FormalPara Zusammenfassung

Der Beitrag liefert ein ausführliches Bild zum Stand der Pflegebedürftigkeit und der gesundheitlichen Versorgung der Pflegebedürftigen in Deutschland. Die Analysen basieren auf GKV-standardisierten AOK-Daten. Sie zeigen Prävalenz, Verläufe und Versorgungsformen der Pflege sowie Kennzahlen zur gesundheitlichen Versorgung der Pflegebedürftigen. Im Fokus stehen die Inanspruchnahme von ärztlichen und stationären Leistungen, Polymedikation und Verordnungen von PRISCUS-Wirkstoffen und Psychopharmaka. Die Ergebnisse werden der Versorgung der Nicht-Pflegebedürftigen gleichen Alters gegenübergestellt und differenziert nach Schwere der Pflegebedürftigkeit und Versorgungssetting ausgewiesen.

The article provides empirical insights on the scope and state of long-term care services in Germany. This includes health service provision for persons in need of care. The article lays out key figures regarding the prevalence, pathways and forms of care based on standardised AOK statutory health insurance data. An additional focus lies on the use of out- and inpatient health care services as well as on polypharmacy and prescriptions of PRISCUS medication and psychotropic drugs. Findings are contrasted with data on members of the same age group who are not in need of care and discussed in relation to the severity of the need of care and the care provision setting.

1 Datengrundlage und Methodik

Die Analysen basieren auf anonymisierten Abrechnungsdaten der AOK. Für die soziale Pflegeversicherung (SPV) steht dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) seit 2011 ein bundesweiter Datensatz zur Verfügung. Diese Daten können sowohl jahresübergreifend als auch in Kombination mit weiteren, im WIdO vorliegenden Abrechnungsinformationen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) analysiert werden. Für die Standardisierung der AOK-Routinedaten wurde die amtliche Statistik über die Versicherten der GKV (KM 6) mit dem Erhebungsstichtag 1. Juli eines Jahres verwendet. Die Darstellung der AOK-Routinedaten erfolgt demnach so, als würden die AOK-Versicherten bezogen auf 5-Jahres-Altersklassen die gleiche Alters- und Geschlechtsstruktur wie die gesamte gesetzlich krankenversicherte Bundesbevölkerung aufweisen. Verzerrungen der Ergebnisse durch Alters- und Geschlechtsunterschiede zwischen AOK- und Bundespopulation sind damit ausgeglichen und die Übertragbarkeit der Informationen ist erhöht. Für andere Einflussgrößen auf die Inanspruchnahme von Pflege- oder Gesundheitsleistungen gilt dies nicht. An einigen Stellen wird auf die amtliche Statistik PG 2 „Leistungsempfänger nach Pflegegraden, Altersgruppen und Geschlecht“ des Bundesministeriums für Gesundheit zurückgegriffen. Diese ist Teil der Geschäfts- und Rechnungsergebnisse der SPV und umfasst alle pflegebedürftigen Leistungsempfänger. Als stichtagsbezogene Statistik ist die PG 2 von allen SPV-Trägern zum 30. Juni bzw. 31. Dezember zu erstellen und zu melden. Die statistischen Berechnungen und grafischen Aufbereitungen wurden mit Hilfe der Statistiksoftware R(3.5.3) unter Verwendung folgender Pakete RODBC(1.3-15), maptools(0.9-9) und ggplot2(3.2.1) erstellt.

2 Pflegeprävalenzen und Versorgungsformen bei Pflegebedürftigkeit

2.1 Prävalenz der Pflegebedürftigkeit

Pflegebedürftige nach Alter und Geschlecht

Gemäß Sozialgesetzbuch XI gelten Personen als pflegebedürftig, wenn sie (dauerhaft) ihre körperlichen, kognitiven oder psychischen Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingten Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können (§ 14 SGB XI). Mit Ende des Jahres 2018 waren laut amtlicher Statistik der Sozialen Pflegeversicherung 3,7 Mio. Personen in diesem Sinne pflegebedürftig, davon rund zwei Drittel (62,1 %) Frauen (2,3 Mio. Pflegebedürftige). Mehr als die Hälfte der Pflegebedürftigen (51,6 %) sind 80 Jahre und älter (1,9 Mio. Pflegebedürftige). Rund ein Zwanzigstel der Pflegebedürftigen (5,1 %) sind Kinder und Jugendliche (190 Tsd. Personen) (Abb. 16.1).

Abb. 16.1
figure 1

Pflegebedürftige in der GKV nach Alter und Geschlecht, in % (2018) (Quelle: Amtliche Statistik PG 2, Amtliche Statistik KM 6)

Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu sein (Abb. 16.2). Sind im Jahr 2018 bei Kindern und Jugendlichen sowie Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 1 und 2 von 100 gesetzlich Krankenversicherten pflegebedürftig, betrifft dies bei den 75- bis 79-Jährigen bereits jeden Siebten (13,4 %). In den höchsten Alterssegmenten vervierfacht sich diese Prävalenzrate auf 45 % bei den 85- bis 89-Jährigen. Bei den über 90-Jährigen sind zwei Drittel der Personen (65,1 %) pflegebedürftig.

Mit steigendem Alter unterscheidet sich zudem deutlich die Pflegeprävalenz zwischen Männern und Frauen (Abb. 16.2): Während rund ein Drittel der 85- bis 90-jährigen Männer (36,3 %) von Pflegebedürftigkeit betroffen sind, betrifft dies die Hälfte aller Frauen (50,0 %) im gleichen Alterssegment. Bei den über 90-jährigen Männern ist schließlich jeder Zweite (54,0 %) pflegebedürftig, bei den gleichaltrigen Frauen hingegen sind es rund zwei Drittel (68,9 %). Innerhalb der unter 75-jährigen GKV-Population unterscheidet sich die Pflegeprävalenz zwischen den Geschlechtern je nach betrachteter Altersgruppe um maximal 0,8 Prozentpunkte.

Abb. 16.2
figure 2

Anteil der Pflegebedürftigen an den gesetzlich Versicherten nach Alter und Geschlecht, in % (2018) (Quelle: Amtliche Statistik PG 2, Amtliche Statistik KM 6)

Pflegebedürftigkeit im Zeitverlauf

Die Zahl der Pflegebedürftigen ist innerhalb der letzten elf Jahre deutlich gestiegen: Im Jahr 2018 waren im Durchschnitt 5 % der gesetzlich versicherten Bundesbürger pflegebedürftig. Elf Jahre zuvor (2007) betraf dies noch 3 %, was einem Anstieg um 75 % entspricht. Bereinigt man die Werte um die fortschreitende Alterung der Gesellschaft und legt für alle Jahre die Alters- und Geschlechtsstruktur der GKV-Versicherten des Jahres 2018 zugrunde, dann fällt der Anteil deutlich schwächer aus (Abb. 16.3): Bereits 2007 waren demgemäß 3 % der gesetzlich Versicherten pflegebedürftig, der Anstieg bis zum 2018er Wert beträgt dann noch 50 %. Folglich lässt sich die beobachtete Zunahme der Pflegeprävalenz zwischen 2007 und 2018 nur zu einem Teil auf die Entwicklung der Alters- und Geschlechtsstruktur der Bevölkerung zurückführen. Die deutliche Zunahme der Pflegeprävalenz von 2016 auf 2017 ist mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Januar 2017 verbunden. Mit der Reform war u. a. die Erwartung verbunden, dass sich der Zugang zu Leistungen der Pflegeversicherung weiter verbessert. Abb. 16.3 zeigt für das Jahr 2018 eine Zunahme der Pflegeprävalenz um 20,6 % im Vergleich zum Jahr 2016. Deutlich wird durch Abb. 16.3 aber auch, dass der Zuwachs an Pflegebedürftigen im Pflegegrad 1 den Anstieg überwiegend begründet (11,5 %).

Abb. 16.3
figure 3

Anteil der Pflegebedürftigen an den gesetzlich Versicherten im Zeitverlauf, in % (2007–2018) (Quelle: Amtliche Statistik PG 2, standardisiert mit der Amtlichen Statistik KM 6)

Schwere der Pflegebedürftigkeit

Seit Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Januar 2017 unterteilt sich die Schwere der Pflegebedürftigkeit definitorisch in fünf Pflegegrade (zuvor drei Pflegestufen). Knapp die Hälfte der Pflegebedürftigen (42,4 %) wiesen im Jahr 2018 laut amtlicher Statistik PG 2 „erhebliche Beeinträchtigungen“ (Pflegegrad 2) auf (Abb. 16.4). Im Schnitt ein Viertel der Pflegebedürftigen ist darüber hinaus von „schweren Beeinträchtigungen“ (Pflegegrad 3; 27,9 %) bzw. von „schwersten Beeinträchtigungen“ (Pflegegrad 4 und 5; 20,3 %) betroffen. Diese Verteilung der Schwere hat sich im Vergleich zum Vorjahr 2017 nur geringfügig verändert (Abb. 16.4). Lediglich bei Pflegegrad 1 zeigt sich ein Anstieg: Von geringen Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder Fähigkeiten waren im Jahr 2018 rund 9 % betroffen, ein Jahr zuvor belief sich dieser Wert noch auf 6 %.

Abb. 16.4
figure 4

Anteil der Pflegebedürftigen nach Schwere der Pflegebedürftigkeit 2018 im Vergleich zum Vorjahr, in % (Quelle: Amtliche Statistik PG 2)

2.2 Versorgungsformen bei Pflegebedürftigkeit

Versorgungsformen nach Alter und Geschlecht

Die folgenden Analysen vergleichen ambulant und vollstationär versorgte Pflegebedürftige (§ 43 SGB XI). Die Betrachtung der ambulant Gepflegten unterscheidet zwischen Empfängern reiner Geldleistungen (d. h. Personen mit Pflegegeldbezug (§ 37 SGB XI) ohne jegliche weitere Unterstützung durch einen ambulanten Pflegedienst (im Sinne des § 36 SGB XI) und solchen mit Sachleistungs- (§ 36 SGB XI) bzw. Kombinationsleistungsbezug (§ 38 SGB XI)). Im Jahr 2018 wurden rund drei von vier Pflegebedürftigen (76,7 %) in ihrer häuslichen Umgebung betreut: Die Hälfte aller Pflegebedürftigen (55,8 %) bezog ausschließlich Pflegegeld. Ein Fünftel (20,9 %) entschied sich entweder für eine Kombination aus Geld- und Sachleistung oder für den alleinigen Bezug von Sachleistungen. Nur knapp jeder vierte Pflegebedürftige (23,4 %) wurde in einem stationären Pflegeheim versorgt (Abb. 16.5).

Die Unterschiede zwischen den Versorgungsformen sind weniger geschlechts- als vielmehr altersabhängig: Leisten bei pflegebedürftigen Kindern und Jugendlichen nahezu immer die Angehörigen die Versorgung (Pflegegeld), trifft dies bei Personen im Alter von 20 bis 59 Jahren auf rund 74 % der Männer und 78 % der Frauen zu. Auch Pflegebedürftige zwischen 60 und 74 Jahren sind noch überwiegend reine Geldleistungsbezieher, ab 75 Jahren bei den Frauen und ab 80 Jahren bei den Männern sinkt dieser Wert deutlich. Komplementär steigt der Anteil von Pflegebedürftigen in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Während in jüngeren Jahren Männer wesentlich häufiger als Frauen vollstationär versorgt werden, kehrt sich dieses Verhältnis ab einem Alter von 75 Jahren um (Abb. 16.5).

Abb. 16.5
figure 5

Anteil der Pflegebedürftigen nach Versorgungsform, innerhalb der Alters- und Geschlechtsgruppen, im Durchschnitt der Monate, in % (2018) (ohne Pflegebedürftige, die Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nach § 43a SGB XI erhalten) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Innerhalb der einzelnen Versorgungsformen variiert die Altersverteilung bei geschlechtsspezifischer Betrachtung ebenso (Abb. 16.6): Drei Viertel (74,7 %) der vollstationär gepflegten Frauen sind mindestens 80 Jahre alt, die Männer sind mit einem entsprechenden Anteil von 47 % hingegen im Durchschnitt deutlich jünger. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den ambulant gepflegten Empfängern von Pflegegeld sowie von Sach- oder Kombinationsleistungen. Der Anteil an Pflegebedürftigen in den obersten Altersdekaden ist in allen Versorgungsformen bei den Frauen deutlich höher als bei den Männern.

Abb. 16.6
figure 6

Anteil der Pflegebedürftigen nach Alter, innerhalb der Versorgungsform und Geschlechtsgruppe im Durchschnitt der Monate, in % (2018) (ohne Pflegebedürftige, die Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nach § 43a SGB XI erhalten) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Versorgungsform stationär nach Bundesland

Der Anteil der vollstationär versorgten Pflegebedürftigen, der sich 2018 im Bundesdurchschnitt auf 23 % beläuft, variiert regional erheblich. Abb. 16.7 zeigt die Pflegeheimquoten je Bundesland bereinigt um länderspezifische Alters- und Geschlechtsunterschiede. Bundesländer, die trotz Alters- und Geschlechtsbereinigung deutlich überdurchschnittliche Quoten aufweisen, sind Schleswig-Holstein (32,4 %), Bayern (28,9 %) sowie Sachsen-Anhalt (27,9 %). Die niedrigsten Anteile von Personen in vollstationärer Pflege finden sich in Brandenburg (18,9 %), Hessen (20,1 %) und Bremen (20,6 %).

Abb. 16.7
figure 7

Anteil der Pflegebedürftigen in vollstationärer Pflege nach Bundesland im Durchschnitt der Monate, in % (2018) (ohne Pflegebedürftige, die Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nach § 43a SGB XI erhalten) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Schwere der Pflegebedürftigkeit nach Versorgungsformen

Die Schwere der Pflegebedürftigkeit ist zwischen den Versorgungsformen unterschiedlich verteilt. Während im Jahr 2018 56 % der reinen Pflegegeldbezieher Pflegegrad 2 aufwiesen, waren dies in der vollstationären Pflege nur 19 %. Gleichsam ist hier knapp jeder Zweite (48,1 %) von schwersten Beeinträchtigungen (Pflegegrad 4 und 5) betroffen, von den Geldleistungsempfängern lediglich 15 % (Abb. 16.8a). In umgekehrter Aufschlüsselung – wie verteilen sich die Personen eines Pflegegrads auf die Versorgungsformen – zeigt sich: Zwei Drittel der Menschen mit Pflegegrad 2 (69,2 %) beziehen demnach ausschließlich Geldleistungen, nur jeder Zehnte (9,6 %) wird vollstationär versorgt. Mit Zunahme des Pflegegrades steigt der Anteil der Personen im Pflegeheim deutlich – schwerstpflegebedürftige Personen mit Pflegegrad 4 und 5 nehmen fünfmal häufiger die vollstationäre Versorgung in Anspruch als Personen mit Pflegegrad 2 (Abb. 16.8b).

Abb. 16.8
figure 8

Anteil der Pflegebedürftigen differenziert nach Pflegegrad je Versorgungsform (a) sowie differenziert nach Versorgungsform je Pflegegrad (b), im Durchschnitt der Monate, in % (2018) (ohne Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 sowie ohne Pflegebedürftige, die Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nach § 43a SGB XI erhalten) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

2.3 Ambulante Unterstützungs- und Entlastungsleistungen

Ambulant versorgte Pflegebedürftige haben die Möglichkeit, zusätzlich zum Pflegegeld bzw. parallel zur ergänzenden Versorgung durch einen Pflegedienst weitere Unterstützungsleistungen für Pflegebedürftige zu beziehen. Geld- und Sachleistungen können mit einer Tages- und Nachtpflege (§ 41 SGBXI) ergänzt werden. Der Pflegebedürftige kann hierdurch für Zeiten im Tagesablauf in einer entsprechenden teilstationären Einrichtung betreut und gepflegt werden. Neben den Leistungen zur Abdeckung des täglichen Hilfebedarfs gibt es für ambulant versorgte Pflegebedürftige Angebote der Verhinderungs- (§ 39 SGB XI) und Kurzzeitpflege (§ 42 SGB XI), um die Hauptpflegeperson für einige Wochen im Jahr zu entlasten. Kurzzeitpflege kann darüber hinaus nach einem Krankenhausaufenthalt genutzt werden, um den Übergang in die weitere Pflege abzusichern, oder als Ersatzpflege in Krisensituation, in denen eine häusliche Pflege nicht möglich oder nicht ausreichend ist, zum Einsatz kommen. Pflegebedürftige in häuslicher Pflege haben ferner Anspruch auf einen Entlastungsbetrag (§ 45b SGB XI) in Höhe von bis zu 125 € pro Monat zur Erstattung von Aufwendungen im Rahmen der Inanspruchnahme von Tages- oder Nachtpflege, Kurzzeitpflege, Leistungen der ambulanten Pflegedienste im Sinne des § 36 SGB XI und Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a SGB XI. Pflegebedürftige, die in ambulant betreuten Wohngruppen mit mindestens zwei weiteren Pflegebedürftigen (im Sinne der §§ 14, 15) leben, können zudem unter bestimmten Voraussetzungen (u. a. im Hinblick auf die Größe der Wohngruppe) zum Zweck der gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung einen pauschalen monatlichen Zuschlag (§ 38a SGB XI) beziehen.

Übersicht zur Inanspruchnahme

16.9 zeigt die Inanspruchnahme von ambulanten Unterstützungsleistungen. Besonders auffällig ist dabei die geringe Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen durch Pflegegeldbezieher: 70 % von ihnen nutzen keine einzige weitere ambulante Unterstützungs- und Entlastungsleistung (38,9 % aller Pflegebedürftigen). Ganz anders bei den Pflegehaushalten mit Einbindung eines ambulanten Pflegedienstes (Sach- oder Kombinationsleistung): Zwei Drittel (68,6 %) beziehen hier ergänzende unterstützende Leistungen. Gemessen an allen Pflegebedürftigen sind dies 14 %. Ein Viertel der Pflegebedürftigen befindet sich in vollstationärer Pflege.

Abb. 16.9
figure 9

Anteil der Pflegebedürftigen nach Versorgungsart mit und ohne zusätzliche Unterstützungs- und Entlastungsleistung, im Durchschnitt der Monate, in % (2018) (ohne Pflegebedürftige, die Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nach § 43a SGB XI erhalten) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

16.10 stellt die Inanspruchnahme von ambulanten Unterstützungs- und Entlastungsleistungen durch ambulant versorgte Pflegebedürftige in der eigenen Häuslichkeit (mindestens in einem Monat) für das Jahr 2018 dar. Sie differenziert dabei zwischen der zeitpunktbezogenen (Durchschnitt der Monate) und der zeitraumbezogenen Betrachtung (JahresdurchschnittFootnote 1). Die Jahresbetrachtung ermöglicht insbesondere eine genauere Darstellung der Inanspruchnahmeraten für die Nutzer von Kurzzeit- und Verhinderungspflege, da diese Leistungen nicht durchgehend über das ganze Jahr in Anspruch genommen werden, sodass eine Darstellung im Durchschnitt der Monate diesen Anteil unterschätzen würde. Folglich ergibt die Jahresanalyse durchgängig höhere Inanspruchnahmeraten bei den in Abb. 16.10 gelisteten Leistungen als die Berechnung des jeweiligen Monatsdurchschnitts. Darüber hinaus fällt die häufige Nutzung der Verhinderungspflege, der Kurzzeitpflege sowie des Entlastungsbetrags auf. Unabhängig von der Bezugsgruppe und vom Betrachtungszeitraum dominieren diese Leistungsarten die Inanspruchnahme der ambulant Pflegebedürftigen: Im Jahresverlauf 2018 nutzte fast jeder Dritte von ihnen mindestens einmal eine Leistung aus der genannten Gruppe „Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege“ (31,7 % der Empfänger von Pflegegeld und 30,2 % jener von Sach- oder Kombinationsleistungen). Im Bereich der Verhinderungspflege kommt der stundenweisen Unterstützung die höchste Bedeutung zu (15,2 % bzw. 16,9 %). Kurzzeitpflege erhielt jeder Zehnte (8,5 % bzw. 12,0 %) mindestens einmal im Laufe des Jahres 2018.

Abb. 16.10
figure 10

Anteil der Empfänger von Pflegegeld bzw. von Sach- oder Kombinationsleistungen nach Unterstützungs- und Entlastungsleistungen, im Durchschnitt der Monate und im Jahr, in % (2018) (ohne Pflegebedürftige, die Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nach § 43a SGB XI erhalten) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Inanspruchnahme auf Kreisebene

16.11 visualisiert die Inanspruchnahme der Tages- und Nachtpflege, Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege im Jahr noch einmal kartographisch. Bei der teilstationären Pflege fallen in den Kreisen im Norden und Osten überproportionale Raten auf, während für die Verhinderungspflege andersherum eher in Westdeutschland – ausgenommen Bayern – höhere Inanspruchnahmeraten zu sehen sind. Bei der Kurzzeitpflege ist zu beobachten, dass die Raten in den Kreisen in Ostdeutschland weitaus niedriger ausfallen als im Rest der Republik.

Abb. 16.11
figure 11

Anteil der Pflegebedürftigen mit Tages- und Nachtpflege, Kurzzeit- oder Verhinderungspflege nach Geld- sowie Sach- oder Kombinationsleistungsempfänger und Kreisen, im Jahr, in % (2018) (ohne Pflegebedürftige, die Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nach § 43a SGB XI erhalten) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Unterstützungs- bzw. Entlastungsleistungen nach Schwere der Pflegebedürftigkeit

Die Inanspruchnahme der durch die Soziale Pflegeversicherung finanzierten Unterstützungsleistungen nimmt mit der Schwere der Pflegebedürftigkeit zu (Abb. 16.12). Knapp jeder dritte Sach- oder Kombinationsleistungsbezieher mit Pflegegrad 5 (29,7 %) bzw. nahezu jeder zweite Geldleistungsbezieher (42,6 %) mit diesem Pflegegrad nutzt die Verhinderungspflege, im Pflegegrad 2 waren dies lediglich 15 % bzw. 19 %. Diese Verteilung über die Pflegegrade ergibt sich für alle hier unterschiedenen Unterstützungsarten. Jeder fünfte Pflegegeldempfänger und rund jeder sechste Empfänger von Sach- oder Kombinationsleistungen mit schwersten Beeinträchtigungen (Pflegegrad 5: 19,1 % und 15,9 %) nimmt Kurzzeitpflege in Anspruch.

Abb. 16.12
figure 12

Anteil der Empfänger von Pflegegeld- bzw. Sach- oder Kombinationsleistungen nach Unterstützungs- und Entlastungsleistungen und Pflegegraden im Jahr, in % (2018) (ohne Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 sowie ohne Pflegebedürftige, die Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nach § 43a SGB XI erhalten) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Die umgekehrte Betrachtung in Abb. 16.13 zeigt, wie schwer pflegebedürftig die Bezieher der jeweiligen Unterstützungsleistung sind: Rund zwei Drittel der Pflegebedürftigen haben im Schnitt über alle Leistungen einen eher leichteren Pflegegrad 2 oder 3. Mit Blick auf die Nutzung des Entlastungsbetrags sind es sogar drei Viertel (76,9 %) der Empfänger von Pflegegeldleistungen und rund drei Viertel (72,9 %) bei jenen mit Sach- oder Kombinationsleistungen. Der Anteil der Pflegebedürftigen mit schwersten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (Pflegegrad 4 und 5) bei den hier zugrunde gelegten Unterstützungsleistungen fällt wesentlich geringer aus. Je nach betrachteter Leistung ist ihr Anteil dennoch hoch: So ist mehr als jeder Zweite (57,0 %) mit Sach- oder Kombinationsleistungen, der in einer ambulanten Wohngruppe lebt, von schwersten Beeinträchtigungen dieser Art betroffen. Rund ein Drittel der Pflegebedürftigen mit Tages- und Nachtpflege und mit Kurzzeitpflege sind Personen mit Pflegegrad 4 oder 5 – unabhängig davon, ob sie Pflegegeld bzw. Sach- und Kombinationsleistungen beziehen.

Abb. 16.13
figure 13

Anteil der Empfänger von Pflegegeld- bzw. Sach- oder Kombinationsleistungen innerhalb der Unterstützungs- und Entlastungsleistungen nach Pflegegrad, im Durchschnitt der Monate, in % (2018) (ohne Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 sowie ohne Pflegebedürftige, die Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nach § 43a SGB XI erhalten) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Unterstützungs- bzw. Entlastungsleistungen nach Geld- und Sach- oder Kombinationsleistungsbezug

Neben einer Aufgliederung nach Alter, Geschlecht und Pflegegraden liefert auch die Differenzierung nach Geld- bzw. Sach- oder Kombinationsleistungsbezug einen Beitrag zur Charakterisierung der Bezieher von zusätzlichen Unterstützungs- und Entlastungsleistungen. Abb. 16.14 zeigt in dieser Hinsicht ein heterogenes Bild: Während die Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege überproportional, d. h. von über zwei Dritteln der Pflegegeldbezieher, beansprucht (65,3 bzw. 73,1 %) wird, ist der Anteil beider Gruppen bei den Nutzern der Tages- und Nachtpflege wie auch des Entlastungsbetrags ähnlich hoch. Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen hingegen werden nahezu ausschließlich von Sach- oder Kombinationsleistungsbeziehern in Anspruch genommen (93,8 %).

Abb. 16.14
figure 14

Anteil der Empfänger von Pflegegeld- bzw. Sach- oder Kombinationsleistungen innerhalb der Unterstützungs- und Entlastungsleistungen, im Durchschnitt der Monate, in % (2018) (ohne Pflegebedürftige, die Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nach § 43a SGB XI erhalten) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

3 Kennzahlen zur medizinisch-therapeutischen Versorgung von Pflegebedürftigen

3.1 Ambulante ärztliche Versorgung

Die folgende Darstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung von Pflegebedürftigen in Deutschland orientiert sich an der Kontaktrate zu niedergelassenen Ärzten. Diese Kennzahl erfasst sogenannte Abrechnungsfälle (mindestens ein Kontakt je Quartal und Arzt), die der ambulante ärztliche Leistungserbringer abrechnet. Ein Fall kann dabei unbekannt viele Arztkontakte im Quartal umfassen. Die Zahl der Abrechnungsfälle wiederum ist auf kollektivvertragsärztliche Leistungsfälle im Sinne des § 73 SGB V beschränkt. Auf das konkrete Leistungsgeschehen und auf Versicherte, die an der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB V und der besonderen ambulanten ärztlichen Versorgung nach § 140a SGB V teilnehmen, geht dieser Beitrag nicht ein.

Übersicht zur Inanspruchnahme

Nahezu alle Pflegebedürftigen (96,1 %) hatten 2018 im Durchschnitt der Quartale mindestens einen Arztkontakt, d. h. generierten einen Abrechnungsfall. Gleichfalls sahen fast alle Pflegebedürftigen (89,6 %) im Quartal im Durchschnitt einen Hausarzt, 71 % mindestens einmal einen Facharzt. Facharztgruppen, die häufig im Quartal kontaktiert wurden, waren Urologen mit 18 % der Männer pro Quartal sowie Neurologen mit rund 18 % (beide Geschlechter pro Quartal) (Tab. 16.1). Deutliche Unterschiede zeigen sich zwischen Pflegebedürftigen, die ambulant (d. h. in der eigenen Häuslichkeit), und solchen, die in vollstationärer Pflege versorgt werden. Mit 97 % war die Inanspruchnahme von Hausärzten im vollstationären Kontext höher als im ambulanten Setting mit 88 % im Durchschnitt der Quartale. Weitaus auffälligere Unterschiede beziehen sich auf einzelne Facharztgruppen: 18 % der ambulant versorgten Pflegebedürftigen hatten im Durchschnitt der Quartale mindestens einmal Kontakt zu einem Internisten. Bei vollstationär versorgten Pflegebedürftigen waren dies nur 7 %. Andersherum sah knapp jeder dritte Pflegeheimbewohner (30,1 %) einen Neurologen im Durchschnitt der Quartale, während dies in der ambulanten Versorgung nur bei 15 % der Fall war (Tab. 16.1).

Tab. 16.1 Inanspruchnahme von niedergelassenen Vertragsärzten durch Pflegebedürftige im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

16.15 zeigt den Anteil der Pflegebedürftigen mit mindestens einem Arztbesuch differenziert nach Versorgungsform. Hierbei sind Unterschiede in der Häufigkeit der Inanspruchnahme zwischen ambulanter und stationärer Pflege zu beobachten. Im Jahresverlauf 2018 sahen mehr vollstationär Gepflegte regelmäßig, d. h. mindestens in zwei Quartalen, einen Neurologen (93,4 %) und/oder Psychiater (91,5 %) als die ambulant Gepflegten (90,6 % bzw. 89,5 %). Des Weiteren hatten 36,1 % der Pflegebedürftigen in der stationären Pflege in allen vier Quartalen jeweils einen Kontakt zum Internisten – im Vergleich zu 43 % in der ambulanten Pflege.

Abb. 16.15
figure 15

Häufigkeit der Inanspruchnahme von niedergelassenen Vertragsärzten durch Pflegebedürftige nach Versorgungsform, in % (2018) (ohne Pflegebedürftige, die Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nach § 43a SGB XI erhalten; a inklusive hausärztlich tätige Internisten) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

In Abb. 16.16 wird die Perspektive gewechselt: Dargestellt ist hier, welche Relevanz die Versorgung von Pflegebedürftigen in der ärztlichen Praxis hat – oder anders ausgedrückt: welcher Anteil der Fälle bei den niedergelassenen Ärzten 2018 auf Pflegebedürftige entfiel. Mit Ausnahme der Neurologen, Psychiater, Urologen sowie Hausärzten und Internisten liegt diese Rate allgemein unter 10 %. In der neurologischen Praxis bezieht sich hingegen mehr als jeder vierte Fall auf einen Pflegebedürftigen.

Abb. 16.16
figure 16

Anteil Fälle* bei niedergelassenen Vertragsärzten, die sich auf Pflegebedürftige beziehen, im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (* Fälle im Rahmen von Selektivverträgen nach § 73b oder § 140a SGB V wurden nicht in die Analysen einbezogen; a inklusive hausärztlich tätige Internisten) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

3.2 Versorgung mit häuslicher Krankenpflege in der ambulanten Pflege

Gesetzlich Krankenversicherte haben nach § 37 SGB V unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf häusliche Krankenpflege (HKP). Voraussetzung für das Leistungsrecht ist vor allem, dass weder der Versicherte noch eine im Haushalt lebende Person die notwendigen und verordneten Pflegemaßnahmen leisten kann. Unterschieden wird bei der häuslichen Krankenpflege solche mit dem Ziel, Krankenhausbehandlung zu vermeiden (§ 37 Abs. 1 SGB V) bzw. bei akuter Verschlimmerung einer Krankheit – insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt – zu unterstützen (§ 37 Abs. 1a SGB V), und solcher, die dazu dient, die ärztliche Behandlung zu sichern (§ 37 Abs. 2 SGB V). Die häusliche Krankenpflege umfasst Grund- und Behandlungspflege, wobei Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2 keinen Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung haben. Pflegebedürftige in vollstationärer Pflege erhalten Behandlungspflege regelhaft im Rahmen der Leistung der Pflegeversicherung (siehe hierzu auch Schwinger und Tsiasioti, Kap. 3 im gleichen Band). Bei besonders hohem Bedarf kann ausnahmsweise Behandlungspflege auch in stationären Pflegeeinrichtungen durch die Krankenversicherung finanziert werden. Die folgenden Analysen beziehen sich jedoch ausschließlich auf ambulant Pflegebedürftige; auf die Ausnahmeregelung für vollstationär Pflegebedürftige wird im Folgenden nicht weiter eingegangen.

16.2 gibt einen Überblick zur Inanspruchnahme der häuslichen Krankenpflege (HKP) nach § 37 SGB V. Während diese Leistungsform bei Nicht-Pflegebedürftigen nur eine untergeordnete Rolle spielt – nur vier von 1.000 Nicht-Pflegebedürftigen haben innerhalb des Jahres 2018 mindestens eine HKP-Leistung in Anspruch genommen –, erhielten rund 29 % der ambulant versorgten Pflegebedürftigen eine solche Leistung. Von den HKP-Leistungsempfängern wiederum waren drei Viertel (76,1 %) pflegebedürftig (Tab. 16.2).

Tab. 16.2 Übersicht zur Versorgung mit HKP-Leistung von Nicht-Pflegebedürftigen und ambulant Pflegebedürftigen, im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

16.17 zeigt auf, dass pflegebedürftige HKP-Leistungsempfänger deutlich älter sind als die Nicht-Pflegebedürftigen. Während im Jahr 2018 beispielsweise 20 % aller Nicht-Pflegebedürftigen zwischen 20 bis 59 Jahre alt waren, fanden sich nur 8 % der Nicht-Pflegebedürftigen in dieser Altersgruppe. Andersherum waren fast 60 % der Nicht-Pflegebedürftigen über 80 Jahre alt, bei den Nicht-Pflegebedürftigen hingegen waren es knapp 37 %.

Abb. 16.17
figure 17

Nicht-Pflegebedürftige und pflegebedürftige HKP-Leistungsempfänger nach Alter, im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Betrachtet man die HKP-Inanspruchnahme bei den Pflegebedürftigen differenziert nach Pflegegrad, zeigt sich ein leichter Anstieg mit der Schwere des Unterstützungsbedarfs. Während im Pflegegrad 2 27 % eine Leistung erhielten, waren es in Grad 5 38 % (Tab. 16.3). Die Unterschiede sind jedoch erheblich, wenn man nach der Versorgungsform differenziert: Von den reinen Geldleistungsempfängern bezogen nur 15 % HKP, während der Anteil bei Personen mit Einbindung eines Pflegedienstes auch im Kontext der SPV (Sach- und Kombinationsleistung) mit 70 % fast um das Fünffache höher lag (Tab. 16.3).

Tab. 16.3 Anteil pflegebedürftiger HKP-Leistungsempfänger nach Pflegegrad und Pflegeart, im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Schaut man Innerhalb der Versorgungsformen, so zeigt sich, dass deutlich mehr als die Hälfte (57,1 %) der Pflegegeldbezieher mit HKP dem Pflegegrad 2 zuzuordnen waren, während dies bei den Sach- und Kombinationsleistungsempfängern lediglich 43 % waren (Abb. 16.18a). Andersherum sinkt folglich der Anteil reiner Geldleistungsbezieher mit HKP-Leistungsbezug mit der Schwere der Pflege. Waren von den HKP-Empfängern mit Pflegegrad 2 noch 44 % reine Geldleistungsempfänger, waren dies im Pflegegrad 5 nur noch 26 % (Abb. 16.18b).

Abb. 16.18
figure 18

Anteil pflegebedürftiger HKP-Leistungsempfänger differenziert nach Pflegegrad je Versorgungsform (a) sowie differenziert nach Versorgungsform je Pflegegrad (b), im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

3.3 Stationäre Versorgung

Die Darstellung der Krankenhausversorgung von Pflegebedürftigen bezieht sämtliche vollstationären Fälle im Sinne des § 39 SGB V ein. Teil-, vor- und nachstationäre (§ 115a SGB XI) sowie ambulante (§ 115b SGB XI) Fälle sind nicht Bestandteil der Betrachtungen. Zudem werden ausschließlich Fälle mit abgeschlossener Rechnungsprüfung ausgewertet.

Übersicht zur Inanspruchnahme

Fast jeder fünfte Pflegebedürftige (18,7 %) hatte im Jahr 2018 im Durchschnitt der Quartale mindestens einen Krankenhausaufenthalt (Tab. 16.4). Bezogen auf das Quartal hatten Pflegebedürftige 1,4 und im Jahresblick 2,1 Krankenhausbehandlungen (Tab. 16.5). Die Mehrzahl der Pflegebedürftigen mit mehreren Krankenhausaufenthalten werden demzufolge innerhalb eines kurzen Zeitintervalls (d. h. innerhalb eines Quartals) mehrmals stationär behandelt. Je Aufenthalt sind Pflegebedürftige im Jahr durchschnittlich acht Tage und Nicht-Pflegebedürftige fünf Tage im Krankenhaus (Tab. 16.5). Erwartungsgemäß hängt die Länge des Aufenthalts sehr stark vom Alter ab: Bei der jungen Kohorte der bis 19-jährigen Pflegebedürftigen waren es im Jahr durchschnittlich sechs Krankenhaustage je Fall, ab einem Alter von 90 Jahren dagegen neun Tage und damit rund 50 % mehr. 11 % der Pflegebedürftigen und 2 % der Nicht-Pflegebedürftigen verstarben im Krankenhaus.

Tab. 16.4 Pflegebedürftige mit Krankenhausaufenthalt nach Schwere der Pflegebedürftigkeit und Versorgungsform im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))
Tab. 16.5 Übersicht zu den Krankenhausaufenthalten von Pflegebedürftigen und Nicht-Pflegebedürftigen, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Bei jedem vierten Krankenhausfall (26,0 %) war der Patient ein Pflegebedürftiger (Abb. 16.19). Die Analyse nach Krankenhaustagen unterstreicht die Bedeutung für den stationären Versorgungsalltag zusätzlich: Mehr als ein Drittel aller Krankenhaustage (39,1 %) entfielen 2018 auf pflegebedürftige Patienten.

Abb. 16.19
figure 19

Anteil der Krankenhausfälle und -tage bei Pflegebedürftigen und Nicht-Pflegebedürftigen im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Inanspruchnahme nach Altersgruppen und Geschlecht

Die Wahrscheinlichkeit eines Krankenhausaufenthalts variiert deutlich zwischen den Altersgruppen. War im Durchschnitt der Quartale jeder fünfte Pflegebedürftige (18,7 %) im Krankenhaus (Tab. 16.4), betraf dies bei den unter 20-Jährigen rund jeden Zehnten (9,5 %), bei den Pflegebedürftigen im erwerbsfähigen Alter 20 bis 59 Jahre rund jeden Achten (12,0 %) und in der Altersgruppe der 70- bis 74- sowie der 75- bis 79-Jährigen schließlich fast jeden Vierten (22,7 % bzw. 22,5 %; Abb. 16.20). Vergleicht man dies mit Krankenhausaufenthalten Nicht-Pflegebedürftiger, zeigt sich eine ähnliche Verteilung über die Altersgruppen, jedoch auf einem erwartungsgemäß deutlich niedrigeren Niveau. Anders als bei den Pflegebedürftigen ist hier in der Altersgruppe der 80- bis 84-Jährigen die Wahrscheinlichkeit für einen Krankenhausaufenthalt am höchsten (8,0 %). Bei beiden Gruppen sinkt die stationäre Behandlungsrate in den folgenden Altersgruppen wieder – jene der Pflegebedürftigen jedoch stärker (Abb. 16.20). Auch zwischen den Geschlechtern finden sich erhebliche Unterschiede: In den Jahrgängen unter 60 Jahren sind Frauen häufiger im Krankenhaus, ab 60 Jahre sind es dann die Männer. So wies 2018 beispielsweise rund jeder Vierte der 70- bis 74-jährigen pflegebedürftigen Männer (25,1 %) einmal im Quartal einen Aufenthalt im Krankenhaus auf, bei den Frauen betraf dies jede Fünfte (20,7 %). Die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Inanspruchnahme zeigen sich – wiederum auf einem niedrigeren Niveau – auch bei den Nicht-Pflegebedürftigen.

Abb. 16.20
figure 20

Personen mit Krankenhausaufenthalt bei Pflegebedürftigen und Nicht-Pflegebedürftigen nach Alter und Geschlecht im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Inanspruchnahme nach Schwere der Pflegebedürftigkeit und Versorgungsform

Die Hospitalisierungsraten je Quartal und nach Versorgungsform liegen relativ nah beieinander (Tab. 16.4). Im Jahr 2018 wurden 18 % der Bezieher von ausschließlich Pflegegeld, 21 % der ambulant betreuten Pflegebedürftigen mit Pflegedienst sowie 21 % der stationär betreuten Pflegebedürftigen im Quartal mindestens einmal im Krankenhaus aufgenommen. Insgesamt steigt – auch hier erwartungskonform – der Anteil der Personen mit einem Krankenhausaufenthalt mit der Schwere der Pflegebedürftigkeit (von Pflegegrad 2 bis Pflegegrad 4) insbesondere bei Pflegebedürftigen mit ambulanten Pflegeleistungen an. Die vollstationär Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 2 bis Pflegegrad 5 kennzeichnet ein relativ konstantes Niveau der Inanspruchnahme: Rund ein Fünftel waren im Quartal mindestens einmal hospitalisiert.

Inanspruchnahme nach Versorgungsform und Bundesland

16.21 präsentiert je Bundesland über alle vier Quartale des Jahres 2018 den durchschnittlichen Anteil der Pflegebedürftigen mit mindestens einem Krankenhausaufenthalt nach Versorgungsform. Hierbei handelt es sich um Angaben, die um Alters- und Geschlechtsunterschiede zwischen den Bundesländen bereinigt wurden. Standardisiert wurde auf die Struktur der gesetzlich Versicherten. Wesentliche Unterschiede zwischen den Versorgungsformen sind nicht erkennbar. In der vollstationären Pflege sind lediglich die Anteile der Pflegebedürftigen mit mindestens einem Krankenhausaufenthalt tendenziell höher als in der ambulanten Pflege. Die diesbezüglich regionalen Unterschiede in der ambulanten Pflege reichten von 17 % in Hamburg bis zu 20 % in Nordrhein-Westfalen und Bayern. In der vollstationären Pflege schwankten diese Anteile 2018 zwischen 18 % der Pflegebedürftigen in Mecklenburg-Vorpommern und knapp 24 % im Saarland (Abb. 16.21).

Abb. 16.21
figure 21

Anteil der Pflegebedürftigen mit mind. einem Krankenhausaufenthalt nach Bundesland im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (ohne Pflegebedürftige, die Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nach § 43a SGB XI erhalten) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Krankenhausaufenthalte aufgrund einer als ambulant-sensitiv eingestuften Hauptdiagnose

Unter ambulant-sensitiven Hospitalisierungen werden jene Krankenhauseinweisungen gefasst, die – so die zugrundeliegende These – durch „Vorsorge oder rechtzeitige Intervention im ambulanten Sektor“ (Sundmacher und Schüttig 2015) nicht erforderlich wären. Nach US-amerikanischem Vorbild existiert seit einigen Jahren ein spezifischer deutscher Katalog ambulant-sensitiver Behandlungsanlässe im Krankenhaus (ASK), basierend auf einer Kernindikationsgruppe (22 Krankheitsgruppen) und einer Gesamtindikationsliste (40 Krankheitsgruppen) (Sundmacher und Schüttig 2015; Weissman et al. 1992). Tab. 16.6 präsentiert den Anteil an Patienten mit einer als ambulant-sensitiv eingestuften Hauptdiagnose nach Versorgungsform und Schwere der Pflegebedürftigkeit. Erfasst werden nur jene Personen, die im Auswertungsjahr mindestens einen vollstationären Krankenhausaufenthalt aufgrund einer der als ambulant-sensitiv gewerteten Diagnosen aufwiesen. 8 % der vollstationär gepflegten Personen sowie ebenso 8 % der Bezieher von Pflegegeld waren im Durchschnitt der Quartale gemäß dem oben genannten Ansatz von Sundmacher und Schüttig (2015) Krankenhauspatienten mit einer ambulant-sensitiven Hauptdiagnose. Demgegenüber betraf dies nur jeden zwanzigsten (4,9 %) Nicht-Pflegebedürftigen. Ferner zeigt Tab. 16.6 deutlich, dass mit der Schwere der Pflegebedürftigkeit der Anteil an Patienten mit einem ambulant-sensitiven Behandlungsanlass steigt.

Tab. 16.6 Anteil Patienten mit Krankenhausaufenthalt mit einer als ambulant-sensitiv eingestuften Hauptdiagnose nach Versorgungsform und Schwere der Pflegebedürftigkeit im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

3.4 Versorgung mit Arzneimitteln

Die Betrachtung der Arzneimittelversorgung von Pflegebedürftigen in Deutschland berücksichtigt die von niedergelassenen Ärzten verordneten Medikamente. Die Analyse konzentriert sich dabei auf potenziell risikobehaftete Arzneimitteltherapien, welche die Gefahr unerwünschter Arzneimittelereignisse erhöhen können. Im Speziellen sind dies Kennzahlen zur gleichzeitigen Verordnung von mehreren Wirkstoffen (Polymedikation) und zur Versorgung mit für ältere Menschen potenziell ungeeigneten Wirkstoffen gemäß der so genannten PRISCUS-Liste (s. u.). Ein vertiefender Blick widmet sich der Behandlung mit Psychopharmaka. Bei den Analysen werden die Arzneimittel nach Wirkstoffen unterschieden, wie sie im anatomisch-therapeutisch-chemischen (ATC) Klassifikationssystem gegliedert sind. Das ATC-System dient der Klassifikation von Arzneimitteln nach therapeutischen, pharmakologischen und chemischen Kriterien. Ausgenommen sind bei diesen Analysen die Wirkstoffe aus der anatomischen Gruppe V (Verschiedene).

Polymedikation nach Alter

Mit zunehmender Morbidität bzw. zunehmendem Alter steigt das Risiko einer Polymedikation. Die Betroffenen weisen dann eine Vielzahl verschiedener Wirkstoffverordnungen auf. Mit dieser Verdichtung der pharmakologischen Therapie geht die Zunahme von unerwünschten Wechselwirkungen dieser Wirkstoffe einher. Rund zwei Drittel der Pflegebedürftigen (60,6 %), jedoch lediglich 11,6 % der Nicht-Pflegebedürftigen erhielten in jedem Quartal des Jahres 2018 fünf oder mehr Wirkstoffe. Gemäß Abb. 16.22 war der Anteil der polymedikamentös (mindestens fünf Wirkstoffe) versorgten Pflegebedürftigen im Pflegeheim (vollstationär, 68,9 %) und bei den Sach- und Kombinationsleistungsempfängern (68,2 %) am höchsten, bei den Beziehern von ausschließlich Pflegegeld am geringsten (57,3 %). Die höchste Wirkstoffrate findet sich bei den pflegebedürftigen 70- bis 74-Jährigen (Abb. 16.23): Hier wiesen rund ein Viertel (25,4 %) der Betroffenen zehn oder mehr Verordnungen unterschiedlicher Wirkstoffe pro Quartal auf. Dieser Wert war rund fünfmal so hoch wie bei den Nicht-Pflegebedürftigen gleicher Altersgruppe (4,8 %).

Abb. 16.22
figure 22

Anzahl verordneter Wirkstoffe bei Pflegebedürftigen und Nicht-Pflegebedürftigen insgesamt und nach Versorgungsform, im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (* Pflegebedürftige, die Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nach § 43a SGB XI erhalten, sind ausschließlich in dieser Kategorie enthalten) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Abb. 16.23
figure 23

Anzahl verordneter Wirkstoffe bei Pflegebedürftigen und Nicht-Pflegebedürftigen nach Alter, im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Verordnung nach Schwere der Pflegebedürftigkeit und Versorgungsform

Eine nach Schwere der Pflegebedürftigkeit differenzierte Betrachtung der Polymedikation (fünf Wirkstoffe) zeigt ein homogenes Bild. So schwankte der Anteil der polymedikamentös versorgten Pflegebedürftigen in Abhängigkeit vom Pflegegrad marginal zwischen 59 und 62 % (Tab. 16.7). Eine Ausnahme bildet hier der Pflegegrad 5: Bei Pflegebedürftigen mit schwersten Einschränkungen der Selbstständigkeit bzw. der Fähigkeiten verbunden mit besonderen Anforderungen an die Pflege sank dieser Anteil auf 56 %. Eine Variation der Polymedikationsrate zeigt sich jedoch in Tab. 16.7 zwischen den unterschiedlichen Versorgungsformen: Pflegebedürftige im häuslichen Setting ohne Einbindung von Pflegediensten (ausschließlich Pflegegeld) wiesen deutlich seltener Verordnungen von fünf und mehr Wirkstoffen auf als jene in anderen Versorgungsformen. In der vollstationären Pflege findet sich mit knapp drei Viertel (72,7 %) der Pflegebedürftigen im Pflegegrad 2 der höchste Anteil an polymedikamentös Therapierten.

Tab. 16.7 Anteil der Pflegebedürftigen mit Polymedikation (Anzahl Wirkstoffe ≥ 5) nach Schwere der Pflegebedürftigkeit und Versorgungsform im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

PRISCUS-Wirkstoffe

Die mit dem Alter einhergehenden physiologischen Veränderungen haben Auswirkungen auf die Wirkung und Verstoffwechselung von Arzneistoffen. Ältere Patienten sind aufgrund der veränderten Pharmakodynamik und -kinetik stärker von unerwünschten Effekten und Nebenwirkungen der Arzneimittel betroffen. Die nachfolgenden Untersuchungen betrachten die Wirkstoffe, die laut PRISCUS-Liste für ältere Menschen ab 65 Jahre als potenziell ungeeignet gelten (Holt et al. 2011).

PRISCUS-Verordnung nach Alter und Geschlecht

Die Analyse von verordneten PRISCUS-Arzneien zeigt auf, dass Pflegebedürftige diese deutlich häufiger verordnet bekommen als Nicht-Pflegebedürftige gleichen Alters. Etwas weniger als jeder siebte Pflegebedürftige (14,8 %) im Alter ab 65 Jahren erhielt 2018 mindestens einen Wirkstoff der PRISCUS-Liste (im Durchschnitt der Quartale). Bei den Nicht-Pflegebedürftigen ab 65 Jahren war dies jeder zwölfte (8,2 %). Das Risiko hierfür sinkt bei Pflegebedürftigen mit zunehmendem Alter (Abb. 16.24). Bei Nicht-Pflegebedürftigen hingegen ist der Anstieg dieser Rate wesentlich schwächer ausgeprägt und variierte in den höchsten hier betrachteten Alterssegmenten mit einem Anteil zwischen 9 und 10 % an PRISCUS-Verordnungsraten kaum noch. Die Spanne zwischen den Polymedikationsraten der Pflegebedürftigen und Nicht-Pflegebedürftigen verringert sich mit steigendem Alter sichtlich: Während die 65- bis 69-jährigen Pflegebedürftigen noch dreimal so häufig PRISCUS-Verordnungen erhielten wie die Nicht-Pflegedürftigen gleichen Alters, verblieben in der höchsten Altersgruppe der mindestens 90-Jährigen nur noch rund drei Prozentpunkte Unterschied zwischen Pflegebedürftigen und gleichaltriger Vergleichsgruppe (11,8 % versus 8,7 %) (Abb. 16.24). Ferner zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen den Geschlechtern: Sowohl bei den Nicht-Pflegebedürftigen als auch bei den Pflegebedürftigen erhielten Frauen in allen Altersgruppen häufiger PRISCUS-Verordnungen als Männer (Abb. 16.24). Dies korrespondiert damit, dass Frauen generell in bestimmten Altersgruppen mehr Arzneimittel als Männer verordnet bekommen (Schaufler und Telschow 2016).

Abb. 16.24
figure 24

Anteil der Personen ab 65 Jahre mit mindestens einer Verordnung eines PRISCUS-Wirkstoffs im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

PRISCUS-Verordnung nach Wirkstoffgruppen

Die nach Wirkstoffgruppen differenzierte Analyse des Einsatzes von PRISCUS-Wirkstoffen kennzeichnet die Psychopharmaka als mit Abstand häufigste verordnete Gruppe. Für 5,5 % der Pflegebedürftigen über 65 Jahre ließ sich im Durchschnitt der Quartale 2018 mindestens eine Verordnung von Psycholeptika und für 4,3 % von Psychoanaleptika feststellen – beide gelten als potenziell inadäquat bei älteren Menschen (Abb. 16.25).

Abb. 16.25
figure 25

Anteil der Pflegebedürftigen und Nicht-Pflegebedürftigen ab 65 Jahre mit PRISCUS-Wirkstoff nach Wirkstoffgruppen im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Ein detaillierter Blick auf die Wirkstoffgruppe der Psycholeptika zeigt, dass 17 % der Pflegebedürftigen über 65 Jahre 2018 ein Antipsychotikum erhielten (Tab. 16.8). Von diesen verordneten Wirkstoffen ist jedoch lediglich 1 % in der PRISCUS-Liste aufgeführt; insgesamt 6 % der für 2018 beobachteten Antipsychotika-Verordnungen gelten dementsprechend als potenziell ungeeignet für die betagten Patienten. Anxiolytika (Beruhigungsmittel) sowie Hypnotika und Sedativa (Schlaf- und Beruhigungsmittel) hingegen werden insgesamt deutlich seltener verordnet. Die Wahrscheinlichkeit, in diesem Fall ein Arzneimittel mit PRISCUS-Wirkstoff zu erhalten, ist den Analysen zufolge jedoch sehr hoch: Mehr als ein Drittel der Pflegebedürftigen über 65 Jahre mit einer Verordnung aus der Gruppe der Anxiolytika erhielten einen Arzneistoff der PRISCUS-Liste. Bei den Hypnotika und Sedativa traf dies sogar auf zwei Drittel (63,2 %) der Personen mit Verordnung zu. Unter den Psychoanaleptika haben die Antidepressiva die höchsten Verordnungsraten: Jeder fünfte (19,8 %) Pflegebedürftige im Alter von über 65 Jahren wies eine Verordnung eines Antidepressivums auf – wiederum rund jeder Fünfte (20,3 %) hiervon einen auf der PRISCUS-Liste aufgeführten Wirkstoff. Lediglich 6 % der Pflegebedürftigen erhielten ein Antidementivum; PRISCUS-Arzneimittel kommen hier nur selten vor (Tab. 16.8). Verordnungen von Psychostimulanzien sind kaum zu beobachten (0,3 %) – werden sie verordnet, findet sich jedoch nahezu jeder Wirkstoff auf der PRISCUS-Liste wieder (97,1 %).

Tab. 16.8 Anteil der Pflegebedürftigen ab 65 Jahre mit Verordnung von Psycholeptika bzw. Psychoanaleptika im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

36 % der Pflegebedürftigen erhielten im Quartal mindestens einen der Wirkstoffe Antipsychotikum (N05A) oder Anxiolytikum (N05B) oder Hypnotikum und Sedativum (N05C) oder Antidepressivum (N06A) (Tab. 16.9). Bei den stationär Gepflegten traf dies mit 56 % auf über die Hälfte der Pflegeheimbewohner zu (Tab. 16.9), während dieser Anteil bei Beziehern von ausschließlich Pflegegeld nur etwas mehr als halb so groß war (28,7 %). Bei den Nicht-Pflegebedürftigen sind die Verordnungsraten insgesamt auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Wird ein entsprechendes Mittel verordnet, ist jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um ein Arzneimittel der PRISCUS-Liste handelt, höher.

Tab. 16.9 Anteil der Pflegebedürftigen ab 65 Jahre mit Verordnung von mind. einem Psycholeptikuma bzw. Psychoanaleptikuma nach Versorgungsform, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

3.5 Versorgung mit Heilmittelleistungen

Heilmittel werden eingesetzt, um Beeinträchtigungen durch eine Krankheit abzumildern, eine Krankheit zu heilen bzw. ihr Fortschreiten aufzuhalten oder um einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes frühzeitig entgegenzuwirken. Bei erwachsenen Pflegebedürftigen können Heilmittelverordnungen helfen, die Selbstständigkeit in Teilbereichen so lange wie möglich zu erhalten. Im Durchschnitt der Quartale 2018 wurden 28 % der Pflegebedürftigen mit mindestens einer Behandlung versorgt (Tab. 16.10). Die mit großem Abstand häufigsten Heilmittelbehandlungen der Pflegebedürftigen entstammen dem Maßnahmenkatalog der Physiotherapie. Je Quartal waren im Mittel 23 % der Pflegebedürftigen in einer physiotherapeutischen Behandlung. Maßnahmen der Ergotherapie, Sprachtherapie sowie Podologie nahmen zwischen 3 und 5 % der Pflegegebedürftigen in Anspruch, wobei Männer ergo- und sprachtherapeutische Interventionen häufiger beanspruchten als Frauen. Die jeweilige Therapieintensität – gemessen in Behandlungen je Patient – unterscheidet sich zwischen den Geschlechtern nur marginal (Tab. 16.10). Die pflegebedürftigen Heilmittelpatienten besuchten im Durchschnitt der Quartale 16 physiotherapeutische, 13 sprachtherapeutische und 14 ergotherapeutische Behandlungen (einzelne Sitzungen), was rein rechnerisch etwas mehr als einer Sitzung pro Woche des Quartals entspricht.

Tab. 16.10 Verordnungshäufigkeit nach Heilmittel-Leistungsbereichen im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

16.26 zeigt die Verteilung nach Pflegebedürftigen sowie Nicht-Pflegebedürftigen ausgehend von den in Anspruch genommenen Heilmittelbehandlungen durch die Versicherten insgesamt im Jahr 2018. Ein Viertel aller physiotherapeutischen Behandlungen (26,9 %) war demnach Bestandteil der Therapie von Pflegebedürftigen. Bei der Ergotherapie wurde mehr als die Hälfte (53,6 %) der Behandlungen von Pflegebedürftigen durchlaufen. Knapp ein Drittel der Versicherten, die 2018 Maßnahmen der Podologie oder der Sprachtherapie in Anspruch nahmen, waren Pflegebedürftige.

Abb. 16.26
figure 26

Anteil Heilmittelbehandlungen bei Pflegebedürftigen im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Inanspruchnahme physiotherapeutischer Behandlungen nach Altersgruppen und Geschlecht

In der Physiotherapie stehen eine Vielzahl von Maßnahmen wie Manuelle Therapie, Massagetechniken, Sensomotorische Aktivierung und verschiedene Formen der Heilgymnastik zur Verfügung. Das Ziel physiotherapeutischer Maßnahmen sind die Förderung, Erhaltung oder Wiederherstellung der Beweglichkeit und Funktionalität des Muskel- und Skelettapparates und häufig auch die Schmerzreduktion. Durchschnittlich rund jeder fünfte Pflegebedürftige (22,7 %) erhielt im Mittel der vier Quartale 2018 Physiotherapie (Tab. 16.11).

Tab. 16.11 Physiotherapie – Pflegebedürftige mit mindestens einer Behandlung nach Pflegegrad und Versorgungsform im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Gemäß Abb. 16.27 ist der Anteil der physiotherapeutischen Patienten bei den weiblichen Pflegebedürftigen in jeder Altersgruppe höher als bei den männlichen. Die Nicht-Pflegebedürftigen erhalten insgesamt deutlich weniger Physiotherapie verordnet. Auch hier überwiegt der Anteil der Frauen mit Verordnungen gegenüber den Männern. Die höchste Behandlungsrate findet sich mit 27 % bei den Pflegebedürftigen in der Altersgruppe der 70- bis 74-Jährigen und liegt damit erwartungsgemäß etwas früher im Lebenszyklus als bei den Nicht-Pflegebedürftigen.

Abb. 16.27
figure 27

Anteil der pflegebedürftigen Physiotherapie-Patienten nach Alter und Versorgungsform im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Inanspruchnahme physiotherapeutischer Behandlungen nach Schwere der Pflegebedürftigkeit und Versorgungsform

Die Verordnung von Physiotherapie entwickelt sich erwartungsgemäß entlang der sich in Pflegebedürftigkeit äußernden körperlichen Einschränkungen. Vom Pflegegrad 1 (18,1 %) bis zum Pflegegrad 5 (31,6 %) nimmt der Anteil der Pflegebedürftigen mit physiotherapeutischer Unterstützung kontinuierlich zu (Tab. 16.11). Ausnahme ist hier die vollstationäre Pflege: Hier blieb dieser Anteil ab Pflegegrad 2 2018 auf dem konstanten Niveau von 22 bis 24 %. Die Analyse der Pflegesettings zeigt darüber hinaus, dass Pflegebedürftige mit ambulanten Sach- oder Kombinationsleistungen überdurchschnittlich häufig diese Intervention in Anspruch nehmen.

Inanspruchnahme ergotherapeutischer Behandlungen nach Altersgruppen und Geschlecht

Die Ergotherapie umfasst motorisch-funktionelle, psychisch-funktionelle und sensomotorisch-perzeptive Therapien sowie das sogenannte Hirnleistungstraining. Ziel der ergotherapeutischen Maßnahmen ist die Selbstständigkeit bei alltäglichen Verrichtungen und der Selbstversorgung bzw. deren Wiederherstellung. Bei Kindern kommt Ergotherapie u. a. bei motorischen Entwicklungsstörungen (UEMF) zum Einsatz, bei Erwachsenen stehen rehabilitative Maßnahmen nach Stürzen, Operationen und schweren Unfällen im Vordergrund, bei Senioren wird sie primär bei Vorliegen demenzieller Syndromen oder zur palliativen Versorgung verordnet. Abb. 16.28 unterstreicht, dass nur ein marginaler Anteil der Nicht-Pflegebedürftigen ergotherapeutische Leistungen in Anspruch nimmt. Eine Ausnahme bildet die Gruppe der Kinder- und Jugendlichen (0–19 Jahre): Hier ließen sich im Jahr 2018 1 % der nicht-pflegebedürftigen Jungen und Mädchen auf diese Weise behandeln. Demgegenüber erhielten rund 15 % der Pflegebedürftigen im gleichen Alterssegment eine Ergotherapie. Dieser Anteil sinkt mit steigendem Alter kontinuierlich und bei beiden Geschlechtern. Bei Pflegebedürftigen im Alter von 65 bis 69 Jahren hat sich dieser Anteil von 15 % schon mehr als halbiert (7,1 %). Bei den mindestens 90-Jährigen nahmen lediglich 2 % ergotherapeutische Leistungen in Anspruch (Abb. 16.28).

Abb. 16.28
figure 28

Pflegebedürftige und nicht-pflegebedürftige Ergotherapie-Patienten nach Alter und Geschlecht im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Inanspruchnahme ergotherapeutischer Behandlungen nach Schwere der Pflegebedürftigkeit und Versorgungsform

Betrachtet man die Inanspruchnahme der Ergotherapie wiederum differenziert nach Versorgungsbereichen, so wird deutlich, dass der Anteil der Ergotherapie-Patienten mit der Schwere der Pflegebedürftigkeit zunimmt. Auch hier zeigt die Analyse, dass Pflegebedürftige mit ambulanten Sach- oder Kombinationsleistungen etwas häufiger eine ergotherapeutische Behandlung erhalten (6,7 %) als Bezieher von ausschließlich Pflegegeld (5,1 %) und auch als vollstationär Gepflegte (6,1 %) (Tab. 16.12).

Tab. 16.12 Ergotherapie – Pflegebedürftige mit mindestens einer Behandlung nach Pflegegrad und Versorgungsform im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))

Diagnosen und physiotherapeutische sowie ergotherapeutische Behandlungen bei Pflegebedürftigen und Nicht-Pflegebedürftigen

16.29 gibt einen Überblick über die zehn häufigsten Diagnosen in der Physiotherapie und Ergotherapie bei Pflegebedürftigen und Nicht-Pflegebedürftigen. Für ein Drittel (34,0 %) der nicht-pflegebedürftigen Physiotherapie-Patienten waren „Sonstige Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens“ (ICD 10: M50–M54) der Anlass für die Behandlung. Bei pflegebedürftigen Patienten waren „Zerebrale Lähmungen und sonstige Lähmungssyndrome“ (ICD-10: G80–G83) der häufigste Grund für eine physiotherapeutische und auch für eine ergotherapeutische Behandlung (9,3 % bzw. 21,8 %). Knapp ein Viertel der nicht-pflegebedürftigen Patienten wurde aufgrund von Entwicklungsstörungen (ICD-10: F80–F89) ergotherapeutisch betreut (23,1 %).

Abb. 16.29
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Pflegebedürftige und nicht-pflegebedürftige Physiotherapie- und Ergotherapie-Patienten nach den zehn häufigsten Diagnosen im Durchschnitt der Quartale, in % (2018) (Quelle: AOK-Daten, standardisiert auf die gesetzlich Versicherten (Amtliche Statistik KM 6 2018))