1.1 Potenziale der Digitalisierung

Digitalisierung bezeichnet zunächst das Erstellen digitaler Abbilder analoger Inhalte wie Bilder und Texte. Mittlerweile werden die damit verbundenen Potenziale in nahezu allen Bereichen des Lebens genutzt und die damit verbundene Verbreitung digitaler Technologien ebenfalls als Digitalisierung bezeichnet. Im Bereich der industriellen Produktion hat dies zum Entstehen des Begriffs der Industrie 4.0 geführt, die eine stark von Digitalisierung geprägte und vernetzte Produktion beschreibt, wie sie zukünftig erwartet wird. In Anlehnung daran sind weitere Begriffe entstanden, die sich an Industrie 4.0 anlehnen und bspw. mit der Arbeitswelt 4.0 eine zukünftige ebenfalls von Digitalisierung und Vernetzung geprägte Arbeitswelt bezeichnen.

Mit der Digitalisierung sind große Erwartungen verbunden, die sowohl die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft betreffen als auch neue Möglichkeiten zur Gestaltung von Arbeit [6]. Beispiele für neue Möglichkeiten der Arbeitsgestaltung lassen sich unter anderem anhand dreier in gegenseitiger Abhängigkeit stehender Gestaltungsfelder strukturieren: Technik, Organisation und Mensch. Digitale Technik ermöglicht es, bspw. die Benutzungsschnittstellen von Maschinen und Anlagen bedarfsabhängig zu gestalten und echtzeitnahe Informationen über die Zustände von Arbeitsmitteln, Produkten und Halbzeugen zu erfassen und softwaregestützt aufzubereiten. Auf dieser Grundlage lässt sich die Organisation betrieblicher Abläufe neu gestalten und verbessern. Einerseits betrifft dies, die Verteilung und Verfügbarkeit von Informationen im Unternehmen, die papierlos bzw. in digitaler Form bspw. die Kommunikation von Änderungen an Auftragsunterlagen oder das Anzeigen von Arbeitsanleitungen in Abhängigkeit des Arbeitsfortschritts an einem Werkstück stark vereinfacht. Schließlich können dem Menschen aufbereitete und bedarfsgerechte Informationen über unterschiedliche Technologien bereitgestellt werden, die von Smart- watches über Datenbrillen, Phablets und Tablets bis hin zu Großbildschirmen und Projektionen reichen [9]. Gleichermaßen sind neue Möglichkeiten zur Abstimmung von Terminen, für mobiles Arbeiten und zur lernförderlichen Gestaltung von Arbeit bzw. arbeitsintegriertem Lernen entstanden.

Diese Gestaltungspotenziale eignen sich dazu, sowohl informatorische als auch energetische Anteile von Arbeit zu unterstützen. Informatorische Anteile betreffen die Bereitstellung und den Umgang mit Informationen über den Gegenstand der Arbeit oder als Gegenstand der Arbeit. Sie können durch die Digitalisierung direkt unterstützt werden. Energetische Anteile betreffen physische Kraftaufwände, die zur Erledigung einer Arbeitstätigkeit zu erbringen sind. Sie können durch die Digitalisierung indirekt unterstützt werden, indem technische Hilfsmittel situativ gesteuert werden. Beispiele hierfür sind unter anderem Roboter im Rahmen der Mensch-Roboter-Kollaboration oder aktive Exoskelette, die sowohl Kräfte in den Boden ableiten als auch mit Kraft unterstützen können. Da alle Formen von Arbeit sich aus unterschiedlichen Anteilen informatorischer und energetischer Arbeit zusammensetzen [8], können auch alle Arbeitsformen durch die Digitalisierung unterstützt werden. Es bestehen also vielfältige Potenziale, die Arbeitsgestaltung unter Verwendung der Möglichkeiten der Digitalisierung innovativ weiterzuentwickeln.

1.2 Förderschwerpunkt Arbeit in der digitalisierten Welt

Mit dem Ziel die Potenziale der Digitalisierung nutzbar zu machen, wurde der Förderschwerpunkt „Arbeit in der digitalisierten Welt“ durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) initiiert. Der Förderschwerpunkt adressiert die Ziele des übergeordneten Forschungsprogramms „Zukunft der Arbeit“ (2014–2020) und greift zudem die Ziele der Hightech-Strategie der Bundesregierung auf. Dementsprechend geht es darum, dass Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Zusammenspiel von Theorie und Praxis innovative Lösungen entwickeln und erproben, um Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern und auszubauen. Dazu werden Arbeitsprozesse in Produktion und Dienstleistung unter Verwendung der Möglichkeiten der Digitalisierung effizient und bedarfsgerecht gestaltet. Dabei werden die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitsgestaltung, den Gesundheitsschutz und die Unternehmensorganisation betrachtet und berücksichtigt [3].

Der Förderschwerpunkt umfasst 29 Verbundprojekte, die mit einer Fördersumme von rund 50 Mio. EUR unterstützt werden. In den Projekten arbeiten insgesamt rund 90 Unternehmen und rund 70 Forschungseinrichtungen zusammen, um die Ziele des Förderschwerpunkts zu erreichen.

1.3 Begleitung durch TransWork

Das Verbundprojekt „TransWork – Transformation der Arbeit durch Digitalisierung“ ergänzt den Förderschwerpunkt. Im Projekt werden die Vernetzung und der Austausch der 29 vorgenannten Projekte untereinander unterstützt sowie der Transfer von Ergebnissen an die (Fach-)Öffentlichkeit über Publikationen und Veranstaltungen gefördert. Zugleich werden in TransWork eigene Forschungsarbeiten zu verschiedenen übergreifenden Themen durchgeführt. Diese Themen sind:

  • Assistenzsysteme und Kompetenzentwicklung

  • Projekt- und Teamarbeit in der digitalisierten Arbeitswelt

  • Produktivitätsmanagement

  • Gestaltung vernetzt-flexibler Arbeit

  • Arbeitsgestaltung im digitalen Veränderungsprozess

Um Forschung und Vernetzung gleichermaßen zu unterstützen, wurden die 29 geförderten Projekte in fünf Schwerpunktgruppen strukturiert, die den übergreifenden Themen entsprechen. Auf diese Weise werden Projekte mit sich ergänzenden Inhalten vernetzt und der Austausch zum jeweiligen Thema gefördert. Neben regelmäßigen Treffen innerhalb der Schwerpunktgruppen dienen auch schwerpunktgruppenübergreifende Veranstaltungen dem Austausch. Der Transfer und die Verbreitung von Ergebnissen in die (Fach-)Öffentlichkeit erfolgen unter anderem über gemeinsame Publikationen:

  • Broschüre mit Übersicht der Projekte im Förderschwerpunkt (OpenAccess)

  • Broschüre mit Zwischenergebnissen der Projekte im Förderschwerpunkt (OpenAccess [1])

  • Buch zum Thema Projekt- und Teamarbeit in der digitalisierten Arbeitwelt (OpenAccess [7])

  • Buch zum Thema Gestaltung vernetzt-flexibler Arbeit (OpenAccess [4])

  • Buch zum Thema Produktivitätsmanagement 4.0 (das vorliegende Werk, OpenAccess)

  • Buch mit Ergebnissen aller geförderten Projekte (OpenAccess [2])

1.4 Schwerpunktgruppe Produktivitätsmanagement

Die Möglichkeiten, die Digitalisierung zur Steigerung der Produktivität und damit zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit am Hochlohnstandort Deutschland zu nutzen, sind Gegenstand dieser Schwerpunktgruppe. Die Gruppe umfasst folgende Projekte (alphabetische Reihung):

  • InAsPro – Integrierte Arbeitssystemgestaltung in digitalisierten Produktionsunternehmen

  • IntAKom – Intelligente Aufwertung der manuellen und teilautomatisierten Arbeit durch den Einsatz digitaler Kommunikationstechnologie

  • IviPep – Instrumentarium zur Gestaltung individualisierter virtueller Produktentstehungsprozesse in der Industrie 4.0

  • Montexas4.0 – Exzellente Montage im Kontext der Industrie 4.0 – wirtschaftlich und kompetenzförderlich

  • SiTra 4.0 – Nachhaltige Sicherheitskultur als Transformationsansatz für Industrie 4.0 in KMU

  • SynDiQuAss – Synchronisierung von Digitalisierung, Qualitätssicherung und Assistenzsystem an Arbeitsplätzen mit geringem Automatisierungsgrad

Die Inhalte der Projekte reichen von der Unterstützung der Produktentstehung über verschiedene Aspekte der Montage bzw. diese unterstützende Assistenzsysteme bis hin zu ganzheitlichen Transformationsprozessen und Sicherheitskultur [5].

1.5 Überblick zum Buch

Das vorliegende Werk dient dem Transfer der Projektergebnisse in die betriebliche Praxis. Zu diesem Zweck wird im zweiten Kapitel das Produktivitätsmanagement aus übergeordneter Sicht beschrieben und dargestellt, welchen Veränderungen es unterliegt, wie sich die Digitalisierung darauf auswirkt und wie es ganzheitlich gestaltet werden kann. Dazu werden auch eine strukturierte Sammlung von Beispielen durchgeführter Digitalisierungsmaßnahmen vorgestellt und eine Methodik zur bedarfsgerechten Auswahl und erfolgreichen Umsetzung solcher Maßnahmen beschrieben. Anschließend folgen die Beiträge aus den einzelnen Verbundprojekten der Schwerpunktgruppe. Diese fokussieren spezifische Themen anhand konkreter betrieblicher Anwendungsfälle und sind in Anlehnung an einen Produktentstehungsprozess gereiht. Für die Beiträge wurde eine einheitliche, handlungsorientierte Struktur gewählt:

  • Ausgangssituation

    Darstellung des betrieblichen Anwendungsfalls, der im jeweiligen Beitrag beschrieben wird, sodass die betrieblichen Bedarfe und die damit verbundene Zielsetzung deutlich werden (teilweise werden mehrere Anwendungsfälle beschrieben)

  • Vorgehensweise zur Zielerreichung für Unternehmen

    Schrittweise Darstellung der im jeweiligen Projekt erarbeiteten Vorgehensweise zur Veränderung bzw. zur Einführung einer digitalen Lösung – dabei wird für jeden Schritt jeweils zunächst ein allgemeines theoriegeleitetes Vorgehen beschrieben und anschließend anhand des jeweiligen Anwendungsfalls die praktische Umsetzung beschrieben

  • Ergebnisse

    Konkrete Veränderungen aufgrund der beschriebenen Vorgehensweise werden anhand des jeweiligen betrieblichen Anwendungsfalls beschrieben

    • Auswirkungen auf Arbeitsgestaltung

    • Produktivitätswirkung bzw. Wirtschaftlichkeitsbetrachtung

    • Beitrag zu übergeordneten Zielen des Förderschwerpunkts (Digitalisierung der Arbeit als soziale Innovationschance; Sharing Economy, Mobile und Cloud Computing als Auslöser für Arbeitsinnovationen; Ergonomische und gesundheitsförderliche Arbeitssystemgestaltung im digitalen Zeitalter)

  • Lessons learned

    Erfahrungen mit kritischen Punkten und Erfolgsfaktoren werden in Kurzform zusammengestellt – jeweils mit dem Hinweis bei welchen Schritten des Vorgehens sie unterstützen.