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1 Wertschöpfungs-Netzwerke – ein Paradigmenwechsel

1.1 Vom Nutzen der Kooperation

Die Treiber für den Paradigmenwechsel in der Zusammenarbeit der deutschen Industrieunternehmen sowie bei der Implementierung neuer Wertschöpfungs-Netzwerke sind Vernetzung, Transparenz und datenbasierten, kollaborativen Entwicklung [1]. Dies war eine der Thesen, die in der VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik (GMA) 2016 im Fachausschuss „Geschäftsmodelle“ unter Leitung von Professor Frank T. Piller (RWTH Aachen) formuliert wurde und die heute nach wie vor Bestand hat.

Aus Sicht der Geschäftsmodell-Innovationsforschung liegt den Konzepten vieler neuer Geschäftsmodelle ein kollaborativer Charakter zugrunde. Doch der weit überwiegende Teil der deutschen Unternehmen ist gerade erst dabei, die technischen Vernetzungsstrukturen zu schaffen, die notwendig sind, um über neue Geschäftsmodelle jenseits inkrementeller Innovation nachdenken zu können. Das Teilen von Daten, auch in erprobten Netzwerken, Transparenz, Durchgängigkeit und das Schlagwort „Echtzeit“ sowie die Teilnahme an offenen Plattformen, stecken noch in den Kinderschuhen – auch und gerade weil der Nutzen nur selten oder gar nicht im Vorhinein bewertet oder gar monetär nachgewiesen werden kann. Solange der Nutzen nicht klar ist, werden die wenigsten Unternehmen, insbesondere die KMU, die ihre Gelder nicht erst seit der Pandemie genauestens planen müssen und keine Extra-Budgets für große Forschungsvorhaben vorhalten, nicht investieren – nicht in KI, nicht in Vernetzung oder die Plattform-Ökonomie. Das aber ist der springende Punkt, wenn wir die Investitionslandschaft in datengetriebene Geschäftsmodelle deutschlandweit und auf einer abstrakten Ebene betrachten. Damit jedoch der Stein ins Rollen kommt, benötigen wir in Deutschland einen deutlich höheren Umsetzungsgrad digitaler Geschäftsmodelle und flexibler Kooperationen – nicht nur in einigen Vorreiter-Unternehmen und Leuchttürmen – sondern flächendeckend, quer über unterschiedliche Branchen und über unterschiedliche Teilnehmer an der Wertschöpfungskette von den Lieferanten der Basismaterialien über die Produzenten und die Logistik bis zum Lieferanten der webbasierten Dienstleistungen durch die gesamte industrielle Landschaft. Der Nutzen muss in Form möglicher Marktdifferenzierung klar aufgezeigt und in monetärem, messbarem Erfolg ausgedrückt werden, damit die notwendigen Investitionen in Infrastruktur, Know-how und neue Organisationsformen sowie Kulturwandel erfolgen.

1.2 Wertschöpfungsnetze werden die traditionelle Supply Chain ersetzen

In der Zeit der Pandemie wurde deutlich, wie schnell der Wandel von Märkten vonstattengehen kann und ganze, etablierte Märkte zusammenbrechen sowie neue auftauchen. Plötzlich werden Beatmungsgeräte und Pharmaerzeugnisse zum höchsten Gut, während Restaurants, Fluggesellschaften oder Bahnverkehr nachhaltig zusammenbrechen. Die heimische Automobilindustrie, die manche Trends wie die Elektromobilität geradezu verpasst hatte und gerade zu einer Aufholjagd ansetzte, war damit beschäftigt, ihre Konkurrenz (aus dem eigenen und aus anderen Ländern) zu beobachten, erlebt mit dem plötzlichen wirtschaftlichen Zusammenbruch des Einzelhandels, der ein Motor der Wirtschaftskraft ist, einen weltweiten Abschwung, während Logistikunternehmen und Handelsplattformen antifragil reagieren und einen nie geahnten Aufschwung erleben. Doch auch in weniger beachteten Bereichen wie der Fitness-Branche erlebten wir einen Wandel und, während die Studios leer blieben, kommt die Produktion von Fitnessgeräten für das Home-Gym den Nachfragen kaum nach. Diese Liste könnte über Baumärkte bis Fahrradproduktion im Positiven oder Tourismusindustrie bis zu Schiffswerften im Negativen nahezu endlos fortgesetzt werden.

Wichtig ist, dass dieser einschneidende Wandel zeigt, was wir wirklich brauchen: flexible Lieferketten, um agil auf sich ad hoc verändernde Nachfragen am Markt reagieren zu können. Wenn Desinfektionsmittel zur Mangelware werden, müssen wir keine riesigen Lagerhallen aufbauen, um auf jede Eventualität vorbereitet zu sein (denn das nächste Mal fehlt Nickel für dringend benötigte Akkus o. A.), sondern neue Fähigkeiten aufbauen: Agilität und Flexibilität, die Möglichkeit Ad-hoc-Kooperationen einzugehen, die Kompetenz zur Innovation von Produkten und Geschäftsmodellen sowie die Fähigkeit, schnell neue Ökosysteme dynamisch zu erschaffen. Dynamisch heißt, dass diese Wertschöpfungsketten, die sich schnell ergeben, ebenso schnell wieder gelöst werden, sobald die Nachfrage nachlässt, um sich in anderen Ketten wieder zusammenzuschließen, um ganz andere Produkte herzustellen. Es geht nicht nur darum, die eigene Produktion auszulasten, sondern darum, flexibel und schnell neue, passende Partner zu finden und damit um die zentrale Fähigkeit, sich verändernde Märkte schneller zu erfassen und zu bedienen oder sogar zu erschaffen.

1.3 Mehr Resilienz wagen

Hier wird sichtbar, dass unternehmensintern Abteilungen wie strategisches Marketing, die wissen, was der Kunde morgen will, der Vertrieb, der weiß, was der Kunde heute für Probleme gelöst haben will, mit den Abteilungen Innovation und F&E zusammengebracht werden muss. Darüber hinaus muss das Verständnis Einzug halten, flexibler und schneller Kooperationen zu wagen, mit Mut Forschung kooperativ zu gestalten und Entwicklungen schneller und in kleineren Schritten auf den Markt zu bringen. Hier geht es um Resilienz gegenüber Störungen. Diese Störungen können interner Natur sein, wenn die Fertigung wegen Maschinenausfall zum Stehen kommt, innerhalb einer Lieferkette, wenn einzelne Lieferanten ausfallen, externer Natur sein, wenn neuartige Produkte hergestellt werden, die nur in neuen Wertschöpfungsketten produziert werden können oder disruptiver Natur sein, wenn wirtschaftliche oder naturbedingte Störungen der globalen Supply Chains auftreten oder disruptive Kräfte ganze Märkte und Branchen verändern.

1.4 Empfehlung 1

Schaffen Sie die Fähigkeit, flexibel und agil zu sein. Bauen Sie in Ihrer Organisation Know-how im Bereich Digitalisierung, internetbasierte Serviceleistungen und KI auf. Befähigen Sie Ihre Organisation, Geschäftsmodelle zu innovieren und Daten gewinnbringend in Serviceleistungen zu wandeln. Schaffen Sie ein innovatives und kreatives Umfeld. Bringen Sie Bereiche wie strategisches Marketing und Vertrieb mit Entwicklungsabteilungen und Forschungseinrichtungen zusammen, um erfolgreich Kundenwünsche zu adaptieren [2].

2 Geschäftsmodell-Enabler

2.1 Individualisierung von Produkten durch digitale Augmentierung

Bei der Frage, was die Kunden wollen, kommt es bereits seit Ende der 1990er-Jahre zu der Forderung nach der Individualisierung von Produkten. Das geht so weit, dass die Automobilproduktion mit hohem finanziellen Aufwand die Produktion so weit anpasste, dass der Kunde eine Änderung seiner Konfiguration noch vornehmen konnte, wenn das Automobil bereits angefangen wurde, produziert zu werden. Es gibt nur wenige Beispiele, bei denen die Individualisierung physischer Massen-Produkte zum Geschäftsmodell gehört und die mehrere Jahre daran festhalten. Eines der Beispiele, die heute noch auf dem Markt sind, ist das Nutella-Glas. Ist daher die These falsch? Ganz im Gegenteil, aber die Individualisierung wurde auf einer ganz anderen Ebene realisiert.

Die Individualisierung wurde eher selten in der physischen Welt realisiert (auch wenn viele ihr Auto sehr individuell am Rechner stylen – das ist sehr deutsch, in den USA nehmen die Kunden den Neuwagen so, wie er im Schaufenster steht und selbst Landmaschinen werden nicht angepasst, sondern die Kunden nehmen, was angeboten wird und fahren damit aus der Halle), sondern es geht um die Anpassung von Produkten in der virtuellen Welt. Hier ist das Smartphone das beste Beispiel. Kaum jemand könnte selbst mit dem Smart Phone des eigenen Sohnes oder Partners im ersten Moment etwas anfangen – die benötigten Apps sind nicht installiert und selbst wenn dies der Fall ist, sind sie an unterschiedlichen Stellen zu finden. Die Musik ist nicht dieselbe, die Bücher auch nicht, die Kontakte sind nicht eingepflegt, die E-Mails nicht abrufbar, die Fotos nicht zu sehen, LinkedIn ist mit dem falschen Konto verknüpft und die Kommunikation über Chat Services wie WhatsApp oder Threema funktioniert gar nicht. Im Prinzip ist es erst dann nutzbar, wenn es komplett neu aufgebaut wurde. Es sind also die Software-Lösungen, die die Produkte individualisieren.

Im B2C-Bereich sehen wir schon seit Jahren den weiter steigenden Trend der „digitalen Augmentierung“ physischer Produkte, also den Ansatz, greifbare Produkte und digitale Dienste zu einem wertschöpfenden Angebotsbündel zusammenzufügen. Dies hat einen großen Vorteil, denn der Kundennutzen beschränkt sich nicht auf die einmal gekauften Ab-Werk-Features, sondern auf den kompletten zeitlichen Einsatz, da über Updates oder Neukonfiguration der Software neue Leistungen angeboten werden können. Der Erfolg und ökonomische Nutzwert dieses Konzepts kann von den B2C-Märkten auf B2B übertragen werden. Insbesondere, wenn in der Produktion mehr Flexibilität und schnellere Kooperationen gefordert sind, werden diese Optionen zum Key Selling Point und Software wird damit in noch größerem Maße zum zentralen Differenzierungsmerkmal. Dann kann es, wie im Fall von Tesla, auch passieren, dass ein Produkt von den Kunden angenommen wird, wenn die Hardware aus Kundensicht als „good enough“ (nicht exzellent) angenommen wird, weil die vormals noch als „Add On“ verstandene Software zum Kernprodukt wird [3]. Damit wird ein ganz neuer Markt betreten – denn von dem Moment, in dem die Software an Bedeutung als wahrgenommener Kundennutzen zunimmt, werden auch die generierten Daten immer wichtiger.

2.2 Von der Produktionsoptimierung zu neuen Geschäftsmodellen

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Wenn Produkte und Produktionsanlagen mit weiterer Software ausgestattet werden, wird eine Vielzahl von Nutzungsdaten generiert. Werden diese Daten auf die richtige Weise ausgewertet, können (auch latente) Kundenwünsche oder Bedürfnisse erfasst und mit den richtigen Geschäftsmodellen bzw. Angeboten befriedigt werden. Selbstverständlich sind nicht alle Daten dazu geeignet, denn bspw. sind die in Millisekunden innerhalb von Produktionsanlagen und Maschinen ausgetauschten Steuerungsbefehle nicht verwertbar, da sie entweder zu unwichtig und damit nutzlos sind oder, richtig ausgewertet, Rückschlüsse auf Einstellungsparameter und Materialien zulassen, die ausschließlich dem Betreiber der Anlage zustehen, insbesondere dann, wenn das Produktionsverfahren an sich das höchste Know-how des Betreibers darstellen.

Andererseits können Nutzungsdaten, die dem Hersteller der verwendeten Maschine zur Verfügung gestellt werden, ermöglichen, dass Services wie Condition Monitoring den Ausfall von Maschinen verhindern oder dass die Maschine für andere Produkte adaptiert und mit optimalen Parametern ausgestattet wird. „Adaptive“ Produkte können während ihrer Verwendung digital beeinflusst und an veränderte Anforderungen angepasst werden.

Nutzungs- und kontextbezogenen Daten stehen heute in größer Menge zur Verfügung und bieten Chancen für die Entwicklung innovativer Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Doch der Großteil der derzeit generierten und ausgewerteten Daten wird heute jedoch lediglich für die eigene Produktionsoptimierung genutzt und weniger, um Geschäftsmodelle zu innovieren. Doch sind die meisten Produktionsanlagen und -prozesse in Deutschland ausoptimiert. Wenn die Daten jetzt nicht für neue hybride Produkte und Geschäftsmodellinnovationen genutzt werden, wird Deutschland das Nachsehen haben, denn, auch wenn mit Produktionsoptimierung 1000 € pro Stunde bei der Herstellung von Produkten gespart werden, werden Geschäftsmodelle, die mit Daten disruptiv mehr als 1 Mio. € pro Tag erwirtschaften, überlegen sein – nur, das Risiko, dass die Innovation nicht den erhofften wirtschaftlichen Erfolg zeigt, ist höher, als bei inkrementeller Optimierung.

Die Herausforderung ist Folgende: nehmen wir an, ein familiengeführten KMU, das Stellgeräte für die Pharmaindustrie herstellt, möchte innovative, datenbasierte Services anbieten. Die softwarebasierte Individualisierung bedeutet eine verbesserte Differenzierung am Markt. Dem Hidden Champion fehlen jedoch die Kompetenzen, mit Big Data Analytics gepaarte Condition Monitoring Services anzubieten, weswegen er sich diese Kompetenz von einem in einem Niedriglohn-Land ansässigen Start-up holt. Nach erstem Erfolg bietet das Start-up an, die Daten-basierten Services auszubauen und Daten aus dem Betrieb der Stellgeräte zu aggregieren und so aufzubereiten, dass neue Dienstleistungen angeboten werden können. Die Verhandlungen führt das Start-up über die Daten direkt mit den Betreibern der Anlagen, um den Schutz dieser sicher zu stellen. Sie sehen das Problem? Der Hersteller der Stellgeräte ist weiterhin der Hersteller der Stellgeräte, doch das Geld mit den Services, den Ausbau dieses Geschäfts und den direkten Kundenkontakt mit allem Know-how über dessen latente Wünsche, die sind woanders [4].

2.3 Plattform-Ökosysteme

Wenn neue Geschäftsmodelle mit Daten auch in Deutschland etabliert werden sollen, um mit hybriden Leistungsbündel und Smart Services neue Wertschöpfung zu generieren, sind passende Plattformen für den B2B-Bereich unerlässlich. Hier müssen eben jene Daten, die bei den Kunden durch die Nutzung von Geräten oder Maschinen generiert werden, entweder aggregiert und soweit anonymisiert werden, dass der Hersteller der Maschinen aus diesen Daten lernen und darauf aufbauend neue Services allgemein anbieten kann oder genau diese Daten zwischen den Partnern ausgetauscht werden können, dass ein Missbrauch vertraglich und im Sonne einer langjährigen Partnerschaft unterbunden wird, sodass beide Partner von den Daten und neuen Services profizieren können.

Die entstehenden und noch zu entwickelnden neuen Eco-Plattformen können zudem die Voraussetzung für eine Flexibilisierung der Supply Chains im Sinne der oben beschriebenen Wertschöpfungsnetze bieten: freie Produktionskapazitäten oder Ersatzkapazitäten können dann nicht nur im Fall von Ausfällen, sondern auch bei Produktionsengpässen durch unvorhergesehen erhöhte Marktnachfrage oder für innovative Produkte mehrerer Partner schnell gehandelt werden.

Eine gute Basis, solche Plattformen aufzusetzen und auf Produktionskapazitäten bis hinunter zu einzelnen Maschinen auch KI-basiert zu verhandeln, verspricht das „Digitale Typenschild“, mit dem es möglich ist, die Verwaltungsschale abzubilden und damit den Digitalen Zwilling mit jedem Produkt mitzuführen [5]. Wenn dieses Typenschild breitflächig Anwendung findet, könnte zum Teil auf langwierige physische Qualitätstests, die bis zu einem drei viertel Jahr dauern können, zugunsten schneller virtueller Tests verzichtet werden und damit eine weitaus schnellere Reaktionsgeschwindigkeit für ad-hoc-Wertschöpfungsnetzwerke, die über die neuartigen Plattformen gemakelt und automatisiert unterstützt, vertraglich abgesichert werden. Qualitätsaudits könnten durch Simulationen ergänzt werden. Ebenso könnten freie Produktions-, Lager- oder Montagekapazitäten über solche Plattformen verhandelt werden. Mittels des Digitalen Zwillings und der Simulation der benötigten Kapazitäten Qualität, Quantität sowie Termintreue abgeschätzt und verhandelt werden [6]. Doch dafür sind technologische Voraussetzungen zu schaffen, die zwar in der Theorie und in Forschungsergebnissen vorliegen, aber außer einzelnen Leuchtturmprojekten noch nicht Eingang in die Praxis gefunden haben.

3 Technologische Enabler

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Die technologischen Enabler Modularität, Konnektivität, Digitaler Zwilling und Autonomie müssen weiterentwickelt werden, um die neue Plattform-Ökonomie, die notwendigen Wertschöpfungsnetze, die Flexibilisierung der Produktion und die hybriden Leistungsbündel zu ermöglichen [7].

3.1 Modularität

Das Design komplexer Produkte und Systeme sollte modular erfolgen. Auf die Art können die Produkte leichter an neue Anforderungen der Märkte oder unterschiedliche Kundengruppen sowie bei Lieferengpässen oder Ausfall von Lieferanten angepasst werden. Insbesondere der Austausch einzelner Module über den Lebenszyklus bietet ein großes Maß an Flexibilität, da nicht nur defekte Module ausgetauscht, sondern neue Funktionalitäten ermöglicht werden können. Resilienz by Design bedeutet dabei, dass nicht Top-down und in Hierarchien gedacht wird, die irreversibel sind, sondern von vornherein die Module inklusive der physischen wie der Softwarekomponenten kompatibel und austauschbar sind.

3.2 Konnektivität

Wenn Module austauschbar und kompatibel sein sollen, müssen sie, als Grundvoraussetzung, miteinander verbunden werden können, also Konnektivität bieten. Im komplexen System müssen sie nicht nur untereinander, sondern auch mit neben-, über und untergelagerten Systemen in der gewünschten Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit kommunizieren, also ein IoT-Ecosystem bilden können. Nur eine bruchfreie Kommunikation aller Komponenten eines Produktionssystems ermöglicht die Effizienz, die wir benötigen.

3.3 Digitaler Zwilling

Konnektivität und Interoperabilität mit IT (ECO-)Systemen sind wesentliche Fähigkeiten Digitaler Zwillinge. Diese Fähigkeiten werden benötigt, um Daten des physischen Produkts und seiner digitalen Services zu erfassen, zu speichern, zu verarbeiten und bei Bedarf wieder bereitzustellen oder um mit dem repräsentierten, physischen oder virtuellen Objekt zu kommunizieren [8]. Für die neuen Wertschöpfungsnetze und Eco-Plattformen für die produzierende Industrie und ihrer Smarten Services sind Digitale Zwillinge unabdingbar, denn die ermöglichen, dass Aussagen zu dem zu erwartenden Systemverhalten getroffen werden können. Entweder, wenn das System noch nicht existiert oder, wenn noch nicht sicher ist, wie sich eine Maschine in eine bestehende, miteinander kommunizierende Produktionsanlage einfügen kann und auch, um bei kooperativer Produktion Qualitäten, zeitliche Verfügbarkeiten und Output-Quantitäten einzuschätzen.

3.4 Autonomie

Gerade diese komplexen Produktionssysteme benötigen eine ganz andere Art der Optimierung. Aufgrund ihrer Komplexität und der oben beschriebenen, geforderten Flexibilität, kann ihre Anpassung nur mithilfe autonomer Systeme erfolgen, die den Menschen bei seiner Optimierungsaufgabe unterstützen. Das autonome System besteht dabei aus den drei Komponenten Automation, Digitaler Zwilling und KI. Entscheidend für ihren Einsatz ist ihre Akzeptanz bei den zukünftigen Anwendern. Dafür ist es wichtig, dass die verantwortlichen Personen jederzeit ultimativ eingreifen können. Aber dies kann nur dann sinnvoll geschehen, wenn das, was die autonomen Systeme tun, reproduzierbar und erklärbar ist, also genügend Transparenz vorliegt. Solange dies in der eigenen Produktion stattfindet, ist die Transparenz ein geringes Problem, doch in dem Moment, wenn wir solche autonomen Systeme in den Anlagen von Betreibern etablieren oder spätestens, wenn wir das automatisierte Fahren betrachten, werden wir über Datenhoheit reden müssen. Wenn wir jedoch keinen Weg finden, so viel Vertrauen zu generieren, dass Daten zwischen Vertragspartnern ausgetauscht werden können, weil das Misstrauen überwiegt, werden alle hier beschriebenen Konzepte, die Deutschland als Technologienation wieder nach vorne bringen sollen, scheitern.

3.5 Kollaboration und Transparenz

Den hier genannten Konzepten für Wertschöpfungsnetze, Geschäftsmodellinnovation und neuartige Business-Ökoplattformen liegt ein kollaborativer Charakter zugrunde. Die Konzepte basieren in erster Linie auf Transparenz, Durchgängigkeit, dem Teilen von Daten, der Teilnahme an offenen Plattformen und auch der Nutzung von Open Source Software. Hier müssen wir in Deutschland einen Kulturwandel erreichen und in Infrastruktur, Know-how sowie in neue Organisationsformen und den Kulturwandel in Unternehmen investieren, da sonst eine globale Marktdifferenzierung nicht erzielt werden kann. Selbstverständlich muss dazu der Nutzen als klar messbarer (monetärer) Erfolg sichtbar gemacht werden, um die notwendige Breitenwirkung zu erzielen.

Die Diskussion um Daten-Souveränität ist daher besonders wichtig, doch dürfen wir über die Diskussion den Mut zur Veränderung nicht verringern. Im ersten Halbjahr 2020, im Druck der Pandemie sind sehr viel mehr innovative Ideen entstanden, als in den drei Jahren zuvor und ihre Umsetzung in ersten „minimal viable products“ hat wesentlich weniger Zeit in Anspruch genommen, als diese Veränderungen unter normalen Bedingungen vermutlich benötigt hätten. Wenn wir auch nur eine einzige positive Sache aus dieser Situation mitnehmen können, dann ist das der Mut zur Veränderung und die Erkenntnis, dass ein schneller Wandel möglich ist. Die Bereitschaft, mit höherem Risiko ein neues Produkt oder eine neue und auch neuartige Kooperation auszuprobieren und später nachzujustieren, also mit agilem Prozessmanagement zu agieren, sollten wir in die Zukunft mitnehmen und aus unseren Erfahrungen lernen.