Zusammenfassung
Die drei arbeitslosen polnischen Staatsbürger A, B und C aus Slubice saßen im Juni 2016 in einem Eiscafé in Frankfurt an der Oder und verabredeten folgende „Geschäftsidee“, mit der sie sich für die Zukunft eine dauerhafte Einkommensquelle erschließen wollten und die sie anschließend auch gemeinsam in die Tat umsetzten: Sie kauften bei privaten Anbietern in Polen und Tschechien, die sie über Autobörsen im Internet ausfindig machten, gebrauchte Fahrzeuge deutscher Markenhersteller mit hohen Kilometerständen zwischen 120.000 und 200.000 km zu Preisen von 2000 bis 5000 Euro auf, die äußerlich noch gut erhalten waren. Die Fahrzeuge wurden von ihnen sodann zur Werkstatt ihres gemeinsamen polnischen Freundes F in der Nähe der polnischen Stadt Poznań verbracht, der sie dort auf Bitten von A, B und C und gegen Zahlung einer Pauschale von 300 Euro pro Wagen noch einmal aufpolierte und mit Hilfe von technischem Gerät und der entsprechenden Computersoftware die eingebauten Wegstreckenzähler derart manipulierte, dass sie nur noch Kilometerstände zwischen 25.000 und 35.000 Kilometern aufwiesen. Von unbekannten Tätern verschafften sich A, B und C sodann gefälschte Papiere, mit deren Hilfe A gemäß dem gemeinsamen Tatplan insgesamt 30 Fahrzeuge bei verschiedenen Kfz-Zulassungsstellen in Deutschland zuließ. Mit deutschen Zulassungsbescheinigungen und deutschen Kennzeichen versehen fuhr A zurück ins polnische Slubice. Von dort aus wurden von A, B und C alle 30 Fahrzeuge als angeblich „ehemalige Mietwagen mit geringer Laufleistung“ zu Preisen zwischen 20.000 und 50.000 Euro an gutgläubige Kunden in Litauen und der Ukraine – allesamt litauische und ukrainische Staatsbürger – verkauft, die von diesen bei Übergabe in Litauen und der Ukraine vollständig in bar bezahlt wurden. Den Gewinn aus diesen Geschäften teilten A, B und C gleichmäßig unter sich auf.
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- 1.
Zu denken wäre beispielsweise an eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung in der Tatalternative des Gebrauchens einer unechten Urkunde (§ 267 I Alt. 3 StGB) durch die Vorlage der gefälschten Papiere bei den deutschen Kfz-Zulassungsstellen sowie eine mittelbare Falschbeurkundung nach § 271 I, III StGB durch die Erlangung der deutschen Zulassungsbescheinigungen.
- 2.
Angesichts der klar vorliegenden Beteiligungsform der Mittäterschaft ist auf die umstrittene Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme vorliegend nicht einzugehen; näher dazu etwa Krey/Esser, AT, Rn. 814 ff.; Rengier, AT, § 41; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 510 ff.
- 3.
Rengier, BT I, § 13 Rn. 156; Zöller, BT I, Rn. 176.
- 4.
Vgl. etwa BGHSt 16, 220 (221); 16, 321 (325); MüKo-Hefendehl, § 263 Rn. 1 ff.; SK-Hoyer, § 263 Rn. 1 ff.; Lackner/Kühl, § 263 Rn. 2.
- 5.
Schönke/Schröder-Lenckner/Perron, § 263 Rn. 120; Lackner/Kühl, § 263 Rn. 36a; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 485; Zöller, BT I, Rn. 178.
- 6.
Anders als etwa bei § 244 I Nr. 2 oder § 244a StGB ist allerdings nicht erforderlich, dass die Taten auch „unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds“ begangen werden.
- 7.
BGHSt 46, 321 (325 ff.); MüKo-Schmitz, § 244 Rn. 38; SK-Hoyer, § 244 Rn. 30; Fischer, § 244 Rn. 35; demgegenüber ließ die Rechtsprechung früher noch zwei Personen ausreichen; vgl. insofern BGHSt 23, 239; 38, 26 (27 f.).
- 8.
Vgl. BGHSt 1, 383; 49, 177 (181); BGH NStZ 2004, 265 (266); AnwK-Gaede, § 263 Rn. 177; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 230; da es bei der „Gewerbsmäßigkeit“ ausschließlich um den Willen des Täters geht, handelt es sich um ein rein subjektives Merkmal, dass infolgedessen im subjektiven Tatbestand zu prüfen ist.
- 9.
AnwK-Zöller, Vor § 3 Rn. 2; Ambos, IntStR, § 1 Rn. 9; Hecker, EuStR, Kap. 2 Rn. 3; Walter, JuS 2006, 870 (871); a. A. NK-Böse, Vor § 3 Rn. 51: Tatbestandsmerkmale.
- 10.
BGHSt 27, 30 (34).
- 11.
So etwa BGH StraFo 2013, 73; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Satzger, § 9 Rn. 5.
- 12.
BGHSt 39, 88 (90); BGH NStZ-RR 2009, 197; BGH StraFo 2012, 308 (309); OLG Karlsruhe StV 1998, 603 (604); LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 13, 69; MüKo-Ambos, § 9 Rn. 10; NK-Böse, § 9 Rn. 5; AnwK-Zöller, § 9 Rn. 6; Hecker, EuStR, Kap. 2 Rn. 3; Satzger, IntStR, § 5 Rn. 19; a. A. SK-Hoyer, § 9 Rn. 5; Valerius, NStZ 2008, 121 (123): Bestimmung für jeden Mittäter einzeln.
- 13.
BGH NStZ-RR 2009, 197.
- 14.
Vgl. AnwK-Zöller, § 9 Rn. 4.
- 15.
LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 67; NK-Böse, § 9 Rn. 3; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Satzger, § 9 Rn. 4.
- 16.
Wer dies unter Berufung auf BGH NStZ-RR 2009, 197 (gut vertretbar) anders sieht, gelangt naturgemäß zur Anwendbarkeit deutschen Strafrechts. Die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 263 V, 25 II StGB liegen dann unproblematisch vor. Die ebenfalls verwirklichte Strafbarkeit nach § 30 II i. V. m. § 263 V StGB tritt dann im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück.
- 17.
Vgl. dazu die vorstehenden Ausführungen unter A.
- 18.
Vgl. BGH NStZ 1982, 244; 1988, 406; 1993, 137 (138).
- 19.
BGH NStZ 2007, 697.
- 20.
AnwK-Waßmer, § 30 Rn. 17.
- 21.
AnwK-Zöller, § 9 Rn. 6.
- 22.
BGHSt 39, 88 (89 f.); MüKo-Ambos, § 9 Rn. 37; AnwK-Zöller, § 9 Rn. 6.
- 23.
Eine Strafbarkeit wegen Fälschung technischer Aufzeichnung nach dem – gemäß Bearbeitervermerk nicht zu prüfenden – § 268 StGB kommt demgegenüber nicht in Betracht, da die Anzeige des Kilometerstands in einem Kraftfahrzeug mangels selbständig verkörperter, vom Messgerät abtrennbarer Messanzeige keine technische Aufzeichnung i. S. v. § 268 II StGB und damit keinen tauglichen Tatgegenstand darstellt; vgl. etwa BGHSt 29, 204; LK-Zieschang, § 268 Rn. 5.
Hinweise auf Rechtsprechung und Literatur
BGHSt 39, 88 (Tatort bei mehreren Tätern und verschiedenen Handlungsorten)
BGH NStZ-RR 2009, 197 (Anwendbarkeit deutschen Strafrechts: Tatortbestimmung bei Vorbereitungshandlungen eines Mittäters)
BGH StraFo 2013, 73 (Erfolgsort einer Straftat bei Zwischenerfolgen)
Ambos, Internationales Strafrecht, 4. Aufl., 2014, § 1 Rn. 15 ff.
Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 7. Aufl., 2016, § 5 Rn. 12 ff.
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Zöller, M.A. (2017). Die polnische Autoschieberbande. In: Fallsammlung zum Europäischen und Internationalen Strafrecht. Juristische ExamensKlausuren. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-54021-3_5
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