Zusammenfassung
Am 18.10.2007 genehmigte das zuständige deutsche Amtsgericht im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln den Einsatz von verdeckten Ermittlern gegen S. Die Polizei beschloss, über B, einen guten Freund und Geschäftspartner von S, den gewünschten Kontakt zwischen S und den verdeckten Ermittlern V1 und V2 herzustellen. B war zum damaligen Zeitpunkt weder vorbestraft noch bestand gegen ihn ein Anfangsverdacht hinsichtlich einer Verwicklung in die von S betriebenen Betäubungsmittelgeschäfte. Ab dem 16.11.2007 bemühten sich V1 und V2 um eine Kontaktaufnahme zu B. Sie suchten ihn in dem von ihm geführten Restaurant auf und gaben vor, zum Betrieb eines Clubs eine Immobilie kaufen zu wollen. Daraufhin bot B den verdeckten Ermittlern mehrere Immobilien an und besichtigte diese auch mit ihnen. Später stellte B zwecks Organisation eines internationalen Schmuggels von Zigaretten den Kontakt zwischen den verdeckten Ermittlern und S her. Nachdem V1 dem B am 23.1.2008 mitteilte, dass er das Risiko, beim Zigarettenschmuggel erwischt zu werden, in Anbetracht der zu erwartenden Profite für zu groß halte, gab B zu erkennen, dass S sowie andere ihm bekannte Personen auch mit Kokain und Amphetamin handeln würden. B betonte jedoch, dass er selbst mit dem Rauschgifthandel nichts zu tun haben, sondern für seine Vermittlungsbemühungen lediglich eine entsprechende Provision kassieren wolle. Die verdeckten Ermittler zeigten sich daran interessiert, Rauschgift zu transportieren und zu kaufen. Am 1.2.2008 erklärte B, der von V1 angerufen worden war, diesem gegenüber jedoch, dass er an anderen Geschäften als dem Betrieb seines Restaurants nicht mehr interessiert sei. Am 7.2.2008 weitete das Amtsgericht in Anbetracht der Aussagen, die B am 23.1.2008 gegenüber V1 gemacht hatte, die Genehmigung des Einsatzes der verdeckten Ermittler auch auf B als Zielperson aus. Am 8.2.2008 suchte V1 den B in seinem Restaurant auf und zerstreute dessen Misstrauen gegenüber den verdeckten Ermittlern sowie seine Furcht vor einer Freiheitsstrafe im Fall einer Entdeckung des Rauschgiftgeschäfts. Daraufhin fuhr B mit der Organisation eines solchen Geschäfts fort. Die verdeckten Ermittler sollten am 16.2.2008 250 kg Amphetaminpaste und 40 g Kokain von S erwerben. An diesem Tag wurden B und S nach Lieferung des Rauschgifts an die verdeckten Ermittler von deutschen Polizeibeamten festgenommen. Für die Vermittlung des Geschäfts zwischen S und den verdeckten Ermittlern sollte B von S eine Provision in Höhe von 50.000 EUR erhalten.
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- 1.
Vgl. Esser, IntStR, § 9 Rn. 68; Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 13 Rn. 18 m. w. N.
- 2.
EGMR v. 23.10.2014, 54648/09 Nr. 47, NJW 2015, 3631 (3632) – Furcht/Deutschland.
- 3.
EGMR (Große Kammer) v. 5.2.2008, 74420/01 Nr. 54, NJW 2009, 3565 (3566) – Ramanauskas/Litauen; EGMR v. 23.10.2014, 54648/09 Nr. 48, NJW 2015, 3631 (3633) – Furcht/Deutschland.
- 4.
Vgl. etwa Petzsche, JR 2015, 88 (90); Sinn/Maly, NStZ 2015, 379 (380).
- 5.
EGMR v. 23.10.2014, 54648/09 Nr. 50 ff., NJW 2015, 3631 (3633) – Furcht/Deutschland; krit. zu diesen Kriterien Sinn/Maly, NStZ 2015, 379 (381).
- 6.
EGMR v. 4.11.2010, 18757/06 Nr. 38 – Bannikova/Russland; EGMR v. 23.10.2014, 54648/09 Nr. 50, NJW 2015, 3631 (3633) – Furcht/Deutschland.
- 7.
EGMR v. 23.10.2014, 54648/09 Nr. 56, NJW 2015, 3631 (3634) – Furcht/Deutschland.
- 8.
EGMR v. 9.6.1998, 44/1997/828/1034 Nr. 38, NStZ 1999, 47 (48) – Teixeira de Castro/Portugal; EGMR (Große Kammer) v. 5.2.2008, 74420/01 Nr. 56, NJW 2009, 3565 (3566) – Ramanauskas/Litauen; EGMR v. 23.10.2014, 54648/09 Nr. 51, NJW 2015, 3631 (3633) – Furcht/Deutschland.
- 9.
EGMR v. 4.11.2010, 18757/06 Nr. 42 – Bannikova/Russland; EGMR v. 23.10.2014, 54648/09 Nr. 51, NJW 2015, 3631 (3633) – Furcht/Deutschland.
- 10.
EGMR v. 4.11.2010, 18757/06 Nr. 47 – Bannikova/Russland; EGMR v. 2.10.2012, 23200/10 Nr. 92 – Veselov u.a./Russland; EGMR v. 23.10.2014, 54648/09 Nr. 52, NJW 2015, 3631 (3633) – Furcht/Deutschland.
- 11.
EGMR v. 23.10.2014, 54648/09 Nr. 53, NJW 2015, 3631 (3633) – Furcht/Deutschland.
- 12.
Vgl. Petzsche, JR 2015, 88 (90 f.), die die Frage der Beweislastverteilung sogar als „prozessualen Test“ einstuft.
- 13.
EGMR v. 29.3.2006, 36813/97 Nr. 179, NJW 2007, 1259 (1263) – Scordino/Italien; EGMR v. 23.10.2014, 54648/09 Nr. 62, NJW 2015, 3631 (3634) – Furcht/Deutschland.
- 14.
EGMR v. 29.3.2006, 36813/97 Nr. 186, NJW 2007, 1259 (1263) – Scordino/Italien; EGMR v. 23.10.2014, 54648/09 Nr. 63, NJW 2015, 3631 (3634) – Furcht/Deutschland.
- 15.
Sinn/Maly, NStZ 2015, 379 (381).
- 16.
Offengelassen von EGMR v. 23.10.2014, 54648/09 Nr. 66, NJW 2015, 3631 (3635) – Furcht/Deutschland.
- 17.
Vgl. nur EGMR v. 24.4.2014, 6228/09 Nr. 117 – Lagutin u.a./Russland; EGMR v. 23.10.2014, 54648/09 Nr. 64, NJW 2015, 3631 (3634) – Furcht/Deutschland.
- 18.
S. dazu auch die Ausführungen zu Aufgabe 2.
- 19.
EGMR v. 24.4.2014, 6228/09 Nr. 117 – Lagutin u.a./Russland; EGMR v. 23.10.2014, 54648/09 Nr. 69, NJW 2015, 3631 (3635) – Furcht/Deutschland.
- 20.
Petzsche, JR 2015, 88 (89).
- 21.
Aus jüngerer Zeit etwa BGHSt 45, 321 (325 f); 47, 44 (51); BGH NStZ 2014, 277; dazu Jahn, JuS 2014, 371 ff.
- 22.
So beispielsweise noch BGH NJW 1981, 1626 (1627).
- 23.
BGH NJW 2016, 91 (95); Sommer, StraFo 2014, 508 (510); Meyer/Wohlers, JZ 2015, 761 (764 ff); Pauly, StV 2015, 411 (412); Petzsche, JR 2015, 88 (89); Sinn/Maly, NStZ 2015, 379 (381 f.).
- 24.
BVerfG (2. Kammer des Zweiten Senats) NJW 2015, 1083; dazu Jäger, JA 2015, 473 ff.; Jahn, JuS 2015, 659 ff.
- 25.
Zu Recht krit. demgegenüber Jäger, JA 2015, 473 (475).
- 26.
BGH NStZ 2015, 541 (543).
- 27.
BGH NJW 2016, 91; dazu Lochmann, StraFo 2015, 492 ff.; Eidam, StV 2016, 129 ff.; Jäger, JA 2016, 308 ff.; Mitsch, NStZ 2016, 57 f.
- 28.
Vgl. etwa Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 288; Kempf, StV 1999, 128 (130); Sinner/Kreuzer, StV 2000, 114 (116 f.); Gaede/Buermeyer, HRRS 2008, 279 (285 f); Esser, Auf dem Weg zu einem europäischen Strafverfahren, 177.
- 29.
Diese Schwierigkeiten betreffen insbesondere die Problematik der Fernwirkung eines solchen Beweisverwertungsverbotes; vgl. BGH NJW 2016, 91 (95 f.); Petzsche, JR 2015, 88 (91).
- 30.
So i. Erg. auch Petzsche, JR 2015, 88 (89).
- 31.
Fischer/Maul, NStZ 1992, 7 (13); Kinzig, StV 1999, 288 (292).
- 32.
Roxin, JZ 2000, 369 (370); demgegenüber wollen Sinn/Maly, NStZ 2015, 379 (382 f.) § 60 StGB anwenden, da das staatliche Fehlverhalten zu einer „Strafreduzierung auf Null“ führe. Ob diese Lösung, die nach wie vor auf der Strafzumessungsebene angesiedelt ist und damit eine Verwertung der durch die Lockspitzel erlangten Beweise voraussetzt, allerdings mit den Vorgaben des EGMR vereinbar ist, erscheint fraglich.
Hinweise auf Rechtsprechung und Literatur
EGMR NJW 2015, 3631 (Furcht/Deutschland)
BVerfG NJW 2015, 1083 (Verurteilung trotz rechtsstaatswidriger Tatprovokation)
BGH NJW 2016, 91 (Rechtsstaatswidrige Tatprovokation durch Verdeckten Ermittler – Verfahrenshindernis)
Jahn/Kudlich, Rechtsstaatswidrige Tatprovokation als Verfahrenshindernis: Spaltprozesse in Strafsachen beim Bundesgerichtshof, JR 2016, 54 ff.
Lochmann, Die Entwicklung der Rechtsprechung zur rechtsstaatswidrigen Tatprovokation, StraFo 2015, 492 ff.
Sinn/Maly, Zu den strafprozessualen Folgen einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation – zugleich Besprechung von EGMR, Urt. v. 23.10.2014 – 54648/09 (Furcht v. Germany), NStZ 2015, 379 ff.
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Zöller, M.A. (2017). Die unfairen Lockspitzel. In: Fallsammlung zum Europäischen und Internationalen Strafrecht. Juristische ExamensKlausuren. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-54021-3_18
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