Zusammenfassung
Durch seine homoerotischen Sexszenen hat Abdellatif Kechiches Gewinnerfilm des Goldenen Löwen in Cannes 2013 Blau ist eine warme Farbe wie kaum ein anderer Publikum, Filmschaffende, Kritiker und Medien polarisiert. Die künstlerische Auseinandersetzung mit lesbischer Liebe und Lust provozierte nicht nur einen Schlagaustausch zwischen konservativen und progressiven Kräften, sondern im Nachhinein – und das ist ungewöhnlich – auch einen öffentlich ausgetragenen Streit zwischen den beiden Hauptdarstellerinnen auf der einen und dem Regisseur auf der anderen Seite sowie zusätzlich zwischen den Filmbeteiligten und der Autorin der Filmvorlage: ein Hinweis, wie sehr das Liebesdrama auch den Mitwirkenden unter die Haut ging und ein immer noch aktuelles gesellschaftliches Tabu berührt. Dass die »Auflösung« der Sexszenen, sozusagen ihre Legitimation, erst im letzten Drittel des Films erfolgt, mag die heftigen Reaktionen des Publikums erklären: Denn erst in dieser späten Phase des Leinwanddramas offenbart sich die verstörende Beziehungsgeschichte eines lesbischen Paars in ihrer ganzen kathartischen Dimension.
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Notes
- 1.
Ich bedanke mich bei Dr. Marius Neukom für den Literaturhinweis im Rahmen seiner Fallanalyse am Institut für Psychodynamische Organisationsentwicklung + Personalmanagement Düsseldorf e. V. (POP).
- 2.
Als Queer Studies wird eine interdisziplinäre kulturwissenschaftliche Forschungsrichtung bezeichnet, die sexuelle Identitäten kritisch untersucht. Die Queer Studies entwickelten sich seit Ende der 1980er Jahre in den USA aus den Gay and Lesbian Studies (schwul-lesbische Studien), weiteten aber deren eingeschränkte Perspektive auf Homosexualität auf alle Arten von Sexualität und sexuellem Begehren aus (Wikipedia a).
Literatur
Kernberg O (1998) Liebesbeziehungen. Normalität und Pathologie. Klett-Cotta, Stuttgart
Maroh J (2016) Blau ist eine warme Farbe. Splitter Verlag, Bielefeld
Morgenthaler F (1994) Homosexualität, Heterosexualität, Perversion. Psychosozial, Gießen
Quindeau I (2008) Verführung und Begehren. Die psychoanalytische Sexualtheorie nach Freud. Klett-Cotta, Stuttgart
Rauchfleisch U (2002a). Historischer Abriß. In: Rauchfleisch U, Frossard J, Waser G, Wiesendanger K, Roth W (Hrsg) Gleich und doch anders. Psychotherapie und Beratung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und ihren Angehörigen. Klett-Cotta, Stuttgart, S 15–37
Rauchfleisch U (2002b) Coming-out, ein lebenslanger Prozeß. In: Rauchfleisch U, Frossard J, Waser G, Wiesendanger K, Roth W (Hrsg) Gleich und doch anders. Psychotherapie und Beratung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und ihren Angehörigen. Klett-Cotta, Stuttgart, S 38–51
Roth W (2002) Übertragung und Gegenübertragung in der therapeutischen Beziehung. In: Rauchfleisch U, Frossard J, Waser G, Wiesendanger K, Roth W (Hrsg) Gleich und doch anders. Psychotherapie und Beratung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und ihren Angehörigen. Klett-Cotta, Stuttgart, S 124–135
Schäfer J (1999) Vergessene Sehnsucht: Der negative weibliche Ödipuskomplex in der Psychoanalyse. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen
Sedgwick E Kosofsky (1999) A Dialogue on Love. Beacon Press, Boston MA
Sevens H (2011) »Wehe, wehe Klarsehn!« Mark Rothko und der Schmerz der Erkenntnis – Eine mögliche Lesart. Agora 17(20)45–50
West-Leuer B (2007) »New Realities«. eXistenZ von David Cronenberg und Mulholland Drive von David Lynch: Wenn äußere Realität und psychische Realität nicht unterschieden werden. Psyche – Z Psychoanal 61:1241–1254
West-Leuer B (2009) Brokeback Mountain von Ang Lee (2005). Eine psychoanalytische Rekonstruktion des Kriminalfalls: »Who´s done it?« Psyche – Z Psychoanal 63:1231–1243
Internetquellen
Feige M (2004) Überlegungen zu den Farben Blau und Gelb in Träumen – Die Bedeutung der Farben in Äußerungen des Unbewussten. http://www.uni-koeln.de/zentral/senioren/AK_Archiv/Vortrag_Feigel_13.12.pdf. Zugegriffen am 15. Aug 2016
Lehnartz S (2013) »Er wollte sehr intensive Sexszenen machen.« http://www.welt.de/kultur/kino/article123197639/Er-wollte-sehr-intensive-Sexszenen-machen.html Zugegriffen am 16. Aug 2016
Wikipedia a. https://de.wikipedia.org/wiki/Blau_ist_eine_warme_Farbe. Zugegriffen am 15. Aug 2016
Wikipedia b. https://de.wikipedia.org/wiki/Queer_Studies. Zugegriffen am 5. Sept 2016
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West-Leuer, B. (2017). Gibt es denn eine bessere Farbe als Blau?. In: Laszig, P., Gramatikov, L. (eds) Lust und Laster. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-53715-2_23
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