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In der Altenpolitik und -arbeit – nicht nur in Deutschland, sondern auch auf EU Ebene – gibt es das Leitbild des aktiven Alter(n)s („Active Ageing“). Darunter versteht man, einer WHO-Definition von 2002 folgend, „ den Prozess der Optimierung der Möglichkeiten von Menschen, im zunehmenden Alter ihre Gesundheit zu wahren, am Leben ihrer sozialen Umgebung teilzunehmen und ihre persönliche Sicherheit zu gewährleisten, und derart ihre Lebensqualität zu verbessern“. Der Beitrag stellt dieses Leitbild vor und gibt einen Überblick über praktische Umsetzungs- und Anwendungsmöglichkeiten und -barrieren sowie über damit verbundene Herausforderungen. Dabei wird auf zentrale Ergebnisse des zwischen 2013 und 2017 europaweit durchgeführten Forschungsvorhabens MoPAcT („Mobilising the potential of active ageing in Europe“) rekurriert. Welche Anforderungen ergeben sich vor dem Hintergrund einer weiteren Verbreiterung des Konzepts für die berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung und welche Qualifikationsbedarfe gibt es? Dabei wird ein Fokus auf den Bereich der Gesundheits- und Pflegewirtschaft gelegt, wo das Konzept bislang erst wenig verbreitet ist. Allerdings ergeben sich im Zusammenhang mit der neuen Debatte über „gleichwerte Lebensverhältnisse“ konkrete Anknüpfungspunkte für konzeptionelle Vorarbeiten, auf die abschließend eingegangen wird.
In the policy and care for the elderly – not only in Germany, but also at EU level – there is a guiding principle: that of active ageing. According to a 2002 WHO definition, active ageing means “the process of optimising people’s ability to preserve their health in old age, to participate in the life of their social environment and to ensure their personal security, and thus to improve their quality of life”. The article presents this guiding principle and provides an overview of chances and barriers to practical implementation and application as well as associated challenges. The paper refers to key results of the research project MoPAcT (“Mobilising the potential of active ageing in Europe”), which was carried out between 2013 and 2017. Which requirements arise against the background of a further broadening of the concept for initial and continuing vocational training and which qualifications are necessary? The focus will be on the health and care sector, where the concept has not been widely used to date. However, in connection with the new debate on “equal living conditions” there are concrete starting points for conceptual preparatory work, which will be dealt with in the conclusion to this article.
1 „Active Ageing“ – ein Leitbild und seine Ambitionen
Dieser Beitrag greift die Debatte um zukünftige Qualifikationsherausforderungen im Bereich der Altenhilfe und Altenpflege auf. Im Mittelpunkt stehen die Diskussionen und Forschungen zur Zukunft der alternden Gesellschaft oder – präziser – einer Gesellschaft des langen Lebens, den damit verbundenen Herausforderungen sowie den jeweiligen Anforderungen an berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung. Dabei klammern wir explizit die altersmedizinische, also geriatrische Versorgung aus, da dies den hier gebotenen Rahmen sprengen würde, und konzentrieren uns mehr auf die lebensweltlichen Herausforderungen jenseits der geriatrischen Versorgung. Dies hat zur Konsequenz, dass es uns auch nicht nur um die Zukunft von Altenhilfe und -pflege im engeren Sinne geht, sondern auch um absehbare Qualifikationsbedarfe in den übrigen sozialpolitisch relevanten Gestaltungsbereichen einer alternden Gesellschaft bzw. einer Gesellschaft des langen Lebens , neben und jenseits von Altenhilfe und -pflege. Den folgenden Analysen liegt das Leitbild des „aktiven Alterns “ („Active Ageing“) zugrunde, das etwa seit der Jahrtausendwende u. a. von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), den Vereinten Nationen oder auch der Europäischen Union propagiert wird:
Unter aktiv Altern versteht man den Prozess der Optimierung der Möglichkeiten von Menschen, im zunehmenden Alter ihre Gesundheit zu wahren, am Leben ihrer sozialen Umgebung teilzunehmen und ihre persönliche Sicherheit zu gewährleisten, und derart ihre Lebensqualität zu verbessern (WHO 2002, S. 12).
In diesem LeitbildFootnote 1 steckt nicht mehr und nicht weniger als der Anspruch, aus dem Altern der Gesellschaft mehr zu machen als einen intergenerationellen Versorgungsauftrag mit auskömmlichen Alterseinkommen, einer sichereren (Wohn-)Unterbringung und einer gesundheitlich und pflegerisch ausreichenden Unterstützung. Angestrebt wird darüber hinaus die praktisch-politische Umsetzung einer Chance der alternden Gesellschaft: die wachsende Langlebigkeit und den daraus resultierenden Anteil älterer Menschen für einen signifikanten Entwicklungsschub für mehr Lebensqualität und eine reichere Entfaltung der gesellschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten des Alters zu nutzen. Active Ageing zu fördern gilt heute als die wichtigste Botschaft, wenn es darum geht, politisch und gesellschaftlich sicherzustellen, „that the future of ageing in Europe is transformed into a highly beneficial one for both citizens and societies“ (Walker 2019).
Ein Teil der Autoren dieses Beitrags hatte die Chance, zwischen 2012 und 2017 unter dem Dach des Europäischen Forschungsförderungsprogramms an dem europaweit ausgelegten Forschungsverbundprojekt „Mobilising the Potential of Active Ageing in Europe (MoPAcT)“ mitzuwirken, an dem insgesamt 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 32 Forschungseinrichtungen in 13 Ländern beteiligt waren. Die Erkenntnisse aus diesem außergewöhnlich großen und ambitionierten Forschungsprojekt liegen mittlerweile im Detail im NetzFootnote 2 wie auch in Buchform kondensiert vor (Walker 2019). Sie bilden den Erkenntnisrahmen für einen vertiefenden Blick in zentrale Gestaltungsbereiche und dabei auch in ihre jeweiligen Gestaltungsanforderungen und -möglichkeiten. Auf dieser Basis können dann Orientierungen und Anforderungen im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung von zukünftiger Beschäftigung in alternsbezogenen, d. h. gerontologienahen, beruflich-professionellen Einsatzfeldern erörtert werden.
2 „Active Ageing“: Ein zukunftstaugliches Leitbild in der Bewährungsherausforderung
Active Ageing ist eine „konkrete Utopie“ (im Sinne des Philosophen Ernst Bloch (1985)), womit ein „guter“ und (weitgehend) konsensfähiger Zukunftsentwurf gemeint ist, der keine Träumerei, sondern machbar ist, allerdings nicht ohne massive Anstrengungen auf vielen Ebenen, individuell, gesellschaftlich und politisch. Eine Grundlage für einen solch optimistischen Zugang zur Zukunft von Gesellschaften des langen Lebens liefert die moderne Biogerontologie (Walker 2019; Giefing-Kröll und Grubeck-Löwenstein 2019). Dennoch gilt: Im lebenslangen Prozess des Alterns entscheidet nicht nur die Natur, sondern vor allem die Gesellschaft, ob ein „gutes“ Altern gelingen kann. Es gilt als hinreichend belegt, dass verhältnis- und verhaltensbezogene Faktoren einen deutlich stärker ausgeprägten Einfluss auf die Entwicklungsmöglichkeiten im Alter haben als genetisch-biologische Dispositionen. Letztere bestimmen nur circa 20 bis 25 % der Entwicklungspotenziale im Alter(n) (Giefing-Kröll und Grubeck-Löwenstein 2019, S. 202). Die große Mehrheit hingegen wird durch gesellschaftliche, wirtschaftliche und sozial-kommunikative Faktoren geprägt und kann somit auch durch Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Gemeinschaft beeinflusst werden.
Über die Grundbedingungen und Orientierungen einer „guten Gestaltung“ des Lebens in alternden Gesellschaften bzw. in Gesellschaften des langen Lebens nach dem Leitbild des aktiven Alterns ist viel bekannt, so u. a. auch die Erkenntnisse aus dem MoPAcT-Projekt. Hervorzuheben sind vor allem folgende Aspekte:
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Es genügt nicht, dem Leben lediglich mehr Jahre zu geben – diese zusätzlichen Jahre sollen auch mehr (Er-)Leben bekommen und möglichst gesund sein. Dies gelingt in den verschiedenen Ländern Europas unterschiedlich. Die sozialen wie regionalen Unterschiede in den Dimensionen „Live Expectancy“ und „Healthy Life Expectancy“ sind beachtlich und insbesondere in der Slowakei, in Estland, in Italien und in Deutschland (!) besonders ausgeprägt (Walker und Zaidi 2019; Giefing-Kröll und Grubeck-Löwenstein 2019). Nicht nur, aber insbesondere in diesen Ländern sind deshalb zusätzliche Anstrengungen zur Gesundheitsförderung erforderlich. Im Fokus sollten dabei vor allem Gesundheitsförderung und -management in der Arbeit, die Vermeidung chronischer Erkrankungen sowie Maßnahmen zur Verhinderung bzw. zur Reduzierung von Langzeitpflegebedarf stehen.
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Der Auf- und Ausbau einer „alter(n)sgerechten“ Infrastruktur – von Wohnen über Wohnumfeld, Mobilität bis hin zu Informations- und Kommunikationsservices – kann in erheblichem Maße mit dazu beitragen, die Selbstverwirklichungs- und Teilhabemöglichkeiten, aber auch Produktivpotenziale Älterer zu aktivieren und zu stärken (Merkel et al. 2019).
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Die wirtschaftliche Nachhaltigkeit alternder Gesellschaften zu erhalten ist möglich, hängt aber ganz wesentlich davon ab, ob und wie es gelingt, die Arbeitsgesellschaft auf eine steigende Lebenserwartung hin auszurichten und dies idealerweise mit einer sozial vertretbaren Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu konzertieren sowie durch eine erfolgreiche Qualifikations- (im Sinne von „lebenslangem Lernen “) und Gesundheitsförderung (im Sinne von „Healthy Ageing “) in der Arbeit zu fundieren, d. h. die „Beschäftigungsfähigkeit“ einer ebenfalls alternden Erwerbsbevölkerung möglichst für viele so lange wie möglich sicherzustellen (Naegele und Bauknecht 2019).
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Trotz großer Arbeitslosigkeit in weiten Teilen Europas wächst die Sorge, dass der für alternde Gesellschaften bzw. für Gesellschaften des langen Lebens typische steigende Unterstützungsbedarf bei Alltagsverrichtungen und im Gesundheits- und Pflegebereich aufgrund von Personalengpässen nicht mehr angemessen bedient werden kann. Gründe dafür sind keineswegs nur gesunkene Kopfzahlen in den jüngeren Jahrgängen, sondern auch die schlechten Einkommens- und Arbeitsbedingungen vor allem bei der Langzeitpflege (Schulmann et al. 2019; Mäcken et al. 2018). Ein mehrdimensionales „Upgrading“ der Arbeit in den alternsrelevanten Berufs- und Einsatzfeldern gilt als unerlässlich und zugleich als Schlüsselherausforderung für die Zukunft alternder Gesellschaften.
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In Europa lassen sich zahllose Programme, Projekte und Initiativen finden, die belegen, dass „aktives Altern“ auf individueller, gemeinschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene möglich ist. Viele der wegweisenden Zukunftsprojekte haben sich auch dem mühevollen Lackmustest einer Evidenzbasierung, sprich eines Wirksamkeitsnachweises, gestellt. Sogar die sonst eher technologieorientierte wirtschaftswissenschaftliche Forschung und Beratung sieht in Gesundheit und Lebensqualität im Alter in einer „Silver Economy“ eine zentrale Determinante für diese Zukunftsbranche. So kam eine breit angelegte Studie der EU (Technopolis Group & Oxford Economics 2018 S. 9) zu den ökonomischen Perspektiven alternder Gesellschaften jüngst zu folgendem Ergebnis: „In summary, the needs and demands of older people to live healthier, longer active and independent lives and their willingness to expend on new market solutions will underpin, together with adequate policy support, a growing European Silver Economy and provide new jobs and growth in future.“
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Gleichwohl konstatiert MoPAcT – ähnlich wie auch die gerade erwähnte Studie – für Active Ageing ein riesiges Umsetzungsproblem. Die vorliegenden Erkenntnisse aus Forschung, Entwicklung und Erprobung sind zwar vielversprechend und wegweisend, werden aber nur sehr zögerlich – wenn überhaupt – in Politik und Wirtschaft aufgegriffen und umgesetzt. Dem entspricht, dass man einen „demografischen time-lag“ zwischen Erkenntnis und konzertierter Reaktion von zwischen zehn und 15 Jahren annimmt.
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Für breitenwirksame und nachhaltige Schritte zur Umsetzung von Active Ageing sind grundlegende politische Weichenstellungen auf supranationaler wie europäischer Ebene genauso unerlässlich wie auf der Ebene der Nationalstaaten. Dabei steigen auch Einsicht und Erkenntnis, dass für eine wirklich nachhaltige Unterfütterung die aktive Beteiligung der dezentralen Ebene unerlässlich ist. Gemeint sind v. a. Kommunen und ihre Stadtteile bzw. Nachbarschaften („Neighbourhoods“), Betriebe und Verwaltungen, (Berufs-)Verbände und Gewerkschaften, Vereine sowie weitere zivilgesellschaftliche Initiativen. Eine Veränderungsdynamik kann vermutlich nur dann realistisch erwartet werden, wenn die notwendigen Erneuerungen nicht nur aus ihrer jeweiligen fachlichen Perspektive isoliert betrachtet, sondern als integrierte „soziale Innovationen“ konzipiert und vorangetrieben werden (Heinze und Naegele 2013; Pelka und Terstriep 2016). Dass dabei die aktive Beteiligung von Menschen, deren Engagement und vor allem Qualifikationen unerlässlich ist, liegt auf der Hand.
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Aktivierungs- und Unterstützungsstrukturen für „aktives Altern“ sind umso wirksamer, je mehr sie auf die unterschiedlichen Aspekte von sozialer Ungleichheit und Diversität angemessen und je spezifisch eingehen – vom sozialen Status über körperliche und geistige Beeinträchtigungen bis hin zu Geschlecht, Hautfarbe und Ethnizität.
3 Active Ageing und seine Wissens- und Qualifikationsbedarfe
Auch wenn sich – wie postuliert – eine Gesellschaft insgesamt am Leitbild des Active Ageing orientieren würde, bleibt Altern immer beides: zum einen und (voraussichtlich auch künftig) für die Minderheit (vor allem im hohen/sehr hohen Alter) eine Lebensphase mit wachsendem und sich weiter ausdifferenzierendem Hilfe- und Unterstützungsbedarf; zum anderen für die Mehrheit (vor allem der jüngeren Altersgruppen; und dies voraussichtlich auch künftig) eine Lebensphase mit wachsenden Chancen für aktiveres, bunteres, erlebnisorientierteres und gesünderes Älterwerden. Wie sich die Quantitäten zwischen den beiden Dimensionen, die zudem fließend sind, verteilen, ob überhaupt und wenn ja in welche Richtung sich Dimensionen verschieben werden und welches politische Gewicht ihnen dabei jeweils zukommt, ist eher offen.
Es spricht allerdings vieles gegen eine „Entwarnung“ bei den sozialpolitischen Handlungserfordernissen und viel mehr für die weitere Gestaltungszuweisung an die Politik: Erstens wird insbesondere vor dem Hintergrund eines immer längeren Lebens das hilfe- und unterstützungsbedürftige Alter nicht zurückgehen, sich allenfalls differenzierter und in Teilen anders präsentieren (z. B. Leben mit Demenz, ältere Menschen mit Migrationshintergrund als wachsende Zielgruppe). Zweitens werden zumindest für Deutschland soziale Differenzierungen vor allem in Form sozialer Ungleichheiten eher mehr als weniger das Altern von morgen kennzeichnen (Mahne et al. 2017), dabei nicht selten im Sinne der „Cumulative-Disadvantage-These“ (Dannefer 2003) Lebenslauf-vorgeprägt sein. Die jeweiligen Dienstleistungs- und Berufswelten, die sich professionell mit beiden Dimensionen des Älterwerdens/Alter(n)s befassen, müssen auf beide gleichermaßen reagieren. Dabei ist eine doppelte Orientierung erforderlich: Für das hilfe- und unterstützungsbedürftige Alter werden auch weiterhin berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten im Bereich Altenhilfe und -pflege mit Schwerpunkten bei diagnostischen, therapeutischen, pflegenden und lindernden Tätigkeiten einerseits sowie präventive sowie soziale Exklusion vermeidende, sozial-integrierende Tätigkeiten andererseits eine wichtige Rolle spielen. Letztere dürften auch – trotz günstigerer Ausgangsbedingungen – von großen Gruppen des „positiven“ anderen Alterns zunehmend nachgefragt werden.
Insgesamt und vor allem ist von folgenden notwendigen tätigkeitsbezogenen und entsprechend aufqualifizierten „Anreicherungen“ in „gerontologienahen“ Handlungs- und Gestaltungsfeldern auszugehen, die neben die klassischen, auf das hilfe- und pflegebedürftige Alter bezogenen Handlungsfelder (Kuhlmann et al. 2013) treten:
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Wachsende Vielfalt und Diversität des Alterns
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Die besonderen Gender-Aspekte des Alters und Alterns
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Aspekte der ethnisch-kulturellen Differenzierung des Alterns
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Teilhabeunterstützung für besonders benachteiligte Teile der älteren und alternden Bevölkerung
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Gestaltung von (beruflichen und ehrenamtlichen) Arbeitsmöglichkeiten für alternde Menschen und für solche mit Beeinträchtigungen
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Körperliches und geistiges Fitbleiben anregen und unterstützen, gerade auch bei Bewegung und Ernährung
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Befähigung zu und Unterstützung von Gemeinschaftsaktivitäten und sozialem Engagement
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Erlebnis und Genuss im und trotz Alter und geistiger und körperlicher Beeinträchtigungen
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Gestaltung von alternsgerechten, sicheren aber dennoch aktivierenden Lebenswelten in der Wohnung und im Wohnumfeld (Quartier und Nachbarschaft)
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Auswirkungen und Gestaltungsmöglichkeiten der Digitalisierung in der Welt des Alterns und bei der Unterstützung Älterer
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Gestaltungs-, Durchsetzungs- und Behauptungsfähigkeit, sowohl mit Blick auf die fachlichen Gestaltungsmöglichkeiten bei der Projektarbeit und im operativen Geschäft als auch bei der Wahrnehmung beruflicher (Eigen-)Interessen
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Fähigkeiten zur sozial-integrativen Beteiligung und politischen Interessenvertretung
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Fähigkeiten zur interdisziplinären und multiprofessionellen, gestaltungsorientierten Zusammenarbeit mit einer Fülle von weiteren „gerontologienahen“ Disziplinen, v. a. mit Stadtentwicklern, Raum- und Regionalplanern, Architekten, Medizinern, nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen (v. a. Logopädie, Ergotherapie, Physiotherapie)
Die Digitalisierung der Arbeits- und Lebenswelten ist derzeit in der Öffentlichkeit, den Medien und auch in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik ein herausragendes Thema. Oft wird dabei der Pflegeroboter als Kronzeuge für zu erwartende weitreichende Veränderungen aufgeführt. Pflegeexperten wie auch in zunehmendem Maße Zukunftsforscher weisen jedoch mit Nachdruck darauf hin, dass Digitalisierung ihre Zukunftsbedeutung am besten dann bekommen kann, wenn sie Teil eines integrierten sozio-technischen Gestaltungsansatzes wird: „Computer und Roboter können weder die Pflege regeln, noch Armut mildern, noch den Verkehr entstauen. Dazu brauchen wir intelligentere soziale, humane Systeme“ (Horx 2018). In diesem Sinne sind interdisziplinär fundierte und anschlussfähige Gestaltungskompetenzen auch und gerade in den alternsrelevanten Berufsausbildungen und Studiengängen zu verankern.
Gestaltungskompetenz ist aber nicht nur bezüglich der Nutzung digitaler Technik(en) bedeutsam. Gefordert ist sie ebenfalls mit Blick auf die Entwicklung, Erprobung und Umsetzung sicherer, gesundheitsfördernder Wohn- und Lebenswelten zu Hause, im Quartier und unterwegs. Gerontologen und Pflegeexperten sind hier nicht nur gefordert, Defizite und Herausforderungen herauszuarbeiten, sondern ihre Expertise auch bei der Suche nach und Pilotierung, Wirkungsanalyse und Umsetzung von Antworten einzubringen. Um sich in diesem Sinne engagieren zu können, sind interdisziplinäre, kommunikativ-moderierende, wirkungsanalytische sowie politisch-organisierende Kenntnisse und Zugänge unerlässlich.
Gestaltungskompetenz im Sinne von Mitgestaltung und Mitbestimmung ist eine weitere zentrale Kompetenzanforderung mit Blick auf die internen Arbeitswelten der Dienstleister für die Welt des Active Ageing. Die heute noch in fast allen Ländern, auch in Deutschland, schlechten Arbeitsbedingungen vor allem in den sozial-pflegerischen Alter(n)sarbeitsfeldern, kürzlich erst wieder für die Langzeitpflege eindrucksvoll u. a. von den Autoren dieses Artikels im Rahmen des EXTEND-Projektes analysiert und beschrieben (Mäcken et al. 2018; Heß und Naegele 2018), sind zentrale Herausforderungen wie Zukunftshemmnis zugleich, wenn es darum geht, in einer Gesellschaft des langen Lebens die Weichen für eine fachlich angemessene und qualitativ hochwertige gesundheitliche wie pflegerische Versorgung zu stellen. Für Deutschland gilt: Ursachen dafür sind zum einen die schlechten „materiellen“ Rahmenbedingungen, also vor allem eine schlechte Bezahlung, die weite Verbreitung sachgrundloser Befristungen, schwer planbare Arbeitszeiten. Zum anderen spielt im „Immateriellen“ eine Rolle, dass der Arbeitsalltag den ethisch-sozialen Anliegen nicht gerecht wird, die Menschen häufig motivieren, sich in Berufen rund um das Altern zu engagieren. Im zunehmenden Maße nach rein betriebswirtschaftlichen Kriterien aufgestellten, hoch arbeitsteiligen, durchgetakteten, aber dennoch zumeist turbulenten Arbeitsalltag dominieren Arbeitshetze und Improvisation; Zeit für persönlich-emotionale Zuwendung und dialogischen Austausch und Zusammenarbeit mit Patienten bzw. Kunden und Klienten bleibt kaum. Und selbst dort, wo Beschäftigte Anregungen für Verbesserungen haben und entsprechende Gestaltungsspielräume ausmachen, wird ihnen zumeist wenig Gehör geschenkt. Unter dem Strich wirken die derzeitigen Arbeitsverhältnisse als wenig wertschätzend für die Motivationen und die Anliegen von Beschäftigten. Nicht zu übersehen ist allerdings auch, dass speziell im Gesundheits- und Pflegesektor massive unproduktive Potenziale für Effizienzsteigerungen liegen, deren Ausnutzung auch für eine Qualitätssteigerung in der eigentlichen Diensteerbringung nutzbar gemacht werden können.
Eine wichtige Antwort auf diese arbeitspolitischen Probleme (vor allem in den gesundheits- und pflegebezogenen Berufsfeldern des Alterns) ist sicherlich eine materielle Aufwertung, sprich: eine Verbesserung der Bezahlung, wie sie derzeit gerade im (Alten-)Pflegebereich von der Bundesregierung und von etlichen Wohlfahrtsverbänden in ersten Schritten angegangen wird (Stichwort: Einheitlicher Tarifvertrag Pflege ). Darüber hinaus könnte aber auch eine auf Mitbestimmung und Arbeitnehmerwissen setzende Strategie der Arbeitsgestaltung vor Ort nicht nur zu einer wirkungsvolleren Arbeit, sondern auch zu mehr Wertschätzung und Motivation beitragen.Footnote 3 Sicherlich sind die Kenntnisse und Fertigkeiten für solche Wege der Partizipation im Alltag zu entwickeln und zu schärfen. Außerdem hängen sie auch von der Unterstützung durch Gewerkschaften, Kammern und Berufsverbänden ab. Gleichwohl sind die Grundlagen dafür auch bereits in der Berufsausbildung und im Studium zu legen. Auch in diesen Feldern fängt Deutschland nicht bei null an, unstrittig ist jedoch, dass noch Entwicklungspotenzial besteht.
Exkurs: Das MoPAcT-Projekt und zukünftige Handlungs- und Gestaltungserfordernisse
Im Rahmen des bereits erwähnten MoPAcT-Projektes (Walker 2019) wurden folgende zentrale Handlungsfelder eines Active Ageing eingehend untersucht:
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1.
Schaffung ökonomischer Nachhaltigkeit für alternde Gesellschaften
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2.
Ausgestaltung nachhaltiger Alterssicherung
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3.
Verlängerung des Erwerbslebens
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4.
Gesundes Älterwerden und soziales Engagement im Alter
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5.
Gesundheit und Wohlbefinden im Alter im Rahmen eines Lebenslauf-Ansatzes
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6.
Technologienutzung in einer alternden Gesellschaft
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7.
Soziale Unterstützung (social support) und Langzeitpflege als Herausforderungen in einer Gesellschaft des langen Lebens und
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8.
Politische und soziale Partizipation und Inklusion im Alter.
Es würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, die im MoPAcT-Projekt gefundenen Ergebnisse und formulierten Politikempfehlungen darstellen zu wollen. Von daher seien an dieser Stelle nur einige wenige Hinweise auf Handlungsfelder und Handlungsbedarfe und auf darauf bezogene Qualifikationsbedarfe erwähnt, die die bereits weiter oben berichteten ergänzen sollen; wie oben auch hier mit Blick auf „Anreicherungen“ für ein modernes Qualifikations- und Kompetenzprofil „gerontologienaher“ Tätigkeiten bzw. für moderne, angewandt arbeitende „Gerontologen “ in folgenden Handlungsfeldern:
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Bewältigung der ökonomischen Herausforderungen alternder Gesellschaften erfordern makro- und mikroökonomisches Wissen rund um das Altern der Bevölkerung, vor allem im Kontext des „großen“ Generationenvertrages
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Finanzwirtschaftliche Kompetenzen und financial literacy zur gruppenbezogenen wie individuellen Beratung bei der/für die Gestaltung von Alterssicherung
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Betriebliche Beschäftigungs- und Personalpolitik mit und für alternden Belegschaften
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Förderung und Erhalt ihrer Beschäftigungsfähigkeit , idealerweise eingebettet in einen Life-Course-Approach, auf unterschiedlichen Handlungsebenen (Makro, Meso, Mikro)
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Wissen um/Gestaltung von Healthy Ageing im Kontext von sozialer Engagement-Förderung;
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Herstellung und Sicherung von Wohlbefinden vor allem bei kritischen Lebensereignissen im Alter
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Hilfestellung bei der Herstellung und Gestaltung von gesundheitsfördernden Lebensläufen – mit Fokus auf ungünstige Ausgangsbedingungen
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Möglichkeiten und Grenzen technologieassistiver Wohn- und Versorgungskonzepte – mit besonderem Fokus auf digitale Kompetenzen und Überwindung von altersgruppentypischer und/oder sozial-selektiver „digital gaps“
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Vorpflegerische und pflegerische Hilfe- und Unterstützungssysteme in unterschiedlichen Settings (familial, sozial, regional etc.)
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Beteiligung des Alters bei der Planung und Herstellung der auf sie bezogenen lebensweltnahen Politikansätze insbesondere auf der kommunalen Ebene
4 Mehr und bessere Qualifizierung für Active Ageing braucht Gestaltung
Die Bedingungen, Berufsbildung und Studium im Sinne der Gesellschaft des „Active Ageing “ weiterzuentwickeln, waren selten so gut wie heute, aus mehreren Gründen: Erstens liegen konkrete und belastbare Gestaltungsperspektiven im Sinne von konkreten Utopien vor. Zweitens sind (in Deutschland) insbesondere die Wohlfahrtsverbände dabei, sich konzeptionell und auch organisatorisch auf modernisierte Leistungspaletten in und jenseits der Pflege einzustellen (Opielka 2018; Bräutigam et al. 2017; Heinze et al. 2019; DPWV 2014). Drittens hat die einschlägige Forschung bereits Konzepte für neue und erneuerte Ausbildungen und Studiengänge vorgelegt, in einigen Fällen schon pilotiert (Kuhlmann et al. 2013) und – im Bereich der akademischen Qualifizierung – sogar als Standardangebote auf den Weg gebrachtFootnote 4. Viertens ist es im Kontext des Bundestagswahlkampfes 2017 und der Etablierung der großen Koalition im Jahre 2018 erstmals gelungen, für das Thema der Aufwertung der Arbeit, allerdings begrenzt auf die pflegerischen Berufs- und Handlungsfelder, massive Aufmerksamkeit und einen klaren politischen Gestaltungswillen zu erhalten.
Gleichwohl fehlt aber sowohl auf der europäischen Ebene wie in Deutschland bislang eine systematische Diskussion und Forschung darüber, wie sich das Leitbild des Active Ageing bei der (beruflichen und akademischen) Aus-, Fort- und Weiterbildung in einschlägigen gerontologienahen Berufsbildern niederschlagen sollte. Zwar sind – gerade auch in Deutschland – eine Fülle von Qualifikationsangeboten (sowohl in der Weiterbildung als auch im akademischen Bereich) entstanden, jedoch liegt diesen weder eine wissenschaftlich-analytische noch eine sozialpartnerschaftlich-dialogische Fundierung zugrunde, wie es ansonsten in der Berufsbildung in Deutschland erfolgreich praktiziert wird (Euler 2013; Streeck et al. 1987).
Gleichwohl wurde bereits themenbezogen debattiert und auch entschieden. Der Schwerpunkt der einschlägigen Diskurse liegt zum einen auf der Einbeziehung der Altenpflege in eine einheitliche, generalistische Pflegeausbildung sowie zum anderen darin, bei verschiedenen, untereinander kaum koordinierten Aktivitäten geriatrisch-gerontologisch fundierte akademische Ausbildungen jenseits der Altenpflege im engeren Sinne zu etablieren – von einem Bachelor in Gesundheitstechnologie an der Apollon Hochschule in Bremen über einen Masterstudiengang Community and Family Health Nursing an der Universität Bremen bis hin zu einem stark auf Makrosoziologie und entsprechende Methodenkompetenzen fokussierten Masterstudiengang Alternde Gesellschaften an der TU Dortmund. Ausbildung für Active Ageing scheint mithin eine aktive, aber wenig strukturierte Landschaft zu sein, bei der – wie vor einiger Zeit bereits mit Blick auf die Entwicklung in den Gesundheitsberufen konstatiert werden musste – mehr von einem eher kakophonischen „Berufsbasteln“ (Bräutigam et al. 2013) als von einer strategischen Berufsbildungspolitik gesprochen werden muss.
Eine solche lässt sich zwar weder herbeiwünschen noch verordnen, kann allerdings vielleicht helfen, im forschenden und praxisgestaltenden Alltag sich stärker an zukunftsfähigen „konkreten Utopien“ und an wechselseitiger Anschlussfähigkeit, an mehr Integration im Kaleidoskop des „Berufebastelns“ (Bräutigam et al. 2013) zu orientieren. Die folgenden Überlegungen verstehen sich vor diesem Hintergrund als Orientierungs- und Organisationsanregungen für den Ausbau einer „strategischen Berufsbildungspolitik light“ und sollen Anregungen für die weitere anwendungsorientierte Forschung und für den interdisziplinären und sozialpartnerschaftlich angelegten gestaltungsorientierten Austausch in den alternsrelevanten und/oder gerontologienahen Dienstleistungsbranchen und Berufsfeldern geben. Drei Aspekte und Chancen scheinen sich u. E. dabei besonders aufzudrängen:
Die politische Debatte über „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ bringt Schubkraft für Active Ageing und die damit verbundenen Fragen der Berufsbildung: Die Bundesregierung hat im Herbst 2018 eine Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ eingesetzt. Diese soll in verschiedenen Bereichen – von den kommunalen Altschulden über die technische Infrastruktur bis hin zur soziale Daseinsvorsorge und Teilhabe und dem Zusammenhalt der Gesellschaft – Vorschläge erarbeiten, wie strukturschwache ländliche und städtische Regionen zum einen Versorgungssicherheit garantieren, zum anderen möglichst auch noch aufgewertet werden können. Bei der Arbeit dieser Kommission wird sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ergeben, dass die zukunftsfähige Versorgung der alternden Bevölkerung nicht ohne integrierende und aktivierende Strategien im Sinne des „Active Aging“ vorstellbar ist. Erste Forschungen und Entwicklungsaktivitäten in diesem Sinne sind bereits angelaufen oder starten gerade.Footnote 5 Die Debatten in der Kommission sowie die entsprechenden Forschungsprojekte bieten eine weitere gute Gelegenheit, auf die Möglichkeiten von Berufsbildern im Sinne des Active Ageing aufmerksam zu machen und damit auch zu ihrer Aufwertung beizutragen.
Fachkommission Pflegeausbildung als Chance für eine Aufwertung der Altenhilfe im Sinne des Active Ageing: Die Reform der Pflegeausbildung im Sinne einer vereinheitlichten Ausbildung für Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege zog sich schier unendliche lange hin und endete dennoch mit einer „halbfertigen“ Lösung – die Altenpflege bekommt weiterhin einen Sonderstatus, der von vielen Kommentatoren als eine „Pflege zweiter Klasse“ beurteilt wird. Ende 2018 setzten das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend gemeinsam eine Fachkommission mit der Aufgabe ein, Rahmenlehrpläne und Rahmenausbildungspläne für die Pflegeberufe zu erarbeiten. Organisatorisch und inhaltlich wird diese Fachkommission durch eine beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) angesiedelte Geschäftsstelle unterstützt. Wenn es gelingt, die Rahmen für die Ausbildung im Altenpflegebereich so zu öffnen, dass Einsatzfelder im Sinne des Active Ageing auch jenseits der Pflege im engeren Sinne geöffnet werden (etwa bei der präventionsorientierten Gemeindearbeit bzw. bei der alter(n)sgerechten Quartiersentwicklung), könnte dies dafür sorgen, dass die Altenpflege kein Pflegeberuf zweiter Wahl wird, sondern an Attraktivität gewinnt.
Plattformen für Orientierung und Integration bei alternsrelevanten Qualifikationen sind da, müssen aber handeln: Ob es gelingt, die angesprochenen Chancen für die Entwicklung, Erprobung und Umsetzung von Handlungs- und Qualifizierungskonzepten im Sinne des Active Ageing zu realisieren, ist keineswegs ausgemacht. Als Problem könnte sich erweisen, dass diese „konkrete Utopie“ keine einheitliche Stimme hat, sondern nur von einem unkoordinierten Schwarm von unverbundenen Einzelinitiativen getragen wird. Dies könnte dazu führen, dass die politische und wirtschaftliche Durchsetzungskraft leidet und die Schritte in Richtung Active Ageing sehr zaghaft ausfallen – zum Nachteil der betroffenen Menschen, aber vermutlich auch von Gesellschaft und Wirtschaft insgesamt. Aus diesem Grunde wäre es wünschenswert, dass sich eine strategische Initiative bildet, die beim Thema Active Ageing die Rolle einer orientierenden und integrierenden Plattform für strategische Berufsbildungspolitik wahrnimmt. Für den Bereich der Altenpflege ist zu hoffen, dass die Unterstützung der neuen Fachkommission durch das BiBB in diesem Sinne wirkt, denn dieses hat langjährige einschlägige Erfahrungen. Eine orientierende und integrierende Plattform für die eher akademischen Berufsbilder bei gesundheits- und medizinbezogenen Themen könnte eine Zukunftsaufgabe für den „Runden Tisch Medizin und Gesundheitswissenschaften“ sein, der unter dem Dach der Hochschulrektorenkonferenz arbeitet. Völlig offen ist, welche Institutionen sich um die weiteren, nicht-medizinischen und nicht-pflegerischen, aber dennoch alternsrelevanten Berufsfelder und Qualifikationen kümmern könnten. Vielleicht wäre dies eine Chance für den „Verein zur Förderung eines Nationalen Gesundheitsberuferates“ (NGBR e. V.), der dabei sicherlich auch von einer Zusammenarbeit mit dem „Netzwerk deutsche Gesundheitsregionen e. V.“ (NDGR e. V.) profitieren könnte. Wünschenswert wäre, wenn sich das BIBB um den Aufbau eines Dialogs zwischen den genannten Plattformen kümmern könnte. Sollte dies allerdings ausbleiben, wäre naheliegend, dass NGBR und NDGR in diesem Sinne aktiv werden.
5 Schlussfolgernde Zusammenfassung
Die Zukunft des Alterns, der alternden Gesellschaft bzw. der Gesellschaft eines langen Lebens braucht nicht nur eine Weiterentwicklung in Altenhilfe und -pflege, sondern auch einen Ausbau alter(n)sgerechter Infrastrukturen, Produkte und (vor allem) Dienstleistungen. Das Leitbild für diesen Entwicklungsprozess heißt „Active Aging“ und hat sich in vielen Projekten und Initiativen bereits als praxistauglich erwiesen; allerdings noch weit von einer breitflächigen Umsetzung entfernt. Während es bei der Pflegeberufsausbildung einen strategisch angelegten Erneuerungsprozess gab und gibt, fehlt ein solcher für andere alternsrelevante und gerontologienahe Handlungs- und Berufsbildungsbereiche jenseits der Pflege. Zwar existieren Plattformen für die wünschenswerten strategischen Austausch- und Entwicklungsarbeiten, jedoch sind dort die nötigen Initiativen noch nicht ergriffen worden. Es ist zu hoffen, dass dieser Beitrag im Sinne eines kleinen Anstoßes wirkt, Gestaltungsinteresse für eine strategische Berufsbildungspolitik für „Active Ageing“ zu wecken.
Notes
- 1.
In Deutschland wird das Leitbild des aktiven Alterns ähnlich interpretiert, jedoch in den meisten politischen und wissenschaftlichen Diskursen auf Erwerbsarbeit und dabei auf die Verlängerung der Lebensarbeitszeit verkürzt.
- 2.
- 3.
Das überwältigend hohe Interesse, das dem niederländischen Konzept Buurtzorg in den letzten Monaten aus der deutschen Pflegewelt entgegenschlug (Hilbert et al. 2019), ist ein starker Beleg dafür, dass eine innere Modernisierung im Sinne einer dezentralen, von Mitarbeitern (mit-)getragenen Arbeitsgestaltung ein starker Schub nicht nur für mehr Qualität, sondern auch für mehr Attraktivität der Arbeit sein kann.
- 4.
Große Aufmerksamkeit erzielte v. a. die (öffentliche) Hochschule für Gesundheit (HSG) in Bochum mit der Errichtung eines „Department of Community Health“ mit Studiengängen zu den Themen „Gender und Diversity“, „Sozialraum und Gesundheit“ sowie „Gesundheit und Diversity in der Arbeit“. Ganz aktiv beim Entwickeln einschlägiger innovativer Studienangebote waren auch private Fachhochschulen wie Apollon oder die FOM Hochschule.
- 5.
In den sozial benachteiligten Hamburger Stadtteilen Billstedt und Horn wurde Anfang 2018 ein einschlägiges Projekt des Innovationsfonds gestartet: „Die Schwerpunkte in den kommenden Jahren sind: Stärkung und Vernetzung der wohnortnahen Versorgung und Entlastung der Ärzte, Gesundheitsförderung und Prävention sowie Aufbau eines sektorenübergreifenden, innovativen Versorgungsmanagements.“ (https://optimedis.de/netzwerke/gesundheit-fuer-billstedt-horn). Ebenfalls gefördert vom Innovationsfond startet in der Grafschaft Bentheim/Nordhorn gerade ein weiteres Großprojekt, das ähnliche Ziele in einer ländlichen Region erreichen will.
Literatur
Bloch E (1985) Das Prinzip Hoffnung Bd. 5. Suhrkamp, Frankfurt am Main
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Hilbert, J., Merkel, S., Naegele, G. (2020). „Active Ageing“ braucht mehr konzeptionelle Umsetzung und eine darauf bezogene berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung. In: Jacobs, K., Kuhlmey, A., Greß, S., Klauber, J., Schwinger, A. (eds) Pflege-Report 2019. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-58935-9_15
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