Lange Zeit galt der Schadensersatz bei Verletzung von Immaterialgüterrechten als Schwachstelle im Rechtsschutzsystem des italienischen Immaterialgüterrechts. Der Aufsatz zeichnet vor dem Hintergrund der geltenden Rechtsgrundlagen und Rechtsprechung den Weg zur ausführlichen Regelung des Schadensersatz- und Gewinnabschöpfungsanspruchs des Rechtsinhabers bei Verletzung von gewerblichen Schutzrechten nach. Der Beitrag weist auf praktische Probleme bei der Durchsetzung des bereicherungsrechtlich konzipierten Anspruchs auf Gewinnabschöpfung hin, die den Rechtsinhaber weiterhin vor eine Reihe von Herausforderungen stellen.

1 Grundsätze

1.1 Rechtsgrundlagen

Im italienischen Recht galt der Ersatz von Schäden bei Verletzung von Immaterialgüterrechten über lange Zeit als dunkle und wenig rationale Seite,Footnote 1 auch als punctum dolens oder gar als „schwarzes Loch“Footnote 2 des Rechtsschutzes im Immaterialgüterrecht. Dies änderte sich erst im Jahr 2005, als mit D. lgs. vom 10.02.2005, Nr. 30 der Codice della proprietà industrialeFootnote 3 (kurz: c.p.i.) erlassen wurde. Mit der Umsetzung des Art. 13 der sog. Durchsetzungs-RL der EG (Enforcement-RL, 2004/48/EG) gibt es seit 2006 in Art. 125 c.p.i. eine ausführliche Regelung des Schadensersatz- und Gewinnabschöpfungsanspruchs des Rechtsinhabers bei Verletzungen von gewerblichen Schutzrechten (proprietà industriale). Im Urheberrechtsgesetz (L. 22.04.1941, Nr. 633, kurz. l.a.), das im Gegensatz zum Marken- und Patentrechtsgesetz nicht im Codice della proprietà industriale aufgegangen ist, wurde Art. 158 l.a. entsprechend angepasst.

1.2 Entwicklung der Rechtsprechung bis 2005

In der Zeit bis 2005 bzw. vor der Umsetzung der Durchsetzungs-RL im Jahr 2006 gab es in Italien lediglich rudimentäre, auf das allgemeine Schadensersatzrecht verweisendeFootnote 4 Vorschriften im Urhebergesetz,Footnote 5 PatentgesetzFootnote 6 und Markengesetz.Footnote 7 Sehr rasch erkannte man allerdings, dass in vielen Fällen der zu leistende Schadensersatz weit unter dem vom Verletzer erzielten Gewinn lag. Dies war nicht nur der äußerst schwierigen Beweisführung geschuldet, sondern lag auch daran, dass nach der im Schadensrecht geltenden Differenztheorie nur Vermögensnachteile des Geschädigten auszugleichen sind. Nun kann es aber vorkommen, dass ein solcher Nachteil entweder gar nicht beweisbar ist, weil der Rechtsinhaber keine Umsatzeinbußen zu verzeichnen hat oder die Umsatzeinbußen nur geringfügig ausfallen, sodass der Rechtsverletzer den erzielten Gewinn im Wesentlichen behalten kann. Im Ergebnis bedeutet dies freilich, dass sich die Rechtsverletzung für den Verletzer in vielen Fällen wirtschaftlich lohnte, sodass von der Schadensersatzpflicht kein effektiver negativer Anreiz zur Verhinderung von künftigen Rechtsverletzungen ausgehen konnte.

Nun kann man diesem misslichen Umstand entgegenhalten, dass das Schadensersatzrecht, anders als etwa das Strafrecht, eben nicht das Ziel verfolgt, den Verletzer vor Wiederholungshandlungen abzuschrecken, sondern in erster Linie den Geschädigten schadensfrei stellen will.Footnote 8 Dies bedeutet, dass im Rahmen der sog. Ausgleichungsfunktion (funzione compensativa) der durch die Verletzungshandlung verursachte Vermögensnachteil beim Geschädigten mit einer Schadensersatzleistung auszugleichen ist. Für eine Abschöpfung des Gewinns beim Verletzer bleibt damit im klassischen Schadensersatzrecht kein Raum.

Ungeachtet dieses systematischen Arguments gegen eine Gewinnabschöpfung im Rahmen des Schadensersatzrechts hat die Rechtsprechung schon vor 2005 die Notwendigkeit erkannt, auch vom Verletzer erzielte Gewinne bei der Berechnung des Schadensersatzes einzubeziehen. Dass damit die Systematik des allgemeinen Schadensersatzrechts verzerrt wurde, nahm man in Kauf.Footnote 9 Dafür bediente man sich einer Reihe von Fiktionen. So hat etwa die Corte d’Appello di Milano entschieden, dass der bei der Bemessung des Schadensersatzes zu berücksichtigende entgangene Gewinn (lost profits) den gesamten Gewinn des Verletzers umfasse. Hierfür wurde fingiert, dass der Rechtsinhaber den Gewinn des Rechtsverletzers vollständig auch selbst erzielt hätte.Footnote 10 In anderen Entscheidungen, besonders im Urheberrecht aber auch im Markenrecht, wurde das Kriterium eines angemessenen Entgelts (giusto prezzo del consenso) für die Nutzung im Wege der sog. Lizenzanalogie als Kriterium für die Berechnung des entgangenen Gewinns herangezogen. Damit berechnete man den entgangenen Gewinn des Geschädigten auf der Grundlage des Betrages, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte zahlen müssen, um mit Erlaubnis des Rechtsinhabers das Recht nutzen zu können (royalties).Footnote 11 In einer weiteren Gruppe von Fällen wurde der entgangene Gewinn des Geschädigten im Rahmen des nach Billigkeit zu bemessenden Schadens jedenfalls mit dem vom Verletzer erzielten Gewinn gleichgesetzt.Footnote 12 Die Grenzen dieser Auslegung lassen sich allerdings anhand eines einfachen Beispiels aufzeigen: Wenn die Rechtsverletzung durch einen großen Konzern erfolgt, der über viel bedeutendere Verkaufs- und Vermarktungswege verfügt als der Rechtsinhaber, läuft die Behauptung, der Rechtsinhaber hätte denselben Gewinn erzielen können, ins Leere.Footnote 13 Man denke etwa an einen multinationalen Konzern, der das Patent eines kleinen Unternehmens verwendet, um es weltweit zu vermarkten, während das kleine Unternehmen selbst niemals die Kapazität gehabt hätte, einen so großen Markt zu bedienen.Footnote 14

1.3 Gewinnabschöpfung als Bereicherungsanspruch

In der Lehre wurde daher der Versuch unternommen, die Gewinnabschöpfung auf eine überzeugendere Grundlage zu stellen, indem man sie als besonderen Bereicherungsanspruch außerhalb des Schadensersatzrechts gemäß Art. 2041, 2042 c.c. qualifizierte.Footnote 15 Diese Systematisierung der Gewinnabschöpfung als vom Schadensersatzrecht zu trennender Bereicherungsanspruch gewann vor allem bei der Ausarbeitung der im Jahr 2005 in Kraft getretenen neuen gesetzlichen Regelung an Bedeutung,Footnote 16 während sie von der Rechtsprechung kaum rezipiert wurde.

1.4 Zwischenergebnis

Das bis 2005 nach den Grundsätzen des Schadensersatzrechts operierende System führte jedenfalls zu keinem befriedigenden Ergebnis, denn trotz der systematischen Verzerrungen, die das Schadensersatzrecht über sich ergehen lassen musste, scheiterte der Anspruch auf Gewinnabschöpfung häufig an der Beweisproblematik. Es war schlicht unmöglich nachzuweisen, ob und in welchem Ausmaß der Verletzer durch die Verletzungshandlung Gewinn erzielt hatte und selbst wenn in den wenigen Entscheidungen ein Schadensersatzanspruch zuerkannt wurde, blieb er häufig sehr gering,Footnote 17 sodass das italienische Rechtssystem auch als „Paradies“ für Verletzer von Immaterialgüterrechten bezeichnet wurde.

2 Schadensersatz und Gewinnherausgabe gem. Art. 125 c.p.i.

2.1 Rechtsrahmen

Das unterschiedliche Schutzniveau des geistigen Eigentums in den Mitgliedstaaten der EU veranlasste die Europäische Gemeinschaft, auch in Anbetracht der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS), in diesen Bereich mit der Durchsetzungs-RL einzugreifen. Die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums wurde nämlich als zentral für den Erfolg des Binnenmarkts angesehen.Footnote 18

Die für die Ausarbeitung des c.p.i. beauftragte Expertenkommission beschloss zunächst eine Formulierung des Art. 125 c.p.i., wonach neben dem Schadensersatzanspruch auch ein eigenständiger Bereicherungsanspruch für die Herausgabe des Verletzergewinns gesetzlich verankert werden sollte.Footnote 19 Im Laufe der Gesetzwerdung wurde dieser Anspruch allerdings wieder gestrichen und der Verletzergewinn lediglich zu einem für die Bestimmung des entgangenen Gewinns relevanten Element herabgestuft.

Ein Jahr später erfolgte dann mit der Umsetzung der Durchsetzungs-RL in ItalienFootnote 20 eine Novellierung des Art. 125 c.p.i. (nicht jedoch des Art. 158 l.a.), wonach vom Verletzer erzielte Gewinne alternativ zum Ersatz des entgangenen Gewinns oder jedenfalls in dem darüber hinausgehenden Teil zurückgefordert werden können (Art. 125 Abs. 3 c.p.i.).Footnote 21 Auch die Überschrift des Art. 125 c.p.i. wurde angepasst und bezieht sich nunmehr ausdrücklich auf den Schadensersatz und die Rückerstattung der Gewinne.Footnote 22 Der italienische Gesetzgeber entfernte sich damit insofern von der Systematik der Durchsetzungs-RL und selbst von Art. 45 TRIPS, als er für die Rückerstattung der Gewinne nicht darauf abstellt, ob die Rechtsverletzung wissentlich oder unwissentlich erfolgt ist.Footnote 23

2.2 Systematik der Anspruchsgrundlagen in Art. 125 c.p.i.

Art. 125 c.p.i. enthält zwei voneinander zu unterscheidende Anspruchsgrundlagen.Footnote 24 Abs. 1 räumt dem Rechtsinhaber einen Schadensersatzanspruch nach den Haftungsvoraussetzungen des allgemeinen Zivilrechts ein (Art. 2043 ff c.c.).Footnote 25 Der Rechtsinhaber hat somit zu beweisen, dass der Verletzer vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat (Verschulden) und dass er durch die Verletzungshandlung einen Schaden erlitten hat (rechtswidrige Verletzung, Kausalität und Schaden).

Bei der Schadensberechnung sind gemäß Art. 1223 c.c. sowohl der positive Schaden (perdita subita) als auch der entgangene Gewinn (mancato guadagno) zu berücksichtigen. Im Rahmen des positiven Schadens sind ersatzfähig: die vom Rechtsinhaber aufgewendeten Kosten für die Entdeckung und den Beweis der VerletzungFootnote 26 sowie die Rechtsverfolgungskosten, durch die Rechtsverletzung frustrierte Aufwendungen (Werbung, Einrichtung von Geschäften, Abteilungen etc.); Verletzungsbeseitigungskosten (Werbung (pubblicità ricostruttiva), Kosten für Aussendungen und Broschüren). Als entgangener Gewinn sind auch jene Gewinnverluste zu berücksichtigen, die durch den Verkaufsrückgang von Nebenprodukten zum Hauptprodukt eingetreten sind,Footnote 27 sowie Verluste durch price erosion (Preisverfall durch das gefälschte Produkt am Markt) und bridge head sales (Gewinnrückgang durch die vom Rechtsverletzer durch die Rechtsverletzung errungene Marktposition).

Bei der Berechnung der Schadenshöhe sollen alle relevanten Umstände berücksichtigt werden, so etwa die negativen wirtschaftlichen Folgen einschließlich des entgangenen Gewinns des Rechtsinhabers, die vom Verletzer durch die Rechtsverletzung erzielten Vorteile sowie unter Umständen der Nichtvermögensschaden des Rechtsinhabers. In Bezug auf die Verletzung von gewerblichen Schutzrechten ist allerdings unklar, worin dieser immaterielle Schaden bestehen soll, denn auch eine Beeinträchtigung des guten RufsFootnote 28 oder Bildes eines Unternehmens am Markt oder einer Marke wird sich letztlich auf den Umsatz niederschlagen und somit als Vermögensschaden zu qualifizieren sein.Footnote 29 Indes spielt der Schadensersatz für immaterielle Schäden wegen Verletzung von gewerblichen Schutzrechten nach Auskunft von Praktikern in der Anwendungspraxis eine große Rolle, wohl in erster Linie deshalb, weil diesbezüglich die im Übrigen geltenden hohen beweisrechtlichen Hürden hinsichtlich der Existenz und Höhe des geltend gemachten Schadens leichter überwunden werden können. Bei Urheberrechtsverletzungen sind Nichtvermögensschäden dagegen leichter von den Vermögensschäden zu trennen. Ihr Ersatz ist ebenso ausdrücklich vorgesehen (Art. 158 Abs. 3 l.a.).Footnote 30

Art. 125 Abs. 3 c.p.i. räumt dem Rechtsinhaber dagegen einen eigenständigenFootnote 31 Anspruch ein, der zum Zweck der Gewinnabschöpfung gegen den Verletzer gerichtet ist und zwar entweder alternativ zum Schadensersatzanspruch oder gemeinsam mit dem Schadensersatzanspruch für jenen Teil der vom Verletzer erzielten Gewinne, die über den Ersatz für den entgangenen Gewinn hinausgehen. Dabei handelt es sich jedenfalls um einen vom Schadensersatzanspruch getrennten und somit autonomen Anspruch,Footnote 32 der nicht auf den Ausgleich eines erlittenen Schadens gerichtet ist, sondern auf Herausgabe eines Gewinns, der aus der Verletzung des Rechts stammt und aus diesem Grund dem Rechtsinhaber zuzuordnen ist.Footnote 33 In der Lehre wird der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns als sondergesetzlich geregelter BereicherungsanspruchFootnote 34 oder, nach überzeugender Ansicht, als ein Fall der Abschöpfung von Vermögensvorteilen wegen unrechtmäßiger Bereicherung (rimedio speciale per arricchimento ingiusto) qualifiziert.Footnote 35

2.3 Schadensbemessung: Billigkeit und Lizenzanalogie

Nachdem der Schaden aufgrund der schwierigen Beweisführung häufig in seiner Höhe nicht genau bestimmbar ist, kann das Gericht die Schadenshöhe auch nach Billigkeit bemessen (Art. 1226 c.c., Verweis in Art. 125 Abs. 1 c.p.i.). Indes ist darauf hinzuweisen, dass der Rechtsinhaber nach ganz herrschender Ansicht dadurch nicht von seiner Beweislast bezüglich der Existenz des Schadens und der Kriterien für die Billigkeitsbemessung befreit wird.Footnote 36 Aus diesem Grund kann das Schadensersatzbegehren des Rechtsinhabers scheitern, wenn nicht zumindest die Voraussetzung (nämlich das Bestehen eines Schadens) für eine Schadensbemessung nach Billigkeit bewiesen wird.Footnote 37 Als derartige Grundlage wurde allerdings auch schon der Beweis angesehen, dass die mittels Rechtsverletzung hergestellten Erzeugnisse vermarktet wurden, womit der Schaden bereits durch den Beweis der Rechtsverletzung in seinem Bestand implizit (in re ipsa) belegt ist.Footnote 38

Alternativ besteht in Fällen, in denen ein höherer Schaden nicht bewiesen werden kann, die Möglichkeit gemäß Art. 125 Abs. 2 c.p.i. eine Globalbemessung des Schadens (lump sum) zu verlangen. Demnach kann neben einer Pauschalsumme für den aus den Verfahrensakten resultierenden positiven Schaden auch ein Betrag für den entgangenen Gewinn zugesprochen werden. Der entgangene Gewinn ist im Wege der Lizenzanalogie (royalty virtuale) zu bemessen, d. h. er ist so zu berechnen, dass er nicht unter dem Betrag liegt, den der Verletzer als Lizenzgebühr für die Rechtsnutzung zahlen hätte müssen.Footnote 39 Problematisch an dieser Berechnungsmethode ist jedoch, dass sie den Rechtsverletzer tendenziell begünstigt, denn eine nach Marktkriterien berechnete Lizenzgebühr wird den Lizenznehmer nie zur Herausgabe des gesamten Gewinns zwingen.Footnote 40 Eine Lizenzgebühr wird zu Marktbedingungen nämlich vernünftigerweise immer nur so hoch sein können, dass der Lizenznehmer nach Abzug der Produktionskosten und Lizenzgebühr auch noch einen Gewinn erzielen kann. Darüber hinaus bewirkt dieses Kriterium eine AushöhlungFootnote 41 des ausschließlichen Nutzungsrechts des Rechtsinhabers, weil sich jeder auch gegen den Willen des Rechtsinhabers die Möglichkeit der Rechtsnutzung durch Zahlung einer fiktiv zu berechnenden Lizenzgebühr verschaffen kann.Footnote 42

Bei der Berechnung der fiktiven Lizenzgebühr wenden die Gerichte unterschiedliche Kriterien an. Während einzelne Gerichte nach Billigkeit und ohne weitere Begründung eine bestimmte Summe als Prozentsatz des rechtswidrig erzielten Umsatzes (z. B. 5 oder 10 %) festsetzen,Footnote 43 ziehen andere Gerichte Sachverständige heran, um die am Markt üblichen Lizenzgebühren zu ermitteln.Footnote 44 Diese Summe wird sodann, ohne dass das Gesetz dies ausdrücklich erlaubt, fallweise noch weiter angehoben, um zu vermeiden, das der Rechtsverletzer aus dieser für ihn jedenfalls günstigen Berechnungsmethode Vorteile ziehen kann.Footnote 45 So verdoppelte etwa das Landesgericht Mailand die mit 5 % bezifferte marktübliche Lizenzgebühr auf 10 %, um dem Verletzer nicht dieselbe Behandlung zukommen zu lassen, wie demjenigen, der auf rechtmäßige Weise eine Lizenz zu marktüblichen Preisen erwirbt.Footnote 46 Das Landesgericht Turin erhöhte die Lizenzgebühr von 5 % auf 7 %, weil der Verletzer trotz Unterlassungsaufforderung durch den Rechtsinhaber die Rechtsverletzung fortgesetzt hatte. Ein einheitliches Bemessungsschema für die Berechnung der fiktiven Lizenzgebühr hat sich bisher allerdings nicht durchsetzen können. Im Jahr 2017 hat der EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren festgehalten, dass eine nationale Regelung, die bei der Berechnung der fiktiven Lizenzgebühr einen Aufschlag von 100 % auf die marktübliche Lizenzgebühr vorsieht, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.Footnote 47 Vor diesem Hintergrund ist diese italienische Rechtsprechung als richtlinienkonform anzusehen, wenngleich sie im italienischen Recht keine gesetzliche Grundlage hat und somit Ergebnis richterlicher Rechtsfortbildung ist.

2.4 Gewinnabschöpfung: disgorgement of profits

Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns hängt anders als in Art. 13 Abs. 2 Durchsetzungs-RL in Art. 125 c.p.i. nicht davon ab, ob der Verletzer von seiner Verletzungshandlung nicht wusste oder nicht vernünftigerweise wissen hätte müssen. Die Durchsetzungs-RL wurde insofern in Italien überschießend umgesetzt, was wegen einer möglichen Überschreitung des Ermächtigungsgesetzes auch verfassungsrechtliche Bedenken ausgelöst hat.Footnote 48 Der Anspruch kann alternativFootnote 49 zum Schadensersatzanspruch für entgangenen Gewinn bzw. in Ergänzung zum Schadensersatzanspruch für entgangenen Gewinn geltend gemacht werden, sofern der Ersatz für den entgangenen Gewinn unter dem Verletzergewinn bleibt. Der Anspruch auf Gewinnabschöpfung lässt den Anspruch auf Ersatz des positiven Schadens jedenfalls unberührt.

Während das Gesetz lediglich von Rückerstattung der Gewinne spricht und somit offen lässt, ob damit alle Gewinne gemeint sind oder nur jene, die unmittelbar aus der Rechtsverletzung folgen, geht die herrschende Lehre davon aus, dass nur jener Gewinn herausverlangt werden kann, der in unmittelbar kausalem Zusammenhang mit der Rechtsverletzung steht.Footnote 50 In der Rechtsprechung wird dies aufgrund einer insgesamt unterkomplexen Diskussion der Problematik häufig nicht hinreichend berücksichtigt.Footnote 51

Im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzungen ist die Gewinnabschöpfung als eigenständiger Anspruch nicht explizit vorgesehen (Art. 158 l.a.). Sehr wohl sieht Art. 158 l.a. aber die Berücksichtigung des Verletzergewinns bei der Bestimmung der Höhe des entgangenen Gewinns im Rahmen der Schadensberechnung vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass somit der Verletzergewinn in die Berechnung der Schadenshöhe nur dann einfließen kann, wenn die Rechtsverletzung vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde und alle weiteren Voraussetzungen für die Verschuldenshaftung vorliegen.Footnote 52 Ein autonomer, verschuldensunabhängiger Anspruch auf Gewinnabschöpfung lässt sich aus dieser Bestimmung nicht ableiten und könnte nur aufgrund der allgemeinen bereicherungsrechtlichen Vorschriften konstruiert werden.Footnote 53

2.5 Praktische Probleme bei der Durchsetzung dieser Ansprüche

Die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen im Falle einer Rechtsverletzung stellt den Rechtsinhaber in jedem Fall vor große Herausforderungen. Dies hat sich auch mit der neuen Rechtsgrundlage nicht wesentlich geändert. Nach der allgemeinen Regel der Beweislastverteilung obliegt es dem Rechtsinhaber als Kläger zu beweisen, dass er einen Schaden erlitten hat und dass dieser Schaden durch die Rechtsverletzung verursacht wurde. Somit genügt es nicht zu beweisen, dass ein Umsatzrückgang stattgefunden hat, sondern es muss darüber hinaus glaubhaft dargelegt werden, dass der Umsatzrückgang auf die Rechtsverletzung zurückzuführen ist.Footnote 54 Selbst wenn bewiesen werden kann, dass der Umsatzrückgang des Rechtsinhabers durch die Rechtsverletzung verursacht wurde, ist eine weitere Hürde zu nehmen, die darin besteht, die genaue Schadenshöhe zu ermitteln. Der Umsatzrückgang beim Rechtsinhaber entspricht nämlich in aller Regel nicht den Umsatzzuwächsen des Verletzers. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es für das Produkt nur zwei Anbieter (den Rechtsinhaber und den Verletzer) am Markt gäbe und im Übrigen die Nachfrage konstant bliebe.Footnote 55 Indes liegen diese Voraussetzungen in der Realität fast nie vor, weil meist mehrere Anbieter unterschiedlicher, ersetzbarer Produkte am Markt miteinander konkurrieren und somit zu viele verschiedene Faktoren den Umsatz beeinflussen können. Zudem ist nicht die Umsatzeinbuße selbst, sondern der Bruttogewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) zu ermitteln, denn nur dieser könnte als entgangener Gewinn ersetzt werden. Footnote 56 Selbst der Ersatz des positiven Schadens, wie etwa der Kosten für die Aufdeckung der Rechtsverletzung, könnte sich bei verschiedenen, unabhängig voneinander agierenden Verletzern schwierig gestalten. Sie haften nämlich nicht solidarisch, sodass jedem getrennt ein Teil dieser Kosten zuzurechnen wäre, wobei sich fragt, nach welchen Kriterien hier eine Aufteilung der entstandenen Kosten erfolgen soll. Besonders komplex, aber in der Praxis häufig, ist auch der Fall, dass die Rechtsverletzung lediglich einen Teil eines Produkts betrifft.Footnote 57 In diesem Fall ist für die Ermittlung der Gewinneinbuße des Rechtsinhabers auf die Bedeutung dieses Produktteils für den Umsatz abzustellen. Bei alledem erweist sich nicht nur die Ermittlung der Umsatzdaten, insbesondere jener des Rechtsverletzers, sondern auch die Interpretation und Ergänzung derselben zur Ermittlung des entgangenen Gewinns als besonders diffizil und macht somit jedenfalls die Beiziehung von Sachverständigen notwendig. Die Gerichte können sich dabei zwar mit einer Billigkeitsbemessung des Schadens gemäß Art. 125 Abs. 1 c.p.i. behelfen, indes ist auch dafür der Beweis zumindest eines durch die Rechtsverletzung verursachten Schadens erforderlich.

Auch im Zusammenhang mit der Ermittlung des unrechtmäßig erwirtschafteten Gewinns des Verletzers sieht sich der Rechtsinhaber mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert. Denn hierfür wäre ein freier Zugang zu den Buchhaltungsunterlagen des Verletzers erforderlich und selbst dieser Zugang könnte unzureichend sein, wenn etwa versucht wurde, den aufgrund der Rechtsverletzung erzielten Umsatz zu verschleiern. Die entsprechenden prozessrechtlichen Erleichterungen (Art. 121, 121-bis c.p.i. sowie allgemein Art. 210 c.p.c) sehen zwar die Möglichkeit vor, dass die Vorlage von Beweisurkunden der beklagten Partei gerichtlich angeordnet werden kann. Allerdings erfordern sie stets die Angabe schwerer Indizien sowie die genaue Bezeichnung der vorzulegenden Unterlagen, sodass die notwendige Beweiserleichterung für den Rechtsinhaber nicht die erhofften Wirkungen zeigen kann.Footnote 58

3 Fazit

Der italienische Gesetzgeber hat mit einer überschießenden Umsetzung der Durchsetzungs-RL versucht, den Schutz der Immaterialgüterrechte zu stärken. Indes hat dies angesichts der erheblichen Beweisschwierigkeiten in diesen Verfahren bisher nicht den erhofften Erfolg gezeigt. Das italienische Recht kennt nun zwar einen verschuldensunabhängigen Gewinnabschöpfungsanspruch, dessen Durchsetzung erweist sich aber in der Praxis mitunter als besonders steinig und hürdenreich. Prozessrechtliche Erleichterungen, die über die bereits vorgesehenen Maßnahmen hinausgehen, könnten diesbezüglich eine Wende herbeiführen.Footnote 59 So lange aber wird es für den Rechtsinhaber stets mit einem großen Kostenrisiko verbunden sein, sich auf einen Prozess gegen Rechtsverletzer einzulassen. Hinzu kommt die insgesamt lange Verfahrensdauer, sodass eine effiziente Abschreckung der Rechtsverletzer durch Schadensersatz- oder Gewinnabschöpfungsansprüche nicht bewirkt werden kann und das Kostenrisiko für Rechtsverletzer somit sehr überschaubar bleibt. Im Gegenzug dazu erweist sich aber gerade für kleinere und mittlere Unternehmen das Prozesskostenrisiko als eine wahre Hürde für die gerichtliche Durchsetzung ihrer Ansprüche. Wenn die Rechtsprechung in einzelnen Fällen und zuletzt wieder vermehrt den Beweis des Schadens bereits mit der Feststellung der Rechtsverletzung als erbracht ansieht,Footnote 60 ergibt sich daraus freilich eine Erleichterung für die Rechtsdurchsetzung des Rechtsinhabers. Indes handelt es sich dabei um eine mit der Systematik und Funktion des Schadensersatzrechts nicht vereinbare Konstruktion, weil sie auch unabhängig von einem konkret eingetretenen wirtschaftlichen oder immateriellen Nachteil zu einem systemfremden Schadensersatzanspruch führt und diesem damit eine gesetzlich nicht vorgesehene Straffunktion zuweist.