Zusammenfassung
Voraussichtlich 12 Mrd. Menschen werden wir sein. Wollen wir in dieser Zahl friedlich miteinander und mit der Erde koexistieren, müssen wir die Art und Weise, wie wir die Welt gestalten, radikal neu denken. Dazu reicht es nicht, die richtigen Ziele zu haben oder neue Methoden auszuprobieren. Wir müssen das Paradigma ändern, das die Grundlage unseres Denkens, Handelns und Gestaltens in der Welt ist. Dazu benötigen wir Ansätze, die uns jenseits von Instrumentalisierung und Objektivierung führen. In einem ersten Schritt müssen wir unser grundlegendes Weltverständnis, unsere Ontologie, radikal neu konzipieren, indem wir den Subjekt-Objekt-Dualismus, der momentan unser Denken prägt, durch ein Modell von Feldern und Prozessen ersetzen. In einem zweiten Schritt benötigen wir ein Verständnis davon, wie zwischen Menschen, Dingen, Orten und Geschichten Beziehung, Verbundenheit und Kommunikation entsteht. Diese Kommunikation aus Verbundenheit im Prozess ermöglicht erst kokreatives Gestalten. Die Grundlage dafür ist Resonanz. Resonanz ist nicht sprachliche Kommunikation zwischen Kräften im Feld. Nun ist Gestaltung nicht mehr der zweckrationale, funktionalistische Zugriff eines allmächtigen Subjekts, sondern Resultat eines lebendigen kokreativen Prozesses. Die Hoffnung dieses Textes, die sich auf 20 Jahre Erfahrung mit kokreativen Gestaltungs- und Transformationsprozessen des Autors begründet, liegt darin, dass eine Kulturtechnik der Kokreation eine Basis für eine lebendige Zukunft schafft.
Unsere Beziehung zur Welt prägt, wie wir die Welten, in denen wir Leben und Arbeiten wollen, gestalten.
Jascha Rohr Oldenburg, Huntlosen; 10.12.2017.
Meine These ist, dass es im Leben auf die Qualität der Weltbeziehung ankommt, das heißt, auf die Art und Weise, in der wir als Subjekte Welt erfahren und in der wir zur Welt Stellung nehmen; auf die Qualität der Weltaneignung
(Rosa 2016) S. 19.
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In der berühmten Nacherzählung der Odysseus-Sage muss sich der Held selbst als Objekt überwinden und instrumentalisieren, indem er sich an den Mast seines Schiffes fesseln lässt, um den Sängen der Sirenen widerstehen zu können.
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Wir verstehen den Begriff der Partizipateure als eine Weiterentwicklung des Akteurbegriffs wie er in Akteur-Netzwerk-Theorien verwendet wird. Im Begriff Akteur*in steckt immer noch die Aktivität, die diesen Begriff verwechselbar mit dem Subjektbegriff macht. Wir halten es für sinnvoller, die Teilhabe als ontologisches Unterscheidungskriterium einzuführen und daher von Partizipateuren zu sprechen, wenn wir ontische Entitäten meinen, die innerhalb eines Feldes durch Teilhabe wirken (während Partizipant*innen oder Partizipierende teilhabende Menschen sind, zum Beispiel an einer Veranstaltung oder einem politischen System). Wir haben uns bewusst entschieden, diesen Begriff nicht zu gendern, da es eine Eigenkreation ist, die in sich schon umfassender sein soll als die binäre Zuschreibung von Menschen, Tieren, etc.
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Laloux spricht in Reinventing Organizations von der Ganzheit in Beziehungen zu anderen, dem Leben und der Natur. Begriffe wie Ganzheit und Natur sind jedoch auch schon Teil einer performativen Sprachpraxis innerhalb eines Paradigmas und können in die Irre führen, wenn wir danach fragen, wie sich diese Beziehungen etablieren. Mir geht es daher darum, ein Modell zu entwickeln, das präziser zum Ausdruck bringt, worin die Qualität und Dynamik dieser Beziehungen eigentlich liegt (Laloux 2014).
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Ich benutze den Kompetenzbegriff in der Definition von Bruno Latour, nach dem sich ein*e Akteur*in durch die Liste seiner*ihrer Wirkungen zeigt, die, wenn sie erkannt und systematisiert sind, sich als Kompetenzen bezeichnen lassen. Vgl. Latour, Bruno (2001): Das Parlament der Dinge: für eine politische Ökologie. Politiques de la nature. Frankfurt am Main: Suhrkamp, Frankfurt am Main. S. 376.
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Mit Bezug auf Graves integraler Theorie der Spiral Dynamics halte ich in diesem Sinne daher auch wenig davon, Rationalität wie das Kind mit dem Bade auszuschütten. Während wir nach der integralen Theorie im grünen Mem uns zwar von der Vorherrschaft der reinen Rationalität abwenden und sie mit einem vernetzenden ökologischen Verstehen ersetzen, so kann und muss Rationalität im Second Tier, also in den gelben und türkisen Memen, doch wieder als ein mächtiger Modus und eine wichtige Qualität integraler Weltbeziehungen verstanden und anerkannt werden.
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Die Geschichte von der Entdeckung des Benzolrings durch August Kekulé, in der er den Ring im Traum als Schlange sah, die sich in den Schwanz biss, ist nur eine berühmte Wissenschaftsanekdote, die zeigt, dass wissenschaftliche Rationalität mehr ist als das algorithmische Abarbeiten von Formeln.
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Bill Mollison ist neben David Holmgren Entwickler der Permakultur und erhielt dafür 1984 den Right Livelihood Award. Die Aussage traf er während eines Filminterviews auf der Internationalen Permakulturkonferenz 2008 in Motovun.
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„Der Terminus Kollektiv ersetzt, daran sei nochmals erinnert, die alten asymmetrischen Begriffe Gesellschaft oder Kultur. Gesellschaft (oder Kultur) ist die eine Hälfte eines einheitlichen Begriffs, die andere ist Natur.“ S. 257.
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„Die Umstände auszuhalten verlangt von uns, dass wir Verwandschaft mit dem anderen schließen, das heißt, wir benötigen einander in unerwarteten Kombinationen und Konstellation der Zusammenarbeit wie in heißen Komposthaufen. Wir entwickeln uns und werden miteinander oder überhaupt nicht“ (Übersetzung Jascha Rohr).
Literatur
Haraway DJ (2016) Staying with the trouble. Making kin in the Chthulucene. Duke University Press, Durham
Haraway DJ, Hammer C, Haraway D (1995) Die Neuerfindung der Natur: Primaten, Cyborgs und Frauen. Campus, Frankfurt a. M.
Horkheimer Max, Adorno Theodor W (1969) Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Fischer, Frankfurt a. M.
Laloux Frederic (2014) Reinventing Organizations. Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. Vahlen, München
Latour Bruno (2001) Das Parlament der Dinge: für eine politische Ökologie. Politiques de la nature. Suhrkamp, Frankfurt a. M.
Latour Bruno (2017) Kampf um Gaia: Acht Vorträge über das neue Klimaregime. Suhrkamp, Berlin
Lewin Kurt (2012) Feldtheorie in den Sozialwissenschaften: ausgewählte theoretische Schriften. Field theory in social sciences. Huber, Bern
Rosa Hartmut (2016) Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung. Suhrkamp, Berlin
Serres Michel (1994) Der Naturvertrag. Suhrkamp, Frankfurt a. M.
Wikipedia (2017) Resonanz (Luhmann). https://de.wikipedia.org/wiki/Resonanz_(Luhmann. Zugegriffen: 6. Nov. 2017
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Rohr, J. (2019). Resonanz: Kommunikation jenseits der Sprache. In: Parnow, H., Schmidt, P. (eds) Zusammen arbeiten, Zusammen wachsen, Zusammen leben. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-58965-6_9
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