1 Einleitung

Die verschiedenen nationalen und internationalen Rechtssysteme konzipieren geografische Angaben (g.A.) als eine besondere Form des geistigen Eigentums, jedoch gibt es keinen Konsens über das Konzept selbst. Diese Debatten sind nicht nur rechtlicher Natur, sondern erstrecken sich auch auf Fragen der Agrar- und Handelspolitik, aber auch Fragen kultureller Art.Footnote 1

Aus normativer Sicht kann grundsätzlich zwischen zwei Ansätzen unterschieden werden: ein erster betrachtet eine geografische Angabe als Marke. Dieser Ansatz wird beispielsweise vom kanadischen Rechtssystem verfolgt.Footnote 2 Demgegenüber konzipiert ein anderer Ansatz die g.A. als Kennzeichen sui generis. Footnote 3 Dieser zweite Ansatz findet sich in der europäischen Gesetzgebung wieder. Diese unterschiedlichen Konzeptionen werden durch die in Art. 22 des TRIPS-ÜbereinkommensFootnote 4 gewählte Formulierung wiedergegeben, die ganz allgemein aufzeigt, dass sich die Besonderheit von g.A. im Vergleich zu anderen Rechten des geistigen Eigentums aus dem Ursprung des Produkts und den daraus resultierenden besonderen Merkmalen ergibt.Footnote 5

Auch das CETA-Abkommen, ein Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union,Footnote 6 enthält in Kapitel 20 (geistiges Eigentum), Abschnitt B (Immaterialgüterrechtsnormen) einen eignen Unterabschnitt C, der den geografischen Angaben gewidmet ist. Bezogen auf den gewählten Ansatz zur rechtlichen Systematisierung von g.A., dürfte diese Abkommen von einer bestimmten Relevanz sein, da es von den Befürwortern der beiden gegensätzlichen Ansätze ausgehandelt wurde. Dieser Beitrag überprüft, auf welche Art und Weise dies geschehen ist und führt die gewonnenen Erkenntnisse einer Bewertung zu.Footnote 7 Dafür wird in einem ersten Schritt kurz auf die Entwicklung der g.A.s eingegangen, um auf die Schwierigkeiten, die bei der rechtlichen Konzeption von g.A.s bestehen, hinzuweisen. In einem nächsten Schritt werden die aus europäischer Sicht wesentlichen Details der verschiedenen Konzepte hervorgehoben und gegenübergestellt. In einem dritten Schritt werden die dargelegten Erkenntnisse in Zusammenhang mit den einschlägigen CETA Regeln besprochen. Abschließend werden die wesentlichen Erkenntnisse wiedergegeben.

2 Historische und rechtliche Entwicklung

Die Notwendigkeit ein Schutzsystem für landwirtschaftliche Erzeugnisse zu entwickeln, welches geografische Unterscheidungsmerkmale als besonderen Schutzgegenstand betrachtet, wurde bereits im 19. Jhdt. Jahrhundert erkannt. Diese Merkmale sind das Ergebnis von Investitionen und Innovationen lokaler Produzenten, die diesen helfen sollen, sich mit ihren Produkten auf dem Markt einen Namen zu machen. Während nämlich spezifische Qualitätsmerkmale von Erzeugnissen zunächst vor allem den lokalen Gemeinschaften und innerhalb der damit verbundenen Handelsnetzwerke bekannt waren (und ihr Bekanntheitsgrad zunächst auch nur dort von Bedeutung war), wurde mit fortschreitender Internationalisierung der Handelsbeziehungen die Erhaltung traditionellen Wissens und die gezielte Nutzung lokaler Ressourcen ein wichtiges Motiv für die Anerkennung von g.A. auf internationaler bzw. globaler Ebene. Gerade in einer globalisierten Welt ergibt sich der zu schützende Marktwert von g.A.s aus ihrem Bekanntheitsgrad in größeren, erweiterten Märkten, in denen ein bestimmtes Produkt mit ähnlichen Produkten in Konkurrenz steht. Mit anderen Worten: Je mehr sich die Verbraucher von den Herstellern entfernen, desto wichtiger ist es, dass diese Unterscheidungsmerkmale zu einem Instrument werden, auf das sich die Verbraucher verlassen können.Footnote 8 So hatten konkurrierende Hersteller vom ersten Aufkommen dieser Zeichen an begonnen, ihre eigenen Produkte mit einem geografischen Zeichen zu vermarkten, obwohl diese nicht aus der durch die verwendete g.A. bezeichneten Region stammten. Grund hierfür war, dass die Verbraucher aus dem Zusammenhang zwischen der Qualität des Produkts und seiner geografischen Herkunft einen Vorteil ableiteten. Dieses Problem verstärkte sich mit der Zunahme des Handels ab Mitte des 19. Jahrhunderts: die voranschreitende Internationalisierung der Handelsströme und damit verbunden die Erleichterung des Wissenstransfers, ging einher mit Risiken des unlauteren Wettbewerbs und der Verbrauchertäuschung und nicht zuletzt mit Risiken für die Ernährungssicherheit. Da der persönliche Bezug zu den Herstellern der gehandelten Waren und die Möglichkeit, die Produkte vor dem Kauf zu testen, zunehmend abnahm, sahen sich verschiedene Gesetzgeber gezwungen, angemessene rechtliche Lösungen auszuarbeiten, die die versprochenen Eigenschaften und typischen Merkmale von landwirtschaftlichen Erzeugnissen garantierten, welche aus der Nutzung lokaler Ressourcen und aufgrund des Einflusses natürlicher Gegebenheiten resultierten.Footnote 9

Dabei wurden die im Zusammenhang mit geografischen Angaben entstehenden Fragestellungen in den verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich beantwortet. Vor dem Inkrafttreten des TRIPS-Übereinkommens verfügten nur wenige Länder – darunter einige EU-Mitgliedstaaten und seit 1992 auch die EU selbst – über ein spezifisches System zum Schutz von g.A.s; andere Länder schützten ihre geografischen Angaben durch (allgemeine) handelsrechtliche BestimmungenFootnote 10 oder – wie beispielsweise die USA oder Kanada – durch das MarkenrechtFootnote 11 und griffen dabei auf die Vorschriften sowohl für Individualmarken als auch für Kollektiv- und/oder Gewährleistungsmarke zurück.Footnote 12

Wie bereits erwähnt, versucht Art. 22 Abs. 1 TRIPS diesen unterschiedlichen Ansätzen durch die Positivierung einer allgemeinen Definition über g.A.s gerecht zu werden. Ausgehend von der in dieser Regel enthaltenenen Definition ist zunächst festzustellen, dass zwischen geografischer Herkunft einer Ware und seiner spezifischen Merkmale ein enger Zusammenhang bestehen muss.Footnote 13 Mit anderen Worten: Die g.A. eines Produkts bürgt für das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften, die mit dessen geografischer Herkunft verbunden sind; das kann das Hoheitsgebiet eines Staates, eine Region oder ein bestimmter Ort sein. Aufgrund dieser Verknüpfung wird einer Ware ein besonderer Wert mit einem entsprechenden Nutzen zugeschrieben.Footnote 14 Demnach hat die geografische Herkunft des Produkts zumindest in Bezug auf sein Renommee einen gewissen Stellenwert erreicht. Es wurde zu Recht festgestellt, dass die Auslegung dieses Zusammenhangs eine der schwierigsten Aufgaben bei der Anwendung des TRIPS-Übereinkommens ist.Footnote 15 Im Unterschied zu CETA ist Art. 22 TRIPS aber weiter gefasst, da er sich allgemein auf Waren und nicht ausschließlich auf landwirtschaftliche Erzeugnisse oder Lebensmittel bezieht.Footnote 16

Betrachtet man die verschiedenen Lösungen, so kann festgestellt werden, dass einige Länder eine ähnliche Definition verwenden, wie sie im TRIPS-ÜbereinkommenFootnote 17 zu finden ist, während andere weit über diesen Ansatz hinausgehen.Footnote 18 Die erste Kategorie umfasst auch Staaten, die eine g.A. durch das Markenrecht schützen, wie z. B. die Vereinigten Staaten von Amerika.Footnote 19 Die zweite Kategorie umfasst hauptsächlich Länder, in denen Konzepte wie die italienische denominazione di origine controllata (DOC) oder die französische Appellation d'Origine Contrôlée (AOC) und dergleichen verwendet werden.Footnote 20 Im Vergleich zu den auf dem Markenrecht basierenden Begriffen handelt es sich dabei um restriktivere Definitionen, da sie eine spezifische und enge Beziehung zwischen einem Produkt und seinem geografischen Produktionsumfeld verlangen. Im Wesentlichen bedeutet diese Einschränkung, dass es quasi unmöglich ist, das gleiche Produkt an einem anderen als dem ursprünglichen Ort, auf den sich das Zeichen bezieht, herzustellen. Folglich muss das Verhältnis zwischen dem Produkt und seinem geografischen Umfeld sehr genau definiert werden, während der bloße Bekanntheitsgrad des Produktionsortes selbst nicht ausreicht. Mit anderen Worten: solche Definitionen implizieren eine gewisse Ausschließlichkeit eines bestimmten geografischen Gebiets für die Lieferung von Rohstoffen oder als Standort für bestimmte Verarbeitungstätigkeiten.Footnote 21

Im europäischen Rechtssystem, bei dem der Schutz durch RegistrierungFootnote 22 gewährt wird, wird zwischen zwei Arten von g.A.s unterschieden: die geografische Ursprungsbezeichnung (g.U.) und die geprüfte geografische Angabe (g.g.A.).Footnote 23 Für erstere gilt, dass sich die Güte oder die Eigenschaften der Erzeugnisse überwiegend oder ausschließlich auf ein bestimmtes geografisches UmfeldFootnote 24 zurückführen lassen; außerdem müssen alle Produktionsschritte ausschließlich in dem betreffenden geografischen Gebiet erfolgen; bei g.g.A. sind die Anforderungen weniger restriktiv. Der Antrag auf Registrierung einer g.U. oder g.g.A., muss von einer Vereinigung stammen, die mit den Erzeugnissen arbeitet,Footnote 25 und eine Spezifikation beinhalten, die u. a. das Produkt und das geografischen Gebiet beschreibt, sowie den Nachweis erbringt, dass das Produkt aus diesem Gebiet stammt.Footnote 26

3 Geografische Angaben: die unterschiedlichen Konzeptionen

Um Inhalt und Funktion der g.A. zu konkretisieren, ist es hilfreich, eine aus europäischer Sicht konzipierte g.A. mit der (Individual-)Marke zu vergleichen.Footnote 27 Beide stellen Unterscheidungsmerkmale dar, die zur Abgrenzung von vergleichbaren oder verwechselbaren Produkten dienen. Während aber die Individualmarke die Produkte eines einzelnen Herstellers identifiziert und somit im Wesentlichen den „Namen“ des Produkts darstellt, unter dem die Ware auf dem Markt vertrieben wird, ist die g.A. das Zeichen, das Produkte bestimmter Hersteller in einen geografischen Kontext stellt, wie er aus dem im Zeichen angegebenen Ort ersichtlich ist.Footnote 28

Beide Zeichen zeigen erwünschten Eigenschaften von Produkten auf. Im Fall einer g.A. gelingt dies, indem die Herstellung gemäß einer detaillierten Produktspezifikation durchführt werden muss.Footnote 29 Gleichwohl sind auch die Hersteller von Produkten, die mit Marken gekennzeichnet sind, bestrebt, die Qualität dieser Produkte zu gewährleisten und zu behalten, damit die bereits erworbene Kundenpräferenz nicht verloren geht. Folglich müssen sowohl Marken als auch g.A. eine bestimmte Qualität des Produkts aufweisen, um die Kundenbindung zu gewährleisten.Footnote 30 Bei der Kommentierung von Art. 22 TRIPS ist deshalb zu ergänzen, dass das zentrale Element, das die Nutzung einer g.A. anregt, die Reputation des Produktionsortes ist, da sowohl die Qualität als auch die anderen Eigenschaften des Produkts allein deshalb von Bedeutung sind, weil sie mit ihm verbunden sind und werden.Footnote 31

Aus europäischer Sicht ist hier hinzuzufügen, dass sich g.A.s, auch wenn sie als eine bestimmte Art von geistigem Eigentum ähnlich den Marken konzipiert sind, sich von letzteren vor allem dadurch unterscheiden, da sie nicht einem bestimmten Eigentümer zugeordnet werden können, der – gerade wegen seines alleinigen Eigentums – Dritten verbieten könnte, den Begriff zu verwenden um deren Produkte zu kennzeichnen. Grundsätzlich kann nämlich jeder Unternehmer, der die Spezifikation einer g.A. einhält, seine Produkte entsprechend kennzeichnen, weil die Einhaltung der Spezifikation sicherstellt, dass die Produkte den lokalen und qualitativen Anforderungen entsprechen, die das Charakteristische einer bestimmten geografischen Angabe bilden.Footnote 32 All dies resultiert (auch) aus der Tatsache, dass die Regeln betreffend g.A.s dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind, während die Markenregeln im Privatrecht verankert sind. Entsprechend kann das Recht, das Zeichen vor irreführender Verwendung zu schützen, jedem der Hersteller gewährt werden, während im Falle der Marke dieses Recht nach den Regeln des Privatrechts jener Person zuerkannt wird, die als ihr „Eigentümer“ im Markenregister eingetragen ist.Footnote 33 Daraus ergibt sich auch, dass die typischen Merkmale von Schutzrechten wie jene von (Individual-)Marken auf g.A.s nicht anwendbar sind, da letztere weder übertragbar noch vererbbar sind, noch durch eine Lizenz nutzbar gemacht werden können.Footnote 34 Im europäischen Recht werden g.A.s kollektiv zugeschrieben, d. h. einer Gemeinschaft von Erzeugern, von denen jeder einzelne berechtigt ist, die geografische Angabe zu nutzen, ohne dass dafür eigens eine Lizenz oder Konzession beantragt werden muss. Dieser Gemeinschaft obliegt es dann auch, über die korrekte Verwendung der jeweiligen g.A. zu wachen.Footnote 35

Die Anerkennung eines Rechts auf Unterscheidungsmerkmale von Produkten einer Gemeinschaft in einem bestimmten geografischen Gebiet stellt eine Herausforderung dar, da sie nicht dem traditionellen Konzept des Eigentums, wie es beispielsweise die italienische oder deutsche Rechtsordnung vorsieht, entsprechen. Ein Grund dafür ist, dass geografische Namen und Angaben nicht im herkömmlichen Sinne erfunden oder entwickelt werden, wie dies bei anderen geistigen Eigentumsrechten, wie beispielsweise Marken, der Fall ist.Footnote 36 Individualmarken sind im Gemeinschaftsrecht immer das Ergebnis von Kreativität und Vorstellungskraft und damit Gegenstand von Erfindungen. Andererseits sind Ortsnamen bereits jedem als solche bekannt und als beschreibende Begriffe zu verstehen, die – gerade weil sie beschreibend sind – im Recht der Europäischen Union nicht als Individualmarken verwendet werden können. Hier ist zu ergänzen, dass Toponyme, auch wenn sie beschreibend sind, sehr wohl als g.A.s, d. h. als Gegenstand des geistigen Eigentums, verwendet werden können, denn eine erfinderische Idee ist in einer g.A. durchaus ersichtlich: Die „Erfindung“ besteht darin, dass ein oder mehrere Produzenten als erste daran gedacht haben, einem Erzeugnis den Namen eines geografisch bestimmten Produktionsgebiets zu geben, um dem Produkt dadurch die Eigenschaften des Bodens, der Luft und des Klimas dieses Ortes zuzuweisen oder die traditionelle Technik für dessen Herstellung erkennbar zu machen. Dieser Jemand (oder diese Gruppe von Personen) unterbreitete seine (ihre) Idee in Folge den anderen Produzenten desselben Gebietes, die nachfolgend die Notwendigkeit sahen, eine öffentliche Behörde um die Anerkennung des Zusammenhangs zwischen dem Produkt und dem Produktionsort zu bitten.Footnote 37 Dieses Phänomen des kollektiven Handelns erschwert jedoch die Beantwortung rechtstheoretischer Fragen, wie z. B. welche Rechtssubjekte befugt sein sollten, Entscheidungen über die Verwendung einer g.A. zu treffen, oder wer rein technisch gesehen der Eigentümer einer g.A. ist.Footnote 38

Zwar dürfen Marken im europäischen Recht keine Toponyme enthalten,Footnote 39 dies gilt aber nur beschränkt für Individualmarken. So können in der Europäischen Union Kollektivmarken geografische Angaben beinhalten,Footnote 40 da sie gemäß den einschlägigen Bestimmungen von einer großen Anzahl von Herstellern verwendet werden können, sofern dies der Inhaber der Kollektivmarke gewährt hat. Hierdurch wird den Verbrauchern die Einhaltung der festgelegten Produktspezifikation garantiert. Eine ähnliche Lösung gibt es in Kanada; hier ist aber eine Gewährleistungsmarke zu verwenden.Footnote 41

Art. 1.1 des TRIPS-Übereinkommens akzeptiert diese unterschiedlichen Ansätze und legt fest, dass jedes WTO-Mitglied frei entscheiden kann, mit welchen Mitteln es seinen Verpflichtungen zum Schutz von geografischen Angaben nachkommen will. Es kann daher vorkommen, dass das Gesetz, wie in den USA, die g.A. also solche nicht speziell anerkennt, wohl aber erlaubt, dass eine Individualmarke geografische Angaben zum Inhalt hat, d. h. dass ein Hersteller seinen Produkten den Namen einer Region oder eines geografischen Gebietes geben darf, unabhängig davon, ob er sie in dieser Region produziert oder nicht.Footnote 42 Auf dem Absatzmarkt eines Staates, dessen Rechtsordnung den Unterschied zwischen den beiden Konzeptionen nicht kennt, können somit Streitigkeiten entstehen zwischen Herstellern, die eine registrierte geografische Marke zur Kennzeichnung ihrer Produkte verwenden und europäischen Herstellern, die eine gleichlautende g.A. im Sinne des EU-Rechts als sui generis Form und in Einklang mit der entsprechenden Produktspezifikation verwenden möchten.Footnote 43

In Anbetracht dieser unterschiedlichen Ausgangslagen stellt sich zu Recht die Frage, wie das CETA-Abkommen die verschiedenen Konzeptionen von g.A. in ein einheitliches Regelwerk integriert hat und wie diese Zusammenführung zu bewerten ist.

4 Die geografischen Angaben im CETA-Abkommen

Wie eingangs erwähnt, enthält das CETA-Abkommen einen Unterabschnitt C, der den geografischen Angaben gewidmet ist. Die Definition von g.A. in Art. 20.16 CETAFootnote 44 ist teilweise eine Kopie der Definition in Art. 22 TRIPS, beschränkt sich aber ausdrücklich auf landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel. In diesem Zusammenhang wurde Kritik an der Ersetzung des Begriffs „Ware“ durch „landwirtschaftliches Erzeugnis oder Lebensmittel“ geäußert, da dies den Umfang des möglichen Schutzes im Rahmen des CETA erheblich einzuschränken und sogar das Gleichgewicht zwischen geografischen Angaben und anderen geistigen Eigentumsrechten wie Marken, Patenten usw. zu verändern scheint.Footnote 45 Derlei Feststellungen dürften jedoch etwas übertrieben sein, da sowohl Kanada als auch die EU im Rahmen von TRIPS verpflichtet sind, ein Grundsystem zum Schutz von geografischen Angaben in Bezug auf den Begriff „Ware“ (ein Wort, das landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel umfasst) zu implementieren. Darüber hinaus sind sowohl Kanada als auch die EU verpflichtet, strengere Schutzsysteme für Weine und Spirituosen einzuführen. Das CETA-Abkommen gewährt diesen stärkeren Schutz auch für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel,Footnote 46 ohne den in Art. 22 TRIPS definierten Grundansatz zu untergraben.

In Übereinstimmung mit dem TRIPS-Übereinkommen verlangt Art. 20.16 CETA, dass die verschiedenen Kriterien, d. h. die Qualität, der Ruf und sonstige Eigenschaften des Erzeugnisses, im Wesentlichen auf seine geografische Herkunft zurückzuführen sind. Dieses Konzept ist auch den Erzeugern in der EU bekannt, da es in den Begriffsbestimmungen der geschützten Ursprungsbezeichnungen (g.U.) und der geschützten geografischen Angaben (g.g.A.) enthalten ist.Footnote 47 Darüber hinaus sieht Art. 7 Buchst. f VO 1151/2012 vor, dass die Produktspezifikationen für eine g.A. einen Nachweis enthalten müssen, der den Zusammenhang zwischen der Qualität des Produkts und dem geografischen Umfeld oder der geografischen Herkunft belegt. Diesem Zusammenhang kommt daher eine Schlüsselrolle bei der Beantragung der Registrierung von geografischen Angaben nach dem Gemeinschaftsrecht zu.Footnote 48

Die Vorgaben von Art. 20.16 CETA sind in die kanadische Rechtsordnung übernommen worden; dementsprechend wird nun verlangt, dass im Falle der Registrierung einer g.A. die Kriterien, d. h. die Qualität, der Ruf und die anderen Eigenschaften eines Erzeugnisses, die im Wesentlichen auf seinen geografischen Ursprung zurückzuführen sind, beschrieben werden müssen. Es obliegt dem kanadischen Amt für geistiges Eigentum, zu prüfen, ob diese Kriterien ausreichen, um eine Angabe als geografisch im Sinne des Gesetzes zu qualifizieren.Footnote 49 Dabei wird dieses Amt auch die gesetzliche Definition von g.A. beachten müssen, die nunmehr, ähnlich den europarechtlichen Vorgaben, einen wesentlichen Zusammenhang zwischen den Eigenschaften eines Erzeugnisses und einem bestimmten geografischen Ursprung fordert.Footnote 50

Diese allgemeine Regel gem. Art. 20.16 CETA wird durch Art. 20.17 CETA ergänzt; dieser hält fest, dass der im CETA-Abkommen verankerte Schutzanspruch nur für Erzeugnisse gilt, welche einer der Produktklassen in Anhang 20-C zugeordnet werden können. Diese Liste deckt sich nicht vollständig mit der Liste von Produktklassen für die Anwendung der EU-VO 1151/2012.Footnote 51 Während die EU die Registrierung von g.A. zulässt, die sich auf Agrarerzeugnisse wie z. B. Baumwolle, Wolle, Korbweide, Schwingflachs, Leder und Pelzen beziehen, bietet CETA diese Möglichkeit nicht.Footnote 52

Um den Schutz von g.A. zu gewährleisten, folgt nach der Identifizierung des zu schützenden Produkts in einem weiteren Schritt eine Bewertung im Hinblick auf die zu erfüllenden Anforderungen. Dies kann z. B. im Rahmen eines Antrages auf Eintragung in ein Markenregister oder Sonderregister für geografische Angaben geschehen.Footnote 53 Auch im CETA ist ein solcher Mechanismus zu finden.Footnote 54 Allgemein lassen sich in diesem Zusammenhang zwei Vorgehensweisen unterscheiden: Zum einen gibt es offene und internationale Systeme, die auf allgemeinen Bestimmungen laut einem internationalen Abkommen fußen. Demgegenüber resultiert bei bilateralen oder plurilateralen Abkommen der Schutz aus der gegenseitigen Anerkennung von g.A., die bereits in nationalen Systemen geschützt sind. Diese Anerkennung basiert auf Namenslisten.Footnote 55 Da sich die wirtschaftlichen Interessen und Notwendigkeiten der Erzeuger jedoch im Laufe der Zeit weiterentwickeln können, verfügen bilaterale AbkommenFootnote 56 in der Regel über interne Mechanismen zur Aufnahme weiterer Namen in diese Listen.Footnote 57 Sofern nun eine g.A. die Kriterien der Art. 20.16 und 20.17 CETA erfüllt, kann die g.A. in die spezifische Liste nach Art. 20.18 CETA aufgenommen werden. Interessanterweise enthält die europäische Liste 171 geografische Angaben,Footnote 58 während die kanadische Liste leer ist;Footnote 59 dies bedeutet, dass Kanada – zumindest vorerst – auf den durch Art. 20.19 CETA garantierten Schutz verzichtet.Footnote 60

Hinsichtlich der Möglichkeit Namen hinzuzufügen, ist auf Art. 20.22 CETA zu verweisen, der sich mit möglichen Änderungen der NamenslistenFootnote 61 befasst. Diese Regel legt fest, dass der nach Art. 26.1 eingesetzte Gemischte CETA-Ausschuss unter bestimmten Umständen beschließen kann die Listen zu ändern, wodurch in Folge weitere geografische Angaben hinzugefügt oder bestehende gestrichen werden können, sofern im letzteren Fall diese an ihrem Ursprungsort nicht mehr geschützt oder nicht mehr verwendet werden.Footnote 62 Die hier untersuchte Vorschrift wirft jedoch einige Fragen auf, da sie besagt, dass „grundsätzlich“ keine Angaben hinzugefügt werden dürfen, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des CETA-Abkommens bereits im einschlägigen Register der Europäischen Union als g.A. eingetragen waren. Das hat zur Folge, dass fast 1400 europäische g.A. vom CETA-Abkommen – grundsätzlich – ausgeschlossen bleiben.Footnote 63 Diese Vorschrift wurde als diskriminierend und ungerecht kritisiert, da sie viele Hersteller daran hindert, in diesen neuen, durch das CETA-Abkommen definierten Markt einzutreten, im Unterschied zu jenen Herstellern, deren Begrifflichkeiten geschützt worden sind.Footnote 64 Wenngleich der Begriff „grundsätzlich“ auf eine mögliche Aufweichung dieser Regel hinweist, muss bedacht werden, dass die Anzahl der von der EU geschützten geografischen Angaben zunächst zwischen den europäischen Mitgliedern ausgehandelt wurde, um die für eine Handelsbeziehung mit Kanada relevanten geografischen Angaben zu ermitteln. Auch ist zu bedenken, dass die Inhalte der Listen der geschützten geografischen Angaben die Teil der verschiedenen Freihandelsabkommens sind, vielfach divergieren.Footnote 65 Letztlich sind diese Art von bilateralen Abkommen Verträge, die im Ergebnis spezifisch sind und die im Zusammenhang mit der Marktdynamik, auf die sie sich beziehen, zu betrachten sind.

Im Hinblick auf eine Änderung der Namenslisten räumt Art. 20.22 Absatz 3 zudem bereits eingetragenen Marken Vorrang vor neu hinzuzufügenden geografischen Angaben ein, wenn diese mit einer bereits eingetragenen Marke identisch sind.Footnote 66 In diesem Zusammenhang wurde kritisch angemerkt, dass die EU mit der Annahme dieser Bestimmung ihre Rechte und damit die Verpflichtungen Kanadas gemäß dem TRIPS-Übereinkommen beschränkt habe, da letzteres, wie wir gesehen haben, keine klare Unterscheidung zwischen diesen Arten des geistigen Eigentums vornimmt. Nun ist der Gedanke, dass zwei Bündel von Rechten und Pflichten – wie sie sich beispielsweise zum einen aufgrund einer Marke und zum anderen aufgrund von geografischen Angaben die sui generis konzipiert sind, ergeben – zu Konflikten führen können, nichts ungewöhnliches. Zudem darf es nicht verwundern, dass beim Aufeinandertreffen unterschiedlicher Rechtsinstitute mit zum Teil ähnlichem Inhalt, Probleme auftreten. Diese Probleme könnten durch Leitprinzipien des Gesetzgebers gelöst werden.Footnote 67 Andererseits ist aber auch zu bedenken, dass derlei Abkommen Beispiele für politische Kompromisse sind, die notwendigerweise in konkrete Bestimmungen übertragen werden müssen und deshalb, aus juristischer Sicht, Unklarheiten mit sich bringen.

5 Schlussbemerkung

Betrachtet man den im CETA-Abkommen verwendeten Ansatz zur Regulierung von g.A., zeigt sich, dass die Vertragsparteien ihre verschiedenen Verhandlungspositionen wirksam verteidigt haben, ohne einen Kompromiss über die Konzeption des Begriffes der geografischen Angaben finden zu müssen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass solche Vereinbarungen nicht unbedingt dieses Ziel verfolgen. Von Bedeutung dürfte aber die klare Begriffsbestimmung sein, die in den kanadischen Rechtsrahmen Einzug gefunden hat. Somit bleibt der potenzielle Konflikt zwischen dem auf der Grundlage von Markenrechten gewährten Schutz und den sui generis-Regeln der g.A. bestehen. Insofern fügt CETA nichts Neues hinzu, was dienlich wäre bei der Erstellung von Regeln oder Grundsätzen, um die Handhabung geografischer Angaben umfassend zu regeln. Mit zunehmender Globalisierung steigt folglich der Bedarf an einem umfassenden und effizienten Schutzrahmen für geografische Angaben.Footnote 68 Angesichts der Schwierigkeiten, die in den Debatten im TRIPS-RatFootnote 69 festzustellen waren, erscheint die Einrichtung eines globalen Registers für geografische Angaben nach dem Vorbild des europäischen Modells in naher Zukunft jedoch unwahrscheinlich. Entsprechend wird wohl die Anzahl bilateraler Abkommen, die die grundlegenden Bestimmungen des TRIPS über geografische Angaben „ergänzen“, weiter steigen.

Das CETA-Abkommen ist ein Beispiel für die Entwicklung von Normen im globalen Kontext. Zu Beginn dieses Beitrags wurde kurz auf die Entwicklung der geografischen Angaben und die Notwendigkeit ihres Daseins eingegangen. Dabei hat sich gezeigt, dass es keinen einheitlichen Ansatz gibt. Vielmehr hat sich das Konzept deshalb entwickelt, weil typische und traditionelle Vorstellungen in den Markt eingedrungen sind, die dort entsprechend geschätzt wurden. Ebenso wie die jeweilige Rechtstradition einer Gesellschaft, sind auch derlei Vorstellungen und Wertungen Ausfluss und Teil einer Gesellschaft und definieren diese. In Zusammenhang mit der rechtlichen Einordnung von g.A. sind somit verschiedenartige Aspekte zwingend zu berücksichtigen: Es geht nicht nur um soziale Traditionen, sondern auch um die damit verbundenen Rechtstraditionen. Es ist wesentlich festzuhalten, dass geografische Angaben als soziales Phänomen (die nicht nur durch unterschiedliche, sondern manchmal auch durch widersprüchliche Rechtsinstrumente geschützt werden) in ein internationales Abkommen integriert werden, in dem nicht nur verschiedene politische Akteure die Aufgabe haben, die Interessen ihrer Produzenten und ihrer Wirtschaft zu schützen, sondern in dem auch dasselbe soziale Phänomen mittels verschiedener Rechtsintitute zugänglich gemacht werden soll.