1 EuGH C-160/15, GS Media

EuGH 08.09.2016, C-160/15, GS Media, ÖBl 2017/15, 56 (Handig) = MR-Int 2017, 23 (Walter) = ecolex 2016/478, 1087 (Zemann).

Die TV-Moderatorin Britt Dekker ließ sich für den niederländischen Playboy ablichten.Footnote 1 Die Nutzungsrechte an den Fotos wurden exklusiv der Verlegerin des Playboy, Sanoma, eingeräumt.

Die beklagte GS Media betreibt den Blog GeenStijl, in dem ein Artikel über Frau Dekker veröffentlicht wurde. Der Artikel enthielt einen Link, über den Fotos aus dem Shooting abrufbar waren, für den aber keine Zustimmung von Sanoma vorlag. Sanoma forderte GS Media auf, den Link zu entfernen, was von GS Media ignoriert wurde. Stattdessen veröffentlichte GS Media einen weiteren Artikel, in dem wiederum ein Link zu den Fotos von Frau Dekker enthalten war. Samona klagte daraufhin die GS Media.

Der Oberste Gerichtshof der Niederlande legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob – zusammengefasst – Links auf fremde unrechtmäßig veröffentlichte Inhalte zulässig sind.Footnote 2

Der EuGH bildet drei Fallgruppen, deren innere Verbindung vornehmlich darin besteht, subjektive Elemente in ein grundsätzlich objektives Tatbestandsmerkmal einzubeziehen:Footnote 3

  1. 1.

    Der Linksetzer handelt in Gewinnerzielungsabsicht beziehungsweise zu Erwerbszwecken.Footnote 4 Dann gilt die widerlegbare Vermutung, dass der Linksetzer vom Schutz des Werks und von der fehlenden Zustimmung des Rechteinhabers wusste. Von ihm kann erwartet werden, dass er die erforderlichen Überprüfungen vornimmt.Footnote 5 Liegen diese Umstände vor, dann ist der Link eine öffentliche Wiedergabe, die vom Rechteinhaber zu genehmigen ist.

    → Im Ergebnis fällt GS Media in diese Kategorie, das heißt GS Media hätte die Fotos nur mit Zustimmung verlinken dürfen, weil sie eine öffentliche Wiedergabe vornimmt.

    Die anderen beiden Fallgruppen, die gegenständlich nicht relevant waren:

  2. 2.

    Der Linksetzer handelt nicht in Gewinnerzielungsabsicht, er hat aber positive Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in Bezug auf die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung.Footnote 6

    → Auch dann ist der Link eine öffentliche Wiedergabe, welche vom Rechteinhaber zu genehmigen ist.

  3. 3.

    Die dritte Kategorie: Der Linksetzer handelt nicht in Gewinnerzielungsabsicht und er hat auch keine positive Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in Hinblick auf die fehlende Zustimmung des Rechteinhabers zur Veröffentlichung.

    → In diesem Fall verwirklicht der Link keine öffentliche Wiedergabe.Footnote 7

2 EuGH C-527/15, Stichting Brein/Filmspeler

EuGH 26.04.2017, C-527/15, Stichting Brein/Filmspeler, ÖBl-LS 2017/25, 238 (Handig) = MR-Int 2017, 33 (Walter) = ecolex 2017/325, 790 (Zemann) = jusIT 2017/44, 94 (Staudegger).

Das Streamen von Multimedia-Inhalten ist sehr beliebt. Am Markt werden dafür verschiedene Hard- und Software-Lösungen angeboten.

Der Filmspeler ist eines dieser Abspielgerät für Filme, Serien, Musik, für Liveübertragungen und so weiter. Auf ihm waren Add-Ons vorinstalliert, wobei diese Add-Ons vorwiegend Links auf Filme und Serien enthielten – vor allem Links auf solche Inhalte, die rechtswidrig online zugänglich waren. Davon abgesehen hat der Beklagte den Filmspeler nicht nur vertrieben, sondern auch damit beworben, dass die Nutzer die Inhalte kostenlos und äußerst einfach abrufen können, ohne sich um die Erlaubnis der Rechteinhaber kümmern zu müssen.

Die Stichting Brein aus den Niederlanden klagte, wobei sie ganz generell den Verkauf des Filmspelers beanstandete.Footnote 8

Für den EuGH war bei der öffentlichenFootnote 9 Wiedergabe entscheidend, dass die vorinstallierten Add-Ons und die in den Add-Ons enthaltenen Links auf eindeutig illegale Streaming-Angebote zielten.Footnote 10

Wenn der Beklagte in Erwerbsabsicht, in Gewinnerzielungsabsicht, für den Filmspeler wirbt und dabei ausdrücklich betont, dass mit dem Filmspeler Inhalte abgerufen werden können, für die keine Erlaubnis der Rechteinhaber vorliegt, dann besteht die Vermutung, dass der Beklagte von der fehlenden Erlaubnis der Rechteinhaber wusste.

Dieses Argument – dass in den vorinstallierten Add-Ons Links auf unzulässige Quellen enthalten waren und dass der Beklagte davon wusste – überträgt der EuGH in einer Art Reflex auf das Gerät, auf den Filmspeler an sich.

Das heißt: Schon der Verkauf des Filmspelers mit den vorinstallierten Add-Ons verwirklichte eine Wiedergabe, die vom Rechteinhaber genehmigt werden musste.Footnote 11 Ohne die Add-Ons hätte man den Filmspeler durchaus verkaufen können, wie zum Beispiel auch den Fire TV-Stick oder Chromecast oder jedes Smartphone. Sie alle greifen nicht ins Recht der öffentlichen Wiedergabe ein, solange man die entsprechenden Add-Ons nicht installiert.

Für die Käufer des Filmspelers, die beim Streamen vorübergehende Vervielfältigungen anfertigen, gilt Folgendes: Wenn die Käufer „freiwillig und in Kenntnis der Sachlage“, sprich wenn sie bewusst auf illegale Streaming-Quellen zugreifen, ist die Ausnahme für flüchtige und begleitende VervielfältigungenFootnote 12 nicht anwendbar. Die freie Werknutzung für vorübergehende Vervielfältigungen greift in diesem Fall nicht, weil sich die Nutzer nicht auf ihre Unkenntnis berufen können.

Im Ergebnis untersagt der EuGH den Verkauf des Filmspelers.

3 OGH 4 Ob 121/17y, BitTorrent

OGH 24.10.2017, 4 Ob 121/17y, BitTorrent, MR 2017, 317 (Daum) = ecolex 2018/75, 161 (Zemann).

Der Entscheidung BitTorrent lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Antragstellerin im Sicherungsverfahren war eine Verwertungsgesellschaft, die die Rechte von Schallträgerherstellern und ausübenden Künstlern wahrnahm. Die Antragsgegnerinnen waren Access-Provider, die den Zugang zu The Pirate Bay vermittelten.

Die Nutzer, die Kunden der Access-Provider, konnten entsprechende Inhalte über The Pirate Bay herunterladen und verteilen, und zwar mit einem BitTorrent-Client. Der OGH hatte der Frage nachzugehen, ob die Access-Provider den Zugang zu The Pirate Bay blockieren mussten – die Entscheidung handelt somit von Zugangssperren.

Laut OGH dürfen die Access-Provider zu Zugangssperren verpflichtet werden.Footnote 13 Die Sperren müssen aber verhältnismäßig sein und ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Grundrechten wahren.Footnote 14

Wenn die Zugangssperren nicht nur unrechtmäßige, sondern auch rechtmäßige Inhalte erfassen (sogenanntes Overblocking), kommt es nicht nur auf das Mengenverhältnis zwischen rechtmäßigen und unrechtmäßigen Inhalten an, sondern es müssen auch andere Merkmale berücksichtigt werden.Footnote 15 Im gegenständlichen Fall war das unproblematisch, weil der Antragstellerin der Anscheinsbeweis gelungen war, dass auf The Pirate Bay nahezu ausschließlich (Magnet-)Links auf unzulässige Inhalte gesammelt, aufbereitet und angeboten wurden (und werden).Footnote 16

Im Ergebnis müssen die Access-Provider den Zugang zu The Pirate Bay blockieren.

4 OGH 3 Ob 1/18w, Impugnationsklage bei Sperrverfügungen/UPC Telekabel III

OGH 24.01.2018, 3 Ob 1/18w, Impugnationsklage bei Sperrverfügungen/UPC Telekabel III, MR 2018, 74 (Walter) = ecolex 2018/232, 540 (Woller).

In engem Zusammenhang mit dem Sperren von Websites steht die Frage, was den Access-Providern zumutbar ist, um die Zugangssperren effektiver zu machen.

Zum Sachverhalt: Aufgrund einer Einstweiligen Verfügung musste ein Access-Provider den Zugang zu kinox.to und movie4k.to sperren. Der Access-Provider kam dieser Vorgabe mit einer DNS-SperreFootnote 17 nach. Das heißt: Gaben seine Kunden kinox.to oder movie4k.to als Browser-URL ein, verhinderte der Access-Provider, dass diese Seiten angezeigt wurden.

Über den Provider wurde daraufhin eine Geldstrafe von 6000 Euro verhängt, weil er nur eine DNS-Sperre und keine IP-SperreFootnote 18 eingerichtet hatte. Der Provider hatte entsprechend nicht dafür gesorgt, dass die Server-IP-Adressen von kinox.to und movie4k.to als solche vom Datenverkehr im eigenen Netzwerk ausgeschlossen wurden.

Der Access-Provider wehrte sich mit einer exekutionsrechtlichen Impugnationsklage. Er machte geltend, dass er sehr wohl alle zumutbaren Maßnahmen getroffen habe.

Der OGH sieht das anders. Für den Senat ist ausschlaggebend, dass der Provider nicht alles Mögliche und ihm Zumutbare ausschöpfte, um den Zugang zu kinox.to und movie4k.to zu sperren. Eine IP-Sperre wäre technisch möglich und auch von den Kosten her nicht unverhältnismäßig gewesen. Außerdem hätte sich die Exekutionsbewilligung nur auf zwei Websites und damit nur auf zwei IP-Adressen bezogen.

Damit sind neben DNS-Sperren auch IP-Sperren für Access-Provider zumutbar und exekutierbar.

5 EuGH C-484/14, McFadden/Sony

EuGH 15.09.2016, C-484/14, McFadden/Sony, ÖBl 2017/14, 49 (Handig) = ecolex 2016/480, 1089 (Woller) sowie Kresbach/Greiner, Keine Haftung des Betreibers eines ungeschützten WLAN-Netzes für Urheberrechtseingriffe Dritter, MR 2016, 238.

Als Betreiber eines Ladengeschäfts bot Herr McFadden Kunden und Passanten unentgeltlich und anonym Zugang zu seinem WLAN an. Dieses WLAN war bewusst nicht mit einem Passwort gesichert, weil die Öffentlichkeit unmittelbaren Zugang zum Internet haben sollte.

Über dieses offene WLAN wurde ein urheberrechtlich geschütztes Werk rechtswidrig öffentlich zur Verfügung gestellt. Daraufhin mahnte Sony Herrn McFadden ab. Gegen diese Abmahnung erhob Herr McFadden negative Feststellungsklage, und zwar mit der Begründung, für Rechtsverletzungen Dritter nicht zu haften.

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Haftung ist gegenständlich die E-Commerce-RL.Footnote 19 Diese beschränkt die Haftung – unter anderem – für von Dritten begangene Rechtsverletzungen, wenn drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Der Access-Provider (hier: WLAN-Provider) darf

  1. 1.

    die Übermittlung nicht veranlasst haben,

  2. 2.

    den Empfänger der Übertragung nicht ausgewählt haben und

  3. 3.

    die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.

Sind diese drei Voraussetzungen erfüllt, haften WLAN-Provider nicht. Folgerichtig haftet auch Herr McFadden nicht für fremde Urheberrechtsverletzungen, wenn diese über sein offenes WLAN begangen werden. Anders gewendet: Der Rechteinhaber hat keinen Anspruch auf Schadenersatz gegen einen WLAN-Betreiber, wenn Dritte das WLAN für Urheberrechtsverletzungen benutzen.Footnote 20

Dem ungeachtet kann auf gerichtlichen Antrag eines Rechteinhabers hin der Anbieter eines offenen WLAN sehr wohl dazu verpflichtet werden, Urheberrechtsverletzungen vorzubeugen beziehungsweise diese abzustellen.Footnote 21 Laut EuGH muss ein WLAN durch ein Passwort gesichert werdenFootnote 22 und müssen die Nutzer zusätzlich – um das erforderliche Passwort zu erhalten – „ihre Identität offenbaren, damit sie nicht anonym handeln können“.Footnote 23

6 OGH 4 Ob 81/17s, Bild des Wilderers/Lichtbild in Fernsehsendung

OGH 26.09.2017, 4 Ob 81/17s, Bild des Wilderers/Lichtbild in Fernsehsendung, ÖBl-LS 2018/9, 26 (Handig) = MR 2017, 325 (Walter).

Zum Sachverhalt: Der beklagte Privatfernsehsender strahlte eine Reportage über einen bekannten Soziologen und Kulturforscher aus. In dieser Sendung wurde auch über einen Osttiroler Wilderer berichtet, der vor mehr als 35 Jahren von einem Jäger erschossen worden war. Hervorhebung fand vor allem der Bruder des Wilderers und dessen Aussagen, wobei im Lauf der Reportage ein Lichtbild des Wilderers mindestens 13 Mal eingeblendet wurde, und zwar ohne den Fotografen zu nennen.

Der Rechtsschutzverband der (Berufs-)Fotografen Österreichs klagte. Vor dem OGH war nur mehr der Unterlassungsanspruch strittig, welcher bejaht wurde.Footnote 24

Der OGH prüft zum einen § 42e UrhG, das unwesentliche Beiwerk, welches mit der Urheberrechts-Novelle 2015Footnote 25 eingeführt wurde. Ein solches unwesentliches Beiwerk liegt aber nur vor, wenn einem Gegenstand noch weniger als geringe oder untergeordnete Bedeutung zukommt – falls also ein Bild auch weggelassen oder ausgetauscht werden kann, ohne dass die Wirkung im GanzenFootnote 26 beeinflusst wird.Footnote 27

  • → Wenn das Lichtbild des Wilderers in der Reportage mindestens 13 Mal eingeblendet wird, so ist das nicht beiläufig oder zufällig. In diesem Fall erfüllt das Lichtbild einen dramaturgischen Zweck, es ist nicht beliebig austauschbar und daher kein unwesentliches Beiwerk.

Zum anderen wurde im Zuge der Urheberrechts-Novelle 2015 auch die Zitatfreiheit umgestaltet. Vorliegend hilft aber § 42 f UrhG nicht weiter. Ein zulässiges Bildzitat muss sich nämlich mit dem übernommenen Bild auseinandersetzen. Das heißt: Zitate brauchen einen Zitatzweck, weil es der Zitatzweck ist, der bestimmt, ob und in welchem Umfang zitiert werden darf.Footnote 28 Solche Zitatzwecke wären zum Beispiel die Belehrung, Begründung oder die Erläuterung der eigenen Darstellung.

  • → Zeigt man das Lichtbild des Wilderers mehrfach, ohne sich inhaltlich mit dem Bild auseinanderzusetzen, dann ist das ein bloßes Aufhübschen oder Illustrieren der Reportage. Zulässiger Zitatzweck liegt jedenfalls keiner vor und damit auch kein zulässiges Bildzitat.

Daher besteht der Unterlassungsanspruch des klagenden Rechtsschutzverbands zu Recht.