5.1 Falldarstellung

Was geschah …

Sabine ist nun schon 13 Jahren als Rettungsassistentin im „Notfallmedizin-Geschäft“, dennoch ist ihr Ihre Begeisterung und Motivation bisher voll erhalten geblieben. Auch die soziale Interaktion mit ihren Kollegen/-innen ist ihr sehr wichtig, denn sie hält das kollegiale Miteinander für eine Schlüsselressource im an sich potenziell belastenden Arbeitsumfeld. Bei Schichtbeginn auf dem NEF schaut sie, welcher Notarzt denn wohl heute seinen Dienst versieht. Erfreut liest sie, dass Harald heute eingeteilt ist, ein als erfahren geltender Facharzt, den Sabine schon seit vielen Jahren als NA kennt und ihn aufgrund seiner besonnenen und kompetenten Art zu schätzen gelernt hat. Sie haben schon einige Schichten miteinander bewältigt; Harald ist zwar eigentlich Anästhesist in einer anderen Klinik, aber aufgrund eines Hauskaufs und der daraus resultierenden knappen Finanzlage macht er vergleichsweise viele NA-Dienste. Sabine schätzt an Harald, dass er offensichtlich für seine Arbeit brennt: Keine Zusatzschicht ist zu viel, kein Einsatz zu aufwendig, immer begeistert bei der Sache, auch wenn manchmal das Schlafdefizit aufgrund der hohen Arbeitsbelastung hoch ist. Aber irgendetwas hat sich in den letzten Wochen und Monaten mit Harald verändert. Früher war er eine sehr humorvolle Frohnatur, der auch mal einen scherzhaft gemeinten Flirt mit Sabine nicht scheute. Nun wirkte er nicht nur Sabine gegenüber stets ernst und lediglich sachorientiert, sondern auch bei anderen. Früher nahm er aktiv am Leben auf der Rettungswache teil und beteiligte sich an der Kameradschaftspflege. Nun zog er sich immer sogleich in seinen Ruheraum zurück, auch Sabines Kollegen war dies schon aufgefallen. Von seiner humorigen Art ist leider nicht viel übriggeblieben, auch von einigen gereizten Reaktionen war schon berichtet worden.

Sabine will sich hiervon aber nicht vorab beeinflussen lassen, sondern will vielmehr mit der ihr von den Kollegen nachgesagten „sensiblen Antenne“ achtsam sein, wie es um Harald wirklich steht.

Auch in dieser Schicht grüßt der erschöpft wirkende Harald nur kurz und knapp, ehe er sich in seinen Ruheraum zurückzieht. Etwa zwei Stunden nach Dienstbeginn erfolgt die erste Alarmierung zu einer älteren Patientin mit hypertensiver Krise. Sabine erinnert sich an Haralds flapsigen Spruch vor länger Zeit: „Lieber zu viel Druck als garkeinen …“. Nun sitzt er annähernd teilnahmslos und wortkarg neben ihr im NEF. Auf Sabines lockere Frage, wie es ihm geht erwidert er nur kursorisch, dass sein Chef ihm in der Klinik mit Arbeit überschüttet, seine Kollegen aber in Karriereangelegenheiten bevorzugt. Wenig zuträglich sei es, dass es in der Familie wohl auch relativ viel Unmut über seine vielen und langen Abwesenheiten gibt, was auch schon zu offenen Konfliktsituationen geführt hätte. Ergänzend fügt er hinzu, dass ihm der ganze Ärger den Schlaf rauben würde, ehe er schon fast erschrocken stockt, scheinbar weil er Sabine gegenüber spontan so viel erzählt hat. Der Rest der Fahrt bleibt wortlos.

An der Einsatzstelle angekommen befragt Harald recht knorrig die über achtzigjährige Patientin, die berichtet, dass Sie mehrfach mit ihrem eigenen Blutdruckmessgerät am Handgelenk für sie unübliche Blutdruckwerte über 180 mmHg systolisch gemessen hat. Körperliche Symptome verspürt sie eigentlich keine, doch sei sie wegen der erhöhten Werte nun zunehmend beunruhigt, und der Anrufbeantworter des Hausarztes hätte „im Notfall“ auf den Rettungsdienst verwiesen. Für Sabine völlig überraschend und plötzlich platzt Harald der Kragen. Er fährt die Frau an, warum sie einen Notruf abgesetzt hätte, der nun zu einem in seinen Augen völlig unangemessenen Notarzteinsatz geführt hat. Die ältere Dame weiß gar nicht wie ihr geschieht und ringt nach einer Erklärung für ihr Hilfegesuch. Harald lässt aber nicht locker und fragt die Patientin, ob sie auch den Notruf gewählt hätte, wenn sie selbst und nicht die Krankenkasse dafür aufkommen müßte. Da sie diese Frage für vollkommen überzogen und unsachlich hält, springt Sabine spontan dazwischen und beschwichtigt die aufgebrachte Patientin mit ihrer empathischen Art. Harald scheint dies nicht zu stören, er zieht sich an den Küchentisch in der Wohnung zurück und schreibt kurz und knapp ein Notarztprotokoll, aus dem hervorgeht, dass er keinen rettungsdienstlichen Behandlungsbedarf oder gar die Notwendigkeit einer stationären Einweisung ins Krankenhaus sieht. Über die Besatzung des parallel eingetroffenen Rettungswagens lässt er den kassenärztlichen Notdienst verständigen mit den Worten: „Soll der sich doch um den Sch … kümmern.“

Hypertensive Krise

Der (Notarzt-)Einsatzanlass hypertensive Krise ist ein Schmankerl der insbesonderen deutschen Notfallmedizin. Die meisten Alarm- und Ausrückeordnungen (AAO) der Rettungsleitstellen sehen hier einen Notarzteinsatz vor. Die Disponenten handeln also korrekt, wenn sie den Notarzt aufbieten. Allerdings ist dies medizinisch gesehen äußerst fragwürdig Fahrzeuge mit Sondersignal durch die Gegend zu scheuchen oder gar einen Hubschrauber aufsteigen zu lassen. Zweifellos hat ein chronisch erhöhter Blutdruck schwere negative Folgeerscheinungen, die Liste der drohenden Organschäden ist lang und hier sicher auch unvollständig: Herz, Niere, Gefäße, Gehirn, Augen …

Jedoch bemisst die Zeitdauer mit erhöhtem Blutdruck (meist in Monaten oder gar Jahren) diese Organschäden und nicht die absolute Höhe bei einer kurzfristigen Entgleisung. Häufig setzt auch noch eine unheilvolle Spirale ein, wenn der Patient beschwerdefrei selbst einen erhöhten Blutdruck misst, was ihn beunruhigt und verängstigt, was wiederum den Sympathikus ankurbelt. So ist es nicht überraschend, wenn der Blutdruck immer höher klettert. Doch leider hat der Notarzt in der Regel gar keine medikamentösen Optionen den Blutdruck mittel- bzw. langfristig zu senken, so dass es dann trotzdem zu einer Klinikvorstellung kommt. Somit ist die alleinige hypertensive Entgleisung kein Notfall, dies bestätigt auch die Leitlinie des ESC [1].

Anders ist es natürlich, wenn die hypertensive Entgleisung Folge oder Begleiteffekt einer anderen bedrohlichen Störung ist: Man denke hier an zerebrale Ereignisse, akute Sehstörungen, Angina-Pectoris oder das Akute Aortensyndrom. Einen Sonderfall nehmen schwangere Patientinnen ein, hier will wohl niemand die Verantwortung übernehmen ab zu warten. Eine Klinikvorstellung ist hier absolut indiziert. Ansonsten ist der sonst beschwerdefreie Patient mit hypertensiver Entgleisung kein Notfallpatient, da bei den o g. Störungen eine weitere Symptomatik vorliegen müsste. Eine Ausnahme gilt es noch zu benennen, bei der die Organschädigung direkter Effekt einer Blutdruckkrise ist: Das hypertensive Lungenödem (Sympathetic Crashing Acute Pulmonary Edema – SCAPE) sollte durch aggressive Blutdrucksenkung und wenn notwendig durch nicht-invasive Beatmung therapiert werden. Aber auch dieses Krankheitsbild liegt sicher nicht vor, wenn der Patient beim Notruf keine entsprechende Symptomatik aufweist.

… so geht es weiter …

Als das Rettungsdienstteam die Wohnung mit der verdattert wirkenden Patientin verlässt, weiß Sabine nicht, wie sie mit dieser Situation umgehen soll. Die Rückfahrt bleibt annähernd wortlos, Harald betont nur, dass er auf einen ruhigen Dienst hofft.

Diese Hoffnung bleibt leider unerfüllt, am späteren Abend kommt es zu einer erneuten Alarmierung mit dem Stichwort Brustschmerz. Langsam läuft Harald ans NEF und lässt sich auf den Beifahrersitz plumpsen, er wirkt in Sabines Augen müde und schon fast gar verlangsamt und verhangen. Auf der Fahrt sagt Harald etwas leise und undeutlich, dass er für den Patienten sehr hoffe, dass es nicht wieder eine Banalität wie beim Einsatz zuvor ist. Noch mehr als über diese Äußerung ist Sabine über etwas Anderes erschüttert: Riecht Harald etwa nach Alkohol? Oder ist es doch nur ein Deo bzw. Parfum? Sabine fällt an der Einsatzstelle angekommen auf, wie schwerfällig und behäbig sowie plump sich Harald bewegt. Diesmal handelt es sich um einen knapp sechzigjährigen Patienten mit einem NSTEMI-ACS. Harald fragt den Patienten wenig zielführend, ob ihn seine Arbeit so krank gemacht hätte. Ansonsten arbeitet er den Einsatz rasch und motivationslos ab. Er drängt die RTW-Besatzung sogar auf einen unbegleiteten Transport in die nächste Schwerpunktklinik, da er sich nicht wohl fühle und wieder ins Bett will. Sabine ist ziemlich ratlos: Was ist denn mit dem los? Auch auf der Rückfahrt bekommt Harald kaum seinen Mund auf, Sabine ist sich dennoch zunehmend sicher Alkoholgeruch wahr zu nehmen. Harald geht sofort wieder in seinen Ruheraum und schließt die Tür hinter sich ab.

DD Brustschmerz

An anderer Stelle wurde schon Einiges zum Akuten Koronarsyndrom (ACS) geschrieben, daher sei an dieser Stelle nur kurz an die Hitliste der häufigsten Differentialdiagnosen (DD) zum ACS bei Brustschmerz erinnert:

  • Lungenembolie

  • Aortendissektion

  • Pleuritis

  • Pleuropneumonie

  • Pneumothorax

  • Pankreatitis

  • Ösophagitis

  • Ulcus ventriculi/duodeni

  • Vertebragene Schmerzen (von der Wirbelsäule ausgehend)

  • Rippenfraktur

  • „Funktionelle“ Beschwerden

  • Myokarditis

  • Perikarditis

Gerade präklinisch können diese DD in der Regel weder bestätigt noch ausgeschlossen werden, aber es ist sehr hilfreich wenn möglichst frühzeitig begonnen wird durch eine differenzierte körperliche Untersuchung und fokussierte Anamnese Indizien zu sammeln.

OPQRST

Im Bereich der Notfallmedizin hat sich zur genaueren Schmerzbeschreibung das Akronym OPQRST etabliert, was hier nochmal kurz vorgestellt werden soll:

  • Onset: Wann war der Schmerzbeginn, kam er plötzlich oder langsam? Was wurde gerade bei Schmerzbeginn gemacht?

  • Provocation/Palliation: Wie kann man den Schmerz lindern oder verstärken? Gibt es eine Langerungsabhängigkeit?

  • Quality: Schmerzqualität stechend, dumpf, drückend oder brennend?

  • Radiation: Wo ist der Schmerz? Gibt es eine Ausstrahlung?

  • Severity: Subjektive Schmerzwahrnehmung auf einer Skala von 0–10

Time: Wie hat sich der Schmerz mit der Zeit verändert? Initialer Zerreissungsschmerz, Kolikschmerz oder Entzündungsschmerz?

Alkoholkrankheit [2]

Zur genaueren Betrachtung muss man zunächst zwischen einer akuten Alkoholintoxikation mit oder ohne Zusammenhang mit einer chronischen Alkoholabhängigkeit unterscheiden. Es ist extrem schwer zuverlässige Daten zur Häufigkeit beider Entitäten zu generieren, da bekanntlich nicht jede Alkoholintoxikation im Krankenhaus endet und es auch kein zentrales Register für Alkoholabhängigkeit mit lückenloser Erfassung gibt. Jedem ist aber klar, dass es kein seltenes Randphänomen im Gesundheitswesen ist. Es ist vielmehr weiterhin eine absolut ernst zu nehmende und bedrohliche Volkskrankheit. Allein in Deutschland versterben daran mindestens 16000 Menschen und es entsteht ein volkswirtschaftlicher Schaden von ca. 20 Milliarden Euro pro Jahr. Man muss annehmen, dass Mitarbeiter im Gesundheitswesen (und insbesondere Ärzte) ein überdurchschnittliches Risiko haben daran zu erkranken, paradoxerweise obwohl sie die schädlichen Auswirkungen besonders gut kennen. Elementar ist die Sucht als Krankheit an zu erkennen: So ist der Betroffene, so lange er sich nichts zu Schaden kommen lässt, nicht zu bestrafen sondern zu unterstützen sich in eine Behandlung zu begeben. Ist ein Drittschaden eingetreten, so muss dafür natürlich der Betroffene zur Rechenschaft gezogen werden.

Jeder Arbeitgeber im Gesundheitswesen sollte von vorn herein eine Strategie festlegen, wie sie mit betroffenen Mitarbeitern umgehen wollen und welche Hilfen wie angeboten werden können. Sehr wichtig, aber nicht zu erzwingen, ist ein guter sozialer Zusammenhalt in der Belegschaft, der das Benennen der Krankheit, welches ein großes Schamgefühl auslöst, häufig erst ermöglicht. Wie bei anderen Sucht- oder psychischen Erkrankungen auch, kann auch hier nur dazu aufgerufen werden pietätvoll die Vermutung gegenüber dem vermeintlich Betroffenen aus zu sprechen und ein Hilfsangebot zu unterbreiten. Nicht zu vermeiden ist trotz allen guten Bemühens, dass es eine unangenehme Situation für alle Beteiligten darstellt, was diesen zu Gute gehalten werden muss.

… das Ende des Falls

Glücklicherweise verläuft der Rest der Schicht ohne weiteren Einsatz. Hierüber ist auch Sabine sehr froh, denn sie ist von den Erlebnissen der letzten Stunden schockiert und zugleich ratlos. Wie soll sie damit bloß umgehen? Sollte sie Harald direkt darauf ansprechen oder gar eine formelle Meldung an den Rettungswachenleiter verfassen?

Was Sabine noch mehr bedrückt sind die traurigen Erinnerungen an den jungen Rettungsassistenten Patrick, der vor zwei Suizid begangen hatte. Die gesamte Belegschaft war damals von diesem Schicksalsschlag völlig überrumpelt und lange in einer Art Schockstarre verfallen. Niemand hatte damit gerechnet oder wußte von einer Depression. Im Nachhinein kamen mehrere etwaige Anzeichen zu Tage wie gedrückte Stimmung, sozialer Rückzug, viele Krankheitstage, etc.. Aber eigentlich gelang es Patrick (leider) lange gut seine Fassade zu wahren. Dass er sich dann mit Medikamenten von der Rettungswache, zu der jeder Mitarbeiter Zugang hat, selbst tötete war für die Kollegen eine besonderer Schock und man fragte sich, ob ein paar Fehlbestände im Medikamentendepot im Vorfeld der Selbsttötung auch schon in Zusammenhang mit Patricks Erkrankung standen.

5.2 Fallnachbetrachtung/Fallanalyse

Burnout

Zu diesem Thema wurden schon ganze Bücherregale voll Literatur verfasst und Burnout scheint in aller Munde zu sein. Häufig hat man den Eindruck, dass es auch zu einer Modediagnose verkommen ist. Damit tut man aber den wirklich Betroffenen unrecht, denn diese haben einen realen Leidensdruck. Klassische Zeichen sind ein ausgeprägtes Erschöpfungsgefühl und eine berufliche Resignation. Häufig sind die eigentlich hoch engagierten und motivierten Mitarbeiter betroffen, die die berufliche Tätigkeit in den Lebensmittelpunkt stellen. Dadurch bleibt für Ausgleichsaktivitäten kaum noch Zeit und innere Ressourcen. Einerseits sollte man die Betroffenen nicht stigmatisieren, andererseits sollte man die Beschwerden ernst nehmen und wirkungsvolle Massnahmen ergreifen. Hierzu ist zumeist eine zumindest temporäre Auszeit notwendig, begleitet ggf. durch eine Psychotherapie und/oder eine psychopharmakologische Unterstützung.

Depression

Einerseits lässt sich keine klare Grenze zwischen einem Burnout und einer Depression ziehen (insbesondere für den psychitarischen Laien), andererseits wird weiterhin heftig diskutiert, ob es wirklich ein Kontinuum zwischen Melancholie, Burnout bis zur Depression ist oder unterschiedliche Entitäten sind. Klassische Hinweise auf eine Depresssion ist die scheinbar verloren gegangene Möglichkeit sich über etwas zu freuen, häufig verbunden auch mit schwerwiegenden Schlafstörungen und insbesondere morgendlicher Antriebsstörung. Im Gegensatz zum Burnout gibt es hier keinen Zweifel, dass es sich um eine ernst zu nehmende und bedrohliche Erkrankung handelt, die dringend einer adäquaten Behandlung Bedarf. Hierzu ist eine regelmäßige Psychotherapie und Pharmakotherapie, ggf. im Rahmen einer anfänglich stationären Behandlung in einer psychiatrischen Einrichtung.

Suchterkrankung

Suchterkrankungen jeglicher Art (Alkohol, Drogen, Medikamente) sind keine Seltenheit und werden zu allermeist unterschätzt. Dazu trägt massgeblich bei, dass Suchterkrankungen noch mehr als Burnout & Co zu einem Tabuthema gehört. Gerade bei Alkohol ist zwischen Genußkonsum, schädlichem Konsum und Sucht ein schmaler Grat. Den wenigsten Betroffenen gelingt die Abstinenz ohne externe Hilfe, hinzu kommt auch die Gefahr eines Entzugssyndroms. Alkohol ist eine annähernd unlimitiert-zugängliche Volksdroge. Medikamente sowie die eigentlichen Drogen sind dagegen deutlich schwerer zu beschaffen. Mitarbeiter des Gesundheitswesens haben jedoch eine deutlich bessere Möglichkeit an Medikamente mit Suchtpotential zu gelangen. Ist eine Abhängigkeit entstanden sorgt das Suchtgefühl dann dazu, dass auch gesetzliche Regularien dann nicht mehr greifen. Wird der unberechtigte Gebrauch entdeckt und greifen die angedrohten Konsequenzen, kommt es häufig zu einer Eskalation der Situation, in der die Betroffenen maximal gefährdet sind ein selbstschädigendes Verhalten zu entwickeln. Konsequenterweise sind solche Patienten, denn Sucht ist eine unbestreitbar schwere Erkrankung, engmaschig zu betreuen. Langfristig sorgt der schädliche Medikamentengebrauch häufig dazu, dass die Tätigkeit im Gesundheitswesen nicht mehr oder nur unter strengen Kontrollauflagen ausgeübt werden kann.

Suizidalität

Aus unterschiedlichen Gründen (u.a. Depression, Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen, Psychosen) kann es zu selbstschädigendem Verhalten bis hin zu suizidellen Handlungen kommen. In Deutschland versterben deutlich mehr Menschen durch Selbsttötung als im Rahmen von Verkehrsunfällen. Häufig sagen Menschen aus dem persönlichen Umfeld des Betroffenen zunächst, dass die Handlung völlig plötzlich und unerwartet aufgetreten sei, retrospektiv findet man dann jedoch häufig doch Andeutungen oder Warnzeichen. Daher ist es dringend angezeigt gerade unter Angehörigen, Freunden und Kollegen jegliche Andeutungen ernst zu nehmen und diese offen an zu sprechen. Dies ist sicherlich und nachvollziehbarerweise eine unangenehme Situation für alle Beteiligten, aber vielleicht die letzte Möglichkeit einen unheilvollen Verlauf zu verhindern.

Besondere Umstände in der Akutmedizin

Gerade in der Akutmedizin mit zunehmender Arbeitsverdichtung, hoher Arbeitsbelastung, traumatisierenden Situationen, leichter Zugang zu Medikamenten sowie einem erweiterten Wissen zu Suizidmethoden besteht ein ausgeprägtes Risikoprofil für die oben genannten Erkrankungen. Jedoch besteht in der Akutmedizin auch eine ausgesprochen hilfreiche Ressource, nämlich der Kollegenkreis. „Akutmedizin ist eine Teamsportart“ – dies sollte nicht nur zu einer guten Performance der Gruppe führen, sondern auch zu einem gesteigerten Zusammenhalt und Achtsamkeit für die anderen Mitglieder der Gruppe. Auffälligkeiten sollten zunächst kollegial und offen angesprochen werden, wobei nur davor gewarnt werden kann ernst zu nehmende Situationen dann innerhalb der Gruppe ineffektiv zu vertuschen. Denn kommt es zu einer Eskalation, so sind die Selbstvorwürfe immens.