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§ 3 Fehlende Rechtfertigung tatbestandsmäßigen Verhaltens

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Part of the book series: Springer-Lehrbuch ((SLB))

Zusammenfassung

Wir haben gesehen, dass Strafe als missbilligende Reaktion auf einen Verhaltensnormverstoß zweck- und wertrational nur zu legitimieren ist, wenn ein solcher Verhaltensnormverstoß als personale Fehlleistung tatsächlich vorliegt. Bei den Überlegungen zur Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens hatten wir deshalb konsequenterweise solche Verhaltensweisen als nicht tatbestandsmäßig ausgeschieden, die mit Blick auf das speziell in Frage stehende Rechtsgut schon im Grundsätzlichen rechtlich nicht zu beanstanden sind oder bei denen bereits mit Blick auf die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG keine rechtliche Verhaltensmissbilligung angezeigt ist. Kann über ein Verhalten ein grundsätzliches tatbestandliches Missbilligungsurteil gefällt werden, dann ist damit über das für eine Bestrafung erforderliche personale Verhaltensunrecht noch nicht abschließend entschieden. Denn das grundsätzliche Missbilligungsurteil z. B. über ein tatbestandmäßiges Tötungs-, Körperverletzungs- oder Sachbeschädigungsverhalten steht unter Vorbehalt: Das Verhalten kann gerechtfertigt sein. Für diesen Fall ist die Rechtsfolge der Bestrafung verfehlt. Außerdem ist zu beachten, dass ein tatbestandsmäßig-rechtswidriges Verhalten in seinem Gewicht zu gering sein kann, um die gravierende Rechtsfolge der Bestrafung zu tragen. Das vorhandene personale Verhaltensunrecht muss dafür hinreichend gewichtig sein.

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Notes

  1. 1.

    Näher dazu oben § 1 Rn. 28 ff., § 2 Rn. 9 ff.

  2. 2.

    Sachlich übereinstimmend etwa Küper, GA 2018, 477.

  3. 3.

    Näher zu diesem weiteren Vorbehalt unten § 4.

  4. 4.

    So aber z. B. Haft, AT9, S. 65; Jescheck/Weigend, AT5, § 31 I 3 (S. 324) m. w. N.; mit Recht krit. zur Indiz-Formel Kindhäuser, AT8, § 8 Rn. 4; Otto, AT7, § 8 Rn. 3; Schlehofer, in: MünchKommStGB3, Vor § 32 Rn. 39; zumindest gegen deren Verwendung in der Fallbearbeitung Heinrich, AT5 Fn. 9 zu Rn. 313.

  5. 5.

    Anders war das noch zu den Zeiten der Constitutio Criminalis Carolina von 1532 – der CCC (auch bekannt unter dem Namen: Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V).

  6. 6.

    Zum nicht abschließenden Charakter der gesetzlich normierten Rechtfertigungsgründe s. etwa Paeffgen/Zabel, in: NK5, Vor § 32 Rn. 2, 56; Jescheck/Weigend, AT5, § 31 III (S. 327). – Für den Bereich der Schuldausschließungs- und Entschuldigungsgründe s. Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder30, Vor § 32 Rn. 115 ff. – S. ergänzend unten § 4 Rn. 10 ff.

  7. 7.

    RGSt 61, 242 ff. (Schwangerschaftsabbruch wegen Selbstmordgefahr).

  8. 8.

    I. d. S. auch Otto, AT7, § 8 Rn. 8. – Zum überwiegenden Interesse als Rechtfertigungsprinzip s. a. Freund, in: MünchKommStGB3, Vor § 13 Rn. 222 f.; Rudolphi, GS Armin Kaufmann, 1989, S. 371 ff., 396; Langer, Sonderstraftat, S. 95 ff.; Schlehofer, in: MünchKommStGB3, Vor § 32 Rn. 58 ff.; vgl. ferner Mir Puig, FS Herzberg, 2008, S. 55, 71 f., der betont, dass die ensprechende Güter- und Interessenabwägung sowohl im Bereich der grundsätzlichen tatbestandlichen Verhaltensmissbilligung als auch im Bereich der (ausnahmsweisen) Rechtfertigung für die Bildung der letztlich maßgeblichen Verhaltensnorm („Bestimmungsnorm“) unverzichtbar ist.

  9. 9.

    Vgl. Freund, in: MünchKommStGB3, Vor § 13 Rn. 225 ff.

  10. 10.

    Weitere Beispiele bei Roxin, AT I4, § 13 Rn. 2.

  11. 11.

    Dessen Behandlung ist allerdings umstritten; vgl. dazu etwa Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder30, § 223 Rn. 27 ff. m. w. N.

  12. 12.

    I. S. eines Tatbestandsauschlusses in solchen Fällen mit Recht etwa Heger, in: Lackner/Kühl29, § 266 Rn. 20; vgl. a. Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT 241, Rn. 757 ff., jew. m. w. N. – Zur (Ir-)Relevanz der Einordung einer „Einwilligung“ als (bloß) rechtfertigend oder (schon) tatbestandsausschließend näher Murmann, Selbstverantwortung, S. 369 ff.

  13. 13.

    S. dazu oben in Fn. 11 zu Rn. 7.

  14. 14.

    In der Sache ähnlich Roxin, AT I4, § 13 Rn. 12 ff., der über Art. 2 GG argumentiert und davon ausgeht, die Ausübung der verfassungsrechtlich garantierten Handlungsfreiheit mache eine Tatbestandserfüllung unmöglich und eine Unterscheidung zwischen Einwilligung und Einverständnis sei nicht sachgerecht. I. S. einer durchgängigen Tatbestandslösung etwa auch Kioupis, Notwehr und Einwilligung – Eine individualistische Begründung, S. 203; Rönnau, Willensmängel bei der Einwilligung im Strafrecht, S. 124 ff.; De Vicente Remesal, FS Roxin, 2001, S. 379 ff. – Für eine Trennung von Einwilligung und Einverständnis mit Blick auf die angenommene Relevanz für Irrtumsfälle aber z. B. Jescheck/Weigend, AT5, § 34 I 2 b (S. 375); i. S. einer Unterscheidung ferner Haft, AT9, S. 73 f. – Vgl. dazu auch Sternberg-Lieben, Die objektiven Schranken der Einwilligung im Strafrecht, 1997.

  15. 15.

    Deshalb findet sich auch der Begriff der „Bestimmungsnorm“, der dieselbe Bedeutung besitzt wie der Begriff der Verhaltensnorm.

  16. 16.

    Zur Maßgeblichkeit der Betroffenenperspektive s. oben § 2 Rn. 28 ff.

  17. 17.

    Das Konstrukt der Maßstabsperson ist vor allem bei der Fahrlässigkeitstat geläufig; näher dazu unten § 5 Rn. 16, 22 ff.

  18. 18.

    Die Frage ist sehr umstritten; i. S. eines knappen Überblicks s. die Nachw. bei Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder30, Vor § 32 Rn. 10. Näher dazu Freund, GA 1991, 387, 406 ff., sowie sogleich im Text. – Selbst wenn man die hier vertretene Position nicht teilt, ändert sich am Ergebnis des fehlenden Verhaltensunrechts in den relevanten Fällen nichts. Denn bei nicht auf Fahrlässigkeit beruhender Situationseinschätzung wahrt das Verhalten die erforderliche Sorgfalt und ist nach allgemeinen Regeln nicht rechswidrig; zutreffend dazu etwa Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder30, Vor § 32 Rn. 21; Roxin, AT I4, § 14 Rn. 112; auch Paeffgen, FS Frisch, 2013, S. 403, 410 ff. lehnt bei unvermeidbarem (Erlaubnistatbestands-)Irrtum durchaus zutreffend das Gegebensein von Verhaltensunrecht ab. – Anders, aber unter Nichtbeachtung der Konstitutionsbedingungen für Verhaltensunrecht Erb, FS Paeffgen, 2015, S. 205, 207 ff.

  19. 19.

    I. d. S. aber eine verbreitete Auffassung zu § 127 I StPO; vgl. etwa Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder30, Vor § 32 Rn. 81/82; Jescheck/Weigend, AT5, § 35 IV 2 (S. 398), jew. m. w. N.

  20. 20.

    Das Zugeständnis fehlender „Schuld“ ist für den auf Rechtstreue Bedachten ein zu schwacher Trost!

  21. 21.

    Sachlich richtig ist deshalb eine Konzeption zu § 127 I StPO, die auf die Beurteilung der sich darbietenden Sachlage im Verhaltenszeitpunkt (= Festnahmezeitpunkt) abstellt. Wie diese Beurteilung praktisch aussieht, zeigt – unter Offenlassung des Streits – anschaulich OLG Düsseldorf NJW 1991, 2716, 2717 (am Beispiel eines Taxifahrgastes, der nicht zahlen konnte); s. a. OLG Celle StV 2016, 295 f.

  22. 22.

    Vgl. dazu etwa Fischer66, Vor § 32 Rn. 7a; Kühl, in: Lackner/Kühl29, Vor § 32 Rn. 23; ferner die Auflistung der Argumente bei Hillenkamp/Cornelius, 32 Probleme aus dem Strafrecht, AT15, S. 68.

  23. 23.

    Insofern sachlich übereinstimmend Murmann, GK4, § 25 Rn. 164.

  24. 24.

    Sachlich i. S. einer solchen Perspektivenbetrachtung bei der Bestimmung der tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtfertigung mit Recht etwa auch Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 422 f., 424 ff., 431 ff.; Herzog, in: NK2, § 32 Rn. 3 (anders freilich Kindhäuser, in: NK5, § 32 Rn. 27); Hoyer, in: SK StGB9, Vor § 32 Rn. 59 ff.; Rudolphi, GS Armin Kaufmann, 1989, S. 371, 378, 381 ff.; Suarez Montes, FS Welzel, 1974, S. 379, 387 f.; Zielinski, Unrechtsbegriff, S. 247 f. (vgl. a. S. 271 ff., 293 ff.); vgl. a. Schlehofer, in: MünchKommStGB3, Vor § 32 Rn. 78 ff.; s. ferner Lenckner, FS Hellmuth Mayer, 1966, S. 165, 181 ff. (der mit Recht darauf hinweist, dass bei Wahrung der erforderlichen Sorgfalt die Beanstandung des Verhaltens als rechtswidrig in einen Wertungswiderspruch führte); s. ergänzend Freund, GA 1991, 387, 406 ff.

  25. 25.

    Zu solchen Fällen des vermeidbaren Erlaubnistatbestandsirrtums vgl. unten § 7 Rn. 110 ff.

  26. 26.

    I. d. S. (für vergleichbare Fälle) mit Recht bereits Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 456 f. – Ausführlich zu den Problemen des so genannten subjektiven Rechtfertigungselements ders., FS Lackner, 1987, S. 113 ff.; vgl. a. Iijima, Die Entwicklung des strafrechtlichen Unrechtsbegriffs in Japan, 2004 S. 100 ff. (zur in Japan sog. „Zufallswehr“ bei fehlendem subjektiven Rechtfertigungselement).

  27. 27.

    I. S. einer solchen Vollendungslösung in der Tat etwa Köhler, AT, S. 323 f.; Hirsch, in: LK11, Vor § 32 Rn. 59 ff. (der meint, wer einen Menschen töte, versuche dies nicht nur und sei deshalb auch nicht nur wegen Versuchs zu bestrafen); vgl. a. Haft, AT9, S. 70 f.; Schmidhäuser, Studienbuch AT2, 6/24. – Anders dagegen nun Rönnau, in: LK12, Vor § 32 Rn. 90, der für eine unmittelbare Anwendung der Versuchsvorschriften plädiert; vgl. dazu a. die folgende Fn.

  28. 28.

    Für eine direkte Versuchslösung Hoyer, in: SK StGB9, Vor § 32 Rn. 80; Roxin, AT I4, § 14 Rn. 104 f. (der die Versuchsstrafbarkeit damit begründet, dass der Unrechtserfolg objektiv nicht eingetreten ist und der Handlungsunwert nur einen Versuch begründen kann); wohl auch BGHSt 38, 144, 155 f.; instruktiv dazu auch Frisch, FS Lackner, 1987, S. 113 ff., 137 ff. Für eine analoge Anwendung der Versuchsregeln Jescheck/Weigend, AT5, § 31 IV 2 (S. 330); s. a. Engländer, in: Matt/Renzikowski, Vor § 32 Rn. 8; Hoven, GA 2016, 16, 18; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder30, Vor § 32 Rn. 15; Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 417 (wonach der Erfolgsunwert durch die objektive Rechtfertigungslage kompensiert wird). In dem Beispiel des Textes bezieht sich der Versuch dann selbstverständlich auf den vermeintlich wahrgenommenen Ehemann und nicht auf den Einbrecher, sodass es sich um einen Versuch am untauglichen Objekt handelt. Näher zum Versuch unten § 8.

  29. 29.

    I. S. eines Erfordernisses des Verteidigungs- bzw. Rettungswillens z. B. Jescheck/Weigend, AT5, § 31 VI 1 (S. 328); Krey/Esser, AT6, Rn. 454 ff., 567; Rengier, AT10, § 18 Rn. 108 („Verteidigungsabsicht“). Problematisch insofern auch BGH NJW 2003, 1955, 1958 = JZ 2003, 961, 963 a. E. (m. Anm. Roxin): Verteidigungswille als Voraussetzung der Rechtfertigung neben der Kenntnis der rechtfertigenden Sachlage; ebenso etwa BGH NStZ 2016, 333 f.

  30. 30.

    Sachlich übereinstimmend etwa Engländer, in: Matt/Renzikowski, Vor § 32 Rn. 7; Frister, AT8, 14. Kap. Rn. 24 f.; Murmann, GK4, § 25 Rn. 105; Schlehofer, in: MünchKommStGB3, Vor § 32 Rn. 100 ff.; Schüler, Zweifel über das Vorliegen einer Rechtfertigungslage, S. 30 ff. – Näher zur Bedeutung des „Vorhabens“ bei so genannten „zweiaktigen Rechtfertigungsgründen“ (z. B. dem Festnahmerecht nach § 127 I StPO) Frisch, FS Lackner, 1987, S. 113, 145 ff.; vgl. auch noch unten § 7 Rn. 54 ff., 62 ff.

  31. 31.

    Zur Irrelevanz böser Hintergedanken für die Verhaltensmissbilligung schon oben § 2 Rn. 14.

  32. 32.

    Näher zu den spezifischen Erfordernissen der Bestrafung wegen Vorsatztat unten § 7 Rn. 7, 35 ff.

  33. 33.

    I. d. S. etwa auch Roxin, AT I4, § 14 Rn. 1.

  34. 34.

    Sachlich übereinstimmend etwa Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 424 f., 445.

  35. 35.

    So mit Recht Kindhäuser, AT8, § 29 Rn. 20 f.; ders., LPK7, Vor § 32 Rn. 39; Schlehofer, in: MünchKommStGB3, Vor § 32 Rn. 36 ff.; vgl. auch Hoffmann-Holland, in: MünchKommStGB3, § 22 Rn. 154 f.; Puppe, FS Otto, 2007, S. 389, 392, 393; Walter, in: LK12, Vor § 13 Rn. 158. Zur Gegenauffassung s. etwa Hirsch, in: LK11, Vor § 32 Rn. 8; dens., Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen, 1960; Rönnau, in: LK12, Vor § 32 Rn. 5 ff., insb. 11 ff.; Jescheck/Weigend, AT5, § 31 I 2 (S. 324).

  36. 36.

    Sogar für das Recht der Maßregeln der Besserung und Sicherung (vgl. dazu oben § 1 Rn. 65 f.) ergibt die Differenzierung keinen Sinn. Denn bei gerechtfertigter Tat ist eine Maßregel allemal genauso ausgeschlossen wie bei fehlender Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens.

  37. 37.

    S. dazu unten § 4 Rn. 43 f. das Beispiel des auf ein Kind gehetzten Nachbarshundes, der sodann unter den Voraussetzungen der gerechtfertigten Defensivnotstandshilfe erschossen wird. S. dort auch zur actio illicita in causa.

  38. 38.

    Zur Legitimation von Verhaltensnormen näher oben § 1 Rn. 50 ff., § 2 Rn. 11 ff.

  39. 39.

    S. dazu oben (§ 3) Rn. 11 ff.

  40. 40.

    Näher dazu Freund, GA 1991, 387, 409 m. w. N. Zur Rechtswidrigkeit als relativem (funktionsbestimmtem) Rechtsbegriff s. a. Günther, FS Spendel, 1992, S. 189 ff.; gegen eine Duldungspflicht-Automatik bereits zutreffend Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 424 f.

  41. 41.

    I. d. S. aber etwa Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 191; s. a. Haft, AT9, S. 69 f.; Roxin, AT I4, § 14 Rn. 107 ff. (immerhin mit Ausnahmen etwa bei §§ 34, 193 bzw. bei mutmaßlicher Einwilligung); vorsichtiger und mit Recht differenzierend z. B. Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder30, Vor § 32 Rn. 10 ff.; vgl. a. Graul, JuS 1995, 1049 ff. m. w. N.

  42. 42.

    Vgl. dazu bereits oben (§ 3) Rn. 30; ferner unten (§ 3) Rn. 41, § 10 Rn. 60, 80.

  43. 43.

    Ein weiteres Problem der Teilnahmestrafbarkeit liegt freilich im Erfordernis der Vorsätzlichkeit der Haupttat. Indessen kann dieses Problem hier nicht näher behandelt werden. Nur soviel sei gesagt: Insoweit gibt es Grenzen des Wortlauts der Strafnorm, und der fragmentarische Charakter des Strafrechts schlägt durch. S. dazu – auch zur relativierenden Bestimmung der Rechtswidrigkeit – ergänzend unten § 4 Rn. 33, § 10 Rn. 15 ff.

  44. 44.

    Näher zu solchen Fällen unten § 4 Rn. 54 f.

  45. 45.

    Vgl. a. Freund, in: MünchKommStGB3, Vor § 13 Rn. 233; zur Strafbarkeitsfigur der mittelbaren Täterschaft noch näher unten § 10 Rn. 1 ff., 53 ff., 78 ff.

  46. 46.

    Instruktiv zur Bedeutung des § 160 Hruschka, JZ 1967, 210 ff.; zur Reform der Strafrahmen vgl. Freund, ZStW 109 (1997), 455, 486 f.

  47. 47.

    Die „kritische[n] Bemerkungen zum Begriff der Verhaltensnorm“ von Zaczyk, GA 2014, 73 ff. treffen lediglich einige unkritische Verwendungen des Begriffs i. S. a-personaler Konnotationen. Der Begriff der Verhaltensnorm als solcher ist dagegen durchaus sinnvoll und zur angemessenen Kennzeichnung der Sache ohne akzeptable Alternative.

  48. 48.

    I. S. einer sachgerechten Differenzierung Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft3, S. 99 ff.; s. a. dens., Der strafrechtliche Handlungsbegriff, S. 41 ff. et passim: „Schuld als Handlungsvoraussetzung“. – Für Binding, Der Gerichtssaal 76 (1910), 1, 32, war die Annahme, ein Schuldunfähiger begehe eine Straftat, ein „abscheuliches Gedankenmonstrum“; s. dazu auch Grünewald, Das vorsätzliche Tötungsdelikt, S. 208 ff.; Pawlik, FS Otto, 2007, S. 133 ff.; für Spanien s. Molina Fernández, Antijuridicidad penal y sistema del delito, Barcelona, 2001, S. 59 ff., 283 ff., 601 ff., 837 ff. et passim. – Instruktiv zum Zusammenhang zwischen Sollen und Können Engisch, Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit, S. 349 ff. – Durchaus auf der Linie der hier vertretenen personalen Straftatlehre liegt die von Lesch (Verbrechensbegriff, S. 175 ff., 205 ff., 274 f., 280; vgl. a. dens., JA 2002, 602 ff.) geforderte Revision des Verbrechensbegriffs. Nach dieser Konzeption ist der Tatbestand als Unrechtstatbestand mit dem Schuld- oder Verbrechenstatbestand identisch und bezeichnet den Inbegriff der Merkmale des Verbrechens. Die Aufspaltung in einen objektiven und in einen subjektiven Unrechtstatbestand und dessen Verselbstständigung im Verhältnis zur Schuld werden mit Recht als sachlich verfehlt erkannt.

  49. 49.

    Mit Recht i. S. einer funktionalen und differenzierenden Bestimmung der Begriffe Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 424 ff. et passim; weiterführend auch Mir Puig, FS Herzberg, 2008, S. 55 ff.

  50. 50.

    Zum Tierangriff vgl. noch im Kontext des Notstands unten (§ 3) Rn. 58, 71, 82, 84; ferner im Kontext der Notwehr unten (§ 3) Rn. 101.

  51. 51.

    Näher dazu die gleichnamige Schrift von Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, 1935; vgl. auch dens., Einführung in das juristische Denken8, S. 160 ff.; Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten in einer einheitlichen Rechtsordnung, 1978; Roxin, AT I4, § 14 Rn. 31 ff. m. w. N.

  52. 52.

    Eine nicht unerhebliche Rolle spielt vor allem die Entnahme einer Blutprobe nach § 81a StPO.

  53. 53.

    Sachlich übereinstimmend z. B. Schlehofer, in: MünchKommStGB3, Vor § 32 Rn. 237; Gropp, FS Hirsch, 1999, S. 207, 215 ff.; näher zum Ganzen unten § 6 Rn. 132 ff. – I. S. erst einer Rechtfertigung tatbestandsmäßigen Verhaltens etwa Roxin, AT I4, § 16 Rn. 115 ff. m. w. N. Eine Rechtfertigung in solchen Fällen ablehnend Fischer66, Vor § 32 Rn. 11a; Jescheck/Weigend, AT5, § 33 V (S. 365 ff.).

  54. 54.

    Vgl. dazu bereits oben § 2 Rn. 15.

  55. 55.

    Zur jüngeren Diskussion um eine Anerkennung von Grundrechten als Rechtfertigungsgründe vgl. Rönnau, in: LK12, Vor § 32 Rn. 138 f.; zur mittelbaren Wirkung von Grundrechten und zur verfassungskonformen Auslegung vgl. Hecker, in: Schönke/Schröder30, Vor § 1 Rn. 32 f.; ferner etwa OLG Jena NJW 2006, 1892 ff. (Religionsfreiheit); Valerius, JuS 2007, 1105 ff.

  56. 56.

    Näher zur Legitimation einer Verhaltensnorm oben § 1 Rn. 50 ff., § 2 Rn. 11 ff.

  57. 57.

    Zur hypothetischen Einwilligung vgl. etwa BGH JR 2004, 251 f. m. Bespr. Kuhlen, JR 2004, 227 ff.; BGH NStZ 2004, 442; BGH MedR 2008, 158 f. = BGH StV 2008, 189 f. m. Anm. Sternberg-Lieben; Duttge, FS Schroeder, 2006, S. 179 ff.; Eisele, JA 2005, 252 ff.; Gropp, FS Schroeder, 2006, S. 197 ff.; Kuhlen, JR 2004, 227 ff.; ders., JZ 2005, 713 ff.; Mitsch, JZ 2005, 279 ff. und 718; Otto, Jura 2004, 679 ff.; Puppe, GA 2003, 764 ff.; ferner etwa Bollacher/Stockburger, Jura 2006, 908, 912 ff.; Puppe, AT-Rechtsprechung3, § 11 Rn. 18 ff.; Otto, AT7, § 8 Rn. 134; Stratenwerth/Kuhlen, AT I6, § 9 Rn. 28.

  58. 58.

    Insofern sachlich übereinstimmend und das verfehlte Institut der so genannten „hypothetischen Einwilligung“ ablehnend etwa Frister, AT8, 15. Kap. Rn. 35 f. m. w. N. – In der Sache bejaht BGH MedR 2008, 158 f. mit Recht einen wesentlichen Willensmangel. Allerdings trennt der BGH die mit Blick auf diesen Willensmangel zu bejahende Frage des vom Arzt verwirklichten Verhaltensunrechts nicht angemessen von der Frage der Strafbarkeit wegen vollendeten Delikts; s. dazu sogleich im Text und in den folgenden Fn.

  59. 59.

    Näher zu diesem Problemkreis oben (§ 3) Rn. 17 ff.

  60. 60.

    Weiteres Beispiel: Wenn die Vermögensverfügung (mit Blick auf § 263) tatsächlich irrtumsbedingt war, scheidet vollendeter Betrug nicht allein deshalb aus, weil die Verfügung ohne den Irrtum (dann aber eben auf anderer Grundlage) ebenfalls vorgenommen worden wäre. Nur wenn der Irrtum des Getäuschten schon bei dessen Entscheidung für die Verfügung gar keine Rolle gespielt hat, fehlt der Erfolgssachverhalt des Betruges (vgl. dazu den „Referendarfall“ BGHSt 13, 13 ff.). – Interessant in diesem Zusammenhang auch OLG Schleswig JR 1985, 474 ff. m. Anm. Amelung/Brauer (zur Problematik der Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft, wenn bei zwangsweiser Unterbringung statt des erforderlichen Sachverständigen ein Hochstapler das Gutachten erstellt).

  61. 61.

    S. dazu bereits oben § 2 Rn. 6.

  62. 62.

    Vgl. dazu bereits oben § 2 Rn. 14, (§ 3) Rn. 21 und unten § 5 Rn. 17 i. V. m. Rn. 21.

  63. 63.

    S. dazu – z. T. auch zur sog. Staatsnotstandshilfe – etwa Erb, in: MünchKommStGB3, § 34 Rn. 59; Kühl, AT8, § 8 Rn. 26 ff.; Roxin, AT I4, § 16 Rn. 13; Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 458 f. – Zum Recht von Tieren auf Einhaltung der gesetzlichen Tierschutzbestimmungen als notstandsfähiges Rechtsgut i. S. des § 34 s. LG Magdeburg v. 11.10.2017 – 28 Ns 182/14, BeckRS 2017, 130506 (Eindringen in eine Tierzuchtanlage zur Dokumentation und Aufdeckung von Missständen); vgl. a. Herzog, JZ 2016, 190 ff. – Krit. Scheuerl/Glock, NStZ 2018, 448 ff.

  64. 64.

    Hier kollidieren nur Rechtsgüter (insbes. Leben und körperliches Wohlbefinden) des Patienten miteinander. Rechtsgüter Dritter sind nicht betroffen. Deshalb spricht man von „interner“ Kollision. – Vgl. a. AG Nordenham MedR 2008, 225 f. (nach § 34 gerechtfertigte Tetanus-Impfung eines 14-jährigen Mädchens ohne Rücksicht auf den entgegenstehenden – defizitären – Willen des Mädchens und seiner Mutter).

  65. 65.

    Mit Recht vorsichtig in dieser Hinsicht etwa Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 487 (Bedeutung des „Grundgedankens des § 34“ – zumindest in den Fällen, in denen der Rechtsgutsträger einwilligungsunfähig sei oder aus Rechtsgründen nicht zur Disposition über das gefährdete Rechtsgut in der Lage sei) m. w. N.; s. freilich auch Kühl, in: Lackner/Kühl29, Vor § 211 Rn. 7; vgl. a. Merkel, JZ 1996, 1145, 1148.

  66. 66.

    Auf die Möglichkeit des Eingreifens einer mutmaßlichen Einwilligung macht etwa Roxin, AT I4, § 16 Rn. 101, aufmerksam.

  67. 67.

    In der Sache wie hier mit Recht etwa Wessels, BT 121, Rn. 26; Frisch, in: Osaka-Symposion, S. 103, 107 ff. – BGHSt 42, 301, 304 f. lässt bei der sog. „indirekten Sterbehilfe“ offen, ob ein solches Verhalten schon nicht tatbestandsmäßig ist, und nimmt jedenfalls eine Rechtfertigung nach der Notstandsregelung des § 34 an (vgl. zu dieser Entscheidung etwa Schöch, NStZ 1997, 409 ff.); s. a. Herzberg, NJW 1996, 3043 ff.; Schöch, NStZ 1995, 153 ff.; Verrel, JZ 1996, 224 ff. – Bei Wessels/Hettinger/Engländer, BT 142, Rn. 38 wird eine gesetzliche Regelung des hier interessierenden Bereichs gefordert. Indessen ist das mit Blick auf die Fehlleistungen des Gesetzgebers der letzten Perioden (beispielsweise hat das 6. StrRG mehr Probleme geschaffen als gelöst; exemplarische Kritik bei Wessels/Hettinger, BT 131, Rn. 952: „unausgegorene Regelungen“) zumindest nicht ungefährlich und sollte nur letztes Mittel sein. Hier gibt es aber bessere Alternativen mit dem dogmatischen Instrumentarium einer angemessenen Straftatlehre.

  68. 68.

    Vgl. etwa Fischer66, § 34 Rn. 4; Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 462.

  69. 69.

    Vgl. etwa Fischer66, § 34 Rn. 7; Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 462 ff.

  70. 70.

    BGH NJW 1979, 2053 f.; vgl. dazu etwa Hirsch, JR 1980, 115 ff.; Hruschka, NJW 1980, 21 ff.; Schroeder, JuS 1980, 336 ff.

  71. 71.

    Freilich sollte gesehen werden, dass damit die Gegenwärtigkeit der Gefahr – durchaus sachgerecht – zu einer Funktion der Erforderlichkeit der Abwehrhandlung wird (Notstandslage und Notstandshandlung sind also nicht isoliert zu betrachten!). S. dazu etwa Kühl, AT8, § 8 Rn. 69 m. w. N.

  72. 72.

    Geht die Gefahr von einem Menschen aus, ist an das Eingreifen des Notwehrrechts nach § 32 als speziellerer Regelung des Interessenkollisionsproblems zu denken (vgl. dazu unten [§ 3] Rn. 86 ff.). Das Nichteingreifen des § 32 schließt jedoch rechtfertigenden Notstand nicht aus (zur Frage der Konkurrenz von Rechtfertigungsgründen vgl. unten [§ 3] Rn. 78 f.).

  73. 73.

    Allgemein anerkannt ist das freilich wohl noch nicht; näher zur Problematik der Bestimmung der Gefahr beim Notstand Kühl, in: Lackner/Kühl29, § 34 Rn. 2 m. w. N.; s. dazu auch Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 424 ff., 432 f.; Schaffstein, FS Bruns, 1978, S. 89 ff.; zur generell angemessenen Perspektivenbetrachtung der Rechtfertigungsgründe s. bereits oben (§ 3) Rn. 10 ff.

  74. 74.

    Zur Erlaubnis- bzw. Erlaubnistatbestandsirrtumsproblematik vgl. noch unten § 7 Rn. 106 ff.

  75. 75.

    S. etwa Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 468.

  76. 76.

    Zur maßgeblichen Perspektive vgl. oben (§ 3) Rn. 10 ff.

  77. 77.

    Vgl. dazu etwa Roxin, AT I4, § 16 Rn. 26 ff.; Jescheck/Weigend, AT5, § 33 IV 2 c (S. 362).

  78. 78.

    Vgl. dazu etwa Hoyer, in: SK StGB9, § 34 Rn. 39 ff., 71 ff. – Zu den für die Abwägung bedeutsamen Gesichtspunkten ausführlich Erb, in: MünchKommStGB3, § 34 Rn. 105 ff. m. w. N.

  79. 79.

    S. dazu etwa Hruschka, NJW 1980, 21 f.; Roxin, AT I4, § 16 Rn. 72: Aggressivnotstand als „Normalfall“ (zu den Ausnahmefällen des Defensivnotstands s. dens., AT I4 Rn. 72 ff.).

  80. 80.

    Nur scheinbar anders etwa Roxin, AT I4, § 16 Rn. 89 ff., der die Wesentlichkeitsklausel als Hinweis auf das Erfordernis einer zweifelsfreien und eindeutigen, aber einfachen Interessenübergewichtigkeit verstehen will, dabei jedoch die Beachtung des von ihm so genannten „Autonomieprinzips“ voraussetzt (s. dazu dens., AT I4, § 16 Rn. 46 ff.); vgl. dazu auch Jescheck/Weigend, AT5, § 33 IV 2 c (S. 362). Eine „erheblich positive“ Interessenbilanz verlangt aus den im Text genannten Gründen mit Recht Jakobs, AT2, 13/33, der (in Fn. 71a) zutreffend darauf hinweist, dass sich die zu stellenden Anforderungen danach richten, welche Momente bereits in die vorgenommene Güter- und Interessenabwägung eingestellt werden. Dementsprechend kann sich die Bedeutung der Wesentlichkeitsklausel auf eine entsprechende Klarstellung reduzieren (näher dazu auch Küper, GA 1983, 289 ff., 296 ff.).

  81. 81.

    „Den (Unglücks-)Fall spürt der Herr.“ Gemeint ist ein schon im römischen Recht vorhandenes Grundprinzip des Schadensrechts, wonach der Eigentümer einer Sache grundsätzlich ihren Verlust selbst zu tragen hat und den Schaden nur (ausnahmsweise) bei Vorliegen von Schadensüberwälzungsnormen von einem anderen ersetzt verlangen kann.

  82. 82.

    Zum Beispiel der Abwehr eines bissigen Hundes mit einem in fremdem Eigentum stehenden Stockschirm vgl. Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 442 ff. (zugleich ein Spezialfall des rechtfertigenden Aggressivnotstands nach § 904 BGB; vgl. dazu noch unten [§ 3] Rn. 82 f.).

  83. 83.

    I. d. S. mit Recht etwa Perron, in: Schönke/Schröder30, § 34 Rn. 30. – Näher zum Defensivnotstand auch Erb, in: MünchKommStGB3, § 34 Rn. 152 ff.

  84. 84.

    S. dazu etwa Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 472 m. w. N.

  85. 85.

    Näher dazu unten § 6 Rn. 132 ff.

  86. 86.

    Gegen eine eigenständige Bedeutung der Angemessenheitsklausel etwa Haft, AT9, S. 105; s. a. Perron, in: Schönke/Schröder30, § 34 Rn. 46; krit. auch Roxin, AT I4, § 16 Rn. 91 ff., der freilich in der Angemessenheitsklausel immerhin einen selbstständig bedeutsamen Hinweis auf das Erfordernis der Wahrung der Menschenwürde erblickt (Rn. 84 ff.). Nach Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 484, ist die Angemessenheitsklausel ein Regulativ zwischen freier Selbstbestimmung und dem Solidaritätsprinzip.

  87. 87.

    S. zu diesem Beispiel etwa Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 482 m. w. N.

  88. 88.

    Beispiel nach Gallas, FS Mezger, 1954, S. 311, 325 f.; näher dazu Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 484 ff.; s. a. Erb, in: MünchKommStGB3, § 34 Rn. 199 ff.; Perron, in: Schönke/Schröder30, § 34 Rn. 41e (die insoweit nicht auf die Angemessenheitsklausel Bezug nehmen, aber dennoch zur Ablehnung einer Rechtfertigung gelangen); a. A. zum Fall der erzwungenen Blutspende aber etwa Roxin, AT I4, § 16 Rn. 49.

  89. 89.

    Instruktiv dazu Jakobs, AT2, 13/36 ff. m. w. N. – Zur möglichen Sperrwirkung rechtlich geordneter Verfahren vgl. Erb, in: MünchKommStGB3, § 34 Rn. 190 ff. – S. a. BGH NStZ 2018, 226 f. (Zur Rechtfertigung von BtM-Anbau zur Selbstmedikation): § 34 sei im Grundsatz wegen der abschließenden Regelungen des BtMG gesperrt und auch die Genehmigungsfähigkeit sei irrelevant.

  90. 90.

    Vgl. dazu auch das Beispiel des zerstörten Schirms bei Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 442; in derartigen Fällen ist nicht selten auch an eine rechtfertigende mutmaßliche Einwilligung zu denken.

  91. 91.

    § 227 BGB ist etwas weiter, denn diese Regelung erfasst jede Handlung, die durch Notwehr geboten ist (nicht nur „Taten“ i. S. des Strafrechts; vgl. § 11 I Nr. 5).

  92. 92.

    I. S. einer dualistischen Notwehrkonzeption etwa BGHSt 24, 356, 359; s. a. Haft, AT9, S. 84; Jescheck/Weigend, AT5, § 32 I 2 (S. 337); Kühl, AT8, § 7 Rn. 6 ff.; Roxin, AT I4, § 15 Rn. 1 ff.; Otto, AT7, § 8 Rn. 17; Schüler, Zweifel über das Vorliegen einer Rechtfertigungslage, S. 133 f. Eingehende Kritik der dualistischen Konzeption bei Renzikowski, Notstand und Notwehr, S. 76 ff.; s. a. Retzko, Die Angriffsverursachung bei der Notwehr, S. 113 ff. – Zu den monistischen Notwehrkonzeptionen s. sogleich im Text.

  93. 93.

    I. S. einer monistisch-überindividuellen Notwehrkonzeption etwa Schmidhäuser, Studienbuch AT2, 6/51; ders., GA 1991, 97 ff.

  94. 94.

    I. S. einer monistisch-individualrechtlichen Notwehrkonzeption etwa Erb, in: MünchKommStGB3, § 32 Rn. 18; Frister, GA 1988, 291, 301 ff.; Hoyer, in: SK StGB9, § 32 Rn. 5 f.; Haas, Kausalität und Rechtsverletzung, S. 98 ff., 101 (Durchsetzung des subjektiven Rechts des Betroffenen); Mitsch, JA 1989, 79, 84; Wagner, Individualistische oder überindividualistische Notwehrbegründung, S. 29 ff.; vgl. a. Hruschka, AT2, S. 137; Kioupis, Notwehr und Einwilligung – Eine individualistische Begründung, 1992; Seeberg, Aufgedrängte Nothilfe, Notwehr und Notwehrexzess, S. 66 ff.; ferner Kargl, ZStW 110 (1998), 38 ff. mit einem von ihm so genannten „intersubjektiven“ Notwehrkonzept. – Unter dem Blickwinkel der Nothilfe instruktiv zur Ratio der Notwehr auch Kuhlen, GA 2008, 282 ff.

  95. 95.

    Vgl. etwa die Einwände bei Kühl, AT8, § 7 Rn. 16 ff.

  96. 96.

    I. d. S. etwa auch Mitsch, JA 1989, 79, 84; Frister, GA 1988, 291, 302; vgl. auch Frisch, FS Yamanaka, 2017, S. 49, 65, 66; Greco, GA 2018, 665, 676, 678 f.

  97. 97.

    Vgl. etwa Bringewat, Grundbegriffe3, Rn. 445; Perron/Eisele, in: Schönke/Schröder30, § 32 Rn. 3; Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 494.

  98. 98.

    Näher zu diesem umstrittenen Fragenkreis etwa Erb, in: MünchKommStGB3, § 32 Rn. 100. – Vgl. hierzu auch das spezielle Widerstandsrecht des Art. 20 IV GG; s. dazu etwa Hirsch, in: LK11, Vor § 32 Rn. 83; Rönnau, in: LK12, Vor § 32 Rn. 128 ff. – Die Frage, ob ein Tier ein „anderer“ i. S. des § 32 ist, bejahend etwa Herzog, JZ 2016, 190, 195; Roxin, AT I4, § 15 Rn. 34; abl. Erb, in: MünchKommStGB3, § 32 Rn. 100 m. w. N. pro et contra.

  99. 99.

    Etwas anderes gilt, wenn das Tier von einem Menschen gehetzt wird und gleichsam als dessen verlängerter Arm fungiert. Dies ist als Angriff des Menschen zu werten, der das Tier als Mittel hierzu einsetzt. – Weitergehend freilich Spendel, in: LK11, § 32 Rn. 38 ff.; wie hier dagegen nun Rönnau/Hohn, in: LK12, § 32 Rn. 99.

  100. 100.

    Im Ergebnis wie hier etwa auch Roxin, AT I4, § 15 Rn. 6 und 8 (der allerdings mit dem fehlenden Rechtsbewährungsinteresse argumentiert).

  101. 101.

    Sachlich übereinstimmend z. B. Grünewald, Das vorsätzliche Tötungsdelikt, S. 231 f.; Hoyer, JuS 1988, 89, 95 f.; ders., in: SK StGB9, § 32 Rn. 11 f.; Jakobs, AT2, 12/16 f.; Pawlik, Jura 2002, 26, 28 f.; s. a. Frister, GA 1988, 291, 305 ff.; Hruschka, AT2, S. 140 ff.; Otto, AT7, § 8 Rn. 20 f. (der allerdings mit der fehlenden Infragestellung der Rechtsordnung argumentiert); Renzikowski, Notstand und Notwehr, S. 283 ff.; Schmidhäuser, GA 1991, 97, 127 ff. – Anders etwa Roxin, AT I4, § 15 Rn. 10 (der über den Wortlaut argumentiert und meint, § 32 setze nur einen rechtswidrigen und keinen schuldhaften Angriff voraus); Jescheck/Weigend, AT5, § 32 II 1 a (S. 338) und Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 494 fordern lediglich Handlungsqualität; ebenso Bringewat, Grundbegriffe3, Rn. 445; vgl. a. Rönnau/Hohn, in: LK12, § 32 Rn. 100. – Dagegen will Spendel, in: LK11, § 32 Rn. 23 ff., den Angriff „rein objektiv“ bestimmen und fasst selbst Reflexbewegungen und Bewegungen im Schlaf als Angriff auf.

  102. 102.

    Vgl. dazu noch unten (§ 3) Rn. 115 ff.

  103. 103.

    S. etwa Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 498; Kühl, AT8, § 7 Rn. 39 ff., jew. m. w. N. – Zum unmittelbar bevorstehenden Angriff als „Handlung, die dem Versuchsbeginn unmittelbar vorgelagert ist“ vgl. BGH NStZ 2018, 84.

  104. 104.

    I. d. S. etwa auch Bottke, JR 1986, 292, 293; Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S. 84; Roxin, GS Zong Uk Tjong, 1985, S. 137, 141.

    Nach Duden, Band 1, ist Angriff die Eröffnung eines Kampfes. Noch deutlicher wird das Ergebnis, wenn man die Herkunft des Wortes „Angriff“ untersucht: Es stammt von dem mittelhochdeutschen Wort „an[e]grif“ und dem althochdeutschenWort „anagrif“ ab, welche soviel wie „Berührung, Anfassen, Umarmung“ bedeuteten; vgl. hierzu: Duden, Herkunftswörterbuch.

  105. 105.

    I. d. S. etwa auch Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S. 88.

  106. 106.

    Vgl. BGHSt 48, 207, 209 („Erpressungs-Fall“; ausführlicher abgedruckt in JZ 2003, 961 m. Anm. Roxin).

  107. 107.

    S. freilich etwa auch Jescheck/Weigend, AT5, § 32 II 1 c (S. 341); näher zu dieser Streitfrage Erb, in: MünchKommStGB3, § 32 Rn. 36 ff.; Roxin, AT I4, § 15 Rn. 14 ff. m. w. N.

  108. 108.

    Vgl. dazu schon oben (§ 3) Rn. 102 f.

  109. 109.

    So etwa Jescheck/Weigend, AT5, § 32 II 1 c (S. 341) m. w. N.; Notwehr soll danach sogar gegen Personen zugelassen sein, die sich nicht sorgfaltswidrig verhalten (das Notwehrrecht wird lediglich in seiner Ausübung sozialethisch einschränkt).

  110. 110.

    Vgl. dazu nur Jescheck/Weigend, AT5, § 32 II 1 c (S. 341); zu den Notwehreinschränkungen mit Beispielen noch näher unten (§ 3) Rn. 115 ff.

  111. 111.

    S. dazu im grundsätzlichen Zusammenhang oben § 2 Rn. 28 ff. und (§ 3) Rn. 10 ff.

  112. 112.

    Problematisch insofern etwa BGH NJW 2003, 1955, 1958 = JZ 2003, 961, 963 a. E. (m. Anm. Roxin) (Verteidigungswille als Voraussetzung der Rechtfertigung neben der Kenntnis der rechtfertigenden Sachlage). – S. allgemein zur Irrelevanz von Gesinnungen für die strafrechtliche Bewertung Timm, Gesinnung und Straftat; dies., JR 2014, 141, 143 ff.

  113. 113.

    S. dazu statt vieler Jäger, Repetitorium AT8, Rn. 118; Jescheck/Weigend, AT5, § 32 II 2 (S. 343 f.); Kühl, in: Lackner/Kühl29, § 32 Rn. 8; Roxin, AT I4, § 15 Rn. 49; vgl. a. BGH GA 1956, 49 f.

  114. 114.

    Anders – aber aus den im Text sogleich genannten Gründen nicht überzeugend – Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 518, wo Derartiges verlangt wird, sofern dies nicht als generelle Preisgabe des Rechtsguts interpretierbar sei.

  115. 115.

    Zur Verneinung einer Ausweichpflicht s. etwa Roxin, AT I4, § 15 Rn. 49 (der mit dem Wortlaut argumentiert, wonach Weglaufen keine Abwehr sei; außerdem sei eine Ausweichpflicht mit dem Gedanken der Rechtsbewährung nicht vereinbar); s. dazu ergänzend Perron/Eisele, in: Schönke/Schröder30, § 32 Rn. 40 m. w. N.

  116. 116.

    Im Ergebnis ebenso etwa Roxin, AT I4, § 15 Rn. 50.

  117. 117.

    Zum Fall eines scharf abgerichteten Wachhundes, der einen harmlosen Passanten verletzt, weil Unbefugte eine Entweichungsmöglichkeit geschaffen haben, s. OLG Düsseldorf JR 1994, 372 f. m. krit. Anm. Brammsen.

  118. 118.

    I. d. S. etwa auch Roxin, AT I4, § 15 Rn. 51. – In der hier interessierenden Hinsicht bedeutsam ist auch der Fall der als „Echter Hiekes Bayerwaldbärwurz“ getarnten und für Einbrecher bestimmten Giftflasche. In der Entscheidung des BGH (NJW 1997, 3453 f.) wird die Rechtfertigungsfrage allerdings vollkommen übergangen. Die fehlende Rechtfertigung wird vielmehr als selbstverständlich vorausgesetzt. Lediglich das Problem des Überschreitens der Versuchsschwelle zum Tötungsdelikt wird thematisiert (s. dazu noch unten § 8 Rn. 41 ff.). – Zur antizipierten Notwehr s. ergänzend Müssig, Antizipierte Notwehr, ZStW 115 (2003), 224 ff.

  119. 119.

    Sachlich übereinstimmend etwa Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 511 („An die Effektivität der Abwehr dürfen nur minimale Anforderungen gestellt werden, um auch unterlegenen Angegriffenen das Notwehrrecht nicht zu nehmen.“); s. a. Warda, GA 1996, 405 ff.; krit. freilich Alwart, JuS 1996, 953 ff.

  120. 120.

    Notwehreinschränkungen insgesamt – unter anderem mit Hinweis auf Art. 103 II GG – ablehnend Spendel, in: LK11, § 32 Rn. 307 ff.; s. a. Langer, Sonderstraftat, S. 103 ff.; abwägend dagegen Rönnau/Hohn, in: LK12, § 32 Rn. 225 ff., die nur betonen, dass „beim Einsatz der Notwehreinschränkungen jedenfalls große Zurückhaltung geübt werden (muss).“ – Näher zur Problematik der Einschränkungen der Verteidigungsbefugnis bei der Nothilfe Kuhlen, GA 2008, 282 ff.

  121. 121.

    Vergleiche etwa Erb, in: MünchKommStGB3, § 32 Rn. 209 ff.; Jescheck/Weigend, AT5, § 32 III 3 a (S. 345); Roxin, AT I4, § 15 Rn. 61 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 542 ff. (jew. mit Argumentation über das fehlende Interesse an der Bewährung der Rechtsordnung).

  122. 122.

    Im Ergebnis so etwa auch Roxin, AT I4, § 15 Rn. 62: Hinnahme des Risikos „leichterer Beeinträchtigungen (etwa einiger Schläge)“.

  123. 123.

    Im Ergebnis wie hier (wenngleich mit Argumentation über den nicht hinreichenden Angriff auf die empirische Geltung der Rechtsordnung) Schmidhäuser, Studienbuch AT2, 6/65.

  124. 124.

    Vgl. dazu oben (§ 3) Rn. 73 f.

  125. 125.

    Sachlich übereinstimmend etwa Roxin, AT I4, § 15 Rn. 65 und 71; BGHSt 27, 336: „Ein sozialethisch nicht zu missbilligendes Vorverhalten des Angegriffenen kann auch nicht zu einer Einschränkung seiner Notwehrbefugnisse führen.“ – Zur Problematik des (rechtlich) zu missbilligenden Vorverhaltens vgl. etwa BGHSt 42, 97, 101 m. krit. Anm. Krack, JR 1996, 468 ff.; ferner Frisch, FS Yamanaka, 2017, S. 49, 67 f.

  126. 126.

    Vgl. etwa BGHSt 42, 97, 101 („Zugfenster-Fall“; krit. dazu Roxin, AT I4, § 15 Rn. 72).

  127. 127.

    Falls eine solche Einschränkung im Einzelfall nicht begründbar sein sollte, ist an eine strafrechtliche Verantwortlichkeit unter dem Aspekt des Vorverhaltens zu denken (actio illicita in causa); näher dazu unten § 4 Rn. 34 ff., 43 f.

  128. 128.

    Auf den Rechtsmissbrauchsgedanken wird etwa abgestellt von Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 520, 534.

  129. 129.

    Vgl. dazu etwa Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 524 m. w. N. Zur Vereinbarkeit einer solchen Einschränkung mit dem nullum crimen-Satz s. das unten (§ 3) Rn. 131 f. zur rechtstechnischen Einordnung Gesagte.

  130. 130.

    S. etwa Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 524; ferner Roxin, AT I4, § 15 Rn. 84 (keine tödlichen Schüsse bei bagatellhaftem Diebstahl).

  131. 131.

    S. dazu etwa Roxin, AT I4, § 15 Rn. 93: geringeres Rechtsbewährungsinteresse; Wessels/Beulke/Satzger, AT48, Rn. 531 (der auf das Spannungsverhältnis zwischen Selbstverteidigungsrecht und Garantenstellung hinweist); Schmidhäuser, Studienbuch AT2, 6/66: „Man schlägt sich und verträgt sich auch wieder“. – Aus der Rechtsprechung vgl. dazu BGH NJW 1975, 62 f.; freilich auch BGH NJW 1984, 986 f.; NStZ 1994, 581 f.

  132. 132.

    Wie hier Wohlers, JZ 1999, 434, 442.

  133. 133.

    Anders etwa Spendel, in: LK11, § 32 Rn. 255 f., der meint, „geboten“ sei identisch mit „erforderlich“ und werde nur aus sprachlichen Gründen verwendet; zweifelnd auch Rönnau/Hohn, in: LK12, § 32 Rn. 228, die meinen, dass „geboten“ nach unbefangenem Sprachverständnis eine Umschreibung der „Erforderlichkeit der Verteidigung“ sei. Zu problematischen Tendenzen, bereits die Erforderlichkeitsbeurteilung normativ – etwa mit Verhältnismäßigkeitsüberlegungen – „aufzuladen“, vgl. Lilie, FS Hirsch, 1999, S. 277 ff. Weiterführend zur Frage der gesetzestechnischen Verortung von Notwehreinschränkungen Krey/Esser, AT6, Rn. 528; Kühl, AT8, § 7 Rn. 162 ff.; Sowada, FS Herzberg, 2008, S. 459, 465 ff., jew. m. w. N.

  134. 134.

    Vgl. dazu oben (§ 3) Rn. 84 f.

  135. 135.

    S. dazu bereits oben (§ 3) Rn. 102.

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Freund, G., Rostalski, F. (2019). § 3 Fehlende Rechtfertigung tatbestandsmäßigen Verhaltens. In: Strafrecht Allgemeiner Teil. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-59030-0_3

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