Zusammenfassung
Expatriate Growth Coaching bezeichnet das Coaching von Expatriates (Expatriates sind Mitarbeiter, die für einen befristeten Zeitraum für eine im Ausland ansässige Einheit des Unternehmens leben und arbeiten (Gregersen et al. 1998). auf der Grundlage der Growth-Mindset-Theorie von Carol Dweck (Mindset, Ballantine Books New York, 2006). Diese Theorie hat in der letzten Zeit nicht nur im Rahmen von Erziehungs- und Bildungsfragen viel Aufmerksamkeit erzeugt, sondern auch in der Unternehmenspraxis. Der Grundgedanke, dass das Selbstbild – das sog. Mindset – und nicht das Talent oder die Fähigkeiten entscheidend für die (persönliche) Weiterentwicklung und schlussendlich auch den (persönlichen) Erfolg ist, wird in diesem Beitrag auf das Feld der Auslandsentsendung übertragen. Es wird vorgestellt, wie ein Coaching die Entwicklung oder den Ausbau eines positiven Mindsets von Expatriates unterstützen kann, indem ein Stufenmodell zum Expatriate Growth Coaching hergeleitet wird. Als Zielgröße dient der Erfolg einer Entsendung, der aus organisationaler Sicht darin besteht, dass es zum einen zu einer schnellstmöglichen Produktivität des Entsandten und zum anderen nicht zu einem frühzeitigen Abbruch der Entsendung kommt. Damit wird der Entsendungserfolg maßgeblich davon beeinflusst, ob der Expatriate die Entsendung an und für sich positiv sowie als Wachstumschance erlebt und im Verlauf nicht an ihr scheitert oder zerbricht. Auf diese persönliche Ebene wird im Folgenden der Fokus gerichtet. Zudem werden auf exemplarische und anschauliche Art und Weise Coachingtools für diesen am Selbstbild des Expatriate ausgerichteten Coachingansatz vorgestellt, die auch eine ganz neue Richtung – und zwar die Wechselwirkung von Körper und Psyche – einschließen, das sog. Embodiment. Der Einbezug dieser neuartigen Embodiment-Techniken im Rahmen des Expatriate Growth Coaching trägt der Bedeutung von Emotionen im Kontext von Auslandsentsendungen auf besondere Weise Rechnung und macht sich diese sogar im positiven Sinne zunutze.
“The passion for stretching yourself and sticking to it, even (or especially) when it's not going well, is the hallmark of the growth mindset.”
Carol Dweck
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Notes
- 1.
„Global mindset“ wird definiert als ein „set of skills. It is an orientation of the world that allows one to see certain things that others do not. A global mindset means the ability to scan the world from a broad perspective, always looking for unexpected trends and opportunities that may constitute a threat or an opportunity to achieve personal, professional or organizational objectives“ (Rhinesmith 1992, S. 24).
- 2.
Kulturelle Intelligenz wird dabei definiert als „a person‘s capability (and openness) to adapt effectively to a new cultural context, and thus refers to a form of situated intelligence where intelligently adaptive behaviors are culturally bound to the values and beliefs of a given society or culture“ (Earley und Ang 2003, S. 26).
- 3.
Generell wird angenommen, dass sich Expatriates im Zuge ihres Auslandsaufenthalts in denjenigen Persönlichkeitseigenschaften positiv verändern, die sich förderlich auf ihren individuellen Akkulturationsverlauf auswirken (Slomski 2018).
- 4.
Auf psychologischer Ebene kommt es wie dargelegt entsprechend zur Konfrontation mit neuen kulturellen Mustern z. B. bzgl. des Hierarchie- und damit Führungsverständnisses oder Unterschieden in der Rollenverteilung zwischen Mann und Frau (vgl. Hofstede 1980). Auf soziokultureller Ebene sind Anpassungen und Veränderungen ebenso kaum zu umgehen, da das gewohnte soziale Umfeld des Heimatlands, bestehend aus Familie, Freunden und Kollegen, nicht vor Ort ist. Die Suche nach einer geeigneten Wohngegend, ggf. nach Kinderbetreuung, nach passenden Freizeitaktivitäten und nicht zuletzt nach neuen sozialen Kontakten erfordert Initiative und Offenheit. Expatriates reagieren auf diese Veränderungen und innerhalb jener emotionalen Prozesse sehr unterschiedlich.
- 5.
Es wird argumentiert, dass weder der Lernstil, die Persönlichkeitsstruktur – die in fremdkulturellen Situationen von entscheidender Bedeutung für die Handlungsfähigkeit ist – noch bisherige interkulturelle Erfahrungen der Betroffenen ausreichend in solchen Trainings adressiert werden können (Barmeyer 2000).
- 6.
Neben dem Einsatz von interkulturellem Coaching im Kontext von Expatriates wird es auch genutzt, wenn Sprachprobleme oder divergierende Denk- und Arbeitsstile anderskultureller Mitarbeiter zu Stress, Problemen oder Unzufriedenheit führen (Barmeyer 2000). Auch zur Begleitung von Führungskräften im Inland, die multikulturelle Teams führen, wird es genutzt.
- 7.
Während das Inhaltscoaching darauf abzielt, vor allem Wissen und Kenntnisse über das Gastland, kulturelle Unterschiede und angebrachte Handlungsmuster zu vermitteln (kognitiv), verfolgt das Prozesscoaching die Selbstreflexion des Coachees über Standpunkte und Perspektiven, aus denen sich die Beziehung zum anderskulturellen System verstehen bzw. entwickeln lässt (affektiv).
- 8.
- 9.
Storch et al. (2017, S 27 ff.) gehen sogar so weit, dass sie das Scheitern der künstlichen Intelligenz auf den Mangel an Embodiment zurückführen.
- 10.
Beispielhaft für die wenigen Auseinandersetzungen dieser Art sei an dieser Stelle der Artikel „More than a brain on legs: An exploration of working with the body in coaching“ von Trish Matthews aus dem Jahre 2013 genannt.
- 11.
„It is technique from the inside out rather than form the outside in. Furthermore, it is technique owned, integrated and unique to the body concerned, as opposed to someone else’s idea of good technique to which you have forced your body to conform” (Whitmore 2017, S. 119).
- 12.
Um die Wirkung und vor allem Ausdrucksmuster des Körpers zu trainieren, kann auf die in Schauspielschulen verwendeten Techniken zurückgegriffen werden, zu denen Atemrhythmen zählen. Somit stellen Atemtechniken im Rahmen von Expatriate Coaching an sich auch ein geeignetes Mittel zur Beeinflussung der Körper- und Gesichtsmuskulatur und daher wiederum der Psyche dar.
- 13.
Dies fällt aus psychologischer Sicht in den Themenbereich der Emotionsregulation, einer der Kernkompetenzen des Selbstmanagements zum Erhalt von psychischer Gesundheit.
- 14.
Erst dann liegt ein individuelles effektives neuronales Netzwerk vor, welches sozusagen das neue Handeln in verinnerlichter und nicht antrainierter Form aktiviert (vgl. Storch 2017, S 66 f.).
- 15.
Diese Fragen sind zugleich sehr detailliert und sehr auf den Aspekt der Passung auf die Persönlichkeit des Expatriate ausgerichtet.
- 16.
Hintergrund ist, dass eine gewisse Konsistenz im psychischen System herrschen und die Übungen zum Inhalt des psychischen Systems des Expatriate (z. B. dessen Zielsetzung oder Motivation) passen müssen. Sollte dies nicht der Fall sein, so können im Rahmen des Coachings diese Inkonsistenzen zunächst herausgearbeitet und z. B. eine geeignete Lösungsstrategie für einen Ambivalenzkonflikt überlegt werden (vgl. Storch 2017, S 53 ff.).
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Eidems, J., Müller, B. (2021). Expatriate Growth Coaching: Mit positivem Mindset zum Entsendungserfolg. In: Eidems, J., Höntzsch, S. (eds) Coaching im Rahmen der Auslandsentsendung. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-63059-4_3
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