Zusammenfassung
Der Eid als Rechtsinstitut war in der mittelalterlichen Gesellschaft beinahe allgegenwärtig. Daher verwundert es nicht, dass auch in der Geschichte der Konfliktlösung die Leistung eines Eides eine prominente Rolle einnimmt. Eide wurden an vielen Stellen geleistet, beispielsweise vor Gericht. Grundsätzlich wird mit dem Eid selbst ein Vertrag geschlossen und durch den Schwur sakral aufgeladen. Dies kam auch in der Form des Eides zur Geltung, bei dem die rechte Hand erhoben sowie oft bestimmte Gegenstände berührt werden mussten (vgl. Ebel 1938). Eid ablegen konnte man im frühen und hohen Mittelalter zudem meist nicht allein, da man Eideshelfer benötigte, die meist auch aus der Verwandtschaft stammten und für die Einhaltung des Eides bürgten (Weitzel 2008). Der Eid hat also eine sakrale und transzendente Bedeutungskomponente (Prodi 1997). Dabei unterscheidet die rechtshistorische Forschung zwischen zwei Arten von Eiden, zwischen dem promissorischen Eid, der den Eidleister für die Zukunft an seinen Schwur bindet, und dem assertorischen Eid, der in Gerichtsprozessen zur Bekräftigung der Glaubwürdigkeit oder Wahrheit eingesetzt wurde (Prodi 1997, S. 14, der sich ebenda gegen eine solche Zweiteilung ausspricht). Dabei steht der Eid neben dem Schwur, mit dem im Mittelalter Städte und Adlige Friedensbündnisse wie z. B. den Schwäbischen Bund schlossen. In die Illegitimität gewendet steht die Verschwörung dem ordnungsgemäß geleisteten und gehaltenen Eid gegenüber. Beide, Eid und Schwur, weisen eine Nähe zum Fluch auf (Münzel-Everling 2008, S. 1249). Als Rechtsinstitut findet sich der Eid bereits früh, unter anderem im alten Orient (Koch 2008) und im politischen Leben Griechenlands (Eid des Achilles in der Ilias Homers; Marot 1924; Prodi 1997, S. 27), sowie im antiken Rom. In der mittelalterlichen Rechtsordnung kamen dem Eid vielfältige Funktionen zu. Dabei ist das gesamte Mittelalter hindurch der Huldigungseid von besonderer Bedeutung (Holenstein 1991), der die Bindung zwischen Lehensherrn und Lehensnehmer sowie zwischen Herren und Bauern bekräftigte. Aber auch für die Lösung von Konflikten oder, anders ausgedrückt, die Herstellung von Frieden, war der Eid zentral (Oexle 1996), womit ihm auch ganz allgemein für das Leben in den Gesellschaften des Mittelalters eine besondere Bedeutung zukam.
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Dirks, F. (2021). Der Eid in der Konfliktlösung. In: von Mayenburg, D. (eds) Konfliktlösung im Mittelalter . Handbuch zur Geschichte der Konfliktlösung in Europa , vol 2. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-56098-3_14
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