Arzneimittelvergiftungen sind häufig und erfolgen meist oral. Bei Erwachsenen dominieren suizidale Absichten, bei Kindern Unfälle. Nach Anamnese unter Berücksichtigung der „7W“ sollte eine primäre Giftelimination mittels Gabe von Adsorbenzien durchgeführt werden. Ist das Gift bereits resorbiert worden, erfolgt eine sekundäre Giftelimination. Repetitive Gabe von Adsorbenzien, forcierte Diurese, Dialyse und Plasmapherese kommen zur Anwendung, wobei die Wirksamkeit für verschiedene Arzneistoffe sehr unterschiedlich ist. Für einige Arzneistoffe gibt es Antidote. In den meisten Fällen bleibt die Therapie von Vergiftungen symptomatisch. Wegen der Häufigkeit von Arzneimittelvergiftungen spielen präventive Maßnahmen wie Polypharmazievermeidung, Einhaltung von Dosierungsschemata und das Erkennen suizidaler Tendenzen bei depressiven Patienten eine entscheidende Rolle.

Merksätze

  • Arzneimittelvergiftungen sind häufig, meist p.o. und meist in suizidaler Absicht.

  • 7W: Wer? Warum? Wann? Was? Welche Dosis? Welche Begleitumstände? Wie?

  • Die Sicherung der Vitalfunktionen und die primäre Giftelimination sind wichtig.

  • Bei erfolgter Giftresorption kommen sekundäre Gifteliminationsverfahren zum Einsatz.

  • Bei einigen Vergiftungen gibt es charakteristische Leitsymptome.

  • Bei einigen Vergiftungen gibt es Antidote.

  • Viele Vergiftungen können nur symptomatisch behandelt werden.

  • Die Vergiftungsprävention besitzt hohe Priorität.

1 Allgemeines zu Vergiftungen

In Deutschland gibt es ca. 250.000 Vergiftungsfälle pro Jahr, die zu 5–15 % der notfallmedizinischen Versorgungsfälle beitragen. Ca. 80 % dieser Vergiftungsfälle sind auf Arzneimittel zurückzuführen und bei 80 % aller Fälle liegt eine Intoxikation nach oraler Aufnahme vor. Bei Kindern dominieren akzidentelle Intoxikationen, bei Erwachsenen suizidale. Ca. 10 % aller Intoxikationen sind auf den Konsum von Drogen (z. B. Heroin, Cocain, Metamphetamin sowie CB1R-Agonisten) zurückzuführen, ca. 5 % der Fälle sind Folge exzessiven Alkoholkonsums. Dieses Kapitel fokussiert sich auf die Behandlung von Arzneimittelintoxikationen. Tab. 4.1 gibt eine Zusammenstellung wichtiger Arzneistoffgruppen, die Intoxikationen auslösen können, die dazugehörigen Leitsymptome und Behandlungsmaßnahmen.

Tab. 4.1 Leitsymptome, Behandlung und Antidote wichtiger Arzneimittelvergiftungen

Für die Behandlung von Vergiftungen ist die genaue Erhebung der Vergiftungsanamnese essentiell. Die 7W müssen beantwortet werden:

  1. 1.

    Wer hat das Gift eingenommen (Alter, Geschlecht)?

  2. 2.

    Warum ist das Gift eingenommen worden (Unfall, Suizid, Mordversuch, Medikationsfehler)?

  3. 3.

    Wann ist das Gift eingenommen worden? Die Beantwortung dieser Frage ist wichtig, um die Wirksamkeit primärer und sekundärer Gifteliminationsverfahren abschätzen zu können.

  4. 4.

    Was wurde eingenommen? Etwaige Umverpackungen, Blisterverpackungen mit fehlenden Tabletten, einzelne Tabletten, Beipackzettel und Medikationspläne müssen asserviert werden.

  5. 5.

    Welche Dosis wurde eingenommen? Dies lässt sich eventuell aus Punkt 4 rekonstruieren.

  6. 6.

    Welche Begleitumstände haben zur Vergiftung geführt? Zeitliche und örtliche Rekonstruktion der Intoxikation sowie sozialer Kontext können wichtige Informationen zur Ursache geben.

  7. 7.

    Wie wurde das Gift eingenommen? Meist liegt eine Intoxikation nach oraler Aufnahme vor, aber auch inhalative, transdermale, intravenöse oder nasale Intoxikationswege sind möglich und zu überprüfen.

Parallel zur Klärung dieser wichtigen Fragen müssen die Vitalfunktionen des intoxikierten Patienten (Atmung, Herz-Kreislauf-Funktion) gesichert werden. Wichtig ist der Eigenschutz des Arztes, damit er sich nicht selber vergiftet. Dies spielt jedoch weniger bei Arzneimittelvergiftungen als bei Gas- und Chemikalienintoxikationen eine Rolle. Weil viele Arzneimittel bei Überdosierung Übelkeit und Erbrechen auslösen, ist insbesondere die Aspirationsvermeidung durch Seitenlagerung essentiell.

Da viele Intoxikationen nur symptomatisch behandelt werden können, kommt der Prävention entscheidende Bedeutung zu. Die Grundregel, Arzneimittel für Kinder unzugänglich aufzubewahren (z. B. verschließbarer Schrank oberhalb der Reichweite von Kindern, Vermeidung der Aufbewahrung von Arzneimitteln in Küchen-, Badezimmer- oder Nachttischschränken) wird noch immer viel zu selten beachtet. Auch die exakte Einhaltung von Medikationsplänen gelingt in der Praxis zu selten. Es kann zu Fehlern von Seiten der Ärzte, Apotheker, Pflegekräfte, Angehörigen und der Patienten kommen. Klar formulierte schriftliche Einnahmepläne sowie Einnahmehilfen sind für die Vermeidung von Arzneimttelintoxikationen essentiell.

Wichtige präventive Maßnahmen zur Verhinderung einer Intoxikation stellen die unzugängliche Aufbewahrung von Arzneimitteln und klar formulierte und verständliche Einnahmepläne und -hilfen dar.

Eine Gruppe mit einem besonders hohen Intoxikationsrisiko sind Patienten mit psychischen Erkrankungen, insbesondere mit Depression (Kap. 28). Der behandelnde Arzt muss das Suizidrisiko im Gespräch mit dem Patienten erkunden. Bei hohem Suizidrisiko muss der Patient stationär aufgenommen werden bzw. engmaschig ambulant vom Arzt, Angehörigen und ggf. in geschlossenen Abteilungen überwacht werden.

Explizit formulierte Suizidgedanken sind grundsätzlich ernst zu nehmen!

Suizidalen Patienten dürfen niemals Großpackungen von Psychopharmaka in die Hände gegeben werden, da diese Arzneistoffe schwere Vergiftungen auslösen können (Tab. 4.1).

Auch die Berücksichtigung bestimmter Grunderkrankungen kann das Risiko von Arzneimittelintoxikationen verringern. So sollte das Notfallantihypertensivum NNP nicht bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz (CKD) eingesetzt werden, weil bei diesen Patienten das Risiko einer Zyanidintoxikation besonders groß ist (Kap. 12). Bei Lebererkrankungen sollte der Einsatz des in hoher Dosierung hepatotoxisch wirkenden Analgetikums Paracetamol nur sehr zurückhaltend erfolgen (Kap. 10). Bei Patienten mit Epilepsien muss der Einsatz von Theophyllin, Antipsychotika und Antidepressiva sehr vorsichtig und einschleichend geschehen, weil diese Arzneistoffgruppen Krampfanfälle auslösen oder verschlimmern können (Kap. 25).

Auch durch bestimmte Arzneistoffkombinationen können Intoxikationen hervorgerufen werden: Wird der PDE5-Inhibitor Sildenafil mit dem NO-Donator GTN kombiniert, kann es zu lebensbedrohlicher Hypotonie kommen (Kap. 9). Wird einem mit dem VKA Phenprocoumon behandelten Patienten gleichzeitig wegen eines bakteriellen Infektes Erythromycin verschrieben, können lebensbedrohliche Blutungen auftreten, weil Makrolidantibiotika die Phenprocoumoninaktivierung über CYP3A4 hemmen (Kap. 2 und 18). Deshalb ist es sehr wichtig, dass alle an der Behandlung eines Patienten beteiligten Haus- und Fachärzte über die komplette Arzneimittelliste des Patienten Bescheid wissen; dies betrifft auch Arzneimittel der Selbstmedikation.

2 Primäre Giftelimination

Ist das Zeitintervall zwischen Giftaufnahme und Eintreffen des Arztes nur kurz und sind die Vergiftungserscheinungen gering, ist eine primäre Giftelimination sinnvoll und häufig erfolgreich. Früher wurde häufig induziertes Erbrechen mit Ipecacuanha-Saft (Wirkeintritt nach 10 Minuten) oder D2R-Agonisten wie Apomorphin angewendet, aber das Risiko der Aspiration und Ösophagusverätzung ist sehr groß. Daher wird heute vor allem die Magenspülung mit isotoner Elektrolytlösung unter endotrachealer Intubation zur Aspirationsvermeidung durchgeführt. Zur Verhinderung vagaler Reaktionen wird Atropin i.v. gegeben (Kap. 5). Auch eine Darmspülung mit isotonen Elektrolytlösungen kommt infrage.

Bestandteil jeder Therapie von Arzneimittelvergiftungen ist die p.o.-Gabe von Aktivkohle (0,5–1 g/kg Körpergewicht), entweder mit iosotonen Getränken oder per Magensonde in isotoner Aufschwemmung. Aktivkohle ist porös und besitzt eine Adsorptionsfläche von 1000–2000 m2 pro g. Dadurch können die meisten Arzneistoffe unspezifisch gebunden und eliminiert werden. Aktivkohle wirkt nicht bei Vergiftungen mit organischen Lösungsmitteln, Säuren, Laugen und Salzen. Wird Aktivkohle nur mit Wasser statt mit isotonen Lösungen gegeben, besteht das Risiko hypotoner Elektrolytstörungen.

3 Sekundäre Giftelimination

Auch bei bereits erfolgter Arzneimittelresorption wird die Aktivkohletherapie fortgeführt. Aktivkohle adsorbiert Arzneimittel im Darm, die unverstoffwechselt oder verstoffwechselt über die Galle eliminiert wurden und durchbricht somit den enterohepatischen Kreislauf. Über eine Harnalkalisierung lässt sich die ASS-Ausscheidung (Kap. 10, 11 und 18) steigern. ASS ist eine schwache Säure und liegt im sauren Urin zum überwiegenden Anteil im protonierten und damit ungeladenen Zustand vor. Dadurch kann ASS über das Tubulusepithel in den Organismus zurückdiffundieren. Bei alkalischem pH ist ASS jedoch hauptsächlich im deprotonierten und negativ geladenem Zustand, kann daher nicht zurückdiffundieren und wird deshalb vermehrt ausgeschieden. Der Stimmungsstabilisator Lithium, der eine nur sehr geringe therapeutische Breite besitzt (Kap. 28), kann über eine Dialyse aus dem Körper eliminiert werden. Bei Arzneistoffen mit hoher Proteinbindung kann die Dialyse jedoch nicht angewendet werden. In diesen Fällen müssen spezielle Gifteliminationsverfahren angewendet werden. Bei der Plasmapherese werden Plasmaproteine über Membranen oder Zentrifugation vom Blut abgetrennt und durch entsprechende nicht mit Arzneistoff vergiftete Proteinpräparate substituiert. Beides sind sehr aufwändige und teure Verfahren, die nicht ohne Risiken sind.

4 Leitsymptome, Behandlung und Antidote wichtiger Arzneimittelvergiftungen

In vielen Fällen lassen sich die Symptome einer Arzneimittelvergiftung aus dem Wirkmechanismus ableiten (Tab. 4.1). Arzneistoffe mit einer geringen therapeutischen Breite haben ein besonders hohes Intoxikationsrisiko. Dazu gehören Lithium und Antidepressiva (Kap. 28), Antipsychotika (Kap. 29), T4 (Kap. 21), VKA (Kap. 18) und Na+/K+-ATPase-Inhibitoren (Kap. 16). Bei Lithium, Antipsychotika, Antidepressiva und Na+/K+-ATPase-Inhibitoren wird deshalb häufig TDM durchgeführt. Im Falle einer T4-Therapie wird die Schilddrüsenfunktion durch eine Bestimmung der TSH-Konzentration im Plasma überprüft, bei VKA erfolgt die Therapieüberwachung durch INR-Bestimmung.

In einigen Fällen spielt auch die Zugänglichkeit des Arzneistoffs eine Rolle für die Vergiftungshäufigkeit. Paracetamol ist in Packungsgrößen von bis zu 10 Tabletten mit jeweils 500 mg Arzneistoff nicht verschreibungspflichtig. Ein Patient kann sich aber ohne weiteres in mehreren Apotheken jeweils 5 g Paracetamol beschaffen. Wird der gesamte Inhalt zweier Packungen (10 g) eingenommen, kann eine schwere Leberintoxikation resultieren (Kap. 10). Die Paracetamolintoxikation beruht darauf, dass der Entgiftungsweg über Paracetamolkopplung an Glutathion erschöpft ist und deshalb verstärkt ein reaktiver hepatotoxischer Paracetamolmetabolit gebildet wird. Bei rechtzeitiger Erkennung einer Paracetamolintoxikation kann Acetylcystein i.v. gegeben werden. Es fungiert als Substitut für Glutathion und inaktiviert reaktive Metabolite. In Spätstadien der Paracetamolvergiftung bei bereits erfolgter Leberschädigung ist Acetylcystein wirkungslos.

Auch bestimmte H1R-Antagonisten sind als Hypnotika nur apothekenpflichtig, können aber durch MxR-Antagonismus ein antimuskarinerges Syndrom verursachen (Kap. 5 und 7). Ein antimuskarinerges Syndrom kann auch durch Atropin (z. B. Tollkirschenvergiftung), Scopolamin (unsachgemäße Anwendung von Pflastern zur Behandlung der Kinetose), Antipsychotika und Antidepressiva ausgelöst werden (Kap. 5, 6, 28 und 29).

Barbiturate, die die GABAAR-Aktivität allosterisch verstärken, sind wegen ihrer geringen therapeutischen Breite (Gefahr der Atemdepression), der fehlenden anxiolytischen Wirkung und des fehlenden Antidots bis auf Spezialindikationen aus der Arzneitherapie verschwunden (Kap. 25 und 27). Benzodiazepine hingegen, die ebenfalls GABAAR-Effekte allosterisch verstärken, werden wegen ihrer anxiolytischen, sedativen und muskelrelaxierenden Wirkung häufig angewendet. Im Vergleich zu Barbituraten besitzen Benzodiazepine ein geringeres Risiko für eine Atemdepression und ihre Wirkungen können durch den spezifischen Antagonisten Flumazenil rasch aufgehoben werden. Allerdings ist dieser nur kurz wirksam und muss ggf. wiederholt gegeben werden. Benzodiazepine können jedoch in Kombination mit Ethanol, der die GABAAR-Funktion ebenfalls allosterisch verstärkt, lebensbedrohliche Atemdepressionen hervorrufen (Kap. 25). Auch MOR-Agonisten wie Morphin, die in der Therapie schwerer Schmerzen große Bedeutung besitzen, können bei Überdosierung Atemdepression auslösen. In diesem Fall kann Naloxon als MOR-Antagonist eingesetzt werden. Hier ist wiederum die nur kurze Wirkdauer des Antagonisten zu beachten, sodass eine Atemdepression nach Abklingen der Naloxonwirkung wieder auftreten kann (Kap. 10).

Sehstörungen können maßgeblich zur Diagnose einer Arzneimittelvergiftung beitragen. Eine Miosis kann Ausdruck einer Morphinvergiftung sein; allerdings erweitern Heroinabhänge häufig die Pupillen mit atropinhaltigen Augentropfen, um ihre Heroinabhängigkeit zu verschleiern. „Blausehen“ ist typisch für eine Überdosierung des PDE5-Inhibitors Sildenafil (Kap. 9), während ein „Gelb-Grün-Sehen“ beweisend für eine Überdosierung von Na+/K+-ATPase-Inhibitoren ist (Kap. 16).

Als Antidot für akute Dyskinesien bei einer Überdosierung des Antiemetikums MCP (insbesondere bei Kindern, Kap. 2) und typischer Antipsychotika (speziell bei i.v.-Gabe, Kap. 29) kann der MxR-Antagonist Biperiden eingesetzt werden. MxR-Antagonisten können auch bei Überdosierung von AChE-Inhibitoren in der Therapie der Myasthenia gravis verwendet werden (Kap. 5).

T4-Intoxikation führt zu thyreotoxischer Krise (Kap. 21). Da T4 jedes Organ beeinflusst, liegt eine komplexe Symptomatik vor. Leider gibt es keinen T4-Rezeptorantagonisten, mit dem sich Intoxikationssymptome aufheben lassen. Aber selbst, wenn es einen solchen Antagonisten gäbe, wäre der Wirkeintritt verzögert, da T4 seine Wirkung über eine Veränderung der Gentranskription entfaltet. Immerhin kann man einen Großteil der kardiovaskulären Wirkungen von T4, die auf einer verstärkten β1AR-Expression beruhen, durch Gabe von β1AR-Antagonisten wie Metoprolol blockieren.

Der Wirkeintritt von Antidoten ist sehr unterschiedlich. Einige Antidote wie Atropin, Biperiden, Metoprolol und Naloxon, sind GPCR-Antagonisten und führen durch Kompetition mit den toxisch wirkenden Agonisten zum raschen Wirkungseintritt, insbesondere nach i.v.-Injektion (Kap. 1 und 2). Auch der AChE-Inhibitor Physostigmin wirkt beim antimuskarinergen Syndrom schnell (Kap. 5). Fab-Antikörperfragmente können rasch Na+/K+-ATPase-Inhibitoren abfangen, das positiv geladene Protamin inaktiviert durch Ionenpaarbindung schnell das negativ geladene Heparin, Antikörper gegen Thrombininhibitoren neutralisieren in kurzer Zeit den Thrombininhibitor und stellen damit die Thrombinfunktion wieder her (Kap. 18). Flumazenil zeigt bei einer Benzodiazepinintoxikation ebenfalls eine rasche Wirkung (Kap. 25). Andere Antidote wie Phytomenadion haben einen verzögerten Wirkungseintritt (Kap. 18). Im Falle gravierender Blutungen unter VKA-Therapie müssen daher Gerinnungsfaktoren i.v. substituiert werden, um die Zeit bis zur Resynthese carboxylierter Gerinnungsfaktoren zu überbrücken. Auch die Gabe von Folinsäure bei einer MTX-Intoxikation zeigt keinen sofortigen Effekt (Kap. 32).

Für die meisten Arzneimittelintoxikationen gibt es leider keine Antidote, sondern die Therapie muss sich an der Normalisierung von Organfunktionen orientieren: Eine Atemdepression muss mit Beatmung behandelt werden, Krampfanfälle mit Antiepileptika, Erregungszustände mit Benzodiazepinen, eine hypertensive Krise mit Antihypertensiva, Tachykardien mit β1AR-Antagonisten oder Calciumkanalblockern vom Diltiazem- oder Verapamiltyp, lebensbedrohliche Hypotonien mit EPI sowie Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution und Übelkeit mit Antiemetika.

Wichtig in der Vergiftungstherapie ist Bilanzierung des Flüssigkeits- und Elektrolythaushaltes. Sowohl Dehydratation (Gefahr von Thrombosen) als auch Hyperhydratation (Gefahr von Hypertonie, Nierenversagen, Lungenödem und Hirnödem) sind zu vermeiden. Eine Hyperkaliämie begünstigt Bradykardie, eine Hypokaliämie fördert Tachykardie (Kap. 17). Die Bilanzierung des Wasser- und Elektrolythaushaltes begünstigt die „natürliche“ Elimination toxischer Arzneistoffe über Leber und Niere.

Fallbeispiel

Bei einer Narkose im Rahmen einer Schieloperation an den Augenmuskeln einer 23-jährigen Frau tritt plötzlich eine Bradykardie auf, die von einem Assistenzarzt im ersten Ausbildungsjahr zum Anästhesisten mit einer Dosis von 20 mg Atropin i.v. behandelt wird. Eine übliche Atropindosis beträgt 1 mg.

Übungsfragen (zum Fallbeispiel)

  1. 1.

    Welche UAW sind bei einer solch hohen Atropindosis zu erwarten?

  2. 2.

    Gibt es ein Antidot für die Atropinvergiftung?

Lösungen Kap. 38