Zusammenfassung
Sehr viele rotationssymmetrische Kontaktprobleme können exakt auf Kontakte zwischen einem entsprechend zu wählenden starren ebenen Profil und einer eindimensionalen Bettung von linearen, unabhängigen verallgemeinerten Federelementen abgebildet werden. Der mathematische und numerische Aufwand zur Behandlung solcher Kontakte ist deutlich geringer als im Fall des rotationssymmetrischen Originals; mathematisch durch die Rückführung des mehrdimensionalen Randwertproblems auf einfache algebraische Operationen und die Analysis einer einzigen Veränderlichen, numerisch durch die Reduktion der Freiheitsgrade und (was noch wichtiger ist) deren Entkopplung. Den Abbildungsschritt von dem dreidimensionalen, axialsymmetrischen Original auf das ebene Ersatzsystem leistet die Methode der Dimensionsreduktion (MDR), die in den letzten 10 Jahren am Fachgebiet für Systemdynamik und Reibungsphysik der TU Berlin entwickelt und in einer Vielzahl von Publikationen dokumentiert wurde und auf deren Grundlage der überwiegende Teil der numerischen Rechnungen dieses Buches entstanden ist.
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Sehr viele rotationssymmetrische Kontaktprobleme können exakt auf Kontakte zwischen einem entsprechend zu wählenden starren ebenen Profil und einer eindimensionalen Bettung von linearen, unabhängigen verallgemeinerten Federelementen abgebildet werden. Der mathematische und numerische Aufwand zur Behandlung solcher Kontakte ist deutlich geringer als im Fall des rotationssymmetrischen Originals; mathematisch durch die Rückführung des mehrdimensionalen Randwertproblems auf einfache algebraische Operationen und die Analysis einer einzigen Veränderlichen, numerisch durch die Reduktion der Freiheitsgrade und (was noch wichtiger ist) deren Entkopplung. Den Abbildungsschritt von dem dreidimensionalen, axialsymmetrischen Original auf das ebene Ersatzsystem leistet die Methode der Dimensionsreduktion (MDR), die in den letzten 10 Jahren am Fachgebiet für Systemdynamik und Reibungsphysik der TU Berlin entwickelt und in einer Vielzahl von Publikationen dokumentiert wurde und auf deren Grundlage der überwiegende Teil der numerischen Rechnungen dieses Buches entstanden ist. In diesem Kapitel soll daher die MDR als Berechnungsmethode in der Kontaktmechanik eingeführt und die meisten der im letzten Kapitel hergeleiteten kontaktmechanischen Grundlagen im Rahmen der MDR gedeutet werden. Einen guten Überblick über die Methode liefern die Monografie von Popov und Heß [1] sowie die „Benutzerhandbücher“ von Popov et al. [2,3,4].
4.1 Reibungsfreier Normalkontakt ohne Adhäsion
Eine wesentliche Grundlage der MDR ist die Beobachtung, dass die im Unterkapitel 3.2 hergeleiteten Gleichungen zur Lösung des rotationssymmetrischen reibungsfreien Normalkontaktproblems ohne Adhäsion eine einfache geometrische Deutung erlauben: Drückt man ein ebenes Profil g(x) um d in eine Winklersche Bettung mit der Liniensteifigkeit \(k_z'(x) = \tilde{E}\), werden die Federn der Bettung um
verschoben. Die Grenze des Kontaktgebiets ist durch die Forderung
beziehungsweise
bestimmt. Die Streckenlast in normaler Richtung ist
und die gesamte Normalkraft kann durch
berechnet werden. Offensichtlich reproduzieren die Gl. (4.3) und (4.5) die Ergebnisse aus den Gl. (3.25) und (3.27), wenn man das ebene Profil g(x) entsprechend Gl. (3.32) aus dem rotationssymmetrischen Profil f(r) bestimmt. Der reibungsfreie Normalkontakt zwischen rotationssymmetrischen elastischen Körpern kann also exakt auf den Kontakt zwischen einem entsprechend definierten ebenen Profil g(x) und einer elastischen Bettung aus unabhängigen, linearen Federn abgebildet werden. Der letztere ebene Kontakt soll im Folgenden als „MDR-Modell“ bezeichnet werden. Man muss dabei aber bedenken, dass es sich nicht um ein Modell im herkömmlichen Sinn handelt, sondern um ein exaktes aber abstraktes Äquivalenzsystem, das die gleichen Zusammenhänge zwischen den makroskopischen Kontaktgrößen aufweist wie der ursprüngliche rotationssymmetrische Kontakt elastischer Kontinua. Die beiden äquivalenten Kontakte sind in Abb. 4.1 gezeigt.
Wegen Gl. (3.28) können auch die Spannungen im dreidimensionalen Kontakt nach der Beziehung
aus der Streckenlast des ebenen Modells gewonnen werden. Dies ist eine Abel-Transformation, die man mit dem Ergebnis [5, S. 353]
invertieren kann. Die (lokalen) Verschiebungen \(u_z(r)\) und \(u_z^{1D}(x)\) sind durch
verknüpft, wie man durch einen Vergleich von Gl. (3.30) mit Gl. (4.1) leicht erkennt. Die Lösung des Kontaktproblems besteht also im Grunde aus der Bestimmung des ebenen Profils g(x) mithilfe von Gl. 3.32.
Ein Sonderfall, der in der obigen Betrachtung streng genommen nicht enthalten ist, soll wegen seiner großen Bedeutung noch einmal für sich betrachtet werden. Dies betrifft den reibungsfreien Normalkontakt zwischen einem flachen zylindrischen Stempel mit einem elastischen Halbraum. Dieser Kontakt ist aber trivial im Rahmen der MDR abbildbar. Dies liegt an der Tatsache (die letztlich der Ursprung der MDR ist), dass die Steifigkeit des Flachstempelkontaktes (3.21) proportional zum Radius a des zylindrischen Stempels ist. Die MDR-Abbildung des zylindrischen Flachstempels ist damit ein ebener Flachstempel mit dem Halbmesser a. Die Verschiebungen des MDR-Modells sind daher
was sofort auf die normale Streckenlast
mit der Ableitung
führt. In der letzten Gleichung wurde dabei von der Dirac-Distribution \( \delta (\cdot )\) Gebrauch gemacht. Die Normalkraft ist durch
gegeben und die Spannungen im Kontaktgebiet des rotationssymmetrischen Kontaktes sind mit der Beziehung
bestimmbar, wobei man die Integration über das abgeschlossene Intervall ausführen muss, was durch die Obergrenze \(a+\) angedeutet ist. Die Verschiebungen innerhalb des Kontaktes betragen
und die außerhalb
Die aufgeführten Gleichungen reproduzieren die Lösung des rotationssymmetrischen Kontaktproblems aus den Gl. (3.20), (3.22) und (3.23).
4.2 Reibungsfreier Normalkontakt mit Adhäsion
Da das reibungsfreie adhäsive Normalkontaktproblem auf das nicht-adhäsive Problem zurückgeführt werden kann und letzteres, wie beschrieben, im Rahmen der MDR exakt abgebildet wird, trifft dies auch für den adhäsiven Kontakt zu. Dies gilt sowohl für die Beschreibung der Adhäsion durch die JKR-Theorie als auch für die allgemeinere Lösung von Maugis. Im Folgenden wird die Implementierung beider Ansätze mithilfe der MDR kurz erläutert.
4.2.1 Abbildung des adhäsiven Normalkontaktes in der JKR-Näherung
Wie in Abschn. 3.3.2 dargestellt, kann man den JKR-adhäsiven Normalkontakt als eine Superposition des nicht-adhäsiven Kontaktes mit einer Indentierung um
durch einen flachen zylindrischen Stempel mit dem Radius a deuten. Beide Teile der Superposition sind exakt abbildbar; wegen der Linearität aller zugrundeliegenden Gleichungen gilt dies auch für die Summe. Es muss daher zur Abbildung des JKR-adhäsiven Kontaktes nur das gesamte Kontaktgebiet \(|x| \le a\) um \(\Delta l\) angehoben werden. Die Federn am Rand des Kontaktes sind damit um
verschoben. Gl. (4.17) ersetzt die Gl. (4.2) für den nicht-adhäsiven Kontakt und ist im Rahmen der MDR als „Regel von Heß“ bekannt [6, S. 56]. Alle anderen Abbildungsregeln, die für den nicht-adhäsiven Kontakt gelten, bleiben von dieser Regel unberührt und sind unverändert gültig. Dies gilt für die Gl. (4.1), (4.4), (4.5), (4.6), (4.8) und die Definition des ebenen Profils (3.32).
4.2.2 Abbildung des adhäsiven Normalkontaktes nach Maugis
Die Abbildungsregeln des Maugis-adhäsiven Normalkontaktes im Rahmen der MDR publizierten Popov und Dimaki [7] für den Kontakt von Kugeln. Die Verallgemeinerung auf beliebige axialsymmetrische Profile kann man im Handbuch von Popov et al. [8, S. 111 ff.] nachschlagen. Im Rahmen des vorliegenden Buches wird nur der parabolische Kontakt mit einem Krümmungsradius \(\tilde{R}\) behandelt.
Das Dugdale-Potential (3.46), das Maugis für die adhäsive Spannnung annahm, kann man durch den Zusammenhang (4.7) sehr einfach in die entsprechende adhäsive Streckenlast des MDR-Modells transformieren:
Die normalen Verschiebungen der Federbettung sind durch zwei Bedingungen eindeutig festgelegt: im Gebiet des direkten Kontaktes sind sie durch den Eindruckkörper vorgegeben,
und außerhalb des direkten Kontaktes durch die adhäsive Streckenlast (4.18),
Da die Spannungen am Rand des direkten Kontaktgebiets endlich und stetig sein sollen, muss \(u_z^{1D}\) an den Stellen \(x = \pm a\) stetig sein, was auf die Bedingung
führt, die Gl. (3.72) reproduziert. Die gesamte Normalkraft kann durch
bestimmt werden, was ebenfalls dem Ergebnis (3.37) von Maugis entspricht. Den Radius b des Gebiets der adhäsiven Spannung muss man im ursprünglichen dreidimensionalen Kontakt ermitteln. Allerdings liefern die Verschiebungen des MDR-Modells wegen Gl. (4.8) auch die Verschiebungen \(u_z\) und man erhält mit Gl. (3.70) die Forderung
die man zu dem in Gl. (3.74) gegebenen Ausdruck
umformen kann. Damit sind alle Zusammenhänge zwischen den makroskopischen Kontaktgrößen und der Kontaktkonfiguration aus der Lösung von Maugis mit dem MDR-Modell exakt reproduziert (und auf einfache Art hergeleitet).
4.3 Tangentialkontakt
Wegen der perfekten Analogie zwischen der Druckverteilung (3.22) unter einem flachen zylindrischen Stempel und der Verteilung der Tangentialspannungen (3.91) bei einer tangentialen Starrkörperverschiebung eines kreisförmigen Gebiets liegt es nahe, dass auch Tangentialkontakte im Rahmen der MDR abgebildet werden können. Tatsächlich muss man zur exakten Abbildung von elastischen Tangentialkontakten ohne GleitenFootnote 1 nur die Federn der elastischen Bettung wegen der tangentialen Steifigkeit (3.93) des (haftenden) Flachstempelkontakts mit einer tangentialen Liniensteifigkeit \(k_x'(x) = \tilde{G}\) versehen. Mithilfe der tangentialen Streckenlast,
können dann die Schubspannungsverteilung im ursprünglichen Kontakt,
und die gesamte Tangentialkraft
bestimmt werden.
Da der axialsymmetrische Tangentialkontakt mit Reibung im Rahmen der Näherung von Cattaneo und Mindlin durch das Ciavarella-Jäger-Theorem auf den reibungsfreien Normalkontakt zurückgeführt werden kann und dieser im Rahmen der MDR exakt abgebildet wird, gilt letzteres auch für das Tangentialkontaktproblem. Die Federn der elastischen Bettung müssen dazu nur ein lokales Amontons-Coulomb-Reibgesetz der Form
erfüllen. \(\Delta v_x(x)\) beschreibt hier die relative tangentiale Geschwindigkeit zwischen zwei kontaktierenden Punkten auf dem Eindruckkörper und der elastischen Bettung.
Betrachten wir zunächst eine einzelne Cattaneo-Mindlin-Belastung: Der Körper wird um d eingedrückt und anschließend um \(u_{x,0,B} > 0\) tangential verschoben. Während der tangentialen Belastung breitet sich ein Gleitgebiet vom Rand des Kontaktes aus. Das Haftgebiet hat den Radius c. Nach dem obigen Reibgesetz ist die tangentiale Streckenlast am Ende der Belastung
mit der normalen Streckenlast \(q_z(x)\) aus Gl. (4.4). Da \(q_x\) bei \(|x| = c\) stetig sein muss, ergibt sich der Haftradius als Lösung der Gleichung
Die tangentialen Federverschiebungen sind daher
Die gesamte Tangentialkraft ist
und die sich aus der Streckenlast (4.32) wegen Gl. (4.26) ergebende Verteilung von Tangentialspannungen im axialsymmetrischen Kontinuum lautet
Offensichtlich reproduzieren die Gl. (4.31), (4.33) und (4.34) die Lösung des Kontaktproblems aus den Gl. (3.107), (3.108) und (3.106).
Die Anwendung des lokalen Reibgesetzes für die Federn der elastischen Bettung liefert aber auch bei beliebigen Belastungsgeschichten die korrekten Federverschiebungen, die notwendig sind, um die Lösung des axialsymmetrischen Problems exakt zu reproduzieren. Aus Platzgründen sollen hier nicht alle einzelnen Fälle demonstriert, sondern nur anhand eines weiteren Beispiels gezeigt werden, wie man das Reibgesetz verwenden muss. Dazu werde nach einer einzelnen Cattaneo-Mindlin-Belastung die Eindrucktiefe um \(\Delta d < 0\) reduziert und anschließend so tangential verschoben, dass das neue Haftgebiet größer ist als das alte, \(c_2 > c_1\). Wegen Gl. (3.125) ist klar, dass die korrekten Inkremente der tangentialen Verschiebungen durch
gegeben sind. Anwendung des lokalen Reibgesetzes liefert dagegenFootnote 2
Da die Verschiebungen stetig bei \(|x| = c_2\) sind, erhält man den Gl. (3.119) reproduzierenden Zusammenhang
und damit schließlich
4.4 Torsionskontakt
Auch der Torsionskontakt zwischen einem rotationssymmetrischen starren Indenter und einem elastischen Halbraum kann im Rahmen der MDR exakt abgebildet werden. Prägt man auf eine Winklersche Bettung mit der Linien-Quersteifigkeit \(k_y'(x) = 8G\) eine Querverschiebung
auf, beträgt das gesamte Torsionsmoment aus den Federverschiebungen
Dies deckt sich exakt mit dem Ergebnis (3.135). Die Verschiebungen und Spannungen im räumlichen, rotationssymmetrischen System können wegen der Gl. (3.136) und (3.138) durch die Beziehungen
aus den Verschiebungen des MDR-Modells gewonnen werden. Damit lässt sich bereits das Kontaktproblem ohne Gleiten exakt abbilden [9]. Mit den Gl. (4.39), (3.147) und (3.148) kann man außerdem die Federverschiebungen im dimensionsreduzierten Modell bestimmen, die nötig sind, um das Kontaktproblem mit Gleiten ebenfalls exakt wiederzugeben [10]:
Um in der Lage zu sein, beliebige Belastungsgeschichten effizient numerisch zu simulieren, ist es sinnvoll – in Analogie zum Tangentialkontakt – den effektiven Reibbeiwert des dimensionsreduzierten Modells so zu wählen, dass die Federn im Gleitgebiet ein lokales Coulombgesetz der Form
erfüllen. Mit den Federverschiebungen aus den Gl. (4.1) und (4.43) und den bekannten Liniensteifigkeiten \(k_y' = 8G\) und \(k_z' = \tilde{E}\) ist damit der nötige effektive Reibbeiwert durch
gegeben. Am Rand des Kontaktes ist dieser Reibbeiwert unabhängig von der Form des Indeters, denn es ist [9]
Im Fall des parabolischen Indenters erhält man mit Gl. (3.151) den Ausdruck
Dies kann in sehr guter Näherung durch den Ausdruck [10]
approximiert werdenFootnote 3. Der Vergleich zwischen dem exakten Verlauf und dieser Näherung ist in Abb. 4.2 gezeigt.
Wie im Fall des Tangentialkontaktes liefert die Anwendung des lokalen Reibgesetzes für die Federn der elastischen Bettung auch bei beliebigen Belastungsgeschichten die korrekten Federverschiebungen in Querrichtung, wenn der lokale Reibbeiwert gemäß Gl. (4.47) (für den parabolischen Kontakt) definiert wird. Aus Platzgründen soll allerdings an dieser Stelle auf die Darstellung der einzelnen Fälle verzichtet werden.
4.5 Viskoelastizität
Die MDR ist ebenfalls für axialsymmetrische Kontakte mit (inkompressiblen) linear-viskoelastischen Medien anwendbar. Das liegt daran, dass das Materialverhalten dieser Medien vollständig durch den zeitabhängigen Schubmodul G(t) gegeben ist, während die Grundgleichungen der elastischen MDR linear in G sind. Die Anwendung des viskoelastischen Korrespondenzprinzips führt daher im Zeitbereich zu der gleichen Art von Faltungen, wie sie auch in der Theorie von Lee und Radok auftreten. Die Idee einer MDR für viskoelastische Medien schlugen zuerst Kürschner und Filippov [11] für den Kontakt mit einer viskosen Flüssigkeit vor. Argatov und Popov [12] konnten die Korrektheit der Methode für beliebige (inkompressible) linear-viskoelastische Rheologien unter der Annahme beweisen, dass der Kontaktradius monoton wächst oder ein einzelnes Maximum aufweist.
Um die MDR auf viskoelastische Medien anzuwenden, müssen die linearen Elemente der Winklerschen Bettung mit der Relaxationsfunktion G(t) versehen werden, die Bettung besteht also nicht mehr aus Federn, sondern aus rheologischen Elementen, die das jeweilige viskoelastische Materialverhalten reproduzierenFootnote 4. Die viskoelastische Bettung hat dann die differentiellen normalen und tangentialen Steifigkeiten
Der Kontaktradius ist dadurch bestimmt, dass die normale Streckenlast am Rand des (nicht-adhäsiven) Kontaktes verschwindet,
Alle anderen Abbildungsregeln der Methode, insbesondere die Definition des ebenen Profils g(x) und die Bestimmung der rotationssymmetrischen Spannungen aus den ebenen Streckenlasten, bleiben unverändert gültig.
Analog zu dem entsprechenden Abschnitt im vorhergehenden Kapitel zu den kontaktmechanischen Grundlagen sei angenommen, dass die Belastung des Kontaktes zum Zeitpunk \(t = 0\) beginnt. Die Normalverschiebungen im MDR-Modell sind dann durch
mit der Heaviside-Funktion \(\text {H}(\cdot )\), gegeben. Die Streckenlast ergibt sich wegen des Superpositionsprinzips durch die Faltung
Wenn der Kontaktradius monoton wächst, kommen neue Elemente der Bettung grundsätzlich unausgelenkt in Kontakt, der Zusammenhang zwischen Kontaktradius und Indentierungstiefe ist daher durch den elastischen Zusammenhang
gegeben, der Gl. (3.202) reproduziert. Außerdem sind die Normalspannungen im rotationssymmetrischen System für einen monoton wachsen Kontaktradius wegen Gl. (4.6) durch die Beziehung
gegeben, die Gl. (3.201) reproduziert. Die elastische Lösung \(\sigma _{zz}^{\text {el}}\) wurde dabei in Gl. (3.199) definiert.
Für den Fall, dass der Kontaktradius ein einzelnes Maximum aufweist, sei noch einmal auf die erläuternde Skizze in Abb. 3.12 verwiesen. Der Zeitpunkt, an dem der Kontaktradius sein Maximum annimmt, sei \(t_m\). Für alle \(t \le t_m\) kann das Kontaktproblem auf obige Art und Weise gelöst werden. Außerdem existiert für alle \(t > t_m\) ein Zeitpunkt \(t_1(t) < t_m\), sodass der Kontaktradius bei t und \(t_1\) den gleichen Wert annimmt. Das Integral auf der rechten Seite von Gl. (4.53) wird nun in der Form
mit der Dirac-Distribution \(\delta (\cdot )\), aufgespalten. Wegen deren Filtereigenschaften verschwindet das dritte Integral, falls \(a(t) \ne 0\). Das zweite Integral ist unabhängig von x, die ganze Gleichung ist aber für alle \(x \le a(t)\) gültig. Insbesondere ist bei \(x = a(t)\):
was sich nach Ting [13] zu Gl. (3.207) umstellen lässt. Damit ist außerdem
woraus sich mit Gl. (4.6) die Beziehung (3.207) herleiten lässt. Damit ist gezeigt, dass die beschriebenen Abbildungsregeln der MDR für viskoelastische Kontakte die Lösung des axialsymmetrischen Kontaktproblems exakt reproduzieren, wenn der Kontaktradius monoton wächst oder ein einzelnes Maximum hat.
Da bei axialsymmetrischen Kontakten der viskoelastische (reibungsfreie) Normalkontakt und der elastische Tangentialkontakt im Rahmen der Cattaneo-Mindlin-Näherung auf den reibungsfreien Normalkontakt zurückgeführt werden können, gilt das auch für den viskoelastischen Tangentialkontakt im Rahmen der Cattaneo-Mindlin-Näherung. Die MDR ist daher (innerhalb der bereits beschriebenen Annahmen) auch für viskoelastische Tangentialkontakte anwendbar. Die tangentiale Streckenlast
muss dafür nur ein lokales Reibgesetz erfüllen, das in den Gl. (4.28) und (4.29) ausgedrückt ist.
Für Stoßprobleme mit Reibung wurde durch den Vergleich mit rigorosen numerischen Simulationen mithilfe der Randelemente-Methode (boundary element method, BEM) gezeigt, dass die MDR im Rahmen der getroffenen Annahmen und der numerischen Präzision die exakte Lösung des Kontaktproblems liefert [14]. Der MDR-basierte Algorithmus war dabei um mehrere Größenordnungen schneller als die Lösung auf Grundlage der BEM.
Anstatt der Ausführung der Faltungen (4.53) und (4.59) ist es häufig (gerade für die numerische Implementierung) einfacher, die Gleichgewichtsbedingungen für die inneren und äußeren Freiheitsgrade der rheologischen Elemente der viskoelastischen Bettung auszuwerten. Details zu diesem Verfahren kann man in dem „Benutzerhandbuch“ [4] nachschlagen.
4.6 Funktionale Gradientenmedien
4.6.1 Reibungsfreier Normalkontakt ohne Adhäsion
Auch der reibungsfreie Normalkontakt von inhomogenen oder geschichteten elastischen Medien kann im Rahmen der MDR exakt abgebildet werden, solange die Rotationssymmetrie des Kontaktes erhalten bleibt [15]. Letztendlich ist zur Bestimmung der Abbildungsregeln im Rahmen der MDR nur die Kenntnis der vollständigen Lösung des Problems der Indentierung durch einen flachen zylindrischen Stempel notwendig [9]. Für die elastische Gradierung in der Form des Potenzgesetzes (3.209) wurden die Abbildungsregeln von Heß [16] publiziert.
Wird ein starres ebenes Profil g(x) (siehe Gl. (3.233)) um d in eine elastische Bettung von unabhängigen Federn gedrückt, sind die Federn um \(u_z^{1D}\) (siehe Gl. (4.1)) verschoben. Die Federbettung habe die Liniensteifigkeit
diese variiert also nach dem gleichen Potenzgesetz, wie der elastische Modul mit der Tiefe im ursprünglichen axialsymmetrischen System. Die Grenze des Kontaktgebiets ist wie im homogenen Fall durch die Bedingung (4.3) bestimmt und die gesamte Normalkraft beträgt
was offensichtlich Gl. (3.229) reproduziert. Wegen Gl. (3.230) kann mittels der Beziehung
die Druckverteilung im Originalsystem aus den Federverschiebungen bestimmt werden. Dies ist eine verallgemeinerte Abel-Transformation, die man mit dem Ergebnis [8, S. 256]
invertieren kann. Mit Gl. (3.231) ergeben sich die Verschiebungen des Originalsystems nach
aus den Verschiebungen des MDR-Ersatzmodells. Völlig analog zum homogenen Fall kann man außerdem zeigen, dass durch die beschriebenen Regeln auch der Flachstempelkontakt (der streng genommen noch nicht in der Herleitung enthalten ist) korrekt abgebildet wird [8, S. 256 f.], wenn man die aufgeführten Integrale über die abgeschlossenen Intervalle auswertet.
4.6.2 Reibungsfreier Normalkontakt mit Adhäsion in der JKR-Näherung
Wie beschrieben gilt auch für inhomogene elastische Medien, dass die Lösung des JKR-adhäsiven axialsymmetrischen Normalkontaktproblems aus der Superposition des nicht-adhäsiven Problems mit einer geeigneten Flachstempellösung hervorgeht. Da beide Teilprobleme für die in der vorliegenden Arbeit behandelte Inhomogenität im Rahmen der MDR exakt abbildbar sind, gilt das auch für die Superposition. Zur Abbildung des JKR-adhäsiven Problems muss man dabei wegen Gl. (3.243) nur die Beziehung (4.17) für den homogenen Fall durch die Bedingung
ersetzen, die zuerst von Heß [16] publiziert wurde.
4.6.3 Tangentialkontakt
Da das Ciavarella-Jäger-Theorem auch für Funktionale Gradientenmedien mit einer elastischen Gradierung in der Form eines Potenzgesetzes mit dem Exponenten k gültig ist, können auch für diese Materialien axialsymmetrische Tangentialkontakte im Rahmen der Cattaneo-Mindlin-Näherung exakt durch die MDR abgebildet werden [3]. Die Federn der elastischen Bettung müssen dafür nur mit normalen und tangentialen Liniensteifigkeiten \(k_z'(x) = c_N x^k\) und \(k_x'(x) = c_T x^k\) versehen werden, wobei man die Definitionen der Moduln \(c_N\) und \(c_T\) in den Gl. (3.223) und (3.224) nachschlagen kann. Die Anwendung des lokalen Reibgesetzes für die Elemente der Bettung in der in den Gl. (4.28) und (4.29) gegebenen Form erfolgt wie im Fall homogener Medien und liefert, wie gewohnt, die exakte Lösung des Kontaktproblems für beliebige Belastungsgeschichten [3].
4.7 Zusammenfassung
Das reibungs- und adhäsionsfreie Normalkontaktproblem zwischen einem axialsymmetrischen starren Eindruckkörper und einem homogenen elastischen Halbraum kann durch eine Superposition von inkrementellen Flachstempel-Indentierungen gelöst werden. Die Steifigkeit des Flachstempelkontaktes ist dabei proportional zu seinem Durchmesser. Wegen dieser beiden Tatsachen lässt die Lösung des axialsymmetrischen Normalkontaktproblems eine einfache, anschauliche Deutung zu: Der Kontakt kann auf den Kontakt zwischen einem bestimmten ebenen starren Profil mit einer Winklerschen Bettung aus unabhängigen, linearen Federn abgebildet werden. Den Abbildungsschritt vom kreissymmetrischen zum äquivalenten ebenen Problem leistet die Methode der Dimensionsreduktion (MDR). Die Abbildung ist im Rahmen der Annahmen des Normalkontaktproblems exakt und vollständig, keine Information geht verloren.
Da das reibungsfreie, nicht-adhäsive, elastische, axialsymmetrische Normalkontaktproblem im Rahmen der MDR abgebildet werden kann, gilt das auch für alle Kontaktprobleme, die sich auf dieses Problem zurückführen lassen – wie adhäsive Normalkontakte in der JKR-Näherung oder nach der Theorie von Maugis, Tangentialkontakte axialsymmetrischer Körper in der Cattaneo-Mindlin-Näherung oder Kontakte linear-viskoelastischer Medien. Auch die Lösungen des axialsymmetrischen Torsionskontaktproblems und die von Kontaktproblemen inhomogener Medien mit einer funktionalen elastischen Gradierung kann man im Rahmen der MDR interpretieren.
Während die MDR im Fall des Normalkontaktes die Lösung des Kontaktproblems „nur“ reproduziert und eine geometrische Interpretation dazu liefert – die allerdings für sich allein ebenfalls sehr nützlich sein kann – liegt die große Stärke der Methode in der schnellen numerischen Simulation von Kontakten mit komplexen Belastungsgeschichten. Während die Anwendung der klassischen Lösungsschemata bei beliebigen Belastungsgeschichten, z. B. von Tangentialkontakten oder Kontakten mit viskoelastischen Medien, kompliziert und teilweise numerisch aufwendig ist, stellt die Implementierung der entsprechenden MDR-Regeln überhaupt kein Problem dar. Die erhaltene MDR-Lösung ist dabei trotzdem exakt und der numerische Aufwand durch die Reduktion auf die Berechnung eines eindimensionalen Arrays unabhängiger, linearer Elemente sehr gering.
Notes
- 1.
Wie im vorangegangenen Kapitel sei bei der Behandlung des Tangentialkontaktproblems grundsätzlich die elastische Ähnlichkeit der Kontaktpartner vorausgesetzt.
- 2.
Man bedenke, dass es wegen \(c_2 > c_1\) zu einer Umkehr der Slip-Richtung kommen muss. Die Slip-Richtung einer einzelnen Feder wird dabei durch die Richtung der Auslenkung vorgegeben, die die Feder hätte, wenn sie haften könnte.
- 3.
In [10] sind die Näherungsausdrücke für den parabolischen und den konischen Indenter vertauscht.
- 4.
Beispielsweise eine Feder in Parallelschaltung mit einem Dämpfer im Fall des Kelvin-Voigt-Mediums.
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Willert, E. (2020). Die Methode der Dimensionsreduktion in der Kontaktmechanik. In: Stoßprobleme in Physik, Technik und Medizin. Springer Vieweg, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-60296-6_4
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