zu alten reichen Familien gehörte. Der Stammvater wohnte auf Veøy, einer vor Molde gelegenen Insel, die bei Snorre erwähnt wird – der Ort, an dem Håkon Herdebrei 1162 in der Schlacht bei Sekken im Kampf von Erling Skakke getötet wurde. Bis ins 16. Jahrhundert hinein war Veøy der größte Handels- und Umschlagplatz des Gebietes, während Molde nur ein kleines Fischerdorf war. In der Wikingerzeit machte die Lage des Ortes ihn zu einem strategischen Knotenpunkt für den Bootsverkehr. Veøy wird auch „die heilige Insel“ genannt und war in heidnischer Zeit möglicherweise Kultstätte sowie ein Ort, an dem der heidnische Tempel gestanden haben könnte.6

Der Sohn des Stammvaters, Ouden, nahm als Erster den Namen Widerøe in Gebrauch. In den ersten hundert Jahren wurde er in vielen verschiedenen Schreibweisen verwendet, darunter Veeyir, Vidøy, Vedøy, Vedø, Widø und Widøy. Es gibt unterschiedliche Auffassungen, jedoch geht man davon aus, dass sich der Name von der Insel herleitet, zumal es damals üblich war, Ortsnamen als Familiennamen zu verwenden. Über mehrere Generationen hinweg waren die Nachkommen auf Veøy tonangebend, was Reichtum und Macht betraf. Aus irgendeinem Grund aber verlor der Ort seinen Einfluss, möglicherweise in Zusammenhang mit dem Sturz des Erzbischofs Engelbrektsøn. Da zog die Familie Widerøe nach Lyngvær, einem Fischerdorf und Handelsplatz. Aber auch dort wurde es zu eng, woraufhin sie nach Molde ging und Anfang des 17. Jahrhunderts an der Entwicklung des Ortes hin zur Stadt beteiligt war. Geht man ins 19. Jahrhundert, sieht man, dass sich in Rolfs Familienzweig viele Beamte und Geschäftsmänner finden.

Den Großvater im Backofen versteckt

Rolfs Mutter, Carla Launer, hatte eine nicht weniger facettenreiche Vergangenheit. Beide Elternteile waren Deutsche, wanderten jedoch vor der Geburt der Tochter nach Norwegen aus. Der Vater, Carl Gottlieb Launer, war 1819 in Düro-Brockstadt, südlich von Breslau, geboren. Der Name Launer soll von den Hugenotten abstammen, die unter Friedrich dem Großen aus Frankreich geflohen waren. Der Lebenstraum des Vaters war es, Braumeister zu werden, weshalb er als Geselle zu Fuß bis nach Konstantinopel wanderte. So kam man damals zu seiner Ausbildung als ausgelernter Meister, und die Bierbrauerzunft war begehrt; heute wissen die Wenigsten, dass sich ein Handwerksgeselle durch Herumreisen Wissen und Erfahrungen aneignet. Von Konstantinopel ging es für ihn weiter nach Wien, wo zu der Zeit, 1848, Aufruhr herrschte. Carl Gottlieb Launer beteiligte sich aufseiten der Aufrührer an den Kämpfen und wurde Hauptmann. Er wurde verletzt, woraufhin ihn seine Frau in einem Backofen versteckte, damit man ihn nicht fand. Sie pflegte ihn, bis er gesund war. Dann aber starb sie – und er wanderte weiter, noch immer davon träumend, Braumeister zu werden.

Er landete in Northeim in der Nähe von Hannover. Dort heiratete er die 18 Jahre jüngere Johanne Dorthea Margrethe Cramer. Die beiden gingen nach Norwegen, nach Halden, wo er seinen Traum realisierte und Braumeister wurde. Man hatte ihn engagiert, um den Norwegern das Bierbrauen beizubringen. In Halden wurde 1875 Rolfs Mutter Carla geboren. Später gingen sie nach Deutschland zurück, wo er in Hamburg eine Stelle als Braumeister bekam. Auf ihre alten Tage kehrten sie jedoch nach Norwegen zurück. Dort starb er 1902, im selben Jahr, in dem das erste Enkelkind, Rolf, geboren wurde. Die Witwe wohnte in ihren letzten Lebensjahren bei ihrer Tochter und dem Schwiegersohn in Kristiania – und somit im Elternhaus von „unserem“ Rolf. Sie starb 1925. Die Tochter, Rolfs Mutter, war eine starke und ehrgeizige Frau, die 1971 im Alter von 96 Jahren starb. „Möglicherweise habe ich einiges von meinem Großvater geerbt, vielleicht auch die Reiselust“7, sagte Rolf, als er in einem Interview von der Familie mütterlicherseits sprach.

Jørgen Holmboe (Neffe, Sohn von Ragnhilds Schwester Anna Margarete):

„Dass die Familie Widerøe in der norwegischen Gesellschaft keinem A4-Dasein entsprach, kann man durchaus mit Sicherheit sagen.“

Arild Widerøe (ältester Sohn):

„Wir waren uns im Klaren darüber, dass Vater etwas speziell war.“

Thor Spandow (Neffe, Sohn von Rolfs Schwester Else):

„Wir wurden zu Genügsamkeit erzogen. Ich bin bei meinen Großeltern in Vinderen aufgewachsen, wohnte dort von meinem dritten bis zu meinem 20. Lebensjahr zusammen mit meiner Mutter. Großmutter war streng, zum Abendessen durften wir keine Kameraden mit nach Hause bringen. Wenn Großmutter sich aber hingelegt hatte, sagte Mutter zu allen: 'Kommt und esst.'“

Thor Spandow (Neffe, Sohn von Rolfs Schwester Else):

„Es war streng in Vinderen, noch mehr, wenn Onkel Viggo zu Besuch kam. Beim Abendessen hieß es, dass die Kinder gesehen, aber nicht gehört werden sollen. Jeden Sonntag gab es Braten, am Montag Hering oder Fisch und Samstag Grütze oder Pfannkuchen. Im Winter wurde an Sonntagen das Esszimmer geheizt und benutzt. Nach dem Essen gingen die Erwachsenen ins Raucherzimmer, wo die Kinder nichts zu suchen hatten.“

Aasmund Berner (Neffe, Sohn von Rolfs Schwester Grethe):

„Sie waren viel draußen in Wald und Flur. Das Erste, was z. B. Onkel Viggo tat, als er nach vier Jahren Zuchthaus nach Hause zurückkehrte und wie eine Leiche aussah, war seine Kameraden zu versammeln und in der Nacht auf Tour zu gehen. Er wollte im Zelt in der Nordmarka liegen und Vögel beobachten, anstatt zu Hause zu sein und sich um die Familie zu kümmern. Erst sollten die Kameraden auf ihre Kosten kommen.“

Rolf Widerøe jr. (jüngster Sohn):

„Ich erinnere mich, dass zu Hause bei uns in Røa ein paar deutsche Soldaten durch unseren Hintergarten gingen. Daran erinnere ich mich gut, weil wir einen Garten hatten, der in einen Wald überging, und unterhalb befand sich ein Fußballplatz. Und dort, zwischen dem Wald und unserem Garten, gingen sie. Und schon als Kind fand ich es immer unheimlich, wenn Leute solche Militäruniformen trugen.“

Arild Widerøe (ältester Sohn):

„Ich erinnere mich, dass auf die große Wiese, die wir hatten, Kartoffeln gesteckt wurden. Gepflügt wurde, indem zwei Personen den Pflug zogen und einer von hinten schob. Das war eine große Sensation. Alle Nachbarn schauten zu, lachten und hatten im Grunde Spaß, auch wenn es nicht traurig, aber doch eine ernste Situation war, denn Kartoffeln waren zu dieser Zeit wichtig. Und ich erinnere mich, dass mein Bruder unten in der Stadt war und Sachen tauschte. Das muss auf dem Schwarzmarkt gewesen sein. Und dann erinnere ich mich, dass wir in der Stadt waren, und wir blieben ein paar Stunden in der U-Bahn sitzen, der Røa-Bahn, die vom Nationaltheater hinauffuhr, weil Fliegeralarm war. Ich erinnere mich auch, dass wir am 17. Mai [dem Nationalfeiertag] nicht die norwegische Flagge tragen durften. Als Frieden wurde, erinnere ich mich an Transporte der Deutschen von freigelassenen Grini-Gefangenen, die den Vækerøveien herunterkamen; die Leute sahen zu und waren froh.“

Aasmund Berner (Neffe, Sohn von Rolfs Schwester Grethe)

„Die Piloten nutzten unsere Wohnung in Stockholm als geheimen Unterschlupf, und sie waren oft Babysitter für uns Kinder. Onkel Viggos Frau wohnte in Voksenlia, und die Flugzeuge strichen manchmal niedrig über ihr Hausdach und winkten mit den Flügeln. Manchmal wurden sie von Jagdflugzeugen verfolgt. Und einmal kamen sie über Hamar und Saksumdal, und ich weiß noch, dass einer der Piloten – ich glaube, er hieß Piltingsrud – ein Jagdflugzeug hinter sich hatte; dann ging er Richtung Boden in den Sturzflug, und kurz, bevor er runter kam, zog er nach oben, was dem deutschen Jäger nicht gelang und er zu Boden ging. Dann flog er nach Schottland weiter. So überbrachte er die Nachricht, denn sie hatten von jemandem in Stockholm erfahren, dass Onkel Viggo in Deutschland am Leben war.“

Egil Reksten (Schwager) und Louise Reksten (Schwägerin, Ragnhilds Schwester Louise):

Er: „Es gab ja mehrere Widerøes. Wir hatten auch mit Viggo Kontakt.“

Sie: „Er war ja auch ein sehr feiner Kerl.“

Er: „Ja, ein toller Kerl.“

Sie: „Ja.“

Solide und spannend, kann man über Rolfs Herkunft sicher sagen. Beides. Aber auch damals waren in der Kindheit Freunde wichtiger als die Familie, und ein Kamerad, dessen Vater die damalige Illustrert Vitenskap abonnierte, eröffnete ihm Möglichkeiten. Mit seinem Interesse für die Naturwissenschaften stand Rolf in der Familie ziemlich allein da. Aber zu Hause bei besagtem Kameraden, der später Geografie-Professor wurde, durfte er das Magazin Naturens verden lesen.

Rolfs Schwester Else zufolge hatten sie nicht selten Angst, er würde mit seinen Experimenten das Haus in die Luft sprengen. Die anderen Brüder hingegen kümmerten sich nur ums Fliegen, sagt sie. Die Jungs teilten sich ein Zimmer, und Rolf wollte nicht, dass jemand auf die Leitungen trat oder Unordnung machte, weshalb es ein bisschen Rangelei gab. Er schob Ausrüstung und Apparate so weit wie möglich unter das Bett, was selbstverständlich nur dazu führte, dass die kleinen Brüder noch neugieriger wurden. Sie selbst vermutet, der große Bruder habe sie für ein wenig dumm gehalten; mit leichtem Schrecken erinnert sich noch immer daran, dass er sie „Dummkopf“ nannte, als er ihr einmal bei den Mathematikaufgaben helfen sollte. Dass er äußerst begabt war, stand außer Zweifel, sagt sie. Ebenso wenig seine Starrköpfigkeit und dass er wusste, was er wollte.

Ein Höhepunkt seiner jungen Physikerlaufbahn war die elektrische Telegrafenverbindung, die er als 14/15-Jähriger zum Nachbarhaus installierte. Darüber kommunizierte er mit dem Kameraden mittels Morsezeichen. Die Ausrüstung im Kinderzimmer, eine Mischung aus Elektronik und Mechanik, war für ihn, wie für viele andere Jungs zu dieser Zeit, ein wichtiger Teil der Jugend. Für Rolf aber endete das nicht irgendwann. Es wurde zu einer Besessenheit, Dinge zum Laufen zu bringen und gleichzeitig die Theorie dahinter zu verstehen. Die Reihenfolge variierte mitunter. Im Erwachsenenalter wurde die Forschung sowohl zu einer Antriebskraft, die den praktischen Einsatz stimulierte, als auch zu einer notwendigen Folge, wenn Dinge nicht funktionierten. Was für ein Glücksfall, genau zur richtigen Zeit der Geschichte Teenager zu sein. In dem Jahrzehnt, in dem die Atome „erfunden“ wurden.

König Salomons Schatzkammern

Rolf selbst war der Ansicht, er sei ein ganz gewöhnlicher Gymnasiast gewesen. Seine Zeugnisse belegen, dass er in den naturwissenschaftlichen Fächern am besten abschnitt; ob das jedoch fehlendem Interesse für andere Fächer geschuldet war, ist schwer zu sagen. Auf jeden Fall beschaffte er sich in Physik, Chemie und Mathematik Zusatzliteratur. Auch in Zeiten vor dem Internet und sozialen Medien fand die Wissbegierde ihre Wege, um Impulse und Kenntnisse zu erlangen. Sein großes Vorbild war sein Mathematiklehrer, wegen dem er sich als Teenager im Mathematikverein anmeldete. Einblicke in die höhere Mathematik erlangte er durch eine Reihe, die von dem Deutschen G. J. Göschen herausgegeben wurde, der Sammlung Göschen. Einmal schickte er auch Fragen an einen Physikprofessor der Universität und erhielt einen netten Brief mit einer Liste von Büchern, die ihm Antworten auf seine Fragen liefern konnten – zu Plancks Quantentheorie, Einsteins Relativitätstheorie und anderen Themen der Zeit, die eigentlich zu erwachsen für ihn waren. Sein Physiklehrer aber „wusste darüber nichts“, weshalb Rolf, der im Alter von 17 Jahren in der Schule einen Vortrag über Einstein hielt, „es ihm erklären musste“, wie er selbst angab.

Wie aus dem Tagebuch hervorgeht, stellten Bücher einen großen Ausgabeposten dar. Dienstag, den 9. Oktober 1917, hielt er fest:

„Ich habe heute für 1,8 Kr Kvalitativ Analyse von B. Næss gekauft. 60 bezahlte ich vom Buchfond und 20 Öre hatte er von mir geliehen. Der Rest wurde zusammen mit einem Ampere- und Voltmeter bezahlt, das ich von ihm gekauft hatte. Das waren insgesamt 5 Kr und ich brachte Papa dazu, es für mich bei der Bank abzuheben. Habe 50 Öre für die Reparatur elektrischer Sachen bekommen. B.F = 28 Öre K.F = 2,88 Kronen.“

Es kam auch vor, dass er schrieb: „Ein Buch von Vater bekommen.“ Ein gewöhnlicher Schüler war er wohl kaum. Aber auch kein Nerd. „Im Kino Civilisation gesehen. Der war vollkommen großartig“, steht im Tagebuch für Freitag, den 28. Oktober 1917. Er bekam durchaus seine Dosis Action und Fiction. Damals hatten sie keinen Harry Potter, aber einen Jonas Fjeld, Norwegens Antwort auf Indiana Jones, den Arzt, Entdecker und Abenteurer, der in entfernten Galaxien gegen Banditen kämpfte und sich halsbrecherisch Gefahren aussetzte. Ein von Øvre Richter Frich erschaffener Held, der sich voller Freude und Übermut ins Leben stürzt und mithilfe seines Erfinderfreundes die sensationellsten Coups durchführt. Er wird Schwerverbrecher, im letzten Augenblick jedoch vom Schicksal gerettet, das eingreift und ihn auf die Probe stellt, woraufhin er auf anständige Weise die Liebe gewinnt und sich mit der Gesellschaft versöhnt. Das erste Buch der beliebten Spannungsreihe erschien, als Rolf neun Jahre alt war.

Dann kam der Sherlock Holmes-Autor Sir Arthur Conan Doyle mit Die vergessene Welt. Im Inneren des Amazonas solle sich ein Gebirgsplateau befinden, auf dem noch immer die Dinosaurier regierten. Das behauptet zumindest der geniale und exzentrische Professor Challenger. Im Kreise der Gelehrten sorgt er für einen Skandal, hält jedoch an seiner These fest, woraufhin sich eine vierköpfige wissenschaftliche Expedition auf den Weg ins Unbekannte macht, um der Behauptung nachzugehen. Die Reise zurück in die Vergangenheit wird natürlich kühner, gefährlicher und fantastischer, als man es sich hätte träumen lassen. Ein anderer Favorit – wenn auch nicht ganz neu – war Sir Henry Rider Haggards Abenteuerroman über König Salomons Schatzkammern. Der Sage zufolge befand sich in diesen, versteckt in der tiefsten afrikanischen Wildnis, ein fantastischer Schatz, gut bewacht von der Hexe Gagul. Über dem Ort lag ein Fluch. Dennoch hatten viele der Gefahr getrotzt und ihr Glück versucht, bisher war jedoch keiner lebend zurückgekehrt. Der junge Rolf verschlang solche Bücher und ebenso die Fortsetzungsserien in allen Zeitschriften, die er in die Finger bekam. Später nahmen Science-Fiction und Zukunftsromane diesen Platz ein.

Auf ins Atomzeitalter

Und er las Zeitungen. Dabei stieß er auch auf die Nachricht, dass es dem Physiker Rutherford gelungen war, ein Atom zu spalten und damit das Atomzeitalter einzuläuten. Die Theorie über Elektronen, die um den Atomkern herum in einer Bahn verlaufen, das Verständnis für den Aufbau eines Atoms und die Entwicklung der Quantenmechanik – so etwas war durchaus noch abwegig. Die Spaltung von Atomen aber faszinierte ihn, und damit war es um ihn geschehen. Als Rolf in seinem 80. Lebensjahr in einem Vortrag seinen fachliche Karriere zusammenfasste, erzählte er einleitend, wie Rutherfords Entdeckung in Teenagerjahren sein Interesse für Atome geweckt hatte.8 Parallel zu den historischen Entdeckungen hörte und lernte er darüber und wurde so selbst Teil der Entwicklung. Gegenüber der Aftenposten hatte er einige Jahre zuvor – in dem einzigen ordentlichen Interview, das die Zeitung mit ihm führte – als Hauptgrund für sein Interesse an Hochenergie-Beschleunigern in jungen Jahren die großen Möglichkeiten benannt, die er in Verbindung mit der Atomforschung sah. Rutherford charakterisierte er als äußerst vorausschauend, der Praktiker in ihm lasse sich jedoch nicht verleugnen, und er meinte, dass auch Rutherford nicht verstanden habe, dass sich in der Atomspaltung die Möglichkeit für praktische Ergebnisse fand:

„Die Entwicklung hat gezeigt, dass er falschlag. Was die Beschleuniger betrifft, finde ich, dass die Krebsbehandlung mit hochenergetischen Partikeln und Strahlen als ein äußerst nützliches 'Nebenprodukt' bezeichnet werden muss.“9

Lange hatte man geglaubt, Atome seien das Kleinste, was existiere. Dann begriff man, dass sich der Atomkern in Protonen und Neutronen spalten ließ, und dachte eine Zeit lang, dies seien die kleinsten Bausteine. Aber auch diese konnten wiederum geteilt werden. Rutherfords Gedanke war, dass man durch die Bombardierung des Atomkerns mit Strahlen von ausreichend hoher Energie noch mehr über den Aufbau und die Eigenschaften des Atoms lernen könne. Das begründete einen neuen Zweig der Physik, die experimentelle Kernphysik. Es galt eine Möglichkeit zu finden, Teilchen mit einer hohen Energie zu erschaffen, und das sollte zum Schwerpunkt von Rolfs Arbeit werden: Beschleuniger zu konstruieren, die solche hochenergetische Strahlung erzeugen konnten. Und damit befinden wir uns in der Welt der Elektrizität und Hochspannung.

Elektro jetzt!

Nach dem Abitur 1920 gab es für ihn keinen Zweifel. Es musste Elektro und es musste Starkstrom sein. Wollte man im Leben etwas werden, dann brauchte es den Diplomingenieur-Abschluss, und die Eltern waren sich vollkommen im Klaren darüber, dass er dafür ins Ausland musste. Norwegens Technische Hochschule (NTH), die heutige NTNU, war in Trondheim gerade erst neu gegründet worden und mit ihren 100 Studenten nach Ansicht des Vaters im Vergleich zu traditionsreichen Einrichtungen im Ausland zu kümmerlich.

Rolf wurde in diesem Sommer 18 Jahre alt, und als im Herbst das Semester begann, begleitete ihn sein Vater nach Deutschland. Er sollte an der Technischen Hochschule in Karlsruhe, im Südwesten Deutschlands, nahe der französischen Grenze immatrikuliert werden. Er fand sich schnell zurecht. Nirgendwo ist ein Wort über Heimweh zu finden, obwohl er die Kameraden, fünf Geschwister – im Alter von 16, 13, 11, 6 und 4 Jahren –, Mutter, Vater und zwei Großmütter verließ. Der junge Student aus Norwegen entfaltete sich. Jetzt sollte das Leben beginnen. Das Umfeld war angenehm, und auch wenn 3000 bis 4000 Studenten in seinen Augen viel waren, empfand er das Verhältnis zwischen Studenten und Lehrern dennoch als freundschaftlich und ungezwungen. Die Namen der Lehrer brannten sich fürs Leben ein:

„Besonders erinnere ich mich an Professor Schleiermacher in Theoretischer Elektrotechnik, ein netter alter Mann. Auch in Mathematik hatten wir einen tollen Professor, Böhm hieß er. In Physik hatten wir Professor Wolfgang Gaede, er war einer der 'Götter', ziemlich erhaben über uns Studenten.“10

Mit Transformatoren, Widerständen und Kondensatoren hatte er sich schon lange beschäftigt. Jetzt kamen Vorlesungen und Laborübungen, Gruppenarbeiten und Projektaufgaben hinzu, die allesamt dazu dienten, die praktischen Erfahrungen aus dem Kinderzimmer mit der dazugehörigen Theorie zu untermauern. Der Guru der Elektrotechnik Professor Richter – einer der Gründe, weshalb Rolf diese Hochschule besuchte – hielt zur Begeisterung des Studenten auch praktische Vorlesungen. Daneben umfasste das Studium auch Phasen in der realen Arbeitswelt, was für Rolf einen Monat Praxis in einer Motorenfabrik in Straßburg bedeutete. Hier musste er einen Motor bauen – oder wickeln, wie es in der Physik heißt –, was er nicht gerade leicht fand. Auch das Klettern auf Masten und die Montage von Kabeln gehörten dazu.

Begeistert und voller Elan stürzte er sich in Projekte auch außerhalb des Technischen. Als eines der ersten Dinge schrieb er einen Artikel mit dem feierlichen Titel „Inflationsanalyse“ und sandte ihn an die Statsøkonomisk Tidsskrift in Oslo. Das war zu der Zeit, als man zu sagen pflegte, man brauche einen Schubkarren voller Geld, um ein Brot zu kaufen, so wenig war die Deutsche Mark wert. Der Vater hatte ihm Geld gegeben, und Rolf verfolgte genau, wann es sich zu tauschen lohnte. Gründlich, wie er war, trug er die Wechselkurse in eine Tabelle ein: die Kurse entlang der einen Achse, die Zeit entlang der anderen. Als Vergleichsgrundlage verwendete er den amerikanischen Dollar. An den Wänden befestigte er große Papierbögen und zeichnete eine Dollarkurve, die vom Boden bis zur Decke der Wohnung reichte. Zuerst stieg der Dollar, trotz gewisser Schwankungen, in einer mehr oder weniger linearen Kurve. Im Januar 1922 entsprach ein Dollar 192 Mark, im Dezember waren es unglaubliche 4.200.000.000.000 Mark geworden, und der Wechselkurs stieg so schnell an, dass er zu größeren Papierbögen greifen musste, um ausreichend Platz zu haben. Alle, nicht nur Studenten, die vom elterlichen Geld lebten, interessierten sich nun für Ökonomie, und nachdem der Kurs Form annahm, kam Rolf die Idee für den Artikel. Er wurde angenommen und steht in der Archivsammlung der Zeitschrift für das Jahr 1924. Auf den Seiten 189 bis 206. Er war kein Ökonom. Er besaß auch sonst keine Ausbildung, hatte gerade erst angefangen zu studieren. Der Lebenshunger aber war groß, ebenso der Freimut und die Fähigkeiten.

Fest und Verbrüderung

Ein Großteil des sozialen Studentenlebens in Karlsruhe fand im Nordischen Klub statt. Neben überwiegend Norwegern und Schweden gehörten einige wenige Finnen, ein Isländer und ein Däne dazu. Und um Rolf selbst zu zitieren:

„Wir feierten oft. Ständig gab es ethnische Festtage, die gefeiert werden mussten, und Cognac und schwedischen Punsch in Mengen.“

Wie die meisten Ingenieursprosse waren sie daran interessiert, Lösungen für die praktischen Probleme des Alltags zu finden. Es ging darum, Dinge zu erfinden und diese patentieren zu lassen. Die Kreativität schlug viele Richtungen ein. Von einigen seiner Kommilitonen hat Rolf erzählt, unter anderem von dem Chemiestudenten Erik Rotheim, der während seines Aufenthalts die Spraydose erfand und das Patent dafür erlangte, jedoch starb, bevor er den großen Erfolg erleben konnte. Aber auch von anderen:

„Dann erinnere ich mich an Jack Nilsen, ein norwegischer Meister im Tennis. Später wurde er Braumeister bei Ringnes. Ich kaufte sein Fahrrad, als er zurückfuhr. Grude von Stavanger war ein großer Baritonsänger. Ein Architektur-Student hieß Björnson-

Langen. Seine Mutter, eine Tochter des norwegischen Dichters Björnstjerne Björnson (…). Er war ganz lustig. Und da war auch mein guter Freund Kaare Backer (…).“11

Backer wurde Bauingenieur und gründete das Bauunternehmen Dipl.ing. Kaare Backer AS. Sie blieben ein Leben lang in Kontakt, und als beide um die 90 waren, besuchte Rolf ihn zu seiner Diamantenen Hochzeit.

In den Ferien war er oft zu Hause oder bekam Besuch aus der Heimat. Den zahlreichen Gipfel-Fotos im Familienalbum nach zu urteilen, standen dann viele Ski- und Wandertouren auf dem Programm. In den Alpen wie im norwegischen Gebirge. Anlässlich aller Feste und Ferien. Mit Studienkameraden und Familienmitgliedern. Die Brüder zusammen, alle drei oder nur mit Viggo. Auch die Freunde aus der Schulzeit, die ihn in Deutschland besuchten oder mit denen er sich in Norwegen traf. Gerne die Brüder und die Kameraden in Kombination, oft auch mit den Eltern, denen der Kameraden und den eigenen sowie ehemaligen Nachbarn, Onkeln und Tanten. Handschriftlich auf schwarzen steifen Fotoalbumseiten festgehalten: Biongs Wochenendhaus, Ostern 1921. Garmisch-Partenkirchen und Nürnberg, Pfingsten 1921. Feldberg, Weihnachten 1920–21. Schattwald, Weihnachten 1922–23. Ostertour, Odenwald 1926. Unterwegs mit Viggo, Sommer 1926. Feldberg auf Ski, Weihnachten 1926–27. Wangens Wochenendhaus in Eiker, Winter 1927–28 – Mondscheintour. Longvasshütte, 1928.

Und standen sie nicht auf Ski, dann waren es Städte- und Autoreisen: Brüssel, Sommer 1924. Paris, Pfingsten 1924. Viggo zu Besuch in Karlsruhe, Herbst 1922. „Kaaresbo“, August 1925. Rukkedalen, Herbst 1923. Fougners Wochenendhaus Kolsås, 1921. Tour in Mutters und Vaters erstem Auto, Herbst 1921. Lange Tour mit Auto, Sommer 1922. Denn das Elternhaus in Vinderen war nicht nur mit Biedermeiermöbeln und Raucherzimmer ausgestattet. Man hatte auch zeitig ein Auto. Es war, wie die meisten anderen zu dieser Zeit, schwarz, ein in Detroit gebauter King, und wurde in etwa zu der Zeit angeschafft, als Rolf sein Studium aufnahm. Es gehörte dem Vater, der es jedoch nie fuhr. Viggo und Rolf waren die Chauffeure, und das Auto wurde vor allem für Familientouren verwendet. Oder für Ausflüge mit Geschäftskontakten. In einem Land, das dem Statistischen Zentralbüro zufolge 1920 über 6700 Autos verfügte, entsprach das Angebot einer Autofahrt einer Ehrerweisung.

Nebenbei

Neben dem Studium spielte Rolf mit einer Idee, einer wissenschaftlichen Idee. Im Hinterkopf hatte er Rutherfords Theorien zur Erzeugung hoher Energie. Bereits im Alter von 20 Jahren hatte er sich gefragt: Könnte nicht dasselbe Prinzip, das für einen gewöhnlichen Transformator gilt, auch zur Beschleunigung von Elektronen verwendet werden? Vor sich sah er einen Transformator, also einen Apparat, der elektrischen Strom von einer Spannung zu einer anderen überträgt. Was, wenn man das entfernte, was in der Physik Sekundärwicklung genannt wird, und stattdessen eine Glasröhre in der Form eines kleinen, flach gedrückten „Donuts“ einsetzte? Konnte man dann Partikel nicht in der gleichen Weise beschleunigen wie durch eine sehr hohe elektrische Spannung? Solche Hochspannung würde nämlich gefährlich sein, zudem war es praktisch auch nicht möglich, sie zu erzeugen. Also brauchte die Welt seine Erfindung.

So weit war er in seinem fünften Semester an der Hochschule, im Herbst 1922, gedanklich vorangekommen. Allerdings war vieles noch nicht geklärt. Eine der offenen Fragen lautete, ob sich die Elektronen in einer kreisförmigen Glasröhre genauso aufführen würden wie in einer Kupferleitung in einem ganz gewöhnlichen Transformator. Er nahm es an, nur brauchte es dazu ein Magnetfeld, um die Elektronen in der Bahn zu halten, wenn diese nicht mehr in der Kupferleitung blockiert wurden, und das konnte er so ohne Weiteres nicht lösen.

All das hatte er in ein Notizbuch mit glattem schwarzem Umschlag geschrieben, auf dem „Technische Ideen“ stand. Darin ist für den 15. März 1923 festgehalten: „Der Strahlentransformator wurde ausgedacht, um ausreichend konzentrierte Energiemengen zur Sprengung des Atomkerns zu erzeugen. Vor vier Jahren wollte ich das erreichen durch …“, woraufhin eine technische Erklärung folgt. Dann aber war ihm eine andere Idee gekommen, die er wiederum erklärte (Abb. 1.1 und 1.2).

Abb. 1.1
figure 1

(Foto© Pedro Waloschek)

Während seines Studiums in Karlsruhe zeichnete der 20-jährige Rolf Widerøe diese Skizze von seiner Idee des Betatrons. Seine Notizbücher mit den Aufzeichnungen zum Betatron befinden sich in der Bibliothek der ETH in Zürich.

Abb. 1.2
figure 2

(Foto © Pedro Waloschek)

Eine weitere Skizze von Rolf Widerøe, welche die Wirkungsweise des Betatrons genauer erläutert.

Auf Eis

Allerdings sollte er auch sein Examen machen. Deshalb war er dort. Um den Grad zu erlangen, der dem heutigen Master of Technology oder Master of Science entspricht. Die Erfindung, mit der er nebenbei beschäftigt war – und die noch keine Erfindung war, sondern lediglich ein Gedanke –, musste deshalb auf Eis gelegt werden. Es blieb bei einigen Beschreibungen, teils auf Deutsch, teils auf Norwegisch, sowie einigen Berechnungen und Skizzen in den Notizbüchern. Diese dünnen kleinen Notizbücher wurden ein Leben lang zu einem Teil seines Images, und er bewahrte sie auf, solange er lebte. Reproduktionen bestimmter Seiten daraus sind heute im Internet sowie in Lehrbüchern in vielen Sprachen zu finden und werden zudem weltweit zur Erklärung seiner Theorien in Physikvorlesungen verwendet. Noch aber ist er Student. Bevor er die Idee gänzlich beiseitelegte, war er unbescheiden genug, die Beschreibung einem Patenbüro vorzulegen und dafür ein Patent zu beantragen. Eine Antwort darauf sollte er nie bekommen. Als er viele Jahre später nach Karlsruhe zurückkehrte, stellte er fest, dass das komplette Viertel, in dem sich das Büro befunden hatte, verschwunden war. Was mit seinem ersten Patentantrag geschehen war, blieb für immer ungeklärt.

Jetzt stand die Diplomarbeit im Fokus. Er entschied sich für ein Thema, das ihn zu einem typischen Starkstromingenieur machte. Dinge sollten nützlich sein. Das Wissen sollte zu etwas zu gebrauchen sein. Über Europa – Norwegen eingeschlossen – schwappte eine Elektrifizierungswelle. Kraftwerke wurden gebaut und kreuz und quer im Land Hochspannungsleitungen errichtet. Also musste es, was ihn betraf, Starkstrom sein. Er wollte Bereiche wie Elektromagnetismus und Transformatoren-Technologie beherrschen. Sein Lehrer in Hochspannungstechnik hatte ein Buch darüber geschrieben, Rolf meinte jedoch, eine der Berechnungen darin sei falsch, woraufhin er sie in seiner eigenen Arbeit berichtigte. Zuerst rechnete er sie mathematisch aus, wollte sie aber auch mittels eines Experiments prüfen, weshalb er um Fristverlängerung bat. Er brachte die Schule dazu, ihm Ausrüstung und Werkstatt zur Verfügung zu stellen, und baute das Modell eines Hochspannungsmasts im Maßstab 1: 100. Den Mast stellte er in eine Badewanne, die als Elektrolysewanne fungierte. So konnte er die Spannungsverteilung im Wasser messen. Die Kritik an der Rechenaufgabe des Lehrers wurde akzeptiert, als Note gab es eine 5,9. Die beste war eine 6.

Als die Diplomarbeit fertig und die Prüfungen absolviert waren, reiste er 1924 nach Hause nach Oslo, anfänglich zu einem Praktikum. Sechs Monate Wartung und Entwicklungsarbeit in der Werkstatt der Eisenbahn. Im Sommer 1925 folgte der Wehrdienst, den er in zwei Sätzen zusammenfasste:

„Dabei habe ich 72 Tage lang 6 Mann und einen Bauern mit Pferdewagen kommandiert! Es war ein sehr schöner Sommer.“12

Das nächste Ziel hieß Doktortitel. Sein Interesse für Elektronik hatte sich während des Studiums noch weiter verstärkt, und Ingenieur war ihm nicht genug. Der Gedanke, Elektronen dazu zu bringen, sich im Kreis zu bewegen, ließ ihn nicht los. Um dies aber zu realisieren, benötigte er mehr Theorie. Nach einem Jahr zu Hause kehrt er nach Deutschland zurück: Ich glaube an meine Ideen. Karlsruhe, hier bin ich! Er sucht seine ehemaligen Lehrer auf. Teilt mit, dass er gern als Doktorand aufgenommen werden möchte. Und als Doktorarbeit wolle er einen neuen Beschleuniger-Typ fertigen, einen Induktionsbeschleuniger oder Strahlentransformator, wie er ihn anfangs nannte. Eine Maschine, wie sie die Welt noch nie zuvor gesehen hatte und die zu allem verwendet werden konnte, wofür man hohe Energie benötigte. Du meine Güte. Im Alter von 23 Jahren! Ein bisschen mehr als gewöhnlicher jugendlicher Elan, kann man wohl sagen. Sah er keine Hindernisse? Nur das Ziel? Blauäugig? Oder genial? Versucht werden musste es auf jeden Fall.

Das funktioniert nicht!

Sein Lieblingsprofessor Schleiermacher empfängt ihn sehr nett, liest seine Notizen und Berechnungen genau. Ja doch, das sollte funktionieren. „Hier haben Sie ja Ihre ganze Doktorarbeit.“13 Der Lehrer in Theoretischer Elektrotechnik kann die Entscheidung jedoch nicht allein treffen, weshalb Rolf beim ehrwürdigen Physikprofessor Gaede vorsprechen muss. Dessen Begeisterung hält sich in Grenzen. Doktorand könne er gern werden, an irgendeinen Strahlentransformator glaube er hingegen nicht. Der würde nicht funktionieren. Er müsse sich ein anderes Thema suchen. Die Hochschule könne keineswegs akzeptieren, dass die Konstruktion und der Test eines Transformators entsprechend den von ihm vorgelegten Ideen als Doktorarbeit anerkannt würde. Das sei technologisch schlicht und einfach nicht realisierbar, nicht einmal wenn es ihm gelänge, in der Glasröhre das beste zu dieser Zeit mögliche Vakuum zu erzeugen. Es würden so viele Gasmoleküle verbleiben, dass die Elektronen – die in der kreisförmigen Röhre einige tausend Kilometer zurücklegen sollten – viel zu schnell absorbiert würden – viel schneller, als es möglich sei, sie zu beschleunigen. Aber wie gesagt, mit einem anderen Thema könne er gern bei ihnen weiterstudieren. So der Professor. An seiner alten Hochschule.

Es muss ein persönlicher Triumph gewesen sein, als die Schule 30 Jahre später eines seiner Betatrone kaufte, um damit physikalische Experimente durchzuführen. Da waren die alten Professoren zwar nicht mehr da, aber trotzdem. Der frisch gebackene Ingenieur hatte sich nicht den Mut nehmen lassen. Er wusste, wie er das Problem mit den verschwindenden Elektronen lösen konnte, und nahm neue Berechnungen vor, die seiner Meinung nach zeigten, dass Gaede falschlag. Dennoch kehrte er nicht zurück. Ihm wurde klar, dass Karlsruhe nicht mehr der passende Ort für ihn war. Den Strahlentransformator wollte und musste er bauen. Konnte er es hier nicht tun, dann an einem anderen Ort. Und außerdem, wenn er genau darüber nachdachte, reichten die technischen Möglichkeiten in Karlsruhe für seine Pläne auch nicht aus. Im Grunde war er dem ganzen Karlsruher Milieu entwachsen. Durchaus, an Selbstvertrauen fehlte es ihm keineswegs. Schwierigkeiten waren da, um überwunden zu werden. Mit erhobenem Haupt und geradem Rücken.

Also schreibt er einen Brief an eine andere Technische Hochschule, viel weiter nördlich, in Aachen, nahe der belgischen Grenze. Er weiß: Dort, an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule, gibt es einen Professor namens Walter Rogowski, und an ihn adressiert er den Brief. Er kommt direkt zum Punkt und fragt, ob er dort seine Doktorarbeit schreiben könne. Den Namen hatte er in der deutschen Zeitschrift Archiv für Elektrotechnik gefunden, in der Rogowski und ein anderer Forscher einen von ihnen durchgeführten Versuch beschrieben hatten. Die Publikation wurde vom weltbekannten Springer Verlag herausgegeben, der sich bereits damals seinem 100-jährigen Bestehen näherte – ein Blatt, das heute unter dem Namen Electrical Engineering erscheint. Sowohl die Zeitschrift als auch der Redakteur sollten sich wie ein roter Faden durch die nächsten 20 Jahre seines Lebens schlängeln, und es ist eine interessante Übung sich vorzustellen, ob er das Gleiche getan hätte, wenn er gewusst hätte, was später passieren sollte. Er und der Professor verstanden sich offensichtlich, und Rolf hat begeistert von der ersten Begegnung und deren Zustandekommen berichtet:

„Rogowski schrieb schnell zurück, dass es in Ordnung sei. Klar könne ich mit ihm arbeiten, kein Problem. Er wollte zu diesem Datum in die Schweiz in die Ferien und auf dem Rückweg wollte er über Karlsruhe fahren. 'Treffen Sie mich im Zug, dann fahren wir zusammen nach Mannheim und Sie können mir alles erklären.' Das tat ich. Die Zugfahrt dauerte eine Stunde. Ich glaube nicht, dass er viele meiner Erklärungen verstanden hat, jedoch erwähnte ich mehrfach, dass ich einen Transformator von 6 Mio. Volt bauen wolle, und das muss ihn sehr fasziniert haben. Er war ambitioniert und wollte der Konkurrenz gern ein Stück weit voraus sein. 'Das hört sich gut an. Kommen Sie nach Aachen und dann klären wir die Details.'“14

Der Weg war bereitet, und an dem Abend, bevor er seinen ehemaligen Studienort Karlsruhe verließ, feierten sie ein rauschendes Abschiedsfest.

„Es endete damit, dass wir alle Stühle an die Wände hängten. Mitten in der Nacht, oder vielmehr am Morgen, erreichte ich den Zug. Die Vermieterin der Wohnung war entrüstet, als sie den Zustand meines Zimmers sah, meine Kameraden aber kümmerten sich darum.“

In Professor Rogowski hatte er also jemanden gefunden, der mutig genug war, ihn sich ausprobieren zu lassen. Ein weiteres Plus an Aachen war, dass die Stadt über eine gute Glasbläserei verfügte, schließlich benötigte er speziell anzufertigende Glasröhren. Die Arbeit begann im Mai 1926. Die Hochschule in Aachen hatte den Ruf, ein wenig unkonventionell zu sein, was ihm gut gefiel. Das Umfeld war anregend. Hier traf er unter anderem den Mann, der Rogowskis Co-Autor bei dem Artikel war, der ihn seinerzeit nach Aachen geführt hatte.15 Allen voran aber lernte er Ernst Sommerfeld, den Sohn des berühmten Physikers Arnold Sommerfeld, kennen. Ernst spezialisierte sich auf die Patentierung und sollte im Laufe der Jahre den Großteil von Rolfs mehr als 200 Patentanträgen bearbeiten. Zusammen unternahmen die beiden Gebirgswanderungen und wurden enge Freunde, zudem besuchte Ernst Rolf und seine Familie mehrfach in Norwegen.

Rolf mochte Rogowskis Vorlesungen zur Elektrotechnik und so weit auch den Unterricht des Professors, den er in Aerodynamik hatte, auch wenn er es eindeutig unterhaltsamer fand, mit dessen wissenschaftlichen Assistenten Tennis zu spielen, als dem Professor selbst zuzuhören.16 Die größte Abteilung an der Hochschule in dem von viel Industrie und Bergbau geprägten Gebiet war logischerweise die Metallurgie. An seinem Institut gab es niemanden, der mit demselben Thema arbeitete wie er, zudem war er der einzige Norweger. Daher musste er sein Projekt im Großen und Ganzen allein betreiben; nur einige wenige verfügten über Kenntnisse, die ihm von besonderem Nutzen waren.

Das funktioniert nicht – Teil zwei

Er kam ziemlich schnell voran mit dem Bau seines Beschleunigers, und es war ein Zeichen der Anerkennung, dass Rogowski für eine Finanzierung der Werkstattarbeit durch den deutschen Forschungsrat gesorgt hatte.17 Rolf besorgte sich einen großen, etwa ein Meter hohen Transformator, von dem er die sogenannten Sekundärwicklungen entfernte. Sein Arbeitsplatz befand sich im Keller. Ziemlich kümmerlich, einige wenige Quadratmeter, wovon die Maschine selbst den meisten Platz einnahm. Die Nachricht, dass es jemandem gelungen war, einen Atomkern zu sprengen, hatte ihm keine Ruhe gelassen. In einem Notizbuch aus der frühen Studienzeit hatte er notiert, dass es „mindestens 10 Mio. Volt und wahrscheinlich mehr“ bräuchte, um schwere Atomkerne zu sprengen. Daher war er zu dem Schluss gekommen, dass die einzige Möglichkeit, Teilchen zu so hoher Energie zu beschleunigen, im Bau eines Instruments bestand, das einem Transformator ähnelte:

„Wenn nun die Röhre, die als Sekundärspule des Transformators gedacht ist, genügend luftleer gemacht wird, sollte es kaum elektrischen Widerstand geben. Die Elektronen würden schon innerhalb sehr kurzer Zeit eine extrem hohe Geschwindigkeit erreichen. Sie würde einer Beschleunigung durch eine sehr hohe Spannung

entsprechen. (…) Ich konnte mich schnell davon überzeugen, daß die Elektronen sehr bald in die Nähe der Lichtgeschwindigkeit kommen würden und daß dann die Formeln der klassischen Mechanik nicht mehr anwendbar sind.“18

Die Röhre musste also luftleer sein, und wenn in der Mitte ein Magnetfeld verlief, würde Strom generiert. Befänden sich dann in der Röhre Elektronen, würden diese von einer Kraft ähnlich wie der Elektronenstrom in der Sekundärwicklung beeinflusst. Er begriff, dass die Elektronen innerhalb kurzer Zeit in einer geraden Bahn verlaufen und folglich die Wand der Röhre treffen würden. Also musste er sie irgendwie dazu bringen, sich im Kreis zu bewegen. Er wusste genug über die Funktionsweise eines Magnetfeldes, um zu verstehen, dass er ein weiteres Magnetfeld hinzufügen musste, das die Elektronen dazu zwang, sich im Kreis zu bewegen. In dem Fall aber würden sich die Elektronen immer schneller bewegen. Das bedeutete: Um sie in der Bahn zu halten, musste das Magnetfeld stärker sein und im Takt mit der Beschleunigung der Elektronen justiert werden. Das war die Idee hinter dem Strahlentransformator, der späterhin als Betatron bezeichnet wurde.

In der Glasbläserei half man ihm, die Röhre gemäß den eigenen Vorstellungen zu fertigen, in Form und Größe wie ein durchsichtiger Rettungsring oder ein flach gedrückter Donut. Diese Röhre schob er in den Transformator. Anschließend stand die Konstruktion der Magnetfelder an. Die Schwierigkeit bestand darin, alles im richtigen Verhältnis zueinander anzuordnen. Er berechnete die Stärke der Magnete, welche die sich in der Bahn bewegenden Elektronen stabilisieren sollten, und entwickelte eine Technik zur Messung des Verhältnisses zwischen Magnet- und Steuerungsfeld. Damit konnte er das Magnetfeld anpassen. Er erstellte eine Theorie darüber, wie die Magnetfelder untereinander skaliert sein müssen, damit die Elektronen sich im Kreis bewegen. Er stellte eine Gleichung für das Verhältnis zwischen den beiden Feldern auf, die später den Namen Widerøe-Relation oder Widerøe-Gleichung erhielt.

Dann konnte er sich dem Test der Maschine widmen. Es ist noch immer das Jahr 1926. Werden die Elektronen, der Theorie entsprechend, in einer Kreisbahn verlaufen? Sie tun es nicht. Das heißt, sie verlaufen rund in einer Bahn, anderthalb Mal. Danach verweigern die Elektronen den Gehorsam. Er versucht das Magnetfeld zu justieren. Aber was auch immer er tut oder nicht tut, er bekommt den Beschleuniger nicht zum Laufen. Letztendlich muss er Professor Rogowski gegenüber die Niederlage eingestehen. Der ergebnisorientierte Professor sagt ganz deutlich, dass man für einen nicht funktionierenden Apparat keinen Doktortitel erhalten könne. Die Idee war gut, aber es war ihm nicht gelungen, sie in der Praxis umzusetzen. Der kreisförmige Strahlentransformator – der Traum seiner Jugend – funktionierte nicht.

Hartnäckig trotz Fehlversuchen

Was nun? Der junge Rolf ist ein weitsichtiger Stratege, gibt nicht auf. Pragmatisch lässt er die Idee von einem Kreis fallen. Der vielversprechende, zuweilen sture Doktorand sucht in der Bibliothek nach einem ihm bereits bekannten Artikel des Schweden Gustav Ising. Der hatte nämlich zwei Jahre zuvor eine alternative Methode zur Beschleunigung geladener Teilchen vorgeschlagen, selbst jedoch keine Maschine gebaut. Vielleicht lohnte es sich, seine Methode näher zu untersuchen? Sie beruhte auf sogenannter multipler Beschleunigung, also nacheinander wiederholten Beschleunigungen. Ein Teilchen erhält einen Stoß, bewegt sich zu einem Punkt, wo es erneut einen Stoß bekommt, dann zu einem zweiten und so weiter. Mit jedem Stoß erhöht sich die Geschwindigkeit. Rolf studiert das Prinzip und fabuliert weiter. Wie gelingt es, diese Stöße an der exakt richtigen Stelle auszuführen, um das gewünschte Ziel zu erreichen? Anschließend nimmt er sich nacheinander all die anderen Fragen vor.

Rolf konzentriert sich auf die geradlinige Bahn und es gelingt ihm, dass diese wie geplant funktioniert. Er hat den weltweit ersten Linearbeschleuniger gebaut. Damit war die Grundlage für die abenteuerliche Weiterentwicklung und Konstruktion von Beschleunigern im 20. Jahrhundert geschaffen. Zum Einsatz in der Krebsbehandlung, Materialtestung sowie der weiteren Erforschung von Atomen. Dem Schweden, der ihn auf die richtige Fährte gelenkt hatte, war er ein Leben lang dankbar.19

Jetzt beendet Rolf seine Doktorarbeit und gibt ihr den Titel „Über ein neues Prinzip zur Herstellung hoher Spannungen“. Im ersten Teil erklärt er den Linearbeschleuniger, von dem er ein funktionierendes Modell gebaut hat. Detailliert beschreibt er die von ihm angewendeten Prinzipien, die Mathematik dahinter sowie die Funktionsweise des Apparates. Im zweiten Teil geht er auf das ein, was ihm nicht gelungen, was jedoch der eigentliche Leitgedanke ist: der kreisförmige Beschleuniger, für den er sich eine Lösung ausgedacht hat, den funktionsfähig zu konstruieren ihm aber nicht gelungen ist. Noch immer ist er der Ansicht, die Theorie sei richtig. So leicht gebe ich nicht auf, meine Herren Professoren! Ausführlich berichtet er von der Theorie und dem Versuch, eine solche Maschine zu bauen. Teil der Abhandlung ist auch das, was später zur Widerøe-Gleichung wurde, das sogenannte 2: 1-Verhältnis zwischen den magnetischen Beschleunigungs- und Steuerfeldern. Durchaus mürrisch kommt er jedoch zu dem Schluss, dass die kreisförmige Lösung nicht funktioniert. Aber ob runde oder gerade Bahn: Die Abhandlung beschrieb etwas in der Physik vollkommen Neues.

Dieses Mal – am 28. November 1927 – erhält er seinen Doktortitel und wird Dr.-Ing., der erste mehrerer Doktortitel. Im Jahr darauf wird die Arbeit in der Zeitschrift Archiv für Elektrotechnik publiziert. Dann aber geschieht das Unfassbare: Der Beifall bleibt aus. Es war schon schlimm, dass Professor Rogowski, der anfänglich so sehr an ihn geglaubt hatte, für das Ergebnis nur wenig Interesse zeigte. „Ich glaube, er hat sich meinen Linearbeschleuniger nicht einmal richtig angesehen.“ Schlimmer aber war das falsche „Timing“. Experimentelle Kernphysik war kein etabliertes Forschungsfeld und die Technologie noch nicht so weit, um es mit seinen Herausforderungen aufnehmen zu können. Er war zu früh dran (Abb. 1.3).

Abb. 1.3
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(Foto © Knut Bjerkan)

Ein exakter Nachbau des ersten Hochfrequenz-Linearbeschleunigers, wie er 1927 von Rolf Widerøe in Aachen erfolgreich gebaut und betrieben wurde. Ausgestellt ist er im Eingangsbereich des Radiumhospitals in Oslo/Norwegen.

Angeworben

Die Industrie hingegen wollte ihn haben. Im März 1928 zog er nach Berlin, um als Ingenieur bei AEG zu arbeiten. Es hatte sich herumgesprochen, dass er geschickt war, und ihm lagen Stellenangebote sowohl aus Norwegen als auch aus Deutschland vor, wobei er sich für AEGs Transformatorenfabrik entschied. Somit führte sein Weg in die Industrie und nicht in die Forschung. AEG war im Elektrizitätsausbau, dem Bau von Kraftwerken, Hochspannungsleitungen und anderem tätig, worauf Rolf sich verstand. Seine Aufgabe bestand in der Herstellung von Relais, Schaltern, die elektrischen Strom zu bestimmten Kabeln leiten, ungefähr wie ein Spurwechsler bei Bahnschienen, und die bei einem auftretenden Fehler den Strom kappen, sofern dies erforderlich ist. Dabei handelte es sich um sogenannte Distanzrelais, die Kraftwerke gegen Stromausfall in Hochspannungsleitungen schützen sollten. Solche Ausfälle konnten viele Ursachen haben, unter anderem Bäume, die auf die Leitungen gefallen waren. Das Instrument sollte anzeigen, wo sich der Schaden befand und wie weit die Entfernung von der Beobachtungs- zur Bruchstelle war. Auch die Richtung hin zur Bruchstelle konnten die Relais anzeigen. In Sachen Relais war AEG Marktführer, allerdings gab es viele Schwierigkeiten damit, und Rolf erkannte schnell die Möglichkeit, neue Relais zu konstruieren.

Er mochte die Stadt und das anregende Fachmilieu, in das er mitten hineingeraten war. 1929 nahm er in Berlin an einer internationalen Konferenz teil, auf der Einstein und andere berühmte Physiker Vorträge über das neue große Thema Kernkraft hielten. Später wechselte er in die neu aufzubauende Relais-Abteilung von AEG.20 Dank seiner praktischen Veranlagung hatte er Sinn für die Herstellung von Dingen mit Nutzwert, jedoch faszinierte ihn auch das Finden neuer Lösungen. Das Ergebnis waren in knapp vier Jahren bei AEG 41 deutsche und zwei amerikanische Patente.

Er baute sein Kontaktnetz aus und arbeitete mit Spitzenkräften zusammen. Der Abteilungsleiter hatte zusammen mit einem Kollegen von Siemens, der damals in der Hochspannungstechnologie als Deutschlands Autorität galt, eine Art Distanzrelais entwickelt.21 In Berlin lernte Rolf auch einen anderen Physiker kennen, der mit dem Siemens-Experten zusammenarbeitete, Max Steenbeck, und zusammen meldeten sie ein Patent an. Später sollte er erneut auf diesen Mann treffen, dann jedoch unter weitaus dramatischeren Umständen. Rolf mochte seinen Chef bei AEG und stattete ihm viele Jahre später einen Besuch ab. Auch mit seinem Assistenten kam er gut aus.22 Der hatte eine neue Relais-Variante vorgeschlagen, die Rolf konstruieren sollte. Die beiden Gleichaltrigen freundeten sich an und hielten den Kontakt fortan aufrecht (Abb. 1.4).

Abb. 1.4
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(Foto © ABB Archiv)

Nachdem Rolf Widerøe promoviert hatte, arbeitete er vier Jahre bei AEG in Berlin.

In den Berliner Jahren machte er auch die Bekanntschaft mit dem Juden Leo Szilard, der gemeinsam mit Albert Einstein den berühmten Brief an Präsident Roosevelt formuliert hatte, in dem sie davor warnten, dass Nazi-Deutschland möglicherweise an einer Atombombe forsche – jener Brief, der gern als Auslöser für die Gegenmaßnahme der Amerikaner in Form des Manhattan-Projekts bezeichnet wird. Zu diesem Zeitpunkt hatte Rolf keine Ahnung davon, dass er einmal selbst Gegenstand der Untersuchung in Bezug auf dasselbe amerikanische Atombombenprojekt werden sollte. Bereits zu diesem Zeitpunkt stand Szilard in Kontakt mit Einstein. Die beiden arbeiteten zusammen an einem Kühlschrank und hatten gemeinsam ein Patent für Kühltechnik beantragt. Ein amüsanter Kerl, lautete Rolfs Charakteristik nach einem Café-Besuch mit Szilard:

„Ich erinnere mich, daß wir in einem Café saßen und er mir von einem seiner Hochspannungsprojekte erzählte. Er wollte mehrere Transformatoren aufeinander bauen. Die unteren sollten die oberen erregen, in einer Art Kaskadenschaltung. Szilard hatte viele gute, aber oft etwas vage Ideen. Es war lustig, mit ihm zusammen zu sein. Ein typischer Ungar.“23

Die Konkurrenz im Blick

Während der Zeit bei AEG konnte sich Rolf auf die Technologie konzentrieren und entging der administrativen Arbeit. Auch wenn er seine Ideen in Sachen Beschleuniger ruhen ließ, verfolgte er doch in gewisser Hinsicht das Tun der anderen. In der Welt tat sich etwas. Der Amerikaner Lawrence hatte Erfolg mit seinen Zyklotronen, während sein Freund Ernst Sommerfeld Rolf durch seinen Professorenvater auf dem Laufenden hielt, der nunmehr in den USA war. Auch in der Carnegie Institution in Washington wurden Maschinen entwickelt, die hohe Spannung erzeugen konnten, unter anderem von dem norwegischen Trio Breit, Tuve und Hafstad, das den Beinamen „die drei Musketiere“24 hatte; hinzu kam mit Odd Dahl ein weiterer Norweger, der sich ebenfalls eine Zeit lang dort aufhielt.

An der Princeton University in New Jersey arbeitete der Amerikaner Van de Graaff an einer anderen Beschleuniger-Variante. Seine Maschinen wurden weltweit kopiert und auch industriell produziert. Eine davon erwarb das Haukeland-Krankenhaus im norwegischen Bergen. In Großbritannien war es dem Team Cockcroft/Walton mittels eines sogenannten Kaskadengenerators gelungen, erstmals einen Atomkern mit künstlich beschleunigten Teilchen zu spalten. Wenig später bestätigte Lawrence mit seinem Zyklotron die Daten. Für ihre Entdeckung erhielten die drei den Nobelpreis.25

Rolf versuchte das Geschehen zu verfolgen. Schließlich war das seine Welt. Dann aber wollte er nach Hause, nach Norwegen. In Deutschland wurde es langsam unangenehm. Zuerst die Depression Anfang der 1930er Jahre. Die Arbeitslosigkeit stieg dramatisch an und ihm sowie den Mitarbeitern wurde der Lohn halbiert. Er war mittlerweile Chef der Abteilung und musste Leute entlassen; es ging ihm nahe, Menschen, auf die er gesetzt und mit denen er gearbeitet hatte, sagen zu müssen, dass sie nicht mehr erwünscht waren. Überhaupt erschien es ihm problematisch, Leute zu entlassen, wenn man jünger als sie und noch dazu Ausländer war. Allem voran aber missfiel ihm das sich anbahnende politische Regime. „Hitler drohte, die Macht zu übernehmen, und ich verließ Deutschland noch rechtzeitig, bevor es dann geschah.“. Er war überzeugt davon, dass es mit Hitler „nicht gut gehen würde“.26

Weihnachten 1932 kehrte er nach Oslo zurück. Noch bevor der Januar vorüber war, hatte man Hitler zum Reichskanzler ernannt, das Grundgesetz aufgehoben und durch eine Notverordnung ersetzt. Dem deutschen Volk wurden die Redefreiheit und die Rechtssicherheit entzogen. Wissenschaftler konnten nicht mehr frei und unabhängig forschen, und Angestellte im öffentlichen Dienst mussten offenbaren, ob es in ihren Familien Juden gab. Der Widerstandskämpfer und Konzentrationslagergefangene Kristian Ottosen fasste die neue Lage wie folgt zusammen:

„Laut Paragraf eins der Notverordnung waren nun Einschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechts zur freien Meinungsäußerung inklusive Pressefreiheit, Vereins- und Versammlungsrecht erlaubt. Den Machthabern war es gestattet, Briefe, Post, Telegramme und Telefongespräche zu zensieren. Es war erlaubt, Haus- und Wohnungsdurchsuchungen vorzunehmen und Personen zu verhaften, die unter Verdacht standen, entgegen einem der Paragrafen der Verordnung vom 28. Februar gehandelt zu haben oder dies zu beabsichtigen. Mit dieser Verordnung als Rechtsgrundlage ließ Hitler alle seine politischen Gegner, darunter weite Teile der Opposition im Reichstag, verhaften. Das Gleiche galt für herausragende Mitglieder des deutschen Beamtentums, zentrale Personen der deutschen Gewerkschaftsbewegung und religiöse Anführer. All diese wurden jetzt als eine Bedrohung der deutschen Nation abgestempelt.“27

Flugmesse und Flugshow

Im Herbst zuvor hatte ihn sein Bruder Viggo zusammen mit einem Freund in Berlin besucht. Anlass war die Internationale Flugmesse im Oktober, wo alle, die in der Luftfahrt Rang und Namen hatten, versammelt waren. Deutschland war das Technik-Eldorado schlechthin, und in der Ausstellung konnten sie sich in aerodynamische Details, blankes Metall und neue Rekorde vertiefen. Es war fünf Jahre her, seit Lindbergh über den Atlantik geflogen war, und eine kleine Ewigkeit seit dem ersten Flug der Brüder Wright. Obwohl in der Welt des Fliegens noch der Propellerantrieb regierte, standen Veränderungen an. Künftig sollten die Menschen die Luft so beherrschen, wie sie bereits Land und Meer beherrschten. Eine neue Ära hatte begonnen. Voller Visionen kehrte Viggo nach Hause zurück. Als er später in deutscher Gefangenschaft die Erlebnisse auf Toilettenpapier und andere versteckte Unterlagen niederschrieb, beschwor er in feierlichen Worten die Eindrücke aus diesen „glücklichen Tagen“ herauf:

„Die Ausstellung wurde für uns zu einem Tempel. Was wir verwirklicht sahen, stärkte nicht nur unseren Glauben an das Fliegen. Es gab Gewissheit. Und zwischen den Reihen von Segelflugzeugen, Sportflugzeugen und Linienflugzeugen nahmen große Pläne Form an. Unser Land sollte eine Großmacht in der Luft werden, wie unsere Vorfahren es zu einer Großmacht auf dem Meer gemacht hatten. Und wie unsere Flagge über die Meere getragen wurde, sollte sie durch die Luft in ferne Länder getragen werden.

Der Himmel über unserem Traumland des Fliegens hing hoch. Vor uns sahen wir eine große, in Sonnenschein getauchte Ebene – wir hatten Ekeberg ausgebaut. Hier platzierten wir alles, Hangar, Werkstätten, Fabriken. Reihen von Linienflugzeugen und Schulflugzeugen standen dort. Auch Segelflugzeuge hatten wir dort draußen auf der grünen Ebene aufgestellt, andere segelten unterm Himmel. Hierher kamen die Flugzeuge von ihren Reisen, von hier aus brachen sie zu neuen auf. Und darunter lag das Oslo-Tal im Sommerdunst, davor glitzerte der Fjord.

Auch Sjursøya hatten wir ausgebaut. Dort landeten große Flugboote, von dort aus zogen sie auf den Fjord hinaus und schwangen sich in die Lüfte.

Ach, die glücklichen Tage am Kaiserdamm, als unser Geist noch vertrauensvoll und unsere Träume hemmungslos waren.“28

Ja, hier sollte eine Fluggesellschaft entstehen. Die Norweger sollten hinsichtlich der „Flugsache“, wie sie es ausdrückten, über die Möglichkeiten der Luftfahrt aufgeklärt werden. Modellflugzeuge, Segelflugzeuge, Sportflugzeuge, Taxiflugzeuge, Postflugzeuge, Linienflugzeuge, nicht zu vergessen Marketing und Lobbyarbeit – alles sollten sie meistern, alles sollten sie hinbekommen. Passt nur auf! Hier kommen wir! Wie ein Echo des großen Bruders.

Über Weihnachten trafen sich Viggo, Arild und drei weitere flugverrückte junge Männer in einer Wohnung in der Schultzgate in Oslo.29 Voller Begeisterung sammelten sie Ideen, Mut, Abenteuerlust und Flugmaschinen. Die Strategie bestand darin, landesweit Vorträge zu halten und Flugzeugtreffen zu veranstalten. Um Einnahmen zu generieren, sollte diese PR-Tätigkeit mit Passagiertransporten kombiniert werden. Das Startkapital und weitere Flugzeuge mussten herbeigeschafft werden, aber das würden sie schon hinbekommen.

Die erste Flugschau sollte in Sundvollen beim Steinsfjord in Ringerike stattfinden. Am 12. März 1933 um 13 Uhr.30 Den dramatischen Start der Veranstaltung hat Viggo detailliert beschrieben:

„Als wir am Sonntagmorgen auf dem Norderhov Pfarrhof die Gardinen aufzogen, herrschte dichtes Schneetreiben. Die Stimmung am Frühstückstisch war gedrückt, es lag Fiasko in der Luft. Die Tatsache, dass die Motorflugzeuge am Bogstadvannet in Oslo standen, war nicht dazu geeignet, die Stimmung aufzuheitern. Wie sollten sie bei diesem Wetter über die Nordmarka kommen?“

Die Piloten, die in Oslo starten sollten, waren genauso verzweifelt:

„(…) als sie sich dem Bereich näherten, wo die Vorführung stattfinden sollte, glaubten die Piloten immer weniger daran, dass es überhaupt möglich sei zu fliegen. Das Einzige, was die weiße Schneefläche durchbrach, war das Auto, das das Gleitflugzeug hochziehen sollte. Es steckte in einem halben Meter Neuschnee fest. Optimistisch machten sich alle daran, eine Startbahn auszustampfen, das Auto auszugraben und die Leute zu ermuntern, nicht nach Hause zu gehen. Die Flugschau sollte stattfinden, sagten sie: 'Das Flugzeug ist wie geplant unterwegs'. Fünf vor eins hörten sie Flugzeugdröhnen. (…) Sie waren das Sørkedal hinaufgekommen, in der Nordmarka von See zu See 'gesprungen', ohne nach Ringerike zu gelangen, wo das Wetter überall wie eine Wand stand. Schließlich hatten sie die Norestrøm-Leitung gefunden und waren ihr bis zum Steinsfjord gefolgt.

Eine Flugschau gab es, mit Trudeln aus 350 Meter Höhe, Flugrollen und Über-Kopf-Flügen, Turns, Formationsfliegen, Gleitfliegen und Ballonkampf, wobei die Piloten darum konkurrierten, mit dem Propeller die meisten Ballons aufzuspießen. Das Publikum war außer sich, und die allererste Flugschau wurde – dem Wetter zum Trotz – ein Erfolg.“31

Die zweite Flugschau veranstalteten sie am darauffolgenden Sonntag in Åkersvika bei Hamar. Unter der Woche kamen Schulklassen, erfuhren etwas über Flugzeuge und das Fliegen, dann gab es einen Probeflug und schließlich galt es, einen Aufsatz über das Ereignis zu schreiben. Auch die Lokalpresse wurde einbezogen. Im Laufe des Winters wurde in einer Stadt nach der anderen für die „Flugsache“ geworben, und wie Viggo sich während des Krieges in seiner Zelle erinnerte, herrschte nach dem ersten unglückseligen Schneetreiben in Sundvollen strahlender Sonnenschein und Riesenstimmung.

Das weltbeste Relais

In etwas aufzugehen, zu träumen, zu planen, sich zu engagieren, Schwierigkeiten zu überwinden – das lag in den Genen. Auch Rolf interessierte sich für Flugzeuge, hatte jedoch mehr als genug mit seiner eigenen Idee zu tun, die er aus Deutschland mitgebracht hatte: Seine Relais sollten noch besser werden. Wie, das hatte er während seiner Zeit bei AEG geplant. Die dort produzierten Distanzrelais gehörten zu den besten, die es damals gab, jedoch waren sie nicht sehr genau und auch nicht sonderlich empfindlich, obwohl Rolf sie bereits weiterentwickelt hatte. Das Relais, das er sich nunmehr ausgedacht hatte, war schneller und genauer, sicherer im Betrieb und leicht im Gebrauch. Bei seiner Heimkehr war er gut über die Stromversorgung in Norwegen informiert und wusste, dass die vielen kleinen Kraftwerke, die zu diesem Zeitpunkt zum sogenannten Verbund Samkjøringen – dem Vorläufer von Statnett – gehörten, exakt solche Distanzrelais brauchten. Sie mussten einfach und robust sein, da viele Elektrizitätswerke ungelernte Arbeitskräfte beschäftigten, was den Einsatz komplizierter Präzisionstechnologie ausschloss. Die Aufgabe war klar: Er sollte für norwegische Kraftwerke das weltbeste Relais herstellen.

Einige Monate vor seiner Rückkehr hatte er einen Artikel an die Elektroteknisk Tidsskrift in Oslo geschickt. Auf fast 15 Seiten beschrieb er die aktuelle Lage der Stromindustrie sowie die enormen Möglichkeiten eines Gemeinschaftsnetzes – was für viele eine ungewohnte und zugleich interessante Vorstellung war. Zu Wort kam dabei sowohl der Ingenieur als auch der PR-Mann – ähnlich wie die Brüder, die jeden von der Vortrefflichkeit des Flugzeugs überzeugen wollten. In dem Artikel zog Rolf die großen Verbindungslinien, und obwohl er sich an Personen aus der Branche wandte, hatte er die Verbraucher im Kopf:

„In der Anfangszeit der elektrischen Energieübertragung war es verhältnismäßig einfach, Leitungen und Maschinen gegen Kurzschluss und Überschlag zu schützen. Im Allgemeinen waren die Kraftwerke direkt mit den größeren Verbrauchern verbunden, Verbindungsleitungen zwischen verschiedenen Kraftwerken und Verbrauchern untereinander gab es nicht, ja, selbst der Gedanke an ein gemeinsames Stromverteilungsnetz, bei dem x Kraftwerke Energie zuführen und y Verbraucher Energie abnehmen, waren damals fremd. Die Leitungen wurden durch ein reines Überstromprinzip geschützt; überstieg die Stromstärke in einer Leitung einen bestimmten Maximalwert, wurde die Leitung abgeschaltet und die Verbraucher hatten keinen Strom. Es ist das gleiche Prinzip, das noch immer für Sicherungen in Hausinstallationen verwendet wird.“32

Nun aber hatte man begonnen, die komplette Elektrizitätsversorgung für größere Landesteile in einem Gemeinschaftsnetz zu verbinden. Das war für alle Parteien von Vorteil:

„Für die Verbraucher ist das günstig. Ihnen kann nunmehr über mehrere Leitungen Energie zugeführt werden, sodass sie nicht ohne Strom sind, sollte eine dieser Leitungen kaputtgehen. Auch für die verschiedenen Kraftwerke bietet dieser Gemeinschaftsbetrieb große Vorteile. Zum einen wirken alle Kraftwerke füreinander wie gegenseitige Reserven, und zum anderen können Kraftwerke mit unregelmäßiger Wassermenge alle die Ausgleichsmöglichkeiten ausnutzen, über die das vereinte Energienetz verfügt.“

Aber dann waren da die Nachteile. Die Gesamtgeneratorenleistung konnte sehr hoch werden. Wenn dem Netz aus allen Kraftwerken Energie zugeführt wurde, konnte der Druck auf den Schalter im Fall eines Kurzschlusses groß werden. Das habe man nun weitestgehend gelöst, schrieb Rolf. Neben dem Stromausgleich gab es eine andere Schwierigkeit, nämlich dass ein Fehler an einer Leitung Auswirkungen auf das gesamte Netz hatte. Kam es an einer Stelle zu einem Kurzschluss, würden alle Zuführungsleitungen abgeschaltet, sodass alle Verbraucher ohne Strom seien. Das Ergebnis lautete: Je mehr das Stromnetz erweitert würde, desto häufiger würde es zu Fehlern kommen und desto häufiger seien die Verbraucher ohne Strom. Deshalb, so schrieb er, müsse man an alle Relaissysteme zwei Anforderungen stellen: Die kurzgeschlossene Leitung müsse unabhängig von den anderen abgeschaltet werden können, sodass nur diese und die am nächsten gelegenen Schalter abgeschaltet würden. Zum anderen müsse die Stromabschaltung so kurz wie möglich sein.

Anschließend beschrieb er nacheinander die unterschiedlichen Relais-Typen. Das war Populärwissenschaft und Pädagogik in einem, nüchtern und ohne affektiertes Gehabe. Er gefiel sich in der Rolle des Aufklärers und verfügte über ein althergebrachtes Gespür dafür, was erforderlich war, damit seine Botschaft ankam. Seinen direkten Stil behielt er ein Leben lang bei, und vor allem wenn er Vorträge hielt und Publikum hatte, setzte er auf seinen Enthusiasmus.

Auf und los

Zurück in Norwegen entschied er sich für „N. Jacobsens Elektriske Verksted“ in Oslo als Arbeitsort. Jacobsen stellte Kristallapparate her und machte sich als Produzent des Radiogeräts für den 1933 gegründeten Norwegischen Rundfunk, NRK, einen Namen. Rolf kontaktierte den Direktor und überzeugte ihn davon, dass seine Relais für norwegische Verhältnisse die richtigen seien und dass sie bei Jacobsen produziert werden müssten. Er handelte einen Monatslohn von 500 Kronen aus, was er für sehr gut erachtete, und fing am 1. April 1933 an, wenige Wochen nach der Flugschau seiner Brüder in Sundvollen.

Rolf widmete sich umgehend der Konstruktion, wobei sich der Bau des Relais als kostengünstig erwies, und das Ergebnis war gut. Er entwickelte ein Instrument ohne empfindliche Feinmechanik, aber mit verbesserter Genauigkeit. Es reagierte schnell, bis zu 1/25 Sekunde. Das war wichtig, ansonsten würden die Generatoren in den Kraftwerken aus dem Takt geraten und das gesamte System aus miteinander verbundenen Kraftwerken könnte versagen. Im Herbst 1933 war das neue Relais fertig, woraufhin Rolf mit seinem Ford A zu einer kombinierten Urlaubs- und Verkaufsreise nach England, Spanien, Italien und Deutschland aufbrach. Oft schlief er im Auto. In England besuchte er einen Kameraden, Torvald Torgersen, der ihn auf der weiteren Reise begleitete, die jedoch dramatisch werden sollte. Der Freund bekam Typhus und Rolf Paratyphus, jedoch kamen sie beide ganzbeinig wieder nach Hause. Später kaufte Torgersen ein Wochenendhaus am Oslofjord, gleich neben dem der Widerøes. Und ob es nun den Salmonellen oder etwas anderem geschuldet war, Rolf kam auf jeden Fall zu dem Schluss, dass Handelsreisender nicht sein Metier war.

Im März unternahm er an einer Stromleitung im Vestfold die ersten Tests. Neue Artikel wurden an die Elektronik-Zeitschrift geschickt. Erneut begründete er den Bedarf an neuen und besseren Relais – und machte ohne Umschweife für das von ihm und Jacobsen neu entwickelte Instrument Werbung:

„Man fand jedoch, dass nicht alle existierenden Distanzrelais für norwegische Gegebenheiten zweckmäßig waren. Die Relais waren zu empfindlich, sie erforderten viel Wartung und waren allem voran sehr kostspielig. (…) Durch das von N. Jacobsens Elektriske Verksted A/S auf den Markt gebrachte norwegische Distanzrelais, das in erster Linie konstruiert wurde, um die 1932 auf der Relais-Konferenz gestellten Forderungen zu erfüllen, ist die 'Relais-Situation' dieser Tage in eine ganz neue Phase eingetreten. Das Relais wird nach einer ganz neuen norwegischen Erfindung (norwegische Patentanmeldung Nr. 52417 R. Widerøe) gebaut, und N. Jacobsens Elektriske Verksted A/S wird hierzulande die erste Relais-Fabrik.“33

Die Brüder heben ab

Während Rolf durch Europa gereist und Werbung für Relais gemacht hatte, waren Viggo und Arild weiter mit ihrem PR-Stunt für den Flugsport beschäftigt. Sie wollten die Leute begeistern. Als an einem Sonntag 6000 Menschen in Ingierstrand badeten, veranstalteten sie dort eine Flugvorführung. Als sich im Winter ganze Familien auf dem Bogstadvannet zum Schlittschuhlaufen versammelten, waren sie mit Ballons und Appellen vor Ort. Und damit sollte ihr Abenteuerdrang noch nicht enden. Sie beschlossen nach Afrika zu fliegen und lasen alles, was sie in die Finger bekamen, sammelten Karten und holten Informationen über die Landeverhältnisse unterwegs ein, schließlich war es eine lange Reise, die genau geplant werden musste. Dann aber reichte das Geld nicht aus, und auch ein Filmmanuskript musste zu den Akten gelegt werden. Ein anderer, ziemlich kühner Plan war es, die Erde mit einer Lockheed zu umrunden. Allerdings beherrschten sie sich und konzentrierten sich stattdessen darauf, Flugzeuge zu beschaffen, die für reguläre Aufträge in Norwegen eingesetzt werden konnten.

Sie nahmen, was aufzutreiben war: einige ausrangierte Flugzeuge der Marine, ein Segelflugzeug vom Aeroklubben, zudem hatte einer der befreundeten Piloten bereits sein eigenes Flugzeug – eine Gipsy Moth, die ihren Dienst tat, bis sie Ostern im Gebirge havarierte. Wollten sie jedoch professionell und kommerziell tätig werden, brauchten sie auch ein ordentliches Flugzeug. Daher reiste Viggo im Dezember in die USA, wo er ein fünfsitziges Waco-Wasserflugzeug kaufte. Wie er es jedoch nach Hause bringen sollte, war ihm ein Rätsel. Die Ausgaben für Verpackung, diverses Umladen und den Seetransport nach Norwegen waren zu hoch. Die Lösung bestand darin, damit zuerst nach New York zu fliegen – ein gewagtes Unterfangen, aber es sollte gelingen, und anschließend hatte er immer eine gute Geschichte parat:

„Das Wetter war elendig, mit einer Wolkenhöhe von 100 Meter und Nebelregen mit Eisbildung. Das war ein spannender Flug entlang der Wolkenkratzer, die aus dem Nebel herausragten, über Brücken und Parks. Glücklicherweise hatte ich jemanden an Bord, der sich auskannte. Er zählte die Straßen, und jedes Mal, wenn ein bekannter Wolkenkratzer auftauchte, nickte er zustimmend. Bei der Landung hatten wir fast ein Zoll Eis an der Vorderkante von Flügeln und Ruder, zudem vibrierte wegen eisbedeckter Propeller der Motor bedenklich.“34

Nach erfolgreicher Landung wurde das Flugzeug auf einen Schleppkahn bugsiert und auf das Schiff „Europa“ verbracht, welches es über den Atlantik nach Bremen brachte, von wo aus der Flug nach Norwegen anstand. Auch diese Tour sollte nicht ohne Dramatik verlaufen. Viggo beschaffte sich die Genehmigung, direkt vom Kai zu starten, und flog in dichtem Schneetreiben an der Eisenbahntrasse entlang nach Hamburg, wo die Verwicklungen ernsthaft wurden. Denn der Zoll hatte die Ersatzteile umplatziert, was die Einstellung des Kompasses beeinflusste:

„Vier Stunden flog ich nach Instrumenten in und über der Wolkendecke, aber das angekündigte heitere Wetter ließ sich nicht blicken. Ich hatte nur für eine halbe Stunde Treibstoff, und um mich zu orientieren, musste ich es riskieren, die Wolkendecke zu durchdringen. In 50 Meter Höhe kam ich raus, unter mir hatte ich eine Eisenbahntrasse, der ich folgte. Mein Erstaunen war groß, als ich eine deutsche Flagge sah und später, als ich an einem Bahnhof vorbeikam und einen deutschen Namen las. Meiner Anzeige zufolge hätte ich nämlich in der Nähe von Göteborg sein sollen. Nach einer Notlandung zeigte sich, dass ich bei Stolp an der Grenze zu Polen war.“

Das Flugzeug war da. Die Fluggesellschaft konnte gegründet werden. Und jetzt geht es Schlag auf Schlag. Viggo ist 29, Arild 24 Jahre alt. Warum zögern? Am 13. Januar 1934 findet die konstituierende Generalversammlung statt. Alle drei Brüder – Rolf, Viggo und Arild – sind anwesend, ebenso Vater Theodor sowie einige seiner Freunde. Theodor mit Vollmachten von Mutter Carla und Onkel Sofus. Viggo mit drei weiteren Vollmachten. Vater Theodor, der das Projekt seit Langem sponsert, führt Protokoll. Die Fluggesellschaft Widerøe ist gegründet. Heute, mehr als 80 Jahre danach, ist sie eine der ältesten noch in Betrieb befindlichen Fluggesellschaften der Welt.

Jetzt ist es Ernst. Viggo wird Geschäftsführer. Aus dem bescheidenen Grund, weil er der Einzige ist, der ein Telefon hat; deshalb bekommt das Unternehmen auch seinen Namen. In Wirklichkeit wissen alle, wer die Macht hat, weshalb die Entscheidung kaum schwerfiel. Im Laufe des Jahres kommen weitere Flugzeuge hinzu.35 Die Vorführungen finden weiterhin statt. Es gibt Krankentransporte und andere Aufträge. Und nicht nur die Flugzeuge, auch die Piloten haben ihre Bewunderer. Zu denen gehört die Tochter des Hoteldirektors, Solveig Schrøder, die Ostern 1934 im Rahmen einer Taxitour zum Ustaoset Hotel an Bord geht. Im Jahr darauf wird sie Viggos Ehefrau.

Auf Brautschau

Neben der Vorstellung, das weltbeste Relais noch besser zu machen, kehrte Rolf auch mit der Idee nach Norwegen zurück, eine Ehefrau für sich zu finden. Und das gelang ihm. Er überließ nichts dem Zufall und machte sich zielgerichtet ans Werk. Er meldete sich zu einem Kurs in Fräulein Fearnleys Tanzschule an, um, eigenen Aussagen zufolge, die neuesten Tänze zu erlernen. Tanzen konnte er, jetzt aber waren Quickstepp, Slowfox und Tango angesagt. Und das Glück stand dem Kecken bei. In der Tanzschule lernte er Ragnhild Christiansen kennen. Sie wohnte in Ullern, nur unweit von seinem Elternhaus entfernt. Am 14. November 1934 fand die Hochzeit statt.36

Auch Ragnhild stammte aus einer großen Familie mit vier Schwestern und einem Bruder, wobei sie das älteste Kind war. Ragnhilds Vater, Alex Christiansen, wurde im Krieg zum Nazi. Es wurde nicht viel darüber gesprochen, jedoch so viel, dass Rolfs und Ragnhilds jüngster Sohn, der 1941 geborene kleine Rolf, nach und nach begriff, dass es mit diesem Großvater etwas Besonderes auf sich hatte. Er war Geschäftsmann und wohlhabend, irgendetwas aber lief schief, und anschließend versuchte er inständig sich zu verteidigen. Für die Familie war seine Verbindung zum Nationalsozialismus problematisch. In den Dreißigerjahren aber war das Familienleben der Widerøes im Borgenveien und der Christiansens im Ullernveien noch von Hochzeiten und Kindertaufen geprägt.

Die Fischer stellten die Uhr nach ihnen

Die Fluggesellschaft der Familie Widerøe war vor dem Krieg gut in Gang gekommen. Die grüne Waco war entscheidend – die Farbe freilich ein Zufall, da das Flugzeug so von der Fabrik geliefert worden war. Viggo hatte von einem „Silbervogel“ mit roten Buchstaben geträumt. Jedoch blieb weder Zeit noch Geld, um auf die richtige Farbe zu warten, und man musste nehmen, was zu bekommen war. Am 15. Juni 1934 erhielt das Unternehmen die Konzession für die Route Oslo-Kristiansand-Stavanger-Haugesund. Drei Tage später glitt die Waco um 7:50 Uhr mit Viggo an den Hebeln im Wasserflugzeughafen bei Ingierstrand aus der Helling. Die Maschine hob ab und nahm Kurs auf Kristiansand. Voll beladen mit Passagieren, Waren und Post. In Norwegen hatte die Zeit des Flugverkehrs begonnen. Der Alltag war allerdings wenig glamourös:

„Für die Piloten waren es lange Tage. Die Tour nach Haugesund dauerte für gewöhnlich fünf Stunden und zehn Minuten. Um 19:30 Uhr waren wir zurück in Ingierstrand, da waren wir aber auch in Vannsjø bei Moss gewesen, um Post für den Auslandszug abzuliefern. Dann arbeiteten die Mechaniker die ganze Nacht an den Flugzeugen, damit am nächsten Morgen alles für den Start bereit war. Wir waren zu 100 Prozent pünktlich. Die Fischer stellten ihre Uhren nach uns.“37

Die aufgezwungene grüne Farbe wurde zu einem Teil der Identität. Selbiges galt auch für die Kurzbahn-Flughäfen. Die Leute im Vestlandet und in Nordnorwegen lernten nach und nach Wörter wie Twin Otter, Dash 7 und Dash 8. Man sagte, die Kleinflugzeuge der Fluggesellschaft Widerøe vereinten das an der Küste liegende Norwegen. In den Bezirken erlangten sie einen eigenen Status, wurden zu bezirkseigenen Flugzeugen.

Viggos Markenzeichen war es, langfristig zu denken. Er war der Typ, der niemals aufgab. So wird der Gründer von einem seiner Nachfolger charakterisiert.38 Die Worte hätten ebenso gut über seinen Bruder Rolf geäußert werden können. Für beide war das Leben eine Mischung aus Visionen und harter Arbeit. Die Träume waren bei beiden gleichermaßen übermütig. Für den einen bestand der Alltag aus dem Transport von Post und Personen, rauf in den Norden und runter in den Süden, bei jedem Wetter, dem Kampf darum, Geld in die Kasse zu bekommen, und 100 % Pünktlichkeit. Für den anderen bestimmten Formeln, Versuche, Berg- und Talfahrten, Verkauf und Genauigkeit das tägliche Geschehen. Jahrein, jahraus. Der Erfolg war erst weit hinten am Horizont in Sicht.

Die Möglichkeit ergreifen

Zwischendurch gab es Sternstunden. Der Abenteurer und der verantwortungsbewusste Geschäftsmann Viggo gingen Seite an Seite. Es galt, die Möglichkeiten zu ergreifen, wenn sie sich boten, zum Beispiel in Form eines Auftrags im Nordpolarmeer, als ihn der Reeder, Walfangunternehmer und Konsul Lars Christensen 1936 bei einer Expedition in die Antarktis dabeihaben wollte. Viggo erzählt:

„Er wollte eine Expedition in die Antarktis aussenden, um per Flugzeug die unbekannten Gebiete entlang der Küste des antarktischen Kontinents von 80 Grad im Osten bis 10 Grad im Westen zu erforschen. Von der Küstenlinie sollten Luftaufnahmen gemacht werden, und das Bildmaterial sollte zur Darstellung der fotografierten Gebiete auf Karten verwenden werden. (…) Was die Auswahl von Teilnehmern und Ausrüstung betraf, hatte ich freie Hand. Es wurde nur eine Bedingung gestellt: Alles sollte erstklassig sein.“39

Zwei Monate waren sie in der Antarktis, wohnten in einem Walfangboot, flogen übers Eis, wenn das Wetter es zuließ, und fotografierten eine Küstenlinie von 2000 km. Einmal wäre es fast schiefgegangen. Seine Tochter, die Pilotin Turi Widerøe, hat dies in nüchternen, aber unzweideutigen Worten beschrieben:

„Durch ein Missverständnis hatte der Mechaniker zu wenig Treibstoff aufgefüllt. Nachdem sie 450 Kilometer über das Inland geflogen waren, begann das Fotografieren. Nach etwa vier Stunden stellte der Pilot fest, dass kaum noch Treibstoff in den Tanks war. Die Kamera wurde ausgeschaltet und mit direktem Kurs ging es zum Walfangboot, wo die Leute an Bord darauf vorbereitet wurden, dass sie möglicherweise eine Notlandung vornehmen müssten. (…) Während sie in der Luft waren, hatten sich die Eisverhältnisse verschlechtert (…) Der Landeplatz war nicht größer als zwei Schiffslängen, als sie zur Landung ansetzten. Den Piloten gelang es, das Flugzeug runter zu bringen. Augenblicklich wurde es an Bord gehievt. Bevor sie in der Lage waren, ihre Pilotenkleidung auszuziehen, war es rundherum von Eis umgeben.“40

Die Frischvermählten, Rolf und Ragnhild, hatten zu dieser Zeit weitaus weniger exotische Reiseziele, schafften es jedoch, selbst für Dramatik zu sorgen. In ihrer Freizeit fuhren die beiden durchs Land und verkauften Relais an norwegische Kraftwerke. Innerhalb eines Jahres hatte Rolf 30 seiner Distanzrelais installiert. Im Sommer 1935 arbeitete Ragnhild mitunter zusammen mit ihm in Jacobsens Werkstatt. Einer wahren Geschichte zufolge, die er selbst mehreren Personen erzählt hat, waren sie eines späten Abends dort und Rolf voll und ganz in seine Berechnungen vertieft. Ragnhild hatte ihren Arbeitsplatz im Nebenraum. Da öffnete Rolf die Tür, steckte seinen Kopf heraus und sagte: „Sie können jetzt nach Hause gehen, Fräulein Christiansen.“ In der Eile hatte er vergessen, dass sie verheiratet waren – acht Monate nach der Hochzeit. Ragnhild vergaß diese Geschichte nie, so der Ehemann.

Angeworben, die zweite

Für Jacobsens Werkstatt war Rolf ein guter Fang. Ein zu guter, wie sich herausstellen sollte. Als der Firmenverbund sechs Unternehmen einlud, Vorschläge für einen Netzwerkplan mit den neuen Relais zu machen, gehörte dazu neben Siemens, AEG, Brown Boveri, Compagnie des Compteurs und Westinghouse auch die kleine Werkstatt von Jacobsen. Man könnte fast sagen: Selbstverständlich gewann Rolfs Arbeitgeber. Überlegen. Sein lakonischer Kommentar dazu lautete: „Meine Relais waren schneller, genauer, robuster und noch dazu preiswerter als die aller Konkurrenten.“

Indem er Jacobsens Werkstatt den Sieg sicherte, hatte er auch sich selbst ins Schaufenster gestellt. Das amerikanische Unternehmen Westinghouse wollte diesen Mann haben, der sich nahezu allein gegen europäische Giganten durchgesetzt hatte. Anfang 1937 suchte ihn der Direktor der norwegischen Tochterfirma, National Industri Westinghouse, auf. Das Unternehmen hatte eine Transformatorenfabrik in Drammen und ein Büro in Oslo. Rolf wurde der Eindruck vermittelt, er solle den Chefposten übernehmen, sagte zu und begann im April bei National Industri. Die Stelle erwies sich jedoch als eine Enttäuschung und er blieb nur drei Jahre dort. Die Arbeit bestand im Großen und Ganzen darin, Ausrüstung zu reparieren, die andernorts hergestellt worden war. Mit anderen Worten: Service- und Wartungsarbeiten. Hinzu kam der Verkauf. Das gefiel ihm überhaupt nicht, woraus er später auch keinen Hehl machte: „Das war für mich keine glückliche Zeit“, sagte er viele Jahre danach in einem Interview. Während er bei Jakobsen arbeitete, hatte er acht Fachartikel publiziert, bei National Industri keinen einzigen. Es blieb bei einigen Vorträgen, darunter einem über Relais auf einer Ingenieurkonferenz in Kopenhagen. Frustriert sagte er darüber:

„Das war typisch. Ich lag bei National Industri wie auf Eis, wie tot. Ich hielt natürlich einige Vorträge über die Hochspannungsableiter, aber das war nichts Besonderes.“41

Allerdings war es nicht so schlimm, dass es nicht auch für etwas gut war. Zu Hause hatte er eine einjährige Tochter, für die nun mehr Zeit blieb, was in einer Vielzahl von Fotos festgehalten ist. In diesem Jahr erblickte sein erster Sohn das Licht der Welt; der Alltag war voller Fotomotive. „Arild im Wagen im Garten“, „Arild krabbelt“ und „Arild soll das Laufen lernen“. Es finden sich auch Aufnahmen der Mutter vom stolzen Vater mit Sohn auf der Wiese sowie Bilder des Vaters von der stolzen Mutter und „Hopsasa“ im Garten mit Arild auf den Schultern. Auf Unns Dreirad, Ski und Schlitten. Ein weiterer Sohn war unterwegs. Geburtstage mit den Nachbarskindern, Kinder im Sandkasten, Kinder auf Angeltour, Kinder in Booten. Kinder, Cousinen und Cousins, Tanten und Onkel sowie Großeltern, die beim Wochenenddomizil baden. Er ging mit seinen Schwestern zum Skilaufen, fuhr bei der Werkstatt der Brüder auf dem Bogstadvannet Schlittschuhe und feierte mit den Geschwistern seiner Frau Ostern im Ringebufjell.

Aber dann, am 1. August 1937, kommt es zur Familientragödie. Der ersten. Der, über die sie sprechen konnten. Arild kommt ums Leben. In diesem Sommer gerade 29 geworden. Arild, dem alle Möglichkeiten offenstanden. Das so heitere Leben. Er, der beim Fliegen mit der Sicherheit so penibel und genau war und „in der Luft der Vorsichtigste von uns allen“, wie Viggo in seinem Buch schreibt.42 Vielleicht, aber nur vielleicht, denn niemand weiß es, kam es dem großen Bruder Rolf seither in den Sinn, wenn er dort weitergemacht hätte, wo er angefangen hatte, und den fantastischen Beschleuniger gebaut hätte, der sich bisher nur in seiner Vorstellung fand und der, wie er erst später herausfand, unter anderem zur Materialtestung eingesetzt werden konnte, um mittels einer Art Durchleuchten Schwachstellen im Metall zu finden. Wenn. Wenn er das getan hätte. Dann hätte er den Ermüdungsbruch im Flügel vielleicht gefunden. Selbstverständlich handelt es sich dabei nur um Gedanken der Art, wie sie sich mitunter melden, wenn jemand ums Leben kommt. Das Flugzeug war neu, das Material hätte unter Belastung nicht brechen dürfen, es handelte sich um einen unentdeckten Fehler. Vielleicht kam ihm dieser Gedanke auch nicht. Hoffentlich. Geändert hätte es so oder so nichts. Keiner der fünf Toten würde wieder lebendig werden, wenn er sich Vorwürfe machte und im Nachhinein klugredete. Außerdem hätte weder die Flugzeugfabrik noch ihre Werkstatt in Bogstad eine solche Maschine gehabt, wenn sie denn existiert hätte. Selbstverständlich nicht. Warum aber hätte er nicht mit dem Gedanken spielen sollen? Weil es eine Ironie des Schicksals war.

Eine Frage, von der ich weiß, dass er sie sich auf seine alten Tage hin gestellt hat und die sich vermutlich auch andere gestellt haben, war, warum er nach Erlangen des Doktortitels die Arbeit mit den Beschleunigern nicht fortgesetzt hatte. Eine Handvoll großer Physiker, vor allem in den USA und England, forschten intensiv. Das Leben aber wird nach vorn gelebt, nicht rückwärts. Als er die Abhandlung 1927 beendet hatte, wusste er nicht, dass für die Weiterentwicklung seiner Idee einmal jemand den Nobelpreis erhalten sollte. Zu dem Zeitpunkt galt es vielmehr eine Stelle zu finden, zudem wollte er eine Familie gründen. Zum Experimentieren war keine Zeit.

Während er an seiner Doktorarbeit schrieb, hatte er nicht viel Kontakt zu anderen Institutionen, die an ähnlichen Dingen arbeiteten. Nicht mit Rutherfords Labor in Cambridge, nicht mit dem Radiumlabor in Berkeley. Er wusste schlicht und einfach nichts von anderen, die sich zeitgleich mit etwas Ähnlichem beschäftigten. Seither hatte er viel gehört und gelesen und somit verstanden, dass er sich mit einem der großen Themen der Zeit auseinandergesetzt hatte. Damals hatte er sich jedoch keine andere Verwendung des Teilchenbeschleunigers als zur Spaltung von Atomen vorstellen können, was seiner Meinung nach weit in der Zukunft lag. 20, 30 Jahre später war diese Sichtweise noch ausgeprägter, auch wenn es nicht ganz überzeugend wirkt:

„Die Möglichkeit, hochenergetische Elektronen zur Erzeugung von härteren, also penetranteren Röntgenstrahlen zu benutzen, interessierte mich wohl nicht besonders. Entsprechend dachte ich auch nicht

an den Einsatz von Röntgenstrahlen für Materialuntersuchungen oder in der Medizin. Und deshalb betrachtete ich meine Arbeiten in Aachen auch als abgeschlossen und interessierte mich einstweilen

für andere Aufgaben.“43

Ein Amerikaner nimmt den Faden auf

Erst mit der Erfindung des Zyklotrons durch den Amerikaner Ernest O. Lawrence führte Rolfs Doktorarbeit zu praktischen Konsequenzen. Lawrence, der norwegische Eltern hatte und eigentlich Larsen hieß, war in einer norwegischen Siedlung in North Dakota aufgewachsen und hatte das norwegische St. Olaf College in Minnesota besucht. Das Zyklotron war eine Weiterentwicklung von Rolfs Ideen, das heißt ein runder Teilchenbeschleuniger, der wiederum neuen gigantischen Atomzertrümmerern den Weg bahnte. In seiner Referenz auf Rolf war Lawrence stets genau. Er wusste, woher die Theorie stammte, und hatte den handgeschriebenen Zettel aufbewahrt, auf dem er sich Notizen über Widerøes Methode zur Beschleunigung elektrisch geladener Atomkerne gemacht hatte, als er einst auf selbige gestoßen war.

Die Geschichte von der Konferenz in Berkeley kurz nach seiner Anstellung erzählte er Rolf selbst. Aus Langeweile hatte er den Konferenzsaal verlassen und war stattdessen in die Bibliothek gegangen. Dort hatte er sich mehr oder weniger zufällig die Ausgabe der Zeitschrift Archiv für Elektrotechnik vorgenommen, in der ein Artikel über Rolfs Doktorarbeit stand. Sein Deutsch war nicht besonders gut, die Skizze und die Gleichungen aber verstand er. Rolf war sogar der Meinung, es sei gut, dass er den Text nicht verstanden habe, denn so „erfuhr er nichts über meine Stabilisierungsprobleme“ und musste sich daher auch nicht mit ihnen herumplagen. Lawrence begriff das Hauptprinzip, was ausreichte, um die Beschleuniger-Entwicklung einen Schritt voranzubringen. Es brachte ihn auf die Idee, das erste Zyklotron der Welt zu konstruieren.

An amerikanischen Universitäten machten Gerüchte die Runde, Lawrence habe beim ersten Studieren des Artikels sofort gewusst, dass es ihm gelingen würde, eine bessere Lösung für das Problem zu finden als Rolf. Auf dem Weg ins Labor soll er der Ehefrau eines Kollegen lauthals zugerufen haben: „Ich werde berühmt! Ich werde berühmt!“

Rolf lernte ihn viele Jahre später kennen und bedachte ihn mit wohlmeinenden Eigenschaften wie temperamentvoll, stur oder enthusiastisch und fügte als weiteres Plus seine Bereitschaft zu Abenteuern hinzu. Zusammen mit seinen Assistenten hatte sich Lawrence in Kalifornien auch dem Bau eines Linearbeschleunigers gewidmet, wobei er etwas anders vorgegangen war als Rolf. Dabei war es ihm gelungen, mit weitaus weniger Einsatz erheblich höhere Energie zu erzeugen. „Fantastisch“, lautete Rolfs Kommentar. Allmählich bildete Lawrence die Bahn zu einer Spirale um und hatte so das Zyklotron erfunden. Rolf erkannte sofort, dass es sich dabei um die gleiche Idee handelte, wie sie während seines Studiums an der Hochschule in Aachen einer seiner Assistenten gehabt hatte.44 Dieser hatte Rolf nämlich gefragt, ob man nicht eine runde Bahn konstruieren könne. Seine Antwort darauf beschämte Rolf seither:

„Ich antwortete, dass man dies durchaus könne, dass es jedoch schwer würde, die kreisförmigen Bahnen zu stabilisieren, also genau das, was ich später in der Abhandlung schrieb. So starb ein Vorschlag für ein Zyklotron, und ich war es, der die Idee mehr oder weniger tötete.“

In einem seiner wenigen Vorträge in Norwegen, einem sehr persönlichen 1983 in Geilo, wiederholte er die Selbstkritik:

„In Wirklichkeit hatte Professor Flegler das Zyklotron erfunden, aber mein Zweifel und meine Vorverurteilungen durch meine Experimente mit dem Strahlentransformator töteten seine Idee. Deshalb: Sehen Sie von Vorverurteilungen ab!“

Lawrence baute sein zweites Zyklotron, etwas größer als das erste, 10 Zoll im Durchmesser. Dadurch konnte er Protonen bis zu 1 Mio. MeV beschleunigen und erhielt die Bestätigung für das, was Cockcroft und Walton in England zuvor beobachtet hatten. Das dritte Zyklotron war mit einem Durchmesser von 27 Zoll noch größer. Es konnte schwere Wasserstoffkerne, das heißt schweres Wasser, bis auf 5 Mio. MeV beschleunigen. Die Epoche der Atomphysik war angebrochen, so viel stand fest.

Dennoch stürzte sich Rolf noch immer nicht voll und ganz in die Beschleuniger-Forschung. Vor allem weil er mit anderen Dingen beschäftigt war. Es waren die Jahre, in denen er sich eine Karriere in der norwegischen Stromindustrie aufbaute. Allerdings verfolgte er das Geschehen von der Seitenlinie und machte sich Gedanken. Nicht immer stimmte er jenen zu, die er bewunderte, auch Lawrence nicht. Ein Streitthema war die Größe des verwendeten Magneten. Rolfs Gedanken offerieren auch Nicht-Fachleuten einen gewissen Einblick in seinen Alltag:

„Aber ich habe ihre Entstehung und die erzielten Fortschritte immer sehr genau verfolgt und war zu dem Schluß gekommen, daß es nicht der beste Weg war, um zu noch höheren Energien zu gelangen. Die Spiralbahnen der Teilchen in diesen Beschleunigern erfordern nämlich ein Magnetfeld über eine große Fläche, das am besten durch ein Eisenjoch erzeugt wurde. Dies war kein großes Problem, solange die Energien nicht zu hoch waren. Für höhere Energien kam man aber dann bald

zu einer Grenze, die durch den Magneten selbst gegeben war, durch sein Gewicht und durch seinen Preis. Auch mein Strahlentransformator hatte dieses Problem: Wenn man damit höhere Energien erreichen wollte, wurde der Magnet viel zu groß.“45

Er war zudem der Meinung, die Lösung gefunden zu haben, auch wenn viele Jahre vergehen sollten, bevor er das beweisen konnte:

„Ich hoffte dennoch, die Teilchen innerhalb eines relativ engen ringförmigen Rohrs zu halten, wie es beim Strahlentransformator der Fall war, und es dennoch zu schaffen, sie zu beschleunigen (…), weshalb meine Gedanken in diese Richtung gingen. Das aber blieb ein Traum. Ich beschäftigte mich nie ernsthaft damit, bis ich später, aus rein persönlichen Ursachen, Zeit dafür fand, und das war nicht vor 1945.“

Big Science

Neben dem Zyklotron wurden in den 1930er Jahren im Berkeley-Labor auch andere große Entdeckungen gemacht. Viele trugen dazu bei, nicht zuletzt Luis Alvarez, auch er ein Assistent von Lawrence, der sich mit den gleichen Problemen wie Rolf abmühte. Seither spricht man von zwei Arten grundlegender Strukturen in Linearbeschleunigern, denen von Widerøe und denen von Alvarez. Die Arbeit im Radiation Laboratory, dem „Rad Lab in Berkeley und in gewissen anderen Kreisen der Kernphysik waren der Auftakt zu dem, was später als Big Science bezeichnet wurde. Der Ausdruck besagt ganz einfach, dass alles groß ist, das Thema an sich wie auch das Forscherteam. Vor allem Letztgenanntes war neu. Wenn es um die großen Fragen geht, zum Beispiel woraus die Erdkugel besteht und was die allerkleinsten Teilchen sind, dann reichte eine Person in einem Labor nicht mehr aus. Durch die Erfordernisse aufwendiger technologischer Ausrüstung, großer Budgets und der Zusammenarbeit vieler Forscher tauchte in der Zwischenkriegszeit der Begriff Big Science auf. Die Forschung hatte jedoch auch einen praktischen Nutzwert, für den sich nicht alle gleichermaßen interessierten, und Rolf hatte eine klare Auffassung davon, was die treibende Kraft hinter dem Einsatz der Amerikaner war:

„Für Lawrence war der Bau von Beschleunigern und besonders von Zyklotrons das Hauptziel all seiner Bemühungen, das er fast wie ein Besessener verfolgte. Aber für seine jüngeren Kollegen, Assistenten und Studenten war wohl die Atomspaltung und die Kernphysik das Motiv für den Bau ihrer immer größer werdenden

Maschinen. Ich vermute, dass dies auch für Rogowski der Fall war, als er meine Ideen für einen Strahlentransformator unterstützte, der 6 Mio. Volt erreichen sollte. Er war nämlich ein gut unterrichteter, geistig reger und hochstehender Mensch. Aber wir sprachen niemals darüber, und in meiner Doktorarbeit habe ich auch nichts darüber geschrieben. Es war zu der Zeit wohl verfrüht und galt nicht als seriöse Physik, man hätte es sogar als Science-Fiction angesehen. In meiner Doktorarbeit schrieb ich sehr bescheiden: 'Möglicherweise

könnten Ionenstrahlen von hohen Energien eine Bedeutung für die Physik haben.' Das war wohl ein großes 'Understatement', denn für mich war die Atomspaltung schon seit 1919 das Leitmotiv im Hintergrund meines Interesses an der Hochspannungstechnik.“46

Der Weltkrieg näherte sich und trug dazu bei, dass die Forschung aktuelle Bedeutung bekam. Das Berkeley-Labor rief ein Eilprogramm zum Bau von Zyklotronen ins Leben, was es selbst wie folgt zusammenfasste:

„Als die Nazis im September 1939 den Zweiten Weltkrieg begannen, verkündete Lawrence große Pläne für ein 100-MeV-Zyklotron. Die beiden Ereignisse standen in enger Verbindung zueinander. Die Angst davor, dass die Deutschen, basierend auf dem von Lise Meitner und Otto Frisch eingeführten Prinzip der Kernspaltung, eine Bombe ausbrüteten, erzwang im Januar 1939 ein Eilprogramm für den Bau eines Zyklotrons. Der Magnet in Lawrence' neuem Beschleuniger, der aufgrund des Krieges mit höchster Priorität vollendet wurde, half bei der Entwicklung von Maschinen zur Herstellung nuklearer Sprengstoffe. Die Mobilmachung des Labors führte dazu, dass es hinsichtlich Größe, Umfang und Aktivität keinen Weg zurück gab. Es wurde zur Inkarnation von Big Science. Die Entwicklung veränderte nicht nur die Arbeit, sondern hatte Auswirkungen auf den Ort an sich.“47

Sponsoring-Kampagne

Die großen Entdeckungen innerhalb der Physik prägten auch norwegische Physiker. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es eine Vereinigung, in der Vorträge über Kristian Birkelands Nordlicht-Experimente gehalten wurden und wo Professorin Ellen Gleditsch, die ihre Ausbildung bei Madame Curie absolviert hatte, über Rutherford und Radioaktivität sprach. Dann war es für einige Jahre ruhig, bis 1938 an der Universität Oslo der Physik-Verein gegründet wurde, der das Magazin Fra Fysikkens Verden herausgab. Rolf gehörte dem Universitätsmilieu, das sich in den Dreißigerjahren entwickelte, nicht an, kannte aber Olav Netteland vom Physik-Institut, der zur Leitung des Magazins gehörte, die auch als Redaktionskomitee fungierte. Als in der Schlussphase die Sponsoren ausblieben und die komplette Initiative zu scheitern drohte, sprang Rolf mit seinen Kontakten zur Industrie ein. Er brachte seinen Arbeitgeber National Industri dazu, dem Verein 5000 Kronen zu zahlen, und beschaffte zudem einige hundert Kronen für die erste Ausgabe im Sommer 1939.48 Redakteur war Egil Hylleraas, ein hoch angesehener Professor und Leiter der Abteilung für Theoretische Physik an der Universität Oslo. Viele Jahre später sollte Rolf Hylleraas in einem vollkommen anderen Zusammenhang begegnen. Hätte damals jedoch jemand das spätere Geschehen vorausgesagt, hätte es nicht nur unwahrscheinlich, sondern gänzlich absurd geklungen. Rolf war von Beginn an als Publizist dabei und abonnierte das Magazin ein Leben lang. Mit seinem Beitrag zur Rettungsaktion des Magazins habe seine Stelle bei National Industri wenigstens etwas Gutem gedient, meinte Rolf.

Im Rahmen eines Interviews einer Gruppe junger norwegischer Physiker wurde Rolf im Alter von 81 Jahren gefragt, ob er sich habe vorstellen können, nach Abschluss des Studiums und der Arbeit für AEG in Deutschland zu bleiben. Ob ihm das karrieremäßig nicht größere Ellenbogenfreiheit verschafft hätte als die Stelle in der norwegischen Stromindustrie? Seine Antwort war ein schroffes Nein. Der sich abzeichnende Machtzuwachs Hitlers gefiel ihm nicht. Er hatte genug von allem Deutschen und wollte nach Hause, ohne es je zu bereuen. Bei Jacobsen hatte er sich entfalten dürfen, anschließend bei National Industri zwar nicht, aber es gab andere Möglichkeiten. Er war im besten Alter, hatte eine gute Ausbildung, Familie, ein eigenes Haus und sogar ein Auto. Dass er mit Hitler aber nicht fertig war, als er 1932 von Berlin nach Oslo zog, war eine Ironie des Schicksals.

Angeworben, die dritte – NEBB

Die Stelle bei National Industri brachte eine gewisse Verbindung zu NEBB, Norsk Elektrisk & Brown Boveri, im Osloer Stadtteil Skøyen mit sich, der Tochterfirma der Schweizer Brown Boveri & Cie.. Im Frühjahr 1940 wurde ihm bei NEBB die Stelle als Leiter der Abteilung, die Ausrüstung an die Stromindustrie lieferte, angeboten. Rolf vermutete, sein Chef bei National Industri und der Direktor von NEBB hätten miteinander gesprochen. Im Juni begann er in seinem neuen Job.

Der Kraftwerkausbau passte zu jemandem, der seine Diplomarbeit über „Spannungsverteilung über Isolatorketten in Hochspannungsleitungen“ geschrieben hatte. Der Starkstromingenieur konnte seine Fähigkeiten unter Beweis stellen. Schnell erlangte er den Ruf eines guten Problemlösers – einer, den man rief, wenn etwas schwierig war, und der sagte, technische Probleme seien da, um gelöst zu werden. Rolf gefiel es, er war effektiv und bekam gutes Feedback. Er ging seine eigenen Wege, vornehmer ausgedrückt: Er besaß Integrität, oder tendenziöser, er war arrogant. Wie bei einer Konferenz in Kopenhagen, auf der Niels Bohr den Eröffnungsvortrag gehalten hatte, „den ich sicher gehört haben muss, an den ich mich aber überhaupt nicht erinnere“, wie er keck behauptete und hinzufügte, dass „Bohrs Vorlesungen immer etwas schwer verständlich waren“. Anschließend hatte es eine Führung durch das Institut gegeben, und daran hatte er definitiv nicht teilgenommen. „Ich war damals mit meiner Frau in Kopenhagen und hatte wohl ganz andere Interessen – wahrscheinlich waren wir auf einem Ausflug.“ Im Umgang mit den Großen ganz souverän und „laid back“, könnte man sagen.49

Ein dem elektrischen Strom eng verwandtes Thema ist die Kernkraft. Rolf war in mehrfacher Hinsicht davon fasziniert. Es fehlte an Forschung. Es fehlte an der Vermittlung der bereits erfolgten Forschung. Das Magazin brauchte Artikel. Und Rolf wird erneut aktiv. Für die zweite Ausgabe 1940 schreibt er den Artikel „Kann Atomenergie technisch genutzt werden?“, worin er sich auch auf einen Artikel von Redakteur Hylleraas bezieht. Die Antwort ist ein schallendes Ja. Es wird so kommen, die Kernkraft wird nützlich werden. Bis vor Kurzem hatte sich die Situation so dargestellt, dass man viel über Atomenergie wusste, Berechnungen vornehmen und sogar „ungeheuer kleine, technisch vollkommen unbedeutende Energiemengen [freisetzen konnte]. Die Möglichkeit einer technischen Ausnutzung von Atomenergie schien jedoch so fern, dass niemand damit rechnete und viele das Problem als absolut unlösbar ansahen“, schrieb er. Er aber unterstützte jene, die nunmehr meinten, vor einem Durchbruch zu stehen. Im Januar 1939 hatten deutsche Forscher nämlich „eine Entdeckung [gemacht], die die Situation vollkommen veränderte“:

„Auf Grundlage dieser und anderer Untersuchungen können wir nun mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit einer technischen Ausnutzung von Atomenergie rechnen. Bevor die Frage endgültig gelöst wird, bedarf es noch der Klärung vieler Aspekte sowie einer genaueren Untersuchung einer Reihe von Prozessen. Gelingt jedoch die technische Energiegewinnung, geht die Welt zweifellos in eine neue Ära über, die sich so stark von der aktuellen unterscheidet, dass unsere Fantasie kaum ausreicht, um sich die kommenden Veränderungen auszumalen.“50

Dr.-Ing.

Es ist unklar, wie viel man da hineindeuten soll: Während die Artikel in der Elektroteknisk Tidsskrift von „Dr.-Ing. R. Widerøe“ stammten, war beim Artikel im Magazin der Universitätsphysiker weder Grad noch Titel angegeben, lediglich „R. Widerøe“. Sein Doktortitel stammte nicht von der Universität, der die meisten Vereinsmitglieder angehörten, und Akademiker tendieren gern dazu, vor allem den eigenen Leuten zu trauen. Entsprechend schwer fällt es ihnen, eine andere Expertise anzuerkennen. Das kann dazu beigetragen haben, dass der Industriemann Rolf Widerøe mit seinen Patenten in Norwegen nie denselben Status erlangte wie Universitätsforscher, die wissenschaftliche Abhandlungen publizierten. Das aber greift den Ereignissen vor. Durch den Bezug auf Einsteins Relativitätstheorie im ersten Abschnitt des Artikels über den Einsatz von Atomkraft war die Angst davor, nicht genügend akademisch zu sein, unbegründet:

„Durch die Entdeckung des Radiums und das Studium der radioaktiven Strahlen wurde man sich schnell klar darüber, dass sich im Inneren des Atoms große, verborgene Energiequellen finden. Untersuchungen von Einstein und anderen Forschern warfen ein neues Licht auf diese Energie. 1905 legte Einstein die spezielle Relativitätstheorie vor, deren vielleicht wichtigstes Ergebnis Folgendes ist: 'Jede Masse entspricht einer bestimmten Energiemenge, und umgekehrt repräsentiert auch jede Form von Energie eine bestimmte Masse. Energie ist gleich Masse multipliziert mit dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit.'“

Enthusiastisch fährt er fort – und man muss die Worte nicht verstehen, um die Begeisterung und auch die Unterstützung derjenigen zu begreifen, die Atomkraft als Lösung des Energieproblems der Welt sehen:

„Man versteht folglich, dass die in den Atomkernen konzentrierte Masseenergie für die Technik ein Energie-Eldorado darstellt, einen ungeheuren, unerschöpflichen Energievorrat, der, wenn er genutzt werden könnte, den Energiehunger der Menschen für immer stillen könnte.“

Der Artikel war im November 1939 geschrieben worden. Gerade als das Magazin in den Druck gehen sollte, tat sich in der Forschung jedoch etwas. Der Franzose Jean Frédéric Joliot und sein Team meinten, es sei ihnen gelungen zu beweisen, dass bei der Uransprengung eine Kettenreaktion stattfinden könnte. Diese Neuigkeit musste ins Blatt, und da der Artikel bereits fertig war, musste dies in Form eines Nachworts erfolgen. Der französische Forscher wurde zu diesem Zeitpunkt oft als Joliot-Curie erwähnt, da er mit Madame Curies Tochter Iréne verheiratet war, die ebenfalls Chemikerin war. Schrieben die beiden zusammen Artikel, dann unterzeichneten sie immer mit dem Doppelnamen, obwohl er den Namen Curie vermutlich nie offiziell angenommen hatte. Die beiden hatten 1935 den Nobelpreis erhalten. In seiner Rede anlässlich der Verleihung hatte Joliot, vermutlich erstmals in der Geschichte, die Möglichkeit erwähnt, dass Kettenreaktionen zwischen Atomkernen eine zukünftige Energiequelle darstellen könnten. Nun meinten sie also bewiesen zu haben, wie es zu solchen Kettenreaktionen kommen konnte, was für den Atomvorkämpfer Rolf gute Neuigkeiten waren.

In seinem ursprünglichen Artikel hatte Rolf großartige Szenarien skizziert, wie Kraftwerke einfacher und effektiver mit Uran anstatt mit Kohle betrieben werden könnten. Rhetorisch gefragt: „Können diese fantastischen Möglichkeiten jetzt realisiert werden?“ Er verwies auf unsichere Messungen und ausstehende Forschung, schloss jedoch optimistisch, denn auch wenn Niels Bohrs Hypothese noch nicht bewiesen war, so bestehe durchaus Grund „zu der Annahme, dass die Frage nach der technischen Ausnutzung der Atomenergie ganz bald eine Lösung findet“. Dann kam die Nachricht über Joliots erfolgreichen Versuch, die er ins Nachwort aufnahm, datiert auf Februar 1940.

Und jetzt geht es schnell. Ein zweites Nachwort wird erforderlich. Nunmehr ist es Oktober 1940. Darin fasst Rolf die neuesten Ergebnisse zusammen, die das von Bohr Gesagte und das von Joliot Herausgefundene bestätigen. Das gefällt ihm. Gleichzeitig musste an all die Bezüge gedacht werden, die es zu benennen galt. Und als Mitbegründer einer Fluggesellschaft, der er war, erinnerte er an die Bedeutung des Gewichts des Brennstoffs: „Es dürfte unnötig sein darauf hinzuweisen, welch revolutionären Effekt es auf die Luftfahrt hätte, einen Brennstoff verwenden zu können, der praktisch gesprochen ohne Gewicht ist.“ Der Artikel zeigte, dass der Weg von Teilchenbeschleunigern in Laboren zu Relais in der Stromindustrie – und wieder zurück – nicht so lang war. Zudem ließ er keinen Zweifel an seinem Glauben, dass Atomenergie eines Tages praktisch ausgenutzt werden könne.51

Und er hatte doch Recht …

Obwohl Relais in der norwegischen Stromindustrie bereits Alltag sind, verfolgt er die Forschung „da draußen“ weiter. „Da draußen“ ist zum Beispiel die Universität in Illinois. Dort gelingt es 1941 dem Amerikaner Kerst, das erste Betatron der Welt zu konstruieren. Welches wohlgemerkt gut funktioniert. Ist Rolf von der Nachricht „enttäuscht“, genervt, verärgert, ihr überdrüssig? Meint er, jemand habe sein Lebenswerk gestohlen? Nein. Sollte er frustriert sein und abdanken? Ach, weit gefehlt. Ist das wahr? Es funktioniert? Nein, wirklich? Was für ein Triumph! Donald Kerst hat es geschafft! Die USA haben nach Lawrence in der Beschleuniger-Technologie in der Tat zugelegt. Ja, da hatte ich also recht!! Meine Theorie war richtig. Jetzt ist es gedruckt – nicht irgendwo, sondern in der Physical Review. Nr. 60. Auf den Seiten 47 bis 53. Man schreibt das Jahr 1941. 14 Jahre nach Rolfs Pionierarbeit. Jetzt war die Technologie gefolgt. Jetzt stimmte die Stabilität. Jetzt stoben die Elektronen Runde um Runde herum. In der Bahn, wie sie es sollten. Sie erlangten eine Energie, die nur durch eine Hochspannung erreicht werden kann, die ansonsten unmöglich ist – mit 2,3 Mio. Elektronenvolt (MeV), wie die Fachbezeichnung lautet. In einer Röhre mit einem Radius von nur 7,5 cm. Wenn nur alles richtig gemacht und alle Teile in der richtigen Weise gefertigt wurden. Das Prinzip aber … die Idee die Erfindung. Das, was er sich damals während des Studiums im Alter von 20 Jahren ausgedacht und in Karlsruhe in das kleine Notizbuch geschrieben hatte. Es stimmte. Jetzt war es endlich in der Praxis bewiesen.

In den USA verschaffte sich General Electric (GE) schnurstracks sowohl Zugriff auf Kerst als auch auf das Betatron. GE hatte die wie ein Donut geformte Glasröhre nach Kersts Spezifikationen gebaut, und Kerst seinerseits forschte bereits im Auftrag der Firma weiter, als die Artikel veröffentlicht wurden. Hier gab es keine Zeit zu verlieren. Die Wissenschaft befand sich in der Offensive. Bei optimalem Betrieb erreichten die Elektronen in dem kleinen Apparat eine Röntgenstrahlung, die der Aktivität von etwa einem Gramm Radium entsprach. Mit einem Preis von damals rund einer Million Kronen pro Gramm ist es nicht verwunderlich, dass Kersts Maschine Aufsehen erregte. Die eine Million Kronen von 1941 entsprechen heute 25 Mio. Schnell erwies sich der Apparat für den Einsatz im Krankenhaus als brauchbar.

Dass Rolf die Nachricht über Kersts Betatron überhaupt erreichte, ist eine Geschichte für sich. Es geschah im Oktober 1941 bei einem Treffen des Physik-Vereins an der Universität Oslo. Eigentlich war es ein unglaublicher Zufall, zu dem es nicht gekommen wäre, wenn deutsche Zensurregeln und Postrestriktionen peinlich genau befolgt worden wären. Durch den Krieg war den Bibliotheken der Zugang zu neuer technischer und wissenschaftlicher Fachliteratur verwehrt. Alle Postsendungen zwischen Norwegen und dem alliierten Teil der Welt waren unterbrochen, und als die USA in den Krieg einstiegen, kam es auch von dieser Seite her zu einem kompletten Stopp. Merkwürdigerweise jedoch kommt die aktuelle Ausgabe der Physical Review im Herbst 1941 als gewöhnliche Postsendung bei Roald Tangen in der NTH in Trondheim an. Als er wenige Tage später zu einem Vortrag über Teilchenbeschleuniger nach Oslo fährt, erwähnt er dort selbstverständlich die Neuigkeit über den Amerikaner, dem es gelungen war, ein funktionsfähiges Betatron zu bauen. Er hatte auch die Referenzliste studiert und gab auf der Veranstaltung bekannt, dass der Erfindung die Arbeit eines Dr. Widerøe zugrunde läge.

Seine Reaktion beim Lesen des Artikels beschrieb Tangen später so, dass er „keinen Rolf Widerøe kannte, es sich dem Namen nach zu urteilen aber um einen Norwegen handeln müsse“. Eine Schlüsselperson in der Experimentalphysik an Norwegens Technischer Hochschule in Trondheim wusste also nichts von Rolfs Einsatz, bevor er von einem Amerikaner darauf aufmerksam gemacht wurde. Allerdings sitzt Rolf selbst im Saal und gibt sich nach dem Vortrag zu erkennen. So begegnen sich die beiden zum ersten Mal: Tangen, der mit Van-de-Graaff-Generatoren arbeitete und später Professor in Trondheim und Oslo wurde, und Rolf, der mit seinen Betatronen international Karriere machen sollte. Er erwähnt eine andere Begegnung zwischen ihnen, viele Jahre später, am selben Ort, wo Rolf einen Vortrag hielt. Das Interessante an dieser Information ist das, was er nicht erwähnt, als er von der Episode berichtet:

„Es sollten 42 Jahre verlaufen, bevor wir uns wieder begegneten. Im selben Auditorium, in dem ich über Kersts Betatron gesprochen habe, hat Widerøe im Jahr 1983, auf Einladung der Universität Oslo, über seinen wissenschaftlichen Lebenslauf berichtet. Meine Aufgabe bestand darin, ihm für seinen Vortrag zu danken. Und ich habe dabei auch kurz erwähnt, was an derselben Stelle 1941 passiert war.“52

Tangen übersprang glatt, dass er auch in der Zwischenzeit mit Rolf zu tun gehabt und dessen Schicksal nahezu in seiner Hand gelegen hatte. Anders wäre es wohl dort am Rednerpult, mit Rolf im Saal, auch nicht möglich gewesen.

Blut geleckt

Als Rolf die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift selbst in Händen hält, sieht er mit eigenen Augen, dass das, was die Amerikaner schreiben, als eine natürliche Fortführung seiner eigenen Ideen verstanden werden kann – und insofern auch der Ideen des späteren Nobelpreisträgers Ernest T. S. Walton, die dieser unabhängig und fast zeitgleich entwickelte. Durch die Nachricht aus Amerika leckte er Blut. Hieran musste gearbeitet werden. Neu kalkuliert werden. Dass Kerst diese Lösung gefunden hatte, gehörte zu dem Nützlichsten, was passieren konnte. Um nach oben zu kommen, braucht es Steigungen. Stolpern bietet die Möglichkeit, das Aufstehen zu lernen. Mehrere Monate lang arbeitet er neben seinem Job bei NEBB an einem neuen wissenschaftlichen Artikel. Dann schickt er ein umfangreiches Manuskript an die deutsche Zeitschrift, die bereits seine Doktorarbeit veröffentlicht und für die er auch im Nachhinein Artikel geschrieben hat. Dieses Mal thematisiert er die Herstellung von Betatronen mit höherer Energie, als er es in seiner Doktorarbeit beschrieben hat, und noch höherer als in Kersts Betatron. Am 15. September 1942 liefert er den Artikel ab. Im Frühjahr 1943 wird er gedruckt. Zum jetzigen Zeitpunkt sind diese Daten nicht wichtig. Später aber werden sie es.

Damit belässt er es jedoch nicht. Einige Monate später verfasst er einen Artikel darüber, wie die Energie noch ein Stück weit erhöht werden könne. Er schreibt über die Konstruktion eines Betatrons, das eine Strahlung mit einer Energie von nicht 2 Mio. MeV wie bei Kerst, sondern 200 Mio. MeV erzeugt. Etwas lockerer allerdings als der erste Artikel. Adressat ist dieselbe Zeitschrift in Berlin. Aus irgendeinem Grund wird der Artikel nicht gedruckt. Vielleicht ist er nicht angekommen? Vielleicht wurde er von der deutschen Zensur gestoppt? Alles ist denkbar. Es ist Krieg.

Rolf befindet sich in der Mitte des Lebens. Ist gerade 40 geworden. Vater kleiner Kinder. Vollzeit angestellt bei NEBB, hat Artikel zu schreiben, Besprechungen wahrzunehmen, abends Dokumente zu lesen. Er versucht auf dem Laufenden zu bleiben, was die Pläne der Physiker in Bergen hinsichtlich der Gründung eines kernphysikalischen Labors betrifft. Auch sie erfahren unter speziellen Umständen von Kersts Betatron, allerdings erst gegen Ende des Krieges. Odd Dahl, der eine Zeit lang im Carnegie-Institut in Washington gearbeitet hat, berichtet davon in seiner Autobiografie im Kapitel „Als 'Atomspion' in den USA“:

„Über London hatte ich eine Filmrolle aus den USA erhalten. Eines Nachts im Winter 1945 bemerkte ich, wie eine Person die Sackgasse zu unserem Haus in Paradis heraufkam. Wie sich herausstellte, war es der Leiter der norwegischen Widerstandsbewegung in Bergen. Er gab mir die Filmrolle mit der Information, dass sie ihm aus London überlassen worden sei. Viel mehr wurde nicht gesagt.

Meine alten Freunde und Kollegen Tuve und Hafstad hatten das inszeniert. Sie engagierten sich in der für die Kriegsführung bedeutenden elektronischen Forschung. Damit hatte der Film aber nichts zu tun. Er berichtete in Text und Zeichnungen detailliert von einem neuen Typ Teilchenbeschleuniger, der von einem für mich zu diesem Zeitpunkt unbekannten Dr. Donald Kerst gebaut worden war. Der Beschleuniger trug die Bezeichnung Betatron, wobei Kerst und ein Kollege 1940 eine funktionsfähige Installation gebaut hatten. Diese würde zweifellos ein wichtiger Teil der zukünftigen Atomforschung sein, weshalb Tuve und Hafstad ganz richtig damit lagen, dass mich die Sache interessieren würde.“53

Nach und nach begriff Dahl, dass Rolf involviert war, und obwohl Dahl gute Kontakte in die USA hatte, hielt er es in seinem Erinnerungsbuch Rolf zugute. In der Zwischenzeit waren die beiden einander begegnet und hatten auch zusammengearbeitet, und er hatte großen Respekt vor Rolf. Dabei galt: Ehre, wem Ehre gebührt!

„Kerst baute zwar das erste Betatron, aber bereits zwölf Jahre, bevor er einen funktionsfähigen Apparat konstruierte, hatte der Norweger Rolf Widerøe die Prinzipien für eine solche Installation formuliert.“

Es zieht sich zu

Überall herrschte Drama. Der Forschungswettlauf tobte. In Norwegen, allen voran jedoch außerhalb, unter amerikanischen Forschern sowie zwischen den USA und anderen westlichen Ländern. Es ging um Kernspaltung, Beschleuniger-Technologie, Kernkraftnutzung, neue Instrumente. In Europa gipfelte der Weltkrieg in der Schlacht um Stalingrad, der Katastrophe für die deutsche Kriegsmaschinerie schlechthin, die Hitler in immer größere Verzweiflung und die Suche nach etwas stieß, das die Welt – und seine eigene Gefolgschaft – davon überzeugen konnte, dass Deutschland den Krieg gewinnen würde.

Unter den Alliierten kursierten Spekulationen, dass die Deutschen eine Atombombe planten. Die meisten glaubten, es handele sich um Propaganda. Die deutsche Bevölkerung wusste nicht, was sie glauben sollte. Auszuschließen war es nicht. Die Forschung wurde Teil des Krieges. Um den Deutschen zuvorzukommen, riefen die Amerikaner ihr Manhattan-Projekt ins Leben. Hitler-Deutschland tauschte seinen forschungspolitischen Führungsstab aus. Aus den innersten Kreisen des Atomprojekts wurden neue Talente rekrutiert, die von Göring aufgefordert wurden, sich zu steigern. Im Klartext hieß das: Sorgt dafür, dass bessere Waffen hergestellt werden, und das schnell. Die Wunderwaffe. Die Luftwaffe baute ihre eigene Forschung aus, nutzte ihre Kontakte, graste die technisch-wissenschaftlichen Milieus nach fähigen Leuten ab. Alles, was als „kriegswichtig“ eingestuft werden konnte, erhielt Unterstützung.

Der Kriegswinter 1942/43 in Oslo war hart. Rolf schien jedoch alles zu meistern. Einen Schwiegervater, der Nazi war, einen Bruder, den die Deutschen verhaftet hatten. Vollzeitjob und seine eigene Forschung, die ihn immer mehr in Anspruch nahm. Schwere Zeiten hatten ihn noch nie aufgehalten. Er war voller Tatendrang. Nahm den Faden wieder auf, den er in Karlsruhe beiseitegelegt hatte. Theodors und Carlas ältester Sohn begann ernsthaft von sich Reden zu machen.

Er kann doch nicht …?

Dann bricht die Welt zusammen. Der Alltag explodiert. Für die alten Herrschaften in Vinderen. Rolf arbeitet in Deutschland! An einem deutschen Forschungsprojekt. In Hamburg. Von allen denkbaren Orten in der Stadt, in der Viggo inhaftiert ist. Das heißt: Rolf soll pendeln. Mit dem Flugzeug. Einem deutschen Flugzeug. Obwohl Norwegen von den Deutschen besetzt ist. Kann es viel schlimmer werden? Es ist das Jahr 1943, August.

Die Gestapo wütet. 1100 norwegische Offiziere wurden in ihren Wohnungen festgenommen. 1200 Osloer Studenten wurden verhaftet, die Hälfte von ihnen nach Deutschland gebracht. 500 Polizisten sitzen im Konzentrationslager Grini. Auch Viggo ist dort gewesen, als einer der Ersten – Gefangener Nummer 352 –, bevor er nach Deutschland gebracht wurde. Gut, dass sie noch nicht wissen, dass der Gefangene Nr. 8197 am 29. Juni von Grini ins Konzentrationslager Natzweiler überführt wurde. Nach dem Krieg soll er die Schwester von Rolfs Frau heiraten und sein Schwager werden. Und „wäre Arild nicht abgestürzt, dann hätte er es sicher auch geschafft, von den Deutschen verhaftet zu werden. Wäre in der illegalen Arbeit aktiv gewesen. Da bin ich mir sicher“, so Rolfs Sohn, der nach Arild benannt wurde.

Rolfs Frau bleibt in dem Haus in Røa. Sie und die drei minderjährigen Kinder. Sieben, fünf und zwei Jahre alt. Sie muss den Alltag allein meistern. Die Rationierungskarten, die Verdunklungsgardinen, die Nachbarn, die Gerüchte und das Geschwätz. Gut, dass sie hartgesotten ist und weiß, was sie will. Dass ihr Vater Nazi ist, macht es nicht leichter.

Das möblierte Elternhaus knarzt in den Fugen. Der Boden gibt nach. Die Welt kollabiert. Dann wird alles still. Bevor ein Vater im Alter von 75 und eine Mutter im Alter von fast 70 langsam das Gleichgewicht wiederfinden. Weihnachten muss gefeiert, das Sonntagessen zubereitet, die Enkelkinder beaufsichtigt werden. Ein Sohn ist ums Leben gekommen. Einer sitzt in deutscher Gefangenschaft. Und jetzt das mit Rolf. Er kann doch nicht …? Ist er …?

***

Dann trifft die Nachricht ein, dass Rolf Viggo im Gefängnis besucht hat. Der eine für deutsche Behörden arbeitend, der andere von deutschen Behörden verhaftet. Zwei Brüder in ihrer jeweiligen Wirklichkeit. Am selben Ort. Die Szenerie war so absurd, dass es Jahre des Abstands brauchte, um das Geschehene zu begreifen.

Anmerkungen

  1. 1.

    Else Widerøe und Elisabet Juel gründeten Contact Service AS.

  2. 2.

    Else Widerøe starb im August 2012 im Alter von fast 99 Jahren, nachdem dieses Kapitel geschrieben war.

  3. 3.

    Interview in Verbindung mit diesem Buch

  4. 4.

    „Slektshistorie over Kane – Aspen – Widerøe“, geschrieben von Ivar Andreas Widerøe und 1981 in Trondheim herausgegeben.

  5. 5.

    Studevold Hansen, Ole: „Opptegnelser fra Tydalen, anex til Selbu“; Kjell

    Haarstad, Per O. Rød: „Selbu i fortid og nutid“

  6. 6.

    Wikipedia Aftenposten 15. Juni 1997

  7. 7.

    Dank zweier junger Norweger, dem Physiker und Wissenschaftshistoriker Finn Aaserud und dem Physiker Jan Sigurd Vaagen, die Wind von seinem Einsatz bekommen hatten, kam ein Interview mit dem 81-jährigen Rolf Widerøe zustande, als dieser sich in seinem jährlichen Sommerurlaub in Norwegen befand. Das Interview fand am 12. Juli 1983 im Untersuchungsinstitut von NAVF, dem heutigen Nordischen Institut für Studien von Forschung, Innovation und Ausbildung in Oslo, statt. Neben Vaagen und Aaserud nahmen an dem fast einen Tag dauernden Gespräch auch einige andere Physiker teil. Alles wurde auf Tonband aufgezeichnet. (Fortan bezeichnet als „Physiker-Interview“.)

  8. 8.

    „Some Memories and Dreams from the Childhood of Particle Accelerators“, Vortrag, datiert 3. Dezember 1982. Die Veranstaltung fand am 12. Januar 1983 im norwegischen Geilo statt.

  9. 9.

    Aftenposten 17. Juli 1971

  10. 10.

    Physiker-Interview 1983

  11. 11.

    Waloschek, Pedro: Als die Teilchen laufen lernten. Leben und Werk des Großvaters der modernen Teilchenbeschleuniger – Rolf Wideröe. Redigiert und zusammengestellt von Pedro Waloschek, Vieweg, 1993, S. 25 (Hamburg, 2002). (Fortan bezeichnet als „Biografie“.)

  12. 12.

    Biografie, S. 31

  13. 13.

    Biografie, S. 31

  14. 14.

    Physiker-Interview

  15. 15.

    Dr. Eugen Flegler

  16. 16.

    Professor Karman

  17. 17.

    „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft“. Die Organisation war damals erst vier, fünf Jahre alt. Heute heißt sie Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).

  18. 18.

    Biografie, S. 27

  19. 19.

    „Gustaf Ising hatte 1924 ein Prinzip zur multiplen Beschleunigung oder Beschleunigungswiederholung geladener Teilchen in einer geraden Bahn vorgeschlagen. Widerøe realisierte Isings Idee, indem er das Prinzip von Wechselstrom-basierter multipler Beschleunigung lancierte. Basierend auf diesem Prinzip konstruierte er anschließend den weltweit ersten Linearbeschleuniger und bewies damit, dass es auch in der Praxis funktionierte: Er beschleunigte in einem hochfrequenten Spannungsfeld Ca- und Na-Ionen auf 50 keV in zwei sukzessiven Schritten, jeder von 25 keV. Das – erstmals von Widerøe realisierte – Prinzip Wechselstrom-basierter multipler Beschleunigung bildete die Grundlage für die abenteuerliche Entwicklung von Linear- wie auch von Zirkularbeschleunigern, die während des gesamten 20. Jahrhunderts stattgefunden hat. Eine Kopie von Widerøes Beschleuniger steht heute im 'Mini-Museum' an der Rezeption des Radiumhospitals in Oslo.“ (Tor Brustad im Gespräch in Verbindung mit diesem Buch)

  20. 20.

    Dr. Paul Meyer-Labor

  21. 21.

    J. Biermann bei AEG und Reinhold Rüdenberg bei Siemens

  22. 22.

    Otto Mayr

  23. 23.

    Biografie, S. 58

  24. 24.

    Gregory Breit, Merle Tuve und Lawrence R. Hafstad

  25. 25.

    Kaiser, H.F. (U.S. Naval Research Lab., Washington, D. C.): „European Electron Induction accelerators“, Journal of Applied Physics 18, 1–17 (1947). Dahl, Per F.: „Rolf Wideröe: Pregenitor of Particle Accelerators“, Superconducting Super Collider Laboratory, Dallas, Texas, März 1992

  26. 26.

    Biografie, S. 59

  27. 27.

    „Nordmenn i fangenskap 1940–1945. Alfabetisk register med innledning av Kristian Ottosen“

  28. 28.

    Skappel, Helge und Viggo Widerøe: Pionertid, Oslo 1945

  29. 29.

    Die drei waren Halvor Bjørneby, Helge Skappel und Leiv Brun.

  30. 30.

    Er schreibt Sonntag, 13. März. Da der 13. aber ein Montag war, muss das Datum der 12. März sein, da dieser ein Sonntag war.

  31. 31.

    In Verbindung mit dem 75-jährigen Bestehen der Fluggesellschaft 2009 präsentierte Turi Widerøe in einer Artikelserie im Firmenmagazin „Perspektiv“ einen Auszug aus der Beschreibung ihres Vaters. Die Artikelserie begann bereits einige Jahre vor dem eigentlichen Jubiläum. Dieser Text stammt aus der Februar-Ausgabe 2007.

  32. 32.

    Nr. 8, 15. März 1933: „Relébeskyttelse i kraftfordelingsnett“

  33. 33.

    Nr. 14, 15. Mai 1934: „De første kortslutningsforsøk med norske distansereléer“

  34. 34.

    Skappel, Helge und Viggo Widerøe: Pionertid, Oslo 1945

  35. 35.

    Erik Engnæs, Ditlef Smith, Helge Skappel und Leiv Brun waren auch Teil des Unternehmens. Die beiden Letztgenannten waren zusammen mit Halvor Bjørneby und den Brüdern Viggo und Arild im Tagesgeschäft die treibenden Kräfte.

  36. 36.

    An einer Stelle sagt er, er habe sie im Herbst 1933 in Svaes Tanzschule kennengelernt, an einer anderen, im Februar 1934 in Frl. Fearnleys Tanzschule.

  37. 37.

    So schilderte es Viggo im Jahr vor seinem Tod im Buch zum 50-jährigen Jubiläum des norwegischen Luftfahrtwerks.

  38. 38.

    Per Arne Watle in: P. A. Watle: Oppdrift i motvind, Abstrakt, 2004

  39. 39.

    Skappel, Helge und Viggo Widerøe: Pionertid, Oslo 1945

  40. 40.

    Turi Widerøe: „Is, fly og skip. Oppdagelse og kartlegning med fly i Øst-Antarktis 1929–1939“. Masterarbeit in Geschichte, Institut für Geschichte, Sozialwissenschaftliche Fakultät, Universität Tromsø, 2006

  41. 41.

    Biografie, S. 65

  42. 42.

    Skappel, Helge und Viggo Widerøe: Pionertid, Oslo 1945

  43. 43.

    Biografie, S. 55

  44. 44.

    Eugen Flegler, einer der Assistenten von Rolfs Berater Rogowsky

  45. 45.

    Biografie, S. 51

  46. 46.

    Biografie, S. 54

  47. 47.

    „Lawrence and His Laboratory. A Historian's View of The Lawrence Years.“ Veröffentlicht 1981 anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Berkeley Lab. Kap. 3: „Deflecting Physics for War“

  48. 48.

    In der 1993 erschienenen Biografie sagt er 5000 Kronen, präzisiert jedoch nicht, ob sich der Geldwert auf das Jahr 1938 oder auf das Jahr 1993 bezieht.

  49. 49.

    Biografie, S. 66

  50. 50.

    Otto Hahn und Fritz Strassman

  51. 51.

    Er schrieb mehrere Artikel zu dem Thema, u. a. „Thoughts on the energy situation“, Atomenergie (ATK) Bd. 31 (1978), Lfg. 2

  52. 52.

    Biografie, S. 68

  53. 53.

    Dahl, Odd: Trollmann og rundbrenner, Gyldendal 1981