Zusammenfassung
Wir haben bisher gesehen, was die prinzipiellen Ideen sind, die zum Integralbegriff geführt haben. Auch Anwendungen in den unterschiedlichsten Gebieten wurden schon angerissen. Nun müssen wir uns aber mit einem eher technischen Thema auseinandersetzen, nämlich der Frage, ob und wie man für allgemeine, beliebig zusammengesetzte Funktionen jeweils Stammfunktion angeben, sie also integrieren kann.
Die Antwort ist ebenso kurz wie erst einmal enttäuschend: Eine allgemeine Methode, Stammfunktionen zu finden, quasi eine unmittelbare Entsprechung zu den universellen Ableitungsregeln gibt es nicht. Tatsächlich kennt man genug Funktionen, deren Stammfunktionen sich bewiesenermaßen nicht mehr mittels elementarer Funktionen ausdrücken lassen. Nichtsdestotrotz werden wir in diesem Kapitel eine Sammlung von Techniken und Tricks kennenlernen, mit denen sich doch viele Integrale in den Griff bekommen lassen. Dies sind quasi die Haken und Seile unserer Integrations-Klettertouren.
So automatisiert wie beim Differenzieren geht es bei der Integration aber trotzdem selten zu – ein Indiz dafür ist, dass Computeralgebrasysteme keine Probleme haben, auch komplizierteste Ausdrücke in Sekundenbruchteilen zu differenzieren, an Integralen hingegen immer noch oft scheitern oder zumindest unnötig komplizierte und unübersichtliche Ausdrücke produzieren. Intuition und Übung spielen bei Integrationsaufgaben eine entscheidende Rolle.
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Appendices
Zusammenfassung
1.1 Schon elementare Umformungen können Integrale wesentlich einfacher machen
Definitionsgleichungen und Identitäten können das Lösen eines Integrals deutlich erleichtern.
1.2 Die logarithmische Integration ist eine der nützlichsten Integrationsmethoden überhaupt
Logarithmische Integration
Ist bei einem Integral der Integrand ein Bruch, bei dem im Zähler die Ableitung des Nenners steht, so kann man direkt integrieren:
Gleiche Integrale lassen sich oft auf ganz verschiedene Arten darstellen, die aber alle äquivalent sind.
1.3 Integration der Produktregel führt zur Methode der partiellen Integration
Partielle Integration
Für zwei differenzierbare Funktionen \(u\) und \(v\) mit den Ableitungen \(u^{\prime}\) und \(v^{\prime}\) gilt die Regel der partiellen Integration oder Produktintegration:
Partielle Integration kann selbst dann Erfolg haben, wenn sie zum Ausgangsintegral zurückführt, nämlich dann, wenn man die erhaltene algebraische Gleichung nach dem gesuchten Integral auflösen kann.
1.4 Die Substitutionsmethode folgt aus der Integration der Kettenregel
Substitutionsmethode
Es gilt:
wenn \(u\) eine differenzierbare Funktion von \(x\) und im Integrationsbereich überall \(u^{\prime}\neq 0\) ist. Dabei bezeichnet \(x(u)\) die Umkehrfunktion von \(u(x)\).
Auch bei bestimmten Integralen kann man die Substitutionsmethode anwenden, dabei muss man jedoch auch die Grenzen umrechnen.
1.5 Der erste Schritt bei der Integration rationaler Funktionen ist oft eine Polynomdivision
Das ist immer dann notwendig, wenn der Grad des Zählerpolynoms größer oder gleich dem des Nennerpolynoms ist.
1.6 Der entscheidende Schritt bei der Integration echt gebrochener Funktionen ist die Partialbruchzerlegung
Eine Möglichkeit, die Koeffizienten der Partialbruchzerlegung zu ermitteln ist der Koeffizientenvergleich. Dabei wird auf gemeinsamen Nenner gebracht und nach Potenzen der Variablen sortiert. Die Koeffizienten jeder Potenz müssen auf beiden Seiten übereinstimmen.
Auch durch Einsetzen konkreter Werte lassen sich die Koeffizienten der Partialbruchzerlegung bestimmen (Polstellenmethode).
1.7 Mehrfache Nullstellen müssen in der Partialbruchzerlegung auch mehrfach berücksichtigt werden
Für eine Nullstelle \(x_{j}\) der Vielfachheit \(\nu_{j}\) erhält man
1.8 Komplexe Nullstellen können auf zwei Arten behandelt werden
Entweder man arbeitet mit den komplexen Werten oder man fasst die beiden konjugiert komplexen Nullstellen zusammen, was einen Term der Form \(\frac{Cx+D}{x^{2}+px+q}\) liefert.
1.9 Viele Integrale lassen sich durch geeignete Substitutionen auf rationale Form bringen und entsprechend einfach lösen
Eine besonders wichtige Substitution ist \(x=\tan\frac{t}{2}\), die aus rationalen Funktionen in \(\sin t\) und \(\cos t\) eine rationale Funktion in der neuen Variablen \(x\) macht.
1.10 Integrale lassen sich näherungsweise durch Integration von Approximationspolynomen bestimmen
Numerische Integration ist dann wichtig, wenn sich keine Stammfunktion des Integranden mehr finden lässt. Die Integration von Approximationspolynomen ist dazu eine sehr effiziente Methode.
1.11 Die Trapezformel ist eine einfache Variante, bestimmte Integrale näherungsweise auszuwerten
Zusammengesetzte Trapezformel
Als Näherungswert für das Integral über eine Funktion \(f\) im Intervall \([a,\,b]\) erhält man mit \(y_{k}=f(x_{k})\) und \(x_{k}=a+k\frac{b-a}{n}\), \(k=0,\ldots,\,n\):
1.12 Die Simpson-Formel liefert bei gleichem Aufwand meist deutlich bessere Ergebnisse als die Trapezformel
Zusammengesetzte Simpson-Formel
Die Simpson-Formel liefert als Näherung für das Integral \(\int_{a}^{b}f(x)\,\mathrm{d}x\)
mit \(y_{k}=f(x_{k})\) und \(x_{k}=a+k\frac{b-a}{n}\), \(k=0,\ldots,\,n\).
1.13 Für die Integration mit hoher Genauigkeit stehen Quadraturformeln höherer Ordnung zur Verfügung
Dabei werden Approximationspolynome höherer Ordnung integriert. Besonders wichtig sind dabei Verfahren, die auf Orthogonalpolynomen beruhen.
1.14 Einen Sonderstatus unter den Quadraturformeln nimmt das Romberg-Verfahren ein
Dieses Verfahren erlaubt es, Ergebnisse von Quadraturen niedriger Ordnung zu Ergebnissen höherer Ordnung zu kombinieren.
Aufgaben
Die Aufgaben gliedern sich in drei Kategorien: Anhand der Verständnisfragen können Sie prüfen, ob Sie die Begriffe und zentralen Aussagen verstanden haben, mit den Rechenaufgaben üben Sie Ihre technischen Fertigkeiten und die Anwendungsprobleme geben Ihnen Gelegenheit, das Gelernte an praktischen Fragestellungen auszuprobieren.
Ein Punktesystem unterscheidet leichte Aufgaben •, mittelschwere •• und anspruchsvolle ••• Aufgaben. Lösungshinweise am Ende des Buches helfen Ihnen, falls Sie bei einer Aufgabe partout nicht weiterkommen. Dort finden Sie auch die Lösungen – betrügen Sie sich aber nicht selbst und schlagen Sie erst nach, wenn Sie selber zu einer Lösung gekommen sind. Ausführliche Lösungswege, Beweise und Abbildungen finden Sie auf der Website zum Buch.
Viel Spaß und Erfolg bei den Aufgaben!
2.1 Verständnisfragen
12.1
• Als Umkehrung welcher Rechenregeln ergeben sich Substitution und partielle Integration?
12.2
•• Man bestimme das Integral
12.3
•• Substituieren Sie im Integral
\(u=1/x\) und vergleichen Sie die Konvergenzeigenschaften des ursprünglichen und des neuen Integrals in Abhängigkeit von \(\alpha\in\mathbb{R}\).
12.4
•• Eine Methode, Integrale der Form
numerisch zu bestimmen ist es, eine Genauigkeit \(\varepsilon> 0\) vorzugeben, dann die Folge der Integrale
mit \(a<b_{1}<b_{2}<b_{3}<\ldots\) zu bestimmen und den Prozess abzubrechen, wenn \(\left|I_{n}-I_{n-1}\right|<\varepsilon\) ist. Vergleichen Sie die beiden Möglichkeiten \(b_{n}=100\,n\) und \(b_{n}=10^{n}\) für die beiden Integrale
mit einer vorgegebenen Genauigkeit \(\varepsilon=10^{-6}\). Was ist der prinzipielle Nachteil dieser Methode?
2.2 Rechenaufgaben
12.5
• Man bestimme die im Folgenden angegebenen Integrale:
12.6
••
12.7
••
12.8
••
12.9
••
12.10
••
12.11
••
12.12
••
12.13
••
12.14
••
12.15
••
12.16
••
12.17
••
12.18
••
12.19
••
12.20
••
12.21
•• Man zeige die Beziehung
12.22
• Die Funktion \(f\) sei auf \(\mathbb{R}\) zweimal stetig differenzierbar. Zeigen Sie für alle Intervalle \([a,\,b]\)
12.23
•• Man bestimme einen allgemeinen Ausdruck für Integrale der Form
mit \(n\in\mathbb{N}\).
12.24
•• Man bestimme jeweils eine Rekursionsformel für die Integrale
12.25
•• Man zeige, dass die Reihe
konvergent ist und bestimme ihren Wert.
2.3 Anwendungsprobleme
12.26
•• Die Geschwindigkeit einer Rakete, die mit Startgeschwindigkeit \(v_{0}=0\) abhebt, ist durch
gegeben, wobei \(m_{0}\) die Masse der Rakete beim Start, \(q\) die Rate des Massenausstoßes (und damit des Treibstoffverbrauchs) und \(g\) die Erdbeschleunigung bezeichnet. Bestimmen Sie den bis zu einer Zeit \(t=t_{f}\) (final) zurückgelegten Weg \(s(t_{f})=\int_{0}^{t_{f}}v(t)\,\mathrm{d}t\) unter der Annahme (näherungsweise) konstanter Erdbeschleunigung. Schätzen Sie die maximale Zeit, für die die obige Formel Gültigkeit hat.
12.27
•• Implementieren Sie in einer Programmiersprache Ihrer Wahl die Trapez- und die Simpson-Formel. Testen Sie sie an einigen Funktionen, deren Integrale Sie analytisch bestimmen können. Vergleichen Sie die Effizienz der beiden Methoden.
12.28
•• Schreiben Sie in einer Programmiersprache Ihrer Wahl einen einfachen Monte-Carlo-Integrator. Testen Sie ihn an einigen Funktionen, deren Integrale Sie analytisch bestimmen können.
12.29
• Auch die rekursive Implementierung der Simpson-Formel auf S. 456 hat natürlich mit jenen Schwächen zu kämpfen, die zu Beginn von Abschnitt 12.5 angeführt wurden. Finden Sie eine Funktion, für die simpson einen völlig falschen Wert liefert.
12.30
•• Die rekursive Implementierung der Simpson-Formel auf S. 456 bietet noch einige Möglichkeiten für Verbesserungen. Modifizieren Sie die Funktion so, dass bereits benutzte Funktionswerte bei den rekursiven Aufrufen weiterverwendet und nicht wieder neu berechnet werden. Ergänzen Sie zudem, dass die maximal benötigte Rekursionstiefe und die Gesamtzahl der Funktionsaufrufe ermittelt und ausgegeben werden.
Antworten der Selbstfragen
Antwort 1
Ja, wenn man im Zähler einen Faktor \(2\) ergänzt. Dann erhält man
Antwort 2
Dazu substituieren wir \(u=ax+b\) und erhalten \(\mathrm{d}u/\mathrm{d}x=a\).
Antwort 3
Wir schneiden die Gerade \(y=t\,(x-1)\) mit dem Kreis \(x^{2}+y^{2}=1\). Einsetzen liefert
Wir wissen, dass \(x=-1\) eine Lösung dieser Gleichung ist, und erhalten durch Division
Daraus ergibt sich unmittelbar:
Antwort 4
Nein. Beispielsweise gibt es im Fall \(a_{n}=\sqrt{n}\) zu jedem \(\varepsilon> 0\) einen Index, ab dem die Differenz zweier aufeinander folgender Glieder kleiner wird als \(\varepsilon\), die Folge divergiert jedoch.
Antwort 5
Die beste Strategie ist es meist, das Schema zeilenweise zu durchlaufen. Am Ende einer Zeile steht dann jeweils ein Ergebnis, in das alle bisherigen eingeflossen sind und das man bei Erfüllung geeigneter Kriterien als Endergebnis der numerischen Integration akzeptieren kann.
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Arens, T., Hettlich, F., Karpfinger, C., Kockelkorn, U., Lichtenegger, K., Stachel, H. (2018). Integrationstechniken – Tipps, Tricks und Näherungsverfahren. In: Mathematik. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-56741-8_12
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-56741-8_12
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Publisher Name: Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg
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