Donald Trump, der nicht mehr so neue US-Präsident, macht seinen Gefühlen gegenüber Journalistinnen und Journalisten so regelmäßig wie ungebremst Luft. Medien, die seine Amtsführung kritisch begleiten, wie CNN, die New York Times oder die Washington Post, verunglimpft er als „Fake News“. Der Vorwurf, zu Deutsch „Lügenpresse“, kommt bei Trumps Anhängern gut an. Sie verstehen darunter vor allem das Weglassen von Tatsachen, die ihnen wichtig erscheinen, und die Hervorhebung von Tatsachen, die ihnen egal sind. Sie verzeihen ihrem Präsidenten, dass er es selbst mit den eigentlichen Fakten nicht so genau nimmt, denn aus ihrer Sicht verzerren die Leitmedien tagtäglich die Wirklichkeit.

Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind ebenfalls der Ansicht, dass manche, viele oder alle Medien oft Sachverhalte verkürzt darstellen. Nicht erst seit Kurzem finden sie, dass Journalistinnen und Journalisten auf der Jagd nach einer guten Schlagzeile den Wert wissenschaftlicher Erkenntnisse übertreiben und falsche Gegensätze konstruieren. Interaktionen mit den Medien lassen Forscherinnen und Forscher frustriert zurück, auch wenn sie ihrem Frust selten öffentlich Ausdruck verleihen. Besonders in den Vereinigten Staaten prägen Spannungen das Verhältnis zwischen Wissenschaftlern und Journalisten, doch bekannt ist dieses Phänomen auch in den wissenschaftlichen und journalistischen Communitys in Deutschland und anderen europäischen Ländern.

Dieses Spannungsverhältnis muss in der so genannten Post-Truth-Ära neu bewertet werden. Denn Trump drischt zwar seltener öffentlich auf die freie Wissenschaft ein als auf die freie Presse, doch kann er Forscherinnen und Forscher genauso wenig leiden wie Journalistinnen und Journalisten. Seit seinem Amtsantritt werden Wissenschaftler, die für Regierungsbehörden tätig sind, bei der Veröffentlichung ihrer Daten behindert, zur Selbstzensur genötigt oder aus Beiräten entfernt. Der Silencing Science Tracker der Columbia Law School (2019) sammelt solche Angriffe auf die Freiheit der Wissenschaft seit November 2016. Besonders betroffen sind die Klima- und Umweltforschung. Im April 2018 unterzeichneten mehr als 1000 Mitglieder der National Academy of Sciences einen Aufruf gegen die Verunglimpfung und Schikanierung von Wissenschaftlern (Scientists for Science-Based Policy 2018).

Jahrzehnte haben Wissenschaftler und Journalisten gern übereinander gemeckert. Im Jahr 2018 wird klar, dass sie für ein- und dieselbe Sache arbeiten: die Erkenntnis auf Grundlage von überprüfbaren Fakten. Bisher aber herrscht Ratlosigkeit im Angesicht des Zusammenbruchs eines alten Konsenses, dem zufolge wissenschaftliche Beweise politisches Handeln legitimieren. Auf vielen Ebenen fehlt es an effektiver Kommunikation zwischen Bürgern, Medien, Regierung und Wissenschaft. Wie lässt sich dies ändern?

Veränderungen der Medienlandschaft im Wissenschaftsbereich

Auf der Suche nach Antworten müssen wir zunächst verstehen, wie sich die Wissenschaftsberichterstattung in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat. Am Anfang dieser Entwicklung steht ein in den USA und anderswo zu beobachtendes Phänomen: Die Wissenschaftsredaktionen schrumpfen. Zurückzuführen ist das auf den wachsenden wirtschaftlichen Druck auf Zeitungen und Zeitschriften.

Früher erzielten Verlage mit einer Kombination von Anzeigen und Abonnements beträchtliche Renditen. Die Digitalisierung hat dieses alte Geschäftsmodell dramatisch geschwächt. Neue Internetpublikationen schufen zwar mehr Vielfalt, verschärften jedoch auch den Wettbewerb um die Aufmerksamkeit des Publikums. Ab den 1990er-Jahren verschwanden die Wissenschaftsseiten aus den US-Zeitungen (Russell 2006). 2008 schockte CNN die Branche mit der Entscheidung, die komplette Wissenschaftsredaktion zu schließen (Brainard 2009).

Verlage und Sender begannen auch, das neue Publikum im Internet genauer zu analysieren. Leserinnen und Leser mögen Meldungen, die ihnen einen Nutzwert bringen. Gebrauchstexte zu Gesundheit, Ernährung und ähnlichen Themen begannen die Wissenschaftsberichterstattung zu dominieren oder zu ersetzen. Auch Wissenschaftsthemen mit hohem Unterhaltungswert boomten. Um viele Zuschauerinnen und Zuschauer zu begeistern, fokussierten Programme wie Animal Planet oder Discovery Channel vor allem auf emotionale Inhalte. Im Internet bieten sich Artikel, die häufig geklickt werden, als positives Umfeld für Online-Werbung an.

Zusammengenommen haben diese Entwicklungen in den traditionellen Medien zu einer gröberen Wissenschaftsberichterstattung geführt. Poppige Themen mit direktem Bezug zur Lebenswelt des Publikums liegen im Trend, während Eigenrecherche und Fact-Checking in den Hintergrund treten. Weniger gut ausgebildete und verantwortungsbewusste Journalistinnen und Journalisten berichten über wissenschaftliche Themen, und unter wachsendem Zeitdruck (Brumfiel 2009).

Wissenschaftler als Kommunikatoren

Wie reagierte nun die Wissenschaft in den USA auf diese Herausforderungen? Sie setzte darauf, Forscherinnen und Forscher zu Kommunikatoren fortzubilden, um den Bedarf an nutzwertorientierten und emotionalen Inhalten zu adressieren und zugleich den Mangel an fähigen Wissenschaftsjournalisten zu kompensieren.

Vorreiterin dieser Strategie war die spätere Chefin der National Oceanic and Atmospheric Administration (Nationale Behörde für Ozeane und Atmosphäre, NOAA), Jane Lubchenko. Sie gründete schon 1999 eine Organisation zur Förderung der Wissenschaftskommunikation namens COMPASS, die zunächst Meeresbiologinnen und Meeresbiologen im Umgang mit den Medien schulte. COMPASS hat seither eine Reihe nützlicher Werkzeuge wie die Message Box entwickelt, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu helfen, effektiv mit Journalisten und Politikern zu kommunizieren.Footnote 1 Allerdings müssen sie dabei willens sein, die Anwendbarkeit ihrer Forschungsergebnisse zu unterstreichen und ihre Wissenschaft in einen gesellschaftlich-politischen Zusammenhang zu stellen.

2010 lancierte die National Science Foundation (NSF) ein Workshopformat namens „Becoming the Messenger“ (Botschafter werden). Es bringt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter anderem bei, den Kurznachrichtendienst Twitter zu nutzen oder Handyvideos aufzuzeichnen und zu veröffentlichen. Der Workshop tourte jahrelang durch die Universitätslandschaft der USA und richtete sich vor allem an Forschende aus den Naturwissenschaften.

2011 gründete der britisch-australische Journalist Andrew Jaspan eine Website namens „The Conversation“, die sich seither in englischsprachigen Ländern wie Großbritannien und den USA verbreitet.Footnote 2 Die Idee ist hier, akademische Expertise unmittelbar ans Publikum zu bringen, statt auf Journalisten als Mediatoren zu setzen. Um dies zu erreichen, werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern professionelle Lektorinnen und Lektoren zur Seite gestellt. Nachrichtenmedien können die daraus resultierenden Artikel kostenfrei verwenden. Finanziert wird The Conversation von Universitäten und Forschungsinstitutionen, die sich natürlich auch einen PR-Effekt versprechen.

Alle diese Trends fußen auf der Idee, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre eigenen Geschichten erzählen, ohne sich auf Journalistinnen und Journalisten zu verlassen. Einige Forschende, die ich kenne, betrachten dies als Ablenkung von ihrer eigentlichen Arbeit. Darüber hinaus beinhaltet keines dieser Programme investigative Ansätze, die ein integraler Bestandteil des journalistischen Auftrags sind.

Wissenschaftsjournalismus und Wissenschaftskommunikation

An dieser Stelle ist es Zeit für einen kurzen Umweg: Was ist eigentlich Wissenschaftsjournalismus? Nun, er ist auf jeden Fall nicht gleichbedeutend mit Wissenschaftskommunikation. Ja, ein Aspekt des Wissenschaftsjournalismus ist die Übersetzung von Fachsprache in Laiensprache. Und, ja, ein weiterer sehr wichtiger Aspekt des Wissenschaftsjournalismus ist es, die Öffentlichkeit zu begeistern, indem man spannende Geschichten erzählt.

Darüber hinaus verstehen die besten Wissenschaftsjournalistinnen und Wissenschaftsjournalisten jedoch den wissenschaftlichen Prozess so gut, dass sie die Wissenschaft auch kritisch begleiten können, zum Beispiel indem sie untersuchen, woher Forschungsinstitute ihre Mittel beziehen, oder indem sie in der Post-Truth-Ära falsche Ergebnisse, die sogenannte Junk Science, entlarven. Solch investigative Berichterstattung gehört nicht zur Mission der Wissenschaftskommunikation.

Wenn wir also die Last der Vermittlung von Forschung nicht den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aufbürden wollen; wenn wir es Journalistinnen und Journalisten ermöglichen wollen, ihre Rolle als Watchdogs auch in der Forschung zu spielen, welche Alternativen haben wir dann?

In den Vereinigten Staaten bieten eine Reihe von Forschungseinrichtungen und Universitäten immersive Workshops für Redakteurinnen und Redakteure an, darunter herausragende Institutionen wie das Massachusetts Institute of Technology.Footnote 3 An der University of Montana leitete ich sieben Jahre lang den Masterstudiengang in Umwelt- und Ressourcenjournalismus, an dem die Studierenden ebenso viele Kurse in den Naturwissenschaften belegen wie in journalistischen Recherche- und Erzähltechniken.Footnote 4 In Deutschland unterstützen gemeinnützige Organisationen wie die Klaus-Tschira-Stiftung sowohl Journalisten als auch Wissenschaftler bei Ausbildung, Arbeit und Kommunikation.Footnote 5

Wissenschaftsjournalismus – Vorbilder und Ausbildung

Die Alternative, für die ich hier plädieren möchte, ist die Ausbildung von mehr Wissensjournalisten. Gemeint sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich dafür entscheiden, das Labor oder den Hörsaal zu verlassen, professionelle Journalistinnen und Journalisten zu werden, und dadurch als Leuchttürme dienen, für ihre Professionen ebenso wie fürs Publikum.

Nehmen wir Atul Gawande, einen in Harvard ausgebildeten Chirurgen, dessen Arbeit für den New YorkerFootnote 6 mehrfach mit Journalistenpreisen ausgezeichnet wurde. Gawande schreibt virtuos und kenntnisreich über Krankheiten ebenso wie über das Gesundheitssystem. Nutzwertorientiert, ja, aber zugleich hochpolitisch.

Oder Hillary Rosner, eine Umweltwissenschaftlerin und freie Autorin, die für National Geographic, die New York Times und andere arbeitet.Footnote 7 Näher kann man als Leser einer aussterbenden Fischart oder dem Borkenkäferbefall der Wälder nicht kommen, und tiefer kann man die neueste Forschung dazu nicht verstehen.

Oder Ed Yong (Cambridge-Abschluss in Zoologie, Dissertation in Biochemie am University College of London), der ein Jahrzehnt lang den Blog „Not Exactly Rocket Science“ bei National Geographic verantwortete. Er ist jetzt der Wissensjournalist bei Atlantic, einem US-Politmagazin.Footnote 8

Oder Marlene Weiss, eine junge Wissenschaftsredakteurin der Süddeutschen Zeitung. Sie promovierte in Physik und gewann kürzlich den KAVLI-Preis der American Association for the Advancement of Science für ihre Geschichte über einen japanischen Mathematiker, dessen Beweis für die sogenannte ABC-Vermutung selbst seine Kollegen nicht verstehen können.Footnote 9

Diese herausragenden Wissensjournalistinnen und Wissensjournalisten vereint nicht nur ihre Leidenschaft für und ihr Talent zum Erzählen. Sie alle haben auch den Mut, Komplexität zu reduzieren, die Fähigkeit, mit Fremden zu sprechen, ein Interesse an der Demokratie und die Bereitschaft, mit einem kleineren Zeitbudget zu arbeiten, als dies in der Forschung üblich ist. Auch die Deutsche Journalistenschule (DJS) in München hat schon einige von ihnen hervorgebracht. Doch in Zukunft wollen wir noch mehr davon ausbilden, für Online- und Printmedien, Radio und TV.

Denn für uns sind Journalisten und Wissenschaftler keine Antagonisten, sondern natürliche Verbündete, deren Methoden starke Ähnlichkeiten aufweisen. So gibt es auch im Qualitätsjournalismus so etwas wie Peer Review: Wir nennen es Redaktion. Auch im Ethos stimmen die beiden Professionen überein: Die Wahrheitssuche zählt mehr als individueller Profit oder Ruhm. Wissenschaftler wie Journalisten schätzen ihre Unabhängigkeit. Beide verfolgen Hypothesen, arbeiten jedoch stets ergebnisoffen, denn ihre Annahmen können sich auch als falsch erweisen.

Dem Qualitätsjournalismus kann nichts Besseres passieren, als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für sich zu gewinnen, die Leidenschaft, Talent und Wahrheitsliebe mitbringen. Sie müssen dann nur noch lernen, zu recherchieren, zu berichten und zu erzählen, und zwar unabhängig vom Thema. Zugleich hoffen wir, dass ihr wissenschaftlicher Hintergrund an der Journalistenschule und in Redaktionen ansteckend wirkt. Denn es wird wirklich Zeit, dass Journalistinnen und Journalisten aller Ressorts grundlegende wissenschaftliche Konzepte verstehen, wie den Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität.

Auf diese Weise wollen wir genau die Vorbilder hervorbringen, die wir in der Post-Truth-Ära dringender brauchen denn je.