Zusammenfassung
Ein Ziel dieses Kapitels ist es zu zeigen, wie eine nicht direkt messbare Grösse aus Daten berechnet werden kann. Dazu braucht man, wie schon in Kap. 1 erklärt, ein Datenmodell, das beschreibt, wie die Daten streuen, und Vorinformation. Mit der Regel von Bayes kann daraus der Parameter bestimmt werden. Thomas Bayes, ein englischer Priester, hat sie um 1746 hergeleitet. Sie wurde im Jahr 1763 von Richard Price in [1] nach dem Tod Bayes veröffentlicht. Pierre-Simon Laplace entdeckte sie im Jahr 1812 in [4] neu und bemerkte, dass er mit Wahrscheinlichkeiten und der erwähnten Regel Plausibilitäten zu nicht direkt messbaren Grössen aus Astronomie, Natur- und Sozialwissenschaften berechnen konnte. Er benutzte sie unter anderem, um das Verhältnis zwischen Jungen- und Mädchengeburten mit einer Genauigkeitsangabe und einer Plausibilität zu bestimmen. (S. B. McGrayne schildert im Buch [5] detailliert, wie die Regel von Bayes entstanden ist und wie die Gültigkeit und Anwendbarkeit der Regel während 150 Jahren oft in Frage gestellt wurden. In der heutigen Wissenschaft spielt sie aber eine nicht mehr wegzudenkende Rolle.)
Zusammenfassung
Ein Ziel dieses Kapitels ist es zu zeigen, wie eine nicht direkt messbare Grösse aus Daten berechnet werden kann. Dazu braucht man, wie schon in Kap. 1 erklärt, ein Datenmodell, das beschreibt, wie die Daten streuen, und Vorinformation. Mit der Regel von Bayes kann daraus der Parameter bestimmt werden. Thomas Bayes, ein englischer Priester, hat sie um 1746 hergeleitet. Sie wurde im Jahr 1763 von Richard Price in [1] nach dem Tod Bayes veröffentlicht. Pierre-Simon Laplace entdeckte sie im Jahr 1812 in [4] neu und bemerkte, dass er mit Wahrscheinlichkeiten und der erwähnten Regel Plausibilitäten zu nicht direkt messbaren Grössen aus Astronomie, Natur- und Sozialwissenschaften berechnen konnte. Er benutzte sie unter anderem, um das Verhältnis zwischen Jungen- und Mädchengeburten mit einer Genauigkeitsangabe und einer Plausibilität zu bestimmen. (S. B. McGrayne schildert im Buch [5] detailliert, wie die Regel von Bayes entstanden ist und wie die Gültigkeit und Anwendbarkeit der Regel während 150 Jahren oft in Frage gestellt wurden. In der heutigen Wissenschaft spielt sie aber eine nicht mehr wegzudenkende Rolle.)
In diesem Augenblick rief Fünf, der schon dauernd ängstlich über den Garten hingeblickt hatte: „ Die Königin! Die Königin!“, und sogleich warfen sich die drei Gärtner flach auf die Erde. Das Geräusch von vielen Schritten wurde vernehmbar, und Alice wandte sich gespannt um.Lewis Carroll, Alice im Wunderland (Insel Taschenbuch, 1973, S. 81)
In diesem Augenblick rief Fünf, der schon dauernd ängstlich über den Garten hingeblickt hatte: „ Die Königin! Die Königin!“, und sogleich warfen sich die drei Gärtner flach auf die Erde. Das Geräusch von vielen Schritten wurde vernehmbar, und Alice wandte sich gespannt um.
Lewis Carroll, Alice im Wunderland (Insel Taschenbuch, 1973, S. 81)
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Notes
- 1.
Die Regel von Bayes und Laplace wird im Folgenden wie üblich Regel von Bayes genannt. Es war aber Laplace, der die Formel benutzte, um aus Daten zu lernen. Hier dazu ein Auszug aus [5]:
Weil er [Laplace mit der Regel von Bayes] es geschafft hatte, die Spieltheorie in praktische Mathematik zu übersetzen, dominierte sein Werk ein ganzes Jahrhundert lang die Wahrscheinlichkeitstheorie und die Statistik. Glenn Shafer von der Rutgers University Newark, New Jersey, formulierte es so: „Meiner Meinung nach geht alles auf die Arbeit von Laplace zurück. Und wir interpretieren das nur in Thomas Bayes hinein. Laplace hat es modern formuliert. In gewissem Sinn ist alles Laplace.“
- 2.
Es ist \(\mathbb{P}(B\;|\;A)\) proportional zu \(\mathbb{P}(A\;|\;B)\cdot\mathbb{P}(B)\) und für die Negation von B ist analog \(\mathbb{P}(B^{\text{nicht}}\;|\;A)\) proportional zu \(\mathbb{P}(A\;|\;B^{\text{nicht}})\cdot\mathbb{P}(B^{\text{nicht}})\). Bei beiden Gleichungen ist der Proportionalitätsfaktor gleich. Dividiert man daher die erste durch die zweite Gleichung, erhält man für die Chance \(\mathbb{O}(B\;|\;A)\)
$$\mathbb{O}(B\;|\;A)=\frac{\mathbb{P}(A\;|\;B)}{\mathbb{P}(A\;|\;B^{\text{nicht}})}\cdot\mathbb{O}(B)$$Der Nenner im ersten Faktor lässt sich mit dem Additionsgesetz umschreiben. Dies führt zu
$$\mathbb{O}(B\;|\;A)=\frac{\mathbb{P}(A\;|\;B)}{1-\mathbb{P}(A^{\text{nicht}}\;|\;B^{\text{nicht}})}\cdot\mathbb{O}(B)$$Diese Formel wird beim medizinischen Test zu OptiMAL benutzt.
- 3.
Dies ist bei den Stichprobenflächen sicher zu hinterfragen. Weil die Stichprobenflächen randomisiert gewählt wurden, ist die Unabhängigkeit wahrscheinlich.
- 4.
Die Beta-Verteilung mit Kennzahlen a und b hat die Dichtefunktion
$$\text{pdf}(x\;|\;a,b)=\frac{(a+b-1)!}{(a-1)!\cdot(b-1)!}\cdot x^{a-1}\cdot(1-x)^{b-1}\quad\text{ f{\"u}r }0\leq x\leq 1$$Der Quotient mit den Fakultäten bewirkt, dass die Fläche unter der Dichtefunktion eins ist. Er wurde schon von Bayes berechnet. Dabei ist \(k!\) das Produkt der ersten k natürlichen Zahlen: \(1!=1\), \(2!=1\cdot 2\), \(3!=1\cdot 2\cdot 3\). Man setzt \(0!=1\).
- 5.
Beispielsweise hat eine Voruntersuchung ergeben, dass bei zehn Flächen acht in Kategorie 1 waren. Die A priori-Verteilung von A ist dann \(\text{pdf}(A)\propto A^{2}\cdot(1-A)^{8}\).
- 6.
Man kann untersuchen, wie stark ein Resultat von der A priori-Verteilung abhängt. Dazu kann man verschiedene A priori-Verteilungen in die Regel von Bayes einsetzen. Man spricht auch von einer Sensitivitätsanalyse.
- 7.
Was genau der Standardfehler SE ist, wird in Kap. 14 erklärt. Die Approximationsformel folgt aus der Methode von Laplace, die jenem Kapitel vorgestellt wird. Obwohl sie sehr beliebt ist, können die Resultate schlecht sein. Auch erhält man bessere Resultate, wenn man zuerst den Posterior von A mit der logit-Transformation umwandelt, und anschliessend die Laplace-Methode benutzt.
Literatur
T. Bayes, R. Price: An essay towards solving a problem in the doctrine of chances. By the late Rev. Mr. Bayes. Phil. Trans., Roy. Soc. B, 53, 370–418 (1763)
Ch. Damur, J. Steurer, Beurteilen Ärzte Therapieergebnisse anders als Studenten? Schweiz Med Wochenschrift 130, 171–176 (2000)
H. Jeffreys, The Theory of Probability (Oxford University Press, 1961)
P.S. de Laplace, Théorie analytique des probabilités (Courcier Imprimeur, Paris, 1812)
S.B. McGrayne, Die Theorie, die nicht sterben wollte (Wie der englische Pastor Thomas Bayes eine Regel entdeckte, die nach 150 Jahren voller Kontroversen heute aus Wissenschaft, Technik und Gesellschaft nicht mehr wegzudenken ist) (Springer Spektrum, Springer Verlag Berlin Heidelberg, 2014)
A.W. Whitney, The theory of experience rating. Proc If Casualty Actuar Soc 4, 274–292 (1918)
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Bättig, D. (2017). Nicht direkt messbare Grössen bestimmen. In: Angewandte Datenanalyse. Statistik und ihre Anwendungen. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-54220-0_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-54220-0_5
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Publisher Name: Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg
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