Zusammenfassung
Die Regelungstechnik – und allgemeiner die Automatisierungstechnik – beschäftigt sich mit der gezielten Beeinflussung des Verhaltens von (technischen) Systemen. Ein System ist dabei ein abgegrenztes Gebilde, das mit der Umgebung über physikalische Ein- und Ausgangsgrößen in Beziehung steht: Eingangssignale wirken von außen auf das System ein, und durch Ausgangssignale wirkt das System auf die Umgebung. Wir stellen uns die Aufgabe, die Eingangssignale so zu wählen, dass die Ausgangssignale gewünschtes dynamisches Verhalten aufweisen. Der Entwurf von Einrichtungen, die derartige Eingangssignale automatisch generieren, ist ein Hauptziel der Kapitel 38 bis 41. In Kapitel 38 wird die Aufgabenstellung zunächst veranschaulicht und präzisiert, sodann werden die Begriffe Steuerung und Regelung gegeneinander abgegrenzt und schließlich wird eine Einführung in die mathematische Modellierung dynamischer Systeme gebracht.
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Literatur
Deutschsprachige Bücher
Föllinger O (2016) Regelungstechnik, 12. Aufl. VDE-Verlag,
Lunze J (2016) Regelungstechnik 1, 11. Aufl. Springer,
Lunze J (2016) Regelungstechnik 2, 9. Aufl. Springer,
Geering P (2013) Regelungstechnik, 6. Aufl. Springer,
Horn M, Dourdoumas N (2003) Regelungstechnik. Pearson,
Englischsprachige Bücher
Franklin GF, Powell JD, Emami-Naeini A (2014) Feedback Control of Dynamic Systems, 7. Aufl. Pearson,
Ogata K (2009) Modern Control Engineering, 5. Aufl. Prentice Hall
Grundlagen zu Signalen, Systemen und zur Laplace-Transformation
Föllinger O (2011) Laplace-, Fourier- und z-Transformation, 10. Aufl. VDE-Verlag,
Oppenheim AV, Willsky AS, Hamid SN (2013) Signals and Systems, 2. Aufl. Pearson Education,
Puente León F, Kiencke U, Jäkel H (2010) Signale und Systeme, 5. Aufl. Oldenbourg,
Mathematische Grundlagen
Arens T, Hettlich F, Karpfinger C, Kockelkorn U, Lichtenegger K, Stachel H (2015) Mathematik, 3. Aufl. Springer,
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Appendices
Antworten zu den Verständnisfragen
Antwort 38.1
Ausgangsgröße ist – gemäß der in der Beschreibung des Windkanals durchgeführten Abgrenzung – der Winkel y der angeströmten Platte (Alternativ kann man auch die Strömungsgeschwindigkeit als Ausgangsgröße definieren und die angeströmte Platte als eine Messeinrichtung mit der Messgröße y betrachten.). Führungsgröße ist der Sollwert des Winkels y (bzw. der Sollwert der Strömungsgeschwindigkeit). Stellgröße ist die Motorspannung uM. Wird sie, wie in Abb. 38.5, durch einen Verstärker erzeugt, so kann man diesen auch der Strecke zuschlagen und die Steuerspannung u als Stellgröße auffassen. Mögliche Störungen sind (bewegte) Gegenstände im Luftstrom, veränderliche Lagerreibung der Platte, Fehlerspannung am Motor und weitere.
Antwort 38.2
Eine Regelung beinhaltet die Messung und Rückführung der Regelgrößen und erlaubt damit eine Reaktion auf im Modell nicht berücksichtigte Effekte, wie sie aus ungenau bestimmten Parametern oder externen Störungen resultieren.
a) Bohren mit der Bohrmaschine: Die Drehzahl sinkt beim Eintreten ins Material, reicht aber eventuell zum Bohren aus. Heben einer Last mit einem Kran: Ist die Last schwerer als erwartet, wird sie langsamer hochgegezogen.
b) Längs- und Querregelung beim Führen eines Autos: Die Abstände zum Vordermann („längs“) und zum Straßenrand („quer“) werden vom Fahrer oder einem Assistenzsystem laufend erfasst, mit Sollwerten verglichen, und es wird nötigenfalls über die Stelleingriffe Gas und Bremse bzw. Lenkrad korrigierend eingegriffen. Eine rein gesteuerte Blindfahrt wäre nur auf einem freien und sehr genau bekannten Parkour denkbar. Auch beim Einstellen der Wassertemperatur unter der Dusche fungiert der Mensch als Regler: Die empfundene Temperatur wird mit dem Wunsch verglichen, und durch Verstellen des Wasserhahns (Stellglied) wird korrigierend eingegriffen.
Antwort 38.3
Ja, denn die rechte Seite der Zustandsdifferenzialgleichung (38.7) ist eine Linearkombination der Zustandsvariable x und der Eingangsgröße uw. Man erhält:
(ein Störeingriff \(\boldsymbol{e}z\) ist nicht vorhanden). Sieht man die Regelgröße x als Ausgangsgröße an, so kommt
hinzu. A, b und cT sind hier Skalare, da die Systemordnung n = 1 ist.
Antwort 38.4
Für die Spannungen an den beiden Bauelementen gilt \(U_{\mathrm{R}}=RI\), \(\dot{U}_{\mathrm{C}}=\frac{1}{C}I\) bzw. \(I=C\dot{U}_{\mathrm{C}}\). Die Kirchhoff’sche Maschengleichung lautet dann:
Wegen \(U_{\mathrm{C}}=U_{\text{out}}\) resultiert also eine Differenzialgleichung vom PT1-Typ:
Antwort 38.5
a)
b)
Aufgaben
Im Folgenden finden Sie Aufgaben zu dem im Kapitel besprochenen Thema. Wenn es sich um Rechenaufgaben handelt, ist der Schwierigkeitsgrad angegeben (• leicht, •• mittel, ••• schwer), und eine Ergebniszeile zeigt das zu erwartende Ergebnis.
Die Lösungen zu allen Aufgaben finden Sie auf der Internetseite des Buches.
.1
• Zeichnen Sie das Blockschaltbild einer Zwei-Freiheitsgrade-Regelung. Erläutern Sie, welchem Zweck die Steuerungseinrichtung dient und welchem Zweck der Regler.
Hinweis:
Blättern Sie zum ersten Abschnitt dieses Kapitels zurück.
Resultat:
Das Blockschaltbild ist in Abb. 38.8 zu sehen. Bei der Zwei-Freiheitsgrade-Regelung überlagern sich die Ausgangssignale des Reglers und der Steuereinrichtung additiv zur Stellgröße u.
Regler: Der Regler erzeugt aus der Regelabweichung e (Führungsgröße w − Regelgröße y) einen Korrekturwert für die Stellgröße, mit dem Ziel, den Einfluss von Störungen z auf die Regelgröße y zu mindern.
Steuereinrichtung: Sie erzeugt aus der Führungsgröße w einen Stellgrößenanteil derart, dass y der Führungsgröße w(auch ohne Zutun des Reglers) möglichst gut folgt.
.2
•• Die Differenzialgleichung
soll als Blockschaltbild dargestellt werden. Bilden Sie dazu den Zusammenhang zwischen der Ausgangsgröße y(t) und der Eingangsgröße u(t) mithilfe der Elementarglieder nach Abb. 38.23ab, allerdings ohne ein Differenzier-Glied zu verwenden.
Hinweis:
Wenn eine Differenzialgleichung ein reales (technisches) System beschreibt, so sind die Variablen und Konstanten mit physikalischen Einheitenbehaftet. Gelegentlich werden diese Einheiten weggelassen, um die Darstellung übersichtlich zu halten, oder wenn – wie hier und in der nächsten Aufgabe – reine Zahlenbeispiele ohne physikalischen Hintergrund betrachtet werden.
Resultat:
.3
•• Ein Kennlinienglied sei beschrieben durch \(y(t)=3\sqrt{u(t)}\), und es sei bekannt, dass das Eingangssignal u(t) von seinem Arbeitspunktwert \(u^{*}=4\) im Betrieb nur wenig abweicht. Approximieren Sie das Kennlinienglied durch ein P-Glied, indem Sie eine Linearisierung im Arbeitspunkt durchführen.
Hinweis:
Sie können sich dabei am Kasten Linearisierung im Arbeitspunkt in Abschnitt 1.4 orientieren.
Resultat:
.4
•• Stellen Sie die Differenzialgleichung für das mathematische Pendel (d. h. mit masselos angenommenem Stab) in der Abbildung auf. Eingangsgröße sei die Kraft Fin, Ausgang der Winkel \(\varphi\). \(M_{\mathrm{R}}=-d\dot{\varphi}\) ist das viskose Reibmoment. Bestimmen Sie zunächst alle angreifenden Drehmomente. Linearisieren Sie anschließend das Modell um die Ruhelage \(\varphi=0\), indem sie die Kleinwinkelnäherung auf die trigonometrischen Ausdrücke anwenden. Geben Sie schließlich die Kenngrößen des daraus resultierenden PT2-Gliedes an.
Hinweis:
Drehimpulssatz: \(J\ddot{\varphi}=\sum M_{i}\).
Resultat:
Zur Bewegungsdifferenzialgleichung:
Trägheitsmoment des Pendels: \(J=ml^{2}\),
Tangentiale Kraft Ft an der Masse: \(F_{\mathrm{t}}=mg\sin\varphi\),
Rückstellmoment: \(M_{\mathrm{g}}=-mg\sin(\varphi)l\),
Dämpfmoment: \(M_{\mathrm{R}}=-d_{\mathrm{R}}\dot{\varphi}\),
Stellmoment: \(M_{\text{in}}=lF_{\text{in}}\).
Daraus folgt mithilfe des Drehimpulssatzes:
Linearisierung:
Kenngrößen des PT2-Gliedes: Durch Vergleich mit dem allgemeinen PT2-Glied liest man ab:
.5
••• Gegeben sei ein kegelförmiger Tank, der von oben mit Flüssigkeit befüllt werden kann und aus dem die Flüssigkeit unten (aus der Kegelspitze) durch eine kleine Öffnung mit Querschnittsfläche a aufgrund der Schwerkraft abfließt. Der Flüssigkeitsvolumenzufluss qe fungiere als Eingangsgröße und der Volumenabfluss qa als Ausgangsgröße. Die Abbildung zeigt den Flüssigkeitsanteil im kegelförmigen Gefäß. Dabei sind h(t) die aktuelle Füllhöhe und A die zugehörige kreisförmige Flüssigkeitsoberfläche mit Radius r. Ermitteln Sie für das System ein mathematisches Modell in Zustandsdarstellung. Zeichnen Sie dann das Blockschaltbild zu dem ermittelten mathematischen Modell.
Hinweis:
Für den Volumenabfluss kann angenommen werden \(q_{\mathrm{a}}(t)=a\sqrt{2gh(t)}\),
mit a: Abflussquerschnittsfläche
und g: Erdbeschleunigung.
Für das Kegelvolumen gilt allgemein \(V=\frac{1}{3}Ah\). Tipp: Drücken Sie V allein durch h und \(\varphi\) aus und betrachten Sie \(\dot{V}\).
Resultat:
.6
• Stellen Sie die Differenzialgleichung für das RLC-Glied in der Abbildung auf.
Hinweis:
Orientieren Sie sich am Vorgehen, das wir beim RC-Filter nach Abb. 38.27 praktiziert haben.
Resultat:
\(LC\ddot{U}_{\text{out}}+RC\dot{U}_{\text{out}}+U_{\text{out}}=U_{\text{in}}\).
.7
•• Leiten Sie aus der Differenzialgleichung des RLC-Glieds in der Abbildung erstens eine Zustandsdarstellung in Regelungsnormalform ab sowie zweitens eine Zustandsdarstellung, bei der Sie als Zustandsvariablen UC und I wählen.
Hinweis:
Bezüglich der Regelungsnormalform können Sie sich am Rechenweg von (38.40) zu (38.41), (38.42) oder am Ergebnis (38.66), (38.67) orientieren.
Resultat:
Zustandsdarstellung in Regelungsnormalform nach (38.44), (38.45):
bzw. in der Darstellung nach (38.66), (38.67):
Beide Darstellungen sind äquivalent (Der Faktor 1 ∕ LC wird beim Übergang von der ersten zur zweiten Variante vom Eingang an den Ausgang „verschoben“). Die Zustandsdarstellung mit den Zustandsvariablen UC und I lautet:
Die drei Zustandsdarstellungen unterscheiden sich in der physikalischen Bedeutung der Zustandsvariablen, sie beschreiben aber dasselbe Ein-/Ausgangsverhalten des betrachteten Übertragungsgliedes.
.8
•• Geben Sie die Zustandsdarstellung des elastischen Lagers nach Abbildung 38.30 mit dem Eingang FP und der von der Feder und dem Dämpfer in der Summe an den Boden übertragenen Kraft FB als Ausgang an. Wählen Sie als Zustandsvariablen die Auslenkung x und die zugehörige Geschwindigkeit \(\dot{x}\).
Hinweis:
Nutzen Sie das Ergebnis nach (38.34).
Resultat:
.9
••• Um das Federungsverhaltens eines Pkw zu untersuchen, soll ein einzelnes Federbein (Abbildung) im Zusammenwirken mit einem Viertel der Fahrzeugmasse als Zustandsraummodell dargestellt werden.
In der zweiten Abbildung sind die wesentlichen Elemente schematisch dargestellt: Das (unebene) Straßenprofil \(z_{\mathrm{S}}(t)\) wirkt über die Reifensteifigkeit cR und die Reifendämpfung dR beschleunigend auf das Rad der Masse mR. Dessen Bewegungen ihrerseits wirken über cA und dA beschleunigend auf die (Viertel-)Aufbaumasse mA. Geben Sie ein Zustandsraummodell an, wobei Sie als Zustandsvariablen wählen
Da bei diesem System das Verhalten mehrerer Variablen von Interesse ist, wählen Sie als Ausgangsgrößen:
Das Modell erhält also eine vektorielle Ausgangsgröße y und folglich eine Ausgangsgleichung der Gestalt \(\boldsymbol{y}=\boldsymbol{Cx}+\boldsymbol{d}u\). Die dynamische Radlast Fdyn bezeichnet dabei die Kraft, die von der Straße auf das Rad wirkt, also die Summe der Feder- und Dämpferkräfte des Reifens.
Hinweis:
Betrachten Sie nur Abweichungen aus der (nicht weiter interessierenden) Ruhelage; die Federn seien also entspannt für \(x_{\mathrm{A}}-x_{\mathrm{R}}=0\) bzw. \(x_{\mathrm{R}}-z_{\mathrm{S}}=0\). Mit der vorgeschlagenen Wahl der Zustandsgrößen ergibt sich als einzige Eingangsgröße des Systems die Störgröße Straßenprofilgeschwindigkeit \(\dot{z}_{\mathrm{S}}=z\), und die Zustandsdifferenzialgleichung hat die Gestalt \(\dot{\boldsymbol{x}}=\boldsymbol{Ax}+\boldsymbol{e}z\) (vergleiche 38.23).
Resultat:
Mit den Bilanzgleichungen
und der Definition der vier Zustandsvariablen folgt sofort:
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Lohmann, B. (2018). Begriffe und Modelle – Dynamische Systeme beschreiben. In: Skolaut, W. (eds) Maschinenbau. Springer Vieweg, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-55882-9_38
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