Wir leben in einer komplexen Welt. Da fällt es manchen Menschen leichter, den einfachen Antworten zu glauben, als differenzierte Antworten zu durchdringen. Wissenschaftsskepsis, ja offene Wissenschaftsfeindlichkeit verbreitet sich zunehmend. Fake News und Verschwörungstheorien machen ihre Runden, vor allem in den sozialen Medien. Beispiele gibt es viele: Manche Eltern vertreten die Ansicht, dass man Kinder grundsätzlich nicht impfen solle – was in der Konsequenz dazu führt, dass Epidemien zunehmen. Und viel zu viele stellen noch immer den Klimawandel infrage oder halten sogar die Evolutionstheorie für falsch.

Dabei handelt es sich immer um einen Frontalangriff auf die Wissenschaft. In der Umfrage „Wissenschaftsbarometer 2018“, die die Initiative Wissenschaft im Dialog (2018) gemacht hat, gaben 54 Prozent der Befragten an, Wissenschaft und Forschung zu vertrauen. Das ist nicht viel. Und sogar nur 40 Prozent glauben, dass Wissenschaftler zum Wohle der Gesellschaft forschen. Das sind Ergebnisse, die mir Sorgen machen.

Denn Unwissenheit spaltet und ist Wasser auf die Mühlen von Populisten. Schlimmer wird es noch dadurch, dass Falschnachrichten immer das mediale Rampenlicht suchen, ja davon leben – während echte wissenschaftliche Erkenntnis oft im Schatten, im Labor und der Bibliothek bleibt. Der französische Chemiker Louis Pasteur hat einmal gesagt: „Es ist die Unwissenheit, die die Menschen trennt, und die Wissenschaft, die sie einander näher bringt.“ Man kann das gar nicht oft genug wiederholen: Wissenschaft vereint. Sie kann in Zeiten mit komplexen Herausforderungen wie der digitalen Revolution oder dem Klimawandel aufklären, Unsicherheiten nehmen, Diskurse anstoßen, aus denen dann Lösungsansätze entstehen. Dabei geht es um nichts weniger als den Zusammenhalt unserer demokratischen, offenen Wissensgesellschaft.

Wir müssen die Wissenschaft deswegen stärken. Die Voraussetzungen sind dafür in Deutschland gut, unser Wissenschaftsstandort ist gut aufgestellt. Allerdings sollten wir auch die Wissenschaftskommunikation weiterentwickeln, sodass wissenschaftliche Erkenntnisse auch in der Gesellschaft ankommen, Menschen sie verstehen. Über diese Erkenntnisse müssen wir immer wieder sprechen und diskutieren. So können am Ende auch soziale Innovationen entstehen, die unserem Land und uns allen dienen und dazu beitragen, dass wir unseren Wohlstand halten können.

Entscheidend sind dafür die Wissenschaftler. Sie müssen zu Kommunikatoren werden, die ihre Arbeit immer wieder erklären. Sie müssen Brückenbauer sein, die die Tore der Wissenschaft öffnen. Wissenschaftskommunikation ist Brückenbau. Ich meine, die Wissenschaftskommunikation muss in der Ausbildung einen höheren Stellenwert bekommen und selbstverständlicher Bestandteil wissenschaftlichen Arbeitens sein. Vielleicht braucht es dazu nichts weniger als einen Kulturwandel. Denn auch Anerkennungs- und Reputationsmechanismen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen müssen sich ändern, sodass gut praktizierte Wissenschaftskommunikation letztlich auch eine Karriere befördern kann. Ich meine, dass Wissenschaftskommunikation künftig noch stärker als bisher als Kernbestandteil von Forschungsprojekten finanziert und bei der Auswahl für eine Förderung berücksichtigt werden soll.

Für viele Wissenschaftler ist das ja längst schon selbstverständlich: dass sie wissenschaftliches Wissen nicht einfach bereitstellen, sondern uns Einblick in ihre Arbeit gewähren und auch außerhalb des Forschungssystems ihre Erkenntnisse diskutieren – und so ihrer gesellschaftlichen Verantwortung in ganz besonderer Weise gerecht werden.

Voraussetzung dafür, dass Forschende in ihrem Bemühen erfolgreich sind, ist eine Vertrauensbasis zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Für die Wissenschaft ist Vertrauen essenziell, wenn sie mit ihren Erkenntnissen zu den Menschen durchdringen will. Vertrauen zu schaffen und zu stärken ist deshalb eine zentrale Aufgabe für die Wissenschaft. Und dazu kann Kommunikation einen großen Beitrag leisten. Denn Wissenschaftler können über Kommunikation einen Vertrauensanker bilden.

Dabei geht es vor allem darum, über das Wesen der Wissenschaft zu sprechen. Es geht nicht unbedingt nur darum, alle Forschungsdetails der Wissenschaftsdisziplinen zu erklären. Denn Wissenschaft lebt von der Bereitschaft, sich überraschen zu lassen und die eigene Position daraufhin zu überdenken. Sie lebt vom Staunen-Können und dem Infragestellen bisheriger Überzeugungen. Sie lebt von der Offenheit für das, was in der Welt geschieht.

Es sind nicht nur die durchschlagende Erkenntnis und der bahnbrechende Fortschritt, die Wissenschaft ausmachen. Vielmehr ist es oft harte und hartnäckige Arbeit, die hinter Forschungsergebnissen steht. Es sind Beharrlichkeit, Durchhaltewillen und Unermüdlichkeit, die den Weg zu eben diesen Erkenntnissen bahnen. Es verlangt Ehrgeiz und Energie – vor allem aber viel Zeit. Wissenschaft ist ein Prozess; ein Prozess der Vor- und der Rückschritte, des Ringens und Revidierens von Ansichten, des immer wieder neuen Fragenstellens.

Wenn Forschende ein solches Bild von Wissenschaft nach außen vermitteln, verstehen Menschen besser, warum Wissenschaft keine festen und unumstößlichen Gewissheiten erzeugen kann. Im „Wissenschaftsbarometer 2018“ gaben 56 Prozent der Befragten an, dass es ihnen schwerfällt, Informationen zu beurteilen, wenn Wissenschaftler unterschiedlicher Meinung sind. Wenn Wissenschaftler jedoch erklären, dass eben diese Vielfalt der Perspektiven eine Chance sein kann, um neue Erkenntnisse zu generieren können Außenstehende Diskussionen und Meinungsverschiedenenheiten unter Wissenschaftlern eher einordnen. Wenn Wissenschaftler offen zugeben, was sie noch nicht wissen, ist dies kein Zeichen von Unkenntnis. Vielmehr erhöht es ihre Glaubwürdigkeit.

Ein weiterer Punkt ist entscheidend, um Vertrauen in die Wissenschaft zu stärken: Wissenschaft muss unabhängig und an der Sache orientiert sein. Sie muss dem Wohl der Gesellschaft dienen und nicht den Interessen Dritter. Ich spreche hier von Wissenschaftsfreiheit, einem hohen Gut, dessen Bedeutung es immer wieder zu betonen gilt. Wissenschaftsfreiheit zählt neben einer unabhängigen Justiz und einer freien Presse zu den Grundfesten unserer offenen Gesellschaften. Diesen gesellschaftlichen Grundkonsens gilt es zu wahren und zu stärken – besonders in Zeiten, in denen Wissenschaftsfreiheit an verschiedenen Orten der Welt infrage gestellt wird. Wir stehen als Gesamtgesellschaft in der Verantwortung, dafür Sorge zu tragen und auf diese Weise auch die Vertrauensbasis für die Wissenschaft in der Gesellschaft zu stützen.

Wissenschaftskommunikation kann nur dann wirklich erfolgreich sein, wenn wir sie als Gemeinschaftsaufgabe angehen und alle an einem Strang ziehen: Politik, Wissenschaft, Journalismus und Zivilgesellschaft. Das gilt erst recht für das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Die Förderung der Wissenschaftskommunikation sehen wir als eine wichtige Aufgabe an.

So haben wir eine Open-Access-Strategie entwickelt, um den freien Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen über das Internet zu verbessen. Bürgerinnen und Bürger können so aktuelle wissenschaftliche Aufsätze lesen, ohne dafür eigens eine wissenschaftliche Zeitschrift kaufen zu müssen. Außerdem fördern wir das Internet-Portal www.wissenschaftskommunikation.de. Es vernetzt Partner aus Wissenschaft, Politik, Zivilgesellschaft. Speziell auf Schülerinnen und Schüler zugeschnitten ist die Forschungsbörse, über die Wissenschaftler in die Schule eingeladen werden und aus ihrem Alltag im Labor berichten können. Auch fördern wir mit den Wissenschaftsjahren eine Vielzahl an Formaten und Projekten, um in ganz Deutschland möglichst viele Menschen zu erreichen und mit ihnen in den Austausch zu kommen. Besonders am Herzen liegt mir die Bürgerforschung, die sogenannte Citizen Science, die die Partizipationsmöglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern stärkt und auch die Wissenschaft bereichert. Und nicht zuletzt fördern wir den Wissenschaftsjournalismus; schließlich tragen Journalisten dazu bei, Informationen weiterzugeben, zu erklären und einzuordnen.

Unser Ziel ist klar: Wissenschaftskommunikation muss zu so etwas werden wie ein täglicher Science March, selbstverständlich und mit Leidenschaft geführt. Denn Wissenschaft geht alle an, gerade in sich wandelnden Zeiten.