9.1 Verwirklichung des inter- und transdisziplinären Anspruchs

Das Projekt ZA-NExUS war ein dezidiert inter- und transdisziplinäres Projekt an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik. Weder die spezifische interdisziplinäre Zusammensetzung des Forschungskonsortiums noch der enge, an der politischen Dynamik einer langfristigen, großskaligen politischen Reformdiskussion orientierte Zeitplan entsprachen den etablierten Routinen wissenschaftlichen Arbeitens. Das Hauptziel des Projekts war es, wissenschaftlich basierte Optionen für die künftige Ausgestaltung der Agrarpolitik aus der Perspektive des Natur- und Umweltschutzes zu formulieren und in die öffentliche und politische Diskussion einzubringen. Für die wissenschaftliche Basierung was es notwendig, einen ausgeprägt interdisziplinären Ansatz zu wählen. Es wurde daher ein Konsortium gebildet, das Sachverstand aus den Bereichen Ökologie und Umweltwissenschaften, Agrar- und Ressourcenökonomie, Systemanalyse, Rechtswissenschaften sowie Politik- und Kommunikationswissenschaften in einer seltenen Konstellation kombinierte. Die Disziplinen übergreifende Verständigung wurde durch eine Reihe von Brückenkonzepten sowie einen geteilten systemischen Ansatz ermöglicht. Sie erforderte Dialogfähigkeit, ermöglichte aber auch ein „Thinking out of the box“. Wichtig war der Anspruch, neue und innovative Konzepte, die noch nicht im Mainstream der politischen Debatte angekommen sind, aufzunehmen und weiterzuentwickeln. Der laufenden Qualitätssicherung dienten dabei die fünf Peer Reviewer, die langjährige Erfahrung in der wissenschaftlichen Politikberatung einbrachten und an mehreren Punkten intensive kritische Rückmeldungen zu Zwischen- und vorläufigen Endergebnissen gaben.

Transdisziplinarität ist ein Prinzip integrativer Forschung, das auf die methodische Verbindung von wissenschaftlichem und praktischem Wissen abzielt (Gibbons et al. 1994). Transdisziplinäre Forschung geht von komplexen gesellschaftlichen Problemen aus, beinhaltet sowohl interdisziplinäre Zusammenarbeit wie Kooperation zwischen Wissenschaft und Gesellschaft und ermöglicht wechselseitige Lernprozesse (Jahn et al. 2012). Der transdisziplinäre Charakter des ZA-NExUS-Projekts ergibt sich daraus, dass in verschiedenen Formaten – Experten- und Hintergrundgespräche, Experten-Workshops sowie die regelmäßigen Treffen mit einer Projektbegleitenden Arbeitsgruppe (PAG) – ein laufender, auf Lernen abzielender Dialog mit Personen geführt wurde, die auf langjähriger Erfahrung beruhendes Wissen über das hier relevante Praxisfeld, die Evaluierung und Formulierung von Policy-Designs, einbrachten. Auf diese Weise konnte das wissenschaftliche Team, das aufbauend auf der interdisziplinären Problemanalyse Lösungsansätze formulierte, die Problemlagen und Handlungsbedingungen aus Sicht der praktischen Politikgestaltung systematisch in die Projektarbeit einbeziehen. Dies trug wesentlich dazu bei, die Anschlussfähigkeit der Überlegungen aus dem wissenschaftlichen Ideenraum an die politische Diskussion sicherzustellen. Vor allem die regelmäßigen intensiven Diskussionen in der PAG ermöglichten wechselseitige Lernprozesse. Die Synthese der Diskussionsergebnisse und die Formulierung der Schlussfolgerungen war dabei strikt die Aufgabe des Projektteams. Die Verbindung von wissenschaftlichem und praktischem Wissen wurde insofern aus der Perspektive des wissenschaftlichen Teams vorgenommen.

Die konzeptionelle Brücke zwischen der interdisziplinären Wissenssynthese (Kap. 3 und 4) und der transdisziplinären Entwicklung von Handlungsansätzen (Kap. 7 und 8) bildete die SWOT-Analyse (Kap. 5) und die darauf aufbauende Formulierung eines Leitbilds für eine zukunftsfähige Agrarpolitik (Kap. 6).

Der transdisziplinäre Charakter des Projekts verstärkte sich in der letzten Projektphase, nachdem Ende Juli 2016 ein erster Entwurf des Projektberichts mit drei alternativen strategischen Handlungsoptionen (Kap. 8) vorgelegt worden war. Zunächst war es Aufgabe der PAG, die politische Entscheidung zu treffen, welche der drei Optionen in die öffentliche Diskussion eingebracht werden sollte. Im Anschluss waren die Mitglieder der PAG durch mehrere Rückkopplungsschleifen intensiv in die Erarbeitung des Policy-Papers (Kap. 2) eingebunden. Dies war insbesondere für die Zuspitzung und Pointierung des Papiers von großer Bedeutung. Der wissenschaftlichen Qualitätssicherung diente in dieser Phase eine fortgesetzte Einbindung der Peer Reviewer.

9.2 Zusammenfassung der Aufgaben und Ergebnisse des ZA-NExUS-Projekts

Das Projekt ZA-NExUS erfüllte sieben Aufgaben:

  1. 1.

    eine Synthese vorhandenen Wissens zu einer konzisen Problembeschreibung;

  2. 2.

    eine Analyse der politischen Mechanismen, welche einer besseren Berücksichtigung der Anliegen des Natur- und Umweltschutzes in der Agrarpolitik entgegenstehen;

  3. 3.

    die Identifizierung von Entwicklungen und Konzepten, welche eine bessere Berücksichtigung des Natur- und Umweltschutzes in der Agrarpolitik ermöglichen könnten;

  4. 4.

    eine verdichtete Bewertung der Stärken und Schwächen der gegenwärtigen Agrarpolitik aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes;

  5. 5.

    die Formulierung und Operationalisierung eines Leitbilds;

  6. 6.

    die Formulierung und Bewertung von Handlungsempfehlungen für die Politik;

  7. 7.

    die Vermittlung der Ergebnisse in die öffentliche und politische Diskussion.

Die erste Aufgabe war eine Synthese vorhandenen Wissens. Zu diesem Zweck wurde ein systematischer Überblick über die für den Natur- und Umweltschutz relevanten systemischen Entwicklungen im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Entwicklung erstellt (Kap. 3). Das zwar nicht überraschende, in der Zusammenschau aber doch nachdrückliche Ergebnis war, dass

  • der Zustand vieler schützenswerter Naturressourcen nicht gut ist;

  • die Landwirtschaft in Deutschland durch stoffliche Einträge und Flächennutzung erheblich zur negativen Beeinflussung der Ressourcen beiträgt;

  • die in verschiedenen Gesetzen, Richtlinien und Strategien definierten Zielwerte häufig verfehlt werden;

  • in vielen Bereichen Aussagen zur Zielerreichung aufgrund der mangelnden Datenlage oder unzureichender Operationalisierung nicht zuverlässig getroffen werden können;

  • zu wichtigen Teilbereichen bislang gar keine Zielwerte bestehen und insofern

  • ein erhebliches Regelungsdefizit, auch durch oft wenig ambitionierte Vorgaben, sowie ein Vollzugsdefizit vorliegen.

Die zweite Aufgabe war eine Analyse der politischen Mechanismen, welche einer besseren Berücksichtigung der Anliegen des Natur- und Umweltschutzes in der Agrarpolitik entgegenstehen. Die Problembeschreibung legt die Schlussfolgerung nahe, dass ein Politikversagen beim Schutz der Natur- und Umweltressourcen vorliegt. Um dieses zu erklären, wurde die politische Logik der GAP und des ordnungsrechtlichen Rahmens analysiert (Abschn. 4.1). Hinsichtlich der GAP wurden dabei trotz erheblicher Veränderungen des institutionellen Rahmens (Einbettung in GATT/WTO, Mitentscheidung des Europäisches Parlaments bei der GAP, Ordnungsrecht), der Einführung neuer Politik-Instrumente, einer teilweisen Öffnung der agrarpolitischen Netzwerke und einer Pluralisierung der agrarpolitischen Ideen und Diskurse weiterhin erhebliche Barrieren für eine bessere Berücksichtigung des Natur- und Umweltschutzes festgestellt:

  • die sektorale institutionelle Verankerung der Agrarpolitik bei der DG Agri und den Agrarministerien, wo Verbraucherschutz, Naturschutz- und Umweltanliegen eher als Zusatzaspekte denn als Kern der Agrarpolitik verstanden werden;

  • die Institutionalisierung und Instrumentierung der GAP vorrangig als Einkommenspolitik für den Sektor;

  • die Priorität für Verteilungsfragen (Nettozahlerposition) bei Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten der EU;

  • mangelnder externer Handlungsdruck bzw. institutionelle Abpufferung der Agrarpolitik gegenüber nicht-agrarischen gesellschaftlichen Problembeschreibungen;

  • der mit zielgenauen Maßnahmen oft verbundene Bürokratieaufwand, der solche Maßnahmen unpopulär macht.

Diese Barrieren müssen jedoch nicht unüberwindbar sein, und sie können auch veränderlich sein. Im Projekt wurden wichtige neue Entwicklungen und Konzepte identifiziert, welche eine bessere Berücksichtigung des Natur- und Umweltschutzes in der Agrarpolitik ermöglichen könnten (dritte Aufgabe):

  • Institutioneller Rahmen: Erstens wandelt sich durch die europarechtliche Einbeziehung der GAP in das allgemeine Binnenmarktrecht die Position des landwirtschaftlichen Binnenmarkts von einer sektorspezifischen Markteinheit mit eigenen ausschließenden Regeln zu einem regulären Teil des Binnenmarktes. Dadurch wird u. a. das „soziale” Binnenmarktrecht (insbesondere Umwelt- und Verbraucherschutz) mit der Anforderung hoher Schutzstandards auch in die GAP eingeführt. Zweitens hat der „From farm to table“-Ansatz im Verbraucherschutz die Folge, dass sich landwirtschaftliche Produktionszweige immer mehr an der Vermeidung von Haftungsrisiken orientieren müssen, die aus verbraucherschützenden Normen resultieren und sich auf die gesamte Wertschöpfungskette erstrecken. Und drittens entstehen zunehmend privatrechtliche Normen und Standards, die im Zusammenspiel mit (supra-)nationalem Recht ein größeres Regulierungspotenzial entfalten können als das nationale Recht (Abschn. 4.2).

  • Einkommensorientierung der GAP: Die einkommenspolitischen Instrumente der GAP könnten in Zukunft verstärkt auf den Prüfstand gestellt werden. Durch den bevorstehenden Austritt des Nettozahlers Großbritannien aus der EU könnte das Prinzip einer ergebnisorientierten Verwendung der Haushaltsmittel größere Beachtung finden. Damit könnte dann die geringe einkommenspolitische Zielgenauigkeit der Direktzahlungen und möglicherweise sogar der Ansatz einer sektoralen Einkommenspolitik auf EU-Ebene verstärkt problematisiert werden.

  • Zwischenstaatliche Verteilungslogik: Durch den Austritt Großbritanniens wird ein Nettozahler am Verhandlungstisch für die künftige GAP fehlen, der in der Vergangenheit stark auf eine deutlichere Ergebnisorientierung der GAP gedrängt hatte. Dies könnte die verteilungspolitische Dimension der Verhandlungen über die künftige GAP verschärfen.

  • Handlungsdruck: Neue systemische Konzepte lenken den Blick auf die u. a. durch den Klimawandel gefährdete Resilienz vieler landwirtschaftlicher Produktionssysteme, die Resilienz von Ökosystemen, die durch die Landwirtschaft beeinflusst werden, und die Resilienz der Ernährungssicherheit. Der Handlungsbedarf erscheint zudem bei intersektoraler Betrachtung, etwa mittels des Konzepts des Wasser-Energie-Nahrung-Nexus, dringender als bei bloß sektoraler Sichtweise (Abschn. 4.3.1 und 4.3.2). Diese Betrachtung zeigt auch die Notwendigkeit einer intersektoralen Kooperation und Koordination auf.

  • Ineffiziente und bürokratische Instrumente: Neuere verhaltenswissenschaftliche Ansätze ermöglichen die bessere Berücksichtigung psychologischer Mechanismen, wie beispielsweise Verlust- und Kontrollaversion, Framing-Mechanismen, Status-quo-Bias, veränderliche Präferenzen oder verinnerlichte Werte und Normen, bei der Ausgestaltung politischer Instrumente. Dies erleichtert die Einbeziehung und Aktivierung nicht-monetärer Motivationen zum Natur- und Umweltschutz, die durch Normbildungsprozesse, sozialen Druck und die Stärkung von umweltbezogenen Aspekten der Selbst-Identität von Landwirtinnen und Landwirten gestärkt werden können. In der Folge könnte landwirtschaftlicher Naturschutz stärker als Lernprozess gestaltet werden, in dem Mechanismen wie Feedback und Selbstverpflichtung, „Labeling“ oder kooperative Ansätze eine wichtige Rolle spielen. Die Effizienz von bestehenden AUKM könnte durch Orientierung am Konzept der Ökosystemleistungen verbessert werden, etwa durch Targeting, Zahlungsdifferenzierung, Auktionen, ergebnisorientierte Honorierung, kooperative Ansätze, Agglomerationsboni oder gesamtbetriebliche Verpflichtungen (Abschn. 4.3.3 und 4.3.4).

  • Die häufig nicht problemadäquate sektorale Engführung der Agrarpolitik könnte zudem durch eine integrierte Agrar- und Ernährungspolitik überwunden werden, bei der u. a. partizipatorische Ansätze und die systematische Einbeziehung von Verbrauchern eine wichtige Rolle spielen würden (Abschn. 4.3.5 und 4.3.6).

Darauf aufbauend wurde als vierte Aufgabe eine verdichtete Bewertung der Stärken und Schwächen der gegenwärtigen Agrarpolitik aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes in Form einer SWOT-Analyse vorgenommen. Die Stärken der GAP haben aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes dabei eher den Charakter von Potenzialen: eine breite Instrumentenkiste mit einer bislang guten und verlässlichen Finanzausstattung. Dieses Potenzial wird jedoch vor allem für eine sektororientierte Einkommenspolitik genutzt, weil agrarpolitische Akteure und Interessen den politischen Gestaltungs-, Programmierungs- und Implementationsprozess dominieren (Schwächen). Bei einer möglichen Verschärfung der finanzpolitischen Verteilungskämpfe und einer Polarisierung des politischen Klimas besteht das Risiko, dass sich der politische Handlungsraum für den Natur- und Umweltschutz verengt. Dies könnte die notwendigen transformativen Strategien zur Erhöhung der Resilienz der Agrarökosysteme unmöglich machen – mit erheblichen Risiken für die Ernährungssicherheit, die Landwirtschaft und die Natur- und Umweltgüter. Demgegenüber könnte die Verankerung des Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutzes sowie des Tierwohls als Legitimationsgrundlage für die Agrarzahlungen die Chance eröffnen, die mangelnde Ergebnisorientierung der tatsächlich implementierten Politik aufzuzeigen und den rechtlichen Anforderungen an ein hohes Schutzniveau im Binnenmarkt besser zur Geltung zu verhelfen. Neue systemische, partizipatorische und verhaltenswissenschaftliche Ansätze könnten in Kombination mit Innovationen im Bereich der Fernerkundung und der IT wesentlich effektivere und effizientere Policy-Designs ermöglichen.

Ausgehend von der SWOT-Analyse war die fünfte Aufgabe, ein Leitbild zu formulieren und zu operationalisieren. Diese wurde in die Frage nach dem Was und dem Wie aufgeteilt. Die Frage nach dem Was adressiert das agrarpolitische Leitbild für eine multifunktionale, natur- und umweltverträgliche Landwirtschaft, die eine flächendeckende Landwirtschaft umfasst, welche zu einer vielfältigen Kulturlandschaft beiträgt, die Tragfähigkeit der ökologischen Systeme beachtet und die ökosystemaren Dienstleistungen erhält. Auf die Frage nach dem Wie antworten die 15 Leitlinien einer zukunftsfähigen Agrarpolitik, welche die Landwirtschaft bei der Erfüllung ihrer unterschiedlichen, auf die Produktion und das Gemeinwohl ausgerichteten Aufgaben in effektiver und effizienter Weise unterstützt. Die Leitlinien wurden im weiteren Verlauf des Projekts bei der Formulierung des Policy-Papers weiter verdichtet. Ausgehend von dem Leitbild und den Leitlinien wurden 13 Dilemmata und Zielkonflikte identifiziert, die aufzeigen, dass eine zukunftsfähige Agrarpolitik Spannungen und Widersprüche aushalten muss und es keine einfachen, linearen Lösungen geben kann. Im nächsten Schritt wurden die verschiedenen Aussagen des Leitbilds mit qualitativen und quantitativen Zielwerten unterlegt und ein Soll-Ist-Vergleich mit der derzeitigen Situation vorgenommen. Auf dieser Basis wurden drei prioritäre Problemkomplexe identifiziert: Stoffeinträge in Boden, Wasser und Luft inklusive Klimagase und Arzneimitteleinträge; Wirkungen der Flächennutzung; Implementations-, Partizipations- und umweltorientierte Innovationsdefizite. Abschließend wurde die derzeitige Agrarpolitik mit den agrarpolitischen Leitlinien abgeglichen. Dabei zeigte sich, dass sich für alle Leitlinien zwar bereits Ansätze finden lassen, dass diese aber nicht hinreichend entwickelt oder noch nicht hinreichend wirksam sind. Neben den bereits oben genannten Problemen – geringe Zielgenauigkeit der Zuwendungen, Regelungs- und Vollzugsdefizite, Bürokratielasten und Defizite bei der Einbindung der Verbraucherinnen und Verbraucher – soll an dieser Stelle die mangelnde systemische Ausrichtung hervorgehoben werden (vgl. Tab. 6.2):

  • zu geringe Berücksichtigung kumulativer Auswirkungen der vorherrschenden landwirtschaftlichen Praktiken;

  • Defizite bei der Übersetzung des Verursacher-, Kooperations-, Vorsorge-, Vorsichts- und Nachhaltigkeitsprinzips ins Fachrecht und dessen Implementierung;

  • geringe Verbreitung einer Resilienzorientierung im Gegensatz zur Orientierung an Produktivitäts- und Produktionssteigerung;

  • Konzepte zur umfassenden Resilienzbewertung für landwirtschaftliche Produktionssysteme und Betriebe sind noch im frühen Forschungs- und Entwicklungsstadium;

  • unzureichende Transparenz der Umweltmerkmale von Produkten und der Umweltleistungen von Produzenten;

  • private Standards und Labels setzen selektiv an wenigen gut kommunizierbaren Elementen an;

  • fehlende Mechanismen zur Adressierung von Problemen auf den relevanten räumlichen (z. B. Wassereinzugsgebiete) und zeitlichen Skalen;

  • starke Verbesserungspotenziale zur regionalen Vernetzung von Akteuren sowie zu einer verbesserten dialogischen Kommunikation;

  • starke Verbesserungspotenziale für eine flächendeckende Verankerung ökologischer Zusammenhänge als integraler Bestandteil des Lernens über landwirtschaftliche Produktionsmethoden und -systeme;

  • Verbesserungsmöglichkeiten für den Transfer zwischen Forschung und landwirtschaftlicher Praxis.

Auf Basis der Problembeschreibung und -bewertung, des Leitbilds und der Defizitanalyse wurden Handlungsempfehlungen für die Politik formuliert und bewertet (sechste Aufgabe). Dies geschah auf den zwei Ebenen der agrarpolitischen Instrumente („Bausteine“, Kap. 7) einerseits sowie alternativer strategischer Optionen (Kap. 8) andererseits. Auf der Ebene der „Bausteine“ wurden Entwicklungsmöglichkeiten beim Ordnungsrecht und den gesetzlichen Mindeststandards für die landwirtschaftliche Praxis (Abschn. 7.1), mögliche Varianten zur Entwicklung des Budgets der Agrarpolitik (Abschn. 7.2), der Direktzahlungen (Abschn. 7.3) sowie regional und standörtlich ausgerichteter Zahlungen (Abschn. 7.4), nicht-staatliche Standards und Ko-Regulierung (Abschn. 7.5), Monitoring- und Sanktionssysteme (Abschn. 7.6) sowie unterstützende Elemente wie Beratung und verbraucherorientierte Maßnahmen (Abschn. 7.7) diskutiert.

Anschließend wurden drei alternative strategische Optionen formuliert, die verschiedene mögliche Entwicklungsrichtungen der GAP zu mehr Natur- und Umweltschutz skizzieren. Die Optionen wurden im Hinblick auf ihre Anschlussfähigkeit, Machbarkeit, Implikationen und mögliche Akteurskoalitionen bewertet. Alle drei Optionen beinhalten im Vergleich zur gegenwärtigen Situation ergänzte Mindeststandards, Maßnahmen zur Verbesserung der Kontrollen und zur Reduzierung der Bürokratie durch Nutzung neuer digitaler und GIS-gestützter Informationssysteme, verbesserte Beratung und Unterstützung der Landwirte und Landwirtinnen sowie ein besser für laufende Lernprozesse geeignetes Monitoring- und Evaluationssystem. Alle Optionen können eine zeitliche Entwicklung aufweisen, in deren Verlauf das Anforderungsniveau ansteigen kann, um die Möglichkeiten des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts sowie die zu erwartende zunehmende Knappheit an Umweltgütern zu reflektieren.

Auf dieser Basis setzt die erste Option auf eine effektivere Verknüpfung der Direktzahlungen in der Ersten Säule mit Anforderungen und Leistungen des Natur- und Umweltschutzes, so dass auch die Programme in der Zweiten Säule anspruchsvoller gestaltet werden können. Dies stellt eine moderate Reformoption dar, die technisch machbar und politisch möglich erscheint, aber aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes nicht hinreichend geeignet ist, die systemischen Probleme effektiv anzugehen. Die zweite Option setzt auf eine zunehmende Stärkung der Zweiten Säule durch Verlagerung von Mitteln aus der Ersten Säule. Bei dieser Option gibt es Skepsis bezüglich der Effektivität und der begrenzten politischen Unterstützung. Die dritte Option schließlich löst sich von der Zwei-Säulen-Struktur der GAP und sieht stattdessen ein integriertes Modell mit aufeinander aufbauenden Instrumenten vor, die zum Teil flächendeckend, zum Teil regionsspezifisch zunehmend anspruchsvollere Umweltleistungen gestaffelt honorieren. Sie enthält insbesondere zwei innovative Policy-Instrumente: eine flächendeckende Prämie für Landschaftsvielfalt, welche Strukturvielfalt in der Landschaft honoriert und damit besser in Wert setzt, sowie eine standortgenaue Prämie zur Aufrechterhaltung der Landbewirtschaftung in Gebietskulissen, in denen eine unerwünschte großflächige Aufgabe der Landwirtschaft anders nicht abzuwenden ist. Diese Option erfordert weitere Investitionen in die Machbarkeit und die Mobilisierung politischer Unterstützung, könnte bei weiterer Ausarbeitung aber das Potenzial haben, Unterstützung bei Teilen der Agrarwirtschaft, bei Fachleuten, in den politischen Parteien sowie in der breiten Bevölkerung zu finden. Als vierte mögliche strategische Entwicklungsrichtung wurde die Umstellung der Regulierungslogik auf prinzipienbasierte Regulation vorgestellt, die mit den drei vorigen Strategien kombiniert werden könnte (Abschn. 8.5).

Die Projektbegleitende Arbeitsgruppe sprach sich im September 2016 einhellig dafür aus, bei der Vermittlung der Ergebnisse in die öffentliche und politische Diskussion (siebte Aufgabe) die dritte Option in den Mittelpunkt zu stellen. Parallel wurden zahlreiche Expertengespräche und vier Workshops durchgeführt. Dadurch konnte die Bewertung der drei Optionen auf eine breitere Basis gestellt und die Konsistenz und Verständlichkeit der Option 3 verbessert werden. Ein Werkauftrag diente dazu, das Konzept der auf GIS-Daten basierenden Prämien für Landschaftsvielfalt auf Machbarkeit zu überprüfen (siehe Abschn. 7.3.7).

Die Vorstellung des Policy-Papers auf einer Pressekonferenz mit Ministerin Dr. Barbara Hendricks am 17. Januar 2017 erhielt ein breites nationales Medienecho. Die Grundzüge der vorgeschlagenen neuen Architektur der Agrarpolitik wurden dabei zutreffend dargestellt. Die Diskussionen des Papiers und des Vortrags auf dem Agrarkongress des BMUB „Landwirtschaft mit Zukunft“ am selben Tag in Berlin zeigten, dass die erarbeiteten Vorschläge ernsthaft diskutiert wurden und in verschiedene Richtungen anschlussfähig sind.

Das BMUB veranstaltete ein Jahr später, am 16. Januar 2018, in Berlin einen weiteren Agrarkongress unter dem Titel „Gemeinsam Zukunft wachsen lassen. Ein Gesellschaftsvertrag für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucher“. Nach einem Einführungsvortrag der Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks und einem Grußwort des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft, Christian Schmidt, wurde in mehreren Vorträgen das Konzept des Gesellschaftsvertrags exploriert. Sprecher und Sprecherinnen aus den Bereichen der Agrar- und Ernährungswirtschaft, der Umwelt- und Entwicklungsverbände, der Wasserwirtschaft und des Gesundheitswesens formulierten die verschiedenen Anforderungen und Erwartungen an einen solchen Gesellschaftsvertrag. Anschließend widmeten sich zwei Diskussionsrunden mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie mit Politikerinnen und Politikern aus der Bundes- und Europapolitik den Chancen, Risiken und Perspektiven des Konzepts eines Gesellschaftsvertrags für die Landwirtschaft.

Zur Weiterentwicklung der Konzepte aus dem ZA-NExUS-Projekt vergab das Bundesamt für Naturschutz Ende Dezember 2017 eine Vertiefungsstudie (Förderkennzeichen 3517840900), deren Ergebnisse im Jahr 2020 vorgelegt werden sollen.

9.3 Reflexion und Ausblick

Das Projekt ZA-NExUS hat die gesetzten Aufgaben und Ziele erfüllt, wie im vorigen Abschnitt dargestellt wurde. Abschließend sollen kurz die Grenzen des Projekts sowie die Implikationen des methodischen Vorgehens reflektiert und der weitere Forschungsbedarf formuliert werden.

Zunächst ergeben sich generell Einschränkungen aus dem zeitlichen und budgetären Rahmen des Projekts. Das Forschungskonsortium aus vier Partnern konnte nicht vollständig alle relevanten Aspekte der Natur- und Umweltauswirkungen der Landwirtschaft abdecken. So war beispielsweise kein Mitglied des Projektteams durch Publikationen spezifisch zum Themenkreis Landwirtschaft und Klima ausgewiesen. Allerdings waren mehrere Mitglieder des Projektteams aus der wissenschaftliche Politikberatung und der Betreuung von Studienarbeiten mit diesem Themenkreis vertraut. Die iterative Begutachtung durch fünf Peer Reviewer war ein Versuch, eventuelle Lücken zu schließen.

Aufgrund des engen zeitlichen Rahmens war es nicht möglich, eine komplette systematische Studie der gesamten relevanten wissenschaftlichen Literatur vorzunehmen. Daher wurde so weit wie möglich auf vorhandene wissenschaftliche Überblicksstudien zurückgegriffen. Nicht möglich war dadurch beispielsweise ein detailliertes Review der unterschiedlichen Methoden der berücksichtigten Studien oder die Durchführung von Meta-Studien, wo die Datenlage dieses eventuell ermöglicht hätte. Es gibt jedoch keine Hinweise, dass ein solches Vorgehen die Grundaussagen zu den Natur- und Umweltauswirkungen der Landwirtschaft wesentlich verändert hätte. Es ist daher davon auszugehen, dass die Bestandsaufnahme der Problemlagen hinreichend zuverlässig und robust ist, um die darauf aufbauende Problembewertung mit wissenschaftlichem Anspruch zu begründen.

SWOT-Analysen und Leitbildentwicklungen sollten normalerweise unter direkter Einbeziehung der Beteiligten vorgenommen werden. Beides sind in erster Linie Instrumente der reflexiven Strategieentwicklung. Ein partizipatives Vorgehen unter Einbeziehung der relevanten gesellschaftlichen Gruppen hätte jedoch ein eigenes Projekt erfordert. Die Ergebnisse der SWOT-Analyse und der Leitbildentwicklung stehen insofern unter dem Vorbehalt einer Validierung durch die gesellschaftlichen Akteure. Sie können jedoch als Grundlage einer Reflexion und Diskussion über die Stärken und Schwächen der derzeitigen Agrarpolitik sowie über erwünschte Entwicklungsrichtungen und deren Operationalisierung dienen.

Bei der Entwicklung von Handlungsansätzen war es in der relativ kurzen Projektlaufzeit nicht möglich, alle interessanten und vielversprechenden Ansätze detailliert auszuarbeiten. Die drei strategischen Politikoptionen verbleiben auf einem relativ hohen Abstraktionsgrad. Sie erfüllen das Ziel, alternative strategische Entwicklungsrichtungen zu formulieren, beantworten aber nicht alle Fragen eines vollständigen Policy-Designs. Weiterhin sind die Handlungsempfehlungen bislang nicht mit Angaben zum jeweiligen Budget und der Höhe der verschiedenen Prämien verknüpft. Selbst wenn hier Szenarien formuliert worden wären, war eine Modellierung und Abschätzung der Politikwirkungen der verschiedenen Handlungsvorschläge nicht Teil des Projekts.

In der zweiten Hälfte des Projekts gewannen Fragen der Anschlussfähigkeit der aus dem Projekt hervorgehenden Empfehlungen an Gewicht. Dies hatte den Effekt, dass einige stärker visionäre Ansätze – etwa ein skalenübergreifendes partizipatives Ressourcenmanagement oder die Umstellung auf prinzipienbasierte Regulierung – nicht weiter verfolgt wurden. Im Ergebnis verblieb die Instrumentendebatte daher weitgehend innerhalb des etablierten agrarpolitischen Kosmos und das Policy-Paper stellt einen relativ moderaten Reformvorschlag dar. Allerdings würde eine Umsetzung der Empfehlungen aus dem Projekt durchaus erhebliche Politik-Innovationen beinhalten, wie etwa die Einführung einer flächendeckenden, auf GIS-Daten basierenden Prämie für Landschaftsvielfalt oder ein Kooperationsprogramm Natur und Landwirtschaft zur Erarbeitung von regionalen Programmen des integrierten Landschafts- und Ressourcenmanagements.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich insbesondere folgender weiterer Forschungs- und Entwicklungsbedarf:

  • Für die Weiterverfolgung des im ZA-NExUS-Projekt entwickelten Ansatzes ist es zunächst notwendig, die vorgeschlagenen Instrumente im Detail auszuarbeiten. Insbesondere wäre zu klären, wie ein Algorithmus für die Zahlung einer Prämie für die Honorierung landschaftlicher Vielfalt aussehen könnte, die auf GIS-gestützten Fernerkundungsdaten und einem fachlich belastbaren Satz mit nachvollziehbaren, gewichteten Faktoren basiert, die in die Berechnung der Höhe der Prämie eingehen. Weiterhin wäre beispielsweise zu klären, mit welchen Verfahren die Gebietskulissen bestimmt werden könnten, in denen Zahlungen zur Aufrechterhaltung der Landbewirtschaftung gestattet werden. Auch hier wären die Faktoren und Gewichtungen für eine differenzierte standortspezifische Kompensierung von Standortnachteilen zu begründen. Bei der Entwicklung der leistungsbezogenen Policy-Instrumente, die sowohl attraktiv für die Landwirtinnen und Landwirte als auch effektiv für die Ziele des Natur- und Umweltschutzes sein sollten, könnten verhaltenswissenschaftliche Experimente durchgeführt werden, von denen es im Hinblick auf die GAP bisher nur wenige gibt (Colen et al. 2015).

  • Auf dieser Basis müssten die Empfehlungen dann mit monetären Szenarien unterfüttert werden, um die Auswirkungen auf verschiedene Betriebstypen und Regionen abzuschätzen. Beispielsweise könnte für unterschiedliche Verteilungen eines bestimmten Budgets auf die verschiedenen Politik-Instrumente die Auswirkung auf Modellbetriebe abgeschätzt werden. Teil einer solchen Wirkungsanalyse sollten auch Interviews mit Landwirtinnen und Landwirten verschiedener Betriebstypen sein, um die Implikationen des vorgeschlagenen Modells aus Sicht der Betroffenen und mögliche Reaktionen abzuschätzen. Eine solche Wirkungsanalyse könnte auch verschiedene Budget-Szenarien berücksichtigen.

  • Aufbauend auf der Analyse der Reaktionen der landwirtschaftlichen Betriebe sollte eine Abschätzung der Wirkungen des hier vorgeschlagenen Ansatzes auf die Landnutzung und den Zustand der Güter des Natur- und Umweltschutzes vorgenommen werden. Dabei sollten nach Möglichkeit verschiedene räumliche und zeitliche Skalen in ihrer Wechselwirkung berücksichtigt werden.

  • Bei einer Abschätzung der Wirkungen auf die Managementpraktiken, die Betriebe sowie Natur- und Umweltgüter könnte auch ein Vergleich mit der derzeitigen GAP sowie alternativen Entwürfen für die künftige GAP vorgenommen werden, um die relativen Vor- und Nachteile der verschiedenen Politikvorschläge besser abschätzen zu können.

  • Hinsichtlich der Verteilungswirkungen könnte die hier vorgeschlagene neue Förderarchitektur insgesamt dazu führen, dass es zu einer stärkeren Differenzierung von Betrieben, die ihre Produktion eher auf den Weltmarkt ausrichten, und Betrieben, die vermehrt in die „Produktion“ von Natur- und Umweltschutzleistungen einsteigen, kommen wird. Welche Konsequenzen für die landwirtschaftlichen Einkommen damit verbunden wären, hängt vor allem auch davon ab, wie hoch die Prämien wären und welche Anpassungsmaßnahmen die Betriebe vornähmen. Eine Untersuchung in der Schweiz zeigt, dass „viele (von den Betriebsleitern vorgeschlagene Anpassungsmaßnahmen […] zu geringeren Produktionskosten – beispielsweise als Folge eines verminderten Kraftfuttereinsatzes oder reduzierter Nutzungsfrequenz steiler, wenig ertragreicher Wiesen“ führen und damit zu einem vergleichbaren landwirtschaftlichen Einkommen (Bosshard und Meierhofer 2014, S. 6). Des Weiteren wäre anhand von Modellrechnungen zu klären, welche Veränderungen in der Produktion unterschiedlicher Erzeugnisse zu erwarten wären.

  • In konsequenter Fortsetzung eines systemischen Ansatzes sollte die Betrachtung über die landwirtschaftlichen Flächen hinaus auf die gesamte Fläche ausgeweitet werden. So wäre beispielsweise zu überlegen, welche Rolle der GAP im Rahmen eines integrierten Landschafts- und Ressourcenmanagements zukommen könnte, das auch Waldflächen, Wassermanagement und Klimaschutz umfasst. Wünschenswert wären wissenschaftlich begleitete Pilotstudien, in denen intersektorale Kooperationen gefördert werden, die innovative Kooperationsansätze entwickeln und testen. Dabei würde es sich um transdisziplinäre Projekte im Sinne der Aktionsforschung handeln.

  • Der hier vorgeschlagene Ansatz setzt relativ stark auf einen Trend zur Digitalisierung von Information und deren Verknüpfung mit GIS-gestützten Daten (z. B. bei den vorgeschlagenen Prämien zur Honorierung von Landschaftsvielfalt sowie zur Aufrechterhaltung der Landbewirtschaftung in Gebietskulissen zum Erhalt der Landschaftsvielfalt). Damit könnte ein bestehender Trend zur Digitalisierung der Agrarwirtschaft weiter verstärkt werden. Über die strukturpolitischen, organisationssoziologischen und arbeitstechnischen Implikationen besteht Forschungsbedarf.

  • Weiterhin wäre der Ansatz einer integrierten Agrar- und Ernährungspolitik weiter zu entwickeln, der die gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Kosten des gesamten Ernährungssystems in den Blick nimmt. Dies würde den Blick verstärkt auf die Wertschöpfungskette von der landwirtschaftlichen Urproduktion über die Verarbeitung und den Handel bis zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern lenken.

  • Daneben sollten die Potenziale einer Ko-Regulierung von öffentlichen und privaten Standards zur Verbesserung des Natur- und Umweltschutzes systematisch erforscht werden, da hier ein Ansatzpunkt bestehen könnte, das Problem einer Importkonkurrenz mit geringeren Standards und damit der bloßen geographischen Verschiebung von Naturschutz- und Umweltproblemen effektiver anzugehen.

  • Nicht zuletzt sollte der Ansatz weiter ausgearbeitet werden, das Steuerungsmodell der Gemeinsamen Agrarpolitik auf prinzipienbasierte Regulierung umzustellen. Dabei sollten die Voraussetzungen und Implikationen geklärt und mit relevanten gesellschaftlichen Gruppen diskutiert werden. Weiterhin wären die Potenziale dieses Ansatzes für die Durchsetzung eines im Vergleich zu heute höheren Niveaus im Natur-, Umwelt- Tier- und Verbraucherschutz abzuschätzen.

Im Hinblick auf die Anschlussfähigkeit des im Projekt ZA-NExUS entwickelten Ansatzes an die laufende agrarpolitische Diskussion wären die folgenden Fragen zu diskutieren:

  • Kann das Konzept in der bestehenden Zwei-Säulen-Struktur verankert werden, falls sich diese als politisch gesetzt erweisen sollte?

  • Welche Grade der vollständigen oder teilweisen Finanzierung aus EU-Mitteln wären für die verschiedenen Elemente des hier vorgeschlagenen Modells systematisch zu rechtfertigen?

  • Welche Investitionen in Fernerkundung, GIS-Technologien und andere ICT-Verfahren sind notwendig, um in einem Zeitraum bis spätestens 2027 eine Verwaltungsvereinfachung durch semi-automatische Prämienzuteilung zu ermöglichen? Welche Implikationen ergeben sich für den Datenschutz? Welche Potenziale der Verwaltungsvereinfachung und Entbürokratisierung ergeben sich daraus?

  • Wie würde eine institutionelle Auslagerung der Finanzierung des Natur- und Umweltschutzes in einen separaten Naturschutzfonds außerhalb der GAP die Programmierung und Implementation der Agrarumweltpolitik verändern?

Die Etablierung einer Agrarpolitik, welche die Anliegen des Natur- und Umweltschutzes besser berücksichtigt, ohne die Produktionsfunktion der Landwirtschaft zu vernachlässigen, erfordert anspruchsvolle Mindeststandards und deren konsequente Durchsetzung, leistungs- und ergebnisorientierte politische Programme, kooperative Lernprozesse und die konsequente Beachtung systemischer Zusammenhänge auf verschiedenen räumlichen und zeitlichen Skalen. Sie erfordert eine gute Datengrundlage, Transparenz, ein lernorientiertes Monitoring und einen Dialog zwischen wissenschaftlichem und nicht-wissenschaftlichem Wissen. Dabei müssen die Landwirtinnen und Landwirte nicht nur „mitgenommen“ werden, sondern aktiv beitragen können.

Die bisherige Entwicklung kann nicht dauerhaft fortgeführt werden. Der Status quo ist keine nachhaltige Option. Notwendig sind eine ehrliche Bestandsaufnahme, Kreativität und innovative Ansätze. Die Autorinnen und Autoren dieses Berichts wären zufrieden, wenn die hier vorgelegten Ergebnisse und Überlegungen dazu einen Beitrag leisten können.