FormalPara Zusammenfassung

Der Deutsche Bundestag, dessen Abgeordnete im Ausschuss für Gesundheit, das Bundesgesundheitsministerium, die Landesgesundheitsminister und der Bundesrat setzen jährlich neben den gesundheits- auch die krankenhauspolitischen Rahmenbedingungen. Die Gesundheitsexperten der Parteien, diverse Verbände, die (Sozial-)Gerichtsbarkeit und Bundesbehörden sowie politiknahe und wissenschaftliche Institute prägen dabei die öffentliche Diskussion um diese Regelungen. Die Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene nutzen die ihnen übertragenen vertraglichen Freiräume, um die medizinische und pflegerische Versorgung in den Krankenhäusern weiterzuentwickeln. Mit der „Krankenhauspolitischen Chronik“ liegt eine Übersicht über alle wesentlichen Entscheidungen der Akteure der deutschen Gesundheits- und Krankenhauspolitik vor und informiert über die Aktivitäten in den vergangenen 12 Monaten.

The Deutscher Bundestag, its members of the Health Committee, the Federal Ministry of Health, the state health ministers and the Bundesrat set the health and hospital policy framework conditions every year. The parties’ health experts, various associations, the (social) judiciary and federal authorities as well as policy-related and scientific institutes shape the public discussion about these regulations. The self-governing partners at the federal level use the contractual freedom conferred on them to further develop medical and nursing care in hospitals. The “Hospital Policy Chronicle” provides an overview of all major decisions taken by players in German health and hospital policy and provides information on activities over the past 12 months.

Die Wahl zum 19. Deutschen Bundestag am 24. September 2017 hat nicht nur ein größeres Parlament, sondern auch neue Herausforderungen für alle Verantwortlichen geschaffen. Zunächst freuen konnten sich die Mitglieder der „Freien Demokratischen Partei“ (FDP), die mit 10,7 Prozent die Zeit ihrer außerparlamentarischen Opposition mehr als glückselig beenden konnten. Aber diese Freude verflog recht schnell, da die Option auf ein neues Regierungsbündnis mit CDU/CSU und Grünen platzte. Dass es im Deutschen Bundestag jemals eine Kraft geben würde, die den Raum rechts von der CDU/CSU besetzen könnte, war für viele nicht vorstellbar. Dass es dann sogar der „Alternative für Deutschland“ (AfD) mit 12,6 Prozent der Wählerstimmen gelang, drittstärkste Kraft zu werden, sorgte für erheblichen Frust. Des Wählers Frust zu spüren bekamen sowohl CDU/CSU als auch SPD. Denn beide Volksparteien erzielten bei dieser Bundestagswahl die schlechtesten Ergebnisse und müssen zudem die ungewollte Große Koalition fortsetzen. Eine Fortsetzung ihrer Arbeit gelang zwei führenden Gesundheitspolitikern nicht mehr. Zum einen wurde die bisherige parlamentarische Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU), die sogar kurzfristig als neue Gesundheitsministerin in den Medien gehandelt worden war, als Staatsministerin ins Bundeskanzleramt berufen, wo sie nun für Migration, Flüchtlinge und Integration zuständig ist. Zum anderen wurde Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) abgelöst. Er hat zwar noch den schwarz-roten Koalitionsvertrag mitentwickelt, aber umsetzen muss ihn nun Jens Spahn (CDU): ein klassischer Rollentausch. Denn zuvor musste Gröhe die Spahn‘schen Ideen aus dem Koalitionsvertrag 2013 bis 2017 umsetzen, nun liegt es an Spahn, die Verhandlungsvorgaben von Gröhe mit Leben zu füllen. Hermann Gröhe wird stattdessen das Verhandlungsgeschick seines Nachfolgers aus der Perspektive des Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU für Arbeit und Soziales erleben.

Obwohl bereits die vergangene 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages mit 25 gesundheitspolitischen Gesetzen und diesbezüglichen 18 Rechtsverordnungen sehr arbeitsintensiv war, sind für diese Amtszeit nicht weniger gesundheitspolitische Initiativen zu erwarten. Denn der Koalitionsvertrag „Ein neuer Aufbruch für Europa – Eine neue Dynamik für Deutschland – Ein neuer Zusammenhalt für unser Land“ schafft viel Raum für entsprechende dynamische gesetzgeberische Aktivitäten der politischen Verantwortungsträger. Als Schlagworte seien hier nur GKV-Finanzierung, E-Health und Gesundheitswirtschaft oder Sektorübergreifende Versorgung angeführt. Natürlich ist auch dem Krankenhausbereich wieder einmal ein eigener Abschnitt im Koalitionsvertrag gewidmet worden. Allen ist sicherlich auch der Pflege-Azubi Alexander Jorde in Erinnerung geblieben, der die Bundeskanzlerin in der „ARD-Wahlarena“ durch seine Nachfragen zu den Auswirkungen des Fachkräftemangels in der Kranken- und Altenpflege in arge Bedrängnis gebracht hatte. Daher wurde auch ein umfangreiches Maßnahmenpaket „Pflege“ im Koalitionsvertrag vereinbart.

Der Koalitionsvertrag verschafft Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nicht nur einen umfangreichen Gestaltungsauftrag, er verfügt zudem auch über einen sehr großen Gestaltungswillen. Dass sich dieser nicht darauf beschränken lässt, einfach nur einen Koalitionsvertrag abzuarbeiten, wurde nicht nur bei Spahns erstem gesundheitspolitischem Gesetzentwurf, dem GKV-Versichertenentlastungsgesetz, deutlich. Mit der „zwangsweisen Beitragsabsenkung“ bei den gesetzlichen Krankenkassen hat er ein Statement gesetzt. Darüber hinaus bewies Minister Spahn Tatkraft bei seiner zweiten gesundheitspolitischen Initiative, den „Eckpunkten zum Sofortprogramm Kranken- und Altenpflege“. Denn statt wie im Koalitionsvertrag fixiert 8.000 zusätzliche Fachkräftestellen in Pflegeheimen durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) finanzieren zu lassen, sollen es nun 13.000 Fachkräftestellen sein.

Mit den Eckpunkten wird aber auch die Pflege im Krankenhaus zu einer riesigen „Reform-Baustelle“. Denn die Einführung einer Sonderfinanzierung für das Pflegepersonal im Krankenhaus losgelöst vom DRG-System erfordert eine komplexe Bereinigung der DRG-Fallpauschalen um die Pflegepersonalkosten. Die Finanzierung der Pflegepersonalkosten der Krankenhäuser wird auf eine neue, von den Fallpauschalen unabhängige, krankenhausindividuelle Vergütung der Pflegepersonalkosten ab dem Jahr 2020 umgestellt. Dieses Vorhaben birgt erhebliche Risiken und Nebenwirken sowohl für die Existenz des Gesamtvergütungssystems der DRGs als auch für das einzelne Krankenhaus. Das Pflegekostenvolumen von nicht weniger als 15 Milliarden Euro soll zukünftig nicht mehr über Pauschalen an die Krankenhäuser ausgezahlt und zur „freien Verfügung“ gestellt werden, sondern „(…) auf Grundlage der von den Krankenhäusern geplanten und nachgewiesenen Pflegepersonalausstattung und der entsprechenden Kosten (krankenhausindividuelle Kostenerstattung). Die zweckentsprechende Mittelverwendung ist nachzuweisen. Nicht zweckentsprechend verwendete Mittel sind zurückzuzahlen.

Die Rückkehr zu einer Erstattung der krankenhausindividuellen Kosten für die Pflege 15 Jahre nach Einführung eines leistungsorientierten DRG-Vergütungssystems stellt nicht weniger als einen Paradigmenwechsel dar. Die Zweckentfremdung von Mitteln zur Finanzierung der Pflege z. B. für Investitionen wäre so aber künftig nicht mehr möglich. Aber auch die Vorgabe der Zweckbindung der finanzierten Mittel für das Pflegepersonal wird für viele Krankenhäuser eher einschränkend wirken. Denn laut Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion überschreitet das DRG-Erlösvolumen für den Pflegedienst sogar die von den Krankenhäusern angegebenen Pflegepersonalkosten um rund 160 Millionen Euro (Bundestags-Drs. 19/2321 vom 24.05.2018).

Dass die Bundesländer mit Blick auf die Diskussionen in der Vergangenheit bereit sind, ihre Investitionskostenfinanzierung entsprechend anzupassen, ist stark zu bezweifeln. Die Antwort des BMG auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion aus dem Mai 2018 (Bundestags-Drs. 19/2271 vom 23.05.2018) macht deutlich, dass der Fördermittelanteil der Bundesländer seit 1991 von rund 10 Prozent auf ca. 3,5 Prozent des Gesamtumsatzes im Jahr 2015 zurückgegangen ist: mit fatalen Auswirkungen auf die Investitionsfähigkeit der Krankenhäuser. Der bis 2020 verlängerte Krankenhausstrukturfonds wird zwar zusätzliche vier Milliarden Euro an Investitionsmitteln bereitstellen. Diese Aufstockung und Verlängerung wird aber sicherlich nicht ausreichen, um die damit verbundenen politischen Ziele wie z. B. „(…) die Anpassung bestehender Versorgungskapazitäten an den tatsächlichen Versorgungsbedarf sowie die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Krankenhausversorgung“ nachhaltig zu gewährleisten. Stattdessen wurde der Strukturfonds nun sogar um neue Fördertatbestände erweitert wie „(…) die telemedizinische Vernetzung von Krankenhäusern“ und darüber hinaus auch die „(…) Investitionen in Ausbildungsstätten“, die ebenfalls einen Anteil aus dem Fördertopf für sich beanspruchen werden.

Es wird, falls diese Koalition wirklich über die gesamte Restlaufzeit von noch drei Jahren halten sollte, eine spannende gesundheitspolitische Zeit. Denn eins ist sicher: Auch zukünftig wird es allen Beteiligten nicht an Arbeit mangeln.

Tab. 15.a Krankenhauspolitische Chronik

Die Krankenhauspolitische Chronik ab dem Jahr 2000 bis Juni 2017 finden Sie unter https://doi.org/10.1007/978-3-662-58225-1.