Der Ruf nach mehr Engagement von Forschenden in der Wissenschaftskommunikation ist in Deutschland nicht neu, sondern währt Jahrzehnte. Spätestens mit dem sogenannten PUSH-Memorandum (1999; PUSH: Public Understanding of Science and Humanities), das namhafte Präsidenten führender deutscher Forschungseinrichtungen im Jahr 1999 unterzeichneten, waren entsprechende Forderungen und politische Willensbekundungen für mehr Wissenschaftskommunikation aus erster Hand schriftlich festgehalten. Darin finden sich unter anderem folgende Passagen:

  • „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden aufgefordert, ihre Arbeit öffentlich auch in einer für den Nicht-Spezialisten verständlichen Form darzustellen.“

  • „Das Engagement für diesen Dialog darf dem wissenschaftlichen Ruf nicht abträglich sein, es sollte zu einem zusätzlichen Merkmal wissenschaftlicher Reputation werden.“

  • „Die Würdigung von Leistungen im Dialog mit der Öffentlichkeit soll im Rahmen der internen und externen Begutachtung bzw. Evaluation zusätzlich zur Würdigung der wissenschaftlichen Leistung erfolgen. Geeignete Formen der Anerkennung sollen entwickelt werden.“

  • „Hochschulen und Forschungseinrichtungen werden aufgefordert, die notwendige Infrastruktur bereitzustellen sowie Lehr- und Weiterbildungsangebote zu entwickeln, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in die Lage versetzen, ihre Arbeit öffentlich zu präsentieren.“ (PUSH-Memorandum 1999)

Seither ist vieles geschehen. Wir sind Zeugen eines massiven Medienwandels, wobei mit den sozialen Medien neue, interaktive Plattformen entstanden sind. Plattformen, mit denen Erscheinungen wie Fake News und Filterblasen einhergehen. Impfgegner, Klimaleugner und andere dubiose Interessenvertreter haben darin ihre Nischen zu globalen Netzwerken ausgebaut. Wir sehen einen Aufstieg der Populisten, die den Stellenwert wissenschaftlicher Erkenntnis nicht einmal mehr infrage stellen, sondern die wissenschaftlichen Erkenntnisse schlicht ignorieren. Eine beunruhigende Entwicklung.

Gleichzeitig ist aber die Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der Kommunikation nur unwesentlich gestiegen. Infolge von PUSH & Co. kam es zwar zu einer Professionalisierung der Kommunikation der Institutionen und Hochschulen und zum vielfältigen Aufbau von Kommunikationsabteilungen. Für die Forschenden ist die vor rund 20 Jahren angedachte Kommunikationskultur mit einem Anreiz- und Reputationssystem aber kaum bis gar nicht realisiert. Und so sind es nach wie vor Einzelne, Naturtalente, die sich in die Kommunikation einbringen. Sie beteiligen sich an Kinder-Unis, langen Nächten der Wissenschaft oder Bürgerdialogen. Eine systematische Förderung von Forschenden in Form von Zeit- und Finanzbudgets für Kommunikation ist in Deutschland immer noch weitgehend Fehlanzeige. Es mangelt selbst an Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die zumindest Handreichungen für mehr Verständlichkeit lehren. Dabei ist das nur ein Anfangspunkt. Verständlichkeit ist die Grundvoraussetzung. Damit Wissenschaftskommunikation auch vonseiten der Forschenden gelingt, müssen deutlich mehr Themen gelehrt und umgesetzt werden.

Authentische Stimmen der Wissenschaft

Dabei sind die Rufe nach mehr Informationen aus erster Hand, nach authentischen Stimmen der Wissenschaft, beständig geblieben – und im Zuge der Vertrauensdebatte der letzten Jahre sogar lauter geworden. Denn Forschende sind nicht nur als Protagonisten journalistischer Beiträge und Pressemitteilungen oder Berichten in Hochglanzbroschüren von Forschungseinrichtungen wichtig. Als Menschen, die selbst davon berichten, was sie tun und warum sie sich für ihre Forschung begeistern, können sie Transparenz schaffen und Vertrauen erzeugen. Es erscheint heute umso wichtiger, dass Forschende ihre Stimme in dieser multimedialen Welt erheben – auch als notwendige und beständige Gegenstimme zu falschen Behauptungen. Und so kommen die alten Forderungen erneut auf den Tisch – wenngleich mit stärkerer Pointierung.

Der Wissenschaftsrat hat in seinem Positionspapier zum Wissens- und Technologietransfer des Jahres 2016 Forderungen nach mehr Beteiligung von Forschenden in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit, verbunden mit einem entsprechenden Förderungssystem, erneut aufgegriffen. Er empfiehlt „Weiterbildungsveranstaltungen, an denen auch Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler möglichst früh ihrer Laufbahn teilnehmen sollten“ (Wissenschaftsrat 2016, S. 25).

Damit für Kommunikation das nötige Budget gesichert ist, fordert beispielsweise der Generaldirektor des Berliner Museums für Naturkunde, Johannes Vogel, rund zehn Prozent der Etats von Forschungsprojekten für Wissenschaftskommunikation auszugeben (Wiarda 2018a).

Andere sprechen nicht von Budgets, sondern per se von einer „wesentlichen Bringschuld“ der Wissenschaftler. Es reiche eben nicht, Erkenntnisse innerhalb der wissenschaftlichen Community zu teilen, schrieb beispielsweise Birgitt Riegraf, Präsidentin der Universität Paderborn, im Magazin Forschung & Lehre (Riegraf 2018).

Eine Realisierung der alten und neuen Forderungen könnte nun greifbarer und konkreter werden. Auch die Politik tritt gerade in jüngerer Zeit gehäuft für mehr verständliche Wissenschaftskommunikation ein. „Mein Ziel ist, dass Kommunikation des eigenen Forschungsthemas von Anfang an mitgedacht wird“, äußerte Ende des Jahres 2018 beispielsweise Bundesbildungsministerin Anja Karliczek in einem Gespräch mit Jan-Martin Wiarda (2018b).

Dringend notwendiger Kulturwandel

Dieser Ansatz ist sehr zu begrüßen. Um Forschende in die Kommunikation stärker einzubinden, gilt es, politisch notwendige Systemveränderungen voranzutreiben. Denn im stark hierarchisch geprägten Wissenschaftssystem zeigt sich eine häufig manifeste Kultur der Verweigerung diesem Thema gegenüber. Noch heute werden Forschende, die sich die Zeit nehmen und in Dialoge mit Medien sowie der Öffentlichkeit eintreten, von anderen belächelt oder in ihren Aussagen als „unwissenschaftlich“ degradiert. Obwohl sie eigentlich genau das tun, was notwendig ist, nämlich ihre Fachinhalte auf ein verständliches Niveau herunterbrechen.

Zudem erschweren Zielkonflikte ein verstärktes Engagement in der Kommunikation. Denn die harten Währungen der Wissenschaft sind Fachpublikationen, der Impact-Faktor, Patente oder das Einwerben von Drittmitteln. Forschende sind eingebunden in Administration, Ausbildung, Begutachtungen in Peer-Review-Prozessen und, und, und. Was in solch einer Liste fehlt: Zeit und Geld für Kommunikation.

Wir brauchen also einen wirklichen Umbruch, damit Kommunikation auf das wissenschaftliche Konto einzahlt und dem wissenschaftlichen Ruf nicht mehr abträglich ist, sondern im Gegenteil zu einem zusätzlichen Merkmal wissenschaftlicher Reputation wird.

Müssen und sollen jetzt alle Forschenden kommunizieren?

Die vorhin genannten Forderungen lösen sowohl unter Kommunikatoren als auch unter Journalisten und den Forschenden selbst jedoch Unbehagen aus. Was wäre, wenn alle kommunizieren würden? Was geschähe, wenn ein Engagement von Forschenden in der Kommunikation auch ein Kriterium bei Stellenausschreibungen, Berufungen und Drittmittelvergaben würde?

Zuspitzen lassen sich die Bedenken auf die Widerworte: Es können doch nicht alle Forschenden kommunizieren! In der Tat wäre ein solches Szenario fragwürdig. Denn wichtiger als die Quantität an Kommunikation ist die Qualität derselben.

Wir benötigen keine Flut an weiteren ungelesenen Forschungs-Projektwebseiten, Flyern oder Hochglanzbroschüren. Auch leiden der Informationsdienst Wissenschaft und die weiteren Angebote dieser Art nicht an einem Mangel an Pressemitteilungen. Zudem befördert Zwang keine Qualität. Fehlanreize können „zu Fehlentwicklungen, zu inhaltleeren, wirkungslosen oder schlimmstenfalls interessengeleiteten Eigendarstellungen […] führen“, wie der Kommunikationskreis der Siggener Impulse 2018 formuliert hat (Siggener Kreis 2018, S. 5). Solche warnenden Worte sind wichtig. Denn sie zeigen zugleich den Weg zu einer verantwortlichen Wissenschaftskommunikation auf, die das Gemeinwohl über individuelle Interessen stellt.

Selbstverständlich sollten Forschende die Freiheit haben, entscheiden zu können, ob sie aktiv gezielt mit der Öffentlichkeit kommunizieren wollen oder nicht. Eine Zwangsverpflichtung zur Beteiligung an öffentlichen Dialogen und Auftritten ist nicht zielführend. Aber alle sollten wissen, wie Kommunikation funktioniert und wie sie beispielsweise in ihrem Forschungsprojekt aktiv kommunizierende Kolleginnen und Kollegen entsprechend unterstützen können.

Kompetente Kommunikation von allen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten verständlich erklären können, woran sie forschen und wie Wissenschaft funktioniert. Dieser Anspruch richtet sich an alle klugen Köpfe an unseren Hochschulen und in unseren Forschungseinrichtungen. Sie sollten sich einbringen können, sich einmischen, mitreden. Und Widerworte geben, wenn ihnen im Alltag Menschen begegnen, die mit Fake News und anderen Verzerrungen wissenschaftliche Erkenntnisse nicht nur infrage stellen, sondern ihnen ihre Bedeutung absprechen. Gleichzeitig gilt es generell, ein Verständnis für das Entstehen wissenschaftlicher Ergebnisse sowie das Interesse für Wissenschaft als solcher zu fördern. Wissenschaft ist eine Kulturleistung und bedeutender Motor unserer Gesellschaft.

Auch die direkte Wissenschaftskommunikation im kleinen Kreis – ohne große Bühne, Weblog oder organisierten Bürgerdialog – will gelernt und geübt sein. Kommunikation macht nur Sinn, wenn alle wissen, was sie tun und wie Kommunikation gelingen kann. Deshalb sind Ausbildungen für Forschende in Wissenschaftskommunikation notwendig – idealerweise in der Kombination mit der Lehre guter wissenschaftlicher Praxis, Wissenschaftsethik und Wissenschaftstheorie, wie es beispielsweise im „Code of Ethics“ des World Economic Forum Young Scientists (2018) beschrieben ist. Von einer dafür notwendigen curricularen Verankerung in Studiengängen sind wir in Deutschland noch weit entfernt. Aber immerhin fördern einzelne Universitäten, Forschungseinrichtungen und Stiftungen im Rahmen der weiteren wissenschaftlichen Karrierebildung ihrer Doktoranden, Postdoktoranden und Stipendiaten entsprechende Fortbildungen.

Verständliche Worte finden

Damit die Kommunikation mit Nicht-Spezialisten gelingen kann, ist verständliche Sprache eine Grundvoraussetzung. Und genau dies ist für viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Herausforderung. Denn selbstverständlich haben sie sich im Laufe ihrer Karriere und Sozialisation in der Wissenschaft die dafür notwendige Fachsprache angeeignet. Diese benötigen sie für eine eindeutige Kommunikation innerhalb der Forschungsgemeinde. Diese Verfachsprachlichung nimmt durch die immer stärkere Ausdifferenzierung der Forschungsgebiete laufend zu, wie beispielsweise eine Untersuchung des Karolinska-Instituts im Bereich der Biomedizin und Life Sciences zeigt (Plavén-Sigray et al. 2017). Die Forscher hatten über 700.000 Abstracts von 123 Fachjournalen der Jahre 1880 bis 2015 untersucht. Die Ergebnisse: Immer weniger allgemein verständliche Worte werden verwendet, dafür steigt der Anteil an Fachsprache und allgemeinem Wissenschaftsjargon (Abb. 1).

Abb. 1
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(Aus Plavén-Sigray et al. 2017; verbreitet unter einer Creative Commons Attribution License)

Während in Abstracts wissenschaftlicher Publikationen der Anteil allgemeinverständlicher Wörter sinkt, steigen parallel die Benutzung von Fachsprache und allgemeiner Wissenschaftssprache.

Dazu kommt, dass Forschungsteams heute meist international besetzt sind und Englisch die beherrschende Wissenschaftssprache ist. Die Folge: Viele Forschende finden schlicht keine deutschen Worte oder Umschreibungen für englische Fachbegriffe aus ihrem Berufsalltag. Die Hürden hin zu einer verständlichen Sprache sind also für viele groß. Dies zeigt sich auch immer wieder in den Fortbildungsveranstaltungen des Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation (NaWik).Footnote 1 Das NaWik bietet ein breites Portfolio an Kommunikationsseminaren und -workshops für Forschende, um diese in ihren kommunikativen Fähigkeiten zu stärken. In diesen Kursen, sollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Kernbotschaften ihrer Forschung formulieren. Hier zeigt sich regelmäßig, dass das Gros lange um verständliche Worte ringt.

Dabei gilt es nicht nur die Hürden der Fachsprachen zu überwinden. Wer viel publiziert, ist zudem eine Meisterin oder ein Meister der Passivkonstruktionen – die in Fachartikeln üblich sind, aber in der allgemeinen Kommunikation das Zuhören und Lesen erschweren. Und Forschende sind meist Experten im Umgang mit Zahlen und Wahrscheinlichkeiten. Beides führt in der Kommunikation mit Nicht-Spezialisten aber häufig zu Missverständnissen. Diese und weitere Fallstricke auf dem Weg zu einer für Laien verständlichen Sprache müssen also überwunden werden. Um dies zu erleichtern, hat das NaWik grundlegende Regeln für mehr Verständlichkeit einprägsam in Form eines KleeblattsFootnote 2 zusammengefasst (Abb. 2) und trainiert diese intensiv in seinen Lehrveranstaltungen.

Abb. 2
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(Wesentlichen Anteil an der Entwicklung dieser zwei Kernelemente der NaWik-Lehre, des Pfeils und des Kleeblatts, haben neben der Autorin dieses Beitrags der Gründungsdirektor des NaWik, Prof. Dr. Carsten Könneker, sowie die NaWik-Dozenten Ulrich Grünewald, Axel Wagner und Martin Roos. NaWik-Kleeblatt und NaWik-Pfeil sind als Marken geschützt.)

Das NaWik-Kleeblatt fasst die Regeln für verständliches Formulieren zusammen. Der NaWik-Pfeil stellt die Dimensionen der Wissenschaftskommunikation dar, die vor jeder kommunikativen Situation bedacht werden sollten.

Doch verständliche Worte garantieren noch nicht, dass diese auch beim Gegenüber ankommen. Es macht beispielsweise Sinn, sich vor und in jeder Kommunikationssituation zusätzlich Gedanken über die Rahmenbedingungen zu machen. Welches Ziel verfolge ich im Gespräch? Wer ist mein Gegenüber, meine Zielgruppe? Wie und mit welcher Sprache oder Bildern kann ich diese erreichen? Was von meinem Thema interessiert die Zielgruppe? Und wo findet die Kommunikation statt? Diese Dimensionen der Kommunikation hat das NaWik in Form eines fragilen PfeilsFootnote 3 veranschaulicht. Fehlt nur einer der Bausteine, fällt der ganze Pfeil in sich zusammen; die Kommunikation droht zu misslingen.

Mehr als verständlich

Wichtig ist zudem, dass Kommunikation mehr bedeutet als verständliche und zielgruppengerechte Information. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Informationen allein nicht zu faktentreueren Entscheidungen führen. Das heißt, dass das Defizitmodell, von dem die Wissenschaftskommunikation lange ausging, nicht der kommunikative Hebel ist, um Wissenschaft besser in der Gesellschaft zu verankern. Dem Modell zufolge fußt eine ablehnende Haltung gegenüber Wissenschaft auf einem Mangel an Wissen (Bauer 2017, S. 26). Heute wissen wir, platt gesagt: Wer nur Wissenslücken stopft, bildet keine Meinung. Denn neben wissenschaftlichen Argumenten beeinflussen auch moralische, religiöse oder kulturelle Vorstellungen Haltungen und Entscheidungen. Wenn etwas verstanden wird, heißt es also noch lange nicht, dass es auch akzeptiert wird.

So kann jemand durchaus die Vorteile neuer Technologien erkennen, sie aber wegen persönlicher Bedenken, potenzieller Risiken oder ethischer Positionen ablehnen. Diverse Untersuchungen legen zudem nahe, dass es sogar kontraproduktiv sein kann, Fakten zu erwähnen, wenn diese das Weltbild des Gegenübers infrage stellen. Moralisierende Impfkampagnen, die auf die Gefährdung anderer Kinder hinweisen, bringen in diesem Sinne nicht viel. Im Gegenteil. Die argumentativ ins Spiel gebrachten Fakten, Zahlen und Belege können bei einem skeptischen Gegenüber sogar dessen ablehnende Haltung verstärken (Nyhan und Reifler 2010). Kommunikation muss sich also breiter aufstellen. Die monologisierende Wissensvermittlung hat eindeutige Grenzen.

Gerade deshalb wäre es für unsere Gesellschaft wertvoll, wenn mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler authentisch berichten, Position beziehen, dem Gegenüber zuhören und Transparenz erzeugen. Dialoge und Citizen-Science-Projekte sind zugleich wertvoll für die Wissenschaft. Denn hier erhalten Forschende direktes Feedback zu ihren Themen, werden mit kritischen Fragen konfrontiert – und nehmen aus den Dialogen unter Umständen interessante andere Ansätze und Gedanken für ihre Forschung mit (Hendriks und Niederhoff 2017). So sind stets weiterführende Rückkopplungen an die Forschung wünschenswert – auch unter Einbeziehung weiterer wesentlicher Akteure in Debatten zu Ethik, Normen und Werten.

Das bedeutet für Forschende aber auch, dass sie sich aus ihrer Kommunikationsnische, der reinen Sachlichkeit, herausbegeben müssen. Was Gehör verschafft und Bilder in den Köpfen entstehen lässt, sind Bewertungen, ehrliche Berichte des Forscheralltags und Ich-Aussagen. Richtig ist auch: Viele Themen sind so komplex, dass sie schwer zu vermitteln sind. Trotzdem können hier zumindest die Faszination der Forschung greifen und das eigene Brennen für ein Thema, das so gar nichts mit einem konkreten Nutzwert zu tun hat. Was begeistert die Forschenden an ihrer Arbeit? Warum stecken sie so viel Zeit und Energie in ihre Tätigkeit – bei nicht unbedingt adäquater Bezahlung und mitunter schlechten weiteren Berufsaussichten?

Damit ist nicht ein massenhaftes und heldenepisches Storytelling gemeint, wie es Julika Griem, Vizepräsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft, kritisiert hat (Griem 2018). Es geht nicht darum, die Forschung zu heroisieren, sondern sie maximal transparent zu machen – mit Scheitern und Gelingen, Theorien und Gegentheorien, Hinterfragen und Verifizieren. Wissenschaft ist nicht bequem. So können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Kompetenz, ihre Integrität und ihre guten Absichten deutlich kommunizieren. Und dies öffnet die Türe für mehr Vertrauen (Hendriks et al. 2016; Mayer et al. 1995). Wissenschaft als Teil der Gesellschaft meint in diesem Sinne explizit Wissenschaft mit und in der Gesellschaft.

Konkrete Ansätze heute verfolgen

Um diese Vernetzung zu stärken, brauchen wir dringend mehr kommunizierende und sich engagierende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Wir brauchen neben den Dialogen im Alltag mehr Forschende, die sich öffentlich äußern und positionieren, die in offene Diskussionen treten und zuhören.

Dafür sind alle eingangs genannten Faktoren dringend notwendig – von der Anerkennung, über Anreize bis hin zu Fortbildungen. Anreize könnten etwa definierte Zeit- und Finanzbudgets sein wie beispielsweise ein prozentualer Anteil für Kommunikation in jedem Forschungsprojekt. Auch Wettbewerbe können zum Dialog mit Laien anregen. Zudem könnte eine Willkommenskultur und Unterstützung vonseiten der Kommunikatorinnen und Kommunikatoren der jeweiligen Hochschulen oder Forschungseinrichtungen motivieren – beispielsweise in Form eines Starterpakets WissenschaftskommunikationFootnote 4. Orientierung können Forschenden neben Weiterbildungen in diesem Bereich auch Social Media Guidelines, Schreib- und Interviewtipps sowie LeitlinienFootnote 5 bieten.

Eine tragfähige Anerkennungskultur sollte Wissenschaftskommunikations-Kompetenz als eines der Kriterien für Mittel- und Stellenvergaben aufnehmen. Neben ausgewiesenen Fachpublikationen zählten dann auch Aktivitäten in der öffentlichen Wissenschaftskommunikation. Dies ist nicht als ein zwingend zu erfüllendes Kriterium anzusehen. Es könnte jedoch je nach Art der Aktivität durchaus gleichgewichtig zu einer Fachpublikation eingeordnet werden. Wie solche Aktivitäten zu bewerten sind, ist dabei sehr individuell. Was ist die Währung für Twitter-Aktivitäten, eine Standbetreuung beim Tag der offenen Tür oder die Umsetzung eines Citizen-Science-Projektes? Was sind die Ziele? Wer wird erreicht?

Wir dürfen nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Vonseiten der Science of Science Communication gilt es daher noch viele Fragen zu beantworten: Wie können verschiedene Formate evaluiert werden? Anhand welcher Qualitätskriterien kann Wissenschaftskommunikation bewertet werden? Welche Art der Kommunikation nützt, welche schadet vielleicht sogar? Insbesondere im gegenwärtigen Medien- und Gesellschaftswandel ist die Erforschung der Wissenschaftskommunikation, ihrer Akteure, der Medien, der Interaktionen und der Rezeption die Basis für profunde Weiterentwicklungen und Handlungsempfehlungen.

Die Herausforderungen der Wissenschaftskommunikation der Gegenwart sind also vielfältig und groß. Sie reichen weit über das Thema Verständlichkeit hinaus. Und sie benötigen deutlich mehr an Engagement, Anreizen und Anerkennung, als es derzeit gegeben ist, um den großen gesellschaftlichen Herausforderungen gewachsen zu sein. Es ist an der Zeit, dies nun mit Sinn und Verstand verstärkt anzugehen.